Einerseits war ich schon froh darüber, dass Hunter sich wenigstens für die unverletzte Schulter entschied. Auch, wenn er mich damit ordentlich ins Straucheln brachte und mich aufkeuchen ließ, weil trotzdem ein alles andere als angenehmer Schmerz meinen gesamten Körper durchzuckte. An Stellen, die sonst mit dem Schmerzmittel eigentlich nicht oder oder kaum noch weh taten, wie zum Beispiel die zahlreichen Blutergüsse an meinem Oberkörper, die größtenteils langsam aber sicher verschwanden. Nur hingen mir jene Prellungen immer noch ordentlich in den Knochen und der Amerikaner ließ mich das augenblicklich spüren. Genauso wie das wieder einsetzende Stechen in Arm und Bein, aber das war ich immerhin mehr oder minder gewohnt. Hatte ich im Gegensatz zu dem dumpfen Schmerz im ganzen Oberkörper kommen sehen. So blieb mir nicht viel mehr als ein schwaches Nicken, weil der Schmerz mir für einen Moment die Luft aus den Lungen quetschte und ich erst Stück für Stück wieder etwas besser durchatmen konnte, als Cosma bei mir ankam. Ich hatte den Kopf sinken lassen und auf den Boden gestarrt, weshalb ich den schwer gewordenen Schädel erst jetzt wieder zu der jungen Frau anhob. "Geht schon, danke...", murmelte ich ein bisschen undeutlich vor mich hin und nickte ein weiteres Mal kaum erkennbar, während ich mir ein schwaches Lächeln abringte, das ein klein wenig misslang. Dann warf ich noch einen kurzen Blick nach hinten zu Hunter, bevor ich mich nach einem letzten, kurzen Augenkontakt in Cosmas Richtung wieder in Bewegung setzte. Nicht, dass der wütende, amerikanische Tornado noch wieder hier ankam, bevor ich weg war. Dann wäre wohl Alles zu spät für mich. Also hinkte ich so schnell, wie die Krücke und der aktuelle Schmerz es eben zuließen, zum entsprechenden Fahrzeug. Viele der Anderen waren schon auf dem Weg zu ihrer neuen Behausung, nur Richard, ich und unser Fahrer schienen hier abgesehen von Hunter und Cosma noch anwesend zu sein. War aber nur naheliegend, wo Sabin und Sydney doch ganz sicher nicht mit ihrem Einzug ins ach so tolle neue Heim - ich beneidete ja aktuell absolut Niemanden, der da wohnen musste und war Richard wirklich dankbar, dass er eingewilligt hatte mich mit in seine Hütte zu nehmen - warten wollten, bis schon alle der vielleicht besseren Zimmer weg waren, bevor sie dort ankamen. Ich ließ mich mich letztlich etwas umständlich auf der Rückbank nieder, bevor es losgehen konnte. Ich kam aber nicht umher bei der Abfahrt nochmal zum Flieger zu sehen, obwohl ich Vahagn natürlich nicht sehen konnte.
Ach, die Sonne war gar nicht das Problem. Eher nur die unschöne Aussicht, die mir in keinster Weise auch nur irgendwie zugesagt hatte. "Jaja, küss mich da wo sie nie hin scheint.", murrte ich nur noch ironisch vor mich hin als ich auf dem Weg zurück zu Cosma war, was die Russin auf jene Distanz vielleicht gar nicht mehr gehört hatte. War aber auch eher nur noch eine Memo an mich selbst, dass es hier auf Kuba nur besser werden konnte, wenn sich das Miststück erstmal zurück nach Italien verpisste und nicht mehr der Meinung war, sich in irgendeiner merkwürdigen Beziehung an meinen Handlanger zu schmeißen. Zugegeben wunderte es mich aber schon ein bisschen, dass Vahagn überhaupt in das südeuropäische Land zurück wollte. Schließlich war dieser Ort nur der Ursprung all unserer Probleme in den letzten Wochen gewesen und es war in meinen Augen irgendwie vorprogrammiert, dass sie dort in absehbarer Zeit auf neue Komplikationen in dieser Richtung stoßen würde. Andererseits war es auch irgendwie einfach nicht mein Bier, wenn sie in ihrer Heimat drauf ging und so ließ ich mich dahingehend wohl einfach von der Zukunft überraschen, weil mir ohnehin nichts Anderes übrig blieb. Stattdessen widmete ich mich wieder der zierlichen Rothaarigen, die bis gerade eben noch bei Tauren gestanden hatte, bevor letzterer endgültig die Biege gemacht hatte. War wohl besser für alle Anwesenden, wenn er sich jetzt erstmal für die nächsten Tage nicht bei mir blicken ließ, sondern sich irgendwo ins Nirgendwo mit Richard verkroch. Etliche Kilometer von meiner - unserer - Bleibe entfernt, damit ich mir ohne seine Anwesenheit Gedanken darüber machen konnte, wie wir uns wieder einig werden konnten. "Bloß weg hier...", grummelte ich noch mehr oder weniger auch an Cosma gewandt vor mich hin, bevor ich ein paar Meter weiter unser Gepäck aufsammelte. Nicht nur meines, sondern auch Cosmas. Mit insgesamt drei großen Sporttaschen bepackt setzte ich mich dann ein weiteres Mal in Bewegung. Fand meine erst frisch mit dünner Haut überzogene Schussverletzung an der Hüfte nicht wirklich witzig, war doch gerade die Tasche mitsamt ein paar Waffen und Munition nicht gerade leicht, aber der Schmerz half mir einen Teil der Wut loszuwerden, die sich angestaut hatte und war daher recht willkommen. Humpeln tat ich inzwischen ja auch nicht mehr, waren also quasi nur Peanuts. Besonders weit war es ja auch nicht bis zu dem vorübergehenden Auto, das uns noch bis zum Eintreffen meines importierten Wagens helfen würde die Zeit zu überbrücken.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aber klar doch. Das hätte ihm vielleicht jeder andere abgekauft, aber ich nicht. Es war nämlich ziemlich offensichtlich, dass es ihm vielleicht körperlich ganz okay gehen mochte - wobei ich ihm auch das nicht glauben wollte -, aber mit irgendetwas schien Tauren weiterhin zu kämpfen. Vermutlich hatte es etwas mit dem Gespräch von gerade eben zu tun, aber ich beschloss, vorerst nicht weiter nachzuhaken. Schlicht aus dem Grund, weil ich bereits sah, dass ein alles andere als gut gelaunter Hunter wieder auf uns zugestiefelt kam und der Norweger wohl einen Teufel getan hätte, um hier und jetzt mit mir darüber zu reden, was zwischen ihm und der ansehnlichen Brünette vorgefallen war. Jene war mittlerweile im Inneren des Flugzeuges verschwunden, nachdem sie noch eine ganze Weile lang in der geöffneten Tür gestanden hatte, bis der Invalide aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Nur wenige Augenblicke später ließen die mechanischen Geräusche erahnen, dass in meinem Rücken gerade die Treppe eingezogen wurde und es damit langsam an der Zeit war, dass auch Hunter und ich die Biege machten. Ich sah dem humpelnden jungen Mann noch einen kurzen Moment nach, ehe ich mich leise seufzend von seinem Anblick abwandte, um stattdessen den Wagen anzusteuern, der uns recht bald vor der Tür unseres neuen Hauses absetzen sollte. Zugegeben war ich momentan doch irgendwie ein wenig angefressen, weil die Eskalation am Flugplatz einfach vollkommen unnötig gewesen war und sich Hunter dieses vollkommen überzogene Gehabe in meinen Augen hätte sparen können - auch um seiner Gesundheit wegen. Aber gut. Die immer lauter werdenden Triebwerke der Maschine verrieten mir zufriedenstellender weise, dass die Russin samt Anhang fürs Erste wieder aus unserem Leben verschwinden würde und ich hoffte einfach, dass das auch den Ärger zwischen dem Amerikaner und Tauren ein wenig eindämmen würde, wenn einfach kein direkter Kontakt mehr zu dem Miststück bestand. Jedenfalls hatte ich mich auf den Beifahrersitz des Wagens fallen lassen, nachdem Hunter die Türen via Zentralverriegelung geöffnet hatte und wartete nun geduldig darauf, dass besagter junger Mann mit dem Verräumen des Gepäcks fertig war. Ich hatte nämlich keine besonders große Lust zum Fahren, weil ich das im Übrigen auch schon seit Jahren nicht mehr gemacht hatte und ich mich wohl nur überreden lassen würde, sollten die Schmerzen der Schusswunde ihn wirklich zu stark behindern. Aber bis er dahingehend etwas verlauten ließ, würde ich ganz entspannt hier sitzen bleiben und Stück für Stück vor mich hin schmelzen. Das schwarze Leder hatte sich in der Sonne unangenehm aufgeheizt und solange der Schlüssel nicht steckte, war auch die Klimaanlage gerade keine besonders große Hilfe. Zumindest das sollte sich aber ändern, als schließlich auch der Fahrersitz besetzt wurde und nur wenig später blies mir angenehm kalte Luft ins Gesicht, ließ zumindest einen Teil der mir ins Gesicht gestiegenen roten Farbe verblassen. Als wir uns mithilfe eines Navis schließlich auf dem Weg befanden, unsere - ich fand es nach wie vor seltsam, dass wir uns wirklich dazu entschieden hatten, zusammen zu ziehen - erstes Eigenheim einer Inspektion zu unterziehen lag mir noch so Vieles auf der Zuge, was ich gerne los geworden wäre, aber ich verkniff es mir doch ganz bewusst, Hunter noch einfach auf die Geschehnisse anzusprechen, schlicht weil ich wusste, wohin das führen würde. Und ich war es langsam leid, mich ständig über den selben Scheiß aufzuregen. Ständig die gleichen Diskussionen durchzukauen. Es würde sicherlich vollkommen ausreichen, dass mein Freund hinter dem Steuer meine Nichtachtung zu spüren bekam, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er es in meinen Augen - wenn auch nur, bis wir am Häuschen angekommen waren und sich meine Gedanken um etwas vollkommen anderes drehen würden - verbockt hatte.
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Ich war mir nicht sicher damit, ob ich es nun gut fand, dass die Fahrt so schweigend verlief. Zum einen schien mir das gar nicht so verkehrt, weil ich ganz einfach wusste wie sehr wir in solchen Hinsichten nie auf den gleichen Nenner kommen würden. Dass Cosma Nichts davon verstehen konnte und ich dahingehend nur auf Granit beißen würde, wenn ich versuchte, ihr meine Beweggründe irgendwie zu offenbaren. Aber selbst, wenn sie es irgendwie nachvollziehen könnte, würde sie es mir sicher immer noch schlecht zu reden versuchen, weshalb es wohl besser war, wenn wir einfach ganz darauf verzichteten. Es jetzt so stehen ließen und uns auf etwas Anderes konzentrierten. Deshalb versuchte ich mich bei der Fahrt, solange es die Straße und der eher geringe Verkehr zuließen, ein wenig mit dem Mustern der Landschaft abzulenken. Die Küste war schön und während wir nach den ersten paar Minuten Fahrt Havanna passierten, um auf die andere Seite der Stadt zu kommen, war unverkennbar, dass das Leben hier in Kuba ganz anders spielte als oben in Norwegen. Die Leute, die an der Straße standen und sich mit Anderen unterhielten, wirkten durchweg so... keine Ahnung, einfach glücklich. Ich sah Niemanden ein trauriges Gesicht ziehen und der ganze Ort wirkte ausnahmslos tiefenentspannt. So, als hätte die nicht allzu große Stadt es irgendwie verpennt auf den Zeit ist Geld-Zug aufzuspringen. Fast ein bisschen wie aus einer anderen Zeit, wozu nicht zuletzt die vielen alten Autos beitrugen. Inzwischen war das importieren von Autos hier zwar auch erlaubt, aber es taten wohl nur die wenigsten, weil es geschäftlich absolut nicht lukrativ war und daher nur für einen selbst interessant, sofern man die Kohle dafür aufbringen konnte und wollte. Wir ließen die Stadt noch ein kleines Stück hinter uns, als wir auf den letzten Metern zum neuen Eigenheim waren. Uns dem Küstenabschnitt zwischen der kubanischen Hauptstadt und der nächsten, kleinen Ortschaft an der Küste immer weiter näherten. Logischerweise kannte ich die kleine Villa bisher nur von Bildern und der einen Videokonferenz der virtuellen Besichtigung, aber das hohe, stählerne, durch die schwarzen schmalen Gitterstäbe durchaus filigran wirkende Tor am Straßenrand war unverkennbar. Die Pfeiler selbst waren aus weißem Stein und gaben einen ansehnlichen Kontrast her. Der Makler war offenbar noch nicht da, als ich den Wagen anhielt, letztlich auch nach einem kurzen Blick in Cosmas Richtung ausstieg und die Fahrertür hinter mir wieder schloss, kurz bevor ich auf auf die Uhr an meinem rechten Handgelenk sah. Naja, fünf Minuten hatte er wohl noch, weshalb ich durch das Tor auf die etwas längere, gepflasterte Einfahrt hinunter bis zum Haus sah. Die Villa war im selben Baustil wie die meisten Häuser in Kuba erbaut, aber wesentlich neuer. Erst fünf Jahre alt, weshalb Renovierungsarbeiten glücklicherweise nicht nötig waren. Wenn man von dem hohen Gras und Unkraut im Vorgarten zwischen den Palmen und Büschen mal absah zumindest. Über den Einrichtungsstil ließ sich bestimmt auch streiten, hatte der Vorbesitzer seine Möbel doch einfach mit dem Haus zurückgelassen, aber daran etwas zu ändern dürfte nicht schwer sein. Zum Leben reichte es am Anfang allemal und prompt hatte ich die Musterung des Vorgartens abgeschlossen schien auch der Makler mit den Schlüsseln angerollt zu kommen. Die Kaufabwicklung mit dem großflächigen Hof für meine Belegschaft war weit einfacher gewesen, weil nach jenen alten Gebäuden echt kein Hahn mehr krähte, aber ich wollte mich jetzt hier nicht beschweren. Zwar war es sicher unumgänglich sich auch Spanisch hier drüben noch anzueignen, jedoch wusste ich von unserem bisherigen Kontakt, dass der werte Herr - sehr klein gewachsen, höchstens 1,70 groß mit etwas wirrem, mittellangem Haar und ungestutztem Bart, sowie lediglich in eine Anzughose und weißes Kurzarmhemd gekleidet - auch relativ gut Englisch sprach. Demnach schlug ich die Begrüßung auch in jener Sprache an, bevor ich ihm kurz die Hand schüttelte und während er sich auch Cosma noch vorstellte ans Eingemachte ging. Meine Papiere aus dem Kofferraum holte und sie ihm dann bald unter die Nase hielt, damit er endlich die verdammten Schlüssel hergab und ich den letzten, unnötigen Wisch dazu unterschreiben konnte. Ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, dass Papierkram nicht so mein Ding war. Es gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, mir seitenlange Verträge durchzulesen nur um sicher zu gehen, dass keine bisher nicht erwähnte Klausel darin stand. Zum Glück war der eigentliche Vertrag längst unter Dach und Fach und somit ging es nur noch um die Schlüssel in dem einseitigen Text. Kaum war ich damit fertig mir jede Zeile akribisch durchzulesen nahm ich den Stift aus der Halterung am Klemmbrett und unterschrieb ihm auch dieses Blatt noch, wobei ich kurzzeitig fast mit Price unterschrieben hatte, was ja nun eigentlich gar nicht mehr mein Name war. Mit einem innerlichen Seufzen setzte ich meine neue, noch sehr ungewohnte Unterschrift unten aufs Blatt und ließ mir im Anschluss die Schlüssel in die Hand drücken. Der Mann Mitte Dreißig wünschte uns noch alles Gute für das neue Leben im neuen Heim und machte sich dann mit einem weiteren, eher freundschaftlich wirkenden Handschlag - sowohl bei mir, als auch bei meiner weiblichen Begleitung - wieder vom Acker. Ich sah ihm kurz nach, dann hielt ich der Rothaarigen die Schlüssel entgegen. "Mach du auf, ich trag' unser Zeug.", fügte ich dem Ganzen noch eine kurze Erklärung an, wobei ich tatsächlich ganz unbewusst schwach vor mich hin lächelte, bevor ich mich dem Kofferraum für heute hoffentlich das letzte Mal zuwendete und unseren Krempel rausholte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Vom Flugplatz bis zum neuen Eigenheim waren es augenscheinlich einige Kilometer oder aber die Fahrt zog sich nur aufgrund der anhaltenden Stille dermaßen in die Länge, dass ich irgendwann auf etwa halber Strecke einfach wortlos das Fenster zu meiner Rechten herunter gelassen hatte, um kurz darauf meinen Arm in den warmen Fahrtwind zu strecken. Dadurch wurde zwar die inzwischen angenehm kühle Luft im Inneren des Autos wieder verdrängt, aber das war in Ordnung für mich. Die Brise, die uns stattdessen durch das Haar wehte, war auch mit der verhältnismäßig schwülen Wärme auszuhalten und zudem roch sie so wundervoll nach Meer. Ich hatte ja auch in Norwegen schon das ein oder andere Mal am Wasser gesessen, nicht zuletzt mit Tauren einen Ausflug auf die kleine Insel unweit Oslos gemacht, wo mir in etwa der gleiche Geruch in die Nase gestiegen war, aber dieser hier war irgendwie... besser. Ich konnte nicht beschreiben, woran es lag, aber die schlechte Laune schien sich auf kurz oder lang nicht besonders stabil zu halten. Ob das an dem Duft von Kokosnuss an so ziemlich jeder Ecke lag? Oder doch eher am Antlitz der farbenfrohen Stadt, die wir eine ganze Weile lang passierten? Keine Ahnung. Jedenfalls konnte ich schon ziemlich sicher sagen, dass ich mich hier auf Kuba wohl deutlich wohler fühlen würde, als im kühlen Norwegen, wobei der Gedanke an unsere alte Heimat mir aktuell noch immer einen unangenehmen Stich ins Herz versetzte. Ich hatte dort nun mal ein bisschen länger gewohnt, nicht nur für zwei oder drei Wochen. Somit hatte ich mich an all die unzähligen Ecken und Kanten der Stadt gewöhnt, sie schätzen und zu lieben gelernt, da ließ man sein altes Leben nicht einfach mal so hinter sich. Ich wusste zwar, dass das Gefühl schon sehr bald verflogen sein würde und der Aufbau einer neuen Existenz nicht unbedingt etwas Schlechtes sein musste, aber es hielt mich zumindest die Fahrt über noch davon ab, so richtig los lassen und mich freuen zu können. Das änderte sich auch nicht unbedingt, als der Amerikaner unseren Wagen unweit einer - für mich - ziemlich dekadent wirkenden Villa zum Stehen brachte und den Motor abstellte. Ich saß bestimmt noch eine halbe Minute etwas fassungslos durch die Windschutzscheibe starrend im Wagen, ehe ich schließlich ebenfalls ausstieg und zu Hunter aufschloss. Durch Bilder hatte ich einen ersten Eindruck des Hauses bekommen, aber in natura sah das Gebäude noch sehr viel luxuriöser aus, als es auf den Fotos den Anschein erweckt hatte und machte mich damit kurzzeitig etwas sprachlos. Hier würden wir also wohnen und ein neues Leben anfangen? Klar, der etwas vernachlässigte Vorgarten fiel sicher jedem direkt ins Auge, aber selbst der tat dem Konstrukt aus weißem Sandstein mit Stuck keinen Abbruch. Es dauerte dann auch gar nicht mehr lange, bis der Makler des Hauses vorfuhr und ich mich deshalb die darauffolgenden Minuten eher im Hintergrund aufhielt. Lediglich zur Begrüßung und Verabschiedung hatte ich mich dem Mittdreißiger zugewandt und den Rest der Zeit einfach damit verbracht, vor dem Tor zur Auffahrt auf und ab zu laufen und nachzudenken bis die zwei Männer das Geschäftliche endlich erledigt hatten und Hunter die Schlüssel überreicht wurden. Jene gab er im Anschluss direkt an mich weiter, was mich einen Moment lang inne halten und auf die Schlüssel in meiner Hand starren ließ. Das ist es, oder? Das war, wonach sich so viele Menschen sehnten, aber... ich war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob ich das hier alles überhaupt wollte. Vielleicht ging das Ganze ja doch ein wenig zu schnell und ich war noch überhaupt nicht bereit, mich wieder so richtig an meinen Partner zu binden - jedenfalls fühlte es sich gerade sehr seltsam an, die Schlüssel zum neuen Eigenheim in der Hand zu halten, mit denen ich nach Aufforderung durch Hunter eigentlich die Türen hatte öffnen sollen, aber irgendwie... wollte sich mein Körper gerade nicht bewegen, sondern sich lieber mit ganz vielen unnötigen Fragen beschäftigen, die mich normalerweise nur Nachts heim suchten. Es war nicht so, als würde ich die ganze Sache hier in Frage stellen wollen, aber ich vermutete einfach mal, dass ich mit den neuen Umständen irgendwie noch nicht richtig warm geworden war. So ein tolles Haus zu besitzen, mit einem mich liebenden Mann an der Seite. Das... das erschien mir alles gerade sehr surreal, was mich schließlich leise seufzen und zu ein paar nachdenklichen Worten ansetzen ließ. "Ich weiß nicht, irgendwie... also bist du dir immer noch sicher? Mit dem Haus und allem?", äußerte ich meine Bedenken, vor allem dem prunkvollen Gebäude gegenüber, als der Makler schon lange verduftet war und ich mich mit hängenden Schultern in Richtung Hunter drehte, der bereits am Kofferraum stehend unsere Sachen ausräumte. Mir hatte meine kleine Bude in Oslo vollkommen ausgereicht, nicht einmal mehr mit der Bar zusammen käme man auch nur ansatzweise auf die gleiche Quadratmeterzahl des Hauses und ich konnte momentan ehrlich nicht einschätzen, ob das wirklich das Leben war, welches ich mir schon immer gewünscht hatte.
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Zugegeben kam die folgende Frage der jungen Frau vollkommen unerwartet. Vielleicht deshalb, weil es für Zweifel jetzt eigentlich eine ganze Ecke zu spät war. Oder auch einfach, weil ich selbst irgendwie nicht an alledem hier zweifelte. Natürlich hatten wir beide jeweils einen Haufen an Ecken und Kanten, waren uns bei Weitem auch nicht immer mit Allem sofort einig. Dennoch hatte mein Innerstes nicht das geringste Bedürfnis dazu, mir diesen Neustart hier schlecht zu reden. Mir war nicht danach jetzt alles in Frage zu stellen, worauf ich mich nun doch schon seit einigen Tagen freute. Selbstverständlich war die ganze Arbeit in Verbindung mit dem aufwendigen Umzug in ein neues Land lästig und nervig gewesen, aber jetzt waren wir hier und es schien endlich mal wieder wirklich Luft zum atmen zu geben. Noch dazu lag dieser wahnsinnig angenehme Duft nach Meeresbrise permanent in der Luft und man konnte selbst von der Straße auf der Vorderseite des Hauses hören, wie die Wellen in nicht allzu weiter Ferne hinter dem Haus vor sich hin rauschten. Außerdem hatten wir hier wirklich unsere Ruhe. Die nächsten Nachbarn waren beidseitig mindestens dreihundert Meter weit entfernt und das hieß, dass wir hier im Grunde wirklich tun und lassen konnten, was wir wollten. Uns wenn nötig streiten, ohne dass gleich die unbewaffneten Cops kamen - ha, ha - oder eine Party schmeißen, wann immer uns der Sinn nach ein bisschen Spaß und Freizeit stand. Ich konnte dem Ganzen hier wirklich nichts als Vorteile abgewinnen, was meinen privaten Lebensstil anbelangte. Der Neuaufbau meiner Geschäfte war natürlich weit weniger schön, aber das Haus hier war in meinen Augen ziemlich perfekt. Zumindest so lange, bis mich Irgendwas oder Irgendwer vom Gegenteil dessen überzeugen würde. Bevor ich Cosma jedoch eine Antwort gab schulterte ich die Tasche mit den Waffen und auch die mit den Sachen der Rothaarigen, schloss den Wagen ab und hob die Tasche mit meinen eigenen Klamotten und Habseligkeiten vom Boden auf. Alles mit der linken Seite, damit ich den rechten Arm komplett für die leicht verunsichert wirkende Rothaarige frei hatte. Denn ich legte meinen freien Arm seitlich neben ihr stehend um ihre Taille, bevor ich sie mit mir wieder sachte in Richtung des hohen Tores umdrehte. Vielleicht hätte ein niedrigerer Zaun freundlicher ausgesehen, aber für den Fall, dass ich mir hier früher oder später Feinde machte, schien er mir dann doch ziemlich sinnvoll. "Ich weiß, dass das alles ein ziemlich großer und gewagter Schritt ist... aber wäre ich mir nicht sicher, dann hätte ich gerade nicht unterschrieben.", ließ ich Cosma mit einem milden Lächeln und an sich wieder durchweg entspannten Worten wissen, dass ich keine Zweifel daran hegte, dass ich all das hier auch wirklich wollte. Sah dabei zu ihr rüber, kurz bevor ich mich ein wenig mehr mit dem Oberkörper in ihre Richtung beugte und sie sachte aufs Haar küsste. Vielleicht war das Haus an sich ein kleines bisschen zu groß für uns beide und eigentlich war es nicht notwendig, in diesem Ausmaß zu hausen, wo wir beide doch unsere gefühlt nur fünf Quadratmeter großen Wohnungen gewohnt waren. Aber nachdem ich mich jetzt mein ganzes Leben lang durch irgendwelche Gossen und unbehagliche Behausungen geschleppt hatte, war ich der Ansicht mir - und im gleichen Atemzug dann eben uns beiden - auch einfach mal was gönnen zu dürfen. "Wenn es doch nicht hinhaut, dann können wir's uns immer noch anders überlegen. Aber ich glaub an den Pool und das Meer dahinter kann ich mich bei den Temperaturen eigentlich ganz leicht gewöhnen.", versah ich den eher ernst wirkenden Moment noch mit ein paar sarkastischen Worten gegen Ende hin, strich ihr dabei ein klein wenig über die Seite und nickte kurz darauf leicht in Richtung Tor, weil sich das wohl nicht von selbst öffnete. Vermutlich würde ich das früher oder später auch noch austauschen lassen... so mit Sensor, damit ich nicht jedes Mal aussteigen oder den Wagen vorne an der Straße parken musste, um unbeschwert durchzukommen. Es einfach offen zu lassen war jetzt am Anfang zwar kein Problem, aber später irgendwann würde ich mich damit wohl nicht mehr wohlfühlen. Für jetzt wollte ich den Gang ins neue Eigenheim aber einfach zu Fuß genießen. Mitunter auch, um mir erstmal zu besehen ob die Garage wirklich in normalem Maß gebaut war und nicht nur für die kleinen kubanischen Schrottkisten passend war, sonst war zeitnah noch ein Umbau für meinen neuen Wagen notwendig.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Scheinbar war ich mal wieder die einzige, die sich viel zu viele Gedanken um die ganze Sache hier machte. Die es eben nicht so locker hinnehmen konnte, von jetzt auf gleich aus ihrer kleinen zwei Zimmer Wohnung in ein übertrieben großes, dafür wunderschönes Haus umzuziehen, welches unweit eines Strandes gelegen war. Auch das alte Leben hinter sich zu lassen fiel mir einfach nicht ganz so leicht, wie es das ganz offensichtlich für Hunter war und an dem Punkt stellte ich mir unweigerlich die Frage, wieso eigentlich nicht. Mit meinem Leben in Norwegen verband ich auf die Schnelle jetzt nicht sehr viel Gutes. Ja, die Anfänge waren schön gewesen, vielversprechend, aber das Blatt hatte sich leider ziemlich schnell gewendet und letztlich war mir nicht einmal mehr meine Bar geblieben, also warum trauerte ich dem Häufchen Elend - auch mein altes Leben genannt - derart nach? Eine der plausibelsten Erklärungen dafür war wohl, dass ich mich schlicht und ergreifend zu einem Gewohnheitstier entwickelt hatte. Taurens spontane Entführung ans andere Ende der Stadt hatte mir vor Augen geführt und bewiesen, dass ich über die Jahre hinweg in einen Trott verfallen war. Dieser Trott war irgendwann als eine Art Selbstschutz - bloß nichts Neues ausprobieren, wobei man auf die Fresse fliegen könnte! - zur Gewohnheit geworden und ich fand mich damit ab, nur schien mich deshalb mittlerweile selbst die kleinste Veränderung unruhig werden zu lassen. Dass mich da ein Umzug in ein vollkommen fremdes Land mit einer ganz anderen Sprache und ganz neuen Leuten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs trieb, war doch nur normal, oder? Umso besser ging es mir allerdings, als Hunter mir mit ein paar ruhigen Worten ein paar Kilo an dem imaginären Gewicht auf meinen Schultern abnahm. Ich lehnte meinen Kopf also mit einem zufriedenen Lächeln an seine Seite, nachdem sein Arm den Weg um meine Taille gefunden hatte. "Okay... gut, das... war auch schon alles, was ich wissen wollte.", antwortete ich leise und genoss einen kurzen Moment den Augenblick, in dem uns eine milde Brise durchs Haar wehte. Zwar waren mit der Aussage leider noch nicht alle meine Zweifel der ganzen Sache gegenüber aus dem Weg geräumt, aber ich würde mich zumindest für den heutigen Tag damit zu arrangieren wissen. Wie so oft half an der Stelle wohl nur, sich das Mantra immer und immer wieder aufzusagen, dass wir nicht wissen konnten, was werden würde, wenn wir es nicht einfach auf uns zukommen ließen. Und das würde ich versuchen. Außerdem hatte er mit seinen gen Ende reichlich sarkastischen Worten gar nicht mal so Unrecht. Mit einem Pool und vor allem dem Meer hinterm Haus würde ich mich auf kurz oder lang sicher pudelwohl fühlen und schon bald war das kalte Leben in Norwegen Geschichte. "Da hast du vermutlich Recht.", stimmte ich ihm dahingehend erst einmal zu, dass ich mich wohl einfach nur an die neue Umgebung gewöhnen musste. Dann lenkte mich Hunter auch schon sachte in Richtung des hohen Tores, welches nach den positiv klingenden Worten des Amerikaners plötzlich nicht mehr ganz so einschüchternd wirkten. Ich seufzte noch einmal leise, ließ mich aber bereitwillig bis zur Tür begleiten, wo ich einen der zwei mir in die Hand gedrückten Schlüssel in das dafür vorgesehene Schloss steckte. "Ich mach mir, glaube ich, einfach wieder viel zu vielen Gedanken.", stellte ich abschließend fest, ehe die Flügeltüren aufschwangen und uns den ersten Blick ins Innere des Hauses offenbarten. Die Inneneinrichtung des Vorbesitzers war für das Baujahr der Hütte ziemlich altbacken, aber ich wollte mich fürs Erste nicht beschweren. Die Möbel waren fein säuberlich zugedeckt mit durchsichtigen Planen, damit sich kein Staub darauf sammeln konnte, was ich schon mal sehr begrüßte. Dann musste nach dem Abziehen der Hüllen nur kurz durchgesaugt werden und die Sache war erledigt. Fand ich gut. Ich stand ein wenig ratlos in der Tür, als ich meinen Blick schweifen ließ und versuchte, mich daran zu erinnern wo sich in der Online Besichtigung das Schlafzimmer befand, denn ich würde Hunter gerne ein paar der Taschen abnehmen. Es gefiel mir ohnehin schon nicht, dass er all die Taschen auf einmal genommen hatte, ohne mir auch nur eine davon abzugeben. Schließlich war ich topfit und hätte ihm durchaus unter die Arme greifen können, damit er seine Wunde noch ein wenig schonen konnte. "Mh, also ich glaube... ich würde erst mal unsere Sachen einräumen und mich dann mal ein bisschen hier drin umschauen.", ließ ich den jungen Mann wissen, was mein nächstes Vorhaben war, wobei ich ihn bestimmt für ein oder zwei Minuten mit ins Schlafzimmer entführen wollen würde. Zwar hatten wir den ganzen Flug über zusammen gesessen und Händchen gehalten, aber mir war doch sehr nach ein bisschen mehr körperlicher Nähe.Zehn Minuten würden da schon vollkommen ausreichen. Hauptsache ein bisschen die Zeit zusammen genießen.
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Gut, dann war das ja jetzt vorerst vom Tisch und wir konnten uns gemeinsam darauf konzentrieren, den Neustart einfach nur zu genießen. Vielleicht würde es hier und da mal unangenehme Stolpersteine geben, aber die gab es im Leben so oder so immer wieder. Sie ließen sich bestimmt einfacher ertragen, wenn man sich nicht allein wieder zum aufrechten Gehen aufrappeln musste, sondern sich gegenseitig stützen konnte. Klang für mich zum jetzigen Zeitpunkt nach einem sehr guten Plan und so ging ich kurz nach der jungen Frau ins Innere des Hauses, nachdem wir die Auffahrt hinter uns gelassen hatten. Auf den ersten Blick hatte der Anbau mit der Garage jetzt nicht zu schmal für eine normale Karre gewirkt und so war ich dahingehend auch beruhigt, als ich mich zum ersten Mal mit eigenen Augen in der kleinen Eingangshalle wiederfand. Unweigerlich ließ ich den Blick über die Wände und auch das Mobiliar schweifen, nur um festzustellen, dass Alles wie erwartet aussah. Es hatte sich seit der Besichtigung übers Display absolut gar nichts geändert, also seufzte ich doch erleichtert, wenn auch nur leise. "Ja, das glaub' ich auch... sind wir uns einig damit, dass wir was an der Einrichtung ändern müssen?", hakte ich nach und hob beiläufig mit der freien Hand eine der Planen an, um mir die eher alte Kommode auf der rechten Seite des breiten Flurs für einen Moment zu mustern. Mit einem leichten Kopfschütteln ließ ich jene aber bald schon wieder sinken und sah bei Cosmas Worten zu der mittig im Flur angebrachten Treppe, die einem gleich zuerst ins Blickfeld fiel, wenn man das Haus betrat. Klang nämlich nach gar keiner schlechten Idee, wurde die beladene Schulter doch zunehmend immer schwerer. Als ich am Fuß der Treppe ankam - das Schlafzimmer war oben - hielt ich jedoch noch einmal inne, sah auf die Tasche in meiner Hand. Bei Treppenstufen war die Hüfte mehr unter Spannung und zumindest aus gesundheitlicher Sicht wäre es demnach sinnvoll ein kleines bisschen Gewicht an die Rothaarige abzutreten. Also seufzte ich leise, bevor ich ihr die Hand mit der Tasche entgegenhielt. "Würdest du..?", fragte ich also leicht gemurmelt, weil mir das kürzer treten an sich einfach nicht passte, kurz bevor Cosma die Tasche entgegen nahm und ich die Treppe nach oben ging. Im oberen Flur angekommen musste ich kurz überlegen, ehe ich mich zur rechten Seite abwandte und eine der beiden Türen dort öffnete. Meine grauen Zellen entsinnten sich auch richtig und ich ließ kurz darauf die beiden Taschen von meiner Schulter, um sie am Fuß des Doppelbetts auf dem Boden abzusetzen. Auch hier war die Einrichtung nicht gerade in meinem Stil, aber bequem sah das Bett trotzdem aus, als ich die Plane von dem Mobelstück zog. Auch zog ich die Vorhänge an der Fensterfront bei Seite, die mittig eine ebenfalls gläserne Tür zum Balkon besaß. "Such dir ruhig Platz im Schrank, wie du willst... ich bin da anpassungsfähig.", ließ ich die Rothaarige beiläufig mit einem ruhigen Blick in ihre Richtung wissen, dass sie sich den Platz in dem großen Kleiderschrank, der sich bestimmt über drei Meter erstreckte, ruhig so nehmen konnte wie sie das gerne wollte. Währenddessen stand ich noch kurze Zeit am Fenster, um in Richtung des Meeres zu sehen und prompt wieder zu lächeln, als ich die Tür aufmachte. Ein bisschen Sauerstoff war hier drin echt nicht verkehrt, hatte sich durch die gläserne Front doch ein wenig Hitze im Raum angestaut.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich fing unwillkürlich ein kleines bisschen zu lächeln an, als Hunter mir meine etwas nachdenklichen Worte noch einmal bestätigte, kannte er mich doch mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass die meisten meiner Sorgen unbegründeter Natur waren. Ich mich einfach nur an ihnen aufhing und mir das Leben somit schwerer machte, als es eigentlich war. Da war es gleich doppelt so schön, jemanden zu haben, der einem Rückhalt gab und daran glaubte, dass alles gut werden würde, wenn man selbst einmal nicht dazu in der Lage war. Aber gut. Jedenfalls hatte der Amerikaner das Thema mit seinen letzten Worten auch schon wieder unter den Teppich gekehrt, was mir nur Recht sein sollte und stattdessen rückte eine andere Kleinigkeit in den Mittelpunkt. Ja... "Definitiv.", bestätigte ich ihn lediglich mit einem Wort, dass eine neue Einrichtung auf kurz oder lang unabdingbar war. Zwar machten die Möbel allesamt einen guten und stabilen Eindruck, aber rein optisch traf die Einrichtung aus den Siebzigern überhaupt nicht meinen Geschmack. "Aber nicht mehr heute. Nach dem Flug bin ich froh, wenn wir mal zehn Minuten unter uns sind und nicht etliche Menschen um uns herum schnarchen.", redete ich einfach weiter, während ich neben Hunter den Flur lang bis zur Treppe lief. Dabei war mir sowieso klar, dass das Einkaufen von neuer Inneneinrichtung heute so oder so nicht mehr passieren würde, weil der Amerikaner ganz bestimmt auch nur relativ wenig Lust hatte, jetzt, wo uns noch niemand auf die Pelle rückte, alles über das Knie brechen zu wollen. Und so lange zumindest das Bett noch ein bisschen durchhielt, hatten wir es ja auch überhaupt nicht eilig. Funktionieren und seinen Zweck erfüllen tat ja alles, soweit ich das beurteilen konnte und von zwei, drei Tagen mit veralteten Schränken und Kommoden würde ich ganz sicher nicht Amok laufen. An der Treppe angekommen, nahm ich Hunter wie selbstverständlich eine der Taschen ab, um sie hinter ihm her ins Schlafzimmer zu tragen. Dabei fiel mir wieder einmal auf, dass die Evolution an der Kraft von Frauen wirklich gespart hatte, was ich mit einem erschöpften Schnauben quittierte, als ich die Sporttasche schließlich neben dem Rest des Gepäcks auf den Boden donnerte. Es waren nur ein paar Stufen gewesen und man wollte meinen, dass ich nicht ganz so viele Klamotten eingepackt hatte - trotzdem trieb mir das Hochtragen im Zusammenspiel mit der zeitweise unerträglichen Hitze beinahe die Schweißperlen auf die Stirn. Aber eben auch nur fast. Auf die Aussage des jungen Mannes, ich solle mir doch bitte den Platz nehmen, den ich brauchte, reagierte ich erst einmal gar nicht, sondern schloss nach einer flüchtigen Inspektion des Zimmers zu ihm ans Fenster auf. Die angenehme Meeresluft streifte über meine Wangen und ließ mich dabei zufrieden Seufzen. Dieses Mal war ich diejenige, die ihren Arm schließlich um Hunters Hüfte legte - natürlich stets bedacht darauf, ihm nicht unnötigerweise weh zutun. Dann lehnte ich meinen Kopf wieder an seine Schulter und blieb einen Moment lang reglos stehen, den Blick dabei schnurstracks auf das Meer gerichtet. Es vergingen sicher an die ein oder zwei Minuten, bis ich mich von dem tollen Anblick endlich lösen und mit meinem Blick den von Hunter suchen konnte. "Das Einräumen kann sicher auch noch einen Augenblick warten - hast du was gegen ein bisschen Kuscheln?", fragte ich offen und stellte wieder einmal fest, dass es mich wirklich Überwindung kostete, so etwas direkt anzusprechen. Früher - zu Daiths Zeiten - war das überhaupt kein Problem gewesen. Da war ich noch handzahm, umgänglich, übermäßig fürsorglich und sehr geduldig, aber mittlerweile konnte man fast schon von ängstlich sprechen, wenn es um solch eigentlich belanglose Themen ging. War ja nichts dabei, ich hätte ihn theoretisch auch einfach bis zum Bett ziehen können, dessen Überwurf der Mann zu meiner linken bereits abgezogen hatte, aber ich wollte ganz bewusst auch an diesen Ecken und Kanten feilen.
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Es war schön, dass Cosma einen Moment lang zu mir ans Fenster kam. Sie ließ das Lächeln damit unwillkürlich noch ein wenig breiter werden und ich legte ihr meinen Arm um die schmalen Schultern, als sie sich an mich lehnte und wir einfach nur ein paar Augenblicke lang nach draußen sahen. Nicht nur das Haus an sich - solange man von der Einrichtung absah - fühlte sich wie purer Luxus an. Auch die ganze Situation an sich. Einfach mal nur dastehen und sorglos etwas Zeit verstreichen lassen zu können, ohne sich dann im Anschluss hetzen zu müssen, tat unfassbar gut. Zwar wollte ich natürlich nicht ewig lange damit warten mein Geschäft wieder aufzubauen, aber gerade wollte ich sehr gerne einfach nur im Hier und Jetzt leben. Mir erst einmal ein oder zwei Wochen Zeit dafür nehmen in Ruhe anzukommen und gerne auch hier und da ein bisschen mit der Rothaarigen die Insel erforschen, sofern sie dazu denn Lust hatte. Was die Beschäftigung während dieser Zeit anging war ich offen für Vorschläge. Deshalb wendete ich meine Augen schließlich auch von dem milden Wellengang ab und richtete meinen Blick stattdessen in Cosmas, als sie mir ihren aktuellen Wunsch wörtlich zu unterbreiten begann. Es war doch relativ ungewöhnlich, dass sie das so direkt ansprach, war das normalerweise doch allgemein eher weniger die Schiene, die wir entlang zu fahren pflegten. Immerhin tat die Rothaarige sich mit sowas meistens nicht wesentlich leichter als ich und so war es für gewöhnlich eher der Fall, dass sich sowas wie Kuscheln... naja, von allein ergab. Es wurde nicht danach gefragt, der jeweils Andere höchstens sachte mit Gesten in die richtige Richtung geschubst. Aber wörtlich danach fragen? Kam eigentlich nie vor. "Hmmm, lass mich kurz nachdenken...", tat ich mit einem schwachen Grinsen auf den Lippen erst einmal so, als müsste ich ernsthaft darüber nachdenken, während ich die junge Frau mit meinen Händen zu mir umdrehte und letztere auch an ihrer Hüfte liegen ließ. Sie ganz sachte, ohne jeglichen Druck auszuüben Stück für Stück mit meinen eigenen, eher langsamen Schritten in Richtung Bett vor mir her schob. Meine Augen löste ich dabei niemals von ihren und ich hielt dem Blick auch dann noch stand, als wir an der Bettkante ankamen und auf die Matratze kippten, die unter dem Gewicht prompt leise zu quietschen begann. Natürlich hatte ich meine Hände von der Hüfte der zierlichen, jungen Frau gelöst und mich neben ihr damit auf dem Bett angefangen. Gebrochene Rippen durch meine 90 Kilo Kampfgewicht waren echt nicht angebracht. "Ich glaub schon, ja.", teilte ich Cosma meine inzwischen sicher offensichtlichen Gedanken mit und drückte ihr kurz darauf einen zärtlichen Kuss auf die vollen Lippen. Zog jenen auch noch ein kleines bisschen in die Länge, bevor ich dem Lippenspiel ein Ende setzte und mich nach einem weiteren, kurzen Blick von ihr runter rollte, um stattdessen neben ihr in die Matratze zu sinken. Wieder nicht, ohne dass die Federn leise vor sich hin quietschten. "Können wir die Matratze, beziehungsweise das Schlafzimmer bitte ziemlich weit oben auf die Liste setzen?", fragte ich sie recht ironisch, als ich sie wieder ein wenig näher an mich heran zog. Mir tat ein bisschen Nähe nach dem elendig langen Flug auch gut und es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Jetlag mich später dahinraffte. Bis dahin verbrachte ich aber gerne ein paar Minuten mit Kuscheln, weil mehr ganz einfach nicht drin war - was mich langsam zu ärgern begann, wenn ich mal ganz ehrlich war. Natürlich ließen wir uns bewusst Zeit mit diesem letzten, noch so viel endgültigeren Schritt, aber inzwischen würde ich das schon gerne mal angehen. Nur war in den letzten Wochen weiß Gott keine Zeit dafür gewesen und Agnolo hatte mich mit dem Streifschuss an der Hüfte dahingehend leider ziemlich unfähig gemacht. Zwar war die Haut inzwischen dünn wieder zusammengewachsen und die Wunde an sich geschlossen, aber sie tat nach wie vor weh und sollte leider definitiv noch keinem Sex ausgesetzt werden. Eine Woche, vielleicht auch noch zwei... war noch nicht so recht absehbar ab wann meine Hüfte sowas wieder mitmachen würde. Ich hoffte wohl einfach mal das Beste, was das anging. Gab vielleicht sowieso noch ein, zwei Dinge, die wir vorab mal grob anschneiden sollten. Ganz gleich, wie unangenehm es vielleicht im Moment des Gesprächs war. War dann immer noch besser, als sich den Sex später damit zu vermiesen.
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Hunter konnte wohl von Glück reden, dass ich ihn in diesem Moment direkt angesehen hatte und mir das Grinsen demnach nicht entging. Andernfalls wäre in den nächsten Sekunden eine ziemlich unangenehme Stille über uns herein gebrochen und die nächsten einhundert Jahre hätte ich mich mit Fragen solcher Art wieder gekonnt zurück gehalten. In diesem Fall machte mir der Amerikaner allerdings schnell klar, dass seine Entscheidung schon bei meiner Fragestellung gefallen war und seine Überlegungen dahingehend eigentlich nur Zeit schinden sollte, bis er mich schließlich in Richtung des Bettes schob, auf dem wir uns kurz darauf nieder ließen. Das Quietschen sorgte schon beim ersten Mal für ein leichtes Augenrollen und so konnte ich Hunter nur nickend und mit einem "Bin ich voll dafür.", zustimmen, als er mich fragte, ob das Schlafzimmer mit eines der ersten Räume sein würde, die wir neu einrichteten. Ich legte meine Arme schon beim Rückwärtslaufen in Hunters Nacken, um dort durch die - für ihn - verhältnismäßig langen Haaren zu streichen und mich selbst ein wenig abzufedern, als wir uns gemeinsam auf dem Bett nieder gelassen hatten. Dort wäre ich beinahe unter seinem Gewicht begraben worden, wenn er sich nicht rechtzeitig abgestützt hätte. Aber es brauchte ja Gott sei Dank nur einen langen und zärtlichen Kuss, bis der zum Teil angeschlagene Körper des Amerikaners sich neben mir wieder fand und ich so ein wenig zu ihm aufrücken konnte. Ich schob mich unter seinem Arm hindurch, sodass ich meinen Kopf auf seinem Schlüsselbein am Übergang zur Schulter ablegen konnte - mein eigener Arm wanderte indessen über die durchtrainierte Brust und blieb achtlos darauf liegen. Tja und ich müsste lügen, würde ich sagen, dass ich so nicht kurz vor dem Einschlafen stand. Zwar hatte ich auf dem Flug schon eine ganze Weile damit verbracht, Energie zu tanken, aber das Bett war entgegen der Geräuschkulisse ziemlich bequem und mit Hunter an meiner Seite fiel es mir direkt leichter, mich ein wenig zu entspannen. Aber eigentlich stand mir weniger der Sinn nach einem Mittagsschlaf, denn es gab für heute zumindest noch die ein oder andere Kleinigkeit zu erledigen. Die Taschen wollten in jedem Fall noch ausgepackt werden und wenn das Wetter sich nicht schlagartig änderte, dann wäre ein Ausflug an den Strand zur absoluten Erholung nach dem langen Flug genau das Richtige. Außerdem müssten wir zumindest für die grundlegenden Basics noch einmal den örtlichen Supermarkt aufsuchen, es sei denn, Hunter ließ das direkt einen seiner Schoßhunde übernehmen. Hätte ich nicht schlimm gefunden, aber ein bisschen die Stadt zu erkunden, solange uns das Privileg, ungeachtet irgendwelcher Polizisten, an die Öffentlichkeit zu treten, noch vorbehalten war, würde ich das gerne ausnutzen. Mein Blick war nach unten gerichtet, jetzt allerdings drehte ich den Kopf so, dass ich das Gesicht des jungen Mannes von der Seite mustern konnte. "Was steht denn heute neben ganz viel Nichts tun noch an? Ich könnte auf jeden Fall noch etwas zu Essen vertragen.", stellte ich etwas gemurmelt fest. Ich hatte von der Organisation dieser Bleibe hier nur beiläufig etwas mitbekommen, wusste daher nicht, ob Hunter den Kühlschrank eventuell gegen ein kleinen Obolus durch den Makler hatte auffüllen lassen, aber das würde ich ja spätestens bei meinem anstehenden Rundgang in Erfahrung bringen, sollte sich der Amerikaner dahingehend nicht weiter äußern. Während ich auf eine Antwort wartete, schloss ich dann doch noch einmal die Augen und genoss einfach die Ruhe, welche wir - aber besonders Hunter - uns nach den letzten Wochen redlich verdient hatten. Zwar kam mit der Ruhe in der Regel auch die unliebsamen Gedanken, die einen heimsuchen wollten, aber aktuell konnte ich mich noch nicht beschweren. Nein, aktuell könnte es mir besser wohl wirklich nicht gehen.
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Ich drehte den Kopf etwas mehr in Cosmas Richtung, als sie mir nach Einwilligung in meine vorherige Bitte die nächste Frage stellte. Eine gute noch dazu, gab es doch für den ersten Tag hier auf Kuba wahrscheinlich nicht mehr viel, das wir wirklich tun mussten, wenn uns nicht der Sinn danach stand. Was zu Essen musste natürlich schon noch her. Entweder mittels Lieferdienst - ich war mir ziemlich sicher, dass es sowas selbst an diesem Ende der Welt gab -, oder eben durch Besuchen eines ortsansässigen Lebensmittelgeschäfts. Oder beides, je nachdem ob hier noch Jemandem der Sinn nach kochen stand. War bei mir persönlich ja eher nie der Fall, weil ich für langes in der Küche herumstehen für gewöhnlich einfach keine Zeit hatte. Klar bekam ich es hin mir Nudeln mit Soße zu machen oder dergleichen, aber über viel Motivation oder überragende Kenntnisse fürs Kochen verfügte ich nun wirklich nicht. "Ja, Essen klingt nicht verkehrt...", ließ ich die junge Frau erst einmal wissen, dass ich dagegen logischerweise Nichts einzuwenden hatte. Seit der Mahlzeit in Lissabon waren ja nun doch schon einige Stunden vergangen und früher oder später knurrte der Magen ganz sicher wieder. "Also wäre einkaufen wohl angebracht. Können uns bestimmt auch irgendwo noch was Leckeres zu Essen mitnehmen. Mal sehen, was die kubanische Küche so hergibt.", schlug ich vor, einfach was Einkaufen zu gehen und es uns aber trotzdem zu ersparen, noch irgendwas selbst Kochen zu müssen. Falls uns auf der Speisekarte eines kubanischen Restaurants nichts zusagte, dann konnten wir immer noch zu einer Pizzeria umschwenken. Pizza gab es schlichtweg absolut überall auf der Welt. Notfalls eben aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt. Ich war da ja nicht besonders anspruchsvoll, worüber unser Italiener sicher nur den Kopf schütteln konnte. "Ganz wie du willst... aber ansonsten steht denk ich Nichts weiter an. Ich hab Ashton extra gesagt, dass er den Haufen heute und morgen für mich unter Kontrolle halten und koordinieren soll, damit ich komplett meine Ruhe hab.", ließ ich die Rothaarige neben mir wissen, dass ich mir für die ersten Stunden auf Kuba so absolut gar Nichts fest vorgenommen hatte und auch nicht bei den Jungs vorbeischauen musste, wenn nicht plötzlich einer Amok laufen würde. Aber davon ging ich nicht aus, war Sabin doch im Notfall auch noch da. Seit er meine Geschäfte damals für eine Zeit lang übernommen hatte, hatten sie vor ihm auch einiges an Respekt. Ashton sollte ebenfalls dafür sorgen, dass Tauren und Richard mit Versorgung nicht auf der Strecke blieben, bis ich den beiden mal irgendwann einen Besuch abstattete. Der Professor war schließlich noch immer kaputt und der Norweger schlicht nicht gehfähig oder gar fahrtüchtig. Sobald die Anderen dann wieder aktiv zu arbeiten anfingen bekam meine rechte Hand dafür ein paar Tage frei, aber erst einmal musste er die Geschichte überwiegend für mich schaukeln, während ich selbst nur immer wieder mittels Handy neue Aufgaben stellte. Immerhin hatte ich es Cosma versprochen, erst einmal ein wenig mehr Zeit mit ihr zu verbringen und dem wollte ich in jedem Fall nachgehen. "Wenn du nicht zu müde bist könnten wir uns noch ein bisschen umschauen. Hier auf dem Grundstück oder auch außerhalb.", fügte ich ein paar Worte mehr hinten an und schob meine Finger ein kleines Stück an ihrem Rücken unter den Saum ihres Shirts, um ihr dort sachte über die Haut zu streichen, während ich abwartend zu ihr runter sah. Ein bisschen im Haus umsehen würde ich für meinen Teil mich ohnehin, weil ich mir zumindest mal einen groben Überblick darüber verschaffen wollte, was ich Alles anders haben wollte. Tatsächlich kam mir aber erst jetzt der Gedanke, dass es vermutlich gar nicht so unsinnig wäre, sich sowas wie eine Haushälterin anzuschaffen. Irgendwie glaubte ich nämlich nicht, dass Cosma viel mehr Lust als ich selbst dazu aufbringen konnte, diese große Wohnfläche eigenhändig sauber zu halten. Dafür gingen nämlich sicher einige Stunden Lebenszeit drauf.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, Musik in meinen Ohren. Zwar wäre es mir deutlich lieber gewesen, wenn wir nicht noch einmal in den Supermarkt gemusst hätten, weil sich vorab schon um etwaige Besorgungen gekümmert worden war, aber das Eine konnte man mit dem Anderen ja wunderbar verbinden. War also nicht weiter schlimm und hetzen tat uns ja momentan auch niemand. Wenn wir wollten, konnten wir also ruhig noch ein paar Stunden hier liegen bleiben und erst später losgehen. Jetzt, wo Hunter tatsächlich mal so etwas wie ein paar freie Tage hatte, spielte die Zeit vorerst wirklich keine Rolle. "Vom müde sein bin ich aktuell noch weit entfernt, aber das kann sich ja von jetzt auf gleich ändern.", stellte ich erst einmal relativ nüchtern fest, als ich meinen Blick von den Gesichtszügen des Amerikaner löste, um ihn stattdessen auf meine Hand zu legen, die ebenfalls angefangen hatte geistesabwesend ihre Kreise zu ziehen - dabei blieb sie allerdings über seinem T-Shirt. So spontan hatte ich jetzt leider nicht im Kopf, wie viele Stunden Unterschied zwischen der kubanischen und der norwegischen Zeit lagen, aber ich meinte mich zu erinnern, dass es ungefähr sechs Stunden waren, die wir mit dem Flug in die Vergangenheit gereist waren. Zeigte die Uhr hier in Kuba 12 Uhr mittags, dann war es in Norwegen mit circa 18 Uhr bereits früher Abend. Ich bezweifelte also keinesfalls, dass der Jetlag auch mich irgendwann im Laufe des Tages dahinraffen würde, aber dann sollte man die Zeit, in der man noch wach genug war, um sich zu bewegen, auch ausnutzen. Eventuell schafften wir es ja uns mit ein bisschen Ablenkung lange genug über Wasser zu halten, dass wir zu einer halbwegs christlichen Zeit ins Bett gehen konnten. Und nicht schon um... keine Ahnung, 17 Uhr nachmittags. Ich hatte nämlich eigentlich keine sonderlich große Lust, mich jetzt mehrere Tage damit aufzuhalten, meinen Schlafrhythmus einigermaßen auf ein normales Level zu kriegen, wenn es mit ein oder zwei Nächten bereits getan sein konnte. "Dann würde ich vorschlagen, wir verbinden einfach alle drei Aktivitäten miteinander. Vielleicht trifft uns die Müdigkeit dann nicht ganz so hart, wenn wir noch unterwegs sind.", ließ ich meine Gedanken verlauten und zuckte währenddessen schwach mit den Schultern. "Auf dem Grundstück wollten wir uns ja ohnehin heute noch umschauen. Danach können wir ja in die Stadt gehen, erst einmal nur das Wichtigste einkaufen und uns auf dem Rückweg dann irgendwo etwas zu Essen mitnehmen.", ergänzte ich meinen vorangegangenen Vorschlag um eine Erläuterung, wie genau ich mir das Ganze vorgestellt hatte. Natürlich war davon absolut nichts in Stein gemeißelt, aber es erschien mir wenig sinnvoll, erst etwas zu Essen zu besorgen, nur um danach noch ein weiteres Mal in die Stadt zu laufen. Sollte Hunter jedoch wider Erwarten andere Pläne haben, stand es ihm natürlich frei, diese auch zu äußern. Ich war ja immerhin kompromissbereit - ha ha. "Egal, wie wir es letztlich machen. Ich würde gerne noch ein bisschen von deiner freien Zeit für mich beanspruchen. Zwar habe ich davon jetzt erst einmal genug, so wie ich dich verstanden habe, aber heute... brauch' ich die irgendwie besonders.", murmelte ich abschließend in den Stoff seines T-Shirts, nur um mich kurz darauf ein wenig aufzurichten und meinen Kopf auf den angewinkelten Arm zu stützen. Dabei zierte durchgehend ein vollkommen entspanntes Lächeln meine Lippen, weil ich doch momentan trotz all der Zweifel und Sorgen, die mich heimsuchten, irgendwie glücklich war. Nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig. Ja, es gab vieles, an das wir uns noch gewöhnen mussten, aber Hunter und ich waren ja jetzt weniger das Beispiel, welches man im Duden unter dem Wort aufgeben fand. So schnell ließen wir uns nicht unterkriegen, da konnten mich persönlich noch so viele, schlaflose Nächte plagen. Irgendwann würden wir die Sache ganz sicher geschaukelt bekommen. Meine Hand wanderte in der Zwischenzeit von seiner Brust rauf zu seinem Gesicht, um dort wieder einmal liebevoll über seine Wange und seine Tattoos zu streichen, während ich ihn abwartend ansah. Sollte der Jetlag doch früher einsetzen als erwartet, wäre ich im Übrigen auch absolut zufrieden, wenn wir uns für den heutigen Tag etwas bestellen würden und die Besorgungen um einen Tag aufschoben. Wie gesagt, wurden wir hier, anders als in Norwegen, schließlich nicht gesucht und konnten so vorerst noch die Vorteile eines normalen, nicht kriminellen Bürgers genießen. Und solange Hunters Geschäfte noch nicht liefen, hatten wir dazu auch alle Zeit der Welt.
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So ging es heute wohl ausnahmsweise mal jedem von uns. Cosma war ohnehin dafür bekannt, dass ihr Körper sie abends hin und wieder mal ziemlich plötzlich in den Schlaf dahin raffte, wo hingegen ich schon öfter mal etwas länger zum einschlafen brauchte. Aber Jetlags waren tückisch und so hatte ich nicht wirklich Zweifel daran, dass mich im Laufe des Nachmittags auch sowas wie plötzliche Schläfrigkeit einholen könnte. Für den Rest der Besatzung galt vermutlich das selbe, wäre jedenfalls nur logisch. Also sollten wir wohl entweder los bevor dieses Gefühl einsetzte oder falls es doch zu plötzlich kam, einfach eine Stunde schlafen. Aber falls wir heute noch aktiv Etwas schaffen wollten, dann mussten wir vermutlich zeitnah irgendwann damit loslegen, damit es nicht zu spät war. Die Reihenfolge, die Cosma im Folgenden dann ansprach, nickte ich so auch ohne zu zögern ab. Machte in dieser Konstellation schlichtweg am meisten Sinn. "Ja, klingt nach 'nem Plan.", willigte ich auch wörtlich noch in diesen Vorschlag ein, weil ich absolut Nichts dagegen einzuwenden hatte. Erst ein bisschen umsehen, dann einkaufen und noch irgendwo was zu Essen einsacken, damit wir heute sonst nicht mehr Arbeit als notwendig hatten. Aber das schien noch gar nicht Alles zu sein, was die Rothaarige loswerden wollte. Stattdessen eröffnete sie mir noch, dass sie meine Aufmerksamkeit heute augenscheinlich ganz besonders notwendig hatte und das wiederum ließ mich gleich ein wenig breiter vor mich hin lächeln. Zum einen, weil Cosmas' einfach ansteckend war und zum Anderen, weil ihre Worte in meiner Brust einfach eine angenehme Wärme auslösten. Zwar hatte sie allgemein inzwischen wirklich ein Talent dafür mir das Gefühl zu geben einfach mal willkommen zu sein, aber solche Worte waren dann doch eine Seltenheit. "Da kann ich dich beruhigen... heute wirst du mich ganz bestimmt nicht mehr los.", grinste ich lediglich zu ihr hoch was der Wahrheit entsprach, bevor ich meine Hand hob und sie in ihren Nacken legte. Sie dort mit leichtem Druck dazu bewegte sich meinen Lippen wieder etwas mehr mit den ihren zu nähern, während ich mich ihr ebenfalls ein wenig entgegen streckte, um sie in den nächsten Kuss zu verwickeln. Dieses Mal fiel er ein wenig kürzer aus, aber mein ausnahmsweise mal tiefenentspannter Blick lag im Anschluss gleich wieder in ihrem. "Ich wollte dich vorhin am Flieger auch gar nicht so anschnauzen... war nicht okay, du hattest damit ja Nichts zu tun.", murmelte ich ein paar Worte zu der zierlichen, jungen Frau hoch, während ich ihr eine durch das nach unten beugen lose gewordene Strähne aus dem Gesicht und damit zurück hinters Ohr strich. Inzwischen fiel es mir nicht mehr sonderlich schwer, mich Cosma gegenüber zu entschuldigen, solange es eher nur mit indirekten Worten ausgedrückt war. Bei allen anderen Leuten hütete ich mich weiter tunlichst davor sowas wie Entschuldigungen auszupacken, aber bei der Rothaarigen... keine Ahnung, es ging mir einfach leichter von den Lippen als noch vor einigen Wochen. Zumindest eben dann, wenn ich es einsah, dass etwas nicht okay gewesen war, was an diesem Punkt hier der Fall war. Es würde sicher noch öfter vorkommen, dass meine Freundin die Wut abbekam, die eigentlich jemand Anderem gebührte, aber ich musste die Sache mit Vahagn und Tauren am Flugplatz ja trotzdem jetzt nicht einfach so stehen lassen. Ich wollte mich lieber immer mehr daran gewöhnen solche Unstimmigkeiten gänzlich beizulegen, damit es so wenig negative Spannung in unserer Beziehung gab wie nur irgendwie möglich. Nachdem ich ihr noch einmal sachte über die Wange gestrichen hatte, ließ ich den Arm jedoch langsam wieder sinken und drehte mich stattdessen ebenfalls auf die Seite, um sie besser ansehen zu können. Im Liegen den Arm nach oben strecken war immer ungünstig, da spielte die Durchblutung früher oder später nicht mehr mit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sehr schön. In der Hinsicht schienen wir uns also einig zu sein und der Plan für den Rest des Tages stand somit fest. "Gut... also, sowohl was unseren Plan angeht, als auch, dass ich dich heute so schnell nicht mehr loswerde.", bewertete ich Hunters Aussagen mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen, kurz bevor diese in einen kurzen, dafür umso innigeren Kuss verwickelt wurden. Ich erwiderte jenen recht gefühlvoll und fand es schade, dass er anders als manch anderer unserer Küsse nicht ganz so lange angehalten hatte. Der Amerikaner brauchte seinen Mund offensichtlich noch zu anderen Zwecken, wir mir wenige Sekunden später klar werden sollte, also war es ihm an dieser Stelle verziehen. Das Thema, welches er an schnitt gefiel mir zwar nicht besonders gut, aber sollte es mir zu bunt werden, konnte ich ja immer noch genervt mit den Augen rollen und gehen - so war's ja nicht. Hunter kam nämlich noch einmal auf die Situation zu sprechen, in der er sich mir gegenüber wirklich im Ton vergriffen hatte. Schließlich war es nicht meine Intention gewesen, ihm irgendetwas Böses zu wollen, hatte ich doch lediglich versucht, ihm seine schlechte Laune auszutreiben - das war in meinen Augen aber kein triftiger Grund, mich so anzuranzen, wie er es in der Situation getan hatte. Und das schien er nach der Autofahrt und den paar Minuten, in denen wir hier gekuschelt hatten, endlich eingesehen zu haben. Ich nickte auf seine Worte hin nur leicht und seufzte. "Schon okay. Wird aber wohl noch das ein oder andere Mal vorkommen, so wie ich dich kenne und ich werde jedes Mal mindestens genau so schlecht gelaunt darauf reagieren. Man gewöhnt sich, denke ich, irgendwann daran.", erwiderte ich vielleicht ein bisschen zu vorwurfsvoll seinem Handeln gegenüber und unterstrich unsere beider Inkompetenz, einer Konfliktsituation von vorn herein zu umgehen mit einem erneuten Schulterzucken. Zwar sollten wir beide grundsätzlich daran arbeiten, uns in einer solchen Situation angemessen zu verhalten, anstatt das Gekeife des jeweils anderen einfach so hinzunehmen, aber das käme dann ganz sicher im nächsten Schritt. Nämlich wenn wir irgendwann feststellten, dass die darauffolgende dicke Luft irgendwie nervte. Also so richtig nervte, nicht mehr nur für eine halbe bis dreiviertel Stunde, wie es heute der Fall gewesen war. Mittlerweile sah ich für die Zukunft mit Hunter und mir eigentlich gar nicht mehr so schwarz, wusste aber, dass die erste Euphorie des Verliebtseins irgendwann verflogen sein würde und dann konnte es sicherlich wieder witziger werden - nicht. Klar, wusste man dann bereits, womit man einen Streit provozieren oder auch umgehen, die ganze Sache beilegen konnte, aber wenn es einen nicht mehr derart schmerzte, mal für fünf Minuten keine Aufmerksamkeit des Partners zu bekommen, waren längere, ausgiebigere Streits schon vorprogrammiert. Aber heute wollte ich noch nicht so weit denken, sondern mich stattdessen glücklich schätzen, dass die aktuelle Situation nun mal war, wie sie war und für alles, was in der Zukunft lag, würde noch später genug Zeit sein. Jetzt ließ ich erst einmal bereitwillig die Streicheleinheiten und die liebevollen Küsse, seine Nähe und die raue Stimme über mich ergehen, bis ich für mich beschloss, dass es Zeit wurde, aufzustehen. Ich wusste nicht genau, ob das bereits erste Anzeichen eines Jetlags waren oder mich Betten auf kurz oder lang generell müde werden ließen, aber ich lief Gefahr, einzuschlafen, wenn ich mich jetzt nicht bewegte. Da half auch das bisschen Herumdrehen nicht viel, nachdem ich meinen Kopf wieder an Hunters Schulter gebettet hatte, weil der Arm nach einigen Minuten in der von mir eingenommenen Position angefangen hatte weh zu tun. Ich richtete mich also schließlich in eine sitzende Position auf, um erneut zu Hunter nach unten zu gucken. Dabei blieb das Lächeln nach wie vor bestehen, als ich ihn leise fragte: "Wollen wir langsam?" und ihm dabei zärtlich mit der Hand über den Arm strich.
~ le sprung vong zeit. ~
Es war gar nicht in Worte zu fassen, wie sehr ich mich freute, als mir aus dem Cockpit die Information gegeben wurde, dass wir zeitnah auf italienischem Boden landen würden. Die letzten Tage waren einfach derart stressig, der Flug nach Norwegen und weiter nach Kuba sowas von langwierig gewesen, dass ich mich auf eine ausgiebige Pause wirklich freute. Tauren hatte mir zum Teil vor Augen geführt, wie eng getaktet mein Leben eigentlich war und mir damit gezeigt, dass es gesünder war, hier und da einfach mal einen kurzen Break zu machen. Sich für ein paar Stunden in aller Ruhe zurückzuziehen, die Füße ins Wasser zu stecken und die Seele einfach baumeln zu lassen, damit man für die darauffolgende Arbeit Kraft getankt hatte. Und genau das hatte ich auch vor, sobald Palermo mich wieder hatte, was laut Aussage von Holovanov maximal noch zehn Minuten dauern sollte. Unterstrichen wurden seine Worte von der Bitte des Co-Piloten, die Gurte anzulegen und der darauffolgende Sinkflug. Dieser verlief allerdings nicht so ruhig, wie er das normalerweise tat. Im ersten Augenblick war es schwer, die merkwürdigen Geräusche - eine Art Rasseln - ihrer Herkunft zuzuordnen, aber ein Blick aus dem Fenster verriet mir etwas, dass ich aus der Luft wirklich ungerne sah. Unweit unserer jetzigen Standorts befand sich eigentlich ein Hangar. Na ja... und der stand da vermutlich immer noch - zumindest die Stahlträger, welche einen deutlich höheren Schmelzpunkt hatten, als ein gewöhnliches Feuer erreichen konnte -, nur waren bis auf Flammen von hier oben nichts weiter zu sehen. Ich hätte ja gerne noch einen Moment länger auf mein brennendes Bürogebäude gestarrt, aber es tat plötzlich einen Schlag, der meine volle Aufmerksamkeit auf sich zog. Je näher wir dem Boden kamen - und so langsam wirkte die Landung nicht mehr sehr koordiniert -, erkannte ich, dass eine ganze Menge unzufriedener Italiener mit Waffen die Maschine beschossen, die mit Mühe und Not gerade noch rechtzeitig auf dem Boden aufsetzte, bevor das Triebwerk auf der gegenüberliegenden Seite Feuer fing und aller Wahrscheinlichkeit nach damit ihren Dienst quittiert hatte. Die kleinere, eher unscheinbar wirkende Explosion hätte uns gerade im noch nicht abgeschlossenem Landeanflug ziemlich alt aussehen lassen und ich war froh, dass der Pilot ganz offensichtlich noch von keiner der unzähligen Kugeln getroffen worden war und den Vogel somit den Umständen entsprechend sicher gelandet hatte. Als die Triebwerke abgeschaltet waren, löste ich den Gurt und begab mich noch im Flugzeug in die Hocke, um nicht direkt durch eines der Fenster von einem der Pastafresser erwischt zu werden. Mhm. So hätte das Ganze eigentlich nicht laufen sollen, war ich doch der Meinung gewesen, dass ich in Norwegen eigentlich ordentlich aufgeräumt hatte. Stets darauf bedacht gewesen war, dass diejenigen, mit denen ich in Kontakt geraten war, auch ja nicht schwatzen gehen konnten und scheinbar hatte es doch Anzeichen gegeben, an denen der Clan festgestellt hatte, dass ich im Norden an der Ausrottung der Italiener beteiligt gewesen war. Aber warum folgte die Resonanz darauf erst so spät? Immerhin war ich schon eine Woche lang wieder in Italien gewesen und erst jetzt standen unzählige Italiener meinen Männern und mir gegenüber? Musste ich nicht verstehen, wollte ich aber auch gar nicht. Das Einzige, was ich in der Situation gerade begrüßen würde war, hier irgendwie lebend raus zu kommen. Die Chancen standen dahingehend nur ziemlich schlecht, wir mir klar wurde, denn die reguläre Eingangstür konnten wir wohl nicht benutzen. Da hätten wir uns genau so gut auch direkt selbst die Kugel verpassen können. Also musste ein anderer Plan her und dieser führte uns geradewegs in den Laderaum der Maschine. Dayle, einer meiner jüngsten Rekruten, den ich ebenfalls in den Großauftrag mit eingebunden hatte, ging voraus und führte uns in geduckter Haltung geradewegs ans andere Ende des Flugzeuges, wo es irgendwann nur noch mit dem Schlüssel des Personals weiter ging. Hinter der Tür lag nämlich eine Wendeltreppe, die einen von der Ebene der Passagiere aus in den Laderaum hinab klettern ließ. Dieser war, seitdem das Gepäck der Norweger auf Kuba ausgeräumt worden war, komplett leer, was ich bei folgendem Manöver absolut nicht begrüßte. Da sich mit dem Arm immer noch kein Maschinengewehr halten ließ, konnte ich lediglich auf meine Handfeuerwaffe zurück greifen und musste dem Rest meiner Männer wohl Vortritt lassen, als Holovanov und Dayle sich untereinander absprachen, die Laderampe jeden Moment herunter zu lassen, um aus dem Inneren des Flugzeugs vorrückend in den Kampf zu starten. Glücklicherweise waren wir nicht alleine und bekamen zeitnah Rückendeckung von meinen - oder auch nicht meinen? - restlichen Männern, wobei mir ein erster Blick aufs Schlachtfeld ausreichte, um frustriert feststellen zu müssen, dass sie ganz offensichtlich überrascht worden waren. Anders konnte ich mir die unzähligen leblosen Körper, durchsiebt von Kugeln, auf dem Boden nicht erklären. In den darauffolgenden zwanzig Minuten sollte ich schließlich eine Lektion fürs Leben lernen. Es war eine absolut bescheuerte Idee, davon auszugehen, dass man in das Land zurückkehren konnte, in der eine Mafia reagierte, dessen Leute man woanders niedergemäht hatte, ohne damit zu rechnen, dass das Echo nicht lange auf sich warten lassen würde. Ja, das wusste ich jetzt und musste vollkommen erschöpft feststellen, dass sich das Leben in Italien damit für mich erledigt hatte. Ich die Strände Palermos wohl nie wieder sehen würde, weil für mich absolut keine Chance mehr auf ein friedliches Leben hier bestand. Zu sagen, dass es mir absolut miserabel ging, als ich aus der Bewusstlosigkeit irgendwo über den Wolken aufwachte, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Ich brauchte eine verdammt lange Zeit, vielleicht an die dreißig Minuten, bis ich endlich zu mir gekommen war und anfing, zu verstehen, was da um mich herum eigentlich gerade passierte. Über mir spendete eine ziemlich helle Leuchte ausreichend Licht für einen Arzt, der augenscheinlich damit beschäftigt war, mir die ein oder andere Kugel aus dem Arm und dem Oberkörper zu operieren, sowie den ein oder anderen Streifschuss am Bein zuzunähen und ich wollte mir zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht ausmalen, welche Schmerzen auf mich zukommen würden, sollte das Morphin erst einmal nachlassen. Dann... im nächsten Augenblick versuchte ich die Geschehnisse zu rekonstruieren und nachzuvollziehen, wie ich hier in den Flieger gekommen war. Diese Antwort sollte sich mir wohl als erstes offenbaren, als mir eine tiefschwarze Mähne ins verschwommene Blickfeld huschte und mich strahlend blaue Augen mit einem "Guten Morgen, Schwesterherz.", begrüßten. Unweigerlich verspürte ich das Gefühl, mit den Augen rollen zu müssen, aber um mit dieser Geste auf Iljahs gewohnt nervigen Tonfall zu reagieren, fehlte mir im Moment jedoch die Kraft, weshalb ich einfach nur ein leises Seufzen verlauten ließ. Zu mehr war ich ohnehin nicht imstande, waren meine Arme und Beine förmlich gelähmt, nur die Hand ließ sich sehr langsam und auch nur wenig bewegen. Aus der Präsenz meines Bruders erschloss sich mir jetzt zwar immer noch nicht ganz, wie ich aus dem Kugelhagel letztlich hier in dieses Flugzeug gekommen war und wer von meinen Leuten noch alles überlebt hatte, aber grundlegend war mir das auch erst mal egal. Was das Denken anging, war ich momentan sowieso nicht auf der Höhe, selbst wenn ich es mir fest vornehmen würde, kam da nichts weiter, als Bullshit bei rum. Außerdem nervte mein Bruder mich von der Seite, seitdem ich die Augen aufgeschlagen hatte und postwendend wünschte ich mir, dass der Doktor - wer war das eigentlich und wo kam er so plötzlich her? - die Dosis des Morphiums noch einen Ticken erhöhte, damit ich wieder in eine vollkommene Bewusstlosigkeit abdriftete. "Also... meine Liebe. Ich wusste ja, dass du seit länger Zeit wieder einmal nach Russland kommen wolltest, aber...", flötete Iljah überdurchschnittlich gut gelaunt in mein Ohr, was mich schließlich schwach mit der Hand zucken ließ. Durch die Medikamente wirkten meine Bewegungen ziemlich unkoordiniert, aber er deutete das Zeichen richtig und hielt für einen kurzen Moment die Klappe. "Kuba...", krächzte ich und schnitt dem jungen Russen damit das Wort ab. Dabei deutete mit einer Hand auf meine Hosentasche, in der ich die Nummer von Tauren mit mir herum schleppte. "Ich... will... kein Russland. Nein.", setzte ich mit ein paar Worten fort, dass ich lieber bei der Schießerei ums Leben gekommen wäre, als aktuell nach Russland zu reisen. Ich wusste, wo das hingeführt hätte und unter einem Dach zu wohnen, mit Iljah und ... ihm. Nein, nicht, wenn ich nicht bei bester Gesundheit war. Auf gar keinen Fall. Zwar wusste ich auch nicht genau, wie Tauren mir da jetzt weiter helfen sollte, aber er war momentan der Einzige, an den ich aktuell denken konnte und er hatte schließlich gesagt, dass er für mich da wäre, oder? Ich hatte nicht geglaubt, dass ich so schnell auf sein Angebot zurückkommen würde, aber es war allemal ein Versuch wert, ehe mein Bruder mich mit zu sich nach Hause nahm. "Kuba?", fragte jener verwundert und zischte wenig später etwas in Richtung einer Krankenschwester. Zumindest machte sie mir einen solchen Eindruck, denn als ich meinen mittlerweile wieder klareren Blick von dem jungen Mann neben der Liege abwandte, konnte ich sehen, wie das Mädchen an einem Verband bastelte. Vermutlich hatte auch er etwas abbekommen. Jedoch nicht ansatzweise so viel wie ich, denn er konnte noch mit bester Laune irgendwelche dummen Sprüche klopfen. "Lebt da dein neuer Freund? Ich wusste gar nicht, dass du mittlerweile eine Fernbeziehung führst. Aber ich informiere ihn natürlich gerne für dich und werde ihn bitten, dir schon mal das Bettchen herzurichten.", war alles, was ich zu hören bekam, kurz bevor mich eine Welle voll Schmerz überrollte und mich erstickt aufstöhnen ließ. Ich dachte erst, dass der Arzt ein Grobmotoriker war, aber dieser hatte seine Flossen längst wieder bei sich gehabt. In Wahrheit war es Iljah, der ungeachtet meiner unzähligen Schuss- und Schürfwunden - scheinbar war ich ziemlich unsanft auf dem Boden aufgeschlagen, nachdem mein Körper in den Selbstschutz übergegangen war hatte - ziemlich grob in meine Hosentasche langte, um den mit Blut beschmierten Zettel an sich zu nehmen. Wieder ein paar Worte auf russisch, aber mir fehlte die Kraft, sie verstehen zu wollen und somit ließ ich ihn einfach machen. Der plötzlichen Bewegung einer seiner Männer im Hintergrund nach zu urteilen, hatte er nach einem Telefon verlangt, in welches er kurz darauf die Nummer eintippte. "Ist das eine 7? Oder doch eine 5?", folgten fragende Worte und allmählich kochte die Wut in mir hoch. Ich hasste diese Seite an ihm. Dieses höhnische Verhalten, wenn es ihm besser ging als andere. Seine gespielt wohl wollende, taktlose Art, die sich hier und da einen Spaß erlaubte, wo absolut keiner angebracht war. Deswegen war ein leises, kaum hörbares "Fick dich, Iljah.", alles, was ich ihm noch an den Kopf warf, kurz bevor er sich lachend den Hörer ans Ohr drückte. Scheinbar versuchte er jetzt einfach eine Kombination nach der anderen. Ich betete in diesem Augenblick zum lieben Gott, dass er diesen Anruf einfach nicht verkacken würde. Dann fiel mir auf, dass ich selbst nicht so genau wusste, was ich mir von der Kontaktaufnahme jetzt eigentlich erhoffte. Dem Norweger ging es selber alles andere als gut und kennen taten wir uns auch kaum. Außerdem hatte er genug eigene Probleme, um die er sich kümmern musste - ob er da noch Zeit hatte, sich für mich aufzuopfern? Warum sollte er das überhaupt tun? Fragen, über Fragen, die ich mir einfach nicht beantworten konnte. Für mich zählte aktuell einfach nur, potenzielle Alternativen auszuschöpfen, bevor Russland es als absolut letzte Wahl dann doch werden würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Der erste Nachmittag im neuen Land verging nicht sonderlich spannend. Ich ließ mich mit Richard bei unserer neuen Unterkunft abladen und dann tat ich erstmal nichts weiter, als meine Sachen einzuräumen und mich im neuen Haus zurecht zu finden, mir Alles ganz genau anzusehen und einzuprägen. Wechselte hier und dort natürlich auch mal ein Wort mit meinem neuesten Mitbewohner - in meinem Kopf war der Gedanke daran, jetzt das erste Mal seit dem Ableben meines damaligen besten Freundes wieder einen offiziellen Mitbewohner zu haben, noch immer nicht ganz angekommen. Natürlich hatte ich die letzten Tage vor der Abreise mit Sabin, Sydney und Ashton zusammen gewohnt, aber das war irgendwie nicht das Gleiche. Da war das nur so eine Zwischenlösung gewesen. Natürlich hatte ich auch nicht vor jetzt den Rest meines Lebens mit dem dunkelhaarigen Kunstliebhaber hier im Haus zu verbringen, aber es würden doch sicher ein paar Wochen oder auch Monate sein. Je nachdem wie schnell nach meiner Genesung wieder klar war, wo ich als nächstes einzog. Zugegeben hatte ich nämlich absolut keine Lust dazu mich mit bei dem restlichen Pack von Hunters Schlägern einzunisten, weil das für mich langfristig gesehen sicher stressig wäre. Nicht für den Körper, sondern für den Kopf. Viele von ihnen waren mir einfach zu unentspannt und ich hatte keine Lust darauf mich jeden Tag wegen irgendwelcher Kleinigkeiten streiten zu müssen. Jedenfalls schaute Ashton mit einem Beifahrer nochmal am frühen Abend vorbei, um uns eine Ration für den Kühlschrank da zu lassen. Ich war beim reintragen der Lebensmittel leider absolut keine Hilfe, weshalb ich das Einräumen in den Kühlschrank und in die Vorratsschränke übernahm. Natürlich brauchte ich dafür locker doppelt so lange, wie es normalerweise der Fall war, aber ich mochte es schlichtweg nicht den anderen all die Arbeit zu überlassen. Außerdem war Richard immer noch so dauerhaft bedrückt, dass ich ihm das gerne abnehmen wollte. Er wirkte schon entspannter, seit wir aus dem Flugzeug raus waren, aber von dem alten Richard war trotzdem nicht viel zu sehen. Es fehlte seine aufgeweckte Art, die er augenscheinlich beim toten Agnolo im Hotel zurück gelassen hatte, was ihm andererseits aber kaum einer verübeln würde. Deshalb machte ich mir eine geistige Notiz damit ihn solange ich ohnehin noch ausfiel und demnach viel Zuhause war, ein wenig aufzuheitern und abzulenken. Es zumindest zu versuchen, ohne das Ganze dabei zu krampfhaft zu gestalten. Druck war schließlich das letzte, was der noch immer recht übel aussehende, junge Mann derzeit gebrauchen konnte. Ich nahm ihm das Zubereiten des schlichten Abendessens ab - ich entschied mich für eine wenig aufwendige Reispfanne -, mitunter auch um mich selbst weiter auf den Beinen zu halten. Mein Kreislauf war nach der langen Reise auch nicht so ganz fit, aber wir sollten beide was in den Magen kriegen und solange ich mich zwischendurch mal auf den Stuhl in der Küche setzte, um Bein und Arm zu entlasten, ging das schon. Umständlich, aber war möglich. Nach dem Abendessen, das wir uns vor dem Fernseher auf dem Sofa gönnten, wurde ich zunehmend müder. Zwar lieferte uns das Netflix-Abo, das ich schon vor gut einem Jahr abgeschlossen hatte, ein TV-Programm unserer Wahl, aber je länger wir da saßen und je weniger wir uns dabei unterhielten, desto öfter fielen mir die Augen zu. Gegen 21 Uhr beschloss ich die Sache mit dem Wachbleiben aufzugeben und trollte mich nach einem Gang ins Badezimmer in mein neues, eigenes Zimmer. Es war wirklich Gold wert jetzt wieder eigene vier Wände zu haben. Ashtons Sofa war zwar relativ bequem gewesen, aber die Privatsphäre war quasi nicht vorhanden gewesen. Auch war es natürlich viel ruhiger, weshalb ich kaum fünf Minuten brauchte um in den Schlaf abzudriften, sobald ich mich unter die Bettdecke verkrochen hatte. Ich genoss es wirklich mich jetzt wieder richtig ausstrecken und so hinlegen zu können, wie ich das wollte, ohne dass mir Arm oder Bein über die Kante hinaus hingen. Bis etwa vier Uhr schlief ich durch und danach wachte ich dann mehrfach auf. Um kurz nach Sechs gab ich es endgültig mit dem Schlafen auf, schleppte mich noch gähnend ins Badezimmer und duschte erst einmal in aller Seelenruhe. Stutzte mir auch den Bart danach noch ein wenig, wurde der Oberlippen- und Kinnbart doch einfach schon wieder zu lang. Danach brachte ich die etwas längeren Haare in Form und schlüpfte vom Handtuch etwas umständlich in die Klamotten. Entschied mich für simple, beigefarbene Stoffshorts und ein einfarbig weißes, lockeres Tanktop. War bequem so und es war für langärmlige Klamotten hier in Kuba auch einfach viel zu warm. Zwar hatte die Klimaanlage im Haus im Vergleich zu gestern schon ein paar Grad runtergekühlt, aber es blieb eben trotzdem warm, was ich im Grunde auch langsam aber sicher als angenehm empfand. Dann sah man meine Tattoos wenigstens auch mal. Im Anschluss ans Bad humpelte ich noch einmal zurück in mein Zimmer, um die Boxershort loszuwerden, die ich beim Schlafen angehabt hatte, ehe es mit der Krücke weiter in die Küche ging. Ein bisschen Kaffee war sicher nicht verkehrt, fühlte ich mich doch noch immer ein bisschen gerädert. Solange der Kaffee durchlief schmierte ich mir beiläufig ein Brot, um den wieder aufkommenden Hunger zu stillen. Sobald ich die Scheibe Brot verdrückt hatte und die Tasse Kaffee fertig war, humpelte ich damit über das Wohnzimmer hinweg auf die kleine Terrasse mit Vordach auf der Rückseite des Anwesens. Ließ mich auf einem der beiden Metallstühle fallen, der aber im Gegenzug ein angenehm weiches Sitzkissen hatte. Es vergingen wohl kaum zehn Minuten, in denen ich immer mal wieder vorsichtig an dem Heißgetränk nippte und mich einfach nur ganz entspannt lächelnd umsah, das leise Zwitschern irgendwelcher tropischen Vögeln genoss, bis mein Handy in der rechten Hosentasche zu klingeln begann. Ich stellte die Kaffeetasse auf dem kleinen, runden Metalltisch mit durchsichtiger Glasplatte vor mir ab, ehe ich das Smartphone aus der Hosentasche zog und ein paar Sekunden lang verwirrt aufs Display sah. Die neuen Handynummern der mir bekannten Leute, die durch die neuen kubanischen Simkarten angefallen waren, hatte ich längst in mein Handy eingetippt. Entweder hatte ich also irgendeine davon vergessen, oder aber es war wirklich jemand Unbekanntes am anderen Ende... oder eben Vahagn. Aber warum sollte sie sich umentscheiden und jetzt schon anrufen, wo sie doch vorher so deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass das eher erst in einigen Tagen passieren würde? Ich beschloss letztlich einfach ranzugehen und hob ab, bevor ich mir das Smartphone ans Ohr hielt und mich mit einem doch recht fragend und skeptisch klingenden "Hallo..?" meldete. Englisch, nicht Norwegisch. Unter Hunters Männern gab es hier und da nämlich auch ein paar wenige Deppen, die sich gekonnt geweigert hatten sich meine Muttersprache anzueignen, weil sie keine gebürtigen Norweger waren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es fiel mir zunehmend schwerer, die Augen weiterhin offen zu halten und ich vermutete, dass der Grund dafür der Doktor war, welcher aufgrund meines schmerzverzerrten Stöhnen als Reaktion auf Iljahs forschen Handgriffe tatsächlich die Dosis des Morphins erhöht hatte, um mich ein kleines bisschen weniger leiden zu lassen. Fand ich super, nur für den Moment war das ziemlich unvorteilhaft, weil ich gerne noch wissen wollte, was dieses blöde Arschloch, welches sich mein Bruder schimpfte, in den Hörer faseln würde. Ob er ausnahmsweise einmal ernst blieb oder mich in meiner jetzigen Situation nur noch weiter demütigen wollte, so wie er es sonst auch immer tat. Eine lange Zeit passierte allerdings erst einmal gar nichts und kurzzeitig beschlich mich die Angst, dass wir uns aktuell über dem Wasser befanden, wo Handyempfang ziemlich ausgeschlossen war, aber plötzlich drang die Stimme des Russen wieder an mein Ohr und ich erwischte mich dabei, wie ich erleichtert die angehaltene Luft ausatmete. Dafür folgte direkt eine Quittung in Form eines leichten Schwindelanfalls, war es aufgrund des gegebenen Anlasses keine besonders gute Idee, bewusst auf Sauerstoff zu verzichten. Aber das Gefühl verzog sich Gott sei Dank schnell wieder von alleine und so galt meine Aufmerksamkeit bald gänzlich dem Gespräch. "Hi!", flötete Iljah gut gelaunt darauf los und ich konnte bereits an seinem Tonfall erahnen, dass im Folgenden nichts Gutes bei dem Gespräch rum kommen würde. "Ich rufe an für meine kleine Schwester, die schwer verletzt und mit Liebeskummer nach dir verlangt hat..." - dafür kassierte er sogleich einen ziemlich unkoordinierten, mir die letzten Kräfte raubenden Schlag mit meiner Hand gegen seinen Unterarm. "Aua! Okay, okay. Es scheint ihr wohl aber noch gut genug zu gehen, dass sie mich misshandeln kann, ich reich' dich einfach mal weiter. Warte einen Moment!" Gott, dieser Mann war mir zeitweise so peinlich, das war schon nicht mehr in Worte zu fassen. Mein Bruder hielt mir mit einem breiten, ziemlich süffisanten Grinsen das Telefon ans Ohr, während ich ihn mit einem sichtlich angepissten Blick förmlich durchbohrte. Er nickte vielsagend in Richtung des Telefons und wollte mir damit wohl zu verstehen geben, dass ich langsam anfangen sollte, zu reden, damit Tauren sich am anderen Ende der Leitung nicht verarscht vorkam und vorzeitig wieder auflegte. Ausnahmsweise also mal ein begründeter Einwand, der mich meine aufkommende Wut herunterschlucken ließ. "Tauren?", krächzte ich also in den Hörer und verfluchte Iljah gleich ein weiteres Mal, dass er mir nicht einmal jetzt so wirklich unter die Arme greifen wollte, wo er doch sah, wie dreckig es mir ging. "Ich... du hast gesagt... ich könnte deine Hilfe gebrauchen.", setzte ich mehrmals zu einem neuen Satz an, bevor ich schließlich ein paar Worte fand, die mir nicht sehr leicht über die Lippen gingen, aber absolut und nichts als der Wahrheit entsprachen. Das war aber tatsächlich auch schon alles, was man von mir zu hören bekam, denn ich konnte wirklich nicht mehr. Meine Stimme war so dünn, dass ich mich selbst durch die Geräusche der Triebwerke nicht mehr hören konnte und endlich sah der junge Mann an meiner Seite ein, dass ich hier ohne ernst gemeinte Unterstützung keinen Meter weiter kommen würde, also hielt Iljah sich das Handy kurzerhand wieder selbst ans Ohr und von der fröhlichen, gut gelaunten Stimme war nichts mehr zu hören. "Okay, Spaß beiseite. Tauren, richtig? Mein Name ist Iljah und ich bin der Bruder von Vahagn. Meine Schwester hat mich gebeten, dich anzurufen. Vor welchem Hintergrund genau, weiß ich nicht, aber es scheint, als würde sie lieber zu dir nach Kuba fliegen wollen, als mit mir nach Russland zu kommen. Wir befinden uns momentan über Deutschland und so langsam müsste ich unseren Pilot wissen lassen, wohin er nun fliegen soll. Es hat in Italien ein paar... Komplikationen gegeben und weil Vahagn schwer verletzt ist, bräuchte sie tatkräftige Unterstützung, wenn du ein Plätzchen für sie hast.", erklärte er dem Norweger kurz und bündig, dazu in einem absolut perfekten Englisch - internationale Geschäfte erforderten nun mal verhandlungssichere Englischkenntnisse -, was vorgefallen war und welche Resultate daraus entstanden waren. Dass ich eben nicht einfach alleine auf einer Krücke davon humpeln konnte und ich deshalb quasi eine rundum Betreuung brauchen würde. Zwar hatten die Beine im Verhältnis wenig abbekommen, aber dafür war der Oberkörper und vor allem die Arme ziemlich start in Mitleidenschaft gezogen worden, weshalb es mir definitiv nicht möglich war, eine Gehhilfe zu führen. Unter diesen Umständen wäre es vielleicht doch besser gewesen, niemand anderes als meinem Bruder zur Last zu fallen, aber selbst für das leichte Zucken mit der Hand war mittlerweile keine Kraft mehr da, also blieb mir nichts anderes übrig, als ihn einfach weiterreden zu lassen. Vielleicht lehnte der Gesprächspartner das Hilfeersuchen ja auch einfach ab, dann wäre die Sache ohnehin geklärt. Es brauchte zwar eine verdammt lange Zeit, in der ich am Rande der Bewusstlosigkeit stand, bis der verkorkste Russe endlich einsah, dass die Sache nicht mehr zum Lachen war, aber immerhin kümmerte er sich dann ausgiebig um die Findung einer Lösung. Er konnte nur leider nicht wissen, dass der Norweger genug eigene Probleme hatte, um die er sich eigentlich kümmern müsste, aber grundlegend konnte ihm das ja auch erstmal egal sein. Wichtig für ihn war nur, endlich zu wissen, wo er mich abladen sollte. Und ich war mir sicher, dass es dafür absolut nicht relevant war, wann, wie und wo der Norweger und ich uns kennen gelernt hatten, was da zwischen uns lief und weshalb ich jetzt lieber Tauren um mich herum hätte, als den kläglichen Rest meiner Familie. Diese Fragen kamen dann hoffentlich erst, wenn ich wieder dazu in der Lage war, mit ihm ein Gespräch zu führen, ohne nach zwei Minuten schon aus der Puste zu sein.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Erst einmal war mir die Stimme, die dann an meine Ohren drang, absolut nicht bekannt. Noch dazu schien mir das Ganze angesichts der humorvollen Betonung eher wie ein schlechter Telefonstreich zu klingen, als dass die Worte wirklich ernst gemeint sein konnten. Beides in Kombination ließ mir prompt die rechte Augenbraue nach oben wandern, weil ich mir noch nicht recht erklären konnte, was der ganze Spuk zu bedeuten hatte. Es dauerte also einen kleinen Moment - und damit die kurzzeitige Unterbrechung des Mannes am anderen Ende des Telefons -, bis ich die Puzzleteile langsam richtig in meinem Schädel zusammen gesetzt bekam und just in dem Moment, in dem es bei mir Klick machte, hörte ich die Stimme der mir nur allzu bekannten Brünette an meinem Ohr. Ich hatte bis hier hin noch gar nichts gesagt, sondern mir einfach nur angehört, was ihr Bruder mir zu sagen gehabt hatte, woraus sich noch nicht so viel hatte schließen lassen. Wider Erwarten klang Vahagn auch so gar nicht wie sonst. Schien die paar wenigen Worte, die sie stockend an mich weitergab, nur mit Ach und Krach über die Lippen zu bringen. Sie war verdammt leise und ich verstand sie auch nicht besonders gut, aber der brüchige Tonfall führte dazu, dass ich mich etwas mehr aufsetzte und von hier an aktiv zuhören wollte. Ihre kaum hörbare Stimme unterstrich nämlich sehr deutlich, dass an der Geschichte mit ihren Verletzungen eindeutig etwas dran sein musste - an dem Liebeskummer zweifelte ich jedoch stark. Ich war noch ziemlich perplex von Alledem, was mir hier zu Ohren kam und es breitete sich eine innere Unruhe in mir aus, als es am anderen Ende der Leitung wiederholt kurz still wurde. Danach drang mir wieder Iljah ans Ohr, der die Sache ab diesem Punkt auch ein wenig ernster zu meinen schien. Ich hatte allerdings nicht vor, ihn irgendwie in Kenntnis darüber zu setzen, weshalb und warum Vahagn sich nun ausgerechnet an mich wendete. Wenn er so schräg war, wie seine Schwester behauptet hatte - er bestätigte das mit seinem taktlosen Gerede zuvor ja auch recht eindeutig -, dann sparte ich mir das gerne auf, bis es unumgänglich war. Brauchte ihn nicht zu kennen oder ihn mich kennen zu lassen, bis es unabdingbar war. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und ich bekam sie nur schwer sortiert, weshalb ich wohl noch weitere zehn Sekunden schwieg, nachdem Iljah Vahagns Anliegen fertig an mich weiter getragen hatte. Ich konnte das nämlich schlichtweg nur bis zu einem gewissen Maß selbst entscheiden, weshalb ich letztlich schwer seufzte und kurz darauf zum Reden ansetzte. "Ja, das... ich hab Platz. Bring sie ruhig her...", aha. Ich hatte bis hier hin weder Richard um sein Einverständnis gebeten, noch Hunter danach gefragt, ob das für ihn und seine geschäftliche, sehr sensible Ader okay war. Aber klar, bring sie ruhig her, Iljah. "...selbe Landebahn? Und Ankunftszeit?", schob ich ein paar Sekunden später noch zwei Fragen hinten an, damit ich den Fahrdienst mitsamt meiner Person nicht unnötig zur falschen Zeit an die falsche Adresse schickte, es da keine Missverständnisse gab. Hunter würde mich mindestens gedanklich schon wieder köpfen, Richard würde mich vermutlich angepisst anfauchen oder sich beleidigt in die hinterste Ecke des Bungalows verziehen. Scheinbar war Vahagns Anwesenheit - und wenn sie nur aus Not das Krankenbett bezog - mir beides davon absolut wert. Anders konnte ich mir das durchweg naive einwilligen in eine Frage, die ich eigentlich nicht allein beantworten konnte, zumindest nicht erklären.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte in meinen Augen schon viel zu lange, als dass Tauren der ganzen Sache noch zustimmen würde und gedanklich schloss ich mit einer möglichen Reise nach Kuba schon ab, als Iljah wider Erwarten zufrieden nickte. Ich sah die schwarze Mähne leider nur noch ziemlich verschwommen vor meinem Gesicht auf und ab wippen, aber die darauffolgenden Worte sollten mich ausreichend darüber in Kenntnis setzen, dass sich der Norweger scheinbar doch dazu hatte überreden lassen, sich mir anzunehmen. "Vahagn war schon mal auf Kuba?", fragte der Russe verwundert, schüttelte dann aber schwach mit dem Kopf. "Wie auch immer. Ja, ich frage sie nach der Landebahn und werde sie dann dort absetzen. Ankommen werden wir voraussichtlich... mhm, lass mich kurz nachfragen.", hörte ich mittlerweile in weiter Ferne, dass Iljah Tauren entschuldigend darum bat, kurz in der Leitung zu bleiben, während er den Zeitunterschied checkte und im Kopf die entsprechende Uhrzeit ausrechnete. Mir wurde zunehmend schwarz vor Augen und lange würde ich es nicht mehr schaffen, die flatternden Lider geöffnet zu halten, denn das Morphin schien mich mittlerweile fest in seinen Bann ziehen zu wollen. Jetzt, wo ich wusste, dass es wohl doch nicht nach Russland ging, ich der Hölle gerade noch einmal entkommen war, sollte mir das nur Recht sein. Kraft zu tanken wäre sicherlich nicht die schlechteste Idee in diesem Moment. Gerade, als ich mich dem Bedürfnis nach einer Mütze voll Schlaf hingeben wollte, drang erneut die Stimme meines Bruder an mein Ohr und hielt mich damit noch einen Augenblick lang wach. Iljah war zwischenzeitlich aufgestanden und ins Cockpit gelaufen, vermutlich, um sich die ungefähre Flugzeit bis nach Kuba durchgeben zu lassen, was mich noch einmal in der Annahme bestätigte, dass er ganz offensichtlich nicht viel mit der Schießerei am Hut gehabt hatte. Oder er hatte sich ganz bewusst zurück gehalten, als er dazu gestoßen war, aber das wollte ich ihm jetzt nicht unterstellen. Ich war einfach froh, dass er mich scheinbar aufgelesen hatte und ich ihm daher mein Leben verdankte. Alles andere war erst einmal nebensächlich, wenn man mich fragte. Wie bereits erwähnt, würden wir uns ohnehin noch einmal unterhalten, sobald ich wieder etwas fitter war, da hatte ich dann noch ausreichend Möglichkeiten, ihn nach dem genauen Ablauf der ganzen Geschichte zu fragen. Ich konnte mich persönlich nämlich an nicht mehr sonderlich viel erinnern. Meine Erinnerung war ab dem Zeitpunkt, an dem wir das demolierte Flugzeug verlassen hatten, nur noch sehr vage, kaum noch vorhanden. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der junge Mann wieder neben mir Platz nahm und mit der Hand des bandagierten Armes durch meine Haare strich. "Wir sollten circa gegen 2 Uhr nachts kubanischer Zeit landen.", setzte der Schwarzhaarige zu einer Antwort an, aus der sich die Fragestellung einwandfrei hatte heraushören lassen. Tauren meinte es also wirklich ernst, schien sich tatsächlich Gedanken zu machen und Iljah erkundigte sich wie bereits vorhergesagt kurzzeitig nach der vom Norweger vorgeschlagenen Landebahn, dessen Koordinaten ich ihm mit brüchiger Stimme zukommen ließ, was mich angesichts des Kraftaufwands letzten Endes erschöpft die Augen schließen und mich in einen halbwegs erholsamen, traumlosen Schlaf abdriften ließ. Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass mein Bruder mich ohne weiteres auch tatsächlich in Kuba ablieferte. Nicht, dass er das ganze nur als Vorwand nutzte, damit ich endlich einschlafen und keine Fragen mehr stellen konnte. Wäre ziemlich blöd, angesichts der Tatsache, dass ich in keinster Weise für ein Leben unter seinem Dach gewappnet war, aber was er letztlich davon hielt. Tja, das würde ich wohl erst erfahren, wenn ich die Augen wieder aufschlug. Entweder empfing mich die warme Nachtluft in Kuba oder aber der eisige Wind in Moskau.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es wunderte mich ein wenig, dass Vahagns Bruder wohl nicht über alle ihre Unternehmungen Bescheid wusste. Andererseits wunderte es mich aber doch wieder nicht, weil die Brünette ja allgemein eine sehr unabhängige Frau war und sich vermutlich nirgends von Iljah reinpfuschen lassen wollen würde. Aber war auch nicht weiter wichtig, weil letzterer sich zum Glück nicht unnötig an dem Thema aufhängen wollte, sondern beschloss sich nach der ungefähren Ankunftszeit zu erkundigen und ich nickte nur ein wenig, bevor ich mit einem "Okay.", bestätigte, dass ich kurz in der Leitung bleiben würde. Allzu lange dauerte es nicht, bis ich dann auch dahingehend noch eine entsprechende Information bekam und zugegeben war das eine denkbar ungünstige Uhrzeit. Immerhin war unser aller Schlafrhythmus hier drüben noch reichlich verwirrt und so wie ich das bisher einschätzte würde ich vor ihrer Ankunft sehr sicher nochmal ein oder zwei Stunden schlafen müssen. "Ich werd' da sein.", bestätigte ich zum Ende des Telefonats noch, dass ich verstanden hatte und entsprechend aufkreuzen würde, bevor ich mich knapp verabschiedete. Nach dem Auflegen starrte ich sicher noch zwei weitere Minuten lang auf das Display meines Smartphones, weil irgendwie immer noch nicht so ganz bei mir angekommen war, was hier gerade passiert war. Ich schob das zum einen auf die noch anhaltende Müdigkeit und zum anderen auf die allgemein merkwürdigen Umstände zwischen Vahagn und mir, ehe ich leicht den Kopf schüttelte und das Handy kurz ablegte, um stattdessen den Rest aus der Kaffeetasse zu exen. Gleich darauf stellte ich besagtes Gefäß wieder ab und griff erneut nach dem Telefon, um mich bei Hunter zu melden. Nicht ohne die gewisse Nervosität, versteht sich. Es dauerte eine kleine Weile, bis der Amerikaner schließlich abhob und der Grund dafür war scheinbar, dass ich ihn aufgeweckt hatte. Er klang reichlich verpennt und absolut nicht so, als stünde ihm der Sinn gerade nach einem Gespräch dieser Art, aber es half ja nichts. Andererseits schien mir seine Müdigkeit unabhängig seiner entsprechenden Laune auch eher entgegen zu kommen - er war zwar hörbar angepisst darüber, dass ich das einfach mal eben so über seinen Kopf hinweg entschieden hatte, willigte aber ein Ashton das Go zu geben. Womöglich kam mir auch zu Gute, dass seine Männer ebenso wenig wie er momentan Arbeit zu verrichten hatten und demnach auch Zeit für solche Sonderwünsche war. Natürlich ließ Hunter mich noch wissen, dass ich die entstehenden Spritkosten aus meiner Tasche bezahlen und er sich einen Scheiß um die Russin und ihre Genesung scheren würde, aber das war gerade auch wirklich gar kein Thema für mich. Nicht relevant, also willigte ich dahingehend sofort ein und dankte ihm noch aufrichtig, bevor ich auflegte und dann erst einmal tief durchatmete. Mich zurücklehnte und die Sache sacken ließ, bevor ich einige Sekunden später unterbewusst zu lächeln anfing... was angesichts der eigentlich miesen Umstände womöglich nicht angebracht war, aber ich freute mich einfach, dass ich Vahagn nun doch schon so bald wiedersehen würde. Kam gar nicht gegen die unterschwellige Freunde an, die sich immer mehr in mir ausbreitete. In der folgenden halben Stunde meldete sich Ashton noch bei mir, nachdem er die Nachricht vom Chef vernommen hatte und ich schilderte ihm ruhig die ganze Problematik, woraufhin auch das in trockenen Tüchern war. Danach saß ich noch eine kleine Weile auf der Terrasse, bevor ich Richard aufstehen hörte. Ich hatte ihn fast vergessen - weswegen ich mich nach der Sache auf Hunters Sofa gleich wieder doppelt schlecht fühlte -, also begab ich mich jetzt doch zügig nach drinnen, um die Tasse in die Küche zurück zu bringen. Kurz darauf den Dunkelhaarigen dort abzupassen und ihm die Situation zu erklären. Er schien dem Ganzen nicht im Wege stehen zu wollen, nachdem ich ihm versichert hatte mich allein um das Temperamentsbündel zu kümmern und ihm damit so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen. Wider böser Vorahnungen hatte sich die Sache trotz meiner voreiligen Bestätigung bei Iljah noch recht einfach einfädeln lassen und zu sagen, dass ich darüber unheimlich erleichtert war, wäre noch untertrieben gewesen. Aus dem Schlafen wurde allerdings Nichts. Ich war zwar schon gegen 20 Uhr wieder ziemlich müde, konnte aber ums Verrecken nicht einschlafen. War innerlich von den bevorstehenden Ereignissen so aufgewühlt, dass ich kaum still liegen konnte und so gab ich das doch zeitnah wieder auf. Vertrieb mir die restliche Wartezeit vor dem Fernseher und stellte mir zur Sicherheit trotzdem einen Wecker, weil mir die Augen hin und wieder mal zufielen. Hunters rechte Hand war später in der Nacht dann wie gewohnt auf die Minute genau pünktlich, als er mich vor dem Haus einsammelte. Er hatte sich Desmond aber noch mitgenommen, vermutlich aus reiner Vorsicht. Ich ließ mich also auf die Rückbank der recht geräumigen Limousine fallen und wippte die ganze Fahrt über - war wohl etwas weniger als eine halbe Stunde - mit dem unverletzten Bein vor mich hin, während ich aus dem Fenster und auch immer mal wieder auf mein Handy sah. Das Flugzeug landete gerade in den letzten Zügen, als wir der Landebahn letztlich immer näher kamen und erst einmal ein Stück abseits stehen blieben, bis die Maschine schließlich endgültig zum Stehen gekommen war. Erst als die Türen sich zu öffnen schienen fuhr Ashton - der sich fast die ganze Zeit über mit seinem Beifahrer unterhalten und nur ab und zu mal einen fiesen Spruch zu mir hinter geschmissen hatte, weil er eben Ashton war - wieder an und parkte nahe der Maschine. Dann stieg ich aus und zog die Krücke aus dem Fußraum der anderen Seite, ehe ich mit den anderen beiden die letzten Meter zu Fuß bis zum Flugzeug aufschloss.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ein Vorteil von Schlaf war ja, dass ich einen Großteil der noch insgesamt siebzehn Stunden Flugzeit überhaupt nicht mitbekam. Mich nicht langweilen oder mit irgendeiner sinnlosen Scheiße beschäftigen musste, weil um mich herum alles schlicht pechschwarz war. Natürlich schlief ich nicht die gesamte Zeit durch, aber an die zehn bis elf Stunden waren bestimmt vergangen, bis mein Körper fürs Erste genug Energie getankt hatte, um mich zumindest einigermaßen menschlich wirkend wieder aufwachen zu lassen. Die Lider flackerten mittlerweile nicht mehr so krass wie noch vor einigen Stunden und auch meine Sicht war kaum noch verschwommen, was alles in allem ja schon mal positive Zeichen waren. Anders, als der Schmerz, welcher auch der Grund gewesen zu sein schien, warum ich überhaupt erst aufgewacht war. Ich versuchte mich mit einem gequälten Laut auf die Seite zu rollen, weil ich mehr und mehr das Gefühl hatte, auf dem Rücken liegend nicht genug Luft zu kriegen, aber der Versuch ging - wie auch die Male darauf - kläglich in die Hose und so blieb ich schließlich doch weiterhin reglos liegen, jammerte so laut, bis sich mir endlich wieder angenommen wurde. Der Doktor saß unweit der Liege, auf welcher ich aus sicherheitstechnischen Gründen mittels eines Gurtes um den Bauch angeschnallt worden war, und war der Erste, den ich an meiner Seite begrüßen durfte, nur um ihm wenig später zu schildern, wo und wie starke Schmerzen ich hatte. Er entschuldigte sich vielmals bei mir, musste mir aber leider mitteilen, dass ich vorerst keine weiteren Schmerzmittel bekommen würde, solange das Morphin nicht vollständig aus meinem Körper gespült worden war. Als Grund führte er Wechsel- und Nebenwirkungen an, was mich letztlich leise und hörbar unzufrieden seufzen ließ. Binnen weniger Minuten gesellte sich auch die Gestalt Iljahs zu dem des Arztes, wobei das Grinsen seine Lippen wieder fest im Griff hatte. Klar, ich war schließlich wach, den Umständen entsprechend ausgeruht und nun wieder ein leichtes Opfer für seine makaberen Witze, Sticheleien und Mobbingattacken. "Ich schwöre bei Allem was mir lieb und heilig ist, wenn ich wieder auf den Beinen bin, dann bist du in keinem Gott verlassenen Land mehr sicher, Iljah.", fluchte ich leise zu dem Schwarzhaarigen rauf und hätte ihm indessen sehr gerne diesen triumphierenden Ausdruck aus der Fresse gewischt, aber wenn es nicht die Medikamente waren, die mich lähmten, dann der Schmerz selbst und so hatte er gerade noch einmal Glück im Unglück, dass auch auf sein gehässiger Kommentar á la "Gut, dass es nichts gibt, was dir lieb und heilig ist...", keine Backpfeife folgte. Ich verdrehte lediglich die Augen, weil das mittlerweile wieder drin war, mehr aber leider auch nicht. Meine Stimme war nach wie vor brüchig und ich musste zwischendurch immer mal wieder unterbrechen, aber mein Bruder saß die restlichen paar Stunden bis zur Landung in Kuba bei mir, sodass ich ihm ein oder zwei Dinge erzählen konnte, die er irgendwann wieder mit einem etwas ernsteren Nicken zur Kenntnis nahm. Natürlich nicht, ohne das ich ihn darauf hinweisen musste, dass das kein Spaß und überhaupt nicht witzig war, aber gut. Besser so, als das er sich weiterhin über alles, was ich sagte, lustig machte. Das schürte in mir nämlich nur Wut und die konnte mein Körper in diesem demolierten Zustand einfach nicht gut verarbeiten. Kurz vor der Landung war ich dann tatsächlich noch einmal kurz eingenickt und als ich wieder wach wurde, war es ganz still um mich herum. Es dauerte sicher an die zehn Minuten, in denen ich mir die Frage stellte, wo ich mich jetzt eigentlich befand und wie ich hier wegkommen würde. Mit Laufen war ja nicht, aber es schien auch niemand in der Nähe zu sein, was mich kurzzeitig etwas panisch werden ließ. Mit absoluter Hilflosigkeit konnte ich seit meiner verkorksten Jugend einfach nicht mehr umgehen und so war ich froh, aus dem Augenwinkel jemanden auf mich zukommen zu sehen. Ein hochgewachsener, ziemlich blasser, aber ebenfalls recht junger Mann mit einer dunkelbraunen Kurzhaarfrisur trat an mich heran, um mich kurzerhand des Anschnallgurtes zu entledigen, nur um mich wenig später mit den verhältnismäßig muskulösen Armen aufzusammeln. Ich kam um mehrere schmerzverzerrte Laute nicht drum herum, für die er sich mehrfach auf russisch bei mir entschuldigte, aber es half ja alles nichts. Die Liege durch eine der Türen nach unten aufs Festland zu bekommen wäre mit Sicherheit weitaus interessanter geworden. Ich war also froh, dass man mich auf diese Art und Weise aus dem Flugzeug schaffte und schon als wir auf den Ausgang zusteuerten, wehte mir ein warmer, nach Meersalz duftender Wind durchs Haar, was bei mir unweigerlich vor Freude glänzende Augen auslöste. Anders als das laute Gejohle, dem ich kurz darauf ausgesetzt war, als der schlanke Bursche neben meinem Bruder an der Treppe zum Stehen gekommen war. "Hola, mi amigo. Cómo estás?", erkundigte er sich mit gewohnt guter Laune in der Nationalsprache Kubas nach dem Wohlergehen des Mannes - den ich augenblicklich als Tauren identifizierte, als mein privater Chauffeur ein Stück weiter nach vorne trat - nahe des Flugzeuges und nahm dann die ersten paar Stufen der heruntergelassenen Treppe in Zweischritten. Ich, beziehungsweise der junge Mann, in dessen Armen ich lag, folgte ihm, jedoch nahm er die Stufen einzeln und zivilisiert, wollte um jeden Preis vermeiden, dass ich mehr Schmerzen erlitt, als ich ohnehin schon aus zustehen hatte, aber das war wohl kaum möglich. Durch die zusammengefaltete Haltung zwickte es an allen Ecken und Enden, was mich zwischendrin immer wieder leise aufstöhnen ließ. Aber das war okay. Ich wusste jetzt, dass ich in guten Händen sein würde und nicht mit meinem einstigen Peiniger unter einem Dach hausen musste. Das war absolut alles, was zählte. Und Grund genug, mir Freudentränen in die Augen zu treiben. Es konnte mir jetzt nur noch besser gehen, selbst wenn Tauren hier auf der Insel der Einzige war, der mich wirklich willkommen hieß. Das reichte vollkommen aus. Was Hunter oder seine zickige Freundin davon halten würden, war mir ja sowas von scheißegal...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #