Es dauert nicht lange, bis ich Vahagns Bruder als jenen zu identifizieren wusste. Erstens kam mir die Stimme sofort bekannt vor und zweitens war der recht fröhliche Ton dabei auch ziemlich unverkennbar. Aber im ersten Moment schenkte ich ihm mit Ausnahme meiner Ohren nicht wirklich Beachtung, lagen meine Augen doch vorerst einige Sekunden lang auf seiner Schwester, die wie ein Häufchen Elend in den Armen des Handlangers unweit von Iljah hing. Ich wünschte mir augenblicklich, dass sie gar nicht erst nach Italien zurückgeflogen wäre und mein doch recht sorgenvoller Blick spiegelte das sicher auch wieder. Ich tat mir schwer damit meine Augen wieder von der jungen Frau abzuwenden, sah letztlich dann aber doch zurück zu ihrem Bruder und kam ihm unten an der Treppe noch zwei, drei Schritte entgegen, um ihm letztlich zur Begrüßung meine Hand zu reichen. Im Gegensatz zu vielen anderen von Hunters Handlangern hatte ich meine Manieren bei meiner Tätigkeit nicht irgendwann auf der Strecke gelassen, sondern wusste jene durchaus noch anzuwenden. Auch, wenn mich das hier jetzt wieder ein kleines bisschen umständlich auf einem Bein stehen ließ. "Tauren... Hey.", stellte ich mich des Anstandes wegen auf Englisch erst noch einmal in Person vor, ehe ich mich nach dem kurzen Handschlag zurück auf die Krücke stützte. Ich hoffte wirklich, dass ich das nervige Teil bald mal los war. Nicht nur, dass sie an sich schlichtweg wahnsinnig lästig im Alltag war, ich wollte auch einfach mal wieder normal gehen können. So richtig mit zwei Beinen und dabei zumindest eine einzige, freie, funktionstüchtige Hand haben. Wäre immerhin mal ein ganz angenehmer Anfang. "Aber ich bin kein Kubaner, also bleiben wir lieber bei Englisch.", musste ich den jungen Mann dahingehend leider enttäuschen. Die simple spanische Begrüßung war mir zwar geläufig, weil das nun mal absolut gängige Worte in jener Sprache waren, aber das war es dann auch schon ziemlich mit meinen Spanischkenntnissen gewesen. War was das anging ganz gut, dass ich jetzt viel Zeit dazu hatte mir jene Sprache noch anzueignen, bevor ich hier auf der Insel wieder ins Berufsleben startete. Vorausgesetzt ich konnte mich darauf auch konzentrieren, jetzt wo die junge Frau das selbe Haus wie ich beziehen würde. Kurzzeitig lächelte ich Iljah auch etwas entschuldigend an, bevor mein Blick wieder auf Vahagn fiel. Vielleicht war sie manchmal ziemlich fies, aber das hatte sie nun wirklich nicht verdient. Sie war ja locker so schlimm dran wie ich, als ich aus dem Italiener-Sumpf wieder aufgetaucht war - mal abgesehen von einem zerschlagenen Gesicht - und das wünschte ich absolut Niemanden. Der hübschen Brünetten erst recht nicht. "Danke, dass du sie hergebracht hast. Gibt's Irgendwas, worauf ich Acht geben muss..?", hakte ich kurz nachdem ich meinem Gegenüber meinen Dank ausgesprochen hatte nach, wobei ich die Augen aber nicht von Ashton abwendete, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte dem armen Kerl, der die Brünette noch immer festhielt, zu bedeuten, dass er sie bei Bedarf ruhig schon mal im Auto absetzen konnte, damit ihm nicht die Arme abfielen. Ich beobachtete das Szenario mit akribischem Blick, damit der Kerl ihr auch ja nicht den Kopf an irgendeiner Ecke des Türrahmens anschlug. Beziehungsweise ich ihm auch - zumindest gedanklich, viel mehr würde ich mir hier und jetzt wohl besser nicht erlauben - einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen konnte, damit er aufhörte die wertvolle Fracht noch weiter zu beschädigen. Sie war schließlich auch ohne eine weitere Beule am Kopf oder einen Bluterguss am Bein mehr schon übel genug dran. Ich drehte den Kopf langsam wieder in Iljahs Richtung und sah ihn abwartend an. Meine Frage war überwiegend dahingehend gestellt, was sie an Medikamenten bekommen hatte, weil ich sie nicht mit irgendwelchen Schmerzmitteln killen wollte, nach denen sie unter Umständen wider besseren Wissens verlangen würde. War wohl gut, dass die Brünette mir was das anging momentan kaum entgegenhalten können würde und sich einfach dem zu fügen hatte, was ich für richtig erachtete. Womöglich hatte sie auch irgendeine Wunde davon getragen, auf die ich ganz besonders Acht geben sollte, weil sie besonders unschön war. Oder Dreck abbekommen hatte, sich unter Umständen trotz Desinfektion entzünden könnte - all sowas eben, ich wollte lieber gefragt haben und auf der sicheren Seite sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gott, also manchmal wollte ich einfach nicht glauben, dass Iljah und ich wirklich verwandt sein sollten, so unterschiedliche Charaktereigenschaften hatten wir über die hinweg Jahre entwickelt. Dahingehend kamen wir wohl streng getrennt nach dem jeweiligen Elternteil, wie mir gerade so auffiel. Meine Mutter war auch immer eher der verhaltene Typ Mensch gewesen und hatte nur selten jemanden an sich heran gelassen, während mein Vater ein weltoffener, lebensfroher Mann gewesen war, der - meiner Meinung nach - viel zu früh von uns gehen musste. Sein Tod hatte wohl auch maßgeblich dazu beigetragen, dass ich meinen angeborenen eisigen Mantel seitdem noch sehr viel seltener von den müden Schultern streifte, als ich das ohnehin schon getan hatte. Iljah hingegen... ja, er war in geschäftlicher Hinsicht auch nicht zu verkennen. Wusste, wovon er sprach und war Alles in Allem ein guter Verhandlungspartner, der auch seine Männer gut dressiert hatte, aber privat... stand ich manchmal einfach auf und ging, weil er mir zu anstregend wurde. Das hätte ich im Übrigen auch jetzt sehr gerne getan, aber in der Hinsicht war ich ja leider etwas verhindert - ha ha. Also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als dem dummen Gelaber zumindest ein halbes Ohr zu schenken, während ich anderweitig für einen kurzen Augenblick mit dem jungen Mann kommunizierte, in dessen Armen ich gerade hing. Alexej war sein Name, zumindest hatte er sich in unserer Muttersprache so vorgestellt und ich nickte diese Information lediglich kurz ab, bevor ich meinen Kopf mit einem leisen, nicht minder schmerzverzerrten Seufzen wieder gegen seine Brust lehnte und dem Gespräch meines Bruders und Tauren folgte. "Iljah, freut mich, dich kennen zu lernen. Dass du nicht von hier kommst, enttäuscht mich beinahe ein bisschen. Dann hätte ich mir das Nachschlagen einer spanischen Begrüßung ja auch schenken können.", stellte der junge Russe gespielt enttäuscht fest und untermauerte das Ganze noch mit einem theatralischen Seufzen. Oh ja, war wirklich bedauerlich. Gab ja momentan auch keine größeren Probleme, um die sich der ein oder andere zu kümmern hatte, ne ne. Mir war zwar klar, wohin der Hase zwangsweise laufen würde, weil sich Iljah auf kurz oder lang sicher die Frage stellen würde, woher wir uns denn eigentlich kannten, eins und eins zusammenzählen würde, nur um mir am Ende zu unterstellen, dass es geschäftsschädigend war, sich näher auf Kunden einzulassen. Wobei... der Norweger ja nur so ganz indirekt ein Kunde war und außerdem lief da ja auch überhaupt nichts. Das in den Kopf des Schwarzhaarigen rein zu bekommen war nur jetzt schon zum Scheitern verurteilt, also hielt ich mich vorerst aus dem Gespräch raus, auch wenn bereits ein fragender Blick seinerseits in meine Richtung wanderte. Ich brach den Blickkontakt ganz bewusst ab, damit er überhaupt nicht auf die Idee kam, mich jetzt darauf ansprechen zu müssen und so konzentrierte er sich früher oder später wieder ganz von selbst auf seinen nicht weniger geschädigten Gegenüber. In der Zeit trat Ashton in mein Blickfeld, nur um Alexej zu bedeuten, dass er mich ruhig schon einmal auf der Rückbank absetzen konnte und gerade, als jener auf dem Weg war, seine Arme entlasten zu wollen, stieg mir aufgrund von mehreren, absolut unwahren und zudem unpassenden Aussagen meines Blutsverwandten die Röte ins Gesicht. "Na ja, also aufpassen musst du auf nicht viel. Vahagn ist manchmal vielleicht ein bisschen kratzbürstig, aber es braucht nur ein paar Streicheleinheiten, eine kuschlige Decke und Syrniki mit frischen Himbeeren, damit sie wieder halbwegs auszuhalten ist...", verkündete Iljah ein paar durchaus ernst gemeinte Worte und ich überlegte für einen Moment, ob er sich nur wieder einen Spaß daraus machte, mich derart ins Lächerliche zu ziehen oder aber er tatsächlich nicht wusste, was der Norweger eigentlich von ihm hatte wissen wollen. Deshalb entschied ich mich dazu, ihm kurzerhand auf die Sprünge zu helfen, indem ich über die Schulter des Handlangers hinweg ein paar hörbar angestrengte, dennoch mehr als genervt klingende Worte zu ihm rüber keifte. "Es geht um Medikamente oder ob eine der Verletzungen besondere Aufmerksamkeit erfordert, du verdammter Idiot." Gen Ende des Fluches wurde ich immer leise, meine Stimme immer dünner, weshalb ich kurzerhand dann ohne eine Antwort meines Bruders im Auto geparkt wurde, was mir gar nicht schmeckte. Aber den anderen Männern irgendwelche Befehle zu erteilen, oblag nun mal nicht in meiner Zuständigkeit. Versuche waren dahingehend also zwecklos.
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Wie konnte er so zu Scherzen aufgelegt sein, wo seine Schwester doch gerade so mies aussah? Irgendwie wollte mir persönlich das nicht so wirklich einleuchten. Wäre Vahagn meine Schwester, dann wäre ich vermutlich ziemlich in Sorge um sie. Schließlich ging es ihr schon auf den ersten Blick absolut beschissen und ich fragte mich langsam aber sicher wirklich, was im Leben der beiden so unheimlich schief gegangen war, dass sie beide dermaßen einen Knacks weg hatten. Jeder für sich eine ganz andere Art davon als der jeweils Andere, aber verkorkst waren sie zweifelsohne beide. Deswegen wanderte Stück für Stück je länger Iljah vor sich hin redete auch meine rechte Augenbraue immer weiter nach oben. Dementsprechend eher trocken und wenig zu Späßen bereit fiel auch meine Antwort darauf aus. "Das mit den Streicheleinheiten trifft vielleicht maximal dann zu, wenn man ihr Bruder ist... aber gut zu wissen.", entgegnete ich also eher karg und ein klein wenig ironisch mit einem leichten Kopfschütteln, weil ich nicht verstehen konnte, wie er hier so reden konnte, während seine jüngere Schwester schon an ein bisschen Reden ziemlich kläglich zu scheitern drohte. Mal ganz davon abgesehen, dass die Brünette es wohl wirklich nicht begrüßen würde, wenn ich plötzlich anfing sie irgendwie verhätscheln zu wollen. Ihr was zu Essen zu machen war die eine Sache und wenn das wirklich ihre Lieblingsspeise war - die mir bis dato noch unbekannt war, aber Google war ein gutes Kochbuch -, dann kam ich jenem Wunsch auf ihr Geheiß ziemlich sicher auch gerne nach. Zwar war sie augenscheinlich auf meine Hilfe angewiesen, weil sie aus mir bis dato noch unbekannten Gründen keinesfalls zurück nach Russland wollte und mich als einzigen Ausweg sah, aber alles gefallen lassen würde sie sich deswegen ganz bestimmt nicht. Vahagn sprach dann auch das aus, was ich dachte, weshalb meine Augen einen Moment lang zu ihr und danach wieder zurück zu ihrem älteren Bruder schweiften, damit ich womöglich mal eine etwas nützlichere Antwort bekam. Der Schwarzhaarige war dann auch mal so nett nicht weiter um den heißen Brei herum zu reden und mich grob darüber aufzuklären, was die Russin überhaupt alles an Verletzungen mit sich herum trug, was mich mitfühlend seufzen ließ. Sie hatte schließlich schon die schmerzhafte Fraktur am Schlüsselbein gehabt, bevor sie hier abgehauen war, da war das jetzt wirklich ein viel zu großer Haufen an unnötigen Päckchen, die sie noch zusätzlich tragen müssen würde. Aber sonderlich dreckig oder anderweitig schlimm war wohl keine der Schussverletzungen gewesen, was mich erleichterte. Andernfalls hätte ich mit meiner fürsorglichen Ader nämlich wahrscheinlich alle paar Minuten nachsehen wollen, ob es irgendwelche für eine Entzündungen bei den sauber zugenähten Wunden gab. Das schien glücklicherweise wegzufallen, weshalb lediglich das Morphin zu erwähnen blieb. Richard hatte wohl so einiges an Schmerzmitteln wegen seiner eigenen, anhaltenden Verletzungen mit ins Haus gebracht, weshalb sich da - sobald das Opiat aus ihrem Blutkreislauf draußen war, versteht sich - bestimmt etwas Passendes für Vahagn finden lassen würde. Ich nickte jene Infos schweigend ab und warf noch einen weiteren Seitenblick zu der jungen Frau, bevor ich ihrem Bruder eine letzte Frage zukommen ließ. "Hatte sie sonst noch irgendwas dabei? Wenn nicht verziehen wir uns jetzt... sie sollte weder liegen.", hakte ich nach, ob die angeschlagene Brünette noch irgendwas an Gepäck dabei gehabt hatte, das wir besser noch mitnahmen. Ich hatte sonst kein großes Interesse daran mich noch weiter mit Iljah zu unterhalten. Erstens aus dem bereits genannten Grund und zweitens, weil er mir angesichts der Situation einfach zu gut gelaunt war. Ich hatte ja wirklich nichts gegen ausgelassene Stimmung, war da selbst oft und gerne dabei um mich gekonnt von dem sonst eher ernsten Business um mich herum abzulenken, aber nicht in einem Moment wie diesem hier. Taktlos war ja fast schon kein Wort mehr dafür.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Alexej parkte mich etwas umständlich auf der Rückbank der Limousine. Dabei war es leider unabdingbar, dass er mich zwischendurch an den Rand eines Nervenzusammenbruchs trieb, weil das Hin- und Herschieben meiner Arme und Beine einfach alles andere als angenehm für die etlichen Verletzungen war - er entschuldigte sich zwar alle Nase lang, nur milderte das nicht ansatzweise die durch ihn verursachten Schmerzen. Aber das musste ich wohl in Kauf nehmen, wenn ich schon auf einen Rettungswagen verzichtete, der mich wohl als einziges Transportmittel halbwegs sicher auch im Liegen an ein bestimmtes Ziel bekommen würde. Krankenhaus kam für mich nur überhaupt nicht in Frage, weil ich erstens nicht wusste, in welchen Datenbanken mein Gesicht auftauchte und eine überraschende Festnahme ganz sicher nicht das war, was ich jetzt gebrauchen konnte und zweitens wurde mir von dem Geruch nach Desinfektionsmittel und Tod immer so dermaßen schlecht, dass ich meist nicht einmal eine Nacht in einer solchen Einrichtung verbringen konnte. Zwar würde ich das wohl nie so wirklich in Worte fassen können, aber ich war Tauren deshalb unglaublich dankbar, dass er sich trotz unserer Differenzen dazu hatte überreden lassen, sich mir anzunehmen und das, obwohl es ihm selbst nicht besonders gut ging und Hunter ihm deswegen bestimmt auch noch aufs Dach steigen würde - vorausgesetzt, dass er das nicht schon längst getan hatte. Durch die heruntergelassenen Fenster des Wagens konnte ich zumindest noch Bruchstücke der Unterhaltung verfolgen, weshalb es mir mit einem Blick zur Seite nicht entging, dass Iljah einen Schmollmund zog, ehe er noch zu ein paar abschließenden Worten in Richtung des Norwegers ansetzte. "Boo hoo, haben wir alles das Lachen verlernt?", fragte er ironisch, aber seine Miene verfinsterte sich - was in der Regel kein besonders gutes Zeichen war -, ehe er sich kopfschüttelnd abwandte, um Ashtons Limousine anzusteuern und mir damit ein Stück entgegen zu kommen. "Sie hatte nichts weiter dabei, als ich sie vor dem Hangar aufgelesen habe. Nur deine Nummer in ihrer Hosentasche.", äußerte er noch recht trocken, weil er scheinbar einzusehen begann, dass seine überschwängliche gute Laune hier bei niemanden gerade so wirklich gut ankam. Dann, als er neben mir am Fenster angekommen war, beugte er sich ungeachtet des jungen Mannes mit Krückstock zu mir herunter und murmelte mir noch ein paar Worte in unserer Muttersprache ans Ohr, was mich unwillkürlich lächeln und schwach mit dem Kopf nicken ließ. Alles wird gut, pass auf dich auf und meld' dich, wenn irgendwas sein sollte. Ich nehme die Leute, die überlebt haben, mit nach Russland. Es folgte noch ein vorsichtiges Tätscheln der ohnehin schon angeschlagenen Schulter, aber das war okay. Den Schmerz konnte ich noch verkraften, wenn ich dafür wusste, dass es denen, die immer treu hinter mir gestanden hatte, gut gehen würde, auch wenn ich nicht da war, um ihnen den Weg zu weisen. Bei dem Gedanken an Holovanov, Dmytro und den ganzen Rest der Sippschaft fiel mir plötzlich auch das Geld wieder ein, welches wir im Flieger zurück gelassen hatten und irgendwie... na ja, konnte ich ja doch nicht mehr tun, als lediglich frustriert zu schnauben. Mehr war einfach nicht drin, obwohl ich jetzt gerne irgendjemanden dafür zur Rechenschaft gezogen hätte, dass die Tasche voll Kohle nicht mitgenommen worden war. Sehen würde ich die Scheine jetzt wohl nämlich nicht mehr, denn selbst wenn ich wider Erwarten doch noch einmal nach Italien einreisen konnte, ohne, dass das Flugzeug von Kugeln durchsiebt wurde, bevor die Räder den Asphalt der Landebahn berührten, dann waren die Taschen ganz sicher nicht mehr da, wo sie einst verstaut waren. Was für eine verfickte Scheiße. Mehrere Tausend Dollar... einfach pfutsch. Klar, dafür lebte ich noch, was an und für sich auch schon verdammt viel Wert war, aber je klarer ich im Kopf wurde und umso weniger Morphin sich in meinem Blutkreislauf befand, desto bewusster wurde mir, wie schutzlos ich jetzt eigentlich war und wie wenig Mittel mir zur Verfügung standen, wenn ich irgendwann mal wieder auf eigenen Beinen stehen konnte. Mein Hangar? Pfutsch. Meine Männer? Ein Großteil davon unter der Erde liegend. Meine Kohle? Verbrannt oder vermutlich geklaut worden. Und mein Leben? Ganz offiziell wieder auf bestem Weg, mich in das tiefes Loch zurück zu schubsen, aus dem ich vor nicht allzu langer Zeit erst hinaus gekrochen war. Es sollte dann auch nicht mehr lange dauern, bis sich der Schwarzhaarige von dem Wagen entfernte und sich nach wenigen, verabschiedenden Worten an alle Anwesenden wieder in Richtung Flugzeug bewegte. Ich sah ihm leise seufzend nach, bevor ich meinen Blick auf die tätowierte Hand senkte und darauf wartete, dass Tauren ebenfalls zu mir auf die Rückbank stieg. Indessen fuhr ich mit den Fingern der einen Hand über die schwarze, tief in die Haut gestochene Tinte der anderen und schwieg. Fürs Erste war mir irgendwie gar nicht mehr nach Reden zumute.
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Nein, hatte ich nicht. Er konnte mir ruhig glauben, wenn ich sagen würde, dass ich meistens derjenige war, der am ehesten in eine lockere Konversation mit einstieg und sich daran erfreute. Nur jetzt eben nicht, weil die Sorge um die Brünette deutlich spürbar war. Dabei fragte ich mich schon, warum das eigentlich so war - schließlich waren wir schon oft aneinander gerauscht und sie würde im Gegenzug vermutlich nicht mehr als ein Schulterzucken und ein 'das überlebst du schon' für mich übrig haben. Vermutlich würde die merkwürdige Art von Beziehung zwischen uns beiden noch eine ganze Weile lang oder gar für immer ungleich bleiben, aber das war gerade im Moment nicht weiter relevant. Ich nickte Iljah lediglich ein weiteres Mal kaum sichtbar zu, auch wenn er das wohl ohnehin nicht sehen konnte, weil er sich lieber noch einmal seiner Schwester widmen wollte. Was auch vollkommen okay war, immerhin setzte er sie hier gerade bei wildfremden Menschen ab, die er nicht kannte... und Vahagn kannte eigentlich auch keinen von uns dreien besonders lange, aber mich zumindest wohl insofern gut genug, um zu wissen, dass ich ihr nie ein Haar krümmen würde. Ihr eher freiwillig Zuflucht gewährte und mich um sie kümmern würde, so wie es der Fall war. Ich ließ Iljahs vorherige Aussagen einfach so stehen, weil ich es nicht für nötig empfand mich dahingehend noch zu äußern. Der junge Mann wandte sich dann scheinbar endgültig von seiner Schwester ab und ich verabschiedete mich wohl ebenso flüchtig von ihm, wie er vom Rest der Leute hier. Sah ihm nur noch einen Moment lang nach, ehe ich die Augen endgültig von seiner Gestalt löste und stattdessen zurück zum Auto ging. Ums Heck herum humpelte und mich letztendlich zu Vahagn auf den Rücksitz fallen ließ, kurz nachdem Ashton und Desmond schon wieder ihre Plätze auf den beiden Vordersitzen bezogen hatten. Kaum hatte ich mich angeschnallt wendete Hunters rechte Hand den Wagen elegant und wohl bewusst mit deutlich weniger Schwung als für gewöhnlich, weil er die Russin nicht unnötig viel Schmerz aussetzen wollte. Es folgte dann auf dem Weg zurück zu meinem derzeitigen Wohnhaus erst einmal ein etwas betretenes Schweigen, weil ich nicht so recht wusste, was ich überhaupt noch sagen sollte. Wir alle hier sahen, dass es der Brünetten hier schlecht ging und danach zu fragen war demnach überflüssig. Auch wollte ich irgendwie nicht sagen, dass mir das Alles leid tat, weil ich der Annahme war, dass die junge Frau sowas wie Mitleid absolut nicht haben wollte. Nicht nur jetzt, sondern so ganz allgemein wahrscheinlich. Könnte sie ja schwach aussehen lassen, wenn sie das dankend annahm... oder was auch immer, war einfach so eine Intention meinerseits, mit der ich womöglich auch falsch liegen könnte. Also beschloss ich die ganzen einfühlsamen Worte, die mir jetzt sonst für gewöhnlich wahrscheinlich über die Lippen gekommen wären, bei Seite zu lassen und stattdessen nach einer halben Ewigkeit des Schweigens einfach nur auf das Wesentliche zu sprechen zu kommen. Nämlich dann, als wir auf die schmale Straße zu dem abgelegenen Bungalow einbogen und es damit zeitnah nötig sein würde zu wissen, wo sie nun hin getragen werden sollte. "Du kannst erstmal mein Bett haben, wenn du willst... glaube, dass das für deine Verletzungen besser wäre. Aber falls dir das Sofa trotzdem lieber ist, kannst du das natürlich auch nehmen... deine Entscheidung.", bot ich der Brünetten an, dass sie sich nicht mit dem eher schmalen und nicht allzu langen Sofa zufrieden geben musste, wenn sie es in den ersten Tagen lieber bequemer hätte. Sobald sich ihr Zustand gebessert hatte konnte sie dann ja immer noch zurück aufs Sofa wechseln, aber ich überließ das einfach ihr. Sie würde schließlich am besten wissen, was sie wollte oder was in ihren Augen am angebrachtesten war, während Ashton auf dem Fahrersitz - wie ich im Rückspiegel relativ gut sehen konnte - breit vor sich hin grinste. Sich sehr offensichtlich darüber amüsierte, wie bereitwillig ich mein Bett für Vahagn opfern würde, sofern die junge Frau das wollte.
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Ich war Tauren und auch dem Rest der im Fahrzeug anwesenden Personen wirklich dankbar, dass sie die Fahrt über darauf verzichteten, ein paar Worte an mich zu richten. Das hatte ganz einfach den Grund, dass ich absolut nicht wusste, wie ich reagieren würde, wenn sich jetzt tatsächlich irgendjemand nach meinem Wohlbefinden erkundigt hätte oder wissen wollte, was genau in Italien eigentlich passiert war. Tendenziell wäre zwischen einem tränenreichen Nervenzusammenbruch oder einem erzürnten Gekeife wohl alles möglich gewesen und da ich selbst ganz gut wusste, dass ich es mir in diesem Moment mit den Jungs nicht unbedingt weiter verscherzen sollte, war ich froh, dass wir nicht gemeinsam herausfinden würden, was passiert wäre, wenn... Stattdessen hatte ich genug Zeit, die ganze Sache in Ruhe Revue passieren zu lassen, bis der Wagen irgendwo am gefühlt anderen Ende von Havanna schließlich in eine unscheinbar wirkende Allee einbog und der Norweger erstmals seit der Abfahrt vom Flugplatz das Wort ergriff. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich all meine unliebsamen Gedanken zusammengepfercht hatte und in die Ecke zurückschieben konnte, aus der sie herkommen waren, dann löste ich den Blick von meiner Hand, um meinen Kopf stattdessen in Taurens Richtung zu drehen. Ich hätte gerne mit den Schultern gezuckt, aber in Anbetracht dessen, dass nun auch der andere Arm reichlich weh tat, ließ ich das dann doch lieber bleiben und beschränkte mich nur auf ein paar wenige Worte. "Mit genug Schmerzmitteln ist mir alles recht...", stellte ich leise, dafür wahrheitsgemäß fest und richtete mein Blick dann wieder stur nach vorne. Mehr durch Zufall sprang mir dabei das Grinsen von Hunters rechter Hand ins Auge, was mich die Augenbrauen unverzüglich tiefer ins Gesicht ziehen ließ. Mochte sein, dass ich momentan keine großen Töne spucken konnte - und es fiel mir schwer, wirklich schwer, mich zu beherrschen -, aber er dürfte anhand meines Gesichtsausdruckes trotzdem erahnen können, wie viel ich von seiner Einstellung hielt. Ashton hätte sich glatt Iljah anschließen können, so schadenfroh wirkte der junge Mann hinter dem Steuer. Dass ich überhaupt nicht - oder nur indirekt - der Grund für sein Grinsen war, konnte ich immerhin nicht riechen und schaltete deshalb unterbewusst in eine stille Abwehrhaltung, auch wenn es sich wirklich schwierig gestaltete, diese unter den ganzen Schmerzen aufrecht zu erhalten. Ich hatte jetzt schon Einiges erlebt. Unzählige Narben von Stich- und Schusswunden zierten meinen Körper, auch Verbrennungen waren über die Zeit dazu gekommen, aber das hier war wohl das bislang scherzhafteste Erlebnis. Und zwar, weil der Schmerz nicht nur auf der physischen, sondern auch auf der psychischen Ebene tief saß. Als ich auf dem Weg vom Flugzeug bis hierher über das Malheur in Italien nachgedacht hatte, war mir aufgefallen, dass ich ziemlich unkonzentriert gewesen sein musste, wenn ich nicht einmal mehr mitbekommen hatte, wie mir irgendwas, beziehungsweise irgendwer schließlich den Rest gegeben hatte. Der Grund dafür war im Nachhinein ziemlich simpel: Ich war mit den Gedanken noch nicht wieder ganz in meinem einstigen Heimatland angekommen und hatte den Gesprächen im Flugzeug und in Lissabon nachgehangen, weshalb meine Reaktionszeit und die Auffassungsgabe merklich gelitten hatten. Dies führte mich jetzt wiederum zu der Erkenntnis, dass Tauren mit seiner Aussage, die ich einst noch so vehement bestritten hatte, Recht haben könnte. Und zwar, dass sich Gefühle jeglicher Art auf einen auswirkten, egal, ob man das nun wollte und zuließ oder eben nicht. Es passierte einfach... unabhängig davon, welche Meinungen und Ansichten man vertrat und wie sehr man womöglich dagegen ankämpfte. Und ich wusste nicht so recht, was ich davon jetzt halten sollte, aber das war momentan wohl auch nichts Ungewöhnliches. Schließlich überschlugen sich meine Gedanken förmlich und bis ich wieder halbwegs Ordnung in das Chaos gebracht hatte, waren sicher ein paar Tage ins Land gezogen. Tage an denen ich wieder einen guten Zuhörer an der Seite haben würde, der mir eventuell dabei helfen konnte, mir bei der Bewältigung des ein oder anderen mentalen Problems unter die Arme zu greifen.
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Das war jetzt wieder so eine Alles und gleichzeitig auch sehr viel Nichts aussagende Antwort. Ich würde mich wohl sehr davor hüten die junge Frau wahllos mit Schmerzmittel zuzudröhnen, nur damit ich sie aufs Sofa im Wohnzimmer abschieben konnte. Außerdem war ruhiger Schlaf in jedem Fall jetzt das beste für Vahagn und den bekam sie am ehesten, wenn sie hinter einer verschlossenen Tür ihre Ruhe hatte. Keiner am Morgen durchs Wohnzimmer am Sofa vorbei zur Terrasse stiefelte und sie einfach von sämtlichen Geräuschen, die durch das morgendlich Aufstehen und damit auch Herumgehen in einem Haus eben so entstanden, abgeschirmt war. Also entschied ich wohl an ihrer Stelle, was in dem Fall das Beste für sie war, weil sich die junge Frau selbst nur sehr wage dazu äußerte. Dann musste sie sich eben ausnahmsweise mal meiner Entscheidung fügen, woran sie gerade aber wohl die alleinige Schuld trug. "Dann wohl ins Bett.", stellte ich für die Allgemeinheit hier im Wagen deutlich genug hörbar fest, dass ich die Wahl getroffen hatte die schlanke Russin vorerst zumindest beim Schlafen mein Bett beziehen würde. Ob sie da tagsüber, wenn sie erst einmal eine ordentliche Mütze voll Schlaf bekommen hatte, auch bleiben wollte, stand ihr wohl frei. Allerdings müsste sie dann zumindest selber gehen, denn sie zu tragen stand derzeit noch vollkommen außer Frage. Nicht nur für mich, sondern sicherlich auch für Richard. Bis jetzt hatte ich leider auch noch keinen Fernseher in meinen eigenen vier Wänden, also waren die Beschäftigungsmöglichkeiten so als Invalide vielleicht nicht optimal... aber für die noch eher frischen Verletzungen war es trotzdem am besten, wenn die junge Frau sich nicht auf dem Sofa zusammenfalten musste. Ashton hielt den Wagen letztlich in der kurzen Auffahrt an und stellte den Motor ab, nur um im Anschluss kurz nach Desmond auszusteigen. Letzterer war von uns dreien der Einzige, der nicht mehr als ein paar Kratzer davongetragen hatte und darum beneidete ich ihn wirklich. Ich stieg wie so oft in letzter Zeit ziemlich langsam und etwas umständlich nach einem kurzen, letzten Blick zu Vahagn aus dem Wagen und humpelte kurz danach schon in Richtung Haustür, um jene aufzuschließen. Als ich die Tür aufschob und nach drinnen ging, um sie auch ja für die beiden Träger aufzuhalten - Desmond hielt den Oberkörper der Brünetten und Ashton nahm sich den etwas leichteren Beinen an, damit die junge Frau nicht wieder übermäßig schmerzhaft zu gebündelt wurde -, sah ich schließlich wieder zu dem Trio. Ließ den Jungs noch die Worte "Den Flur links runter, dann ist es die hintere Tür auf der rechten Seite." zukommen, damit sie wussten in welchen Raum sie nun mussten. Ich ließ die Tür hinter ihnen wieder zufallen und machte dann einen Abstecher in den kleinen Vorratsraum, der an die Küche grenzte, um dort eine Flasche Wasser und im Anschluss noch ein Glas aus dem Hängeschrank in der Küche mitgehen zu lassen. Ein bisschen Flüssigkeitsaufnahme wäre sicher nicht verkehrt, auch wenn ich das Glas dabei womöglich festhalten müssen würde. Ich wusste nicht, inwiefern überhaupt noch einer ihrer beiden Arme belastbar war, aber dafür war ich ja da. Ich ließ außerdem noch das kleine, orangefarben-durchsichtige Plastikbehältnis voll Oxycodonpillen vom Küchentisch mitgehen, das sich da bisher nicht einen Zentimeter bewegt hatte, wie mir gerade auffiel. Wäre etwas Anderes der Fall würde mir das ganz einfach deswegen auffallen, weil meine Schachtel Ibuprofen daneben lag. Nach einem kurzen Blick auf das Behältnis stellte ich auch fest, dass es so gut wie voll war, was merkwürdig war. Immerhin müsste Richard noch immer ziemliche Schmerzen haben und es erschloss sich mir bis hier hin nicht wirklich, warum er das starke Schmerzmittel nicht anrührte. Aber das war gerade weniger relevant, weshalb ich nach einem Kopfschütteln - das Schmerzmittel in der Hosentasche, die Flasche unter dem Arm und das Glas ziemlich riskant über den Verschluss letzterer gestülpt - von der Küche aus zurück in den Flur humpelte und dann weiter zu meinem Zimmer, wo die beiden Jungs die Verletzte wohl so sicher wie möglich aufs Bett bugsiert hatten. "Brauchst du noch irgendwas?", richtete Ashton dann noch einmal ein paar letzte Worte an mich, woraufhin ich leicht den Kopf schüttelte. "Nein, ich glaub nicht... geht ruhig.", verneinte ich also auch noch wörtlich und wir verabschiedeten uns nur mit knappem Nicken, bevor die beiden sich wieder verzogen. Ich sah ihnen noch kurz nach, bevor ich mich zu Vahagn ans Bett bewegte und mich auf die Kante der Matratze setzte, nur um kurz darauf die Flasche mitsamt Trinkbehälter abzustellen und ohne große Umschweife das Glas etwas mehr als halbvoll zu machen. "Oxycodon ist das einzige brauchbare Schmerzmittel, das ich hier hab.", kommentiert ich meine folgende Handlung, als ich den Pillenbehälter wieder aus der Hosentasche zog und kurzerhand aufschraubte. Falls Richard hier sonst noch was hatte, dann wusste ich nichts davon und aufwecken würde ich ihn jetzt weiß Gott nicht, nur um der Brünetten eine größere Auswahl zu bieten. Er schlief nach dem ganzen Scheiß bei Agnolo sicherlich eh nicht besonders viel oder gar gut.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte noch eine verhältnismäßig lange Zeit, bis der abgelegene Bungalow in mein Sichtfeld rückte, was nicht zuletzt daran lag, dass ich versuchte, mich so wenig wie nur irgendwie möglich zu bewegen. Kein neugieriges zwischen dem Fahrer- und Beifahrersitz hindurchlugen oder den Kopf aus dem hinteren Fenster strecken, um das in der Ferne liegende Objekt schon jetzt begutachten zu können. Nein, stattdessen blieb ich einfach still sitzen und hoffte, dass ich von weiteren Kurven oder durchschüttelnden Schlaglöchern verschont blieb, damit die Wunden nicht noch zusätzlich belastet wurden - von der geknickten Haltung und dem über meinen Oberkörper gespannten Sicherheitsgurt mal ganz abgesehen. Bis zum Haus sollte ich mir aber tatsächlich um nichts dergleichen Gedanken machen müssen, was mich erleichtert aufatmen ließ, als Ashton den Motor schließlich abstellte. Zumindest kurzzeitig verspürte ich beinahe so etwas wie geistige Entspannung, bis ich von der Rückbank gefischt und wie ein geschlachtetes Vieh von den zwei nicht ansatzweise so ramponierten Männern ins Innere des Hauses getragen wurde. Ich konnte leider nicht verhindern, dass sich zwischendurch aufgrund der Schmerzen die ein oder andere Träne aus meinem Augenwinkel löste, aber ich ließ diese auch einfach unkommentiert so stehen, murmelte lediglich ein kurzes Dankeschön an Ashton und Desmond, als diese mich in einem der Zimmer auf dem Bett abgeladen hatten, bevor sie durch die Anwesenheit Taurens ergänzt wurden. Auf dem Weg ins Innere des Hauses hatte ich versucht, mich so gut es ging umzuschauen, konnte allerdings nur feststellen, dass es ziemlich dunkel war und ich so ziemlich gar nichts erkennen, geschweige mir irgendwas merken konnte, selbst wenn ich nach irgendwelchen konkreten Anhaltspunkten suchte. Anhaltspunkte dafür, wo ich mich befand, nur für den Fall der Fälle, dass ich eben doch noch türmen musste, weil sich der Norweger wider Erwarten als ein kranker Psychopath entpuppte, der mit seiner liebreizenden Art Frauen anlockte oder so. Aber selbst wenn dem so gewesen wäre... heute, morgen und übermorgen würde ich dieses Bett wohl nur sehr ungern verlassen dann auch nur, wenn es absolut unumgänglich war. Ansonsten hatte sich der empathische junge Mann wohl eine ziemlich lange Auszeit auf dem Sofa eingehandelt, wobei ich mir den Schuh definitiv nicht anziehen würde. Schließlich war er derjenige, die diese Entscheidung letztlich gefällt hatte. Beschwerden wollte ich also keine hören. Mein Blick wanderte noch einmal kurzzeitig über das Trio, bevor sich die zwei fittesten Kerle für heute verabschiedeten und es damit kurzzeitig wieder ziemlich ruhig wurde. Tauren kam zu mir ans Bett gehumpelt - auf dem ich im Übrigen irgendwie ziemlich unbequem lag - und das natürlich nicht, ohne das gewisse Extra, welches ich im aktuellen Augenblick mehr als nur begrüßte. Die Schmerzen wurden mittlerweile unerträglich, was nicht zuletzt natürlich auch an den etlichen, zum Verladen leider notwendigen Bewegungen lag, welche die Wunden immer wieder von Neuem reizte. Aber das hatte ich ja jetzt fürs Erste hoffentlich hinter mir, war ich doch endlich... angekommen. Fragte sich nur, wie lange ich bleiben würde und was für Pläne ich dann hatte, aber für diese Gedanken war auch später noch genug Zeit. Konzentrieren konnte ich mich sowieso nicht wirklich und weil mir das klar war, versuchte ich meine Kraft dahingehend nicht zu verschwenden, sondern sie anderweitig sinnvoll zu nutzen. Wie zum Beispiel dafür, mir gleich zwei der Oxycodonpillen anzueignen, die der Norweger mir freundlicherweise mitgebracht hatte. Zwar war die Dosis ein wenig ambitioniert, aber sehr viel lieber hätte ich direkt das ganze Gefäß geleert. Ich musste wohl darauf hoffen, dass Tauren dahingehend keine Zweifel an meinem gesunden Menschenverstand hegte - den ich momentan mehr und mehr zu verlieren schien, je stärker die Schmerzen wurden -, denn ohne ihn würde ich die Tabletten wohl kaum geschluckt bekommen. Zwei Pillen zu halten war die eine Sache, aber ein Glas voll Wasser noch mal eine ganz andere und unter den gegebenen Umständen war ich wohl wirklich auf seine Hilfe angewiesen. Die Schmerztabletten im Flugzeug... die waren klein und handlich gewesen, da genügte ausreichend Speichel allemal, aber bei dem Oxycodon hier? Ich konnte schon fühlen, wie die Oberfläche rau war, trocken würde ich sie in keinem Fall zu mir nehmen können. "Die Menge macht's.", versuchte ich die ungewohnte Situation mittels einer mit Ironie unterlegten Aussage aufzulockern, was sich in meinem Kopf bereits furchtbar anhörte. Also seufzte ich leise. "Kann ich.. bekäme ich was zu trinken?", fragte ich also stattdessen und versuchte gar nicht erst, die Stimme zu verstellen. Es brachte ja sowieso nichts. Müde und erschöpft klang ich allemal, daran ließ sich absolut nichts deuteln.
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Zwei? Dieses Mal wanderten sogar beide meiner Augenbrauen nach oben. Wäre Vahagn jetzt ein zweit Meter großer Kerl, der auch noch massig Muskeln mit sich herumschleppte, dann hätte mir diese Dosis wohl noch eingeleuchtet. Obwohl sie selbst dann vermutlich noch unnötig hoch gewesen wäre. Zwei Pillen an einem Tag verteilt auf morgens und abends würden auch noch Sinn machen, aber zwei gleichzeitig? War immer noch ein Opiat und konnte sie damit killen, wenn sie zu viel davon schluckte. Ich verstand ja, dass die Brünette wirklich unsagbare Schmerzen haben musste und glaubte auch nicht, dass sie wirklich beabsichtigte sich das Leben damit zu nehmen, aber ich war mit Medikamenten dieser Kategorie wirklich vorsichtig. Was machte ich denn, wenn sie wirklich einer Atemdepression unterlag und der Scheiß so ohne Weiteres nicht mehr aus ihrem Kreislauf zu kriegen war? Nein, kam gar nicht in die Tüte. Also schüttelte ich schon wieder den Kopf, um ihr kurz darauf eine der beiden Pillen abzunehmen und sie zurück in den Behälter zu legen, bevor ich den Deckel von letzterem wieder zuschraubte und das starke Medikament erneut in meine Hosentasche wandern ließ. "Nein, tut sie nicht. Zumindest nicht, wenn man kein zwei Meter großer Schrank ist. Ich versteh ja, dass du Schmerzen hast, aber das ist ziemlich sicher zu viel, Vahagn...", revidierte ich ihre vorherige Aussage und griff dann mit dem unverletzten Arm nach dem Glas. Vermutlich machte sie das jetzt sauer und ich war hier der Buhmann, aber das war mir lieber als etwaige andere Konsequenzen einer Überdosierung. Wenn auf dem Dosierungsfeld für Richard schon stand, dass eine morgens und eine abends ausreichend war, dann wäre das bei Vahagn ziemlich sicher auch der Fall. Zwar war der Dunkelhaarige jetzt auch kein Hunter 2.0 was die Massenverhältnisse anging, aber er war trotzdem größer und schwerer als die schlanke Russin. Vielleicht war ich auch einfach nur sehr übervorsichtig, weil ich meinen Vater eben doch des öfteren bewusstlos in einer Ecke hatte liegen sehen, wenn er sich mal wieder das Hirn mit weiß Gott was Allem leer geblasen hatte. Er konnte von mir aus zwar jetzt auch gerne tot irgendwo rumliegen, aber bei Vahagn wollte ich das so nicht mitmachen müssen. Mir hatte das Gefühl der Hilflosigkeit schon damals fertig gemacht und mein Alter hatte mir nicht die Bohne am Herzen gelegen. Ich tat also gut daran etwas Derartiges in diesem Fall zu vermeiden, wenn ich nicht parallel an einem halben Herzinfarkt krepieren wollte. Kurzzeitig überlegte ich noch, ob ich den Kopf der Verletzten beim Trinken nicht lieber etwas mit der zweiten Hand stützen sollte, weshalb meine blauen Augen sich auf die Narbe an meinem Oberarm richteten, sie musterten. Im Grunde war sie zu und konnte eigentlich nicht wieder zu bluten anfangen, oder? Andererseits hatte ich mir die letzte Ibuprofen schon vor etwa 6 Stunden eingeschmissen und ich wagte zu bezweifeln, dass die Wirkung jetzt noch irgendwie anhielt. Das Bein zwickte hier und da schließlich auch schon wieder beim Laufen. Wider besseren Wissens streckte ich aber genau jenen lädierten Arm nach ihrem Hinterkopf aus und drehte mich etwas mehr in ihre Richtung, womit ich das fitte Bein angewinkelt aufs Bett zog. Ich wartete nur noch, bis die Brünette die Pille im Mund hatte, bevor ich ihr in aller Vorsicht das Wasserglas an die Lippen hielt und sie ein paar Schlucke nehmen ließ, bis sie augenscheinlich genug hatte und das Glas zurück auf den Nachtschrank wanderte. Nicht jedoch ohne dabei selbst ein bisschen das Gesicht zu verziehen, weil die noch lange nicht ganz verheilte Stichverletzung am Oberarm ordentlich zu brennen und zu pieken begann. Deswegen fing jener Arm gegen Ende seiner Funktion als Kopfstütze unter der Belastung und den Schmerzen zu zittern an, wenn auch nur schwach. Tat aber trotzdem jetzt noch weh, wo der Arm wieder seine reglose Haltung eingenommen hatte. "Ich kann ja noch hier warten, bis du eingeschlafen bist... und wenn's gar nicht geht, kann man immer noch über eine halbe Pille mehr nachdenken.", fügte ich gemurmelt noch ein paar mehr Worte an, an deren Eintreten ich aber nicht glaubte, als mein Blick letztlich erneut Vahagns' fand. Soweit ich das von Richard wusste war das Oxycodon hier stärker als Morphium, besaß in etwa sogar die doppelte Wirkungskraft. Wir hatten uns gestern vor der Glotze im Wohnzimmer über das eine oder andere Schmerzmittel der letzten Wochen unterhalten, weil wir ja eigentlich gerade beide immer noch welche einnahmen. Also nein, die junge Frau sollte ziemlich sicher keine weitere Tablette benötigen, nicht einmal eine halbe. Würde mich schon sehr stark wundern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, ja. Das fing hier ja schon wieder super an, absolut klasse. Ich würde doch wohl selber noch am besten wissen, was gut für mich war und wie viele Schmerzmittel ich wirklich brauchte oder vertragen konnte. Das wollte ich mir zumindest einreden, nur um mir nicht eingestehen zu müssen, dass ich momentan von so ziemlich gar nichts eine Ahnung hatte und mich auf kurz oder lang mit solchen Entscheidungen noch unter die Erde gebracht hätte. Ich seufzte also resigniert, als Tauren mir eine der Pillen abnahm, machte aber keine Anstalten, sie mir zurück zu erobern, schlicht weil der junge Mann trotz seiner ebenfalls schwerwiegenden Verletzungen mittlerweile deutlich fitter war, als ich. Etwaige Versuche, mich mit ihm messen zu wollen, würden wohl kläglich in die Hose gehen und wie bereits des öfteren erwähnt, war mir die Kraft dafür jetzt viel zu schade. Ich murmelte ihm deshalb nur ein knappes "Okay.", entgegen, was zwar hörbar unzufrieden klang, aber alles in allem sollte ich ihm wohl dankbar sein. Mit Oxycodon war ich bis zum heutigen Tag noch nie so richtig in Kontakt gekommen und vermutlich hätten gleich zwei der Pillen mich doch noch dahin gerafft, was mich noch sehr viel unzufriedener hätte werden lassen - gut, hätte ich dann nicht mehr gemerkt, tot war nun mal tot, aber dennoch. Ich hatte keine Schießerei und so viele qualvolle Jahre davor überlebt, um jetzt in den Armen eines Norwegers den Löffel wegen ein paar Medikamenten abzugeben. Ich hoffte einfach, dass er Recht hatte und eine Tablette mich ausreichend in Watte hüllte, um die Nacht zu überstehen. Letztlich blieb mir auch gar nichts anderes übrig, als hier einfach liegen zu bleiben, ungeachtet dessen, was er mir nun gab. Da war ich doch ganz froh, dass er - woher auch immer - etwas stärkere Schmerzmittel griffbereit hatte und ich mich nicht mit Ibuprofen noch ein paar Stunden bis zur Eröffnung von Apotheken durchschlagen musste. Ich stellte mir an dem Punkt kurz die Frage, ob das seine voller Behälter war oder wem er sonst gehörte. Richard hatte ich ja auf dem Weg hierher nicht gesehen, konnte mir auf der anderen Seite aber auch nicht vorstellen, Tauren aktiv darauf zurück griff. Klar, er hatte sicherlich auch starke Schmerzen, gerade als seine Verletzungen noch frischer gewesen waren, aber ich meinte mich zu erinnern, dass er von Alkohol und Drogen nicht besonders viel gehalten hatte. Griff er dann ausnahmsweise doch mal auf härtere Mittel zurück? Konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, was nicht zuletzt daran lag, dass das Behältnis noch komplett voll war und mich in meiner Vermutung dahingehend bestätigen sollte... aber gut, wie auch immer. Eigentlich sollte und brauchte mich das auch absolut nicht zu interessieren, die Hauptsache war doch, dass ich mit irgendwas die Schmerzen betäuben konnte. Ich ließ mich also mehr oder weniger bereitwillig dazu überreden, mir die trockene Arznei in den Mund zu stecken, nur um diese kurz darauf etwas umständlich mit einem Schluck Wasser meine Kehle nach unten zu spülen. Wenige Sekunden später richtete der junge Mann neben mir noch einmal sein Wort an mich. Dieses mal wollte er mich allerdings nicht mahnen, sondern bot mir an, noch kurz auf mich aufzupassen, bis ich schließlich eingeschlafen war. "Das ist wirklich nett und so... aber ich habe im Flugzeug schon mehrere Stunden geschlafen und bezweifle deshalb, dass ich jetzt in der nächsten Zeit einnicken werde.", kommentierte ich das Ganze also mit einem leisen Seufzen und schenkte Tauren einen müden Blick. Zwar war ich psychisch vermutlich fertig genug, direkt mehrere Stunden durchzuschlafen, aber mein Körper schrie momentan weniger nach dieser Art von Erholung. Einfach ein bisschen Ruhe, entspannt herum liegen... ja, das war, was meine Wunden begrüßten. Vielleicht kam die Müdigkeit aber noch, wenn das Oxycodon seine Wirkung entfaltete, also hätte ich dahingehend normalerweise einfach mit der Schulter gezuckt und dem Norweger damit wieder die Wahl gelassen, ob er hierbleiben wollte oder nicht. Angenommen, ich schlief nicht ein, dann würde er hier noch eine ganze Weile sitzen und ich war mir nicht sicher, ob er das wirklich wollte. Aber das oblag ganz seiner eigenen Entscheidung, weshalb ich dazu nichts mehr sagte und sich meine folgenden Worte stattdessen auf etwas anderes bezogen. "Danke... dass ich bei dir unterkommen durfte, meine ich.", setzte ich also zu einer offensichtlichen Danksagung an, wobei diese, wie auch der Rest meiner Worte des heutigen Abends, ziemlich leise waren. Er konnte sich ja gar nicht vorstellen, was für einen riesigen Gefallen er mir damit getan hatte und sobald ich wieder fit war, würde ich mich dafür natürlich auch erkenntlich zeigen. Zwar war ich hier und da ein ganz schönes Arschloch, aber ich handelte eigentlich immer fair. Mir würde schon noch eine angemessene Entlohnung für den ganzen Aufwand einfallen. "Ging ja dann doch schneller, als gedacht... der Kuba Urlaub.", schob ich noch ein paar ironische Worte hinterher und verzog das erste Mal am heutigen Tag die Lippen zu einem schmalen, aber ehrlichen Grinsen, während wieder ein paar Tränen in den Augenwinkeln auf ihren Einsatz warteten. Vermutlich hatte ich im Flieger einfach viel zu großkotzig darüber geredet, dass ich Kuba und ganz besonders Tauren meiden wollen würde, da war das Schicksal wohl ein wenig eingeschnappt und der Meinung gewesen, einfach mal das Gegenteil passieren zu lassen. Tja. Und was sagte uns das? Manchmal war es besser, dass Schicksal einfach nicht herauszufordern.
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Es folgte nicht einmal das kleinste Widerwort seitens der verletzten Brünetten, was mich beinahe hätte fragen lassen, ob mit ihrem Kopf denn auch wirklich Alles in Ordnung war. Sie womöglich beim Sturz nach ihrem Knockout ungünstig auf den Schädel gefallen war. Aber für unnötige Diskussion schien sie kaum Kraft zu haben und tat sich mit dem Reden auch nach dem Schlucken des Wassers noch immer ein wenig schwer, weshalb ich gerne darauf verzichtete. Mich lieber dem widmete, was sie dann noch sagte. Scheinbar war es nicht absehbar wann Vahagn einschlafen würde, weil sie schon einige Stunden Schlaf im Flugzeug hinter sich gebracht hatte. Dann war es im Umkehrschluss ziemlich unnötig darauf zu warten und so saß ich einen Moment lang stumm da, als ich den Blick auf mein angewinkeltes Bein senkte und nachdachte. Sollte ich dann überhaupt noch hier bleiben? Ich selbst hatte schließlich seit etwa 20 Stunden schon nicht mehr wirklich gepennt und langsam aber sicher wurde ich doch ein wenig müde. Lange wach zu bleiben oder gar noch bis sie irgendwann in ein paar Stunden vielleicht mal einschlief, war eher nicht mehr drin, weshalb ich die folgenden Worte loswurde. "Ewig wach bleiben werd' ich dann wohl nicht mehr.", stellte ich auch noch einmal für die junge Frau hörbar fest und zuckte ein wenig mit den eher müden Schultern. Aber für den Moment blieb ich noch sitzen, hatte es mit dem davon humpeln noch nicht eilig. Auch auf den noch folgenden Dank war ich mental nicht wirklich vorbereitet, aber ihre Worte trieben mir unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen. An diesem Punkt fiel mir dann auch auf, dass die Brünette noch gar nicht wusste, dass wir beide hier im Haus nicht allein waren. War vermutlich höchste Zeit sie darüber mal in Kenntnis zu setzen. "Ist kein Problem, mach ich gern.", teilte ich Vahagn vorab noch mit, dass das für mich echt okay war und ich war im Grunde ja auch wirklich aufrichtig froh darüber, dass sie mein Angebot nach Unterstützung - bei was auch immer - wirklich angenommen hatte. Auch wenn die Umstände natürlich unschön waren. "Allerdings ist das hier streng genommen nicht mein Haus. Richard hat's gekauft und ich hab mich hier vorübergehend eingemietet, damit mir die anderen nicht auf die Nerven gehen, solang ich... naja, nicht einfach weggehen oder einen Boxhieb an die Schulter austeilen kann.", erklärte ich also gegen Ende ein wenig sarkastisch die gegebenen Umstände. "Aber er ist momentan sowieso noch ziemlich ruhig, also wirst du ihn wohl kaum bemerken.", ergänzte ich noch ein paar Worte dazu, dass der Hausherr ihr eher nicht auf die Nerven gehen dürfte. Würde mich zumindest stark wundern, er sprach bis dato ja selbst mit mir nur wenig und meistens auch nur dann, wenn ich ihn ansprach und damit ein Gespräch sozusagen provozierte. Er war sicher der Letzte, der aktuell auf irgendwelche Konfrontationen scharf war. Die letzten Worte der hübschen Brünetten ließen mich dann ebenfalls ein klein wenig grinsen, wobei mir doch schon auffiel, dass ihre Augen erneut ein wenig glasiger wurden und ich deshalb kurzerhand in die obere Schublade des Nachtischs griff, um die noch volle Packung Taschentücher rauszunehmen. Ich bunkerte immer eine am Bett. Zum einen, weil ich es ganz einfach hasste wegen einer laufenden Nase noch mal aufstehen zu müssen und zu anderen für gewisse Aktivitäten, die bei einem Mann in meinem Alter früher oder später zwangsläufig aufkommen würden. Meinen Hormonspiegel juckten die Verletzungen nämlich inzwischen nur noch herzlich wenig. "Mir wären andere Umstände ja lieber gewesen, aber...", setzte ich einem neuen Satz an und zog erstmal eins der Taschentücher etwas umständlich mit nur einer Hand aus der Packung, bevor letztere zurück auf den Beistelltisch wanderte. "...mich freut's trotzdem, dass du unplanmäßig so früh wieder zurück gekommen bist.", vollendete ich den Satz noch und das Grinsen schrumpfte zum Lächeln zurück, als ich den Arm mit dem Taschentuch ausstreckte und ihr ein, zwei Tränen aus dem Gesicht tupfte, die wohl schlicht von der mentalen, sowie körperlichen Anstrengung her rührte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das hätte ich mir denken können. Für Normalsterbliche, die nach der hier etwas anders laufenden Zeit lebten, war es ja auch mitten in der Nacht. Dass Tauren nicht mehr allzu lange bei mir bleiben würde, war mir dahingehend also schon fast klar gewesen, weshalb ich auf seine Aussage hin nur schwach mit dem Kopf nickte. "Okay, macht ja nichts.", murmelte ich leise vor mich hin, wobei die Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Natürlich würde ich ihn nicht davon abhalten, wenn er jetzt gleich aufstehen und gehen würde, aber im aktuellen Augenblick fände ich es ganz gut, mit meinen Gedanken nicht unbedingt alleine gelassen zu werden. Ich würde es zwar überleben, aber ich hatte ja bereits im Flugzeug die Anmerkung gemacht, dass es mich innerlich auf kurz oder lang auffraß, wenn ich mich so überhaupt nicht bewegen und damit irgendwie ablenken konnte. Dementsprechend begrüßte ich eine kleine Unterhaltung durchaus, selbst wenn mir das Reden unglaublich schwer fiel. Mit den nächsten Worten des Norwegers sollte er auch ein bisschen Gesprächsstoff liefern, welcher mich einerseits verwundert die Augenbrauen anheben und andererseits ein wenig lächeln ließ. "Richard? Das war doch der, den wir aus Agnolos Zimmer befreit haben, oder?", fragte ich nachdenklich und rief mir noch einmal das Bild des malträtierten Engländers vor mein Inneres Auge. Ja, da war was gewesen. Der Junge hatte nicht gut ausgesehen, jetzt erinnerte ich mich. Wie er so geknickt neben Tauren auf der Couch gehockt hatte, die irgendwo in einer Hütte ab vom Schuss in norwegischen Wäldern gestanden hatte. "Kann's verstehen, dass du dir dann lieber eine Hütte mit ihm teilst. Er hat auch nichts dagegen, dass du mich hier wohnen lässt?", fügte ich eine weitere Frage hinzu, weil das schon ein durchaus wichtiger Aspekt war. Ich hatte nämlich aktuell keine besonders große Lust, mich mit irgendwem streiten zu müssen, weil er vorab nicht geklärt hatte, ob das für den rechtmäßigen Hausbesitzer denn überhaupt in Ordnung ging, dass ich mich hier aufhielt. Zwar war ich mit Richard bis auf den einen, meinerseits durchaus unnötigen Kommentar, noch nicht weiter aneinander gerasselt, aber es hätte ja durchaus sein können, dass er nach der ganzen Sache erst einmal seine Ruhe haben wollte. Wäre in meinen Augen nur nachvollziehbar gewesen, aber sollte der Norweger mit ihm gesprochen und er ihm daraufhin sein Go gegeben haben, dann würde ich auch dem Engländer noch einen aufrichtigen Dank aussprechen. Solche Nächstenliebe war einfach nicht selbstverständlich, vor allem, wenn man durch mich bis dato... na ja, nicht sehr nett behandelt worden war. Was dann aber die Resonanz auf meine etwas ironische Aussage anging, kam ich um ein etwas aufrichtigeres Lächeln nicht mehr drum herum und die Tränen flossen wie ganz von selbst. Stumm, ich schluchzte nicht und machte auch keine großen Anstalten, sie mir aus dem Gesicht zu wischen, weil ich nun mal nicht der Typ fürs sinnlose Heulen war. Nur manchmal musste der Körper wohl überschüssige Tränenflüssigkeit loswerden und wenn es sich dann gerade so günstig anbot... Ich hatte gerade die Hand heben wollen, um mir zumindest wieder eine klare Sicht zu verschaffen, da hatte Tauren bereits das Taschentuch in der Hand gehabt und wie selbstverständlich das salzige Nass trocken getupft. "Ich hatte es mir auch ein bisschen anders vorgestellt, aber ich nehme, was ich kriegen kann.", erwiderte ich und ein leises, kaum hörbares Lachen kroch meine Kehle hinauf. Ich bereute zwar sofort, meinen Brustkorb und das Zwerchfell belastet zu haben, aber Wert war mir das allemal. "So schnell wirst du mich voraussichtlich auch erst mal nicht mehr los.", schob ich noch ein paar nachdenkliche Worte hinterher. Ich würde gewiss nicht auf ewig hier wohnen bleiben, aber Kuba blieb wohl fürs Erste das Land, in dem ich mich erholen würde, was nicht in ein paar Wochen abgefrühstückt war. Inwieweit ich versuchen würde, hier dann ein Geschäft aufzubauen... das konnte ich noch nicht sagen, vielleicht zog es mich bei bester Gesundheit ja doch wieder zurück nach Russland - wer wusste das schon.
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Vahagn schien sich sogar noch an den normalerweise eher quirligen jungen Mann erinnern zu können, der wie ein getretener und misshandelter Hund bei Hunter neben mir auf dem Sofa gesessen hatte. Auch von mir angeschnauzt worden war ausgerechnet wegen der jungen Frau hier, aber das würde ich ihr wohl eher nicht auf die Nase binden. Musste ganz einfach nicht sein und außerdem war das sowieso Schnee von gestern, der nicht noch einmal durchgekaut werden musste, wenn man mich fragte. Stattdessen nickte ich recht deutlich, um noch vor Beendigung ihrer Frage gleich klar zu stellen, dass sie in dieser Annahme richtig lag und es sich um genau jenen Dunkelhaarigen handelte. Auch ihre Frage konnte ich ohne große Umschweife bejahen, entschied mich da aber doch lieber für ein paar zusammenfassende Worte. "Ja, genau der... ich hab ihn gefragt, er hat damit kein Problem. Außerdem hast du ja mit dafür gesorgt, dass wir jetzt überhaupt hier sind, also...", redete ich so ein bisschen vor mich hin und murmelte gegen Ende leicht, bevor ich mit den Schultern zuckte. Natürlich hatten Alle außer mir für den Überflug, sowie die ganzen neuen Ausweise und Papiere bezahlt, aber das Aufräumen des Hotels voller Italiener ging ja auch noch zu fünfzig Prozent auf die Kappe der Russin, die Hunter dabei zur Seite gestanden hatte. Natürlich eher aus Eigennutz, aber der positive Effekt davon blieb ja trotzdem für uns Alle bestehen. Es gab also mindestens einen guten Grund dafür, warum wir ihr gerne aus der Patsche helfen und sie nicht im Regen damit stehen lassen sollten. "Aber ich hab ihn zugegeben auch einfach ein bisschen damit überfallen, weil ich ihn erst gefragt hab, nachdem ich mit Iljah geredet hab.", fügte ich ein paar weniger ernste und eher ironisch klingende Worte an, die ich mit einem leichten Grinsen unterlegte. Man könnte das Ganze wohl auch einfach auf meine fürsorgliche Ader gegenüber meinen Mitmenschen schieben, aber mir selbst war durchaus bewusst, dass ich hauptsächlich so Hals über Kopf darüber entschieden hatte, weil es eben um Vahagn und nicht nur irgendwen bei dieser Angelegenheit ging. Ich wollte unheimlich gerne wissen, wer hinter den zahlreichen kühlen Fassaden steckte und sie besser kennen lernen. Nach wie vor wären mir da andere Umstände lieber, aber wie sie so schön gesagt hatte - auch ich nahm, was ich kriegen konnte. Ihr Lachen ließ mich noch ein bisschen breiter grinsen und mein Arm mit dem Taschentuch streckte sich indessen nach der Hand der Brünetten aus, um ihr das nur leicht feuchte Taschentuch in die Finger zu übergeben. Eben für den Fall, dass das noch nicht alle Tränen gewesen waren. Ich wollte ihr nicht unnötig unter die Nase reiben, wie schwach sie gerade war und den Arm zu heben bekam sie spätestens dann wieder hin, wenn die Opiate kickten. "Warst du vorher eigentlich schon mal in Kuba?", fragte ich, weil sie dahingehend bisher glaube ich nichts erwähnt hatte. Wenn nicht, dann war es hier komischerweise wohl tatsächlich meine Aufgabe sie ein bisschen in Havanna und Umgebung herumzuführen, sobald sie wieder Laufen konnte. Ihre Beine waren ja glücklicherweise weniger betroffen und es würde zumindest in zeitnahen Alltag eher an den Armen der jungen Frau scheitern. "Ganz zufällig will ich dich sowieso nicht loswerden, hast also Glück.", konnte ich Vahagn auch dahingehend mit anhaltendem Grinsen beruhigen, dass es nicht schlimm war, dass ich sie eine ganze Weile an der Backe haben würde und da jetzt auch nicht mehr drum herum kam. Wollte ich logischerweise sowieso nicht - solange wir uns so gut verstanden, wie das gerade eben der Fall war, konnte sie ruhig auch einfach für immer hier auf der Insel bleiben. Ich war sicher einer der letzten Menschen, der sie daran hindern würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na ja, aber nur, weil ich meinen Job erledigt hatte, für den ich ganz nebenbei auch gut bezahlt worden war, hieß das ja noch lange nicht, dass man mir darüber hinaus noch entgegen kommen musste. Hunter und seine Freundin hätten sich sehr sicher einen Scheißdreck um mein Wohlbefinden und einer möglichen Unterkunft geschert, also nein, selbstverständlich war das für mich nicht. Die darauffolgende Erklärung sollte mir dann auch offenbaren, warum sich der Engländer so spontan dazu entschieden hatte, mich bei sich wohnen zu lassen... weil er ganz offensichtlich ziemlich überrannt worden und Tauren die Entscheidung über seinen Kopf hinweg getroffen hatte. Das erklärte so Einiges. Klar, manche waren dann so konsequent, sich trotzdem dagegen auszusprechen und - in dem Fall - dem Norweger auftrugen, die ganze Sache anderweitig bewerkstelligt zu bekommen, aber Richard schien dahingehend ein gutes Herz zu haben und hatte das einfach so stehen lassen, wofür ich ihm wirklich dankbar war. "Der Arme... scheint es im Leben auch nicht sonderlich leicht zu haben.", stellte ich weiterhin nachdenklich fest. "War er eigentlich schon immer so... na ja. Ruhig? Ich habe ihn, glaube ich, bis jetzt nur ein einziges Mal reden hören und das war im Hotel, als er Agnolo den Gnadenschuss verpasst hatte.", hängte ich noch eine Frage aus reiner Neugier hinten dran und offenbarte damit gleichzeitig ein sensibles Detail zu den Geschehnissen im Hotel von vor ein paar Wochen. Ich wusste nicht, inwieweit Hunter seine Leute - abgesehen von Ashton, der schließlich dabei gewesen war - darüber in Kenntnis gesetzt hatte, was in jener Nacht konkret im Hotelzimmer vorgefallen war, aber selbst wenn die Information für Tauren jetzt neu war, würde er es Richard sicherlich nicht negativ anlasten. Schließlich hatte der Norweger auch schon einige Leben auf dem Gewissen, verurteilen würde er ihn also ganz bestimmt nicht. Als ich das leicht feuchte Taschentuch in meiner Hand spürte, drückte ich jene kurz zusammen, nur um mit schmerzverzerrter Miene festzustellen, dass die Inanspruchnahme der Muskeln absolut unangenehm war. Ich ließ das Papiertaschentuch deshalb auch einfach auf der geöffneten Handfläche liegen und drehte stattdessen meinen Kopf ein wenig mehr in Richtung des jungen Mannes an meiner Seite, nur um ein weiteres Mal heiser zu lachen. Das war natürlich nicht weniger schmerzhaft, als das plötzliche Ausstoßen der Luft zuvor, aber selbst wenn ich es hätte unterdrücken wollen... es ging einfach nicht. Tauren hatte eine Art an sich, die mich direkt gute Laune kriegen ließ, wenn ich mich für länger als fünf Minuten in seiner Nähe aufhielt, was mich eigentlich stutzig werden lassen sollte, aber momentan schien mich das absolut nicht die Bohne zu interessieren. Warum sollte es auch? Ich hatte mir wohl lange genug unnötige Gedanken gemacht, jetzt wollte ich einfach mal schauen, wie sich das Ganze hier noch entwickeln würde. Zu verlieren hatte ich, neben meinem guten Ruf, ohnehin nichts mehr. War ja auch nicht so, als würde in meiner Brust irgendwas wegbrechen oder absterben, wenn sich unsere Wege dann doch wieder trennen sollten. Ja, der Abschied am Flugplatz war zwar hart gewesen und irgendwie hatte ich mich auch ein bisschen dagegen gesträubt, aus Kuba zurück nach Italien zu fliegen, aber nachdem die ersten Stunden über den Wolken ins Land gezogen waren, verblasste das Gefühl langsam "Also irgendwie... hört sich das seltsam an, wie du das so sagst, aber gut. Was deine Frage angeht: In Kuba war ich bis jetzt noch nicht, nein, und ich werde wohl auch trotz allem nicht länger hierbleiben, als es unbedingt nötig ist, weil ich Iljah in Russland gerne unter die Arme greifen würde.", schilderte ich dem Verletzten, was meine Pläne mit dem Stand von heute für die Zukunft waren. Wie sich das am Ende umsetzen lassen würde, war eine andere Geschichte, aber so nahm ich ihm bereits von Anfang an die Hoffnung, auf ein langes, erfülltes und vor allem gemeinsames Leben mit mir. Hörte sich alles in allem sowieso irgendwie... falsch an, aber er wollte ja, dass ich Klartext und offen mit ihm redete. Er sollte sich also gar nicht erst irgendwelche Pläne ausmalen, weil ich meinen etwas verkorksten Bruder vermutlich vorziehen würde. Nur... na ja, eben nicht, wenn ich keine guten Erfolgsaussichten hatte, mich gegen seinen nervigen, absolut ekelhaften Mitbewohner durchzusetzen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Eigentlich konnte ich das gar nicht wirklich beurteilen, weil ich Richard ja doch eher nur flüchtig kannte. Natürlich hatten wir uns hier und da mal unterhalten, war ich ja in den letzten Wochen vor meinen Verletzungen nicht zum ersten Mal vor oder in der Bar gewesen. Er hatte meistens eher gute Laune gehabt, wenn Cosma ihm nicht gerade Irgendwas an den Kopf geknallt hatte, das fünf Minuten später sowieso schon vergessen gewesen war, weil es sich nur um irgendwelche unwichtigen Lappalien gehandelt hatte. Obwohl wir hier und da mal ein paar Worte gewechselt hatten wusste ich aber kaum etwas über den Engländer, weshalb ich ein klein wenig mit den Schultern zuckte, nachdem ich die neue Information zur Kenntnis genommen hatte. Richard war in meinen Augen bisher eigentlich kein Mörder gewesen, aber Agnolo hatte ihn sicher noch mehr in die Mangel genommen als mich unten im Keller, also konnte man ihm das wirklich nicht verübeln - mal ganz davon abgesehen, dass der Italiener sowieso sehr viel Schlimmeres für seine Taten verdient gehabt hätte. Es ließ mich die Sache dennoch von jetzt an mit etwas anderen Augen sehen und ich würde mich wohl davor hüten meine Pistole irgendwo hier offen herumliegen zu lassen. Zumindest so lange bis ich wusste, wie genau es um seine Psyche eigentlich stand - er redete ja noch nicht. "Ich kenn' ihn nicht besonders gut, hatte bisher nicht viel mit ihm zu tun... aber vor der ganzen Sache war er eigentlich eher derjenige, der als Einziger in ernste Situationen ein Grinsen oder Witze eingebracht hat. Er hatte fast immer gute Laune, wenn ich ihn in der Bar angetroffen habe, aber damit isses momentan wohl vorbei...", meinte ich und seufzte im Anschluss leise, kurz bevor ich mir die sicher etwas wirren Haaren auf dem Kopf wieder nach hinten strich, weil mir eine Strähne über der Stirn hing. Ihre folgenden Worte schmeckten mir hingegen dann irgendwie weniger, weshalb sich das Grinsen eher wieder zu einem schwachen Lächeln deformierte. Natürlich war es irgendwie logisch, dass sie zum letzten bisschen ihrer Familie zurückkehren würde, sobald sie entsprechend fit war... wobei, nein, irgendwie auch wieder nicht, weil ich mir den Sinn dahinter nicht recht erklären konnte. Wenn sie doch im Anschluss sowieso zurück nach Moskau wollte, warum war sie jetzt dann überhaupt hier? Ich stellte mir zwar ihren Bruder reichlich anstrengend vor, wenn man ihn dauerhaft ertragen musste, aber dem musste sie sich gesund dann ja auch aussetzen. "Warum bist du eigentlich nicht gleich wieder mit nach Russland?", hakte ich ohne wirklich darüber nachzudenken aus heiterem Himmel nach, bevor mir im Nachhinein dann in den Sinn kam, dass das sehr wahrscheinlich kein gutes Thema war. Denn wenn sie vor Irgendwas flüchtete, dort nicht hinwollte, dann war das sicher nichts Gutes und unangenehme Themen waren bekanntlich ja nicht so unser bestes Gebiet für Gespräche. "Sorry, vergiss die Frage... ich bin einfach schrecklich neugierig.", revidierte ich das Ganze einfach schon ein paar Sekunden später mit einem Kopfschütteln, um ihr unmissverständlich zu zeigen, dass sie natürlich nicht antworten musste. Ich hatte ihr schließlich alles an Zeit und Freiraum geben wollen, das war auch jetzt noch der Fall. Hieß nur leider nicht, dass mir das leicht fiel. Konnte man sich Neugier abtrainieren? Vielleicht war der Pegel dahingehend auch einfach sehr stark vom Gegenüber abhängig... bei Hunter hakte ich schließlich auch nirgends nach, wo ich nicht herumschnüffeln sollte. Aber Vahagn verpasste mir keinen Faustschlag und hielt mir auch keine Pistole an die Brust, vielleicht war das da der ausschlaggebende Punkt. Also abgesehen von ihrer Person an sich natürlich, die ohnehin schon wesentlich interessanter war als der mies gelaunte Amerikaner, der sich jetzt ein schickes Leben in irgendeiner Villa verdiente.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha, sehr interessant. Richard war also für gewöhnlich der Strahlemann in der sonst so verhaltenen Runde, aber seit der Gefangenschaft bei den Italien schien sich das wohl geändert zu haben. Verübeln konnte man ihm das wohl nicht, war Folter doch irgendwie immer ein sehr effektives Mittel, wenn es darum ging, Menschen für den Rest ihres Lebens zu brechen. Ich hoffte inständig für ihn, dass er das, was ihm widerfahren war, verarbeiten konnte und lernen würde, damit umzugehen. Vergessen ließ sich das Ganze womöglich nie, aber für den Anfang würde ich ihm wünschen, dass er zumindest wieder ein halbwegs geordnetes, ansatzweise sorgenfreies Leben führen konnte. "Mhm, verstehe. Hoffentlich wird er wieder. Ich hatte mit Agnolo bis zu unserem Aufeinandertreffen im Hotel eigentlich nie viel zutun, aber das, was ich von ihm gehört habe, lässt nur erahnen, was er mit Menschen, die er auf dem Kieker hat, hinter geschlossenen Türen veranstaltet.", stellte ich mit einem leisen Seufzen fest, wobei meine Stimme gen Ende etwas brüchig wurde und ich mich räuspern musste, um auch auf die darauffolgenden Worte des Norwegers eine passenden Antwort zu geben. Ich wusste wirklich zu schätzen, dass er sich mit privateren Fragen weiterhin zurück halten wollte, aber... ich wollte darüber reden. Es war okay für mich, wenn auch ein sehr neues Gefühl, dieses Bedürfnis zu verspüren, mich jemanden anvertrauen zu müssen. "Nein, es ist... schon gut.", murmelte ich und streckte über die Matratze hinweg meine Hand nach ihm aus - ohne sie dabei richtig anzuheben, weil mir das einfach nicht möglich war -, um ihn mit den Fingerspitzen am Oberschenkel zu berühren. Damit wollte ich ihm lediglich signalisieren, beschwichtigen, dass er sich gerade keinen Fehltritt erlaubt hatte, für den ich ihm jetzt wieder Ewigkeiten böse sein und ihn mit Nichtachtung oder übermäßiger Gereiztheit strafen würde. "Es gibt in Russland jemanden, dem ich ungerne gegenübertreten möchte, wenn ich so... wehrlos bin. Ist ein alter Klassenkamerad und sehr guter Freund von Iljah und wir haben leider eine ziemlich unschöne Vergangenheit miteinander. Als wir Teenies waren, lief da kurzzeitig mal was, aber der Typ hat akut ein an der Klatsche und ist mir gegenüber schon das ein oder andere Mal handgreiflich geworden und auch anderweitig, na ja, zu nahe gekommen. Seitdem versuche ich es tunlichst zu vermeiden, mich in seiner Nähe aufzuhalten." Atmen, Vahagn, atmen nicht vergessen. "Das gestaltet sich nur etwas schwierig, wenn er und Iljah zusammen wohnen. Es ist jetzt nicht so, als hätte ich Angst vor ihm, aber mir ist es deutlich lieber, mit anderen Invaliden zusammen zu wohnen, als mich ihm schutzlos auszuliefern.", redete ich einfach weiter, ungeachtet dessen, ob mir Tauren überhaupt noch zuhörte oder auch nicht. Wenn ich einmal angefangen hatte, dann schien ich das wohl auch bis zum Ende durch zuziehen. Ganz egal, ob mir zugehört und Mitleid bekundet oder meine Worte bloß stumm abgenickt wurden, aber irgendwie... fühlte ich mich gleich ein bisschen besser. Der Druck auf meiner Brust war nicht mehr ganz so unangenehm, wie noch zum Anfang meiner Erklärung und auch meine Stimme wurde zunehmend bestimmter, wo ich doch recht zittrig angefangen hatte. Die ganze Sache war jetzt nicht unbedingt das Schwärzeste Kapitel meiner Vergangenheit, aber doch auch unschön und für gewöhnlich hatte ich das, was passiert war, immer in mich hinein gefressen. Aber ich sah ein, dass ich dem Norweger zumindest irgendeine Art von Antwort schuldete und ihn nicht einfach an seiner Neugier verrecken lassen konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das konnte ich ihr leider bestätigen, hatte ich dieses Arschloch doch leider persönlich in genau jener Situation kennen lernen müssen. Hätte ich ihm nicht wie geplant etwas verraten, dann hätte er mich auch sehr sicher schon viel früher kalt gemacht. Aber ich war sehr geschickt vorgegangen. Hatte dem Italiener nur immer mal wieder kleine Fetzen hingeworfen, die ihn nach mehr hatten dürsten lassen, weshalb er mich nicht einfach gekillt hatte. Richard selbst dürfte diese Spielchen auch nicht mehr lange durchgehalten haben, wenn ihn da Niemand rausgeholt hätte. "Genauer willst du's auch gar nicht wissen, glaub mir.", seufzte ich schwer und wendete den Blick erneut nach unten auf mein angewinkeltes Bein ab, weil ich unweigerlich für einen kurzen Moment einen geistigen Flashback zu einer der Szenen erlitt, die sich mit Agnolo und meiner eigenen Person im Keller des Hotels abgespielt hatten. Unsagbare Schmerzen, Atemnot und damit verbundene Todesangst... ich war wirklich froh, dass mir die Opiate in den ersten Tagen nach dieser Misere den Kopf angenehm in Watte gepackt hatten, weil ich sonst vermutlich halb wahnsinnig geworden wäre beim Versuch den Mist zu verarbeiten. Jetzt im Nachhinein war es auch noch immer nicht schön daran zu denken und ich müsste lügen, um zu sagen, dass mich die ehemalige Folter nicht manchmal im Traum heimsuchte und aufschrecken ließ. Würde sicher noch eine Weile dauern, bis ich das wirklich hinter mir gelassen hatte. Vahagn schien aber tatsächlich auf meine ziemlich private Frage antworten zu wollen, was ich so gar nicht erwartet hatte. Meine Augen wanderten fast noch ein wenig ungläubig von meinem tätowierten Unterschenkel hoch zu der Hose über meinem Oberschenkel, als die Brünette mich dort flüchtig berührte. Ich hob meinen Blick auch erst wieder zu den grüngrauen Augen der jungen Frau an, als sie bereits den ersten Satz gesprochen hatte und mir dann im Folgenden noch erklärte, was es damit auf sich hatte. Ausnahmsweise war ich mal derjenige, der die Augenbrauen dabei ein wenig tiefer ins Gesicht zog. Ich hasste es einfach, wenn Männer ihre Hand gegen Frauen erhoben, war ich was das anging eben einfach auch wegen den elendig lästigen Streits meiner Eltern geprägt. Wobei auch abgesehen davon sowieso schon rein moralisch unheimlich viel dagegen sprach. Widerlich. "Das... tut mir echt leid.", stellte ich leise fest, bevor ich den Blick kurzzeitig wieder auf meine Hose absenkte. Als Frau unter der Gewalttätigkeit eines Mannes leiden zu müssen musste einfach absolut schrecklich sein, sonst hätte sich meine Mutter damals wohl kaum aus Verzweiflung erhängt. "Aber... warum wohnt dein Bruder dann noch mit ihm zusammen? Weiß er das gar nicht?", hakte ich vorsichtig weiter nach, wenn auch eher nur gemurmelt, weil mir das wirklich nicht einleuchten wollte. Vielleicht wusste er wirklich einfach Nichts davon, aber wenn er diese Geschichte stattdessen einfach ignorierte und sich weiter mit dieser Pestbeule herumschlug, dann würde mein Sympathielevel gegenüber Iljah wohl rapide zu sinken anfangen. Dabei war mir persönlich auch scheißegal, ob möglicherweise irgendwelche Geschäfte daran zerbrechen oder gar eine Fehde ausbrechen würde. Das war einfach eine Sache, über die ich für meinen Teil nicht einfach so hinwegsehen konnte. Ignoranz dessen würde ihn zu einem nicht weniger schlechten Menschen machen, als besagter sehr guter Freund einer war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Vermutlich wollte ich das wirklich nicht, nein. Mir langte das überraschende Kreuzfeuer von vor einigen Stunden und die daraus resultierenden Schuss- und Schürfwunden an beinahe jeder erdenklichen Stelle meines Körpers vollkommen aus. Da wollte ich mir nicht noch ausmalen, was gewesen wäre, wenn mich einer der Italiener anstelle meines Bruders aufgelesen und möglicherweise noch verschleppt hätte. "Kann ich so nur unterschreiben.", bestätigte ich Tauren in seiner Aussage und unterstrich das Ganze noch zusätzlich mit einem leichten Kopfschütteln. Dann wandte ich den Blick von meiner Hand ab, um dem Norweger stattdessen direkt ins Gesicht zu sehen und mich dort kurzzeitig in seinen kristallblauen Augen zu verlieren. Er schien ganz offensichtlich in Gedanken an die grobe Gewalt, welche ihm persönlich in den Händen des Italieners widerfahren war, abzurutschen, was mich vorsichtig über die in Falten geworfene Hose streicheln ließ, um somit seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu ziehen. "Hey... keine Ahnung, wie und ob das überhaupt passend ist. Du weißt ja, wie wenig ich mich mit diesem Kommunikationsquatsch auskenne", entschuldigte ich mich vorab für eine vielleicht etwas unpassende Aussage. "Aber egal an was du gerade denkst... das wird schon wieder.", versuchte ich schließlich meinerseits die aufkeimenden Erinnerungen des jungen Mannes an die Gefangenschaft zu verdrängen und bemühte mich dabei zusätzlich um ein schmales Lächeln. Als es dann aber wieder um mich und meine Vergangenheit ging, verschwand jenes jedoch sofort wieder. Die Sache war allgemein wohl etwas kompliziert, als das ich es dem Norweger in Kurzform erklären konnte, aber grundlegend konnte man sagen ... "Nein, Iljah weiß davon nichts. Hab's ihm bis heute nicht erzählt und er denkt, dass meine mangelnde Sympathie daher rührt, dass ich von Michail damals sitzen gelassen worden bin, aber das war alles ganz anders. Ich hatte ja, glaube ich, schon einmal erwähnt, dass Iljah Leute sehr gerne von Hochhäusern baumeln lässt und vermutlich hätte er mit dem Typen genau das gleiche angestellt, wenn ich es ihm erzählt hätte und keine Ahnung... das ist alles irgendwie ziemlich kompliziert. Ich hab mich damals schon gerne selbst um meinen Mist gekümmert, während mein Bruder halt überwiegend meinem Vater bei den Geschäften geholfen hat und ich wollte ihn damit einfach nicht behelligen. War ja auch gar nicht so wild...", versuchte ich schön zu reden, dass ich mich damals einfach nicht getraut hatte, irgendwem von den Erfahrungen zu erzählen. Meine Mutter war als einzige Bezugsperson inmitten der Geschichte nie wirklich da, sondern immer auf Reisen gewesen und mich meinem Vater anzuvertrauen kam gar nicht in Frage. Wen anderes hatte ich zu dieser Zeit aber einfach nicht. Also entschied ich mich lieber dazu, das Ganze in mich hinein zu fressen und irgendwann war der Verarbeitungsprozess abgeschlossen. Mein Leben lief wieder in halbwegs geregelten Bahnen und ich hatte mich physisch wie psychisch weiterentwickelt. Mein Selbstvertrauen war durch den Kampfsport wieder gekommen und mentale Stärke schöpfte ich aus vielen, nicht immer ganz legalen Aktivitäten auf der Straße, die mich ablenkten, bis der Gedanke an die unzähligen Schläge, Grapschereien und Beleidigungen mir keinen Stich mehr ins Herz versetzten. Dadurch hatte ich wohl das erste Mal auch Kontakte zu anderen kriminellen geknüpft, die sich mit mehr, als dem Verschiffen von Waren oder Menschen, ihr Geld verdienten und ja, ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass dadurch kein Ärger vorprogrammiert war. Manchmal war ich nächtelang um die Häuser gezogen, ohne auch nur irgendwem Bescheid zu geben und meine Mutter hatte vor ihrem Tod - wenn sie dann mal daheim war und sich um uns kümmerte - wohl deshalb schon einige Herzinfarkte durchgemacht. Aber im Grunde genommen waren das alles Erfahrungen gewesen, die mich letztlich für mein späteres Leben geprägt hatten. Ob das so gut war... na ja, darüber ließe sich wohl streiten.
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Wann war die Brünette so einfühlsam geworden? Hatte sie während des Fluges nach Kuba beschlossen, dass sie was das anging einfach gerne mal was Neues ausprobieren wollte? Sie fing damit an mir immer mehr Seiten an sich zu zeigen, von denen ich schon vorher geahnt hatte, dass sie sich unter der harten Schale verbargen. Das waren genau solche Dinge, wegen denen es sich lohnte überhaupt erst so weit zu graben. Die es wert waren, ein bisschen Arbeit un Zeit rein zu investieren - sofern das Gegenüber wie in diesem Fall irgendwann auch Stück für Stück immer lockerer ließ und sich ein wenig öffnete. Vahagn ließ mit ihren Worten unweigerlich meine Mundwinkel für einen Moment lang nach oben wandern. "Ja, irgendwann sicherlich...", so wie eben Alles irgendwann in den Gedanken-Akten abgehakt und zu den erledigten Fällen gelegt wurde. Aber es brauchte manchmal eben einfach Zeit, bis man so weit kam. "Es ist nur... jetzt ist er schon tot und trotzdem nicht weg, das nervt echt.", äußerte ich noch etwas leiser mit Blickkontakt zu der Brünetten meinen Unmut darüber, dass man einige Dinge nicht einfach vergessen konnte wie es einem gerade in den Kram passte, wenn sie einem unangenehm wurden. Dass sie einem stattdessen immer wieder durch den Schädel kreisen mussten, als gäbe es nichts Wichtigeres, über das man sich den Kopf zerbrechen musste. Es war mir dahingehend also fast lieber, das nicht weniger pikante Thema über Vahagns Vergangenheit zu behandeln. Dann musste ich solange wenigstens nicht unter meinen eigenen negativen Erinnerungen leiden, die häufig immer weiter aufeinander aufbauten und dann irgendwann unerträglich wurden. Mir war schon jetzt eigentlich wieder dringend nach einer Zigarette, aber dafür musste ich raus und ich wollte jetzt nicht gehen, wo die Russin mir doch gerade immer mehr von sich offenbarte. Nichts Gutes, aber immerhin Etwas. Jeder trug so seine Päckchen mit sich herum und ich nahm jene gerne an. "Ich kann schon verstehen, dass du das nicht einfach mal eben so Jemandem erzählen wolltest... oder auch einfach nicht konntest...", immerhin hatte ich mir selbst früher sehr lange, sehr schwer damit getan Anderen etwas über mich anzuvertrauen. Diese Befangenheit war mir also durchaus bekannt, ich hatte sie nur inzwischen einige Jahre weit hinter mir gelassen. Sie tat nämlich keinem Schädel gut. "...und deswegen freut's mich auch umso mehr, dass du's ausgerechnet mir sagst.", vollendete ich meinen vorherigen Satz nach zwei oder drei Sekunden Pause und sah sie dabei an, lächelte ihr schwach entgegen. War ganz einfach die Wahrheit. Wir kannten uns noch nicht allzu lange und trotzdem schien ich für vahagn inzwischen dermaßen vertrauenswürdig auszusehen, dass sie bei mir über diese Geschichte auspackte. "Mir ging's früher ähnlich und sich was das angeht zu ändern ist wirklich nicht leicht, aber... langfristig gesehen wär's vermutlich trotzdem besser für dich, wenn du dafür sorgst, dass er da verschwindet. Auf welchem Weg ist letztendlich deine Sache, aber wenn du so nach Russland zurückgehst, dort bleibst und sich nichts ändert, dann wird dich das immer wieder einholen.", gab ich der jungen Frau einen wirklich durchweg gut gemeinten, aber eher nur gemurmelten und nachdenklichen Rat mit auf den Weg. Ich wollte nicht klugscheißen oder damit sagen, dass ich wusste, wie sich das Alles in ihrer Haut anfühlen musste. Wenn ich aber eines über die letzten Jahre gelernt hatte, dann war das, dass man psychische Störfaktoren ganz dringend beseitigen musste oder sich ihnen zumindest nicht willentlich aussetzen durfte. Denn das 'war ja auch gar nicht so wild' konnte sie vielleicht jemand Anderem erzählen, aber nicht mir. Wäre das der Fall, dann würde es sie nicht dermaßen bedrücken, dass sie deswegen nicht zurück in ihr einstiges Heimatland wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
In dem Punkt konnte ich Tauren wohl nur zustimmen. Das Problem an der ganzen Sache war wohl schlichtweg Agnolos Zugehörigkeit der Mafia. Bei einer solchen Vereinigung konnte man eigentlich immer davon ausgehen, dass nach einer Ermordung oder Entführung eines der Mitglieder immer auch eine Resonanz folgte, wie in meinem Fall eben der überraschende Überfall. Dass derjenige, den man unter die Erde gebracht hatte einem deswegen stetig im Gedächtnis hing, weil man von allen Seiten durch die rachsüchtigen Brüder und Schwestern an ihn erinnert wurde, war halt echt unschön und hinderte einen daran, wirklich vollständig mit der Sache abzuschließen. Also ja, dahingehend konnte ich schon nachvollziehen, wie er sich im Augenblick fühlen musste, weshalb ich ein leises Seufzen verlauten ließ. Dieses war unter anderem auch ein Ausdruck der Zufriedenheit, weil ich mehr und mehr merkte - oder eben auch nicht merkte -, wie das Oxycodon seine Wirkung entfaltete und meinen Körper damit in angenehm weiche Watte hüllte. Ich hätte meine Hand, die so halb auf Taurens Oberschenkel lag, nun ohne größere Probleme oder stärkere Schmerzen wieder zu mir nehmen können, aber ich entschied mich unterbewusst wohl dagegen, denn sie bleib einfach dort liegen, wo sie war. "Die ganze Mafia auszurotten, damit dich niemand mehr an das Arschloch erinnern kann, wäre wohl die einzige Möglichkeit, den ganzen Verarbeitungsprozess zu beschleunigen, aber ich kann aus erster Hand sagen, dass schon ein paar Dutzend ausreichen, um dich in Schach zu halten. Es ist also nicht auszudenken, wie schwer es werden würde, sich direkt mit der kompletten Sippschaft anzulegen.", stellte ich dahingehend noch mit einem hörbar ironischen Unterton fest, wobei meine Stimme mittlerweile wieder etwas leiser war. Wider Erwarten sprach das Schmerzmittel scheinbar doch die jeweiligen Rezeptoren im Hirn an, welche einen müde werden ließen, was ich sogleich mit einem vielsagenden Gähnen untermauerte. Jedenfalls klang die Idee, gleich die ganze Familie in den Erdboden zu stampfen in meinen Ohren eigentlich gar nicht so verkehrt, aber was die Umsetzung eines solchen Plans anging, konnte man sich vermutlich auch einfach selbst die Kugel durch den Kopf jagen und war damit besser dran. Dass die italienische Mafia so ziemlich die größte ihrer Art war, kam schließlich nicht von ungefähr und sich mit der Masse an Menschen wissentlich als Ganzes anzulegen, grenzte schon an Selbstmord. Also verwarf ich den Gedanken an die Verfolgung eines solchen Plans und konzentrierte mich lieber wieder auf das Gespräch, welches mich in seinem Verlauf mehr und mehr in die Vergangenheit zurück katapultierte. Das drückte meine Stimmung gleich ein wenig, aber das Oxycodon tat sein Bestes, mich zumindest noch weiter darüber reden zu lassen, ohne das es hier gleich Tote gab. Auf die Danksagung ging ich gar nicht weiter ein, wollte ich mir selbst einfach nicht eingestehen, dass ich nicht wusste, warum ich mich dem jungen Mann überhaupt derart öffnete und deshalb kam ich direkt auf den wichtigen Teil der Unterhaltung zu sprechen. "Mittlerweile kann ich mich gegen ihn problemlos durchsetzen. Zumindest, wenn ich in der Lage bin, meine Arme und Beine zu bewegen. Es... ich... ich will einfach keinen Ärger mit Iljah. Er ist alles, was ich noch habe und selbst wenn ich das Verschwinden Michails mit der Wahrheit aus der Vergangenheit rechtfertigte, wird er sicher niedergeschlagen sein.", redete ich beinahe ein wenig aufgebracht vor mich hin. Jetzt, wo ich auch ein Stück weit meine Arme belasten konnte, fuchtelte ich auch auf etwa halber Höhe mit dem Arm durch die Gegend, dessen Hand nicht auf Taurens Oberschenkel ruhte. Ich bezweifelte an der Stelle überhaupt nicht, dass mein Bruder Verständnis dafür aufbringen würde, wenn ich seinen besten Kumpel verschwinden lassen würde, schlicht weil unsere Beziehung ihm sehr viel wichtiger war, als jede erdenkliche Freundschaft, aber es würde ihn trotzdem treffen. Wie lange kannten sie sich jetzt schon? Bestimmt an die zehn Jahre. Da steckte man das Verschwinden des besten Freundes nicht ohne weiteres weg. Würde ich zumindest nicht - vorausgesetzt, ich hätte einen besten Freund oder eine beste Freundin.
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