Alt genug mochte sie vielleicht sein, ja. Aber eine Zahl in Jahren sagte eben noch lange nichts darüber aus, wie erwachsen der Kopf geworden war - oder wie in diesem Fall eben nicht geworden war. Denn Vahagn konnte mir noch so oft sagen, dass sie alt genug und unabhängig war, dass sie keinen Babysitter oder weiß Gott was brauchte und trotzdem würde es nicht meine Ansicht dahingehend ändern, dass sie ein ignoranter und teilweise schlichtweg kindischer Mensch war. Natürlich war es gut, wenn man sich hier und da das innere Kind bewahrte - was auf den Feiern, die Hunter so etwa einmal oder höchstens zweimal im Jahr für die gesamte Crew schmiss auch bei so ziemlich allen zum Vorschein kam -, aber eben nicht in Hinsichten wie dieser. Dass ich gerne wollte, dass Vahagn mir ganz einfach in Person mitteilte wo sie hinging, hatte nichts mit einem imaginären inneren Spießer bei mir zu tun, sondern ganz einfach nur mit ihrer derzeitigen Hilflosigkeit. Sie konnte behaupten was sie wollte, aber im Fall der Fälle sähe sie nach wie vor alt aus, wenn ihr wirklich Jemand das Fell über die Ohren ziehen wollen würde. Letzteres war auch ganz einfach schon wegen ihrer provokanten Art nicht unwahrscheinlich, sie brauchte also auch nicht so zu tun als wäre das vollkommen abwegig. "Solange du betrunken bist ist jede Unterhaltung in diese Richtung komplett sinnlos. Ich könnte genauso gut mit einer Wand reden... und von einem Engel bin ich verdammt weit entfernt.", stellte ich einfach nur weiterhin genervt und recht trocken fest, weil sie mit dem Nervengift und den Opiaten intus ganz sicher nicht umgänglicher wurde als sonst. Dementsprechend hatte ich auch ganz einfach keine Lust darauf, diese Diskussion ohne die Aussicht auf ein gutes Ende weiterzuführen, weil sie ganz einfach zu gar nichts führen würde. Ich könnte genauso gut mit einer Wand reden und es würde genauso wenig Erfolg bringende Resonanz darauf folgen, wie mit Vahagn. Wobei sie vermutlich auch nüchtern meinen Standpunkt ganz einfach nicht verstehen wollen würde... und selbst wenn die ihn verstand, dann war ihr das wahrscheinlich einfach egal, weil es ja quasi nicht ihr Problem war. Langsam aber sicher sollte ich wohl einsehen, dass die Brünette nur nahm und nie etwas zurückgab. Zumindest nicht, wenn sie nichts davon hatte, was in meinen Augen eine wirklich traurige Einstellung war, aber damit unterschied sie sich wahrscheinlich von nur sehr wenigen Leuten in meinem Umfeld... was wiederum auch echt traurig war. War wohl ein Übel, mit dem man zu leben lernen musste, wenn man ausschließlich mit Verbrechern verkehrte. Aber ich schwieg den Rest des Heimwegs einfach. Mir war die Lust auf jegliche Form von Konversation vergangen, ebenso auf jegliche Art von Hilfestellung. Ein winziges bisschen rebellierte zwar der Engel auf meiner Schulter - ja, ich hatte wohl einen -, aber ich erstickte ihn einfach mit meinen negativen Gefühlen und stieg wortlos aus, als Ashton den Wagen anhielt. Sollte Vahagn selbst zukommen, wie sie vom Wagen zur Haustür kam, vielleicht hatte ich ja Glück und sie ließ die Flasche irgendwo auf dem Hinweg fallen. Danach konnte sie dann gut und gerne den Weg in Richtung Wohnzimmer zum Sofa einschlagen. Denn wenn es ihr ach so gut ging, dann wollte ich liebend gern wieder mein bequemes Bett gegen die mir fortlaufend mehr Nackenschmerzen bescherende Couch im Wohnzimmer eintauschen. Wenn sie in ihren Augen keine Schonfrist mehr brauchte, dann bekam sie auch keine und dann wollte ich bloß kein Gejammer hören. Nicht einen Hauch davon, zu keiner Tages- oder Nachtzeit. Entsprechend missmutig schloss ich die Haustür auf und ließ sie hinter mir offen stehen, bevor ich weiter in Richtung meines Zimmers ging. Für mich war der Tag gelaufen und ich wollte ziemlich sicher nichts mehr, als einfach nur zu schlafen. Auch, wenn das angesichts der negativen Gefühlslage sicherlich schwer werden würde, aber was soll's. Ich fing zuerst einmal an mich aus meinen Klamotten zu schälen und jene in die Wäschebox zu schmeißen, bevor ich gleich noch einen Abstecher ins Bad machen würde. Der Ärger über die junge Frau und ihre rücksichtslose Art ließ mein Inneres förmlich vor sich hin köcheln und das brachte mich bei den ohnehin nach wie vor warmen Außentemperaturen wortwörtlich ins Schwitzen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mimimi. Das war so ziemlich alles, was ich noch mit geschnitten hatte, kurz bevor ich mich mit einem belustigten Prusten von Tauren abwandte und stattdessen durch das Fenster nach draußen sah. War ja wieder einmal ganz toll, was er wollte - oder in dem Fall eben nicht wollte -, aber darauf konnte ich leider keine Rücksicht nehmen. Auch dass er minütlich genervter und unzufriedener wirkte, schreckte mich nicht davon ab, ihn erneut auf das Thema anzusprechen, als Ashton uns Zuhause abgesetzt hatte und selbst Heim gefahren war. Ich brauchte aufgrund mangelnder Hilfe ein klein wenig länger, um mich umständlich und auch nicht ganz schmerzfrei aus dem Auto zu schälen, aber letztlich stiefelte ich dem Norweger über den Kies hinterher ins Haus. Ich vernahm aus dem Augenwinkel gerade noch die Heckleuchten der Limousine und verfolgte diese, bis sie unweit des Bungalows schließlich um eine Kurve bogen. Erst dann gab ich im Inneren des Hauses angekommen der Tür einen sachten Stoß mit dem Fuß - was mich beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte - und somit fiel sie wenige Sekunden später in ihr Schloss zurück. Tauren war bereits wie ein trotziges Kind vor mir her gelaufen, war er doch mittlerweile zu Fuß wieder deutlich agiler als ich, aber das hielt mich dennoch nicht davon ab, ihn noch einmal aufsuchen zu wollen. Weit konnte er schließlich nicht sein, denn der Bungalow war nicht besonders groß dafür, dass hier aktuell drei Leute hausten. "Was soll denn dieser Kindergarten, Tauren?", fragte ich, noch während ich die Sektflasche auf einer der Kommoden nahe der Haustür abstellte. Das Bündel Geld hingegen stopfte ich etwas umständlich in meine Hosentasche, weil ich es doch ungerne öffentlich zugänglich für Richard liegen lassen wollte. Dass mich hier grundlegend keiner beklauen wollen würde war mir klar, aber wer wusste schon, ob unser hauseigene Drogenjunkie nicht doch auf blöde Ideen kommen würde. Das war so ziemlich der einzige Punkt, der mich an dem Suchtverhalten der meisten Menschen ankotzte. Waren sie erst einmal tief genug gesunken, beklauten sie auch ihre eigene Großmutter, um damit den Stoff finanzieren zu können und auch wenn der Engländer selbst reichlich Geld auf Tasche hatte... vertrauen tat ich ihm deswegen trotzdem nicht. Ich humpelte somit mit den Taschen voll Geld in Richtung der im Bungalow eher hinten gelegenen Räumlichkeiten, wo sich unter anderem Taurens Schlafzimmer und das Bad befand, auf dessen Türschwelle ich den Norweger schließlich antraf. Mir war auf so vielen Ebenen schlichtweg egal, ob er jetzt einfach seine Ruhe haben oder mich nach meinen unfreundlichen, undankbaren Worten von vor einigen Minuten nicht mehr sehen wollte. Ich wusste ja, dass er mir kein Haar krümmen wurde - wobei eine gewisse Restanspannung prinzipiell immer blieb, selbst meinem eigenen Bruder gegenüber, weil das einfach so in mir drin war -, weshalb ich mich provokativ in den Türrahmen stellte und ihm somit den Austritt verwehrte. "Ich hab kein Bock auf so eine Scheiße. Lass mich noch ein paar Wochen hier in Ruhe absitzen und dann brauchst du dir bald keine Gedanken mehr um mich zu machen.", versuchte ich ihn dahingehend zu beschwichtigen, wobei das vermutlich der vollkommen falsche Ansatz dafür war, für beide Seiten einen zufriedenstellenden Ausgang der Diskussion zu erzielen. Letztlich war mir aber auch das relativ egal, weil es mir lediglich wichtig war, dass ich meinen Standpunkt klar gemacht hatte. Was der junge Mann, welcher in meinen Augen nach wie vor einfach unglaublich gut aussah, wie mir gerade beim beiläufigen Mustern des nackten Oberkörpers auffiel, dann daraus machte, blieb ihm überlassen. "Außerdem... hab ich bis jetzt noch niemanden gesehen, der näher an einem Engel dran war, als du bis jetzt.", kam ich noch einmal auf das ziemlich abrupt geendete Gespräch im Auto zurück, weil ich einfach das Bedürfnis verspürte, dies noch einmal kommentieren zu müssen. "Niemand und ich betone... niemand nimmt so selbstlos jemanden bei sich auf, von dem er weiß, dass er einen an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben wird. Der ganze Ärger, den du dir damit eingebrockt hast... stillschweigende Akzeptanz. Ich hab dich bis jetzt nicht einmal brüllen gehört, keine Schläge, nichts... also wo bist du denn bitte weit davon entfernt, einer dieser gottesnahen Fritzen mit Flügeln zu sein?", stellte ich Tauren eine hörbar ironische Frage, wobei meine gesamte Ansprache wieder mit einem leichten Lallen unterlegt war. Mittlerweile merkte ich einfach, wie der Alkohol seine volle Wirkung entfaltete und meine wiederkehrenden Schmerzen in Watte hüllte. Demnach konnte ich mich beinahe problemlos mit der Schulter in den Türrahmen lehnen, als ich auf eine Antwort wartend in Richtung des Norwegers blickte. Dabei schoss mir eventuell der eine oder andere unpassenden Gedanken durch den Kopf, der allerdings von dem schmackhaften Anblick des jungen Mannes hervorgerufen wurde und grundlegend rein gar nichts mit der aktuellen Diskussion zutun hatte. Mensch, was musste Alkohol eigentlich immer die falschen Rezeptoren im Hirn anregen und das auch noch zum absolut unpassendsten Zeitpunkt?
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Theoretisch gesehen hätte sie es einfach lassen können. Offensichtlich ging ich der jungen Frau ja mit meiner fürsorglichen Art auf die Nerven, aber die Sache auf sich beruhen lassen konnte sie trotzdem nicht. Hätte mir andererseits aber eigentlich klar sein können. Erstens, weil sie stur war und zweitens, weil Alkohol auch dahingehend gerne seine Finger mit ins Spiel brachte. Betrunkene waren häufig schrecklich anstrengend und unnachgiebig, denen tat auch Vahagn hier gerade keinen Abbruch und fügte sich nahezu perfekt ins Schema ein. "Ich veranstalte hier einen Kindergarten?! Du bist doch diejenige von uns, die nicht mal einen Funken Anstand oder gar sowas wie Verantwortungsbewusstsein in sich trägt.", fauchte ich nur über meine Schulter hinweg, ehe ich mich weiter auszog. Mich auch noch den Shorts entledigte und mich gedanklich währenddessen wohl immer noch weiter in die Sache hinein steigerte, obwohl ich eigentlich wusste, dass das absolut nicht förderlich war. Aber ich konnte nicht anders, weil die Brünette mit ihren Worten einfach immer wieder hier und da einen empfindlichen Nerv meinerseits traf und ich konnte mich nicht einmal in Ruhe ins Badezimmer verziehen. Nein, da stellte sie sich ganz dreist einfach vor mich in den Türrahmen und wäre ich Hunter oder irgendeiner seiner unzähligen anderen Schläger, dann hätte ich sie jetzt einfach da weggeschubst. Eine Hand an einer ihrer Schultern hätte gerade bei ihrem Zustand vollkommen gereicht, um sie mit etwas zu viel Druck auf ihren Arsch fallen zu lassen und damit freie Bahn zu haben. So war ich halt aber nicht. Ich blieb einfach nur mit doch ein wenig angespannter Körperhaltung vor ihr stehen, den Blick keine Sekunde lang von ihrem Gesicht abwendend. "So funktioniert das aber ganz einfach nicht, solange du hier in mitunter meinen vier Wänden wohnst, Vahagn. Ich bin nicht wie du, nicht wie Hunter, nicht wie gefühlt jeder andere beschissene Schwerverbrecher. Ich hab ein Gewissen und eine offensichtlich viel zu fürsorgliche Ader, die von ignoranten Menschen wie dir auch noch kein Stück geschätzt wird. Also wenn es dich nervt, dass ich mir Sorgen um dich mache, weil du verschwindest und du einfach noch kein bisschen so fit bist, wie du es die ganze Zeit vorgibst um dein verdammtes Ego zu pushen, dann zieh' einfach Leine.", natürlich wollte ich nicht so wirklich, dass sie ging. Eigentlich gar nicht, aber irgendwie ließ sich der ganze Redeschwall gerade einfach nicht unterdrücken und die Worte kamen mir über die Lippen, sobald sie mir in den Sinn gekommen waren, ohne dass ich richtig darüber nachdachte. Kam tatsächlich nur relativ selten vor, dass ich meine Worte mal nicht erst gründlich durchdachte, bevor ich sie aussprach. Auch, wenn ich gereizt klang, war ich auch nach wie vor nicht laut. Ich knurrte vor mich hin, war hörbar abgenervt von ihren blöden Provokationen, aber zu einem Schreien kam es nicht ansatzweise. "Vielleicht bin ich auch einfach gern selbstlos. Vielleicht will ich zwischen den Morden einfach hin und wieder mal was Gutes tun, um mich zumindest ab und zu davon abzulenken, zu was für einer Art Mensch ich geworden bin. Jemanden ohne mit der Wimper zu zucken anzuschreien, zu schlagen oder umzubringen ist nämlich nichts Gutes... ich kann das Alles. Sehr gut sogar, sonst würde ich hier nämlich längst nicht mehr stehen. Aber solange es einen anderen, besseren Weg gibt, werde ich mich dafür hüten in meinen privaten Angelegenheiten zu solchen Mitteln zu greifen, wenn es umgehbar ist. Druck erzeugt nur Gegendruck.", wetterte ich weiter vor mich hin, fügte hier und da eine unterstreichende Geste mit der Hand des unverletzten Armes ein. Von einem Schreien war aber noch immer keine Spur und die Brünette müsste wohl wirklich noch einige Schippen draufsetzen, um mich dazu zu bringen. Außerdem hatte ich im Nachhinein einfach immer das Bild meines Vaters vor Augen, wenn er damals geschrien hatte. Natürlich klang meine Stimme ganz anders, aber die Eindringlichkeit war die gleiche und ich hasste das einfach. Ich wollte nicht sein wie er, nicht mal zu einem winzigen, minimalen Bruchteil - ich musste verbal dementsprechend quasi schon am Rande des Wahnsinns stehen, um Schreierei auszupacken oder mich gerade in der Ausübung meines Jobs befinden. "Und jetzt lass' mich durch... ich muss nur noch kurz in Bad und dann verschwinde ich freiwillig in mein Bett, damit du mich los bist, wo ich doch so schrecklich anstrengend für dich bin.", murrte ich ihr noch ein paar letzte, gegen Ende hin reichlich trocken klingende Worte entgegen. Gepaart waren sie mit einem auffordernden Blick. Wenn sie nicht bei Seite ging... tja, dann musste ich sie wohl wegschieben, auch wenn ich das nicht unbedingt wollte. Noch weiter auf der Nase herumtanzen lassen würde ich mir hier nicht, Vahagn trieb es ohnehin schon viel zu weit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es kam ja überaus selten vor, dass ich Entscheidungen, welche ich in der Vergangenheit getroffen hatte, noch einmal überdachte, aber momentan stellte ich mir echt die Frage, was mich dazu geritten hatte, mich freiwillig einem solchen Stress auszusetzen. So einem... komischen Stress irgendwie. Ich konnte nicht ganz beschreiben, wie sich das Gefühl definieren ließ, hier und jetzt mit Tauren zu diskutieren, aber es war seltsam. Auf der einen Seite absolut befriedigend, ihm mal wieder ein paar unschöne Dinge an den Kopf zu werfen, andererseits ließ es das Stück Schrott aus Blut und Gewebe - im Fachjargon auch Herz genannt - irgendwie eine ganze Ecke schwerer werden. Oder aber ich bildete mir letzteres bedingt durch den Alkoholeinfluss einfach nur ein, was ich aktuell für sehr viel wahrscheinlicher hielt. Andernfalls hätte ich meine darauffolgenden Worte vermutlich noch einmal überdacht, um den Norweger nicht noch weiter auf den Schlips zu treten, aber ich blieb bei dem Image der unerzogenen, rotzfrechen und dermaßen anstrengenden Russin, als ich mit einem belustigten Grinsen den Kopf schüttelte. Wieder einmal fing die Welt um mich herum an, sich zu drehen und ich musste mich dieses Mal sogar mit einer Hand am Türrahmen festhalten, um heute nicht doch noch einen Abflug zu machen. "Du kannst richtig niedlich sein, wenn du dich so aufregst, Tauren. Erinnert mich ein bisschen an Iljah in jungen Jahren, wenn mal etwas nicht so funktionierte, wie er sich das vorgestellt hatte.", zog ich ihn mit einem Vergleich zu meinem Bruder auf, wobei das ja nicht zwangsläufig etwas Negatives war. Schließlich war die Beziehung zwischen mir und Iljah wirklich gut und als der letzte, lebende Teil meiner Familie liebte ich ihn abgöttisch. Was jetzt natürlich nicht hieß, dass Selbiges für den Norweger hier galt, der zunehmend mehr Haut präsentierte und mir damit das Denken echt nicht leichter machte. Wie sollte ich mich denn auf unseren kleinen Streit hier konzentrieren, wenn er mit unfairen Mitteln kämpfte? Ich schnaubte hörbar angesäuert, als der junge Mann direkt vor mir zum Stehen gekommen war und mein etwas verstrahlter Blick musterte ihn kurz ganz ungeniert von oben bis unten, ehe er zu seinen Augen zurück wanderte und in ihnen liegen blieb. "Aber davon mal ganz abgesehen, finde ich es erstaunlich, dass du scheinbar besser weißt, wie gut es mir geht, als ich das selbst tue.", stellte ich relativ trocken fest und ließ mit den Worten zeitgleich die rechte Augenbraue nach oben wandern. Schließlich hatte ich mit keinem Wort erwähnt und gepriesen, dass es mir so super toll ging und ich wieder fit wie ein Turnschuh war. Mir ging es nun mal eben nicht mehr schlecht genug, um über Tage hinweg unter Beobachtung ans Bett gefesselt mein Dasein zu fristen - das hatte doch nicht im geringsten etwas mit dem Pushen meines Ego zu tun. "Ich habe mit keiner Silbe erwähnt, dass ich schon wieder Bäume ausreißen kann. Man, alleine das an den Türrahmen gelehnt stehen lässt mich in Hinsicht auf die Schmerzen beinahe in eine Tischkante beißen, aber ich fühle mich trotzdem erholt genug, in einem fremden Land mit mir absolut fremden Menschen und niemanden, der mir nach dem Leben trachtet, ein bisschen Spaß zu haben." War mir irgendwie wichtig, dass ich ihm das noch mit auf den Weg gab, denn er verdrehte in meinen Augen gerade wirklich ein paar Tatsachen. Dabei unterstrich ich einzelne Worte, genau so, wie er das auch getan hatte, mit entsprechenden Gesten, wobei ich ihm mit den Händen nicht im Gesicht herum fuchtelte, sondern sie auf Höhe meiner Hüfte beließ. Die Arme weiter anzuheben, war nämlich auch mit der dämpfen Watte ziemlich unangenehm. Klar, war das unverantwortlich, mich mit dem Ausmaß an Wunden volllaufen zu lassen, ohne das ein mir bekanntes Gesicht sein Auge auf mir hatte, aber es war doch nichts passiert. Das war zwar so eine Aussage, auf die man inmitten einer solchen Situation immer zurück griff, obwohl man wusste, dass sie sich ganz leicht entkräften ließ, aber etwas anderes, als einsichtiges Verhalten war mir in dem Moment nicht eingefallen und für letzteres war ich eindeutig nicht bereit. Noch nicht jedenfalls. Also beließ ich es erst einmal dabei und schenkte dann auch den darauffolgenden Worten noch mein Gehör. Ich sollte Leine ziehen, wenn mich seine fürsorgliche Art nervte? Ha ha, dann könnte ich mir auch gleich noch in die unverletzten Knie schießen, so sah es nämlich aus. Zwar hatte ich mich eingangs darüber geärgert, mich derart von ihm abhängig gemacht zu haben, aber so schnell wurde er mich dann jetzt auch wieder nicht los. Schließlich hatte ich hier alles, was ich brauchte, um ein wenig zur Ruhe zu kommen und konnte ihn mittlerweile, falls es seinem treudoofen Gewissen dann besser ging, auch gerne dafür bezahlen. Dann tat er das Ganze hier nicht aus Nächstenliebe, sondern als Gegenleistung für ein gewisses Endgeld. War mir grundlegend genau so egal, wie sein komischen Druck erzeugt Gegendruck-Gefasel, was mir absolut nicht einleuchten wollte. Mit genug Druck sollte es eigentlich kein Gegendruck mehr geben oder war ich da falsch informiert? Schien wohl einfach meine, mal wieder etwas verkorkste, Ansicht der Dinge zu sein, aber wie auch immer. "Du wirst mich schon bis vor die Tür tragen müssen, damit ich freiwillig verschwinde und das hast du dir ganz alleine selbst zuzuschreiben. Zu behaupten, dass du nicht wusstest, worauf du dich eingelassen hast, als mein Bruder bei dir angerufen hat, wäre eine dreiste Lüge und das wissen wir beide ganz genau!", redete ich mich selbst immer weiter in Rage, weshalb auch der lallende Unterton von meinem mittlerweile kurz vor dem Gekeife stehenden Fauchen verschluckt wurde. "Es fällt mir leider extrem schwer, deine fürsorgliche Ader wertzuschätzen, wenn diese impliziert, mich in meinen Freiheiten und der Art, wie ich nun mal bin, einschränken zu müssen und auch das solltest du mittlerweile geschnallt haben.", spuckte ich ihm die letzten paar Worte vor die Füße, kurz bevor ich mich - natürlich nicht ohne das gewisse Zwicken im Arm - vom Türrahmen abstieß und seiner indirekten Bitte nach kam. Ihm nicht weiter im Weg stand und mich stattdessen den Flur runter in Richtung Wohnzimmer trollte. Seine Worte waren überdeutlich bei mir angekommen und selbst wenn ich wusste, dass eine Nacht auf der Couch die ein oder andere negative Auswirkung auf meine Verletzungen haben würde, mir im schlimmsten Fall noch Probleme mit dem Nacken machen würde, war ich einfach zu Stolz, um weiterhin auf das wesentlich gemütlichere Bett zu bestehen. Sollte er sich ruhig weiter in irgendwelchen eigens aufgestellten Behauptungen über mein Empfinden ihm gegenüber suhlen, wenn er dadurch leichter in den Schlaf fand. Ich schaltete indessen den Fernseher an, kurz nachdem ich mich mit einem schmerzverzerrten Stöhnen auf die niedrige Couch hatte fallen lassen. So mit koordiniertem Hinsetzen war auf der Höhe leider nicht. Tja, das war es dann wohl gewesen mit diesem wunderbar tollen Abend.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich schnaubte. Es war mir scheißegal, wem ich hier und jetzt gerade ähnelte, weil es ganz einfach nichts zur Sache tat. "Ich muss nicht in deiner Haut stecken, um zu wissen, dass man nach einer Woche auf dem Sofa nach mehreren Schusswunden und Prellungen nicht ansatzweise gesund genug ist, als dass man so einen Ausflug in die Stadt unternehmen sollte. Aber ja, klar, wenn dir nichts an deinem Leben liegt, dann kipp' dir die Flasche Sekt auch gleich noch rein. Ich ruf' dann Iljah an, dass er dich vom Sofa kratzen gehen kann, nur weil du mit deinem eigenen Kopf nicht mal ein paar Tage lang allein auskommst. Renn' ruhig immer wieder vor dir weg, aber früher oder später wird's dich umbringen.", knurrte ich zu ihr runter, jetzt doch ein klein wenig lauter. Sie verhielt sich wie ein bockiges Kind, dass partout nicht einsehen wollte, dass es mit seinen Aktionen Scheiße baute und bereitwillig zusätzlich andere Menschen damit verletzt. Es war mir an diesem Punkt auch vollkommen egal, ob ich mit meinen Worten irgendeinen Nerv traf. Vielleicht wachte sie dann zumindest kurzzeitig mal auf - wobei, nein, die Hoffnung dahingehend sollte ich vermutlich gleich aufgeben. Vahagn war schlichtweg zu stur, um einzusehen, dass ich hier und da ganz einfach Recht hatte. Denn es gab keinen anderen Grund dafür, warum man sonst etwas dermaßen Dummes unternahm, wenn man streng genommen noch etliche Tage so gut wie komplett still halten sollte, um die unzähligen Nähte keinen Belastungen auszusetzen. Sie gab ja selber auch noch zu, dass sie weiterhin höllische Schmerzen hatte. Warum also sollte sie sonst in ein Casino flüchten? Nur zum Spaß? Sicher nicht. Das konnte sie vielleicht sich selbst und ihrem Bruder einreden, aber nicht mir. Ich kannte mehr als genug kaputte Persönlichkeiten, um zu wissen, dass sie sich in vielerlei Hinsicht wenig bis gar nicht von ihnen unterschied. Sehr sicher auch damit nicht. Sie hatte mir bis dato nur von einem Bruchteil des Ballastes erzählt, den sie mit sich herumtrug und die Liste dahingehend war sicher noch sehr viel länger. Natürlich konnte sie ihr Leben lang immer wieder davor flüchten, indem sie sich mit Drogen in welcher Form auch immer berauschte und für ein paar Stunden abschaltete, aber das würde nicht ewig gutgehen. Sie würde an einen Punkt kommen, an dem das nicht mehr half und dann kam es schlimmer, als es das eigentlich musste, wenn man denn nur schon vorher mal ein bisschen an sich gearbeitet hätte. Sich mit sich selbst auseinandergesetzt hätte. Aber achja, ich vergaß - dann müsste man sich hier und da Problemen und auch seinen eigenen Fehlern stellen. Etwas, was irgendwie Niemand in diesem Metier beherrschte. Außer mir selbst, versteht sich. Ich war immerhin so ziemlich der einzige im ganzen Team, der mit sich mehr oder weniger im Reinen war. Auf ihre letzten Worte hin konnte ich mir nur mit der Hand an die Stirn fassen, beziehungsweise sie leicht an jene klatschen. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass wir hier schlicht und ergreifend kilometerweit aneinander vorbei redeten. Es war nicht meine Absicht, sie in irgendeiner Art und Weise an mich zu binden und damit ihre Freiheit anzuschränken. Ich wollte doch einfach nur, dass sie nicht blindlings allein in die Stadt zog und sich mit Opiaten intus die Kante gab, um bewusstlos unter irgendeinen Pokertisch zu fallen. Sie tat ja so, als könnte man ohne Drogen und Glücksspiel keinerlei Spaß haben... und sollte das bei ihr wirklich so sein, dann waren wir wahrscheinlich sowieso miteinander fertig. Ich ließ es einfach nur so stehen, ließ sie das letzte Wort haben und sah ihr hochgradig genervt hinterher, bevor ich zwei Türen weiter ins Badezimmer ging. Mir war mehr nach einem Boxsack, als nach Zähneputzen und aufs Klo gehen, aber das war mir in diesem Haus leider nicht vergönnt. Ich wusch mir nach de gewöhnlichen Abendroutine mit eisigem Wasser das Gesicht, was zumindest ein bisschen half. Mich einmal tief durchatmen und auf den Waschbeckenrand gestützt die Augen schließen ließ. War es denn wirklich so unendlich falsch ihr einfach nur helfen zu wollen? Die Brünette hatte es wirklich geschafft, dass ich schon damit anfing eine meiner besten Eigenschaften in Frage zu stellen, obwohl ich gar nichts Falsches getan hatte. Als ich das Bad verließ hielt ich aber doch noch einmal kurz inne, sah den Flur hinunter bis zum Wohnzimmer. Wollte eigentlich noch Irgendwas sagen, ließ es am Ende aber doch bleiben - weil eine Diskussion wie schon im Voraus von mir festgestellt einfach zu nichts mehr führen würde - und verzog mich mit einem schweren Seufzen zurück in mein Zimmer. Ließ die Tür hinter mir zu fallen und ging ohne Umweg zum Bett, sank im Dunkeln aufs Bett und griff nur noch einmal nach dem Handy auf dem Nachttisch, um Sabin eine Nachricht zukommen zu lassen. Sydney sollte keinen Fuß mehr in dieses Haus setzen. Genauso wenig, wie ich auch nur noch einen Finger für die Russin krumm machen würde, bevor sie sich kein bisschen einsichtig zeigte. Ich würde sie tolerieren und das war's. Sollte sie sich an Richard wenden, wenn sie bei Irgendwas Hilfe brauchte, ich hatte es satt. Sollte sie jemand anders schamlos ausnutzen, ich würde dafür nicht mehr herhalten. Ich war auch ohne Vahagn schon für genug Leute der Sandsack. Das Handy wanderte wieder auf den Beistelltisch neben dem Bett und ich stellte mir ganz bewusst keinen Wecker, weil ich ja noch keine Ahnung davon hatte wann ich einschlafen würde, also ließ ich den Kopf endgültig ins Kissen sinken und zog die Decke bis über meine Schultern. Dass die Bettwäsche auch nach der Brünetten riechen würde hatte ich bei der Sache leider nicht bedacht und ich war mir schon nach wenigen Sekunden, in denen ich zwangsweise ihren Geruch eingeatmet hatte sehr sicher damit, dass das Einschlafen dadurch kein bisschen leichter werden würde. Aber um ihr auch noch die Genugtuung zu geben, jetzt die Bettdecke und die beiden Kissen neu zu beziehen, war selbst ich zu stolz.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, aber sicher doch. Sollte er das ruhig weiter glauben, ich wusste es in dem Fall nämlich - zumindest Stand heute - einfach besser. Schließlich hätte ich mir schon mehrfach auf sehr viel tragischere Art und Weise die Radieschen von unten angucken können, wenn mir an meinem Leben so wenig lag, warum sollte ich also aufgrund von ein paar absurden Gedanken, deren Ursprung im Übrigen irgendwo in ferner Vergangenheit lag, ausgerechnet in naher Zukunft den Freitod wählen? Es ergab nicht wirklich einen Sinn für mich, was Tauren mir da vor dem Betreten des Badezimmers noch an den Kopf geworfen hatte, aber grundlegend mir das auch egal. Ich hatte meinen Blick schon längst auf die Flimmerkiste vor mir gerichtet und geistesabwesend ein paar Kanäle durchgezappt, bis ich irgendwann bei einer Dokumentation über Serienkiller hängen blieb. Wie ironisch. Für ein paar wenige Minuten lenkte mich die monotone Stimme des Erzählers auch tatsächlich ab, bis ich hinter mir wieder Bewegungen vernahm und kurzzeitig die Lautstärke nach unten regulierte. Nur für den Fall, dass der Norweger noch irgendetwas zu sagen hatte, aber wider Erwarten blieb es still. Unsere Wege hatten sich für den heutigen Abend also ganz offensichtlich getrennt, denn auch ich hatte der vorangegangenen Diskussion nichts weiter hinzuzufügen und so legte ich die Fernbedienung dann wieder neben mir auf dem Polster ab, um stattdessen nach der dünnen Decke, die zusammengefaltet über der Lehne hing, zu greifen. Ich breitete sie etwas umständlich und nicht ohne das altbekannte Zwicken und Ziepen in den Armen über meinen Beinen aus und versuchte, es mir in einer sitzenden Position so gemütlich wie nur möglich zu machen. Liegen wäre in dem Fall zwar deutlich vorteilhafter und weniger schmerzhaft für meine Verletzungen gewesen, aber ich wusste, dass ich noch keinen einzigen Gedanken an Schlaf verschwenden können würde, weil mich die Diskussion dafür einfach viel zu sehr aufgewühlt hatte. Ich wollte mir das nicht eingestehen, weder heute, noch in der nächsten Zeit, aber die Tatsache, dass das blutige Stück Blech in meiner Brust wieder diese beunruhigenden Geräusche machte, könnte darauf hinweisen, dass Tauren mit seinen Worten doch einen empfindlichen Punkt getroffen zu haben schien. Als es, bis auf das Dudeln des Fernsehers, ruhig geworden war, merkte ich bereits, wie eine Welle an unliebsamen Gedanken mich zu überrollen drohte und so legte ich den Kopf einfach in den Nacken, ließ sie gewähren. Ohnehin wäre ich unter dem Einfluss von Alkohol kaum dazu in der Lage gewesen, sie gänzlich aufzuhalten, aber so traf mich einfach alles, was in der letzten Zeit so schief gelaufen war, mit voller Wucht. Und das war eine ganze Menge, wie der Allgemeinheit sicher bekannt sein dürfte. Etwa eine halbe Stunde schaffte ich es, einfach stillschweigend an die Decke zu starren und sämtliche Erinnerungen an meine Kindheit, die Sache mit Michail und den Tod meiner Eltern noch einmal durchzukauen, aber irgendwann brach der Damm und die Tränen flossen ungeachtet meiner sonst so kalten Art mit einer ungewöhnlichen Hitze über meine Wangen. Ein leises Schluchzen untermauerte den seelischen Schmerz und plötzlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als tatsächlich noch diese eine Sektflasche zu trinken, in der Hoffnung, dass diese mich schließlich ins Delirium beförderte und mich den ganzen Mist hier einfach heile überstehen ließ. Aber leider hatte sich um die Kindersicherung in Form des Korkens bis jetzt noch niemand gekümmert und ich würde einen Teufel tun, Richard oder Tauren dahingehend um Hilfe zu bitten. Letzterer hätte mich vermutlich sowieso wortlos aus seinem Zimmer geschmissen, wenn ich mich mit einer solchen Bitte - oder mittlerweile egal welcher Art von Gefallen - an ihn wenden würde. Außerdem wäre es ohnehin ziemlich schwer geworden, mich jetzt noch einmal von der Couch zu erheben, war ich doch ziemlich tief ins Polster gesunken, was mir die etlichen noch relativ frischen Narben nicht wirklich dankten. Tja, also blieb ich einfach sitzen, verzweifelt darüber, dass ich nicht genau wusste, wohin mit mir oder meinen Gedanken, bis mich ein ziemlich unmissverständliches Zeichen meines Magens dann doch noch einmal in die Höhe schießen und zum Bad humpeln ließ. Es lag mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht an dem Alkohol, sondern viel mehr an dem psychischen Druck, der mich vor der Toilette in die Knie zwang, um symbolisch all das, womit ich die Jahre zuvor nicht zurecht gekommen war, weil ich mich den Problem nie angenommen hatte, zu erbrechen. Ich musste sicher nicht erwähnen, wie begeistert mein geschundener Oberkörper über das krampfhafte Zusammenziehen meines Magens und den darüber liegenden Muskelgruppen war, aber es schien mir so, als wäre ich gerade absolut nicht in der Position, mich darüber beschweren zu dürfen. Schließlich hatte ich einmal mehr dem Schicksal meinen Mittelfinger gezeigt und das Karma ließ in der Regel nicht besonders lange auf sich warten. Vermutlich wäre es gar nicht so weit gekommen, wenn ich bei dem Gespräch von vor mittlerweile etwas mehr als einer Stunde einfach eingelenkt und mich einsichtig gezeigt hätte. Schließlich war mir unterbewusst klar gewesen, dass Tauren mit seiner Aussage durchaus Recht haben könnte, aber ich war nicht einmal ansatzweise bereit, mir das ihm Gegenüber auch einzuräumen. Und er konnte von mir nicht verlangen, dass ich innerhalb von etwas mehr als einer Woche das komplette Gegenteil von der Vahagn werden würde, die er kennengelernt hatte, nur weil wir hin und wieder mal ein ungezwungenes Gespräch geführt hatten. Und das müsste er eigentlich wissen... Auch meine Reaktion vorhin war noch nicht einmal wirklich böse gemeint, aber das war nun mal eben ein Schutzschild, welches mich stetig umgab. Pure Ignoranz, Verantwortungslosigkeit und anstandsloses, sowie rücksichtsloses Verhalten zeichneten jenes aus, nur um mich damit selbst zu schützen. Dass ich damit andere Leute verletzte, die mir genau so wenig etwas Böses wollten, war mir gar nicht wirklich bewusst, schlicht weil für mich mein Wohl über dem der anderen stand und hier schien wohl das konkrete Problem zu liegen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich war längst noch nicht eingeschlafen, als ich noch einmal Regung im Flur vernahm. Sehen tat ich davon natürlich nichts, aber die unbeholfenen Schritte waren nicht wirklich zu überhören und letzteres ließ mich auch sehr sicher darauf schließen, dass es sich dabei um Vahagn handelte. Ein Teil von mir wollte wie so oft postwendend aus dem Bett springen und nach ihr sehen, um sicher zu sein, dass sie zurechtkam. Für einen Nur-Ins-Bad-Gang klang die gesamte Fortbewegung nämlich irgendwie zu hektisch, also war es gut möglich, dass sich jetzt doch irgendein Teil ihres Innersten meldete, weil er wieder raus wollte. Aber das war jetzt ganz einfach ihr Problem, so wie es eben auch mein Problem war, wenn es mir schlecht ging, weil ich mir Sorgen um die Brünette machte. Obwohl ich versuchte mir genau das einzureden hatte ich noch immer nicht in den Schlaf gefunden, als sich die junge Frau irgendwann hörbar wieder ins Wohnzimmer zurückschleppte. Na ja, das hieß dann immerhin, dass sie nicht krepiert war und ich mir keine Vorwürfe machen musste. Das Einschlafen gestaltete sich trotzdem weiterhin schwierig. Ich setzte mich irgendwann gegen kurz nach 11 im Bett auf, weil ich es mit dem Schlafen aufgab. Dabei rumgekommen waren vielleicht sechseinhalb Stunden voll unruhigem Schlaf, weil ich mir die Sache schlichtweg viel mehr zu Herzen nahm, als gesund sein konnte. Egoismus lag mir auch schlichtweg nicht, da brauchte ich mir nichts vorzumachen. Ich war ein harmoniebedürftiger Mensch, was bei meinem Umfeld ironischer nicht sein konnte. Vielleicht würde ich es hier in Kuba ja schaffen, mir ein paar normale Freunde zu suchen. Nichtsdestotrotz rollte ich mich jetzt seufzend aus dem Bett und griff nach meinem Handy, bevor ich endgültig aufstand und müde zum Schrank ging. Mir dort noch ein kurze Hose, Unterwäsche und auch ein Top herausnahm, ehe ich absolut unausgeruht zum Bad schlurfte. Dort unterzog ich mich einer dringend angebrachten Dusche - hatte ich die Nacht über doch nur noch mehr geschwitzt durch einen unschönen Traum hier und da -, wodurch ich zumindest schon ein klein wenig wacher wurde. Ich verzichtete im Anschluss darauf mir den Bart zu stutzen, hatte ganz einfach keine Lust dazu und kümmerte mich demnach nur noch um meine Haare, bevor das Badehandtuch zurück an seinen Platz wanderte und ich mich in die Klamotten schmiss. Heute bestehend aus hellen, verwaschenen, graublauen Jeansshorts und einem weißen Tanktop, das lediglich einen schwarzen Aufdruck des Markenlogos hatte. Noch ein knapper Blick in den Spiegel und ich verließ das Badezimmer relativ entspannt, wobei sich jene Entspannung recht bald wieder in Luft auflöste, weil ich am Wohnzimmer vorbei gehend vernahm, dass die Russin bereits wach war. Ich führte meinen Weg zur Küche nach einem kurzen Blick ins Wohnzimmer fast unbeirrt fort, wobei sich das unangenehme Gefühl in der Magengegend aber schon wieder auszubreiten begann. Auch die Geräusche der Kaffeemaschine konnten mich davon nicht ablenken, während ich mit leerem Blick aus dem Küchenfenster starrte. Warum musste sie so kompliziert sein? Und warum musste ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber machen? Ich löste den Blick erst wieder von den Grünpflanzen außerhalb des Fensters, als der Kaffee durchgelaufen war und ich mir die Tasse nahm, um vorsichtig den ersten Schluck zu machen. War natürlich noch zu heiß und ich verbrannte mir ein kleines bisschen die Zunge, was mich leise fluchen ließ. Ich lehnte wohl etwa fünf Minuten schweigsam an der Theke und starrte auf den sich zunehmend verflüchtigenden Kaffeeschaum, bis ich irgendwann leise seufzte und die Worte "Willst du Kaffee?", in den Flur hinaus rief. Richard war bis jetzt nicht zu sehen gewesen, also ging ich nicht davon aus, dass er sich angesprochen fühlen würde und ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Brünette mich vorhin nicht bemerkt hatte. Ich hasste Streit einfach und die Frage war ein kleiner Schritt in Richtung Friedensangebot. Von ewiger Zofferei hatten wir schließlich beide absolut nichts.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nachdem ich gestern sicher noch an die anderthalb Stunden mich erbrechend über der Kloschüssel gehangen hatte, war ich irgendwann wieder dazu in der Lage gewesen, mich mitsamt eines zumindest etwas besseren Gefühls in der Magengegend wieder auf die Beine zu raffen. Das gestaltete sich wie so oft nicht ohne die gewissen Schmerzen, aber mittlerweile blendete ich diese beinahe vollständig aus, weil es ja doch immer wieder das selbe, unangenehme Zwicken war und ich mich beinahe schon dran gewöhnt hatte. Um den bitteren Geschmack der Magensäure loszuwerden, schrubbte ich mir, wenn ich schon im Bad war, ganz einfach über die Zähne, nur um mich kurz darauf zurück ins Wohnzimmer zu schleppen. Ich war heilfroh, als ich mich endlich wieder ins Polster hatte fallen lassen, denn die Entleerung meines Magens hatte auch noch die letzten Reserven meiner Energie angekratzt, was wiederum eigentlich ganz gut war, weil ich binnen zehn, maximal fünfzehn Minuten dann schließlich eingeschlafen war. Von einem ruhigen, erholsamen Schlaf war ich jedoch weit entfernt, als ich gegen kurz vor elf die Augen aufschlug. Zu sagen, dass es mir absolut beschissen ging, wäre nach der gestrigen Nacht wohl untertrieben, spürte ich doch bereits beim Aufsetzen, dass die Lider nach wie vor Tonnen wogen und auch die Muskeln sich nicht sehr viel erholter anfühlten. Von den juckenden und zwickenden Wunden mal ganz zu schweigen. Mit Müh und Not schaffte ich es, mich halbwegs schmerzfrei in eine sitzende Position aufzurichten, in der ich bestimmt gute zwanzig Minuten verbrachte, um mich grundlegend erstmal zu sortieren. Die Diskussion von gestern noch einmal Revue passieren zu lassen und wach zu werden, als ich plötzlich hinter mir Schritte hörte. Liebend gerne hätte ich meinen Kopf in Richtung des Flurs gedreht, aber der verspannte Nacken ließ das leider nicht zu und so verharrte ich leise fluchend weiterhin in der leicht eingeknickten Position. Jedoch nicht mehr für sehr lange, weil die Narbe auf Höhe meines Bauchnabels sich eingeengt fühlte und sogleich ein Zeichen setzte, ein bisschen mehr Luft zum Atmen zu brauchen und weil ich ohnehin auf Toilette musste, auf dessen Weg ich auch an Schmerzmitteln vorbei kommen würde, erhob ich mich schließlich gänzlich vom Sofa. Immer noch sehr beschwerlich, absolut nicht schmerzfrei, aber doch irgendwie machbar. So wirklich gesund konnte die kurzzeitige, ziemlich heftige Belastung der Nähte zwar nicht sein, aber es war ja allgemein bekannt, wie wenig mich das interessierte. Irgendwann würden die Dinger schon zuwachsen, wenn ich sie nicht unbedingt mit Absicht wieder aufriss. Die Reflexion meines Gesichtes im ausgeschalteten Fernseher wies mich alles andere als freundlich darauf hin, dass sich unter meinen Augen tiefschwarze Schatten gebildet hatten und ich seufzte leise, als ich mich anschließend in Richtung des Krachmachers drehte, der sich - welch Zufall - als Tauren entpuppte. Dass Richard nach seinen Trips nicht so früh auf war, hätte mir eigentlich klar sein müssen, dennoch hatte ich gehofft, einer Situation wie dieser hier aus dem Weg gehen zu können. Ich war einfach noch nicht bereit, mich wieder mit ihm zu unterhalten, egal, um welches Thema es ging und was für einen Tonfall wir anschlugen. Ich war noch lange nicht fertig gewesen, über die ganze Geschichte ausgiebig nachzudenken und mied das Gespräch mit einem schuldbewussten, gesenkten Blick, als ich mich gerade auf den Weg in Richtung Badezimmer machte. Mit dem Rücken zu dem Norweger stehend, hielt ich inne, als er wider Erwarten sein Wort an mich richtete und mich fragte, ob ich ebenfalls etwas von dem Energie spendenden Flüssigkeit haben wollte. Den Engländer konnte er schließlich nicht meinen, wusste er genau so gut wie ich, dass dieser noch nicht auf war. Ich überlegte kurz, schweigend, dann nickte ich schließlich und suchte mit einem "Ja, klingt gut.", das Badezimmer auf, wo sich auch das Döschen mit den Oxycodon Tabletten befand. Ich sackte dies kurzerhand ein, bevor ich mich der mehr oder weniger morgendliche Routine widmete, wobei mir das Gesicht zu waschen alleine nicht möglich war. Es blieb vorerst also nur bei dem Toilettengang und ein bisschen Deo, welches ich mir unter die Achseln sprühte. Daraufhin schlurfte ich in die offene Küche zurück und ließ mich müde auf einen der freien Stühle fallen, die um den kleinen Esszimmertisch herum aufgestellt waren, von wo aus ich die Dose des Schmerzmittels aus der Hosentasche zog. Dabei fiel mir auf, dass ich mich gestern gar nicht mehr meinen Klamotten entledigt hatte, was mich wunderte, denn ich hatte in der Nacht stark gefroren. Aber gut, ich schob das alles ganz gekonnt auf meinen weniger intakten Geisteszustand und tat es damit ganz einfach ab. Jedenfalls sollte ich mir gleich ein paar frische Klamotten anziehen und im besten Fall vorher duschen. Aber erst einmal war es wichtiger, das flüssige Grundnahrungsmittel in Form von Kaffee und dazu das Oxycodon zu mir zu nehmen. Weil ich jedoch nicht wusste, ob meine Abgeschlagenheit wirklich nur vom Kopf herrührte und nicht von etwaigen Restalkohol, was nach der kurzen Ruhephase gar nicht mal unwahrscheinlich war, entschied ich mich dazu, erst einmal mit dem Viertel einer Tablette anzufangen. Dies löste nach einem erfolglosen Versuch, das gepresste Schmerzmittel zu teilen schließlich ein leises, hörbar resigniertes Seufzen aus und ich tat sie einfach in das Behältnis zurück. Schlicht, weil ich mir nach wie vor zu stolz war, Tauren trotz allem noch um seine Hilfe zu bitten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Vahagn schien erst einmal kurzzeitig überlegen zu müssen und das allein ließ mich fast sofort auf ein Nein schließen. Im Umkehrschluss dann auch darauf, dass die junge Frau aus freien Stücken eben nicht bereit dazu war, sich mir jetzt schon wieder zu nähern. Körperlich wie mental. Aber es folgte dann doch noch ein Zuspruch und ich drehte mich ein kleines bisschen erleichtert zurück zu der Kaffeemaschine, um eine weitere Tasse darunter zu stellen und sie volllaufen zu lassen. Ich blieb der Theke noch zugewandt, bis die Brünette die Küche letztlich wieder betrat und nahm die Tasse erst dann runter, um mich mitsamt jener langsam zu ihr umzudrehen. Ihr entgegen zu kommen und den Kaffee letztlich vor ihr auf der Tischplatte abzustellen. Ich fühlte mich noch immer nicht wohl in meiner Haut, aber da musste ich jetzt vermutlich schlichtweg durch. Schließlich war ich zu fünfzig Prozent ebenfalls Schuld an der ganzen Misere. Hunger hatte ich jetzt, wo der Magen noch einem unangenehm drückenden Gefühl ausgesetzt war, auf jeden Fall keinen. Also ließ ich mich Vahagn gegenüber etwas unschlüssig an den Tisch sinken, sah erstmal einige Sekunden lang wieder in meinen Kaffee und nahm hier und da einen Schluck. Mir war nicht entgangen, dass sie irgendwie nicht so ganz zum Ziel gekommen war mit dem Oxycodon, war mir aber auch nicht sicher damit, ob sie nun Hilfe wollte oder nicht. Nicht einmal, ob ich danach fragen sollte oder es besser bleiben ließ, weil sie das nur wieder sauer machen oder auf ihre momentane Schwäche hinweisen würde. Grundlegend war ich mir quasi unschlüssig mit absolut Allem und so folgte ein weiterer, etwas größerer Schluck aus der Tasse, bevor ich den Blick dann erstmalig wirklich aktiv zu Vahagns Gesicht anhob. Ich versuchte den Blick in ihre Augen möglichst ruhig zu halten, obwohl ich unsagbar aufgewühlt war. "Hast du gut geschlafen?", versuchte ich erst mit Smalltalk, der mir für gewöhnlich eigentlich sehr gut lag, irgendwie auf einen grünen Zweig zu kommen. Für mich selbst war es aber einfach noch nie eine brauchbare Lösung gewesen, etwas im Raum stehen zu lassen und ohne jene Sache zu klären weiter zu machen. Denn früher oder später kam man immer wieder an den gleichen Punkt zurück, stieß damit erneut auf das gleiche Problem und dann stand man wieder am Ausgangspunkt. Das war nicht nur kein Stück weit zielführend, sondern auch psychisch belastend. Also seufzte ich leise, stützte ich mit beiden Ellenbogen nach vorne auf den Tisch und rieb mir einen Moment lang über das noch immer nicht besonders wache Gesicht - was mein nach wie vor nicht ganz verheilter Arm nicht witzig fand, aber der war gerade absolut nebensächlich. Das leichte Brennen war für mich auszuhalten, die dicke Luft hier drin eher nicht. Damit vergingen nochmal ein paar Sekunden, ehe ich meine Augen erneut in die der hübschen, jungen Frau richtete. "Hör zu, ich... ich wollte dich nicht so anschnauzen. Das... tut mir leid.", ließ ich ihr eine leicht gemurmelte Entschuldigung zukommen, die sicherlich angebracht war. Es war einfach nicht in Ordnung Jemandem auf diese Art und Weise Ding vorzuhalten. Mein Blick war inzwischen doch wieder auf den Tisch abgerutscht, während ich den Kopf noch leicht seitlich in die Hand stützte. "Du musst auch nichts dazu sagen, wenn du nicht magst, aber... ich wollte dich wirklich nicht bevormunden oder sowas. Ich... hatte einfach nur Angst, dass dir was passiert.", schloss ich meine kleine Rede mit weiterhin eher kleinlautem Tonfall ab, griff danach wieder nach der Kaffeetasse, um auch den letzten Schluck noch zu leeren. Außerdem war das ein guter Vorwand dafür, sie nicht ansehen zu müssen, falls sie mir gleich wieder irgendwas Gemeines ins Gesicht klatschte. Wenn letzteres der Fall wäre, dann war ich vermutlich aber auch schon wieder mit meinem Latein am Ende. Man konnte schlicht nicht mit Jemandem reden, der nicht reden wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es kehrte dann erst einmal eine ziemlich unangenehme Stille ein, als sich Tauren mir gegenüber an den Tisch setzte und damit die Tasse Kaffee vor meiner Nase abstellte. Ich selbst hatte den Blick nach dem Versuch, mir eben nicht direkt eine ganze Schmerztablette einschmeißen zu müssen, auf den Tisch gerichtet und ihn erst wieder angehoben, um mich mit einem leisen "Dankeschön." für die Bemühungen bei ihm zu bedanken. Mit einem leisen Seufzen zog ich die Tasse die letzten Zentimeter an mich heran und zögerte auch nicht damit, gleich den ersten Schluck zu nehmen. Dieser war, wie erwartet, ziemlich heiß, aber ich genoss das wärmende Gefühl, welches das Gebräu hinterließ, als es meine Kehle hinab wanderte. Es folgte kurz darauf also ein weiterer Schluck, bis ich die Tasse mit beiden Händen festhaltend vor meiner Nase abstellte. Ich vermied es weiterhin, Tauren direkt anzusehen, auch als er sein Wort erneut an mich richtete. Ich hatte bereits befürchtet, nein, viel eher eine Vorahnung gehabt, dass er darauf noch einmal zu sprechen kommen würde und genau das war der Punkt, an dem ich überlegte, ob ich nicht eventuell doch wieder aufstehen und einfach gehen sollte. Er hatte mich immerhin nur gefragt, ob ich einen Kaffee haben wollte, streng genommen musste ich hier also nicht sitzen und mich mit ihm unterhalten, wenn ich das nicht wollte, aber es erschien mir ebenfalls nicht gerade zielführend, wenn die Sache noch weiter zwischen uns stand. Immerhin wusste ich, dass es durchaus noch Dinge gab, bei denen ich auf Unterstützung angewiesen war und wenn Tauren sich nicht erbarmen würde, sich der Beseitigung jener Probleme anzunehmen, na ja... dann hatte ich maximal mit ganz viel Glück noch Sydney und oder Sabin, die mir helfen könnten, aber ob sie das auch wollten - das stand auf einem anderen Blatt geschrieben. In jedem Fall wäre es besser, wenn wir die Differenzen zwischen uns aus dem Weg räumten, denn ich hatte festgestellt, dass es sich mit einem Kopf voller unliebsamen Gedanken wirklich beschissen schlafen ließ und wirklich förderlich war das für eine rasche Wundheilung keinesfalls. Gut, Alkohol aufgrund seiner Blut verdünnenden Wirkung auch nicht, aber egal. Das war eine andere Sache, beziehungsweise... nein, eigentlich nicht, aber... ach, was auch immer. Fakt war jedenfalls, dass das Umfeld momentan keines war, in dem sich kranke Leute auskurieren konnten und da wir gleich drei an der Zahl waren, sollte es unser aller Interesse sein, zumindest halbwegs vernünftig und ein bisschen rücksichtsvoller miteinander umgehen. Das war mir jetzt klar geworden. Auch dass der junge Mann sich Sorgen machte, leuchtete mir mittlerweile ein und ich hatte herausgefunden, dass er nicht das Kernproblem der ganzen Sache war, sondern einzig und alleine ich die Schuld dafür trug, dass die Diskussion gestern derart eskaliert war. Ich war es weder gewohnt, noch hieß ich das gut, wenn sich Leute um mich sorgten und deshalb versuchte ich jenen das immer ziemlich vehement ausreden zu wollen. Leider funktionierte das aber bei meinem gut aussehenden Leidensgenossen nicht besonders gut und dieser Biss auf Granit hatte mich sofort sämtliche Schotten hochfahren und allerlei Alarmglocken in meinem Inneren läuten lassen und genau das war mein Problem. Ich sollte endlich einsehen, dass es da draußen in der großen, weiten Welt nicht nur böse Menschen gab, deren Ziel es war, einem etwas Schlechtes anzutun. Stattdessen traf man ab und an mal auf jemanden wie Tauren, der einem ohne Hintergedanken und aus reiner Nächstenliebe half. Ja, das war verdammt selten und zu einhundert Prozent sicher sein, dass er nicht nur ein falsches Spiel spielte, konnte ich auch nicht, aber wäre es denn trotzdem so verkehrt, mich ihm gegenüber einfach ein wenig... menschlicher zu verhalten? Nicht wie ein Roboter ohne Herz. Es brauchte wohl einfach ein bisschen Zeit, das Ganze dahingehend zu durchdenken, aber so wie es aussah, wollte der junge Mann mir ja auch diese Zeit geben - ich musste mich nur darauf einlassen. Fürs Erste hielt ich mich mit meinen Gedanken allerdings zurück und konzentrierte mich stattdessen auf die an mich gerichteten Worte, bei denen mein empfindliches, durch die akuten Nackenschmerzen leicht reizbares Gemüt schon beinahe wieder einen dummen Spruch losgelassen hätte. Ich sah ja wohl weniger danach aus, als hätte ich gut geschlafen, oder? Fehlte eigentlich nur noch die Leuchtreklame, damit die tiefen Augenringe auch dem letzten Idioten auffielen. "Nicht besonders, nein.", antwortete ich statt mit einem bissigen Kommentar nur relativ ruhig, seufzte und nahm im direkten Anschluss gleich einen weiteren Schluck Kaffee. Die darauffolgenden Worte ließen mich dann zum ersten Mal, seitdem wir beide uns hier an dem Tisch eingefunden hatten, den jungen Mann mit meinem Blick fixieren und dieser löste sich nicht einmal dann von ihm, als er sich kurzzeitig von mir abwandte, weil ihm das Gespräch scheinbar genau so unangenehm war, wie mir eben auch. Aber es half ja alles nichts. Schon im Flieger hatte ich festgestellt, dass es sich mit dem Norweger leichter reden ließ, als durch etwaige Aktion eine Reaktion seinerseits zu provozieren. "Mir tut es auch Leid.", setzte daher als Antwort zu einer direkten, wörtlichen Entschuldigung an, die mir alles andere als leicht über die Lippen ging. "Ich... will mich nicht raus reden. Meine Reaktion auf deine - eventuell berechtigte Sorge - war nicht richtig, aber ich kenn' das einfach nicht. Weiß irgendwie nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn sich jemand Gedanken um mich macht.", beendete ich die Erklärung meines Verhaltens und mein Blick rutschte dann doch auch wieder auf den Tisch ab. Wenn es darum ging, mir Dinge einzugestehen - was ich seit mittlerweile einigen Jahren schon nicht mehr so richtig getan hatte -, dann war mir das einfach unangenehm. Es machte einen verletzlich und bot im Fall der Fälle eine nicht zu verachtende Angriffsfläche, als wenn man ständig nur der Überzeugung war, alles richtig zu machen und unantastbar zu sein. Aber das war ich nun mal nicht, auch wenn ich mich gerne so gab. Auch mir setzten Sachen zu. Vielleicht nicht unbedingt körperlich, aber psychisch auf jeden Fall. Und da brauchte es nur einen Tropfen, wie das Gespräch gestern, um mein inneres Fass zum Überlaufen zu bringen und dann brachen auch mal bei mir die Dämme. Normalerweise heulte ich dann ein bisschen für mich allein, stand wieder auf und ging dann meinem Job nach, als wäre nichts gewesen. Aber so einfach war das hier leider nicht. Ich konnte nicht einfach gehen, Menschen verschiffen oder Autos importieren, weil ich hier schlichtweg keine Arbeit hatte, in die ich mich hinein stürzen konnte. Und schätzungsweise war das der ausschlaggebende Punkt, weshalb sich haarfeine Risse in meiner Barriere bildeten, die mich so ein Gespräch wie dieses hier zu Herzen nehmen ließ.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war kaum in Worte zu fassen, wie sehr es mich in diesem Augenblick erleichterte, dass ich nicht nur Widerworte oder ein 'ja genau, soll dir auch leid tun' zur Antwort bekam. Nein, viel mehr zeigte sich Vahagn sogar tatsächlich ziemlich einsichtig. Ließ mir ebenfalls eine kleine Entschuldigung zukommen, die ich, während ich ihren noch folgenden Worten Gehör schenkte, bereits mit einem leichten Nicken annahm. Die anschließende Erklärung ihrerseits ließ mich den Blick dann auch langsam wieder in ihre Augen anheben, weil ich mir doch ziemlich sicher war, dass mit sorgsam gewählten Worten die Konversation nicht mehr in eine unschöne Richtung verlaufen würde. Es war ja gar nicht verwunderlich, dass die Russin dieses Gefühl einfach nicht zu kennen schien. Es ging sicher vielen Leuten so, die in unserem Metier arbeiteten. Zumindest denen, die nur noch wenig oder gar keine Familie mehr hatten. Die meisten Kriminellen scherten sich zumeist nur um ihren eigenen Dreck und wenn jemand anderes auf dem Weg nach oben hinfiel... na ja, dann fiel er halt. Ein Konkurrent und eine Hand mit Pistole weniger, die einem potenziell nach dem eigenen Leben trachten wollte. Mindestens der Anteil an Hunters Gefolge, mit dem ich nicht befreundet war - also der Großteil - würde mir im Ernstfall sicher auch nur helfen, um sich damit beim Chef gut zu halten oder gar Pluspunkte zu sammeln. Mit Ashton war ich nicht wirklich befreundet und er konnte ein Arschloch sein, wenn ihm danach war, aber er war einer der wenigen in der Crew, die hier und da freiwillig einem anderen halfen - sofern er denjenigen leiden konnte, was bei mir augenscheinlich der Fall war. Oder er empfand mich als einen der jüngsten Männer der Gruppe einfach nur als unfähig, Dinge alleine auf die Kette zu kriegen. Wer wusste das schon. Jedenfalls war er aber fast immer da, wenn man ihn brauchte. Auch ohne, dass Hunter ihm dafür erst Feuer unterm Hintern machen musste. Er hielt uns zusammen und am Leben, wo er konnte. Um auf den Punkt zurückzukommen - ich verstand Vahagn durchaus. "Versteh' dich schon...", ließ ich die Brünette gegenüber erst einmal wissen, dass sie mit ihrer Begründung bei mir nicht auf taube Ohren stieß. "Ich will dich hier auch nicht einsperren, nur... falls du nochmal allein weggehst, dann sag mir bitte Bescheid... und lass im Idealfall bitte entweder das Oxycodon oder den Alkohol weg, das... kann echt verdammt gefährlich werden.", murmelte ich zu ihr rüber, wobei ich keinesfalls vorwurfsvoll klang. Eher nach wie vor sehr ruhig, jetzt dazu auch noch ziemlich entspannt, wo der Druck auf meinem Magen sich langsam aber sicher in Luft auflöste. Ich stand dann noch einmal auf, um zum einen die Tasse gleich mit zur Spülmaschine zu nehmen und zum anderen mein Handy von der Theke zu holen, um das Mobiltelefon der jungen Frau kurz anzuklingeln, sobald ich wieder ihr gegenüber Platz genommen hatte. "Hab deine Nummer gestern eingespeichert, hoffe das war okay...", ließ ich Vahagn indirekt mit einem leicht fragenden Blick wissen, was ich da gerade tat, wobei sie ihren Namen sicher ohnehin auf dem Display hatte lesen können. War noch immer einfacher für mich das Teil schlicht abzulegen und dann zu bedienen, solange ich nur eine Hand hatte. Natürlich würde ich die Telefonnummer wieder löschen, wenn sie das unbedingt wollte, aber es wäre eben einfach kontraproduktiv für die Gesamtsituation. "Wie viel wolltest du denn davon..?", fragte ich die Brünette dann noch ganz beiläufig als ich sie angeklingelt hatte, das Handy wieder ungenutzt liegen blieb und ich im selben Atemzug nach der Pillendose griff. Sie hatte sich ja offenbar keine ganze Tablette einschmeißen wollen, was ich in dem Fall dann auch ganz gern unterstütze. Womöglich war der Alkohol noch nicht gänzlich wieder aus ihrem Organismus raus, aber solange man die Dosierung gering hielt würde das sicher gehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte mir wirklich nicht erklären, was hier gerade vor sich ging. Zum einen war ich unglaublich erleichtert, dass das Gespräch entgegen meiner Befürchtungen einen überraschenderweise ziemlich positiven Verlauf angenommen hatte, aber auf der anderen Seite suchte ich an der ganzen Sache den Haken. Es konnte doch schließlich nicht sein, dass sowohl Tauren, als auch ich so bereitwillig einander zustimmten und Verständnis für die Reaktion des jeweils anderen aufbringen konnten, wo wir uns gestern noch regelrecht angefaucht hatten... oder etwa doch? Für gewöhnlich war ich zwar kein besonders nachtragender Mensch, aber so zu tun, als wäre nichts gewesen, als wären wir die besten Freunde - damit tat ich mir verdammt schwer, aber jetzt gerade fiel es mir so leicht, wie noch nie. Zwar lag mir die Entschuldigung als solches immer noch quer im Magen - das würde sich in Zukunft wohl auch nicht ändern, lag mir ganz einfach nicht -, aber was den Rest anging, würde ich lügen müssen, wenn ich behauptete, dass es keine ehrlichen, ernst gemeinten Worte waren. Was die Sache mit dem Einsperren anging, na ja... was sollte ich dazu groß sagen. Gestern hatte sich das in meinen Ohren noch ganz anders angehört, aber wollte ich weiter darauf rumreiten? Eigentlich nicht, sofern er sich an das gesprochene Wort hielt und sich mir künftig nicht in den Weg stellen würde, wenn ich mal wieder einen Alleingang in die Stadt unternahm. Er stellte dazu zwar eine Bedingung auf, die mich unmissverständlich mit den Zähnen knirschen ließ, weil das eben einer dieser gewissen Einschränkungen meiner Freiheit war, wenn ich mich nach anderen richten, andere informieren musste, aber auch das schluckte ich lediglich mit einem Kopfnicken herunter - ihm zuliebe. Damit er sich keine Sorgen machen musste, weil ich das jetzt, wo ich wieder ein Stück weit klarer denken konnte, einfach nicht wollte. Der Norweger hatte mir ganz offensichtlich gezeigt, dass ich ihm am Herzen lag, warum und weshalb sei mal dahingestellt, aber wenn dem wirklich so war, dann... hatte ich irgendwie so eine Art Gewissensbisse, die noch sehr viel unangenehmer waren, als das Zwicken und Ziepen rund um die Schusswunden. "Ist in Ordnung.", antwortete ich für meine Verhältnisse ebenfalls ein wenig kleinlaut, wobei die darauffolgende Rechtfertigung bezüglich der Opiate dann wieder etwas bestimmter erfolgte. "Die letzte Tablette war von gestern früh und so viel habe ich auch nicht getrunken.", stellte ich klar, dass ich keinesfalls beabsichtigt hatte, mich mit einer Mischung aus Oxycodon und Alkohol in andere Welten zu beamen. Natürlich zweifelte ich keinesfalls an, dass von ersterem noch Restbestände durch meinen Körper gewabert waren, als ich das erste Sektglas geleert hatte, aber es brauchte schon mehr, um mich in die Knie zu zwingen. Gedanken an unschöne Geschichten von vor zehn Jahren beispielsweise, wie ich in der Nacht hatte feststellen dürfen, als es mich vor dem Schlafengehen noch einmal eher unfreiwillig ins Bad verschlagen hatte. Ja und was den Alkoholkonsum anging, vertrug ich alleine schon der guten Gene wegen ziemlich viel, nur irgendwann schien ich im Casino den Überblick verloren zu haben und aus dem ein oder anderen Sektglas waren dann... na ja, mehrere Sektgläser geworden. Also gut, vielleicht sollte ich in dem Punkt tatsächlich ein wenig achtsamer sein. Als Tauren sich mir gegenüber vom Tisch erhob, wanderte mein Blick ganz automatisch mit ihm mit. Beobachteten ihn dabei, wie er die wenigen Zentimeter zu mir aufschloss, um kurz darauf sein Handy neben die Kaffeetasse und vor meine Nase zu legen. Parallel dazu hörte ich meines auf dem Wohnzimmertisch läuten und sah ihn erst ein wenig verwirrt an, bevor er die Situation auflöste und mir mitteilte, dass er sich die Nummer von Richards Handy einfach kopiert hatte. Auch das stellte absolut kein Problem für mich dar, war es ja ohnehin meine Idee gewesen, ihm die Nummer irgendwie zukommen lassen zu wollen, damit solche Diskussionen wie die von gestern einfach vermieden werden konnten. Aber ich hatte leider keinen Zettel oder gar einen Stift zur Hand gehabt und mich somit darauf verlassen, dass Richard diese Information an ihn weiter tragen würde. Hatte er dann ganz offensichtlich auch, nur eben reichlich spät. "Du solltest die Nummer ja ursprünglich ohnehin kriegen. Also ja, ist okay. Drogenabhängige in ihrer Anfangszeit sind ja so anstrengend.", beruhigte ich den Mann dahingehend, dass ich mir jetzt keine neue Nummer zulegen würde, weil er meine aktuelle in seinem Handy eingespeichert hatte und stellte zudem mit reichlich Ironie behafteter Stimme fest, dass Menschen, die erst seit kurzer Zeit aktiv konsumierten, irgendwie grundlegend verstrahlter, nicht besonders aufnahmefähig waren. Das änderte sich dann, je länger sie sich dem Stoff hingaben, weil irgendwann einfach eine gewisse Routine einkehrte und man sich auf weitaus mehr, als den eigentlich Trip konzentrieren konnte. War gerade bei Alkoholikern oft der Fall, dass man nach einer gewissen Zeit meistens gar nicht mehr aktiv wahr nahm, dass der Gegenüber bereits mehrere Promille intus hatte, weil sie sich verhielten, wie jeder andere Mensch nun mal auch. Apropos etwas intus haben. Mein hilfloser Versuch, eine der Oxycodon Tabletten zu zerbrechen, war scheinbar nicht Tauren vorbei gegangen und jetzt, wo er mir seine Hilfe sehr indirekt anbot, konnte ich ja doch nicht anders, als diese freudestrahlend anzunehmen. Die Schmerzen wurden mittlerweile nämlich immer stärker und vom Stuhl aufzustehen wäre ohne eine entsprechende, zumindest kurzzeitige, leichte Betäubung echt ein Kraftakt. "Ich... ein Viertel nur. Weiß nicht, wie viel von dem Alkohol noch durch meinen Kreislauf schwimmt, aber die Schmerzen werden wieder stärker.", erklärte ich leise seufzend meine Misere, wobei ich ihm im direkten Anschluss ein schwaches Lächeln zukommen ließ. Einfach weil... ich wusste ja auch nicht, ich einfach froh war, dass wir die Sache doch noch irgendwie geklärt bekommen hatten, ohne den jeweils anderen auf den Schlips zu treten vielleicht? Eventuell lag es aber auch daran, dass ich selbst einfach merkte, wie einfach es eigentlich war, zumindest nicht grundlegend alles immer gleich schlecht zu reden, sondern sich das Ganze erst einmal anzuschauen. Und das war für mich ein verdammt großer Fortschritt, wenn es darum ging, Stück für Stück ein wenig mehr aufzutauen. Zumindest in der Gegenwart des Norwegers. Wie ich mich gegenüber anderen Leuten verhielt, sollte er weiterhin lieber meine Sorge sein lassen, denn wenn ich eins nicht ausstehen konnte und worauf ich sehr empfindlich reagierte, dann war das Herabsetzung meiner Autorität im Beisein von Dritten. Er sollte sich glücklich schätzen, dass ich ihn jetzt schon seit geraumer Zeit einen Teil meines Lebens nannte, aber sollte ihm - egal wem gegenüber - etwas rausrutschen, was zwischen uns beiden hätte bleiben sollen, dann konnte er sich sicher sein, dass es das gewesen war. Zweite Chancen verteilte ich in der Regel selten.
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Gut, dann war das zumindest ja so weit mal geklärt. Ich bekam zukünftig zumindest eine kurze Info von Vahagn, wenn sie wieder einmal allein sonstwohin verschwand. Es reichte ja auch, wenn ich nur wusste, dass sie weg war und im Idealfall eben auch noch wo sie sich herumtrieb oder was sie vorhatte, aber das verfasste ich hier und jetzt besser nicht in Worte. War ein ohnehin empfindliches Thema bei ihr und das sollte ich jetzt weiß Gott nicht ausreizen. Konnte, wenn mich der Gedanke an das 'Wo' am Ende doch zu sehr quälte, ja notfalls nachfragen - ob ich dann auch eine Antwort bekam würde ich jetzt allerdings nicht in Stein meißeln. Auch auf ihre Schilderung des Oxycodon-Alkohol-Verhältnisses der letzten Nacht nickte ich nur noch und ließ es darauf beruhen. Wäre ganz einfach nicht förderlich ihr jetzt ein weiteres Mal unter die Nase zu reiben, dass die Menge nicht so ausschlaggebend war - natürlich war es gut, dass sie es nicht heillos übertrieben hatte, aber es war trotzdem einfach in gar keinem Fall eine gute Idee, die beiden Stoffe im Körper miteinander zu mischen. Was ihre folgende Feststellung anging konnte ich bloß mit den Worten "Hör mir bloß auf.." seufzen. Meine Abneigung gegenüber Junkies im Allgemeinen dürfte wohl kaum an ihr vorbeigegangen sein und sie waren für mich schlichtweg unerträglich. Ich wusste auch ehrlich nicht wie lange ich es hier mit Richard noch aushalten würde, wenn er weiterhin so unausstehlich blieb. Vielleicht sollte ich mich einfach mal bei der Rothaarigen dazu äußern, weil sie sehr sicher eher zu dem Dunkelhaarigen durchdringen konnte, als es mir möglich war. Uns verband ja kaum was außer die blöde Folter, auf die wir beide gut hätten verzichten können. Mir würde es vermutlich zwar weniger schwer fallen, mich darüber mit ihm auszutauschen, weil es bei mir ganz einfach weniger lang und demnach sicher auch weniger schlimm ausgefallen war, aber ich glaubte nicht, dass er ausgerechnet mit mir darüber reden wollen würde. Ich war zwar eine durchaus viel Vertrauen erweckende Person, aber er war momentan ja so grundlegend abweisend gegenüber gefühlt Allem, was sich bewegte. Was das Oxycodon anging nickte ich Vahagn dann leicht zu, ehe ich die Dose kurzerhand aufschraubte und eine der Tabletten herausnahm, um sie letztlich zu brechen. Ein Viertel war vermutlich relativ bedenkenlos und so konnte ich das guten Gewissens mit mir selbst vereinbaren, ohne ein vom Stuhl kippen der Russin fürchten zu müssen. Ich gab den Rest der Pille erst wieder in den Behälter zurück und machte ihn zu, bevor ich das eine Viertel auf den Deckel legte und die Dose wieder über die Tischplatte hinweg zu ihr rüber schob. Sobald sie quasi wieder mit Schmerzmittel versorgt war kam mir dann aber ein anderer unliebsamer Gedanke an den gestrigen Abend - ich hatte Sabin und Sydney quasi aus Trotz abbestellt. Das wiederum war dann wohl doch kindisch von mir gewesen, aber um ehrlich zu sein hatte ich auch zu jenem Zeitpunkt nicht im Entferntesten daran gedacht, dass wir diesen Streit so schnell wieder aus der Welt kehren würden. Hatte allgemein nicht großartig darüber nachgedacht, sondern nur einfach jedwede Hilfe für sie, die mit mir in Verbindung stand, aus Prinzip kappen wollen. Damit sie eben merkte, wie viel sie von mir und meiner Hilfeleistung hatte. Tja, war jetzt dumm gelaufen und bescherte mir die nächste, unangenehme Beichte. "Du brauchst schon noch Hilfe beim Duschen, oder? Ich hab vielleicht... gaaanz vielleicht, weil ich beleidigt war... Sabin gesagt, dass sie nicht kommen müssen.", gestand ich Vahagn mit einem schiefen, durchweg entschuldigenden Grinsen und leicht schief gelegtem Kopf das kleine Missgeschick. Ich würde es natürlich sofort bereinigen, wenn sie Sydneys Hilfe eben noch brauchte. Wie genau da der Stand der Dinge war wusste ich ja nicht, stand dabei selbstredend nicht irgendwo am anderen Ende des Badezimmers herum, um den Hergang der Dinge zu beobachten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich war wirklich froh, dass wir dieses Kommunikationsproblem - nichts anderes war das gewesen - so schnell aus der Welt geschafft hatten, wirklich. Irgendwie hatte mir die Sache schwer im Magen gelegen und war nicht zuletzt der ausschlaggebende Grund dafür gewesen, weshalb ich heute Nacht noch nähere Bekanntschaft mit der Toilettenschüssel geschlossen hatte. Ich war in der Regel kein besonders harmoniebedürftiger Mensch, weil ich schon früh hatte lernen müssen, was es hieß, herumgescheucht und angeschrien zu werden, ohne dabei das Heulen anzufangen, aber die Dinge hatten sich ein kleines bisschen geändert und es war gerade im aktuellen Augenblick sehr viel angenehmer, wenn man einfach wieder ungezwungen miteinander Lachen konnte, anstatt schweigend aneinander vorbei zu leben. Nicht, dass ich damit ein Problem gehabt hätte, aber Tauren war - auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte, weil ich schlicht gerne unabhängig war - mittlerweile zu meiner Bezugsperson geworden und ich hatte mich an das Zusammenleben mit ihm schneller gewöhnt, als ich mir das hätte ausmalen können. In Italien war dies etwas gewesen, was ich tunlichst vermieden hatte - unbedingt länger als einen Tag lang mit einem Mann zusammen zu leben. Ich wollte mich einfach nicht mehr, als das unbedingt nötig war, auf jemanden einlassen, der mir früher oder später ja doch wieder den Rücken kehrte, aber bei dem Norweger hier, da war das anders. Mein Bauchgefühl täuschte mich nur selten und seitdem der Druck aus der Magengegend verschwunden war, prophezeite er eigentlich nur Gutes und ich hoffte wirklich inständig, dass ich mir mit der Entscheidung, mich erneut für einen Mann öffnen zu wollen, nicht wieder ins eigene Fleisch schnitt. Natürlich ging es mir hier lediglich um ein freundschaftliches Verhältnis, aber das reichte in den meisten Fällen ja auch schon aus, um einen, wenn es mies lief, in ein tiefes Loch zu stürzen. Gewusst wie, dachte ich mir an dem Punkt immer. Man musste nicht zwangsläufig eine Beziehung führen, um sich den dunkelsten Geheimnisse des jeweils anderen anzunehmen und dann war es egal, ob es der Freund oder der Partner war, der einem das Messer in den Rücken stach... Ich schüttelte mit einem leisen Seufzen die unliebsamen was wäre wenn Gedanken ab und bedankte mich stattdessen lieber für das entsprechende Portionieren der Tablette, die wenige Sekunden später mit dem letzten Rest Kaffee ihren Weg in meinen Magen fand. Gerade, als ich die Tasse wieder auf dem Tisch abgestellt hatte, ergriff der junge Mann neben mir nochmals das Wort und ich war mir unschlüssig, ob ich jetzt lieber wieder genervt die Augenbrauen ins Gesicht ziehen oder die ganze Sache nur müde belächeln sollte. Einen Augenblick lang schwieg ich mit einem neutralen Gesichtsausdruck, dann schüttelte ich schief grinsend den Kopf. Ich hatte mich entschieden. Die Reaktion war absolut kindisch, keine Frage, aber das schien Tauren auch bewusst zu sein. Zumindest entnahm ich das der Formulierung des Geständnisses und ehrlich gesagt... ich konnte es verstehen. Wäre ich in seiner Situation gewesen, hätte ich aus Trotz wohl auch zu derart drastischen Mitteln gegriffen, einfach nur, um ihm so richtig eins rein zu würgen. Blöd war nur, dass die Dusche dringend nötig war und ich mit Sydney für heute um zwölf Uhr eine Verabredung geplant hatte, aus der jetzt ganz offensichtlich nichts mehr werden würde. Vermutlich musste ich es dann doch alleine versuchen, wobei das angesichts der, im Verhältnis zu den letzten Tagen wieder stärkeren Schmerzen vermutlich genau so in die Hose gehen würde, wie das Durchbrechen der Tablette. Also seufzte ich gegen Ende doch noch etwas ernster, rieb mir mit einer Hand nachdenklich über das Gesicht, ehe mein Blick wieder den von Tauren suchte. "Okay, also... ich bin dir da jetzt einfach mal nicht böse, weil ich es vermutlich nicht anders gemacht hätte, aaaber das Problem ist, dass ich nach dem gestrigen Abend eigentlich gleich mit Sydney verabredet gewesen wäre.", stellte ich klar, dass er sich damit jetzt nicht unbedingt Sympathiepunkte gesammelt hatte. Das Deo würde nicht ewig anhalten und wenn die Amerikanerin sich jetzt spontan dazu entschieden hatte, sich an den Strand zu schmeißen - was ich absolut nachvollziehen konnte -, dann stünden wir wieder vor genau dem gleichen Problem, als es das erste Mal darum ging, mich zu duschen. Gut, der Norweger hatte mich an genau diesem Tag dann trotz alledem doch noch nackt gesehen, obwohl ich das tunlichst hatte vermeiden wollen, aber ob es mir deswegen gleich leichter fiel, dahingehend seine Hilfe anzunehmen? Und würde er das überhaupt machen wollen, nach dem Klinsch, den wir ja eigentlich gerade beigelegt hatten? Ich war mir wirklich nicht sicher und brauchte deshalb noch einen Moment, um dahingehend zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Aber es half ja alles nichts. Der Geruch von Alkohol, Zigarren und Zigaretten hatte sich in meinem Haar festgesetzt und ohne das Deo würde ich wohl stinken, wie eine ganze Kneipe. "Ich versuche es dann einfach alleine... wenn ich Hilfe brauche schreie ich und...", ich hob, noch während ich vom Stuhl aufstand, den Zeigefinger, betonte das letzte Wort vor der kurzen Unterbrechung ganz besonders, um den nachfolgenden Worten mehr Ausdruck zu verleihen. "Dafür schuldest du mir dein Bett. Keine Ahnung, wie du es auf dieser Couch bis jetzt ausgehalten hast, aber zu den ohnehin bestehenden Verletzungen ist jetzt sicher auch noch ein Bandscheibenvorfall dazu gekommen.", beendete ich die Unterbreitung einer Kompensationsmaßnahme, welche ich bis auf den letzten Satz allerdings nur wenig ernst meinte und das sollte aufgrund des hörbar amüsierten Untertons auch offensichtlich sein. Wenn er weiterhin in seinem Bett schlafen wollen würde, dann müsste ich mich mit der Couch eben arrangieren, aber angenehm war in jedem Fall anders. Aber wie hieß es so schön? Man lernte erst dann etwas zu schätzen, wenn es nicht mehr selbstverständlich war.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Puh. Ich stieß wohl doch gut hörbar ein erleichtertes Seufzen aus, als Vahagn mir eröffnete, dass sie mir das im Grunde genommen nicht wirklich schwarz ankreidete, obwohl es eine ziemlich egoistische Aktion gewesen war. War nichtsdestotrotz jetzt aber trotzdem ziemlich ungünstig, weil die Russin einfach - mal wieder, war ja was ziemlich alltägliches - unter die Dusche musste. Zwar haftete jetzt gerade nicht wieder Blut an ihr und sie trug wohl keinen tagelang gesammelten Schweiß mit sich herum, aber sie war nun mal in einem Casino gewesen. Hatte Alkohol getrunken, überall wurde geraucht und da kam es schlichtweg, wie es kommen musste. Entsprechend ungünstig war meine Handlung jetzt im Nachhinein, also wollte die Brünette es dieses Mal dann eben wirklich allein versuchen, statt abzuwarten, ob ich Sabin und Sydney - ich sollte mir doch mal die Handynummer von letzterer organisieren, obwohl sie vermutlich trotzdem im Doppelpack hier aufschlagen würden - erreichen konnte. Eigentlich hielt ich das logischerweise nach wie vor für keine besonders gute Idee, hütete mich aber ganz bewusst dennoch davor Vahagn wieder reinquatschen zu wollen. Das konnte sie jetzt nach dem Biss in den sauren Apfel, den ich ihr aus Trotz überreicht hatte, wohl erst recht nicht mehr ab und würde unser Verhältnis zueinander nur von neuem in Anspannung versetzen. Demnach nickte ich ein klein wenig, auch wenn ich zum gleichen Zeitpunkt schon etwaige Bedenken hegte. Zum einen natürlich dahingehend, dass sie sich jetzt meinetwegen weh tun könnte - sehr wahrscheinlich auch würde, weil sie sich recht viel bewegen musste, um alle Stellen ihres Körpers abzudecken - und ich mich eindeutig schlecht deswegen fühlen sollte und auch würde. Zum anderen selbstverständlich auch bezüglich des Ernstfalles, dass sie es nicht alleine auf die Kette bekam und nach mir rufen würde, damit ich ihr half. War an sich natürlich nichts Schlimmes, nur eben einfach so gar nicht förderlich dafür sie mir nicht anderweitig immer wieder nackt vorzustellen. Selbst, wenn ich mich wohl zwangsweise damit abgefunden hatte, dass eher nichts zwischen uns laufen würde - redete ich mir zumindest ein, damit ich nicht noch öfter darüber nachdachte als es ohnehin schon der Fall war -, aber das schob meinem Schädel nicht zwangsweise einen Riegel für gewisses Kopfkino vor. Dass ich jetzt schon ein paar Wochen auf dem Trockenen saß, obwohl mein Körper wohl in jeglicher Hinsicht in der Blüte seines Lebens stand, machte die Sache nicht einfacher oder weniger problematisch. Tja, hatte ich mir wohl selbst eingebrockt, falls es denn dazu kam und eigentlich sollte ich mich dementsprechend nicht beschweren... tat es im Grunde auch nur mehr oder weniger, weil ich selbst wohl am besten wusste, dass ich die schlanke junge Frau sehr wohl liebend gern noch ein paar Mal nackt sehen wollte, aber... nun ja. Schwierige, sehr verzwickte Angelegenheit. "Ist gut...", ließ ich sie erst einmal wissen, dass ich sie dahingehend verstanden hatte und sah ihr dabei zu, wie sie langsam wieder aufstand. Was die Sache mit dem Bett anging seufzte ich aber doch leise, weil ich eigentlich sehr froh darüber war, dass nach der letzten Nacht im Bett die Nackenschmerzen langsam mal wieder etwas abnahmen und das obwohl ich an sich nicht mal wirklich gut geschlafen hatte. Eine Matratze war eben einfach kein Vergleich zu Sofapolstern. "Können wir nicht einfach beide... ich meine, genug Platz ist da ja und ich will eigentlich echt ungern noch mehr Verspannungen im Nacken... ich nehm' auch freiwillig die Decke vom Sofa und das kleinere Kissen... und schlaf' auf der Seite, die du nicht willst.", versuchte ich es Vahagn irgendwie so gut es ging schmackhaft zu machen, dass wir ganz einfach beide im Bett blieben. Ich wollte wirklich nur ungern zurück aufs Sofa und würde mich aber sehr wahrscheinlich ziemlich schlecht fühlen, wenn ich sie stattdessen weiter dort nächtigen ließ, wo es ihr schlicht und ergreifend ohnehin schon nicht gut ging. Ich unterbreitete ihr diesen Vorschlag auch wirklich ohne Hintergedanken, weil es ganz einfach nur förderlich für uns war, wenn keiner von uns beiden mit verspanntem Nacken leben musste und dementsprechend womöglich auch noch schlechte Laune bekam. Letztere war bei mir zwar eher selten, weil ich ein grundlegend positiver Mensch war, aber wenn ich irgendwann tagein, tagaus nur noch mit einem Zwicken im Hals den Kopf drehen konnte, wurde wohl selbst ich unleidlich. Dementsprechend sah ich auch gerade zu der Brünette hoch - ein kleines bisschen wehleidig und durchaus darum bittend, dass sie eher zu einem Ja tendieren sollte. Auch, wenn ich wusste, dass sie sich selten von Irgendwem beeinflussen ließ, wenn sie etwas schlicht und ergreifend so gar nicht wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Woah, einen Moment mal. Hatte ich irgendwas verpasst? Es gab keine Protestaktion, obwohl im Begriff war, lachend in eine Kreissäge zu rennen? Nicht einmal einen müden Versuch, mich vom Alleingang abzuhalten? So wirklich gar nichts - ganz sicher? Okay. Nun, nicht, dass ich mich jetzt beschweren wollen würde, aber... ungewohnt war das trotzdem. Ich wollte nicht behaupten, dass Tauren und ich in den letzten Tagen so richtig aneinander gerasselt waren, aber wir waren uns in Hinsicht auf meine körperliche Gesundheit nun mal nicht immer ganz einig gewesen und da war ein kurzer Schlagabtausch, bevor ich schließlich das tat, wonach auch immer mir der Sinn stand, irgendwie zur Gewohnheit geworden. Daher war es schon ungewohnt, dass er endlich zu realisieren schien, wie wenig ich auf seine besorgten Worte eigentlich gab und das er mit etwaigen Handlungsempfehlungen bei mir nur auf Granit beißen würde. Schlicht und ergreifend deswegen, weil ich schon aus purem Trotz genau das Gegenteil von dem tun würde, worum er mich bat, wobei sich das in der Zukunft wohl auch wieder ändern würde. Immerhin tat auch der Norweger ganz offensichtlich sein bestes, sich zurück zu halten, konnte ich mir doch einfach nicht vorstellen, dass sich seine Sorge um mich jetzt nur wegen der Diskussion gestern in Luft aufgelöst hatte und ich war augenscheinlich noch nicht besonders fit. Wirkte alles in allem wieder so gebrechlich, wie in den ersten Tagen, obwohl ich in meinen Bewegungen wesentlich weniger eingeschränkt war. "Okay, dann... also... ich geh dann jetzt, ja?", versicherte ich mich noch einmal, dass er auch wirklich gar nichts mehr dazu sagen wollte, während ich mit dem Daumen in Richtung Badezimmer deutete, um ihm zu signalisieren, dass ich auch wirklich Ernst machen würde. Ich kniff ein wenig die Augen zusammen, grinste, weil ich mir selber gerade einfach unsagbar dumm vorkam, aber so war das nun mal bei uns Menschen. Wir waren eben Gewohnheitstiere und wenn sich sieben Tage am Stück das gleiche Ritual wiederholte, fiel es einem schwer, am achten Tag so zu tun, als würde alles weiterhin seinen gewohnten Gang nehmen, denn das tat es halt einfach nicht. Jedoch sollte ich so schnell gar nicht aus der Küche entlassen werden, weil sich Tauren das Thema mit dem Schlafplatz augenscheinlich ein bisschen zu sehr zu Herzen nahm und versuchte, für uns beide einen gangbaren Kompromiss zu finden. Was dabei letzten Endes heraus kam, ließ mich ihn einen Augenblick lang mit hochgezogenen Augenbrauen ansehen. Er wollte also, dass wir uns das Bett... teilten? Also mal ganz abgesehen davon, dass ich trotz eines Bruders nie wirklich gelernt hatte, etwas teilen zu müssen, war ich mir nicht ganz sicher, ob das wirklich förderlich für eine rein platonische Beziehung zwischen uns war und ich musste den jungen Mann wohl einen Augenblick lang ziemlich nachdenklich angesehen haben, bevor ich ihn schließlich wissen ließ, dass ich mich dann doch lieber mit der Couch begnügen würde, einfach um das letzte bisschen an symbolischem Respekt voreinander zu wahren. "Na gut, aber ich schlafe vorn... und ehm... die Hände bleiben auf beiden Seiten nur am eigenen Körper, dass... ist selbstredend, oder?" Haaalt, Stopp mal. Vor meinem inneren Auge marschierte ein Miniatur Ich durch mein Oberstübchen, vermutlich der etwas malträtierte Engel meiner rechten Schulter, der sich mit einem Pflaster am Flügel ebenfalls eine Schonfrist eingeräumt hatte - vermutlich hatte er sich triezen lassen, dieses nutzlose Stück. Nichtsdestotrotz kam er bei den, vermutlich durch das kleine Teufelchen hervorgerufenen Worte aus dem Krankenbett gekrabbelt und gestikulierte mit beiden Händen ein erschöpftes T für timeout. Das waren nicht die Worte, über die wir gerade gesprochen hatten, Vahagn, flüsterte das leise Stimmchen und für einen kurzen Moment biss ich mir tatsächlich auch für meinen Gegenüber gut sichtbar auf die Unterlippe, wollte das Ganze schuldbewusst revidieren, da platzte auch schon das andere, hochrot gefärbte Abbild meiner selbst in das bis jetzt ziemlich einseitige Gespräch und fing an, das ohnehin schon verletzte Wesen mit seiner allzeit präsenten Mistgabel zu drangsalieren. Boo hoo, sich nackt zeigen, aber dann flennen, wenn man sich ein Bett teilen soll. Meine Liebe, wir wissen doch beide ganz genau, wie das laufen wird. Nicht umsonst hab ich mir dein Herz und deine Eierstöcke angeeignet, während der Langweiler da drüben sich lediglich für das Hirn entschieden hat. Komm schon, das wird sicher witzig, flötete das gehörnte Ich fröhlich vor sich hin und tja, was sollte ich sagen. Er mochte wohl Recht haben mit dem, was er sagte. Mein Hirn rebellierte zwar dagegen, diese Grenze zu überschreiben, aber das Herz und na ja... die Hormone sahen das alles ein bisschen anders, ließen sich bereitwillig durch das gute Aussehen und dem Dackelblick um den Finger wickeln. Warum und wieso wollte ich vermutlich gar nicht so genau wissen, deshalb beließ ich es einfach bei dem Bedürfnis, Tauren ein bisschen näher sein zu wollen und hütete mich davor, dass hier und jetzt zu hinterfragen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Irgendwie war die ganze Situation ein bisschen komisch. Erstmal schien Vahagn sich nicht sicher zu sein, ob ich die beiden voran gegangenen Worte denn auch wirklich so gemeint hatte, wie ich es gesagt hatte und zweitens fanden wir es wohl schlichtweg beide nach wie vor ein wenig merkwürdig, dass wir uns hier recht problemlos geeinigt hatten. Natürlich hatte ich mir hier und da etwas verkniffen, aber das war ganz einfach nur wie man Einfühlungsvermögen und Taktgefühl für gewöhnlich nutzte. Für mich im Grunde etwas ganz normales - es sei denn es ging um eine Sache, bei der es nicht wirklich Optionen gab. In diesem Fall war die von mir gewählte Option eben die Russin ihren Alleingang tätigen zu lassen, obwohl das absolut nicht gesund sein konnte. Sie hatte nun mal gestern gesagt, dass sie selbst am besten wusste, wie sie sich fühlte und was sie demnach allein konnte, also mischte ich mich da zumindest jetzt im Moment mal nicht weiter ein. Mitunter deshalb, weil ich ja glücklicherweise selbst weiterhin im Haus war, um im Notfall einzugreifen. Bevor ich darauf jedoch antwortete kam mir die junge Frau noch einmal mit ihrer Antwort auf die Bettgeschichte zuvor dazwischen. Ihre Worte lösten postwendend ein vollkommen unschuldiges, aufrichtiges Lächeln hervor. Zu Beginn jedenfalls, denn ich konnte nicht anders, als bei der Fortführung ihres irgendwie leicht zusammengewürfelt wirkenden Satzes doch noch mit einem leichten Grinsen zu reagieren. Es war einfach fast ein bisschen süß, wie sie extra hervorheben zu müssen schien, dass nur, weil wir im gleichen Bett schliefen, noch lange kein Körperkontakt dabei entstehen musste. Hieß im Umkehrschluss dann nämlich irgendwie schon, dass sie letzteres durchaus für möglich hielt und darüber nachdachte. Dass sie sich dabei auf die Unterlippe biss unterstrich das nur noch weiter und es war wirklich ungewohnt, sie so... keine Ahnung, sowas wie unentschlossen oder gar leicht überfordert zu sehen. Das passte absolut nicht in das Bild, das sie mir sonst immer von sich bot. Natürlich waren wir inzwischen darüber hinweg, dass sie mir ständig die kalte Schulter zeigte, aber das hier war nochmal was ganz anderes und ich müsste wohl lügen, um zu sagen, dass mir das nicht gefiel. "Alles klar... vollkommen keusch, krieg ich hin.", bestätigte ich ihr noch immer selig vor mich hin grinsend mit einem kaum sichtbaren Nicken, dass ich mit dieser Bedingung - zumindest offiziell - einverstanden war. So oder so war Sex momentan ohnehin viel zu umständlich mit ihren unzähligen Verletzungen und ich würde ihr vermutlich nur weh tun, also hatte sie da nicht wirklich irgendwelche aktiven Versuche von mir zu befürchten. Andererseits brauchte es für einen entspannenden Orgasmus nicht zwangsweise Sex an sich und war auch mit wenig Bewegung ihrerseits möglich, also... nein. Warum hatte sie das gerade so sagen müssen? Das machte die verbotene Frucht doch nur noch viel verlockender, wo der Mensch doch bekanntlich immer das haben wollte, was er nicht kriegen konnte. Wenn ich ihr dann auch noch gleich in der Wanne Hilfe leisten müsste, wäre das dahingehend auch sehr kontraproduktiv, aber gut - das Los war gezogen, das Spiel schon angezettelt. Ich beschloss mich gedanklich lieber wieder auf ihren Abgang in die Dusche zu fixieren. "Pass auf, hm? Übernimm' dich nicht.", gab ich der Brünetten nur mehr lächelnd dahingehend noch ein paar Worte mit auf den Weg und nickte in Richtung Flur, bevor ich langsam selber wieder aufstand. Jetzt, wo ich nicht mehr diesen unsagbar unangenehmen Druck auf dem Magen hatte, kam nämlich auch langsam der Hunger angeschlichen, was mir im Moment ganz recht war. Wenn der Magen zu knurren und sich leer anzufühlen begann, dann konnte ich wenigstens wieder an was anderes denken, als Vahagn nackt in der Wanne sitzen oder im Bett liegen zu haben. Also würde ich mir jetzt ganz in Ruhe ein paar Frühstückseier kochen - drei an der Zahl, falls sonst noch wer eins wollte und wenn nicht, dann aß ich sie später einfach noch selbst -, mir zwei Scheiben Toast in den Toaster schmeißen und im Anschluss darüber philosophieren, was ich am ehesten auf dem Brot haben wollte. Einfach nur, damit der Kopf möglichst lange beschäftigt blieb, sofern das an diesem Punkt allein gelassen denn überhaupt möglich war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das wollte ich auch hoffen, denn ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich die großen und warmen Hände doch noch an meinem Körper spüren sollte. Vermutlich würde das geschundene Engelchen relativ aussichtslos versuchen, an die Vernunft des Teufelchens zu appellieren, der sich vermutlich mit dem Arsch darauf setzen würde, was seine bessere Hälfte von ihm verlangte. Die gehörnten Arschlöcher waren schließlich dafür bekannt, immer genau das Gegenteil von dem zu tun, um das sie gebeten worden waren und ich erkannte Parallelen zu der Beziehung zwischen mir und Tauren, von denen ich mir nicht ganz sicher war, ob ich sie wirklich sehen und mir darüber Gedanken machen wollte. Deswegen war ich ganz froh, dass mich der Norweger mit ein paar letzten, auf meinen Alleingang bezogenen Worte ins Badezimmer entließ. Ich nickte nur kurz, erwiderte ein "Ich krieg das schon hin." und setzte dann meinen Gang in den Flur fort. Natürlich nicht, ohne die Reaktion von gerade eben noch einmal mit einem Kopfschütteln und einem leisen, an mich gerichtetes Seufzen zu quittieren. War doch nichts bei, sich das Bett zu teilen. Ich wusste immerhin, dass es groß genug war, um zwei Menschen ohne größeren Probleme nebeneinander liegen zu lassen, aber irgendwie... war da etwas, das mich ein kleines bisschen unruhig werden ließ. Was genau das war, konnte ich allerdings so ad hoc nicht festmachen und verwarf damit den Gedanken daran erst einmal bis zum heutigen Abend, bog stattdessen ins Schlafzimmer ein. Dort steuerte ich zielgerichtet einen schlicht schwarzen Jutebeutel voll frischer Klamotten an. Sydney war so nett gewesen, mir bei ihrem letzten Besuch ein paar Sachen da zu lassen, weil die Besorgung eigener Kleidung sich ja aktuell noch etwas schwierig gestaltete. Zwar hatte ich keine wirklich spezielle Konfektionsgröße und man griff mit der Farbe schwarz nur selten daneben, aber weder hatte ich das Geld, noch das nötige Personal, welches das Einkaufen für mich hätte übernehmen können. Weder Richard, noch Tauren wollte ich diesbezüglich fragen und losschicken, weil es ihnen ganz einfach auch noch nicht besonders gut ging und Ashton, beziehungsweise allgemein der Rest von Hunters Meute hätten sich vermutlich nicht so einfach dazu überreden lassen - warum auch? Aus dem Grund war ich ganz froh, dass die ehemalige FBI Agentin trotz der Tatsache, dass auch sie mich nicht besonders zu mögen schien, so freundlich gewesen war, mir ein paar saubere Shirts und Unterwäsche zu überlassen. Außerdem noch eine Jogginghose, die ich mir passend zu einem schlicht weißen Top unter den Arm klemmte. Ich vernahm, dass selbst das kleine Bisschen an Oxycodon bereits seine Arbeit in meinem Körper verrichtete, denn das Bewegen war allgemein nicht mehr ganz so schmerzhaft, aber in meinen Augen hätte ich schon noch ein weiteres Viertel der Tablette vertragen können, damit das Duschen kein allzu großer Kraftakt werden würde, aber gut. Nachdem ich also mit den Klamotten rüber ins Badezimmer geschlendert war, legte ich diese nahe des Waschbeckens auf einer kleinen Kommode ab, die bis obenhin voll mit Handtüchern steckte. Weil ich mich aufgrund der Wunden nicht einfach ausziehen und unter den Wasserstrahl stellen konnte, musste ich kurz überlegen, wie ich das hier jetzt am besten anging und ich fing damit an, mich auf dem geschlossenen Toilettendeckel niederzulassen, um mir die Socken von den Füßen und die Jeans von den Beinen zu streifen. Es folgte daraufhin schließlich die Unterhose und als ich gen Ende dazu ansetzte, mir das T-Shirt über den Kopf ziehen zu wollen, war mir plötzlich klar, warum ich mich gestern der miefenden Klamotten nicht mehr entledigt hatte. Schlicht weil es einfach nicht ging, die Arme so weit über meinen Kopf zu heben, als das ich selbstständig dazu in der Lage gewesen, mich aus dem Oberteil zu schälen. Na, das war ja großartig. Es war auch ziemlich egal, wie rum ich versuchte, das Pferd aufzuzäumen, die Schmerzen hielten mich immer wieder davon ab, das Stück Stoff final los zu werden und so gab ich nach etwa zehn Minuten resigniert auf. Ich war indessen aufgestanden und durch das Badezimmer spaziert, jetzt setzte ich mich jedoch wieder und pustete genervt eine lose Strähne, die mir vor die Augen gefallen war aus dem Gesicht. Ich hasste es. So hilflos zu sein war einfach scheiße, gefiel mir überhaupt nicht. Es zwang mich einfach dazu, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Mit jedem Mal stellte ich einfach fest, wie schwer es mir über die Lippen kam, jemanden... sei das nun Sydney, Tauren oder Richard um einen Gefallen zu bitten und es drückte die Laune gleich wieder ein bisschen, obwohl sie bis dahin eigentlich recht neutral gewesen war. Ja, ich war verdammt müde und auch das Versöhnungsgespräch hatte ich noch nicht abschließend analysiert und bewertet, aber ansonsten konnte ich mich eigentlich nicht wirklich beschweren. Na ja, außer vielleicht doch darüber, dass der junge Mann mit seiner Trotzreaktion jetzt der Grund dafür war, warum ich nicht ohne dieses gewisse Unbehagen erneut nach Hilfe schrie. Also stand ich wieder auf, seufzte erneut, dieses mal hörbar genervter, unzufriedener, ehe ich lediglich den Kopf durch die Badezimmertür steckte und ein "Ich krieg das doch nicht hin.", in den Flur rief, damit meine, in der Küche getroffene Aussage revidierte und Tauren indirekt aufforderte, zu mir zu kommen.
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Ich widmete mich nach Vahagns Verschwinden ganz gediegen der Zubereitung eines Frühstücks und konnte partout nicht vermeiden, dass ich dabei doch immer mal wieder zu grinsen anfing, was wirklich nicht gut war. Natürlich war es schön jetzt wieder mit beinahe beschwingter Laune gesegnet zu sein, obwohl meine Nacht sehr durchwachsen verlaufen war, aber der ausschlaggebende Punkt dafür sollte mir mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich zu denken geben. So ganz hatte ich mich wohl nie von dem Gedanken verabschiedet, dass rein theoretisch vielleicht irgendwann mal was zwischen der sehr attraktiven Brünetten und mir laufen konnte und es war fast schon absurd, wie sehr mich dieser winzige kleine Hoffnungsschimmer gerade aufleben ließ. Wie rapide er meinen Gemütszustand anhob und mich förmlich vor mich hin summend in der Küche zurückließ, wo inzwischen die paar Eier im Kochtopf friedlich vor sich hin köchelten. Parallel schmiss ich noch die beiden Toastscheiben in den Toaster und sah im Anschluss in den Kühlschrank. Herzhaftes oder süßes Frühstück? Beides. Auf die eine Scheibe würde etwas Marmelade kommen und auf die andere laut Verpackung des Supermarktes recht intensiv gewürzte Guacamole. Zwar taugte letztere in fertig abgepackter Version nur selten so viel wie selbst gemachte, aber Ansprüche stellen würde ich jetzt eher nicht. Sollte eher froh darüber sein, sowas überhaupt im Haus zu haben. Der Toaster erklang und ich stand gerade wieder am Herd, um die Eier von der Herdplatte zu nehmen, als Vahagns Stimme durch den Flur hallend bis an mein Ohr drang. Dabei war ich mir gar nicht sicher, was ich eigentlich gehofft hatte. Dass sie das Ganze allein hinbekam oder eben doch nicht, damit ich mit rüber kommen musste? Wirklich schwer zu sagen. Einerseits wollte ich für die junge Frau, dass sie sich quasi nicht schon wieder erniedrigen musste - obwohl ich selbst nach wie vor nichts verwerfliches daran fand Jemanden um Hilfe zu bitten, aber die Russin war da eigen -, jedoch würde meine Nase vermutlich bis nach Timbuktu wachsen, wenn ich ernsthaft zu behaupten versuchen würde, dass ich sie nur ungerne noch ein weiteres Mal nackt sah. War eine wirklich blöde Situation und demnach wusste ich auch nicht, ob ich mich nun darüber freuen sollte oder nicht. Rein moralisch gesehen sollte ich's vermutlich eher nicht, schließlich hieß das ja, dass die junge Frau sich bis hierhin bereits mit Schmerzen hatte herumquälen müssen. Erstmal rief ich ein "Komm gleich.", über meine Schulter hinweg in den Flur, ehe ich mich noch um die Eier kümmerte. Sie zumindest abgoss und abschreckte, damit ich sie nicht umsonst auf dem Herd gehabt hatte. Für die Toasts hingegen war wahrscheinlich Hopfen und Malz verloren, wurde der doch immer ziemlich zügig trocken und steinhart, wenn man ihn nicht sofort aß, aber was soll's. Ich warf noch einen flüchtigen, prüfenden Blick auf den Schalter der Herdplatte um sicher zu sein, dass jene auch wirklich aus war, bevor ich die Küche verließ und den Weg zum Badezimmer einschlug. Das ganze Prozedere hatte mich seit meinen eigenen Worten vielleicht eineinhalb Minuten gekostet, wenn überhaupt, weil ich mich entsprechend beeilt hatte und so blickte mir letztlich die Brünette durch den recht schmalen Spalt der Tür entgegen, als ich die paar Meter im Flur hinter mir gelassen hatte und beim Bad ankam. "Soll ich Syd doch noch anrufen? Vielleicht hat sie ja trotzdem Zeit, auch wenn sie dann ein paar Minuten braucht um herzukommen...", ließ ich Vahagn im ersten Atemzug mit einem leichten Schulterzucken und durchweg entspannter Stimmlage wissen, dass diese eine Möglichkeit ja nach wie vor bestand und sie nicht zwangsweise mich in diese ziemlich private Angelegenheit mit einbinden musste. Da konnte ich wohl noch so viel gedanklich über ihre nackte Haut philosophieren, der Gentleman würde trotzdem bestehen bleiben. Das war auch einer meiner Charakterzüge, auf den ich gewiss ein bisschen stolz war. Schließlich war gerade der in meinem Umfeld sehr selten und für viele von Hunters Männern waren Frauen nichts als reine Objekte der Begierde, weil Beziehungen sowieso für kaum einen von uns in Frage kamen. Dann brauchte man ja auch nicht mit guten Manieren zu investieren - war vermutlich so der Gedankenzug, der denen dabei im Kopf herumschwirrte. Unterstützte ich allerdings in keinem Lebensbereich, wo einen doch auch Manieren hier und da eindeutig weiterbringen konnten und sie zudem einfach angenehm für das jeweilige Gegenüber waren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte dann auch gar nicht lange, bis der junge Mann auf meine Worte reagierte und sich wenige Sekunden später vor der Badezimmertür einfand. Unsere Blicke trafen sich durch den schmalen Spalt, den ich ganz bewusst so gering wie nur möglich geöffnet hatte. Einfach für den Fall der Fälle, dass Richard wieder unter den Lebenden weilte und durch meine etwas lautere Stimme aufgeschreckt worden war. So hatte ich dann immer noch die Möglichkeit, die Tür zuzuschlagen, denn es mussten mich nach wie vor nicht mehr Leute nackt - oder halbnackt, wie in diesem Fall - sehen, wenn es sich vermeiden ließ. Als ich mir jedoch sicher sein konnte, dass neben dem Norweger niemand anderes durch den Flur tigerte, öffnete ich die Tür ein weiteres Stück, um ihm Einlass zu gewähren. Dabei schenkte ich seinen Worten mein stets aufmerksames Gehör, wobei ich als Antwort darauf entschieden mit dem Kopf schüttelte. Es wäre mir deutlich lieber gewesen, wenn Sydney die Sache übernommen hätte, so viel wollte ich klar stellen, aber dieses ganze hin und her erschien mir einfach schwachsinnig und trug nicht unbedingt dazu bei, dass Sabin und die Amerikanerin gerne hier auftauchten und uns - denn sie nahmen ja auch Tauren potenzielle Arbeit ab - unterstützten. Mich würde es jedenfalls ganz schön nerven, wenn Termine mit mir abgesagt werden, nur um sie kurzfristig dann doch wieder stattfinden zu lassen. Wenn es dabei nur um mich gehen würde, dann interessierte es mich grundlegend auch gar nicht, was die Leute von mir persönlich hielten, aber es warf schlicht und ergreifend auch kein besonders gutes Licht auf Tauren, wenn er so wechselhaft Entscheidungen traf. Natürlich wäre es mir weiterhin lieber, wenn eine Frau ihr Augenmerk auf mich legte, wenn es um die Körperhygiene ging, aber was die ehemalige FBI Agentin anging, war ja auch noch rein gar nichts verloren. Sollte er eben zwei, drei Tage Gras über die Sache wachsen lassen und dann noch mal vorsichtig bei ihr anklopfen. Machte in jedem Fall ein weitaus besseres Bild, wenn man mich fragte. Im Umkehrschluss hieß das zwar, dass ich dafür in den sauren Apfel beißen musste und auf seine persönliche Hilfe angewiesen war, aber da musste ich dann ganz einfach durch. Wenn ich jetzt auch schon anfing, mir Gedanken um den jungen Mann und seinen Ruf zu machen, dann... war das wohl schlicht und ergreifend die Quittung dafür. Wie ich ihm das allerdings mitteilen würde, ohne das es den Anschein erweckte, als würde ich auf seine Hilfe bestehen, wusste ich jedoch nicht so genau und deshalb schwieg ich eine ganze Weile lang, ehe ich beschloss, ihn einfach an meinen Gedanken teilhaben zu lassen. "Meinst du nicht, dass sowohl Sydney, als auch Sabin davon genervt wären, wenn sie sich jetzt abhetzen müssten, um doch her zu kommen? Von mir aus kannst du dich morgen oder übermorgen noch mal bei ihr melden, aber für den heutigen Tag wirst du deine verbockte Scheiße wohl selber gerade biegen müssen, also komm jetzt rein.", ließ ich Tauren entschlossen wissen, was ich von der ganzen Sache hier gerade hielt und was meine persönliche Einstellung zu der getroffenen Entscheidung war. Außerdem bat ich ihn noch im selben Atemzug darum, endlich das Badezimmer zu betreten, damit ich die Tür wieder schließen konnte. Je länger wir uns unterhielten und umso mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto weniger schlimm war es in meinen Augen, wenn er ein bisschen mehr Haut von mir zu Gesicht bekam. Zu sagen, dass ich das vielleicht sogar wollte, war zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich noch zu gewagt, aber gänzlich abstreiten würde ich das wohl nicht können. Natürlich gab es etliche andere Umstände, unter denen das sehr viel schöner und angenehmer gewesen wäre, aber wir hatten beide ja schon ausreichend festgestellt, dass wir gerne mit dem arbeiteten, was wir kriegen konnten. Und wenn das hieß, dass ich mich von ihm ausziehen und die Haare waschen lassen musste... dann sollte das wohl so sein. War vermutlich einfach nur die gerechte Strafe für das ständige Missachten der Hinweisschilder, wenn ich meinem Schicksal wieder einmal den Mittelfinger entgegen streckte. Erniedrigung war bekanntlich ein sehr gutes Mittel, gerade mich wieder auf den rechten Pfad zu bringen und sollte ich jemals wieder in eine solche Situation geraten und Tauren, der mittlerweile ohnehin schon viel zu viel gesehen hatte, konnte mir nicht beistehen, dann würde ich wissen, wie man es besser machte. Aus Fehlern lernte man schließlich und ein zweites Mal würde mir das ganz bestimmt nicht passieren.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #