Langsam aber sicher kamen wir dem Kernpunkt des Streits immer näher und es freute mich wirklich, dass Vahagn meine schwache Geste annahm, statt mich wieder einmal abzuweisen. Schließlich wollte ich ihr mit ein bisschen körperlicher Nähe nur etwas mehr Halt in der sehr heiklen Geschichte hier geben. Wollte, dass sie wieder ein bisschen zur Ruhe kam und sich nicht zu sehr in diese Sache hineinsteigerte. Gut, vielleicht wollte ich auch einfach mal wieder ein kleines bisschen Körperkontakt, weil es davon in den letzten Tagen nichts gegeben hatte. Wir schliefen zwar nebeneinander, aber ich hatte ihr dabei weiterhin meinen Rücken zugedreht, weil ich sie nicht ansehen wollte. Hätte mich ja doch nur wieder am Schlaf gehindert. Nur war dieses schweigsame nebeneinander Herumliegen eben absolut nicht vergleichbar damit, als wenn wir uns beispielsweise über das TV-Programm amüsierend auf dem Sofa beieinander saßen und uns nebenher eine Chipstüte teilten. Das eine war eisig kaltes Sibirien, das andere strahlte eine wohlige Wärme aus. Deshalb musste ich unwillkürlich schwach lächeln, als sie sich an mich lehnte und ich den freien Arm langsam um ihre Taille legte. Sie bei mir hielt, ohne sie aber einzuengen, während ich ihr ein klein wenig den Rücken auf und ab strich und ihrem Blick aufs Meer hinaus folgte. Deshalb sah ich während sie redete auch noch gar nicht, dass sie wieder zu weinen anfing, sondern musterte nur die von goldenen Sonnenstrahlen angehauchten Wellen, die über die Wasseroberfläche rollten, während ich ich weiterhin aufmerksam zuhörte. Es war natürlich einleuchtend, dass die Brünette mir nur sehr schwer sagen konnte, was eigentlich genau in ihr vorging, wenn sie das nicht mal selbst wusste. Das machte die Sache natürlich weiterhin ein bisschen schwierig. Nicht nur für sie selbst, sondern auch für mich, weil ihre Gedanken dahingehend wohl weiterhin gefühlt sekündlich umschlagen konnten und ich mich dann nie wirklich auf sie einstellen konnte. Die Fronten restlos zu klären war einfach ziemlich unmöglich, wenn auf einer Seite schlichtweg überhaupt nicht klar war, was diese Front genau war. Wenn nicht absehbar war, ob und wo eine Mauer gezogen werden sollte, dann konnte man mit den Bauarbeiten nämlich ganz einfach nicht starten. Wie Vahagn eben sagte - sie wusste nicht, was sie eigentlich wirklich wollte und stand sich - und damit uns beiden - ganz einfach im Weg. Als die junge Frau zum Ende gekommen zu sein schien drehte ich meinen Kopf dann erstmal wieder in ihre Richtung und bemerkte dabei dann die kullernden Tränen, die mich gleich das Bier abstellen ließen. Ich hob die frei gewordene Hand auf ihre Gesichtshöhe an und strich ihr soweit es aus meiner Position mit ihrem von mir abgewendeten Kopf möglich war vorsichtig ein paar der Tränen von den feuchten Wangen. Ohne es zu kommentieren allerdings, weil ich mir recht sicher damit war, dass sie jetzt nicht auch noch darauf angesprochen werden wollte, dass sie weinte - wenn auch nur stumm. "Ich hör dir immer gern zu... egal bei was. Selbst dann, wenn du mir nur erzählst, wie oft du als Kind im Sandkasten Kuchen gebacken oder Dreck gegessen hast.", versuchte ich die Situation weiter vor mich hin lächelnd mit einem kleinen Witz ein bisschen aufzulockern. "Bei mir ist auch Alles sicher, das kann ich dir versprechen.", murmelte ich danach noch zu ihr runter, dass ich nicht der Typ Mensch war, der neu gewonnene Geheimnisse gern an andere weitertrug, für deren Ohren die Information gar nicht bestimmt war. Ich konnte schweigen wie ein Grab, ganz gleich um was es ging. Ich neigte meinen Kopf etwas nach vorne und lehnte ganz leicht meine Stirn an die dunklen Haarsträhnen, die seitlich an ihrem Kopf bis über ihre Schultern hinabfielen. Dabei stellte ich auch zum inzwischen vermutlich schon hundertsten Mal fest, dass sie unheimlich gut roch. Ich schwieg erstmal einige Sekunden und machte die Augen dabei zu, bevor ich mich auch zu dem anderen Thema noch äußerte. "Aber wenn du doch sowieso nicht weißt, was du denken und tun sollst, dann... denk doch ein bisschen weniger? Den Kopf auszumachen ist nicht immer leicht, aber... meistens sind Intention und Bauchgefühl gar nicht so verkehrt.", redete ich leise vor mich hin, weil ich mit den Lippen sind sonderlich weit von ihrem Ohr entfernt war und es mehr Lautstärke nicht brauchte. Ich servierte Vahagn hier meine altbewährte Tauren-Problemlösung - wenn du mit dem Schädel nicht drauf kommst, was das Richtige ist, dann mach ihn einfach aus, weil es sowieso nichts bringt. Außer ein flaues Gefühl im Magen, Tränen und Streit, wie man an unserem Beispiel hier sehr gut sehen konnte. Zu viel zu denken machte einem sehr Vieles kaputt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wenn das doch alles nur so leicht wäre, wie sich das aus Taurens Mund gesprochen anhörte, würden wir uns jetzt wohl nicht in dieser absolut unangenehmen und zugleich befreienden Situation hier befinden. Dann hätte ich schon vor verhältnismäßig langer Zeit all die unschönen Gedanken in eine Kiste gestopft und sie, die möglichen Konsequenzen dieses Handels geflissentlich ignorierend, in eine Ecke geschoben. Aber so einfach war das nun mal nicht. Gut, vielleicht lag es an dem Umstand, dass ich mir das mal wieder nur einreden wollte. Nicht wahr haben wollte, dass es auch anders ging, weil ich in meinem Denken einfach festgefahren war. Seit Jahren musste jedes noch so kleine Anzeichen von Gefühlen akribisch unter die Lupe genommen, analysiert und ausgewertet werden. Blöd nur, wenn man entgegen aller Erwartungen am Ende dann zu der überraschenden Erkenntnis kam, dass der Test auf Gefühle für einen anderen Menschen positiv ausgefallen war. Dann stand man nämlich da, wie mit einem positiven Schwangerschaftstest in den Händen und das, obwohl man gar keine Kinder haben wollte. Ja, ich glaube, so ließ sich mein Problem am besten beschreiben. Gefühle waren in meinen Augen ein ungewolltes Kind, das man mindestens ein Drittel seines Lebens am Arsch kleben hatte, wenn man nicht frühzeitig etwas dagegen unternahm. Und bevor ich mir nicht zu einhundert Prozent sicher war, dieses Kind austragen zu wollen, hielt ich mich lieber bedeckt. Dass ich damit weder Tauren, noch mir einen großen Gefallen tat, war wohl offensichtlich und die Erkenntnis darüber entlockte mir gleich das nächste, hörbar frustrierte Seufzen. Da half leider auch die Hand an meiner Wange nichts, die sich wortlos um die laufenden Tränen kümmerte, auch wenn sie schön warm und weich war. Ich lehnte mich wohl unterbewusst ein klein wenig gegen diesen sanften Druck, während ich auch sonst das ganze Drumherum einfach nur genoss. Schweigend für ein paar Minuten in Taurens Armen lag und nachdachte. Worüber genau, konnte ich nicht wirklich sagen. In meinem Oberstübchen war zu viel los, als dass ich auf den Punkt bringen konnte, welchem Gedankengang ich im Augenblick eigentlich hinterher jagte und weil sich dadurch ein leichter Kopfschmerz ankündigte, versuchte ich kurzerhand den Tipp des Norwegers in die Tat umzusetzen. Den Kopf mit seinen Achterbahn fahrenden Gedanken für einen einzigen Moment auszuschalten, um einfach nur mal die Ruhe zu genießen. Und es klappte... ganz okay, würde ich sagen. So richtig loslassen konnte ich ja doch nicht, sträubte sich ein Großteil meines Inneren dagegen, gänzlich von Hirn auf Herz als Antriebsart umzuschalten, aber Hybrid sollte fürs Erste wohl auch genügen, oder? Das Beste von beidem sozusagen, wobei sich das ja alles individuell definieren ließ. Es waren jetzt jedenfalls bestimmt an die zwei Minuten vergangen, in denen wir einfach nur dagestanden und der Sonne beim Untergehen zugesehen hatten, bis ich meine Stimme endlich wieder gefunden hatte, um dem Norweger schließlich mitzuteilen, dass ich zumindest versuchen würde, mich ein wenig zu bessern. An den Ecken und Kanten zu arbeiten, damit sich weder andere, noch ich selbst an ihnen verletzten konnte. "Wenn du mir noch eine Chance geben würden, dann... werde ich es in der Zukunft versuchen. Meinen Kopf ab und an einfach mal auszuschalten, meine ich. Vielleicht fällt es mir dann auch leichter, dir mehr von mir zu erzählen, wenn ich nicht erst darüber nachdenke, sondern einfach drauf los rede.", murmelte ich in dem Punkt weiterhin nachdenklich in den Stoff des T-Shirts und gab damit gleich zwei Dinge preis. Zum einen, dass ich sehr wohl dazu in der Lage war, um eine zweite Chance zu bitten - wobei das sicherlich schon meine weiß Gott wie vielte Chance war, nachdem ich Tauren schon das ein oder andere Mal angeranzt hatte, aber es war wohl die erste, um die ich ihn ganz bewusst und von mir aus bat - und zum anderen, dass ich mich entgegen der Aufschreie meines besorgten Engelchens dafür entschied, dem jungen Mann trotz der noch tief sitzenden Kränkung die Möglichkeit, beziehungsweise die Erlaubnis einzuräumen, den eisigen Klumpen in meiner Brust weiterhin auftauen zu dürfen, wenn ihm danach der Sinn stand. Wohin mich - oder uns - das letzten Endes führte, würden wir wohl erst dann sehen, aber es ließ sich wohl einfach nicht mehr leugnen, dass da etwas war, dass mich diesen Mann nicht mehr loslassen wollte. Und hey, wie schlimm konnte ich denn bitte enttäuscht werden? Fakt war doch in jedem Fall, dass sich meine Gedanken ohnehin immer mal wieder um ihn drehen würden, wenn ich jetzt noch eine Weile hier auf Kuba verbrachte und warum ihn herbeiwünschen, wenn er doch schon längst da sein könnte?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich nutzte die kurzzeitige Ruhe dazu, selbst ein bisschen den aktuellen Stand der Dinge zu definieren. Gut, woran ich hier mit ihr jetzt letztendlich war wusste ich wohl nach wie vor nicht und wenn sie das jetzt weiterhin offen stehen ließ, dann würde ich früher oder später sicher in irgendeiner zu verlockenden Situation selbst auch vom Kopf auf den Autopiloten umschalten. Hier und jetzt eher noch nicht, weil wir eindeutig beide nach wie vor ziemlich durch den Wind waren und ich diesen Zustand lieber nicht noch zusätzlich durch eine unüberlegte Handlung verstärken wollte. Jedoch war ich mir sehr sicher damit, dass ich früher oder später in einem günstigen Moment selbst einknicken würde. Vahagn war einfach schön anzusehen und wenn sie davon absah mir irgendwas Gemeines an den Kopf zu werfen, dann war sie ein bisschen zu perfekt, um wahr zu sein. Vermutlich brauchte es deswegen die Eiskönigin auf der anderen Seite - andernfalls könnte sie sich vor Kerlen, die ihr um die halbe Welt hinterherflogen, wahrscheinlich schon gar nicht mehr retten. Trotz Allem waren wir mit diesem Gespräch allein aber schon unheimlich weit gekommen und ich bereute es keine Sekunde den Kubaner seiner Karre beraubt zu haben. Ich hatte die Brünette so nahe bei mir wie noch nie zuvor - vor allem mental - und das war den Aufwand absolut wert gewesen. Wir hatten mit ein paar Worten einen ganz wichtigen Schritt gemacht und mir ging es dadurch schon eindeutig sehr viel besser. Der Druck auf meiner Brust war verflogen und ich konnte endlich wieder vollkommen entspannt atmen, wenn ich an die hübsche junge Frau dachte. Der unliebsame Gedanke an die anhaltende Ungewissheit blieb zwar bestehen, aber wenn ich den bis hierhin überlebt hatte, dann würde das auch weiterhin der Fall sein. Mein Lächeln wurde noch ein wenig breiter, als die Brünette doch wirklich ganz offiziell indirekt in Frage stellte, ob ich denn überhaupt bereit dazu war ihr noch eine weitere Chance zu geben, damit sie sich Stück für Stück langsam ein wenig daran gewöhnen konnte, dass es nicht immer die beste Idee war sich auf seine Gedanken zu versteifen. Dass sie ab und an mal ganz vorsichtig antesten konnte, wie es eigentlich war, wenn man das Oberstübchen seines Jobs beraubte und ihn stattdessen an das Herz abgab. Erst einmal hob ich jetzt meinen Kopf wieder an, bevor ich ihr auch eine Antwort auf ihre Frage lieferte. "Als müsstest du mich wirklich erst darum bitten... ich werd' dir vermutlich auch noch hundert Chancen geben, wenn's nötig ist.", stellte ich gemurmelt, aber durchaus auch wahrheitsgemäß fest, dass ich ihr gegenüber was das anging wohl nie wirklich Nein sagen können würde. Warum sollte ich auch, wenn sie all die fiesen Worte zuvor jetzt doch wieder gutmachte, indem sie sich mir öffnete? Mich aus freien Stücken an sich teilhaben ließ, obwohl auch ich ihr in unserem letzten Gespräch Unrecht getan hatte und sie mir damit nur mal wieder zeigte, dass sich ein bisschen kämpfen und durchhalten in ihrem Fall sehr wohl lohnen konnte. Die Hand, die vorhin noch behutsam ihre Wange getrocknet hatte, legte ich jetzt nach einem kurzen Zögern an ihr Kinn und forderte sie damit vorsichtig dazu auf, mich endlich mal wieder anzusehen. Wir hatten wirklich lange genug Löcher in die Luft gestarrt in den letzten Tagen. "Ich mag dich so wie du bist, Vahagn. Sonst wär ich jetzt nicht hier... wenn du also ein bisschen länger brauchst, um dich mir anzuvertrauen, ist das nicht schlimm. Aber ich bin immer für dich da, wenn dir was auf dem Herzen liegt, hm?", versuchte ich der Russin mit einem aufrichtigen Lächeln im Gesicht zu verdeutlichen, dass es für mich nicht schlimm war, dass sie mir nicht von jetzt auf gleich ihre ganze Lebensgeschichte auftischen konnte. Ich war noch jung und wenn ich den Zigarettenkonsum demnächst irgendwann mal etwas einschränkte würde ich sicher noch ein paar Jahre mehr leben. Sofern mich nicht vorher irgendein Straßengangster Kubas erwischte, versteht sich, aber da war ich sehr zuversichtlich. Es war mir einfach wichtig, dass sie verstand, dass ich immer ein offenes Ohr für sie hatte und sie offen mit mir reden konnte, wenn sie dazu bereit war. "Du hast einfach Irgendwas an dir, das... mich nicht loslassen will. Egal, was du mir an den Kopf schmeißt... ich kann dir gar nicht lange böse sein.", nuschelte ich ein paar ziemlich ungeplante Worte vor mich hin, die mir nur gerade so in den Kopf geschossen waren, als ich ihre graugrünen Augen musterte und dabei meine Hand wieder sinken ließ. Sie hatte schöne, bisher noch unergründliche Augen, gar keine Frage, aber da war noch mehr, das ich nicht definieren und auch nicht aus ihren Gesichtszügen herauslesen konnte. Die Spannung, die mich immer wieder zu ihr hin zog, war ganz gut mit Magneten vergleichbar. Blieb man auf Abstand ging das schon irgendwie, aber man brauchte nur einen winzigen Schritt zu nah heran machen und es zog einen ja doch wieder zurück. Ob man nun wollte, oder nicht... und wenn es um Vahagn ging fiel es mir nur allzu leicht, der Anziehung nachzugeben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hoffte zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht, dass ich wirklich mehrere hundert Versuche brauchen würde, um zumindest Tauren gegenüber ein einigermaßen erträglicher Mensch zu werden, aber ich wusste die eigentliche Bedeutung hinter dieser Aussage durchaus zu schätzen. Genau so, wie ich es zu schätzen wusste, dass er mir, wann immer ich auch danach verlangte, sein Ohr leihen und für mich da sein würde. In diesem Moment hätte ich sehr gerne einfach beide Arme um ihn geschlungen, um ihn festzuhalten, mich an ihn zu schmiegen und für heute nicht mehr loszulassen, aber das war aufgrund der noch immer etwas schmerzenden Verletzungen leider nicht möglich. Demnach musste er sich wohl oder übel damit abfinden, dass ich stattdessen meine Zeigefinger in die Gürtelschlaufen seiner Hose einhakte, weil diese auf recht angenehm zu erreichender Höhe lagen und ich mich so ohne weiteres noch ein Stück enger an ihn heran ziehen konnte. Zwar hielt sich die Begeisterung meiner Wunden durch den Druck hier und da weiterhin stark in Grenzen, aber das war mir in diesem Moment mehr als nur ein bisschen egal. Ich verzog kurzzeitig etwas schmerzverzerrt das Gesicht, ließ mich jedoch nicht weiter davon beirren. Konnte ich dann auch überhaupt nicht mehr, selbst wenn ich es gewollt hätte, weil der Norweger seine Hand plötzlich an mein Kinn gelegt hatte und mich damit mehr oder weniger zwang, ihn direkt anzusehen, meine ganze Aufmerksamkeit damit auf sich zog. Mein Blick war noch immer ziemlich weich, drückte im Allgemeinen wohl die bis hierhin anhaltende Unsicherheit aus, aber ich versuchte trotz der ihm sich bietenden Angriffsfläche nicht, mich aus dem Griff zu winden, akzeptierte einfach, dass auch ich heute einfach mal eingeknickt war und mich verletzlich zeigte. Stattdessen nutzte ich die Chance und musterte seine Gesichtszüge, während ich den Worten lauschte, um mich am Ende, als ich wieder bei seinen Augen angekommen war, in diesem unsagbar schöne Blau zu verlieren. Auch an dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass das Heben des Armes nicht ganz so schmerzhaft war, damit ich Tauren über die Wange streicheln und die Hand anschließend auf Höhe seiner Brust ablegen konnte, aber gut. Es sollte ja hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern, bis der Vernarbungsprozess so weit vorangeschritten war, dass das wieder möglich war und dann würde ich das ganz sicher nachholen. Fürs Erste sah ich ihn jedoch nur mit einem schmalen, aber aufrichtigen Lächeln an, weil das seine einfach dermaßen ansteckend war und ich deshalb ganz einfach gar nicht drum herum kam. Bei Taurens letzten Worten löste ich mich allerdings wieder ein wenig von ihm. Nicht besonders viel, wir waren uns weiterhin sehr nah, aber den Kopf ständig in den Nacken legen zu müssen, wenn ich ihn ansehen wollte, war auf Dauer einfach verdammt anstrengend. "Damit werde ich mein Verhalten dir gegenüber aber nicht rechtfertigen wollen.", stellte ich weiterhin nur sehr leise fest, weil das schlicht und ergreifend einfach nicht fair gewesen wäre. Ständig auf dem gutherzigen Menschen herum zu hacken, weil er einem sowieso alles verzeiht war unter aller Sau und das wusste selbst ich - auf den Kopf gefallen war ich schließlich nicht. Ich mochte ihn hier und da zwar weiterhin anranzen, jedoch nie vor diesem Hintergrund, sondern einfach weil... keine Ahnung, ich meine fünf Minuten oder der junge Mann es wirklich verdient hatte. Ganz bestimmt nicht, weil ich wusste, dass er mir ohnehin nicht lange böse sein konnte. Was dann die letzten, eher gemurmelten Worte des Norwegers anging, wusste ich nicht so recht, wie ich darauf jetzt reagieren oder was genau ich antworten sollte, weil... ich mir immer noch nicht vorstellen konnte, dass ich etwas an mir hatte, womit sich der jungen Mann derart an mich binden ließ. Was ich allerdings wusste war, dass es ja umgekehrt nicht anders war. Tauren hatte in meinen Augen genau so etwas an sich, was mich ihn nicht gehen lassen wollte, auch wenn das mal wieder im absoluten Widerspruch dazu stand, dass ich mich schnellstmöglich aus der Invaliden-WG verziehen wollte. Aber an dem Punkt hatte ich vermutlich mal wieder zu viel nachgedacht. Mir überlegt und eingeredet, dass Alles besser werden würde, wenn wir uns nicht mehr regelmäßig sahen, nur um dann am Ende festzustellen, dass ich mit der Denkweise ganz einfach falsch gelegen hatte. Verletzt oder auf jemanden böse zu sein und deshalb nicht mit ihm zu reden und ihm aus dem Wegen gehen zu wollen waren immerhin zwei unterschiedliche Paar Schuhe. "Das kann ich... nur zurück geben. Irgendwie... hat es nicht ansatzweise so viel Spaß gemacht, dich zu ignorieren, wie das normalerweise der Fall ist, wenn du mir auf die Nerven gehst.", stellte ich gegen Ende hin ein wenig ironisch fest, obwohl ich diese Aussage durchweg ernst gemeint hatte. Mein Stolz ließ mich ihn ignorieren, weil ich verletzt gewesen war, aber das hieß ja noch lange nicht, dass ich das auch genossen hatte. Wie gesagt, war es in den letzten Tagen verdammt langweilig gewesen, wenn sich so gar niemand wirklich mit mir unterhalten wollte, da war ich doch wirklich froh, dass sich das nach der Aussprache hoffentlich wieder ändern würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das kam uns vermutlich auch beiden zu Gute. Es wäre einfach wirklich nicht gerade nett und auch nicht fair, wenn Vahagn diese neu gewonnene Information zukünftig schamlos ausnutzte. Aber hätte ich im Voraus vermutet, dass sie das tun würde, hätte ich es ihr wohl auch nicht gesagt. Immerhin war mir klar, dass ich der Brünetten damit indirekt gesagt hatte, dass ich mich doch hier und da gerne wieder als Fußabtreter benutzen ließ, obwohl ich mir in meinem Schädel so unfassbar oft selbst predigte, dass ich sehr viel mehr wert war. Dass ich es mir nicht gefallen lassen sollte, wenn Jemand auf meinen Gefühlen herumtrampelte, sondern dagegen vorgehen sollte. Tat ich ja auch weiterhin, dafür waren die letzten Tage ein sehr gutes Beispiel, aber dennoch hatte die Russin wohl kaum zu befürchten, dass ich sie links liegen ließ, wenn es mal wieder zwischen uns krachte. Natürlich brauchte es für sowas wie Liebe noch viel mehr als die bisher erfolgten, entspannten, schönen Momente zwischen uns, aber sie war einfach wahnsinnig faszinierend für mich und ich kam schwer bis gar nicht dagegen an. Wenn sie mir also nicht ganz eindeutig eine sehr endgültige Abfuhr erteilte und sich danach gänzlich außer Reichweite verzog, dann würde sich wohl nichts daran ändern, dass ich immer wieder zu ihr zurückkam. Immer wieder an sie dachte, während ich all die negativen Erlebnisse mit ihr gekonnt ausblendete, um mir nur die schönen wieder in Erinnerung zu rufen... allen anderen voran zukünftig vermutlich die aktuelle Szene, in der sie erstmals etwas länger in meinen Armen lag und sich parallel mit all ihren Worten so unheimlich verletzlich machte, mir damit ihr volles Vertrauen entgegenbrachte. Aber das war wohl noch gar nicht alles. Statt meine letzten Worte - die ich kurzzeitig fast schon zu bereuen hatte anfangen wollen, weil sie vielleicht ein bisschen zu viel waren und ihr eventuell Druck machten - einfach nur so stehen zu lassen, erwiderte Vahagn ein paar vorsichtige Worte in die gleiche Richtung und ließ damit ein angenehmes Kribbeln in mir zurück. Ließ mich prompt womöglich gleich wieder viel zu neue Hoffnung schöpfen, von der ich lieber absehen sollte, weil nach wie vor nicht klar war, wo das mit uns beiden denn jetzt eigentlich hinführen sollte. Aber ich konnte einfach nicht anders, wollte mich nur zu gern wieder an diese eine, winzige Möglichkeit klammern, dass ich es vielleicht doch schaffen könnte, das Ruder herumzureißen. Das war wohl auch recht offensichtlich an meinen Augen zu sehen, die ein freudiges Funkeln wiederspiegelten und in Kombination mit dem breiten Lächeln auf meinen Lippen einen rundum glücklichen Gesichtsausdruck zurückließen. "Dann sollten wir uns in Zukunft am besten einfach... nicht mehr ignorieren, glaube ich. Zumindest nicht für mehrere Tage.", stellte ich mit einem kurzzeitigen Grinsen fest, dass es für uns beide wohl besser wäre, wenn wir uns nach dem nächsten Streit - der sicher irgendwann kommen würde - nicht mehr tagelang aus dem Weg gingen. Vielleicht nur eine Nacht darüber schliefen oder uns für ein paar Stunden aus dem Weg gingen, in denen wir uns Gedanken über eine Lösung und das eigentliche Problem machen konnten, bevor wir letzteres so wie jetzt aus dem Weg schafften. Ich verlor mich unweigerlich noch ein bisschen tiefer in Vahagns Augen, wo wir hier so standen, uns sogar ein paar schöne Dinge sagten und einander festhielten. Das hatte dann leider den nächsten Moment zur Folge. Irgendwann rutschten meine Augen ein bisschen ab, glitten über ihre Wange hinweg bis zu den leichten, kaum sichtbaren Grübchen, die ihr Lächeln immer hervorbrachte und von da aus dann zu den nahegelegenen Lippen. Ich merkte wirklich erst kurz vor knapp, dass ich drauf und dran war sie wider besseren Wissens zu küssen. Ah, hast du also schon wieder vergessen, dass du den Moment hier nicht komisch machen wolltest, ja?, meldete sich im letzten Moment dann doch wieder die Vernunft in meinem Schädel zu Wort. Ich konnte meine Augen trotzdem nur schwer wieder von den sicher viel zu verboten weichen Lippen der jungen Frau lösen, räusperte mich ganz leise und lockerte langsam meinen um ihre Taille liegenden Arm ein wenig, um doch besser etwas mehr Distanz aufzubauen, während ich den Blick aufs Meer abwendete. Das war sicher die beste Lösung im Moment... oder? Ich wusste es wirklich nicht. Einerseits wollte ich natürlich unheimlich gerne wissen wie es eigentlich war Vahagn zu küssen, aber andererseits wollte ich der Brünetten auch nicht zu nahe treten und damit die vorherige Einigung kaputtmachen, also lieber erstmal das Kribbeln in meinem Bauch vorübergehend ersticken.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ach, doch. Ab und an musste das schon mal sein, war Ignoranz doch ein sehr effektives Mittel, mancherlei vielleicht verletzende Dinge einen nicht zu nahe kommen zu lassen, nur hatte er absolut Recht damit, dass es nicht unbedingt mehrere Tage sein mussten. Ein paar Stunden, einen Abend lang maximal und dann musste auch wieder gut sein, wie wir beide ganz offensichtlich gelernt hatten. Wir schienen es nämlich nicht unbedingt darauf anzulegen, den jeweils anderen in die Pfanne zu hauen und mussten deshalb keine Angst davor haben, dass nach einem Streit direkt die nächsten bösen Worte aus Richtung des Gegenübers schossen. Konnten bereits nach einigen Stunden schon wieder miteinander reden, ohne uns die Köpfe einschlagen zu wollen, weil wir einander... eben gern hatten. Zumindest war das so weit meine aufgestellte Theorie. Wie wir das letztlich in der Praxis handhabten, würden wir sehen, wenn es so weit war. Ich ging zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls davon aus, dass das noch lange nicht der letzte Streit zwischen uns gewesen war und da noch einige folgen würden, aus denen man entsprechende Erfahrungswerte ziehen konnte. Aber bis dahin wollte ich jetzt noch keine weiteren Gedanken daran verschwenden, stimmte ihm deswegen lediglich mit einem "Da hast Recht." und einem schwachen Nicken zu. Dass meine im Sinngehalt durchaus ernst gemeinte Reaktion auf Taurens Aussage ihn förmlich strahlen ließ, hätte ich jedoch nicht gedacht und entlockte mir postwendend ein leises, amüsiertes Kichern. Dies hielt jedoch nicht besonders lange an und verstummte prompt, als ich feststellte, dass der junge Mann mein Gesicht zu mustern begann und es war mehr als nur offensichtlich, wohin das Ganze führen würde - was er damit provozieren wollte. Es schossen sofort wieder unzählige verunsicherte Gedanken durch meinen Kopf, als Taurens Blick sich von meinen Augen löste und stattdessen auf Wanderschaft ging. Dabei beobachtete ich ihn sehr akribisch, während in meinem Oberstübchen schon wieder Panik ausbrach. Warnungen á la Du bist noch nicht bereit dafür, Vahagn oder Was glaubst du wohl, in was für einer verwirrenden Scheiße ihr stecken werdet, wenn du dich darauf einlässt? versuchten mir den ansonsten viel zu perfekten Moment madig zu machen und ich war bereits drauf und dran, mich etwas mehr von dem gut aussehenden Mann zu lösen, um einen möglichen Versuch, mich küssen zu wollen, abzublocken, als der Norweger sich wider Erwarten ganz von selbst ein wenig distanzierte. Unsicher, ob ich jetzt froh oder doch enttäuscht sein sollte, dass er ebenfalls gemerkt zu haben schien, mit einem Kuss für mehr Verwirrung als Klarheit zu sorgen, sah ich Tauren schließlich mit einem irritierten Gesichtsausdruck an. Indessen waren sämtliche Druckventile am Anschlag, restlos alle Spannungsmesser überladen und die Warnleuchten blinkten kurz vor dem absoluten Totalausfall noch einmal fröhlich vor sich hin und dann... tja, dann kam der große Shutdown. Nichts schien mehr zu funktionieren und ich stand kurzzeitig da wie bestellt und nicht abgeholt. Ganz offensichtlich hatte sich mein Hirn gerade gänzlich verabschiedet. Einfach keinen Bock mehr gehabt, dieses ständige Hin und Her mitmachen zu müssen, wo doch klar war, was ich eigentlich wollte und nur selbst immer wieder Gründe dafür suchte, wieso ich mich nicht darauf einlassen sollte. Ich meine, was war denn an einem Kuss als solchen so verwerflich? Da berührten sich eben zwei Paar Lippen, na und? Ich wusste mir nicht zu helfen, aber konnte es sein, dass mein Hirn den Tipp des Norwegers, den Kopf einfach mal auszuschalten, wenn einem das Nachdenken zu viel wurde, ganz einfach selbst in die Tat umgesetzt hatte? Ohne, dass ich meine Erlaubnis dazu gegeben hatte, all die verwirrenden Gedanken und möglichen Konsequenzen für den Moment in Kiste zu stecken und diese dann in die nächstbeste Ecke zu rücken..? Fühlte sich... irgendwie gut an, wenn ich ehrlich sein sollte. Blöd war nur, dass nach wenigen Sekunden das Herz den Steuerknüppel an sich gerissen hatte und ungeachtet der Vorarbeit des Hirns geradewegs in Richtung Verderben steuerte und mir damit nicht nur psychische Schmerzen zu bereiten wollen schien, sondern auch physische. Es fühlte sich an, als würde nicht ich selbst, sondern der Autopilot das Lenken für mich übernehmen und ich konnte nur noch dabei zusehen, wie ich etwas zu schnell meine Hand an das Kinn des jungen Mannes anhob, um seinen Kopf zu mir zurück zu drehen. Die durch keine Medikamenten betäubten und absolut gar nicht begeisterten Schusswunden ließen mich einseitig unter den plötzlich einsetzenden Schmerzen etwas einknicken, aber davon wollte ich mich augenscheinlich nicht mehr beeinflussen lassen, als unbedingt nötig. Stattdessen konzentrierte ich mich viel eher darauf, Tauren mit einem leichten, aber bestimmten Druck dazu zu bringen, mich wieder anzusehen, kurz bevor ich selbst die Augen schloss und ohne auch nur die geringste Ahnung, von dem was ich da tat habend meine Lippen auf die seinen drückte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Gut, irgendwie war der Moment auch auf diese Weise erstmal ein bisschen komisch. Immerhin war sicher ziemlich offensichtlich für die junge Frau gewesen, dass ich kurzzeitig ein bisschen abwesend gewesen war und jetzt... na ja, standen wir hier ein wenig planlos herum. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich jetzt hätte sagen können, das nicht komplett merkwürdig rübergekommen wäre. Mich dafür entschuldigen? Erstens tat es mir nicht wirklich richtig leid, weil es nun mal das war, was ich eigentlich wollte und zweitens käme das auch irgendwie komisch rüber. Ihr noch weiter Komplimente machen in der verzweifelten Hoffnung, dass sie von selbst einknickte und auf mich zukam? Sicher auch eher nicht zielführend, wo Vahagn im Moment nicht weniger planlos herumzustehen schien, als ich selbst. Sie ganz loslassen und damit jegliche weitere Nähe im Keim ersticken, damit mir das mit absoluter Sicherheit nicht noch ein zweites Mal passierte? Wollte ich eigentlich nicht. Ich genoss die Nähe der Brünetten unheimlich und mein Inneres sträubte sich vehement dagegen, sie einfach komplett loszulassen, mich mit dem Bier an die Mauer zu lehnen und ihr nur noch mit Worten meine Aufmerksamkeit zu schenken. Alles in Allem konnte man also sagen, dass ich uns geschickt in eine reichlich dumme Situation manövriert hatte, ohne es gewollt zu haben und deshalb ohrfeigte ich mich gedanklich gerade selbst. Schließlich war ich hergekommen, um Alles zwischen uns in Ordnung zu bringen und nicht, um uns in die nächste blöde Zwickmühle schlittern zu lassen. Noch dazu war ich mir gerade auch selbst absolut nicht mehr sicher damit, ob ich den Kopf noch benutzen sollte oder nicht, weil doch sowieso irgendwie nur Mist dabei herumkam. Nach ein paar schweigsamen, ziemlich unangenehmen Sekunden kehrte aber doch wieder Leben in die Brünette ein und ich spürte ihre zierlichen Finger an meinem Kinn, während mein Kopf dem Druck ihrer Hand ganz einfach nachgab, ohne dass ich bewusst darüber nachdachte. Der kurze Blick, den wir dann noch austauschten, sorgte auch ohne Umschweife dafür, dass das anfängliche Kribbeln in überschwänglichem Ausmaß zurückkehrte und mein Herzschlag sofort einen Gang höher schaltete. Aber ich hatte gar nicht wirklich Zeit dazu darüber zu philosophieren, was für einen Plan Vahagn damit verfolgte, weil sie ziemlich bald schon drauf und dran war ihn in die Tat umzusetzen. Sie sich mir entgegenstreckte, meine Lider sich parallel von ganz allein schlossen und ich dann auch schon ihre Lippen auf meinen spürte. Womöglich erwiderte ich den ersten Kuss noch ein bisschen vorsichtig und zögerlich, weil ich ganz einfach noch wahnsinnig überrascht davon war, dass die hübsche junge Frau gerade die Eigeninitiative ergriffen hatte. Außerdem schlug mir die Nervosität kurzzeitig gefühlt bis zum Hals, brachte damit wohl selbst meinen gut geschulten Autopiloten mal einen Moment lang aus der Spur. Deshalb lösten sich unsere Lippen auch nach der ersten Annäherung noch einmal kurz voneinander, damit ich das ganze sacken lassen konnte, aber ich distanzierte mich dabei nicht von Vahagn und ließ auch die Augen geschlossen. Ließ den vorangegangenen Kuss vielleicht eine, maximal zwei kurze Sekunden auf mich wirken und hob dann meine Hand an ihre Wange, als ich zum nächsten Kuss ansetzte. Meine Lippen erneut auf die ihren legte, dieses Mal aber wesentlich bestimmter und auch inniger. Auch mein Arm legte sich wieder spürbarer um ihren schlanken Körper und ich hielt sie eng bei mir, während ich ihr sachte mit dem Daumen über die weiche Haut an ihrer Wange strich. Ich versuchte einfach all das, was ich gerade empfand - und das war nichts anderes als ein kleines Feuerwerk, weil ich mich sehr sicher schon zu sehr in die junge Frau verguckt hatte, als dass mein Körper diesen Moment nicht mit massenhaft Dopamin feierte - in den Kuss fließen zu lassen, um Vahagn spüren zu lassen, dass sie mit dieser Entscheidung goldrichtig gelegen hatte, wenn es nach mir ging. Denn ja, ihre Lippen waren sinnlich weich und fühlten sich mindestens so gut an, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Realität war nur einfach noch gleich viel besser als die blanke Fantasie und sie küsste gut. Deshalb zog ich den Kuss im Vergleich zum vorherigen auch ordentlich in die Länge, wollte ihn voll auskosten, bevor ich meine Lippen dann langsam wieder etwas von der Brünetten löste. Wollte ich eigentlich noch gar nicht, hätte vermutlich noch die ganze Nacht hier herumstehen und sie küssen können, aber ich wollte mein Glück auch nicht zu sehr strapazieren. Außerdem war es jetzt bestimmt nicht verkehrt etwas durchatmen zu können, wo einem beim Küssen doch nach einer Weile immer irgendwie ein bisschen der Sauerstoff zu fehlen begann. Ich konnte auch gar nicht anders, als glücklich vor mich hin zu lächeln, während ich meine Stirn noch für einen Moment lang mit geschlossenen Augen an die ihre lehnte, während die Wellen im Hintergrund weiter vor sich hin rauschten und die Sonne sich am Horizont langsam aber sicher für heute dem Ende zuneigte. Meine Finger lösten sich indessen auch von ihrem Gesicht, damit ich sie stattdessen hinter ihrem Rücken mit denen meiner anderen Hand verschränken konnte. Damit ließ ich ihr wieder ein bisschen mehr Freiraum, hingen meine Arme dann doch wieder deutlich lockerer um ihren Körper, aber das war angesichts ihrer Wunden sicher sowieso wesentlich gesünder und weniger schmerzhaft.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte anfangs doch verhältnismäßig bestimmt meine Lippen auf seine gelegt, den Druck aus der ganzen Sache jedoch rausgenommen, als ich spürte, dass von Taurens Seite aus kein Widerstand zu erwarten war. Kurz nachdem es dann tatsächlich zu dem Kuss gekommen war, flackerte in meinem Oberstübchen die Notleuchte der UDV - Unterbrechungsfreie Denkversorgung auf und versuchte, das Betriebssystem neuzustarten, was mich innerlich kurzzeitig panisch werden ließ. Ich hatte Angst, dass mein Kopf auch jetzt, wo absolut offensichtlich war, wie sehr ich die Nähe zu dem Norweger genoss, auf blöde Gedanken kam und mich wie von der Tarantel gestochen aus den Armen des jungen Mannes reißen lassen wollen würde. Aber nichts dergleichen passierte. Auch wenn die kurzzeitige Unterbrechung meines initiierten Kusses durch den Norweger einen großzügigen Spielraum für Missverständnisse bot, gab ich Tauren unkommentiert und vollkommen selbstverständlich die Zeit, die er ganz offensichtlich zu brauchen schien, kurz bevor sich unsere Lippen ein weiteres Mal trafen. Es folgten Minuten des Schweigens, in denen wir uns beide gänzlich dem Kuss hingaben, ehe sich zumindest unsere Gesichter wieder ein kleines bisschen voneinander distanzierten. Jetzt, wo ich einmal Blut geleckt hatte, wollte ich eigentlich gar nicht mehr aufhören, an diesen wundervoll weichen und mich zärtlich liebkosenden Lippen zu hängen, aber wenn ich nicht bald mal wieder atmete, dann bestanden keinerlei Chancen auf ein nächstes Mal, was ich wiederum noch sehr viel weniger wollte. Ich akzeptierte also, dass dieser schöne und absolut unvergleichliche Moment leider irgendwann zu Ende ging, bestand allerdings darauf, dass zumindest die Umarmung noch ein wenig währte. Schließlich war ich gerade innerhalb kürzester Zeit von so vielen Eindrücken und Emotionen geflutet worden, dass ich gar nicht mehr wusste, wohin mit mir. Es war daher ganz gut - und in meinen Augen notwendig -, dass der attraktive junge Mann mich weiterhin in seinen Armen hielt und mir damit den nötig Halt gab, um mich erst einmal wieder zu sammeln. Verarbeiteten konnte, was da gerade passiert war, während ein breites und sichtlich zufriedenes Lächeln meine frisch geküssten Lippen zierte. Einzig und alleine das unangenehme Zwicken in meinem rechten Oberarm grätschte mir zwischendrin in die, durch eine Menge Glücksgefühle hervorgerufene, gute Laune und ließ mich mit einem leisen Seufzen an die Stelle greifen, welche wieder akut zu schmerzen angefangen hatte. Gut, solange das bis jetzt die einzige Konsequenz der durch das Herz getroffenen, sehr überstürzten Entscheidung war, konnte ich ehrlich gesagt gut damit leben. Ich hatte es mir weitaus schlimmer vorgestellt, da war das körperliche Leiden ein schlechter Scherz gegen. Viel eher hatte ich damit gerechnet, dass mich Tauren trotz seiner vielversprechenden Worte von sich stoßen und mich fragen würde, ob ich noch ganz bei Trost war, aber das war wohl der entscheidende Beweis dafür, dass der Kopf sich teilweise Sachen zusammenspinnen konnte, die so niemals auch nur ansatzweise in der Realität passieren würden. Warum bitte sollte der Norweger durch seine vorangegangenen Worte erst die Hoffnung schüren, dass es noch einen anderen Weg gab, als mit einem eiskalten Mantel um den Schultern durch die Einsamkeit zu spazieren, nur um mir dann genau das Gegenteil zu präsentieren? Machte einfach keinen Sinn und in Sachen Gefühle sollte ich mich künftig vielleicht wirklich ein bisschen mehr auf das mittlerweile leise klappernde Stück Blech verlassen, dass sich im Inneren meiner Brust gerade vom Flugrost befreite. "Ich... das... wow.", stammelte ich nach wie vor etwas atemlos vor mich hin, während mein Blick weiterhin auf dem Gesicht des mich festhaltenden Mannes lag. Ich wusste gar nicht, ob und wenn ja, was ich dazu jetzt noch sagen sollte, aber ehrlich gesagt fand ich es sowieso immer ein wenig merkwürdig, wenn man im Nachhinein darüber sprach, wie toll und schön doch der Kuss oder der Sex gewesen war. Deshalb ließ ich das Ganze wohl auch einfach so stehen, lächelte einfach stumm weiter vor mich hin. In meinen Kopf kehrte indessen wieder Leben ein, aber nach dem Chaos eben musste da oben erst einmal aufgeräumt werden und somit blieb das in Sachen Gefühle recht nutzlose Organ ebenfalls still, damit ich die letzten Augenblicke in Taurens Armen noch voll und ganz genießen konnte. Da aber so langsam meine Beine anfingen, vom Stehen weh zu tun und die Energie ferner ebenfalls langsam aus meinem Körper wich, löste ich mich dann doch irgendwann auch mal wieder zur Gänze von dem viel zu gut aussehenden Norweger, um mich stattdessen auf die in etwa hüfthohe Mauer zu setzen. Dafür musste die Bierflasche allerdings ein Stück zur Seite und ich griff mit der durch den Schmerz zitternden Hand nach dem Hals. Mir hätte von Anfang an klar sein müssen, dass das keine besonders gute Idee war, wie mir erst auffiel, als das Glas aus meinen Händen rutschte und prompt an der Mauer vorbei an die fünfzehn Meter in die Tiefe stürzte. Durch die lauten Wellen hörte man nicht einmal das Zerschellen der Flasche auf den Felsen, aber ein Blick in die Tiefe reichte, um zu bestätigten, dass das Bier definitiv nicht mehr zu retten war. Tja, das kam halt davon, wenn man sich um Nichts mehr Gedanken machte. Andernfalls hätte ich sinnvollerweise mit der anderen Hand gearbeitet, aber na ja. Ich hatte gerade derart gute Laune, dass es vielleicht ohnehin besser war, wenn ich auf den Alkohol verzichten würde.
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Ich würde tatsächlich so weit gehen zu sagen, dass ich mich schon lange nicht mehr so gut wie in diesem Moment gefühlt hatte. Womöglich lag das einfach daran, dass ich eigentlich schon ein Mensch war, der gerne die Nähe zu einem anderen genoss, sich das normalerweise aber nie mit meinem Job hatte vereinen lassen. Okay, streng genommen tat es das auch jetzt noch nicht, weil Vahagn eines der wenigen Dinge waren, die Hunter und ich in unserem Gespräch nicht durchgekaut hatten. Es ihm zu verheimlichen wäre sehr sicher unmöglich, wenn das Ganze irgendwie länger laufen würde und die Russin doch erst einmal hier auf Kuba blieb. Zumal er gerade auf mich wahrscheinlich sowieso ein sehr akribisches Auge richten würde, sobald ich wieder im Dienst war, was nicht mehr lange dauern dürfte. Aber würde er das alles nicht zumindest ein bisschen verstehen können? Wenn er wirklich mit Cosma zusammen war, weil sie ihm am Herzen lag, dann müsste er doch eigentlich wissen, dass man gegen manche Gefühle nur schwer ankam... aber selbst wenn, dann hieß das eben noch lange nicht, dass er mir eine weitere Ausnahme einräumen würde. Hatte er schließlich schon wahnsinnig oft getan, aber ich wollte mir den Moment hier nicht mit Gedanken an den hitzköpfigen Amerikaner ruinieren, weshalb ich den Kopf doch besser lieber wieder ganz ausmachte. Vahagns Worte holten mich dann gänzlich aus dem Gedankenwirrwarr heraus und zurück zu sich, ließen mich gleich noch ein wenig breiter lächeln. Ja, das war doch ziemlich treffend. So wirklich wissen, was nun am besten gesagt werden sollte oder nicht, taten wir augenscheinlich beide nicht, aber die paar Worte seitens der Russin waren auch vollkommen ausreichend. Versinnbildlichten gut, dass uns gerade beiden ein bisschen die Sprache fehlte, weil wir noch recht überwältigt von dem Kuss waren und einfach noch ein paar Minuten brauchen würden, um wieder klar denken zu können. Ich entließ die junge Frau nur ungern aus meinen Armen, aber im Gegensatz zu mir war sie eben noch nicht ganz so fit und da war es absolut nachvollziehbar, dass sie sich gerne ein wenig hinsetzen wollte. Allerdings nicht ohne einen kleinen Zwischenfall, der mich ebenfalls über die Kante der Mauer hinweg und nach unten sehen ließ. Das Bier verschwand nach seinem Absturz an den Felsen sehr schnell zwischen den Wellen und kam maximal noch den Fischen im Meer zu Gute. Auch, wenn das Abdanken des Biers ein bisschen witzig war, war der Hintergrund dessen natürlich weniger schön - denn Vahagn hatte gezittert und das war dann doch ein ziemlich eindeutiges Zeichen dafür, dass sie eben nicht ganz fit war. Erst einmal griff ich nach meiner eigenen, noch fast vollen Flasche, damit sie mir nicht im Weg war, als ich mich ebenfalls auf der Mauer niederließ. Mit dem Hintern auf dem Gemäuer angekommen rutschte ich aber gleich wieder näher zu der Brünetten, damit ich meinen anderen Arm um ihren Rücken legen und sie einfach ein bisschen festhalten konnte. Ihre Nähe jetzt nach dem Kuss nicht gleich wieder missen musste, weil das gerade eines der letzten Dinge war, die ich wollte. "Kannst was von mir haben, wenn du willst.", ließ ich sie mit einem aufrichtigen, durchweg glücklich wirkenden Lächeln wissen, dass sie mir bei Bedarf gerne einfach kurz meine Flasche abnehmen und sich mit ein paar Schlücken bedienen konnte. Zuerst nahm ich dann aber selbst noch zwei oder drei ruhige Schlücke von dem Bier, das mir den Moment nahezu perfektionierte. Die späte kubanische Abendsonne, ein wunderschöner Ausblick, eine noch schönere Frau an meiner Seite und dazu ein angenehm herbes, noch immer recht kühles Bier. Hatte ich gut eingefädelt, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, dass der Ausflug auf einen innigen Kuss hinauslief. Unterbewusst gehofft hatte ich es vermutlich schon, aber von wissen konnte nicht die Rede sein. "Sag einfach, wenn dir kalt wird... dann gehen wir.", wies ich Vahagn darauf hin, dass es ganz bei ihr lag, wann wir den Heimweg antraten. Natürlich war es nach wie vor nicht wirklich kalt, auch wenn die Sonne so gut wie verschwunden war. Es hatte sicher trotzdem noch an die fünfundzwanzig Grad, lediglich die Meeresbrise machte es hier und da ein kleines bisschen kühler. Aber das war viel leichter erträglich, solange man hier oben nicht alleine saß.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sehr freundlich, wirklich, aber ich würde das Angebot ganz sicher ausschlagen, denn mir stand nicht der Sinn danach, mir durch Alkohol die Sinne jetzt noch berauben zu lassen. Gut, ein Bier hätte sich vermutlich gar nicht oder nur bedingt auf meine Auffassungsgabe oder das Gedächtnis ausgewirkt, aber ich wollte einfach kein Risiko eingehen. Der Moment war einfach zu schön, als dass ich mich nur noch vage oder wie durch einen Schleier daran erinnern können wollen würde. Ich bezweifelte zwar stark, dass ich dieses für mich wirklich einschneidende Erlebnisse jemals vergessen konnte, jedoch wollte ich es auch keinesfalls darauf anlegen. Better safe than sorry - oder so. "Danke, aber ich denke... ich verzichte.", ließ ich Tauren nachdenklich wissen, dass ich sein Angebot durchaus zur Kenntnis genommen hatte, er die Flasche aber ruhig alleine leer trinken sollte. Kurze Zeit später fand sich der junge Mann direkt neben mir auf der Mauer ein und rückte ein Stück zu mir auf, was mich meinen Kopf weiterhin lächelnd gegen seinen Oberkörper lehnen ließ. Mit einem schwachen Nicken signalisierte ich, dass auch der Rest seiner Worte bei mir angekommen war. Dass ich mich beklagen würde, weil es zu kalt wurde, hielt ich persönlich für relativ unwahrscheinlich. Kuba konnte in der Nacht zwar wie so ziemlich jedes andere Land auch echt abkühlen, gerade hier am Meer, aber momentan war es noch angenehm und die Meeresbrise eine willkommene Abwechslung zu der stickigen, ziemlich warmen Luft. Viel eher ging ich davon aus, dass mich irgendwann die Kraft verlassen und ich müde werden würde und das, obwohl ich in den letzten Tagen eigentlich ausreichend relaxt und vermutlich die letzten Jahre Schlafmangel zu kompensieren versucht hatte. Da merkte ich ja leider doch immer wieder, dass besonders Schusswunden einfach miese Wichser waren. Zum einen sahen die zurückbleibenden Narben einfach sehr viel hässlicher aus, als es die von Schnittwunden beispielsweise taten und zum anderen brauchte die Wunde an sich einfach viel zu lange, bis man die betroffene Stelle wieder vollumfänglich belasten konnte. Das lag in der Regel wohl ganz einfach daran, dass die Kugel - wenn wir nicht gerade von einem Streifschuss sprachen - bei einem Ein- oder Durchschuss mehr, als bloß die Haut und den darunterliegenden Muskel verletzte, sondern sehr oft eben auch Knochen und Sehnen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das konnte einem bei einer gezielten Attacke mit dem Messer natürlich genau so ergehen, war aber, wenn man nicht gerade hinterrücks angegriffen wurde, doch eher selten. Hatte ich in einen meiner überaus seltenen Nahkämpfe das Glück und mein Gegner zog ein Messer, verletzte mich das üblicherweise nur oberflächlich und schränkte mich selten für mehrere Tage oder gar für Wochen ein. Aber ich konnte mich wohl noch so oft oder lange darüber beschweren, wie weh mir alles tat und wie scheiße ich das doch fand - eine andere Alternative, als den Mist auszusitzen hatte ich wohl leider nicht. Demnach wollte ich dem Thema auch gar keine weitere Beachtung schenken und konzentrierte mich deshalb wieder vermehrt auf den Norweger neben mir, dem es mindestens genau so gut zu gehen schien, wie mir, was mich postwendend ein kleines bisschen breiter lächeln ließ. War einfach schön zu wissen, dass auch ich im Umgang mit Emotionen und Gefühlen etwas erreichen konnte, wo ich mich doch die letzten Jahre über vehement dagegen gewehrt hatte, aus Angst, etwas falsch zu machen. Wenn das allerdings immer so einfach war, Taurens ohnehin schon wunderschönes Gesicht noch um so ein verboten gut aussehendes Lächeln zu erweitern, dann... würde ich das künftig wohl öfter mal ausprobieren. Oder vielleicht auch nicht. Das war wohl abhängig davon, wie ich morgen über diese ganze Sache hier dachte. Momentan oblag die Führung noch immer dem Herzen, das von der ganzen Sache hellauf begeistert war, aber ob sich der Kopf nach dem Schlafengehen noch ein weiteres Mal das Ruder aus der Hand reißen lassen würde war fraglich. Ich beschloss, darüber jedoch nicht weiter nachzudenken und es einfach auf mich zukommen zu lassen, mich damit zu beschäftigen, wenn es dann so weit war und nicht eher. Hier und jetzt konzentrierte ich mich erst einmal wieder gänzlich darauf, den Moment zu genießen. Weil ich mich nicht getraut hatte, die Beine in der aktuellen Situation über dem Abgrund baumeln zu lassen, sah ich von dem Meer nur noch bedingt etwas, musste meinen Kopf dafür ein Stück weit nach links drehen, aber Kuba bei Nacht war mindestens genau so schön anzusehen. Erinnerte mich irgendwie an die Abende in Italien, wenn ich am Hafen gesessen und der Stadt dabei zugesehen hatte, wie sie immer ruhiger wurde. "So in etwa kannst du dir die Skyline von Palermo vorstellen. Italien ist bei Nacht vielleicht noch ein kleines bisschen schöner, aber Kuba kommt sehr dicht dran.", ließ ich Tauren kurzerhand diese eigentlich vollkommen unnötige Information zukommen, aber ich hatte einfach Lust, mich ein wenig zu unterhalten. Und wenn es dann nur um solch belanglose Dinge ging, wie Vergleiche ziehen, sollte mir das nur recht sein. Für schwere Kost hinsichtlich einer Konversation war meine Laune ohne gerade viel zu gut, als dass ich sie mir dadurch kaputt machen lassen wollen würde.
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Seit Samueles Verhör waren inzwischen knapp drei Wochen vergangen und es hatte sich einiges getan. Zum einen waren da die weitgehend abgeschlossenen Renovierungsarbeiten, es gab nur in unwichtigen Teilen des Hauses noch den einen oder anderen unschönen Raum. Wie es in den Schlafzimmern der Jungs aussah wusste ich auch nicht, aber das war mir ziemlich egal. In jedem Fall waren sämtliche Wohnbereiche fertig neu angestrichen, die Böden neu verlegt wo es nötig war und auch die Möbel waren endlich gegen bessere eingetauscht worden. Natürlich waren wir von luxuriöser Einrichtung weit entfernt, weil bis auf die Küche und die sanitären Anlagen vieles gebraucht und damit günstiger gewesen war, aber ich war trotzdem zufrieden damit. Es ließ sich gut darin leben und ich konnte mich endlich wieder sinnvolleren Dingen widmen - dem neu herrichten des Drogenlabors beispielsweise. Zusammen mit Hunter war in der letzten Woche eine Immobilie ausfindig gemacht worden und dort im kühlen Gemäuer des Kellers alles so weit neu eingerichtet und verlegt worden, dass es im Prinzip losgehen konnte. Sowohl das Labor selbst, als auch das vorübergehende Lager waren fertig temperiert und ich hatte die Ausrüstung fast exakt so wieder aufgebaut, wie sie schon vorher in Oslo angeordnet gewesen war. Erstens wegen meinem inneren Perfektionisten und zweitens, weil ich mir relativ sicher war, dass auch Richard sich darüber freuen würde, wenn er sich nicht alles neu einprägen musste. Apropos Kunstprofessor - er war jetzt eigentlich das letzte, kleine Problem, das es noch zu beseitigen galt, bevor endlich wieder Geld in meine - beziehungsweise unsere - Taschen fließen konnte. Natürlich musste ich nicht ihn selbst, sondern nur sein lästiges Drogenproblem beseitigen, mit dem er die anderen beiden weiter drangsalierte. Tauren hatte zwar versucht sich mit ihm auseinanderzusetzen, aber wie bereits erwartet hatte das kein bisschen gefruchtet. Cosma war danach auch noch einmal bei ihm gewesen, hatte aber in etwa genauso wenig bewirken können. Ich wusste nicht, woran es genau gelegen hatte. Vielleicht daran, dass deren Verhältnis zueinander sowieso irgendwie angeknackst zu sein schien, seit die Rothaarige sich offiziell an den Amerikaner verloren hatte. Womöglich war es aber auch einfach nur die Tatsache, dass ihn die Drogen schlichtweg ziemlich unberechenbar und damit unkontrollierbar machten. Zu Tauren hatte er keinen Bezug und demnach wohl auch kaum viel Respekt vor ihm, während Cosma eine eher zierliche Gestalt mitbrachte und auch nicht zu mehr im Stande war, als ihm ein paar Worte an den Kopf zu schmeißen. Das konnte sie zwar außerordentlich gut, aber auch das schien nicht genug gewesen zu sein und deshalb kam jetzt zwangsweise ich ins Spiel. Ich hatte nicht vor ewig darauf zu warten, dass er vielleicht irgendwann mal wieder von selbst zur Vernunft kam und den Drogen absagte und danach dann eventuell auch mal wieder Lust dazu hatte, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich kannte die Zubereitung inzwischen selbst zwar auch in- und auswendig, aber ich war alleine einfach nicht im Stande die Mengen herzustellen, die wir langfristig benötigten. Er hatte jetzt über einen Monat lang Zeit gehabt sich langsam wieder einzukriegen und das Leben musste auch für ihn weitergehen, wenn er nicht wollte, dass Hunter höchstpersönlich Feuer unter seinem Arsch machte. Angesichts der nach wie vor sehr präsenten, wenn auch relativ gut verheilten Narbe in seinem Gesicht konnte ich für meinen Teil mir nämlich nicht vorstellen, dass er Lust auf ein zweites Rendezvous mit dem Amerikaner hatte. Letzterer selbst war sicher auch der Meinung, dass es viel mehr mein Job war als seiner, den Dunkelhaarigen wieder in die Spur zu bringen und deshalb war ich auch auf dem Weg zu dem Bungalow im Wald, in dem er seit unserer Ankunft auf Kuba hauste. Ich hatte mir einen der neu eingetroffenen Dienstwagen geschnappt, weil er jetzt am späten Mittag noch nicht gebraucht wurde und ich gerne auf den Bus verzichten wollte. Während Hunter den Rest seiner Truppen wieder an den Arbeitsalltag zu gewöhnen begann - womit genau wusste ich nicht, war bis jetzt aber auch nicht relevant für mich - hatte sich sein bester Mann inzwischen eigene vier Wände verschafft und ließ momentan bestimmt ganz entspannt die Seele baumeln, weil er nicht mehr als Babysitter gebraucht wurde. Allgemein war es seit ein paar Tagen wieder etwas ruhiger im Haus, einfach weil Hunters Schergen wesentlich ausgelasteter zu sein schienen. Ich brauchte wohl kaum zu erwähnen, wie gut mir das tat... und Sydney sehr sicher auch. Zwar respektierten die meisten sie inzwischen allein schon deswegen etwas mehr, weil die Runde gemacht zu haben schien, dass ich Lucas vor dem Club in die Schranken gewiesen hatte, aber hier und da flog ja doch immer mal ein dummer Spruch in ihre Richtung. Waren Hunters Männer aber weniger Zuhause und allgemein ruhiger kam das logischerweise ganz automatisch noch weniger vor, also hatten wir eindeutig beide etwas davon, dass der Amerikaner sein Geschäft gerade anzukurbeln begann. Ich hielt den Wagen am Ende des Weges vor dem kleinen Haus an und stieg aus. Streckte mich noch ein klein wenig und verriegelte dann die Türen mittels Zentralverriegelung, ehe ich die Haustür ansteuerte. Ich hatte gerade die Hand nach der Klingel ausgestreckt, als Tauren die Haustür aufzog und beinahe in mich rein krachte. Er entschuldigte sich beiläufig und war sichtlich genervt, ließ mich mit den trockenen, ironischen Worten "Bitte mach einfach irgendwie, dass es endlich aufhört.", schließlich an der Haustür stehen. Steuerte das Mottorrad an, das seitlich am Haus geparkt war, ehe er sich aus dem Staub machte. Ob zur Arbeit oder zu Vahagn wusste ich nicht, aber mehr als diese beiden Möglichkeiten sah ich dahingehend eigentlich nicht. Ich atmete noch einmal etwas tiefer durch und ging dann durch die offen stehengelassene Haustür hinein in den Flur. "Richard? Wir müssen uns unterhalten.", verlangte ich recht laut in den Gang hinein rufend nach der Aufmerksamkeit des Engländers, während ich die Tür beiläufig mit dem Fuß hinter mir zuschob. Er konnte mir dann schon mal nicht erzählen, dass er mich nicht gehört hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja, also irgendwie... musste ich mir langsam aber sicher doch mal eingestehen, dass ich da eventuell und nur vielleicht wirklich ein kleines... Problem hatte. Seit Tagen, Wochen kam ich jetzt nicht mehr von der chemischen Scheiße los und so langsam zwang mich das Zeug mental noch tiefer in die Knie, als der Grund, weshalb ich überhaupt mit diesem Scheiß angefangen hatte. Die Trips waren eingangs noch echt in Ordnung gewesen, hatten mich einfach nur in eine andere Welt gebeamt und von meinem Trauma abgelenkt, während sie mir mittlerweile nur noch Alpträume bereiteten und das, obwohl ich verfickt noch mal hellwach war! An Schlaf war dank der etlichen Halluzinationen kaum noch zu denken und ich war schon froh, wenn mich der Kater derart krass ausknockte, dass ich zumindest für drei oder vier Stunden die Augen zubekam, bis mein Körper wieder nach seiner täglichen Dosis schrie und mich mit absolut unangenehmen Einbildungen und Empfindungen wachrüttelte. Oftmals war es die Paranoia, die mich hochschrecken ließ, weil ich der Meinung war, einen Einbrechen oder dergleichen gehört zu haben. Dass ich nach wie vor einen Mitbewohner hatte, der des öfteren mal durch den Flur schlich und dadurch nun mal Geräusche machte, hatte ich in meinem dauerhaft benebelten Zustand kaum mehr auf dem Schirm. Jedenfalls war es mittlerweile nicht mehr meine Psyche, die sich in erster Linie nach dem Stoff sehnte, sondern mein Körper. Die Sache mit Agnolo hatte ich Anfang letzter Woche so weit abgehakt, dass ich nicht mehr ständig an ihn denken musste und er mich auch in den wenigen Stunden Schlaf nicht mehr einholte, um mich zu foltern und so war es im Prinzip eigentlich nicht mehr wirklich nötig, mich wegen der Geschichte betäuben zu müssen. Was aber mein Körper davon hielt und was passierte, wenn ich mal nicht rechtzeitig die Spritze zur Hand hatte, sah man am heutigen Tag ganz wunderbar. Mir war das Methamphetamin, welches ich aus Norwegen abgezwackt und für den Eigenbedarf eingesteckt hatte, ausgegangen und Tauren hatte den Fehler gemacht... na ja... zu atmen. Viel zu laut, wenn man mich fragte. Bis in mein Zimmer hatte ich ihn schnaufen hören - oder mir das zumindest eingebildet - und irgendwann war mir das Ganze einfach zu viel geworden. Dann hatte ich ihn gefragt, vielleicht etwas zu aufgebracht, ob das nicht auch leiser ging. Stieß dabei natürlich auf vollkommenes Unverständnis, weil er doch gar nichts getan hatte, was ja grundlegend auch richtig war, aber dann auch wieder nicht. Tja und dann war es zur Diskussion gekommen. Jedenfalls wollten mir das die Wahnvorstellungen einreden, die mich jetzt seit einigen Stunden plagten und damit an den letzten Kraftreserven meines ausgemergelten Körpers zehrten. Ich hatte die letzten Woche über sicher einige Kilo abgenommen, hatte ich doch nur zwischendurch, wenn ich mal verhältnismäßig klar im Kopf gewesen war ein Toast in mich hinein gestopft oder einen Apfel gegessen. Allerdings konnte ich nicht sagen, wann ich zuletzt etwas Richtiges gegessen hatte. Etwas warmes, mit Proteinen, Kohlenhydraten und allgemein Nährstoffen eben. Demnach sah ich sicherlich reichlich beschissen aus, aber weder interessierte mich das, noch hatte ich seit Tagen wirklich bewusst in einen Spiegel geschaut. Immerhin lief die Sache mit der Körperhygiene noch einigermaßen. Stinken oder aussehen wie der letzte Penner tat ich also nicht, obwohl ich mich vergleichbar ähnlich verloren fühlte. Die Stimme in meinem Kopf drang nur sehr leise an mein Ohr, um mir mitzuteilen, dass ich aufhören musste. Dass mich das Zeug noch umbringen würde, wenn ich mich nicht wieder fing, aber das Verlangen nach mehr war einfach stärker. Das Bedürfnis, all die unliebsamen Bilder, Einbildungen und tatsächliche Erinnerungen aus dem Weg zu räumen ließ mich doch immer und immer nach einer Nadel lechzten, weil ich wusste, wie viel schlimmer alles werden würde, wenn ich es nicht tat. Nur leider füllten sich die Ampullen nicht von selbst auf und mein Vorrat war mit der Spritze von heute früh aufgebraucht. Definitiv ein Grund für mich, in Panik zu verfallen und meinen Mitmenschen gehörig auf den Zeiger zu gehen. Da Tauren so ziemlich der einzige war, der sich aktuell noch in meiner Nähe aufhielt, bekam er natürlich den ganzen Frust und den Ärger, die Unzufriedenheit zu spüren und ergriff um die Mittagszeit rum entnervt die Flucht, nachdem ich ihm sicher eine geschlagene halbe Stunde in den Ohren gelegen hatte, dass das so doch alles nicht mehr weitergehen konnte, aber auf etwaige Hilfsangebote dann überaus empfindlich reagierte. Er hatte schon einmal versucht, mich aus dem Drogensumpf zu ziehen, Cosma ebenfalls, aber... es war einfach so unglaublich schwer, sich davon loszusagen, obwohl es der reinste Fluch und die größte Katastrophe meines Lebens war. Aber die wenigen Lichtblicke im Vollrausch... hielten mich einfach weiterhin im Bann der Droge gefangen und negierten all die negativen Erfahrungen. Jedenfalls hatte ich mit ein paar beleidigenden Worten auf den Abgang des Norwegers reagiert und war erzürnt in mein Zimmer gestiefelt, dass ich inmitten meiner Anfälle hier und da... etwas demoliert hatte. Hier lagen Scherben einer kaputten Lampe, da war mal etwas von meinem Beistelltisch weggebrochen und die Blumenvase mit den blätterlosen Tulpen war irgendwann in den letzten Tagen an der gegenüberliegenden Wand zerschellt. Gerade, als ich mir aus einer der weniger kaputten Einrichtungsgegenstände - einer kleinen Kommode nahe der Zimmertür - die Schachtel Zigaretten geschnappt hatte, hörte ich im Flur wieder Geräusche. Ich dachte erst, Tauren war zurückgekommen und wollte ihn gerade anschreien, dass er jetzt auch nicht mehr angekrochen kommen brauchte, als plötzlich eine ganz andere Stimme an mein Ohr drang. Ich brauchte in meinem aufgewühlten, Entzugserscheinungen aufweisenden Zustand einen kurzen Augenblick, bis ich schließlich entnervt mit einem Glimmstängel zwischen den Lippen und tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen zurück in den Flur lief. Auf dem Weg dorthin hatte ich den Tabak mittels eines Feuerzeugs angezündet und hoffte nach dem ersten Zug bereits darauf, dass das Nikotin mich wieder ein klein wenig runterkommen lassen würde. Hatte zumindest in den letzten Tagen immer mal wieder ganz gut funktioniert, aber auf kurz oder lang war der Drang nach etwas sehr viel stärkerem einfach kaum noch auszuhalten. Bis dahin glaubten aber bestimmt vier oder fünf Zigaretten, manchmal unmittelbar nacheinander, dran, bevor ich auf und mich der Sucht hin gab. "Ich habe aber keine besonders große Lust, mich zu unterhalten.", stellte ich relativ trocken, trotzig fest, als ich am anderen Ende des Flures Sabins Gesicht ausmachte. Fast schon ein wenig kraftlos stand ich ein paar Meter weit von ihm weg im Gang, rauchte mehr oder weniger genüsslich meine Zigarette, wobei ich den Geschmack nach wie vor absolut widerwärtig fand. Aber die Zigaretten halfen mir, nicht unmittelbar nach den kleinsten Anzeichen des Entzugs Amok zu laufen. Verschafften mir noch ein wenig Zeit, bis mein zentrales Nervensystem quasi in sich zusammenklappte.
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Nein, was für eine Überraschung. Das hatte ich mir tatsächlich schon denken können, als ich dieses Haus betreten hatte. Allein schon aus Taurens Erzählungen heraus, wenn ich mit Sydney immer zwecks Vahagns Hilfestellung hergekommen war. Im ersten Augenblick waren es dennoch nicht Richards Worte, die primär meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern viel mehr seine Gestalt. Der Dunkelhaarige war zwar schon immer schmaler gewesen als Hunter oder ich beispielsweise, aber er schien noch einige Kilos mehr verloren zu haben. Sein Gesicht war schmaler, die Arme deutlich dünner. Gerade weil ich ihn so lange nicht wirklich zu Gesicht bekommen hatte - meistens hatte er sich sehr gekonnt in sein Zimmer verkrochen, wenn ich hier gewesen war - fiel es mir noch einmal viel stärker auf, als wenn ich den schleichenden Prozess beobachtet hätte. Alles, was ich bisher von ihm gesehen hatte, war ein flüchtiger Seitenblick, wenn er sich durch den Flur getrollt und in ein anderes Zimmer verzogen hatte, damit er seine Ruhe hatte. Er war nicht der erste Drogenabhängige, den ich abstürzen sah, aber trotzdem wanderte meine Augenbraue postwendend nach oben, während ich ihn recht eindringlich musterte. Ich unterstrich ihm damit nämlich gerne sehr ausgiebig, wie beschissen er aussah. "Ich hab nicht danach gefragt, ob du Lust dazu hast. Du hast keine Wahl.", stellte ich erst einmal mit ruhiger, aber kräftiger Stimmlage klar, dass es mich nicht die Bohne interessierte, ob dem werten Herrn Crystal ein Gespräch gerade gelegen kam oder nicht. Wenn er seine Probleme nicht allein in den Griff bekam, dann hatte er sich das ganz allein zuzuschreiben und musste jetzt mit den Konsequenzen leben. Wie genau jene ausfallen würden hing wohl ganz davon ab, wie er im Allgemeinen weiterhin auf mich reagieren würde. "Hast du mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus wie ein Geist.", wies ich ihn neben meinen vorherigen Blicken noch einmal wörtlich darauf hin, dass er das Spiel mit den Drogen jetzt auch für andere deutlich sichtbar viel zu lange trieb, ohne dass er das mit seinen aggressiven Reaktionen noch einmal hätte verdeutlichen müsste. Er war zu dünn und recht blass, wirkte ausgelaugt. Gängige Nebenwirkungen von Drogenkonsum, wirklich überraschend kam das für mich also nicht. Ich lehnte mich mit der rechten Schulter an die nahegelegene Wand, verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei entließ ich den jungen Mann zu keiner Sekunden aus meinem Blick. "Wie auch immer... jedenfalls ist es an der Zeit, dass du mit der Scheiße endlich aufhörst. Du terrorisierst den armen Kerl jetzt schon lange genug, was mindestens nach Entfall seiner Mietzahlungen schreit. Außerdem steht das Labor in den Startlöchern, also krieg' endlich deinen verdammten Arsch wieder hoch. Ich hab schon angefangen und es läuft alles so perfekt wie in Norwegen - ausgezeichnete Qualität und perfekte Lagerbedingungen, dafür hab ich gesorgt. Du weißt aber so gut wie ich, dass ich langfristig allein nicht genug zusammenkriege, also wirst du jetzt mit dem Entzug anfangen. Sofort.", erklärte ich ihm zuerst, was ich davon hielt, dass er Tauren mit seinem Drogenkonsum so fertig machte und dann im direkten Anschluss auch, dass das Labor wieder nach ihm rief. Ganz gleich ob er sich nun dazu bereit fühlte oder nicht, er würde jetzt damit aufhören sich tagein und tagaus die Birne mit dieser hochgradig giftigen, chemischen Drogen zu betäuben. Selbst wenn ich ihn dafür mit zu mir nach Hause schleppen und einsperren musste, um mit absoluter Sicherheit verhindern zu können, dass er erneut die viel zu dünnen Finger nach Drogen ausstreckte - er würde aufhören. Wenn es ihm leichter fiel und er langsam mal damit begann an seinem respektlosen Tonfall zu arbeiten, dann könnte ich mich vielleicht sogar dazu überreden ihm Medikamente zu besorgen, die seine Entzugserscheinungen linderten. Das war allerdings zwingend an die Bedingung geknüpft, dass er damit aufhörte sich wie eine pubertierende Göre aufzuführen, die den zu ausgiebigen, mehrtägigen Alkoholkonsum vom Wochenende nicht vertragen konnte und dann die ersten Tage der neuen Schulwoche alles anmotzte, das nicht bei drei verschwunden war. Dass er das Labor nicht wieder betreten konnte, bevor er rein körperlich schon clean war, verstand sich wohl von selbst. Schlimm genug, dass wir mit seinem Entzug jetzt wertvolle Tage ins Land ziehen lassen mussten, da sollte er mir jetzt nicht auch noch auf die Nerven gehen. Meine Geduld war zwar recht ergiebig, aber ich würde mir hier nicht von einem Junkie auf der Nase herumtanzen lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte keine andere Wahl? Das sah ich aber anders. Schließlich befand ich mich hier in meinen eignen vier Wänden, konnte schalten und walten, wie ich das wollte und für richtig hielt wenn mir der Sinn weniger nach einer Konversation stand, konnte sich der Italiener ruhig den Mund fusselig reden. Mir erzählen, wie fies und gemein ich doch zu dem armen Tauren gewesen war, den ich aus reiner Nächstenliebe gegen einen kleinen Obolus bei mir hatte einziehen lassen - dafür, dass er sich jetzt beschwerte? -, dass das Labor rief und das ich... jetzt sofort mit dem Entzug anfangen sollte? Den ersten Teil hatte ich gekonnt überhört, weil ich, wie gesagt, bereits genug eigene Probleme hatte und mir die von anderen nicht gleich mit aufbürden würde, aber dass Sabin derart überzeugt davon war, dass genau er jetzt derjenige war, der mich endlich dazu bewegen konnte, mit der ganzen Scheiße aufhören, ließ mich doch kurz herzhaft auflachen. Wie stellte er sich das denn bitte vor? Erfolgsaussichten hatte das Ganze vermutlich nur, wenn ich mich dahingehend in geschulte Hände gab und so ziemlich die ganze Welt wusste, wie meine Beziehung zu Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen dieser Art waren. Bei einem kalten Entzug hingegen würde ich mir vermutlich schneller die Radieschen von unten angucken, als mir das lieb war, also nein... Vielleicht war es dem allgemeinen inneren Unwohlsein darüber, dass ich jetzt schon so lange nichts mehr konsumiert hatte zu verschulden, dass ich mich derart quer stellte, obwohl ich eigentlich wusste, dass Sabin, wie auch Tauren und Cosma zuvor mir eigentlich nichts Schlechtes wünschten. Allesamt wollten sie nur, dass es mir wieder besser ging. Aus den verschiedensten Gründen, aber das war ja eigentlich auch egal. Fakt war nur, dass auch Sabin mich nicht dazu bewegen können würde, mich von den Drogen loszusagen, weil mein Körper das einfach nicht mit sich machen ließ. Ich hatte es immerhin schon das ein oder andere Mal versucht, einfach aufzuhören und hatte ja doch immer wieder zur Spritze gegriffen. Er schrie jedes Mal wieder nach seiner täglichen Dosis und ich merkte, wie ich zunehmend hibbeliger wurde. Es war an der Zeit. Die Zigarette hatten binnen der nächsten drei tiefen Züge ihr Ende gefunden und ich drückte den Stummel in einem Aschenbecher, der nahe Sabin auf einer Kommode im Flur stand, aus, bevor ich kopfschüttelnd wieder die zwei Meter zurück lief und auf der Schwelle zu meinem Zimmer dem Italiener endlich eine Antwort gab - nach einer gefühlten Ewigkeit, versteht sich, weil ich kurzzeitig wieder in Gedanken versunken war. "Wenn du nur hergekommen bist, um mir das mitzuteilen, dann hättest du dir den Weg sparen können. Ich kann noch nicht arbeiten.", informierte ich ihn über die vergeudete Liebesmüh seinerseits, wobei ich das Thema mit dem Entzug und die Anspielung auf mein scheußliches Aussehen gänzlich außen vor gelassen hatte. Ich hatte schlicht keine Lust, jetzt mit ihm zu diskutieren und das wäre wohl zwangsläufig der Fall, wenn ich ihm darauf ein paar ehrliche Antworten gegeben hätte. Zum einen wusste ich zwar nicht, wie schrecklich ich aussah, konnte es mir aber durchaus vorstellen und zum anderen war ein Entzug aus eben genannten Gründen schon keine wirkliche Option. Ich musste versuchen, damit irgendwie alleine klar zu kommen. Das war natürlich absolut aussichtslos, so tief, wie ich bereits in der Scheiße drin steckte, machten wir uns an der Stelle nichts vor, aber vielleicht wollte ich unterbewusst ja auch überhaupt gar nicht aufhören. Ich redete mir zwar ein, dass das alles ganz schrecklich war und mein Leben mit den Drogen nur noch eher ein Ende nehmen würde, aber eventuell war ja genau das der springende Punkt? Vielleicht wollte ich ja noch vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres nicht mehr unter den Lebenden weilen. Gute Gründe, die dagegen sprachen, gab es in meinen Augen nämlich nicht. Ich war alleine, lebte irgendwo am Arsch der Welt, wo ich keine Sau kannte, mein Gesicht war weiterhin entstellt, meine Psyche gebrochen und ich sollte bloß weiter leben, um zu arbeiten? Sah in meinen Augen nicht besonders lebenswert aus, aber gut, vielleicht sprach da auch nur die entzugsbedingte Depression aus mir heraus. Aber aus welch Gründen auch immer... ich wollte mich nicht in einen stationären Entzug begeben und deshalb schüttelte ich auch ziemlich entschlossen mit dem Kopf, als ich den letzten Schritt durch die Tür in mein Zimmer getan hatte, um jene hinter mir ohne ein weiteres Wort ins Schloss fallen zu lassen. Naiv darauf hoffend, dass Sabin mich einfach in Ruhe lassen und wieder gehen würde, nachdem ich ihm ziemlich unmissverständlich klar gemacht hatte, dass ich mich für seine Idee, mich erst auf Entzug zu setzen und dann wieder für sich arbeiten zu lassen, eher weniger begeistern konnte. Laut eigener Aussage kannte er die Abläufe doch bereits, sollte er dich eben jemand anderen suchen, den er anlernen konnte und mich damit in Ruhe lassen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte für meinen Geschmack erstmal ein paar Sekunden zu lang, bevor Richard sich überhaupt irgendwie zu dem äußerte, was ich gesagt hatte. Es sollte mich vermutlich nicht wundern, dass seine Antwort weder irgendwie produktiv war, noch dass er sich absolut desinteressiert an einer Lösung des Problems zeigte. So waren sie alle, die Drogenabhängigen. Selbst dann, wenn sie unterbewusst vielleicht mit dem krank machenden Mist aufhören wollten, dann konnten sie einfach einfach nur deshalb nicht, weil der Wille dazu nicht präsent da war. Man kam von Drogen nicht los, wenn man es nicht wirklich wollte. Der Wille zum Aufhören musste stärker als die erbärmlichen Suchtschreie des Körpers sein, der sich nach immer mehr Stoff und der entsprechenden Wirkung verzehrte, sonst konnte das nicht funktionieren. Mir schien als wäre das auch das grundlegende Problem bei unserem Engländer hier. Er konnte nicht aufhören? Eine dreiste Lüge. Aber als wäre das an sich noch nicht genug entschied er sich das Gespräch gleich wieder beenden zu wollen, indem er sich einfach zurück in sein Zimmer verpisste. Dachte er wirklich, dass ich es ihm derartig leicht machen würde? Dass ich ihn jetzt einfach in Ruhe ließ, nur weil er mir aus dem Weg ging? Wir hatten schon lange genug zusammengearbeitet. Er müsste es dementsprechend eigentlich besser wissen, aber wenn er lieber die umständliche Tour haben wollte, dann konnte er sie haben. Ich würde hier nicht weggehen ohne erreicht zu haben, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Also stieß ich mich von der Wand ab, kaum dass er sich wieder abgewendet hatte setzte mit energischen Schritten zur Verfolgung an. Legte die Hand an die Klinke und zog die Holztür prompt wieder auf, kaum dass sie zugefallen war. Ich folgte Richard die zwei, drei Schritte in den demolierten Raum hinein, der augenscheinlich schon reichlich unter seinen Wahnvorstellungen und Launen hatte leiden müssen. Allerdings war das gerade für mich eher nebensächlich, weil ich schließlich nicht zu ihm aufgeschlossen hatte, um ihn daran zu erinnern, dass er seine vier Wände mal wieder auf Vordermann bringen sollte. Stattdessen packte ich ihn hinten am Kragen seines Shirts und zog ihn ziemlich schwungvoll rückwärts wieder aus dem Zimmer. Er hatte sich lange genug darin verschanzt, mit weglaufen und sich verstecken war jetzt nicht mehr. Es ging also zurück in den Flur und am Türrahmen angekommen gab ich ihm noch einen letzten, ordentlichen Ruck nach hinten, um ihn damit unsanft mit dem Rücken bis an die Wand gegenüber seiner Zimmertür taumeln zu lassen, bevor ich mich verhältnismäßig dicht vor ihn stellte. Vielleicht ließ ihn das bisschen Schmerz - ein Schädelhirntrauma würde er wegen dem unsanften Aufkommen seines Hinterkopfes an der Wand wohl kaum davontragen, aber unangenehm war das bestimmt - endlich mal ein bisschen aufwachen. Ich glaubte nicht, dass Schmerz nach der verpassten Narbe von Hunter und der darauffolgenden Folter des inzwischen längst toten Italieners sein neuer, bester Freund geworden war. "Jetzt hör mir mal zu, Freundchen... wir haben dir lange genug Zeit gegeben, um wieder klarzukommen und deinen Scheiß allein geregelt zu kriegen. Du kannst sehr wohl arbeiten, du hast nur einfach keinen Bock darauf die Entzugserscheinungen ertragen zu müssen. Wenn du das hier nicht packst, obwohl Cosma oder Tauren dir sicherlich dabei zur Seite stehen würde, wenn du nur mal nett fragen würdest", weder war der junge Norweger besonders nachtragend, noch würde er aus Trotz ablehnen. Dazu war er einfach ein zu guter Mensch und die Rothaarige würde dem Engländer als ihren besten Freund den Wunsch nach Hilfe vermutlich genauso wenig ausschlagen. "dann nehm' ich dich eben mit. Länger anschauen werde ich mir deinen mentalen und körperlichen Zerfall aber ganz bestimmt nicht.", zischte ich zu ihm runter und tippte ihm den Finger mit Nachdruck an die Brust, weil mich diese vehemente Uneinsichtigkeit einfach ein Stück weit sauer machte. Ich hatte ihn schon längst losgelassen, als ich zu reden angefangen hatte, wich aber keinen Schritt zurück und ließ zwischen ihm und mir maximal einen halben Meter Platz. Es gäbe genug Leute, die dem Dunkelhaarigen unter die Arme greifen würden, wenn er nur einfach endlich mal einsehen würde, dass er das Problem alleine nicht mehr gestemmt bekam. Offenbar war er sich dazu aber einfach zu fein oder hatte keine Lust auf die Konsequenzen seiner Drogeneskapade. Blöd nur, dass er gar keine andere Wahl hatte, als sich dem jetzt zu stellen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Natürlich, eigentlich hätte mir das von vornherein schon klar sein müssen, dass Sabin sich so einfach nicht geschlagen geben würde und doch hatte ich es irgendwie gehofft. Dass er mich einfach in Frieden lassen würde, so wie Tauren und Vahagn das in den letzten Tagen auch getan hatten. Sie waren mir aus dem Weg gegangen, hatten mich ignoriert und mich mein Ding machen lassen. Warum konnte das der Italiener jetzt nicht auch einfach so handhaben? Er brauchte mich genau so wenig, wie ich eigentlich die Drogen brauchte und trotzdem verlangte er nach mir, wie ich nach dem chemischen Stoff. Warum sollte ich es ihm denn leichter machen, als es das für mich selbst war? Zugegeben war ich momentan einfach ziemlich durch den Wind und wusste im Prinzip eigentlich gar nicht so richtig, wo mir der Kopf stand, was ich wollte und worum es hier eigentlich gerade ging. Meine Gedanken befanden sich auf Achterbahnfahrt, während mein Körper immer deutlicher machte, dass ihm etwas sehr Essentielles zu fehlen schien. Ich hatte gerade eine weitere Zigarette aus der Schachtel fummeln wollen - was mit zittrigen Händen gar nicht mal so leicht war -, als die Tür hinter mir auch schon wieder aufschwang und ein sichtlich erzürnter Sabin das Zimmer betrat. Ich konnte mich gar nicht so schnell in seine Richtung umdrehen, da hatte er mich auch schon am Kragen meines Shirts gepackt und mich rückwärts wieder aus meiner demolierten Höhle heraus geschleppt, um mich unsanft an die gegenüberliegende Wand zu stoßen. Mir kroch kurzzeitig die Panik den Hals hinauf, weckte diese grobe Art doch Erinnerungen, die ich bis hierhin eigentlich ganz gut verdrängt hatte. So schlimm sollte aber das, was darauf folgte, dann aber Gott sei Dank nicht sein. Es folgte kein Schlag ins Gesicht und würgen tat er mich auch nicht. Trotzdem hatte ich ein hörbar ersticktes Ächzen von mir gegeben, als ich mit dem Hinterkopf gegen die Wand gestoßen war und mir nun die leicht pochende Stelle rieb, während Sabin bereits einen weiteren Dialog von sich gab, den ich nur mehr oder weniger mit einem halben Ohr verfolgte. Ich wollte mir den Vorwurf, dass ich schlicht keinen Bock zu arbeiten hatte, weil ich mit den Entzugserscheinungen nicht klar kam, nämlich einfach nicht anhören und erst recht nicht, dass - mal wieder - gegen meinen Willen darüber entschieden werden sollte, was mit mir passierte. Als wäre ich ein blödes Schlachtvieh ohne eigene Meinung oder Mitbestimmungsrecht. "Warum interessiert ihr euch eigentlich alle ganz plötzlich dafür, wie es mir geht?", schnauzte ich zurück, weil mir das Ganze hier ein bisschen zu blöd wurde. "Wäre ich nicht durch Zufall an dem Tag, an dem ihr das Hotel" - ich sprach natürlich eher von Hunter, Vahagn und deren Gefolgschaft - "gestürmt habt, mit dem Rest in einem Zimmer gewesen, dann hätte doch kein Hahn mehr nach mir gekräht. Ihr habt mich tagelang in der Hölle schmoren lassen und euch einen Dreck darum geschert, wie es mir danach ging. Jetzt habe ich einen Weg gefunden, mit der Scheiße einigermaßen fertig zu werden und ganz plötzlich, wenn es um das liebe Geld geht, kommt ihr alle angerannt und macht euch plötzlich Sorgen, sagt, ich soll mir helfen lassen. Helfen von wem? Tauren und Cosma? Während die eine mich mit ihrer beschissenen Beziehung zu Hunter erst in die ganze Scheiße hinein geritten hat, würde mich der andere vermutlich jederzeit wieder für seine russische Hure von der Couch schmeißen, so wie er das damals in Norwegen auch schon getan hat. Also versuch' mir nicht zu erzählen, dass die beiden mir helfen wollen! Sucht euch gefälligst einen neuen Deppen, der für euch die Drecksarbeit erledigt und weiterhin so tut, als wäre alles in bester Ordnung, ich bin noch lange nicht damit fertig, mich wieder zu sammeln. Red' dir ruhig ein, dass ich nur ein Problem damit habe, die Entzugserscheinungen wegzustecken und deswegen nicht arbeiten will, aber ich kann dir sagen, dass hier oben", mittlerweile zitterte nicht nur meine Hand, als ich mit dem Finger energisch gegen meine Schläfe tippte, sondern auch der Arm mitsamt dem Rest meines Körpers. Das Adrenalin rauschte ungeachtet meines ohnehin erregten Zustandes jetzt noch zusätzlich durch meine Blutbahnen und es brauchte sicher nicht mehr viel, bis ich einfach ohnmächtig werden oder einen Schlaganfall erleiden würde. Ich hörte das Blut schon in meinen Ohren pochen, was in der Regel kein gutes Zeichen war. Dennoch fuhr ich fort, war ich noch lange nicht fertig damit, Sabin meine Meinung zu geigen, was schon lange überfällig gewesen war. "Hier oben, Sabin, da gibt es noch eine ganze Menge unbearbeiteter Scheiße und die wird nicht mal eben so verschwinden, weil Hunter oder du irgendwelche Pläne für mich habt!", knurrte ich und stieß dem Italiener im Anschluss reichlich unsanft gegen die Brust, weil ich wollte, dass er mir Platz machte. Ich fühlte mich eingeengt, hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und die Panik kroch wieder in mir nach oben. Vermutlich nur wieder einer der vielen Angstzustände, die mich in den letzten Tagen vermehrt einholten - wusste der Geier, warum. "Ich will keine Hilfe und jetzt verpiss' dich!", machte ich noch einmal unmissverständlich klar, dass weder er, noch irgendjemand anderes, der mir seine Hilfe anbot hier gerade erwünscht war und versuchte darauffolgend, dieses Mal mit einem sichtbar panischen Gesichtsausdruck, mich aus der absolut unangenehmen Situation zu befreien.
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Oh nein, so konnte er mir jetzt nicht kommen. Zu allererst einmal war es keine Absicht gewesen ihn so lange in Agnolos Fängen verweilen zu lassen, wo wir doch schlichtweg einfach nur keine Ahnung gehabt haben, wo er sich überhaupt aufhielt. Wir hatten ja nicht einmal sicher gewusst, ob er im Hotel bei den Italienern war, als es dann letzten Endes gestürmt worden war. Zwar waren die Chancen dahingehend gut gestanden, weil Tauren eben auch zur Folter dort gewesen war, aber mit Sicherheit sagen können hatten wir das nicht. Wir hatten es aber gehofft - ich zumindest und Cosma ganz sicher auch, daran hatte ich keine Zweifel. Ich müsste wohl lügen, um zu sagen, dass Hunter sich wirklich um Richards Leben gesorgt hatte, er wäre vermutlich trotzdem nicht traurig um sein Ableben gewesen. Das einzig negative, das er daran gesehen hätte wäre wahrscheinlich, dass wir Jemand Neues in den Drogenkreislauf mit einbinden hätten müssen. Es war einfach immer unheimlich lästig, wenn man Jemandem Alles neu beibringen musste und Fehler waren dabei immer vorprogrammiert. Ich hatte gerne Jemanden, auf den ich mich verlassen konnte und solche Leute waren allgemein schwer zu finden. Ich würde es also jederzeit vorziehen weiter mit Richard zu kochen, auch unabhängig von dem höheren Ertrag dabei. Er war genauso akribisch wie ich und auf ebenso perfekte Ergebnisse aus, machte schlichtweg keine Fehler und war immer zuverlässig gewesen. Wir hatten vielleicht unsere Startschwierigkeiten zu Beginn gehabt, aber ich mochte den jungen Mann gern - gerade deswegen, weil er eigentlich ordentlich was im Kopf hatte. Wir hatten uns schließlich nicht selten beim Kochen unterhalten, wenn wir hier und da Pausen machten und dementsprechend konnte ich durchaus behaupten, dass er mir sympathisch war... und er war ein Freund. Vielleicht kein jahrelanger, den ich in- und auswendig kannte, aber ich zählte ihn dennoch zu jenen und fand es entsprechend beschissen, dass er sein Leben scheinbar getrost über Bord werfen wollte. Aber als wäre der ganze Redeschwall an sich nicht genug, unterstrich er sein teils komplett unsinniges Gerede auch noch mit eindeutig viel zu respektlosen Gesten. Er könnte mir in seinem jetzigen Zustand vermutlich höchstens im Traum gefährlich werden, aber mit dieser Trotz-Reaktion, weil er gerade die ganze Welt zu verteufeln schien, war er bei mir ganz gewaltig an der falschen Adresse. Ich hatte es satt mir hier anzuhören, wie sehr wir uns alle doch nicht um ihn kümmerten - wie sollten wir das auch, wenn er sich nicht helfen ließ? Wenn er alles und jeden partout abblockte? Ich knurrte in mich hinein und legte eine Hand seitlich an seinen Kopf, um ihn so bis zu der Kommode hin zu ziehen und ihm den Schädel dort auf die obere Platte zu drücken, damit er stillhielt. Nicht fest, er dürfte dabei keine Schmerzen haben, aber die gebückte Körperhaltung war sicher unbequem. Ich hielt mit der Hand trotzdem nur so weit dagegen, wie nötig war, um ihn am abhauen zu hindern, weil mir nicht im Sinn stand ihm wehzutun - er sollte lediglich mal aufwachen. Sein Gesicht zeigte dabei zu dem ziemlich vollen Aschenbecher hin, in dem er vorhin noch seine Kippe ausgedrückt hatte, während ich seitlich neben ihm stand, damit er mich im Blickfeld hatte. "Du wirst dich jetzt beruhigen und mir zuhören, verdammt nochmal. Du benimmst dich wie ein bockiges Kind und nicht wie Jemand, der an einer Universität sein Wissen an jene weitergegeben hat. Das hier bist nicht du, Richard. Du bist eigentlich viel zu schlau, um dir dein Gehirn mit Drogen kaputt zu machen. Ich verstehe sehr wohl, dass es dir nach der Sache mit Agnolo wirklich beschissen geht, ich hab selbst oft genug unter der Mafia gelitten... aber wirf uns nicht vor, dass wir dir nicht helfen, wenn du dir einfach nicht helfen lässt!", waren die ersten Worte, die ich zum ihm runter grummelte. Ich bemühte mich wirklich darum ruhig zu bleiben und auch nicht lauter zu werden, weil ihn anzuschreien sehr sicher nur kontraproduktiv war. Aber der angesäuerte Unterton ließ sich nicht vermeiden. "Wir konnten dich nicht früher da rausholen, weil wir keinen blassen Schimmer davon hatten, wo du überhaupt bist. Hätte Tauren uns keinen entscheidenden Hinweis gegeben, dann würden wir vermutlich allesamt schon in Norwegen unter der Erde liegen, weil wir weder dich, noch die Italiener gefunden hätten... und Hunter hat dich bewusst mit rausgeholt. Es stand nie zur Debatte, dass er das Hotel wieder verlässt, bevor nicht jeder Quadratmeter darin nach dir abgesucht worden wäre. Ich will nicht behaupten, dass er sich um dich als Person schert, aber er hätte dich genauso gut einfach da verrecken lassen können - hat er aber nicht. Es stand nämlich zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion, dass wir dich einfach so zurücklassen.", rückte ich erst einmal die Sache mit seiner Befreiung ins rechte Licht, weil er ganz eindeutig ein falsches Bild davon hatte. Nach der Ermordung der Italiener war er schließlich unmittelbar auf der Liste der zu erledigenden Dinge gestanden, hatte sehr wohl einen hohen Stellenwert in dieser Stürmungsaktion selbst gehabt. "Ich muss auch kein Arzt sein, um dir sagen zu können, dass die Drogen deiner kaputten Psyche nicht helfen werden. Eher nur alles noch schlimmer machen, weil du parallel deinen Körper zu Grunde richtest, bis du irgendwann daran verreckst. Wirf doch nicht dein ganzes Leben wegen einem Trauma weg, Richard... je länger du hier rumsitzt und in deinem Kopf und den Drogen versinkst, desto schwieriger wird es da überhaupt nochmal rauszukommen. Mach den Schritt jetzt, bevor es zu spät dafür ist... und ich will dir nicht primär wegen dem Geschäft helfen, sondern als Freund. Du hast mir damals in Norwegen auf die Beine geholfen, nachdem ich mein vorheriges Leben weggeschmissen habe und jetzt werde ich dir helfen - ob du meine Hilfe nun willst oder nicht.", führte ich meine Ansprache schließlich zu Ende und wurde, je länger ich redete, immer ruhiger. Einfach, weil durch all die Worte ein Teil der Anspannung in meiner Brust mit verflog und ich mich dadurch wieder etwas entspannte. Wenn der Engländer sich jetzt immer noch nicht helfen lassen wollte und seine Einstellung beibehielt... tja, dann wurde er wohl ein weiteres Mal gekidnappt - wenn auch diesmal ohne anschließende Folter und allgemein auf sehr milde Art und Weise.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mir rutschte das Herz förmlich in die Hose, als ich Sabins Hand an meinen Kopf spürte, weil sich augenblicklich die Erinnerung an eines unserer ersten Treffen vor meinem inneren Auge zu manifestieren begann. Ich hatte diese Hand bereits an genau der gleichen Stelle schon einmal gespürt, kurz bevor er mir mein Gesicht an einem Zaun demoliert hatte. Für einen Ausruf der Angst fehlte mir jedoch die Kraft und so standen mir lediglich die Tränen in den Augen, als mich Sabin auf die Kommode drückte und damit erzwang, dass ich weiterhin bei ihm blieb, den Blick voller Angst auf ihn gerichtet ließ. Ich jammerte noch ein "Lass mich los... bitte." kurz bevor er ungeachtet meiner Bitte anfing, den von mir getätigten Aussagen zu widersprechen und mich damit doch tatsächlich zum Nachdenken anzuregen. Selbstverständlich ließ er dabei nicht von mir ab und mich aus dem Griff zu winden war nahezu unmöglich, ohne mir dabei das Genick zu brechen. Ich seufzte also leise, hörbar resigniert und weiterhin zittrig, während ich den Worten des Italieners zu folgen begann. Was ich mit den neu gewonnenen Informationen allerdings anfangen sollte, wusste ich nicht so genau. Zum einen konnte ich mir nicht sicher sein, dass er wirklich die Wahrheit sagte - vielleicht behauptete er das ja nur, damit ich einknickte und mit ihm kam? - und zum anderen wüsste ich nicht, was ich sagen oder wie ich mich verhalten sollte, wenn an seinen Erzählungen wider Erwarten etwas dran war. Das würde nämlich bedeuten, dass ich sowohl Tauren, als auch Cosma und dem Rest der Gruppe bis hierhin Unrecht getan hatte, indem ich sie vollkommen falschen Tatsachen beschuldigte. Dabei war ich mir so sicher gewesen, dass ich ihnen schlicht und ergreifend egal war und mein Leben, meine geistige Gesundheit sie einen Scheißdreck interessierte. Wie schaffte es Sabin, dieses Denken innerhalb kürzester Zeit in seinen Grundfesten zu erschüttern? Ich musste den jungen Mann eine ganze Weile, nachdem er zu reden aufgehört hatte, einfach nur angesehen haben, weil ich mir absolut nicht mehr sicher war, was ich jetzt glauben oder denken sollte, ehe ich kurz die Augen schloss. Hoffte, dass sich mir eine Handlungsanweisung des lieben Gottes offenbaren würde, wenn ich die Lider wieder öffnete, aber wie zu erwarten gewesen war hatte sich absolut nichts verändert, als ich Sabin durch einen Schleier aus Tränen hindurch ansah. "Ich... ich kann nicht, Sabin. Bitte versteh' doch. Das... wird nicht funktionieren.", flehte ich bestimmt jetzt schon zum dritten Mal, dass er mich einfach in Ruhe lassen und sich stattdessen jemand anderen für den Job suchen sollte. Ich griff dabei auf ein relativ begrenztes Repertoire an Worten zurück, die so auch nicht unbedingt der Wahrheit entsprachen, aber mir fiel schlicht und ergreifend einfach nichts besseres ein. Ich hatte nichts, um seine Aussagen zu entkräften, konnte sie nicht widerlegen und allgemein herrschte in meinem Oberstübchen aufgrund der Entzugserscheinungen und der Panik kräftig Durchzug, aber klein bei geben wollte ich dann auch wieder nicht, selbst wenn er mit seinen Behauptungen Recht hatte. Denn auch ohne das Wissen, mich gegenüber Freunden falsch verhalten zu haben, fühlte ich mich einfach nicht bereit, wieder an die Öffentlichkeit zu treten. Bevorzugte es, lieber den ganzen Tag hier in der Hütte zu verbringen, alleine, wenn es sein musste. Mal ganz abgesehen davon, dass mein letztes Mal in der Drogenküche jetzt schon eine ganze Weile her war und ich sicherlich Zeit brauchen würde, um mich wieder mit der Arbeit vertraut zu machen, hielt ich es zudem noch immer für recht unrealistisch, dass ein Entzug ohne medizinisch geschultes Personal wirklich nennenswerte Erfolgschancen barg. Mir war zwar durchaus bewusst, dass sich dieses Denken auch in Zukunft nicht ändern würde, wenn ich es nicht einfach darauf ankommen ließ, aber was sollte ich groß sagen. Viel Sinn machte all das, was ich sagte, wie ich mich verhielt und was aktuell in meinem Leben sonst noch so abging nicht.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich seufzte schwer, während ich die Hand an seinem Kopf langsam wegnahm. Wie konnte Richard denn wissen, dass das nicht funktionierte, wenn er es gar nicht versuchte? Es schien insgesamt relativ egal zu sein, was ich ihm nun sagte oder eben auch nicht - er schien sich in seiner Entscheidung, einfach so weiter zu machen wie bis hierhin, ziemlich sicher zu sein, nicht mit sich reden lassen zu wollen. Ich hasste es, dass ich ihn wohl oder übel ohne seine Einwilligung einsacken müssen würde. Aber hatte ich denn eine andere Wahl? Außer ihn einfach mit seinem Drogenschiff sinken zu lassen eher nicht, also schien das Ganze ziemlich unausweichlich zu sein. Darauf zu warten, dass er sich mal versehentlich eine Überdosis verabreichte und Tauren ihn durch Zufall irgendwann leblos in seinem Zimmer vorfand, weil er trotz seiner Angst mit irgendwas beworfen zu werden doch mal nach ihm sehen wollte, stand nicht zur Debatte. Wenn er nicht von selbst zur Vernunft kam, dann musste ich ihn eben dazu zwingen, weil es wohl sonst keiner machen würde. Hunter würde höchstens nach ihm sehen, um mit einem Hammer auf das momentan ziemlich zarte Gänseblümchen einzuprügeln und ihn mit seiner nicht vorhandenen Empathie noch ganz kaputt machen. Maximal noch dafür sorgen, dass der Engländer sich ganz bewusst eine Überdosis ansetzte, um nicht noch die zweite Gesichtshälfte weggebrannt zu kriegen, sondern lieber gleich ganz zu sterben. Dazu würde ich es nicht kommen lassen. Ich nahm meine Hand wieder zu mir zurück, blieb aber gedanklich auf Abruf, falls der Dunkelhaarige eine gänzliche Flucht bis nach draußen im Sinn haben sollte. Zwar glaubte ich angesichts der Tränen in seinen Augen und dem nicht aufhörenden Gezitter nicht wirklich daran, dass er es tatsächlich darauf anlegen würde, aber ich traute ihm andererseits gerade so gut wie alles zu. So wie jedem anderen Drogenabhängigen eben auch. Von Rauschmitteln abhängige Menschen kamen schließlich nicht gerade selten auf dumme Ideen, Richard wäre dabei also bei Weitem nicht der erste. "Du wirst es aber versuchen müssen, Richard. Entweder du packst jetzt selbst ein paar Sachen zusammen und setzt dich ins Auto, oder ich tu's für dich.", stellte ich den jungen Mann einfach vor vollendete Tatsachen und zuckte leicht mit den Schultern, die inzwischen wieder verhältnismäßig entspannt nach unten hingen. "Ich werd's dir auch so erträglich wie möglich machen... ich krieg sicher ein paar Medikamente aufgetrieben.", ließ ich ihn noch wissen, dass ich gewillt war ihm die Entzugssymptome auch mit entsprechender Medikation zu lindern, wobei mir Google ganz sicher eine ausreichende Hilfe war. Zwar war sicherlich fast Alles, was man für einen Entzug für gewöhnlich vom Arzt verordnet bekam, verschreibungspflichtig - von simplem Schmerzmittel mal abgesehen -, aber ich war mir ziemlich sicher damit, dass sich ein Apotheker auch auf Kuba mit genug Geld schmieren ließ. Die Leute hier waren arm, wer würde da schon nein sagen? Zwar freute es mich jetzt nicht unbedingt, dass ich einen Teil meiner kaum noch vorhandenen Kohle jetzt auch noch für den Entzug des Engländers aufwenden musste, aber ich bekam das ja mehr oder weniger zurück sobald er wieder zu arbeiten anfing. Bis dahin konnte ich mich sicher mit der kleineren Menge an Drogen über Wasser halten, die ich allein zusammen bekam.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zu sagen, dass ich mit meinen Nerven am Ende war, erschien mir ehrlich gesagt überflüssig. Man sah mir anhand der laufenden Tränen und den hängenden Schultern wohl ziemlich deutlich an, wie beschissen es mir eigentlich gerade ging, als Sabin mich endlich aus der unangenehmen Position entließ und ich mich wieder aufrichten konnte. Mein Rücken zwickte der verhältnismäßig langen, unbequemen Haltung wegen ein bisschen und auch das Stück verbrannte Stück Haut, welches unter dem Daumen des Italieners hatte leiden müssen, meldete sich mit einem kurzen Ziepen zu Wort, nur um die ohnehin schon vorhandene schlechte Laune zu komplettieren. Auch wenn ich Sabin jetzt sehr gerne finster angesehen hätte, weil ich ihm gegenüber momentan nichts weiter als Hass verspürte, zeugte der Blick, den ich ihm letzten Endes zuwarf bloß von purer Verzweiflung, Unsicherheit und Angst. Ich wollte nicht mitkommen, hatte das jetzt mehrfach ziemlich unmissverständlich ausgedrückt, aber die keine Widerrede duldenden Worte des jungen Mannes ließen mir wohl tatsächlich keine Wahl. Noch hatte ich die Entscheidung, freiwillig mit ihm zu gehen, andernfalls traute ich ihm wirklich zu, dass er mich notfalls einfach einsacken und verschleppen würde. Immerhin hatte ich ihm nicht wirklich etwas entgegen zu setzen, da spielte es noch nicht einmal groß eine Rolle, dass ich ein paar Kilo abgenommen hatte. Ich war sowohl Sabin, als auch Hunter haushoch unterlegen, wenn es um Attribute wie Ausdauer und Kraft ging, weil ich es schlicht und ergreifend einfach nicht brauchte. Ich hielt mich fit - oder hatte mich fit gehalten - um mir selbst und Männern in meinem Umfeld zu gefallen. Nicht, um irgendjemanden die Fresse zu polieren und das würde sich vermutlich auch in Zukunft nicht ändern. Zwar hätte ich aus Angst vor einer weiteren Entführung sicherlich gute Gründe dafür gehabt, mit Kampfsport als Selbstverteidigung anzufangen, aber ich weigerte mich, ein genau so gewalttätiges Arschloch zu werden, wie Agnolo eines gewesen war. Dass ich hier und da mal Dinge nach jemanden warf, weil mich der Rausch derart fest im Griff hatte, dass ich kaum mehr etwas mitbekam, ließ ich an der Stelle ganz einfach unkommentiert und konzentrierte mich wieder mehr auf die recht einseitige Konversation. Was ich zu sagen hatte, spielte ja doch keine Rolle und so setzte ich mich schweigend und mit gesenktem Haupt in Bewegung, um ein weiteres Mal mein Zimmer zu betreten. Fiel mir deutlich schwerer als noch vor ein paar Minuten, weil meine Kräfte mittlerweile nachzulassen schienen, weil das ständige Zucken der Muskulatur leider nicht von irgendwoher kam, sondern Energie des Körpers kostete. Dennoch steuerte ich relativ zielstrebig, wenn auch langsam die Kommode an, in der ich Unterwäsche und Socken verstaute, dann ging es weiter zum Schrank. Ich stopfte all die Klamotten in einen schlicht schwarzen Jutebeutel, um Sabin wenig später wieder gegenüber zu stehen. "Du wirst mich mit dieser absolut bescheuerten Idee sehr viel eher und leidvoller unter die Erde bringen, als es das Meth getan hätte.", stellte ich abschließend fest, dass ich der Meinung war, durch die Drogen einen weitaus angenehmeren Tod zu sterben, als durch den kalten Entzug, aber bitte. Ich war ja gerne bereit das unfreiwillige Versuchskaninchen für ausnahmslos jeden zu spielen. Überhaupt kein Problem, ich wusste ja inzwischen, dass meine Güte immer wieder gerne ausgenutzt wurde und wenn ich mich dann doch mal quer stellte, ganz einfach über meinen Kopf hinweg entschieden wurde. Vermutlich hätte es mir einen Haufen Leid erspart, wenn ich in jener Nacht im Hotel nicht Agnolo, sondern mir selbst die Knarre an die Schläfe gehalten oder mich gegen Kuba und für ein anderes Land ausgesprochen hätte. Fernab des Suicide Squads ein neues Leben aufgebaut hätte, wo mir zum einen kein schlechtes Gewissen eingeredet wurde, weil ich falsche Tatsachen behauptete und zum anderen ich mich einfach in Ruhe meiner mittlerweile ziemlich offensichtlichen Drogensucht hingeben konnte, bis dann schließlich mit vielleicht 28 Jahren alles dem Ende entgegenging. Aber genug davon. Es würde mich wohl nur noch mehr frustrieren und negativ beeinflussen, wenn ich darüber nachdachte, was passiert wäre wenn und deshalb hatte ich das Täschchen mittlerweile geschultert und Sabin abwartend angesehen. Nicht ohne das anhaltende Zittern, versteht sich.Sollte er nicht relativ bald ein geeignetes Substitutionsmittel auftreiben können, bräuchte ich zumindest für den heutigen Tag noch eine weitere Injektion der von meinem Körper momentan so herbeigesehnten Droge, ansonsten würde ich vermutlich schon morgen früh nicht mehr aufwachen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #