Das mit dem vorher Schreiben war sicher eine ganz gute Idee. Je nachdem was ziemlich spät nun genau bedeutete, war es nämlich sehr gut möglich, dass ich ohnehin nicht rangehen würde, weil ich noch mit den anderen beiden unterwegs war. Zugegeben wegen einer Sache, die moralisch gesehen in meinen Augen wirklich absolut nicht in Ordnung war, aber mir darüber Gedanken zu machen hatte ich wohl schon aufgegeben, als ich gerade mal ein halbes Jahr unter Hunters Fittichen gestanden hatte. Er verdiente sein Geld nicht mit Dingen, die der gesunde Menschenverstand gutheißen konnte und bezahlte davon unter anderem auch mein Einkommen, also hatte ich damit schon abgeschlossen. Es war in dieser Welt nun mal leider ganz einfach so, dass der stärkere immer das größere Los zog und den Sieg davontrug. Solange mir etwas an meinem Leben lag würde ich also einen Teufel tun, um irgendwelche von Hunters Aufgaben jemals in Frage zu stellen, weil sonst mein eigener Kopf rollte. Erst recht jetzt, wo Vahagn aufrichtig Gefallen an mir zu finden schien, würde ich nichts dergleichen riskieren und mich weiter an Ashtons Fersen heften, um von ihm zu lernen. Im Gegensatz zu Hunter ließ er zumindest hin und wieder auch mal ein Lob von sich hören, was die Geschichte alles in allem zumindest auch ein bisschen angenehmer machte. Tat in jedem Fall gut, dass ich zumindest ein paar Mal zu hören bekam, dass ich meine Arbeit durchaus gut machte. Andererseits wäre ich sicher ohnehin schon längst tot, wenn das nicht der Fall wäre. Ob nun durch Hunter, weil er die Schnauze voll hatte, oder durch die Kugeln einer feindlichen Waffe, sei mal dahingestellt. "Ja, kann sein, dass das dann sowieso nicht gleich hinhaut...", stellte ich eingangs mit einem leisen Seufzen fest, dass es sehr gut möglich war, dass ich ohnehin nicht gleich erreichbar sein würde, sobald Vahagn ihre Füße auf russischem Boden abgesetzt hatte. Demnach machte das mit der vorherigen Nachricht durchaus Sinn und sofern es möglich war konnte ich durchaus zumindest mal flüchtige Blicke aufs Display werfen, solange ich noch mit der Arbeit beschäftigt war. "...ich muss später wieder los wegen der Arbeit. Ziemlich genau in einer Dreiviertelstunde. Ist gut möglich, dass ich wieder bis vier oder fünf unterwegs bin.", fügte ich meinem vorherigen Satz noch ein paar mehr Informationen an und verdeutlichte damit im gleichen Atemzug, dass wir im Grunde zusammen über die Türschwelle nach draußen gehen konnten, weil sich unser spätmöglichster Aufbruchszeitpunkt stark überschnitt. Ich hatte es von hier aus nicht allzu weit bis in die Nähe des Hafens, wo Ashton und Desmond auf mich warten würden, was bedeutete, dass ich durchaus auf den letzten Drücker erst von hier verschwinden konnte. Zumindest in Havannas zivilisierteren Vierteln waren die Straßen ganz gut und das hieß, dass ich durchaus ein bisschen den Bleifuß benutzen konnte, um noch rechtzeitig zu kommen. Ich wollte schlichtweg jede erdenkliche, freie Minute nutzen, die ich momentan bekommen konnte und wenn jene Zeit auch noch die hübsche, junge Frau hier bei mir beinhaltete, dann erst recht. Vahagn sah jedoch so aus, als müsste sie vor ihrer Abreise noch die eine oder andere Kleinigkeit erledigen, was auch ganz gut erklärte, warum sie sich wieder von mir löste. Dabei wollte ich ihr natürlich nicht im Wege stehen, weil ich damit dann lediglich kostbare Zeit vergeuden würde, von der wir beide jetzt so oder so schon nicht viel haben würde. Deshalb bewegte ich mich zum Sofa und ließ mich auf das leere Sitzpolster fallen, hätte eigentlich auch wirklich gern ein wenig die Füße hochgelegt. Ich war in der letzten Woche nämlich schrecklich viel gelaufen und obwohl ich fast immer Sneaker trug, die eine etwas dickere, dämpfende Sohle hatten, taten mir wirklich die Füße weh. Genau genommen eigentlich alles, weil ich auch hier und da ein wenig Muskelkater hatte, aber die Treter waren wohl mit Abstand mein Hauptproblem. Deshalb schob ich mir die einfarbig schwarzen Sneaker nur noch schnell von den Füßen, dann hob ich auch schon die Beine aufs Sofa und ließ ein erleichtertes, zufriedenes Seufzen verlauten, als ich noch etwas tiefer ins Polster rutschte und es mir mit einem der Sofakissen so bequem wie möglich machte. Erst dann fiel mein Blick wieder auf die Brünette und ich warf ihr mit leicht schief gelegtem Kopf ein schwaches Grinsen zu. "Mir tun die Füße weh.", lieferte ich ihr einen schlichten, aber wohl ziemlich einleuchtenden Grund für das Schauspiel, das sich ihr hier gerade dargeboten hatte. "Also tu ruhig, was du noch erledigen musst... ich lauf' definitiv nicht weg.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an, die recht sarkastisch, aber dennoch auch gut gelaunt klangen. Der leicht müde Unterton würde heute wohl leider nicht mehr aus meiner Stimme verschwinden, aber trotzdem fühlte ich mich jetzt wesentlich besser als vor meinem Besuch hier bei Vahagn. Vielleicht waren noch immer nicht alle Bedenken wegen uns beiden vollends aus meinem Kopf gelöscht worden, aber ich war dennoch erleichtert und jetzt einfach mal ein paar Minuten absolut Nichts zu tun, außer zu entspannen, war nichts als Musik in meinen Ohren. Viel mehr schon eine wahre Symphonie.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Schon als Tauren mir offenbarte, dass ich ihn vermutlich nicht gleich ans Telefon bekommen würde und eine Textnachricht daher angebracht war, bestätigte mich auch ohne seine darauffolgenden Worte in der Annahme, dass er heute noch arbeiten musste. Diese Tatsache ließ mich ihn wiederum ein Stück weit mitleidig ansehen, weil er in meinen Augen doch ziemlich kaputt wirkte und eine Auszeit sicher willkommen heißen würde. Zwar war es noch nicht allzu lange her, dass der Norweger eine wirklich lange Zeit die Füße stillgehalten hatte, aber als Krimineller konnte man nach so manchen krummen Dingern gefühlt zwei Tage am Stück durchschlafen. Geregelte Arbeitszeiten gab es in unserem Metier jedoch nicht und deshalb tat mir der junge Mann gleich doppelt leid. Es machte mir daher auch überhaupt nichts aus, dass er es sich auf meinem Sofa bequem machte, auch wenn ich über die Faulheit der Männer doch immer wieder nur den Kopf schütteln konnte. Anstatt die Sporttasche, welche ich am anderen Ende der Couch auf dem Sitzpolster abgestellt hatte, aus dem Weg zu räumen, ignorierte er diese offensichtlich einfach und legte seine vorher von den Schuhen befreiten Füße einfach daneben oder aber auf ihr ab, was mir ebenfalls ein schiefes Grinsen auf die Lippen zauberte. Das ganze Szenario und auch die darauffolgende Erklärung des Schauspiels nickte ich einfach wortlos ab und verschwand dann für wenige Augenblicke aus dem Wohnzimmer. Tigerte noch einmal ins Bad und machte außerdem einen Abstecher in mein Schlafzimmer, um noch die letzten absolut notwendigen Reste zusammen zu sammeln. Es brauchte mich sicher nicht mehr, als vielleicht zehn Minuten, bis ich wieder zu dem erschöpft wirkenden jungen Mann aufschloss. Ich trat mit den Händen voller Hygieneartikel und Klamotten an das Sofa heran und musste dann erst einmal eines von Taurens Beinen zur Seite schieben, um den Inhalt schließlich beim Rest des Gepäcks für die nächste Woche verstauen zu können. Als das soweit erledigt war, zurrte ich den Reißverschluss zu und schmiss die unauffällig schwarze Sporttasche zu den anderen beiden mit dem Geld, die ich ebenfalls mit nach Russland nehmen würde. Einen Teil davon hatte ich ja doch einbehalten, allerdings nur so viel, dass es zum Leben oberhalb der Armutsgrenze ausreichte. Schließlich konnte ich ziemlich genügsam sein, wenn das notwendig war und aktuell ging es mir auch ohne ein dickes Auto oder prunkvolles Haus ziemlich gut. Dementsprechend waren die mehreren tausend Euro in Russland bei Iljah sicher besser aufgehoben. Auf dem Sofa war jetzt jedenfalls ein kleines, für mich absolut ausreichendes Plätzchen freigeworden und auch wenn ich die nächsten Stunden über sicher vermehrt sitzen würde, ließ ich mich ungeachtet dessen zu dem jungen Mann auf das Sitzpolster fallen. Rückte so weit zu ihm auf, dass ich problemlos eine Hand auf seinen Bauch legen konnte, mit der ich anfing, nachdenkliche Kreise zu ziehen. "Du fährst auf dem Weg zur Arbeit nicht zufälligerweise am Flugplatz vorbei und könntest mich dahin mitnehmen, oder?", fragte ich leise, verlegen schmunzelnd, wobei ich die Frage durchaus ernst meinte. So konnte ich mir immerhin die Kosten für ein Taxi sparen, die hier auf Kuba zwar lächerlich gering waren, aber selbst das bisschen ließe sich weitaus sinnvoller, als in eine Fahrt durch die Stadt investieren. Zwar stellte ich mir unweigerlich die Frage, ob Tauren überhaupt mit dem Auto gekommen war oder nicht einfach zu Fuß oder mit dem Motorrad vorbeigeschaut hatte, aber das würde er mir im Zuge seiner Antwort sicher mitteilen. Ich stand schließlich nicht all Ritt am Fenster und beobachtete, was draußen so los war. Dafür hatte ich schlicht keine Zeit und noch weniger die Lust. Ansonsten hätte sich mir zumindest die Frage um das genutzte Verkehrsmittel überhaupt nicht aufgetan. Mit dem aktuellen Wissensstand blieb mir nur leider nichts anderes übrig, als erst einmal eine Antwort abzuwarten, weshalb ich meinen Kopf fragend ein wenig zur Seite neigte, meinen Blick aber in den des Norwegers legte. Dabei fiel mir bestimmt zum hundertsten Mal auf, wie sehr ich mich in diese hellblauen Augen verguckt hatte und generell sicher mehrere Stunden damit verbringen konnte, ihn einfach nur anzusehen. In meinen Augen war der junge Mann nämlich nicht nur charakterlich ein absoluter Hingucker, sondern auch optisch gesehen unfassbar gutaussehend. Was mich die Sache mit Miguel gleich noch mehr bereuen ließ, weil jener dem Norweger rein vom Äußerlichen her absolut nicht das Wasser reichen konnte. Aber das war ja auch gar nicht der springende Punkt gewesen, warum ich mir lieber irgendeinen wildfremden Kubaner angelacht hatte, anstatt mich dem jungen Mann hier neben mir hinzugeben, dem ich fortlaufend über den Bauch und die unteren Rippen strich. Faktisch gesehen hatte ich einfach Angst, dass Sex die Beziehung zwischen uns verändern würde, noch bevor ich mich mit den aktuellen Gegebenheiten angefreundet hatte und das wollte ich einfach nicht. Natürlich war ich nicht weniger erpicht darauf, auch Neues an Tauren kennen zulernen, wie das umgekehrt sicher auch der Fall war, aber dafür brauchte ich einfach Zeit. Musste erst einmal die bis hierhin erzielten Fortschritte verarbeiten, bevor ich bereit war, einen Schritt weiter zu gehen. Ach ja - wo ich mit den Gedanken doch gerade bei einen Schritt weiter gehen war, stellte sich mir gleich eine weitere Frage, die nicht ganz unwichtig war, wenn der junge Mann doch tatsächlich die Möglichkeit dazu hatte und sich erbarmen würde, mich zum Start- und Landeplatz zu kutschieren. "Also... ich gehe davon aus, dass Hunter das mit uns schon irgendwie spitz gekriegt hat, aber... hast du mit ihm inzwischen darüber geredet?", sprach ich meine Bedenken wegen der doch bereits etwas intimeren Beziehung, als es eine rein platonische Freundschaft sein konnte, bezüglich seines Boss aus. Am Tag des Streits hatte Hunter noch recht entspannt gewirkt und das, obwohl spätestens da ziemlich offensichtlich gewesen war, dass da zwischen uns ein bisschen mehr lief, aber ich wusste nicht, wie das Thema Gefühle in den Reihen des Amerikaners gehandhabt wurde und bevor sich Tauren mit einer Ausrede aus der Affäre ziehen wollte, damit Hunter uns nicht öfter zusammen sah, als das unbedingt nötig war, wollte ich mich dahingehend einfach abgesichert haben. Lieber mit offenen Karten spielen und so weiter.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die paar Minuten, in denen Vahagn nicht im Raum war, sondern noch letzte Vorbereitungen für ihren Flug nach Russland traf, verbrachte ich überwiegend mit geschlossenen Augen. Atmete einfach einmal ganz tief durch, wo mir das gerade doch das erste Mal seit einigen Tagen so richtig möglich war. Zugegeben kam ich nicht mal dazu Zuhause bei mir mal aufzuräumen, hatte weder Zeit, noch Kraft dazu. Andererseits staute sich auch gar nicht wirklich viel mehr als herumliegende Klamotten an, weil ich ja nicht mal Zuhause aß, sondern gefühlt nur dort schlief und duschte. Ich nahm mir auf dem Weg zu Ashton immer flüchtiges Frühstück mit - das eher Mittagessen war, weil es da meist schon gegen 15 Uhr war und auch gar keine Bäckerei oder Gleichwertiges auf dem Weg lag - und am späten Abend vor der eigentlichen Arbeit aßen wir meistens noch schnell an den verschiedensten Ecken der Stadt etwas, damit uns danach kein knurrender Magen im Weg stand. Es war ziemlich sicher ungesund, dass ich lediglich zwei relativ große Mahlzeiten am Tag hatte, aber das war wohl einfach ein Übel, mit dem ich gerade leben musste. Mir hier jetzt meine einzigen freien Minuten damit zu versauen in Selbstmitleid zu versinken wäre jedoch nicht besonders hilfreich, also schob ich die Gedanken bei Seite und öffnete entspannt wieder die Augen, als ich die Brünette durch den Flur zurück in meine Richtung kommen hörte. Unweigerlich lag mein Blick permanent auf der jungen Frau, wo ich sie doch jetzt viel zu lange gar nicht hatte sehen können. Obwohl mir wohl allein ihre Präsenz um mich herum schon gut tat hieß ich es noch viel mehr willkommen, dass sie sich nach dem - dank mir - etwas umständlichen Verpacken der restlichen paar Sachen zu mir aufs Sofa fallen ließ. Wieder bildete sich von ganz allein ein schwaches, leicht müdes Lächeln auf meinen Lippen und ich zögerte nicht meinen Arm um sie zu legen. Nicht übermäßig eng, aber allein die Geste an sich verdeutlichte sicher ausreichend, dass ich trotz noch ungeklärter Umstände froh darüber war, dass Vahagn jetzt wieder hier bei mir saß. Während ich die kleine Streicheleinheit am Oberkörper genoss wanderten auch meine eigenen Finger immer mal wieder an ihrer Seite auf und ab, um ihr ein bisschen was davon zurückzugeben. Es dauerte auch gar nicht lange, bis sie ihre Stimme erneut erhob und ich hielt unbeirrt den Blick zu ihr, während sie eine an sich sehr simple Frage aussprach, die ich im Grunde verneinen musste. Denn der kleine Flughafen nahe Havanna lag eigentlich kein bisschen auf dem Weg, bedeutete grob überschlagen sicher einen Umweg von acht Minuten auf dem Hinweg und nochmal fünf auf dem Rückweg - auch mit dem schicken Dienstwagen, dem es an Pferdestärken ganz bestimmt nicht mangelte. "Nicht wirklich... ich kann dir höchstens anbieten, dass wir ein paar Minuten früher losfahren. Dann könnt ich dich noch abliefern und wär trotzdem pünktlich... Desmond hat mir seinen Wagen da gelassen.", schlug ich der jungen Frau mit einem kaum sichtbaren Schulterzucken eine kleine Alternative vor, weil der Flugplatz eben leider nicht auf dem Weg lag und mich ihr leicht verlegener Blick aber zweifelsfrei dazu verleitete trotzdem eine andere Lösung finden zu wollen. Mir war es prinzipiell auch egal, ob ich die letzten Minuten nun mit ihr hier auf dem Sofa verbrachte oder sie dabei neben mir auf dem Beifahrersitz saß, solange ich sie insgesamt nicht wesentlich früher verlassen musste, als die bereits in meinen Gedanken aufgetauchten fünf Minuten. Wenn sie also gerne auf einen anderen Weg verzichten wollte, um von ihrer Wohnung zum Flieger zu kommen, opferte ich mich dafür bereitwillig. Die noch folgende Frage hingegen war wohl ein kleines bisschen schwieriger zu beantworten und ich müsste etwas weiter dafür ausholen, um sie so genau wie möglich einzufassen. Zwar hatten Hunter und ich nach wie vor nicht wirklich viele Worte darüber verloren, aber hätte er etwas dagegen, dann hätte er schon vor gefühlten Urzeiten Gegenmaßnahmen eingeleitet. Hätte längst von mir verlangt das Ganze zu unterbinden und mir parallel mit irgendwelchen schwerwiegenden Folgen gedroht, falls ich es nicht tat. Natürlich wäre es besser ich hätte ein paar Worte seitens des Amerikaners als Beweis dafür, dass er die Sache mit uns beiden nicht gewaltsam unterbinden würde, aber ich kannte ihn inzwischen schon lange genug, um zu wissen, dass er diesbezüglich absolut nicht lang gefackelt hätte. "Nein... wollte damit eigentlich warten, bis ich weiß, dass das irgendwie... was Festes mit uns ist und den Teufel nicht schon vorher raufbeschwören. Er hat nur nach unserem Streit neulich sehr offensichtlich gefragt, ob alles okay ist... aber ich glaube nicht, dass er was dagegen hat, solange das mit uns nicht mit seinen Plänen kollidiert oder sich anders darauf auswirkt. Sonst wäre längst mindestens ein Kopf gerollt.", redete ich leicht gemurmelt und auch nachdenklich vor mich hin. Hunter wusste definitiv, dass was zwischen uns beiden lief, da konnten wir uns sicher sein. Er hatte seine Augen und Ohren ja ohnehin immer gefühlt überall, also war das an sich absolut kein Wunder. Außerdem war ich wohl auch einfach verdammt schlecht darin meine Gefühle für die Russin zu verbergen, da reichten schon Blicke in ihre Richtung vollkommen aus. "Aber wenn's dir lieber ist, dass ich ihn so früh wie möglich zur Rede stelle was das angeht, kann ich das auch machen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.", bot ich Vahagn einen Atemzug später noch an, dass ich das Ganze auch vorziehen konnte, wenn ihr es ihr grundsätzlich lieber wäre das Gespräch so schnell wie möglich vom Tisch zu haben. Dabei löste sich mein Blick aber noch immer nicht von den förmlich hypnotisierenden Augen der Schönheit neben mir. Ich brauchte gar nicht zu erwähnen, dass ich sie eigentlich gar nicht gehen lassen wollte, oder?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja, wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sein heutiger Einsatzort in der Nähe des Flugplatzes gelegen hätte. Wir einfach gemeinsam die Wohnung hätten verlassen können, ohne dass Tauren noch einen Umweg fahren musste, nur weil ich meinen verwöhnten Arsch ungerne durch eines der heruntergekommenen Taxen ans Ziel befördern ließ. Gut, ungeachtet dessen fühlte ich mich auch einfach nicht besonders wohl, zwei Sporttaschen voller Geld in aller Öffentlichkeit mit mir herum zu schleppen, die mir potenziell einfach abgenommen werden konnten. Ich konnte mich zwar mittlerweile wieder wehren, machte lediglich der Einschuss im Schlüsselbein noch ab und an mal kurzzeitig auf sich aufmerksam, aber ich musste mir wohl eingestehen, dass ich ein klein wenig aus der Übung war. Demnach auch nicht mehr zu einhundert Prozent überzeugt von mir selbst und würde Ärger fürs Erste gerne umgehen. Wenn ich aus Russland zurück kam, wurde es dann aber allerhöchste Eisenbahn, dass ich wieder ein bisschen mehr an meiner körperlichen Fitness arbeitete und beizeiten auch mal wieder ein paar Nahkampf- und Schießübungen absolvierte. Wenn die Sache mit der Geldwäsche in Russland erst einmal anlief und sich die liquiden Mittel der Firma wieder erholt hatten, würde ich Kuba nämlich gerne eine Chance geben, was den illegalen Im- und Export von Waffen, Drogen oder Menschen anging und spätestens dann würde ich mir sicher nicht nur Freunde hier auf der Insel machen. Ungeachtet dessen fühlte ich mich aber auch einfach nicht mehr besonders wohl in meiner Haut, die lange Ruhezeit hatte einen entsprechend hohen Tribut an Kondition gefordert und das ein oder andere Speckröllchen hinterlassen, welches ich gerne wieder losgeworden wäre. Na ja, jedenfalls war es also so, dass Tauren eigentlich nicht am Flugplatz vorbeifuhr, mich dort aber dennoch absetzen konnte, wenn wir dafür ein paar Minuten eher aus dem Haus gingen. Ich überlegte einen Augenblick lang, war mir doch nicht wohl bei dem Gedanken, dass er diesen Umweg extra wegen mir auf sich nahm, aber ich nickte das Angebot letzten Endes dann doch mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen ab. Schließlich wusste ich, wohin eine Diskussion zwischen Tauren und mir führen würde, wenn ich mich jetzt doch dagegen ausgesprochen hätte, weil ich für keinerlei Verspätungen verantwortlich gemacht werden wollte. Schließlich hatte ich ziemlich deutlich gemacht, dass es für der weitaus schönere und angenehmere Weg war, zum Flughafen zu kommen und der Norweger konnte mir wohl in den seltensten Fällen einen Wunsch ausschlagen. Am Ende vom Lied wären wir so oder so gemeinsam über die Türschwelle gegangen, um uns im direkten Anschluss im Dienstwagen des jungen Mannes wiederzufinden. Weil mir allerdings nicht der Sinn danach stand, die ohnehin schon rar gesägte Zeit mit sinnlosem Geplänkel zu verschwenden, willigte ich ohne weiteres ein. Dabei fiel mir plötzlich ein, dass ich auch ganz einfach Hunter hätte fragen können. Wir waren zwar nach wie vor keine besonders dicken Freunde, aber er wäre sicher so nett gewesen und hätte mich auf dem Weg zur Start- und Landebahn mitgenommen, oder? Diese Erkenntnis ließ mich unweigerlich die freie Hand an meine Stirn heben, wo ich mir mit dem Daumen und dem Zeigefinger das Nasenbein massierte. "Eigentlich hätte ich auch Hunter fragen können. Er muss ja auch irgendwie hinkommen.", stellte ich für den Norweger deutlich hörbar fest, was mir gerade so durch den Kopf gegangen war, nur um daraufhin verpeilt grinsend den Kopf zu schütteln. Wieso war mir der Gedanke nicht früher, sondern erst jetzt gekommen? Das einzig Positive an dem war wohl, dass ich dafür den jungen Mann noch bis unmittelbar vor dem Start der Maschine um mich herum haben würde und das alleine ließ mich noch den Satz "Aber ich bevorzuge sowieso die Reise mit der MS Empathie & Smalltalk und ihrem Kapitän Mr. Davenport." hinzufügen, mit dem ich Taurens Aussage während der Überführung von Norwegen nach Kuba rezitierte. Das belustigte Grinsen verlor jedoch rasch an Halt, als jener geliebte Kapitän mir offenbarte, dass er noch nicht konkret mit seinem Chef über die Beziehung zwischen uns beiden gesprochen hatte und das ließ mich für einen kurzen Moment lang meinen Blick von ihm abwenden und stattdessen auf den Boden richten. Im Grunde genommen war es ja auch eigentlich nicht so wichtig und absolut nachvollziehbar, dass die beiden noch nicht miteinander über die Beziehung zwischen dem Norweger und mir gesprochen hatte, aber es ließ mich kurzzeitig trotzdem wieder in Gedanken versinken. So lange, wie das mit uns beiden nichts Festes war, wollte er also mit dem Gespräch warten. Lucifer persönlich erst noch eine Weile im Käfig belassen, wobei nach eigener Aussage kein Donnerwetter zu erwarten war. Im Prinzip ja auch schon alle Karten offen auf dem Tisch lagen und Hunter schon längst hätte reagieren können, wenn es ihm nicht gepasst hätte, dass sein Schützling sich in die Anführerin einer anderen Organisation verguckt hatte. Bis jetzt war nichts dergleichen passiert, weshalb besorgte Gedanken in diese Richtung vermutlich unbegründet waren und doch wäre eine Absicherung schön gewesen. Auf den Vorschlag, er könne den Amerikaner beim nächsten Mal gerne darauf ansprechen, wenn ich mir das denn so wünschte, schüttelte ich allerdings entschlossen den Kopf. "Nein, alles gut. Ich dachte nur... keine Ahnung. Wenn du mich noch bis zum Flughafen fährst, hätte ich zum Abschied gerne mehr, als eine Umarmung und... ich muss mit dem Typen noch ein paar Stunden zusammen sitzen. Hab' einfach keine Lust, dass er mir den Flug über damit in den Ohren liegt - deswegen primär die Frage, ob er's weiß, aber wenn dem so ist, sollte ihn das ja nicht überraschen.", klärte ich Tauren darüber auf, woher der Wind bezüglich meiner Frage eigentlich wehte. So wirklich klar, wie es meinem Gegenüber zu sein schien, war es mir nämlich nicht, dass der Amerikaner von uns beiden wusste. Klar, wir hatten jetzt das ein oder andere Mal miteinander abgehangen, aber ich hatte Tauren in Hunters Gegenwart nur selten mal weniger kühl angeguckt, als den herumstehenden Rest der Mitmenschen. Hätte also auch durchaus den Anschein erwecken können, dass... okay, nein. Wenn wir ehrlich waren, dann sah vermutlich sogar ein Blinder mit Krückstock, was da abgegangen war. Vielleicht waren die ganzen Bedenken auch schon wieder nur deshalb, damit ich dem jungen Mann durch die Blume mitteilen konnte, dass ich mich nach ein bisschen mehr Zärtlichkeit - ab von den durch und durch angenehmen Streicheleinheiten - zumindest am Ende des gemeinsamen Abends sehnte, ohne dass ich dafür den ersten Schritt machen musste. Ich war mir nämlich trotz der aktuellen Entwicklung unseres Gespräch nicht ganz sicher, ob er sich zu mehr, als einer bloßen Umarmung überreden lassen würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Jetzt im Nachhinein betrachtet wäre es sicher nicht verkehrt gewesen einfach den Hitzkopf zu fragen, der sich meinen Boss schimpfte, was die Hinreise zum Flughafen anbelangte. Selber fahren würde er sicher kaum, weil er den Wagen dann am Flughafen stehen oder abholen lassen musste. Ein Taxi kam aber sicher auch für ihn nicht in Frage, er würde sich mit Sicherheit einfach von den Jungs fahren lassen. Er trat längere Reisen ja nie ohne Zwei-Mann-Personenschutz an, die beiden Leibwächter mussten also auch noch mit und selbst mit Fahrer waren das dann maximal vier Personen im Wagen, da hätte Vahagn ganz bestimmt mit rein gepasst. Nichtsdestotrotz schien sie nicht sonderlich empört über dieses Versäumnis zu sein, weil sie lieber weiter unter meiner Flagge schippern wollte und das allein ließ mich ziemlich breit grinsen. "Ich bin überrascht, dass du dir das echt gemerkt hast.", stellte ich ebenso belustigt fest, weil ich eigentlich eher weniger damit gerechnet hatte. Ich hatte bis jetzt einfach nicht so recht daran geglaubt, dass ihr dieses Gespräch mit mir von vor einigen Wochen, inzwischen schon wenigen Monaten wirklich im Gedächtnis geblieben war. Andererseits war es wiederum vielleicht auch gar nicht so verwunderlich, weil wir direkt danach mehr oder weniger im Streit auseinander gegangen waren und sich solche Momente doch ganz gern ins Hirn einprägten. "Bisher sind wir auch noch gar nicht zusammen Auto gefahren, also wird's wohl mal Zeit.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an, die nur mehr oder minder ernst gemeint waren. Einerseits war es natürlich schon sehr wichtig, dass die Brünette sich neben mir auf dem Beifahrersitz wohlfühlte und dabei keine tausend Tode sterben musste, aber erstens war sie da sehr sicher ziemlich abgehärtet und zweitens war ich ein guter Fahrer. Das hing wohl auch einfach damit zusammen, dass ich schon seit meiner frühen Jugend schwarz Auto fuhr und das gerade in der Zeit häufig getan hatte, als ich fast täglich Autos geknackt hatte. Wenn wir nicht auf den letzten Drücker losfuhren, dann brauchte ich auch den Bleifuß nicht zu verwenden und noch dazu lag Desmonds Wagen wirklich gut auf der Straße. Man könnte fast meinen er würde fast auf dem Asphalt kleben - sicher kein Zufall, sondern bewusst von Hunter ausgewählt. Alle unserer Dienstwagen hatten gute Straßenlage für den Ernstfall, aber es waren selbstredend nicht alle so gepanzert wie die seiner beiden Lieblinge. Jeden der Wagen zu verstärken war sicher auch kostentechnisch absolut undenkbar. Ich konzentrierte mich auf die noch folgenden Worte der schlanken Brünetten, ohne die kleinen Streicheleinheiten bis hierhin eingestellt zu haben. Es ließ sich gar nicht vermeiden, dass ich wieder zu lächeln anfing, obwohl Vahagn sowas wie ein Problem ansprach, wobei das nicht wirklich eins als solches war. Es gab wohl mindestens einen Weg den Amerikaner einen Kuss zumindest nicht direkt sehen zu lassen. Die Scheiben der Limousine waren stark verdunkelt, wenn Hunter also nicht direkt vor dem Fenster stand, um mir einen Besuch abzustatten, dann dürfte er eigentlich nicht wirklich was von einem Kuss sehen. Aber so ein Kuss über die Mittelkonsole des Autos hinweg war jedoch nicht ganz so schön, als wenn ich vor der Russin stehen und sie dabei nochmal in meine Arme schließen könnte. Letzteres wäre aber eben trotzdem ziemliche Provokation Hunter gegenüber und ich wusste einfach nicht zu einhundert Prozent, wie er dann darauf reagieren würde. Ich glaubte nicht, dass er etwas dagegen sagen würde, aber vielleicht ging er Vahagn danach dann trotzdem gehörig auf die Nerven, weil er mehr wissen wollte. Wenn es eins gab, das er nicht leiden konnte, dann Unwissenheit. Wissen war schließlich Macht. "Ich kann dir leider nicht garantieren, dass er dir nicht trotzdem auf die Nerven geht... ist leider Hunter, von dem wir hier reden.", gab ich meine Gedanken mit einem leisen Seufzen für die Brünette preis und hob dann die freie Hand an, um sie seitlich ganz oben locker an ihren Hals zu legen. Von da aus kam ich mit dem Daumen spielend leicht bis zu ihrem Kiefer und zu ihrer Wange, um auch dort sanft über ihre angenehm weiche Haut zu streichen. "Wir können's also entweder drauf ankommen lassen, oder gar nicht dafür aussteigen... die Scheiben sind so gut wie schwarz.", ließ ich Vahagn zuerst um diese eine weitere Option wissen. Dann beugte ich mich aber zu ihr hin und hauchte einen flüchtigen Kuss auf die freie, mir zugewandte Wange. "Oder wir ziehen's vor... oder einfach alles davon.", erweiterte ich meinen vorherigen Satz mit zwei weiteren, verlockend gemurmelten Oders, wobei ich unweigerlich wieder zu grinsen anfing. Auch, wenn die attraktive, junge Frau mir nach wie vor keine Antwort geliefert hatte, sehnte ich mich nach ihrer Nähe. Vielleicht auch ein bisschen nach der Bestätigung, dass ihr meine Lippen trotz anderer Männer immer noch die liebsten waren. Ich wusste, dass ich ein guter Küsser war, weil mir das schon öfter mal gesagt worden war - obwohl das natürlich auch keine Garantie war -, aber das eine hatte nicht zwangsweise viel mit dem anderen zu tun. Mir war ja nicht nur wichtig, dass sie mich gern küsste, weil ich gut darin war, sondern viel mehr, dass sie mich deshalb am liebsten küsste, weil es sich dabei nun mal um mich und Niemanden sonst handelte. Sie auch fernab des körperlichen Aspekts eine Bindung zu mir spürte, die sie nach mehr lechzen ließ, die sie zu mir hinzog. Von mir aus konnten wir uns bis zu ihrer Abreise also noch unzählige Male küssen. Erst hier ein bisschen auf dem Sofa, dann noch kurz im Wagen und dann stieg ich doch nochmal für eine Umarmung aus, auf die mangels Kontrolle meiner eigenen Sehnsucht noch ein letzter Abschiedskuss folgte. Mir war egal, wofür Vahagn sich letztlich entschied, solange sie mich nur nicht leer ausgehen ließ.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, mich hatte es auch überrascht, wie spontan mir Taurens damalige Aussage in der aktuellen Situation durch den Kopf geschossen war, aber ich fand sie eigentlich ganz treffend, weil ich sie ansonsten vermutlich nicht ausgesprochen Hätte. Jedenfalls kehrte das verblasste Grinsen augenblicklich auf meine Lippen zurück und ich schmiegte mich ein wenig an die warme Hand des Norwegers, die im Verlauf des Gesprächs ihren Weg an meinen Hals gefunden hatte, damit er von dort aus mit dem Daumen über mein Kinn und die Wange streicheln konnte. Ich müsste wohl lügen, würde ich behaupten, dass ich diese Streicheleinheiten nicht genoss, aber das sollte wohl klar sein, weil ich mich ansonsten schon längst wieder von dem jungen Mann distanziert und ihm mitgeteilt hätte, dass ich das nicht wollte und er das lassen sollte. Tat ich aber nicht, weil eben das genaue Gegenteil der Fall war. Ich schloss deshalb kurzzeitig die Augen, ließ die Berührungen auf mich wirken und öffnete die Lider erst wieder, als er mir näher kam, um seine darauffolgenden Worte mit einem Kuss auf meine Wange zu untermauern. Ich schnaubte belustigt, als ich ihn aus leuchtenden Augen heraus ansah und hob dann meine freie Hand an seine, um mit dem Daumen über seinen Handrücken zu streichen. "Ist irgendwie hängen geblieben, weil ich's wohl ziemlich niedlich fand oder so.", war meine Theorie, weil mir derzeit kein anderer, möglichst plausibler Grund dafür einfallen wollte, warum ich mich noch heute daran erinnern konnte. Man könnte natürlich meinen, ich hätte einfach ein sehr gutes Gedächtnis, aber für gewöhnlich behielt ich mir nur das, was wirklich von Bedeutung war. Also ja, irgendeinen tiefgehenden Grund wird das seinerzeit wohl gehabt haben. Wie auch immer. Tauren schien im Folgenden definitiv nicht abgeneigt davon zu sein, wenn ich mir noch den ein oder anderen Kuss von seinen Lippen stehlen würde oder aber ich verstand hier gerade grundlegend etwas extrem falsch. Da die Aussagen des Norwegers aber kristallklarer nicht sein konnten, ging ich jetzt einfach mal nicht davon aus und das alleine ließ mich einmal erleichtert aufatmen. Einen kleinen Stein von meinem Herzen abfallen, weil ich nun schon etwas mehr als eine Woche auf seine Lippen hatte verzichten müssen. Eine weitere hätte ich ganz bestimmt nicht aushalten. War natürlich übertrieben und auch nicht ganz der Wahrheit entsprechend, starb es sich doch nicht ganz so leicht nur weil man mal ignoriert wurde und auf Zärtlichkeiten verzichten musste, aber die Lippen des jungen Mannes waren mittlerweile trotzdem wie eine Droge, die mich jedes Mal aufs Neue beflügelte. Von der ich seit geraumer Zeit einfach nicht mehr genug kriegen konnte. Deshalb hörten sich all die Vorschläge, die Tauren mir im Zuge seiner Annäherung unterbreitete auch wirklich verlockend an, was ich erst einmal mit einem für mich eher untypischen Kichern kommentierte. "Wenn ich die Wahl habe, dann entscheide ich mich ungeachtet deines nervigen Chefs wohl für letzteres.", folgte daraufhin auch noch eine verbale Antwort, damit der Norweger auch wusste, für welches Angebot ich mich letzten Endes entschieden hatte. Gedankenlesen konnte er nämlich vermutlich nicht, weshalb klärende Worte in diese Richtung nur sinnig waren. Ein mögliches Verhör durch den Amerikaner musste ich dann wohl zwangsläufig in Kaum nehmen, wenn ich mich auf dem Weg zum Flugplatz nicht doch noch spontan umentscheiden und von einem Kuss vor Hunters Augen absehen würde. Ich ging jedoch nicht davon aus und teilte die Ansicht, dass der cholerische Volltätowierte nichts dagegen einzuwenden hatte, solange ich mich aus seinen Geschäften raus hielt und ihm seinen Schützling nicht abschwatzen würde. Letzteres war ohnehin nahezu unmöglich, weil mir ein toter Mitarbeiter leider nicht besonders viel brachte und so wie ich den aufbrausenden Chef inzwischen kannte, würde ihm nicht ein einziger Mitarbeiter den Rücken kehren, ohne schwerwiegende Konsequenzen befürchten zu müssen. Aber weil ich ohnehin nicht vorhatte, den jungen Mann für mein eigenes Team zu rekrutieren und ein Blick auf die Uhr mir verriet, dass wir in einigen Minuten los mussten, verwarf ich sämtliche Gedanken an Hunter für den Augenblick und sprang lieber doch noch über meinen Schatten, um Phase 1 des geplanten Durchlaufs einzuläuten, indem ich meine Lippen kurzerhand auf die des Norwegers drückte, der mir mit seinem Gesicht ohnehin schon ziemlich nahe war. Wohl war mir beim Ergreifen der Initiative zwar nicht besonders, aber Tauren hätte kaum klarer ausdrücken können, dass er sich ebenso sehr wie ich auch wieder ein wenig mehr körperliche Nähe und ein bisschen Bestätigung wünschte, die ich ihm nur allzu gerne gab.
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Das könnte natürlich sein. Vielleicht würde ich selbst mich nicht unbedingt als niedlich einstufen, aber wenn man mich mit dem Rest der Männer in unseren Umfeldern verglich, dann war ich wohl so ziemlich der Einzige, dem an Empathie un Smalltalk noch etwas lag. Also ja, vielleicht war ich im Vergleich zu anderen Kerlen um Vahagn herum schon irgendwie niedlich. Wenn das eine meiner Eigenschaften war, die mich in ihren Augen als würdig für mehr als ein bisschen platonische Freundschaft qualifizierten, dann nahm ich das auch liebend gerne so hin. Ich war gar nicht scharf darauf mir so eine knallharte Schale wie Hunter oder seine beiden Top-Schoßhunde anzueignen, denn in meinen Augen machte mich meine etwas weichere Schale nicht weniger stark als die anderen. Sofern notwendig war ich nämlich durchaus auch fähig meine eigenen Gefühle und Empfindungen hintenan zu stellen. Das war eines der ersten Dinge, die ich mir unter Hunters Kommando angeeignet hatte. Ich konnte das bewusst an- oder abschalten, je nachdem wie ich es gerade brauchte und das verlieh mir gewissermaßen irgendwie zwei verschiedene Gesichter. Das eine half mir dabei die Arbeit gedanklich nicht zu sehr mit nach Hause zu nehmen, während das andere für den notwendigen Ausgleich mit gesundem, sozialen Kontakt zuständig war. Vielleicht fand ich ja in meiner direkten Nachbarschaft sogar noch den einen oder anderen kubanischen Freund, wenn ich denn dann mal Zeit hatte, mich Irgendjemandem vorzustellen. Bis ich mal wieder weniger als 12 bis 14 Stunden am Tag arbeitete wurde daraus sicher noch nichts. Allerdings reichte die eine, knappe Stunde hier mit Vahagn wohl dennoch dazu aus, um mich zumindest noch bis zu ihrer Rückkehr aus der Heimat gerade so über Wasser zu halten. Bis dahin war ich - ungeachtet Desmond und Ashton, die ich noch nicht als sowas wie richtige Freunde betiteln würde, obwohl wir uns stetig immer besser verstanden - wohl wieder ein bisschen auf mich allein gestellt und wirklich gefallen tat mir das nicht, aber es gab dabei auch nicht sowas wie eine zweite Auswahlmöglichkeit. "Soll mir recht sein.", war alles, was ich letztlich dazu mit einem leicht schiefen Abnicken noch dazu äußerte. Viel mehr gab es jetzt gerade aber auch gar nicht mehr zu sagen. Allein das eher ungewöhnliche Gekicher, das ich mit meinen Worten aus der Brünetten hervorlockte, ließ mich das schwache Grinsen beibehalten. Ihre Worte direkt danach versüßten mir den Augenblick noch mehr. Vielleicht war es nicht besonders klug dem hitzköpfigen Amerikaner unmissverständlich unter die Nase zu reiben, dass zwischen uns beiden zweifelsfrei mehr als irgendein irrelevantes Geplänkel vor sich ging. Das änderte aber nichts daran, dass es mir unheimlich viel bedeutete, dass Vahagn unsere Beziehung zueinander - was auch immer das jetzt genau für eine war - nach außen tragen wollte. Bisher hatte sie das immer ziemlich strikt vermeiden wollen und es war für mich ein unfassbar wichtiger Schritt, dass sie ihre Meinung dazu zu ändern begann. Ich brauchte natürlich von Niemandem - außer Hunter, leider - die Bestätigung dafür, dass das mit uns beiden in Ordnung war oder dass wir ein gutes Bild zusammen abgaben. Trotzdem war es eine wahnsinnig schöne, wenn vielleicht auch eher unterbewusst stattfindende Geste von ihr, diese Grenze langsam ein bisschen zu überschreiten. Ich kam deshalb nicht umhin zu Beginn in den Kuss hinein zu lächeln, während ich auch Vahagns Finger an meiner Hand spürte und die Lippenbewegung sanft erwiderte. Sofort breitete sich dabei wie auch sonst immer das wohlig warme Gefühl in meiner Brust aus, das mit einem leichten Kribbeln einherging. Es war wirklich verblüffend, dass der Mensch dazu im Stande war einerseits wahnsinnig kalt zu werden und abzustumpfen, gleichzeitig aber trotzdem nicht immun dagegen wurde, sich zu verlieben. Hunter war da sicher ein noch besseres Beispiel als ich selbst. Ich ließ den Kuss gar nicht erst abreißen, sondern verwickelte die junge Frau in immer mehr davon, teilte zwischendurch auch für einen nicht zu aufdringlichen Zungenkuss ihre Lippen und legte den Arm noch etwas enger um ihren schlanken Körper. Zugegeben wollte ich aber auch einfach deswegen nicht, dass das Ganze hier zu sehr ausartete, weil ich nun mal schon lang auf dem Trockenen saß und gut darauf verzichten konnte Kopfkino mit anschließendem Problem in der Hose zu kriegen. Irgendwann wäre das unvermeidlich, weil ich doch leider nur allzu gut wusste, wie die attraktive, junge Frau ohne den Stoff über der Haut aussah. Das lag jetzt zwar schon ein paar Wochen zurück, aber aus dem Kopf kriegen würde ich jene Szenen wohl trotzdem nicht mehr. So wenig ich mich auch wieder von der Schönheit lösen wollte, kam es nach ein paar wenigen Minuten dann doch dazu. Rein aus Zeitgründen, weil ich mir zu spät zu kommen mit Hunter als Kronzeugen absolut nicht leisten konnte. Ich seufzte bedauernd, wenn auch nur leise, als ich mich zwangsweise von den herrlich weichen, sinnlichen Lippen distanziert hatte und Vahagn noch einen Augenblick lang ansah. Gerne hätte ich einen Scherz darüber gemacht, dass sie mir keinen Russen mit nach Hause bringen sollte, aber erstens war das sicher eher ernst von mir gemeint und zweitens wusste ich, dass das bei ihr absolut nicht gut ankommen würde, weil ich damit nochmal auf das leidige Thema zu sprechen käme. Also unterließ ich es und stahl mir stattdessen noch einen letzten, flüchtigen Kuss von ihren Lippen, bevor ich mich langsam aber sicher gänzlich von ihr löste, um neben ihr an die Sofakante zu rutschen. "Schätze wir müssen los.", kommentierte ich meinen Rückzug ziemlich überflüssig, strich mir dann noch ein paar lose Haarsträhnen zurück nach hinten und stand im Anschluss daran auf. "Ich nehm' dir das Geld ab.", ließ ich die junge Frau außerdem wissen, dass sie ihr Gepäck keinesfalls alleine tragen musste, während ich zurück in die schwarzen Sneaker schlüpfte. Ich checkte nur nochmal, ob der Autoschlüssel nach wie vor in meiner Hosentasche war, bevor ich zu jenen beiden Sporttaschen ging und sie ohne große Umschweife vom Boden hochnahm.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte nicht genau sagen, ob es Einbildung oder Realität war, aber Taurens Lippen fühlten sich nach der verhältnismäßig langen Abstinenz irgendwie so viel besser an, als das ohnehin der Fall war. Vor dem Hintergrund, dass wir uns jetzt mindestens eine weitere Woche nicht mehr sehen würden, konnte es aber auch einfach an der Sehnsucht liegen, die sich bei dem Gedanken an meine baldige Abreise bereits jetzt bemerkbar zu machen schien. Und sie machte es mir wirklich schwer, zu akzeptieren, dass der junge Mann sich irgendwann wieder von mir löste, weil ich gut und gerne noch eine halbe Ewigkeit in seinen Armen liegend und an seinen Lippen hängend hier hätte verweilen können. Aber es half ja alles nichts. Die Zeit war nun mal knapp bemessen und einen Geschäftspartner - ungeachtet dessen, wie ich auf privater Ebene zu ihm stand - ließ ich nun mal ungerne warten. Ganz abgesehen davon hatte der Norweger auch noch eine Verabredung, die es sicher ebenso wenig gut heißen würde, wenn er verspätet oder gar nicht aufkreuzte, wie Hunter, wenn ich nicht zum vorab vereinbarten Zeitpunkt am Flugplatz aufschlagen würde. Die Intensität des Kusses ließ darauf schließen, dass Tauren liebend gerne auch noch ein paar weitere Minuten, vielleicht sogar Stunden mit mir auf dem Sofa verbracht hätte, aber was die Einhaltung von Terminen anging, standen wir uns wohl in nichts nach. Der Norweger war nun mal mindestens genauso verlässlich, wie ich selbst - was angesichts der Tatsache, dass er von seinem Chef ansonsten ein Höllenfeuer unterm Hintern zu befürchten hatte sicherlich auch nicht verkehrt war. Schmeckte mir im aktuellen Augenblick nur leider kein bisschen, weil dadurch selbst ein Versuch meinerseits, noch ein wenig Zeit zu zweit herauszuschlagen sicher ins Leere laufen würde. Ich sah also ganz bewusst davon ab, den jungen Mann noch einmal an mich heran zu ziehen und quittierte den letzten, eher flüchtigen Kuss ebenfalls nur noch mit einem leisen Seufzen, bevor ich es dem Norweger gleich tat und vom Sofa aufstand. Ich hatte gerade einen Schritt in Richtung der insgesamt drei Sporttaschen machen wollen, als Tauren mir mit ein paar knappen Worten zuvor kam und die Taschen mit dem Geld vom Boden fischte. Weil ich in Sachen Geld nicht weniger vorsichtig war, als sein Chef, verkrampfte ich mich dabei unweigerlich und öffnete gerade den Mund, um ihn davon abhalten zu wollen, nur um es dann doch bleiben zu lassen. Zwar beförderte ich bares Geld am liebsten in Eigenregie von A nach B, aber es war jetzt nicht so, als würde ich dem jungen Mann in der Hinsicht nicht vertrauen. Schließlich hätte er ganz genau gar nichts davon, mich zu beklauen. Zum einen wäre ich dann ungeachtet der aufkeimenden und immer stärker werdenden Gefühle für ihn dann über alle Berge, würde ihn nie wieder sehen wollen, weil das Vertrauen schlichtweg im Eimer war und zum anderen konnte er sich sicher damit sein, dass ich seinen Boss darüber in Kenntnis setzen würde. Ob der Amerikaner mir letztlich glaubte, dass sein Schoßhund mit dem mir rechtmäßig zustehenden Geld über alle Berge war, wusste ich zwar nicht, aber wenn dem so war, dann blieb ein solches Verhalten vermutlich nicht ungesühnt. Der Norweger konnte sich also für ein, maximal zwei Tage ein schönes Leben machen, bevor es damit dann unter Umständen zu Ende war. Aber gut, ich bezweifelte, dass Tauren die Intention pflegte, mich auszurauben und deshalb sammelte ich jetzt wieder ein Stück weit entspannter noch die letzte Tasche vom Boden auf, um dem jungen Mann zur Haustür zu folgen. Auf dem Weg dorthin sammelte ich noch mein Portemonnaie und die Haustürschlüssel ein, bevor ich im Treppenhaus stehend noch einen letzten Blick in den Flur war und anschließend die Tür ins Schloss zog. Daraufhin trugen mich meine Beine nach draußen auf die Straße, wo der gepanzerte Dienstwagen unweit der Wohnung auf einem der in der Innenstadt recht rar gesäten Parkplätze auf uns wartete. Während ich darauf bestand, die Taschen mit dem Geld in den Fußraum der Rückbank wandern zu lassen, verfrachtete ich meine Klamotten kurzerhand in den Kofferraum, bevor ich mich auf der Beifahrerseite in das verhältnismäßig kühle Leder sinken ließ. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis der Wagen ins Rollen kam und den örtlichen Flugplatz ansteuerte. Im Verlauf der Fahrt hatte ich irgendwann nach der Hand des jungen Mannes gegriffen, wenn er gerade nicht im Begriff gewesen war, einen Gang einzulegen, nur um diese auf meinem Oberschenkel abzulegen und mit den Fingerspitzen über seinen Handrücken zu streicheln, während ich im Vorbeifahren die Häuserfassaden und Bäume beobachtete. Schon aus der Ferne ließ sich nach der relativ kurzen Fahrt das Flugzeug erblicken, welches Hunter und mich nach Russland fliegen würde, was mich gleich ein weiteres Mal leise und hörbar unzufrieden Seufzen ließ. Plötzlich hatte ich nämlich keine besonders große Lust mehr, aus Kuba zu flüchten, um den Kopf frei zu bekommen und der Abschied würde mir wohl tatsächlich ziemlich schwer fallen. Lag nicht zuletzt vermutlich aber auch daran, dass mir jene - selbst wenn sie nur von kurzer Dauer waren - auch absolut nicht lagen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es ging für uns beide ohne große Umschweife aus der Wohnung heraus und nach draußen zum Wagen. Mir war noch immer nicht danach die Brünette ins Ausland reisen zu lassen, aber es half nichts und so deponierte ich das Bargeld auf ihren Wunsch hin im vorderen Bereich des Wagens, statt die beiden Taschen so wie den Rest ihres Gepäcks in den Kofferraum zu schmeißen. Da war sie womöglich einfach genauso paranoid wie Hunter, also gab ich diesem Prozedere nicht wirklich viel Aufmerksamkeit, nahm es kein bisschen persönlich. Stattdessen setzte ich mich hinters Lenkrad und steuerte die Wagen kurz darauf auf die Straße, um keine weitere Zeit zu verlieren. Auch beim Fahren an sich war ich darauf bedacht keine kostbaren Minuten zu verschwenden, damit die Küsse am Flughafen selbst nicht flachfallen mussten. Vom Bleifuß war ich insgesamt trotzdem noch sehr weit entfernt, gab lediglich vor umschaltenden Ampeln und danach auf dem kurzen Stück Landstraße etwas mehr Gas. War einmal vielleicht auch schon eher rot, die Ampel, aber bisher war mir bei letzteren auch noch kein einziger Blitzer aufgefallen, also halb so wild. In Kuba schien das Leben im Straßenverkehr ohnehin insgesamt etwas anders zu spielen. Aber selbst wenn sie mich jemals in der Stadt blitzen sollten, würden sie zu keinem von Hunters Wagen einen Fahrzeughalter finden. Die gefälschten Kennzeichen waren wie immer nur Alibi, damit eben keiner von uns wegen fehlender Fahrzeugkennzeichnung rausgezogen wurde. Außerdem war das nicht anhalten an Ampeln - soweit möglich - auch deshalb gut, weil ich dann nicht öfter als unbedingt notwendig meine Hand von Vahagns Fingern lösen musste. Ich lächelte trotz des baldigen Abschieds deswegen auch unbewusst vor mich hin. An meiner Müdigkeit hatte sich zwar inzwischen noch rein gar nichts geändert, aber all die positiven Gefühle, welche die hübsche Frau auf dem Beifahrersitz bei mir auslöste, hoben meine Laune zumindest kurzzeitig ungemein an. Die Russin schien ebenso wenig begeistert von ihrer anstehenden Reise zu sein wie ich, wurde das bei ihrer Reaktion auf das immer näher kommende Flugzeug doch ziemlich deutlich. Ihr Seufzen ließ auch meine Mundwinkel in eine neutrale Position zurücksinken und ich löste meine Hand schließlich endgültig aus ihrer, um kurz darauf den Wagen nahe dem von Hunters Fahrer zu parken. Ich stellte den Motor ab und atmete leise noch einmal etwas tiefer durch, als ich meinen Boss nahe des Flugzeugs stehen sah. Er stierte in unsere Richtung und unterbrach deshalb das Gespräch mit einem seiner beiden Schatten, wobei die kleine Gruppe unweit des Flugpersonals an der Treppe ins Innere des Vogels stand. Ich wendete den Blick von den beiden kleinen Personengruppen ab und sah stattdessen zu Vahagn, beugte mich ihr für den ersten der letzten Küsse entgegen. Wie erwartet war das so hier im Auto aber gar nicht mal so bequem, weshalb der sanfte Kuss schon bald wieder ein Ende fand. Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick in ihre grau-grünen Augen wandte ich mich dann für kurze Zeit von ihr ab, um stattdessen auszusteigen. Ich spürte Hunters Blick auf mir liegen und deshalb sah ich ruhig in seine Richtung, nickte ihm leicht zu und widmete mich dann aber auch schon den beiden Taschen im Fußraum des Wagens. In der Zwischenzeit kam uns beiden einer der Russen entgegen, der sich augenscheinlich um das Gepäck von Iljahs Schwester kümmern wollte. Zuerst nahm er mir das Bargeld ab und ging dann weiter zu Vahagn, die ihr Gepäck aus dem Kofferraum zog, nur um jenes ebenfalls schon bald an den relativ stämmigen Kerl abzugeben, der sie flüchtig begrüßte. Einen kurzen Augenblick lang sah ich dem wortkargen Typen nach, der wieder zum Flugzeug aufbrach, bevor ich meine Augen erneut gänzlich der jungen Frau verschrieb, die gerade den Kofferraum zugeschmissen hatte. Ich kam ihr mit ein paar wenigen Schritten entgegen und hob schon während des letzten Schrittes meine rechte Hand an, um sie auf ihre Kopfhöhe anzuheben. Der leichte Wind hatte ihr eine der dunklen Haarsträhnen ins Gesicht geweht und ich brachte jene vorsichtig mit den Fingern wieder in ihre Position hinters Ohr. Musterte dabei noch einmal ausgiebig Vahagns Gesichtszüge, als müsste ich sie mir für die kommenden Tage einprägen. Währenddessen legte ich den linken Arm um ihre Taille und dann kam mein Blick in dem ihren zum Erliegen. "Pass auf dich auf, ja?", murmelte ich ein paar wenige, recht leise Worte zu ihr runter. Ich glaubte zwar nicht wirklich, dass ihr im Beisein ihres Bruders irgendwas passieren würde, oder gar dass Hunter Irgendetwas im Schilde führte, aber sie sollte dennoch bitte um jeden Preis in einem Stück zu mir zurückkommen. Allerdings wartete ich gar keine Antwort mehr darauf ab, sondern überbrückte die paar wenigen Zentimeter zwischen unseren Gesichtern, um sie noch ein letztes Mal zu küssen. Innig, liebevoll. Dabei strich auch der Daumen meiner rechten Hand noch einmal zärtlich über ihre Wange und ich hielt sie eng bei mir, um ihr so viel von meiner Nähe wie möglich mit auf den Weg zu geben. Eigentlich hatte ich keine Zweifel daran, dass sie mich vermissen würde. Schließlich hatte sie mir bis hierhin deutlich gezeigt, dass sie schon von unserer Pause der letzten Woche wenig begeistert gewesen war. Vielleicht wollte ich mich mit dem etwas in die Länge gezogenen Kuss auch einfach nur selbst beruhigen. Noch einmal spüren, dass Vahagn sich genauso zu mir hingezogen fühlte wie umgekehrt, um die leise Angst in meinem Hinterkopf zu beruhigen, weil sie in Russland schließlich genauso gut mit irgendwelchen Männern schlafen konnte, wie hier auf Kuba. Theoretisch zumindest.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mir der Abschied leicht viel, aber mich aufzuführen wie ein Jammerlappen kam gar nicht in Frage. Schließlich hatte ich es jahrelang ohne einen Mann an meiner Seite ausgehalten, da würde ich binnen der nächsten sieben Tage ganz bestimmt nicht an einem gebrochenen Herzen sterben. Ja, es war bedauerlich, dass ich Tauren für eine Weile nicht sehen würde, selbst wenn ich es wollte, aber mein Geschäft würde unter dieser Sehnsucht nur bedingt bis überhaupt nicht leiden. Ich wusste schließlich, dass ich irgendwann wieder nach Kuba zurückkehren und mich in seinen Armen wiederfinden würde, also gab es absolut keinen Grund, hier und heute in Tränen auszubrechen. Gut, das war ohnehin selten, auch wenn ich in jüngster Vergangenheit bereits des öfteren kurz davor gestanden hatte, aber so richtig geweint hatte ich zuletzt wohl auf dem Fort am Wasser, als wir nach der an mich gerichteten Entschuldigung seitens des Norwegers in einem privaten Gespräch die Fronten hinsichtlich unserer beider Gefühle geklärt hatten. Da waren einfach derart viele Emotionen in mir hochgekocht, dass die Tränen irgendwann einfach nur noch gelaufen waren, ohne dass ich davon groß etwas mitbekam. Zugegebenermaßen fühlte ich mich danach glatt ein Stück weit befreiter, aber das hieß noch lange nicht, dass ich jetzt wegen jeder Kleinigkeit direkt einknicken und losheulen würde. Nein, ich hatte schließlich meinen Stolz und gerade vor Hunter, der aus offensichtlichen Schwächen gerne irgendeinen Nutzen zu seinem eigenen Vorteil zog, würde ich wohl kaum das Weinen anfangen. Ich beließ es daher nur bei einem wehleidigen Blick in Richtung Tauren, als er den Wagen unweit der kleinen Ansammlung von Menschen hielt, um sich daraufhin über die Mittelkonsole zu beugen und mir einen unserer vorerst letzten Küsse auf die Lippen zu hauchen. Bequem war zwar anders, dennoch genoss ich die verboten weichen Lippen, solange sie auf den meinen lagen. Als sich der junge Mann dann vorerst wieder von mir löste, um auszusteigen, tat ich es ihm kurzerhand gleich. Dabei schenkte auch ich Hunter einen knappen, für die aktuelle Situation recht kühlen Blick und ein knappes Nicken zur Begrüßung, ehe ich mich dem Verräumen der Taschen widmete, was im Großen und Ganzen bedeutete, Iljahs Gesandten die Klamotten und auch das Geld in die Hand zu drücken. Mein durchweg kritischer Blick lag noch eine ganze Weile auf dem mir bis dato völlig fremden Russen, der mich beiläufig in unserer Muttersprache begrüßte, um auch wirklich sicherzugehen, dass die Kohle ihren Weg ins Innere des Flugzeugs finden würde. Als mein Landsmann die Treppen schließlich erklommen hatte und mit dem Geld im Flieger verschwunden war, widmete ich mich allerdings wieder ziemlich rasch dem Norweger, der inzwischen den Wagen umrundet hatte und nun dicht bei mir stand. Ich wendete mich daraufhin von dem Amerikaner ab und stand deshalb mit dem Rücken zu ihm, als Tauren mir mit ein paar fürsorglich klingenden Worten eine lose Haarsträhne hinters Ohr schob. Es zierte ein schwaches Lächeln meine Lippen, kurz bevor ich langsam nickte und die Geste zudem mit den Worten "Mach' ich, keine Sorge.", unterstrich. Normalerweise hatte mein loses Mundwerk für solche Floskeln nicht mehr als einen höhnischen Kommentar übrig, weil eine solche Aussage in den seltensten Fällen mal wirklich ernst gemeint war, aber dem Norweger kaufte ich es durchaus ab, dass er sich Gedanken um mein Wohlergehen machte und es schien mir nur richtig, ihm dahingehend die Angst zu nehmen. Ich war schließlich erwachsen, wohlauf und hatte nicht erst seit gestern mit bösen Buben zutun. Demnach würde ich also über die Runden und voraussichtlich in einem Stück wieder auf Kuba ankommen. Außerdem ging ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass nebst Michail noch weitere Gefahren in der Heimat auf mich lauerten, wobei ich davon auch ausgegangen war, kurz bevor mein Flugzeug über italienischem Boden unter Beschuss gestanden hatte. Na ja. Auf die Worte des Norwegers folgten schon kurz darauf auch die sinnlich weichen Lippen, die ich nur zu gerne auf den meinen willkommen hieß. Es war zwar nach wie vor ein wenig seltsam, mich so innig mit einen von Hunters Handlangern in dessen Beisein zu zeigen, aber für negative Gedanken in diese Richtung blieb aktuell keine Zeit. Wir waren zwar zeitig am Flughafen angekommen, aber mehr als ein paar Minuten blieben uns leider nicht, einander zu verabschieden und ich würde noch einige Stunden Zeit haben, mir über Hunters Meinung diesbezüglich - sofern sie mich im Flugzeug denn noch interessierte - Gedanken zu machen. Fürs Erste konzentrierte ich mich jedoch vollumfänglich auf den jungen Mann, der mich in seine Arme gezogen hatte, um für den letzten Kuss noch einmal alles an Nähe herauszuholen, was möglich war. Ich schmiegte mich bereitwillig an seinen Oberkörper, legte meine linke Hand an seinen Hals, um dort mit dem Daumen über die weiche, recht dünne Haut unter dem Ohrläppchen zu streicheln. Der innige, nicht enden wollende Kuss zog sich eine gefühlte Ewigkeit in die Länge, bis es langsam aber sicher Zeit wurde, dass auch ich mich in Richtung Flugzeug begab. Ein beiläufiger Blick auf die Armbanduhr, als ich meine Hand sinken ließ, verriet mir, dass es noch etwa fünf Minuten bis zum geplanten Start der Maschine war. Dass ein Großteil der Mannschaft, die gerade eben noch um die Treppe herum gestanden hatte, bereits wieder im Inneren verschwunden war, bestätigte mir diese Annahme ziemlich eindeutig und deshalb löste ich mich alles andere als freiwillig von Tauren. "Ich meld' mich dann bei dir... pass' du auch auf dich auf und... denk' an mich.", murmelte ich noch ein paar Worte zum Abschied an seine Lippen, ehe ich mich gänzlich von ihm distanzierte und nach einem letzten, tiefen Atemzug in Richtung des Flugzeugs aufbrach.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das würde ich machen. Beides. Um an die hübsche Brünette zu denken würde ich mich nicht einmal bewusst darauf konzentrieren müssen, das passierte ziemlich sicher so wie sonst auch immer von ganz allein. Allein schon deshalb, weil ich noch eine ganze weitere Woche allein einschlafen müssen würde. Bevor wir uns neulich gestritten hatten, hatte ich oft bei Vahagn geschlafen, weil es einfach gut tat. Es war definitiv kein bloßes Gerücht, dass man neben einem Menschen, der einem wichtig war, besser ein- und durchschlief. Von den Küssen und den Gesprächen mit ihr mal ganz abgesehen, denn auch die würde ich weiterhin vermissen. Auf mich aufzupassen sollte ebenfalls keine große Schwierigkeit darstellen. Klar, mein Job bot an sich ziemlich viele Möglichkeiten für Risiken und unschöne Zwischenfälle, aber ich wusste mit solchen umzugehen. Schließlich machte ich das nicht gerade erst seit gestern und ich glaubte kaum, dass ich jetzt ausgerechnet innerhalb dieser einen Woche draufgehen sollte. Erst recht nicht, wenn ich fast permanent entweder mit Ashton oder Desmond unterwegs war, die Hunters wohl geübteste, beste Männer waren. Also nein - um mich brauchte die Brünette sich wohl kaum Sorgen machen. "Mach ich.", murmelte ich bestätigend noch zu ihr runter, kurz bevor sie sich endgültig von mir löste und sich dazu aufmachte ins Flugzeug zu steigen. Ich seufzte leise, während ich langsam zur Fahrertür ging und ihr dabei aber noch ein paar Sekunden lang wehmütig nachsah. Leider hatte ich selbst dafür jetzt nicht mehr wirklich viel Zeit, also ließ ich mich zum zweiten Mal hinters Steuer sinken und warf einen knappen Blick auf die Uhr in der Armatur, als ich den Motor angelassen hatte. Es war leider allerhöchste Zeit dafür zu verschwinden und so warf ich noch einen letzten Blick zum Flugzeug, bevor ich anfuhr um sowohl Vahagn, als auch Hunter vorerst hinter mir zu lassen. Ich hoffte wirklich, dass der Amerikaner ihr wegen dem Kuss jetzt nicht zu sehr auf die Nerven gehen würde, beziehungsweise eben allgemein wegen uns beiden. Er hatte zwar in unsere Richtung gesehen, aber eigentlich hatte er nicht wirklich überrascht oder anderweitig entsetzt gewirkt. Vielleicht hatte er aber auch einfach schon geahnt, dass ich die Pause, die Ashton bei ihm für mich während des Telefonats hatte erfragen sollen, wegen der Russin einlegen wollte. Das implizierte zwar nicht, dass ich sie auch hierher brachte, aber es wunderte ihn dann wohl trotzdem weniger. Ich zerbrach mir während der Rückfahrt noch eine Weile lang den Kopf darüber, ob der für alle Anwesenden sichtbare Kuss nun Konsequenzen für Vahagn haben würde, kam selbstredend aber zu keinem Ergebnis und war deshalb ganz froh, als ich Desmonds Wagen schließlich in der Nähe des Hafens hinter Ashtons anhielt. Die anderen beiden lehnten noch am Wagen von Hunters rechter Hand und rauchten vor der folgenden Aktion auch erst einmal ganz gemütlich ihre Zigaretten zu Ende. Ashton kontrollierte mittels der Uhrzeit auf seinem Handy ob ich pünktlich war - war ich natürlich, wenn auch wirklich nur kurz vor knapp. Allerdings mussten wir nicht zwangsweise sofort auf die Sekunde genau loslegen, also genehmigte mir der junge Mann auch noch eine Zigarette vorab, was ich mit einem dankenden Nicken hinnahm. Die Küsse hatten mir eben leider weder den Stress, noch die letzten Unsicherheiten bezüglich Vahagn nehmen können und so war ich im Endeffekt jetzt kaum ruhiger als vorher. Deshalb nahm ich die Chance auf ein bisschen Nervenberuhigung nur allzu gerne hin. "Naja, wenigstens lohnt sich der Stress mit ihr für dich. Oder legst du sie gar nicht flach?", wurde Ashton während der Raucherrunde ein paar Worte los, die mich prompt beim Einziehen des Rauchs husten ließen.
Zugegeben wusste ich im ersten Moment nicht wirklich, was ich nun eigentlich davon halten sollte, dass Vahagn und Tauren ihre Turtelei jetzt deutlich offensiver nach außen zu tragen begannen. Zwar änderte das an sich an den bis dahin ohnehin schon gegeben Umständen überhaupt nichts, aber es nervte mich irgendwie unterschwellig. Woran genau das lag konnte ich nicht sagen. Womöglich einfach daran, dass ich mir nach wie vor nicht zu einhundert Prozent sicher damit war, dass der junge Norweger wirklich voll hinter mir stand. Eigentlich gab er mir dafür gerade die letzte Woche über absolut keine Gründe, weil er die Testphase für seine Rangsteigerung bisher einwandfrei durchstand, aber ich blieb einfach skeptisch. Er konnte seine Arbeit noch so gut machen und trotzdem war das mit Vahagn und ihm einfach ein Risiko. Das ungute Gefühl in der Magengegend blieb also bestehen, als die Brünette sich langsam von ihm zu lösen begann und ich mich mit meinen beiden Leibwächtern ins Flugzeug verzog, um dort meinen Platz zu beziehen und es mir bequem zu machen. Der Flug würde lang werden und vielleicht verbrachte ich auch eine oder zwei Stunden schlafend, wenn mir das Nichts tun gegen den Strich zu gehen begann. Mich in Vahagns Anwesenheit um geschäftliche Dinge zu kümmern, die im Hintergrund während meiner Abwesenheit dennoch weiterlaufen würden, kam für mich nur bedingt in Frage. Ich war wohl ganz einfach in absolut allen Belangen paranoid, was meine Geschäfte anging und so verbrachte ich den Flug nur mit ein paar wenigen Nachrichten an meine Handlanger, wenn sich einer nach getaner Arbeit bei mir zu Wort meldete. Es schien so weit alles glatt zu laufen und es ging nur um ein paar wenige Entscheidungen, die prinzipiell auch Ashton treffen konnte, sofern ich mal nicht übers Telefon erreichbar war. In der restlichen Zeit unterhielt ich mich fast ausschließlich mit den beiden Norwegern, die mich nach Russland begleiteten oder döste zwischendurch mal ein paar Minuten. Wir landeten um kurz nach Acht in Moskau und ich war heilfroh darüber wieder festen Boden unter die Füße zu kriegen. Zwar hatten mir die kleineren Turbulenzen unterwegs nicht wirklich nervös gemacht, aber ich bevorzugte es trotzdem einfach gar nicht zu fliegen, wenn es vermeidbar war. Allein schon deswegen, weil dabei immer viel Zeit verloren ging, die man durchaus sinnvoller hätte nutzen können. Ich war gerne unabhängig und mobil, weshalb ich mich am Flughafen vorübergehend von Vahagn verabschiedete, um mit einem im Voraus angemieteten Wagen das Flugplatzgelände mit den Jungs zu verlassen. Wir machten uns auf direktem Weg ins Hotel und bedienten uns dort nach dem Beziehen der Zimmer im obersten Stockwerk auch noch am Frühstücksbuffet, bevor ich mich zurück in meine vorübergehend eigenen vier Wände begab. Ich zog den sehr handlichen Laptop aus seiner Tasche, die wiederum zwischen den Klamotten in meiner Reisetasche ihr Dasein gefristet hatte. Erledigte noch ein paar dringende geschäftliche Dinge in Ruhe und rief auch meine rechte Hand noch an. Er war wenig begeistert von meinem Anruf, weil er eigentlich ganz gerne weitergeschlafen hätte, aber dazu hatte er danach auch noch genug Zeit. Tauren schien sich in seinen Augen weiterhin gut zu machen und auch sonst hatte er den Eindruck, dass es in letzter Nacht nichts schief gegangen war. Mit dieser endgültigen Absicherung ließ es sich dann im Anschluss gleich wesentlich besser für ein paar Stunden schlafen. Ich war nicht wirklich müde, wusste aber nicht wie lange sich das erste Gespräch mit Iljah heute Abend hinziehen würde, also wollte ich einfach voll ausgeruht sein. Übervorsichtig, wie ich es nun einmal gerne war, blieb auch immer mindestens einer der anderen beiden vor meiner Tür stehen, um Wache zu halten, während der andere parallel dazu in seinem Zimmer die Augen zumachte. So waren sie heute Abend beide halbwegs fit und ich konnte beruhigt vor mich hin schlummern, wobei mir selbst über diese paar Stunden hinweg schon auffiel, dass Cosma fehlte. Die Wärme, die sie im Bett ausstrahlte und die Ruhe, die sie an guten Tagen für mich implizierte. Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass wir mit Sex im übertragenen Sinne tatsächlich noch näher zusammenrückten. Dass wir uns dabei körperlich näher kamen war ja logisch, aber dass das auch anderweitig auf unseren Zusammenhalt eine spürbare Auswirkung hatte, damit hatte ich wohl einfach nicht gerechnet. Allein schon deshalb, weil es mich sowieso grundlegend in jedem Fall aufs Neue wunderte, wenn ich die Rothaarige immer öfter noch ein Stück mehr an mich heranließ. Mich ihr unterbewusst mehr und mehr öffnete, obwohl ich bis vor ein paar Monaten noch geglaubt hatte, dass ich das nicht konnte und auch gar nicht wollte. Doch Cosma tat mir gut und auch, wenn sich mein Aggressionsproblem wohl nie in Luft auflösen würde, half sie mir ungemein damit, indem sie schlichtweg einen guten Ausgleich zu der inneren Wut in meinem Leben schaffte. Gegen 18.30 Uhr verließ ich das Hotelzimmer in gewohnt eher legerem Outfit. Die einfarbig schwarzen Armypants schlossen perfekt mit den schwarzen Stiefeln ab und boten herrlich viel Platz für meine Paranoia, ergo für allerhand kleinere Waffen. Zusätzlich zu der Pistole am Hosenbund, die unter dem etwas weiteren, ebenso schwarzen Hoodie gänzlich verschand, versteht sich. Kaum war die Zimmertür ins Schloss gefallen heftete die beiden Schatten sich wie gewohnt an meine Fersen und folgten mir zum Aufzug, von diesem Wiederum dann bis in die Bar. Der Russe schien noch nicht hier zu sein, was ich aber als nicht schlimm empfand. So konnte ich mir wenigstens einen in meinen Augen guten Platz in der noblen Hotelbar aussuchen - ja, es war ein fünf Sterne Hotel und ich bewohnte da oben eine viel zu große, lichtdurchflutete Suite mit herrlichem Ausblick auf die Stadt, weil ich mich Zuhause an den Luxus gewöhnt hatte und meinen verwöhnten Arsch jetzt in keiner Absteige mehr parken würde, sofern es anders ging -, während meine beiden Handlanger direkt an der Bar sitzen blieben. So konnten sie mich problemlos im Auge behalten und würden von der geschäftlichen Angelegenheit an sich nichts hören. Es war hier drin glücklicherweise auch noch relativ leer, weshalb es nicht lange dauerte, bis einer der beiden Barkeeper zu mir in eine der hinteren Ecken der Bar kam und mich fragte, was es denn sein durfte. Ich bestand wortkarg auf den teuersten Whiskey im Haus und kaum wurde mir jener zwei Minuten später auf Eis vor die Nase gestellt, sah ich auch Vahagns Bruder durch den großen Türbogen in die Bar treten. Sein Gesicht hatte selbst mit Bildern verglichen einen großen Wiedererkennungswert, ihn zu verwechseln war fast unmöglich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wann war ich das letzte Mal eigentlich derart müde gewesen? Ich konnte mich kaum mehr dran erinnern, so lange war es her, dass ich mich trotz ausreichend viel Schlaf noch immer überfahren fühlte, wenn ich die Lider aufschlug. Würde es sich bei meinem Wecker nicht um eine Digitaluhr handeln, dann hätten die Zeiger jetzt auf kurz vor sieben gestanden, als das schrille Piepen des rechteckigen, schwarzen Kästchens auf dem Nachtisch neben meinem Bett ertönte und mich damit aus einem traumlosen Schlaf riss. Die roten Lettern blendeten mich förmlich, als ich die Augen einen Spalt weit öffnete, um zu sehen, wohin ich die riesige Pranke manövrieren musste, um das nervtötende Geräusch wieder verstummen zu lassen. Anstatt mich noch einmal umzudrehen und es auf ein paar weitere Minuten in einem wenig erholsamen Dösezustand ankommen zu lassen, raffte ich mich schon kurz darauf in eine sitzende Position auf, von wo aus ich mir beidhändig über das müde Gesicht rieb. Ich war Gott sei Dank ein Mensch, dessen Genetik keine Augenringe zuließ, egal, wie wenig Schlaf ich bekam und wie unausgeruht ich letztlich war - ansehen tat man mir das in der Regel nicht und das war auch gut so. Es musste schließlich nicht für jeden Vollidioten offensichtlich sein, dass es geschäftlich momentan drunter und drüber ging, sodass ich mir seit Tagen den Kopf darüber zerbrach, wie es eigentlich weitergehen sollte und kaum mehr ruhig schlief. Nach dem Anschlag auf den Sitz in Italien war zwar mittlerweile das Gröbste überstanden, aber von einem solventen, gewinnbringenden Geschäft waren Vahagn und ich noch immer ziemlich weit entfernt. Die momentane Auftragslage reichte gerade so aus, um von der Hand in den Mund zu leben, aber ewig so weitermachen konnten wir mit diesem Konzept nicht. Schließlich unterhielten wir mittlerweile auch noch den kläglichen Rest der sizilianischen Crew, welche sich leider nicht mittels Luft und Liebe bezahlen ließ. In meinen Augen war es jedoch nur fair, ihnen zumindest so lange ihren Lohn zukommen zu lassen, bis sie sich allesamt gänzlich von dem Überfall erholt hatten, denn das schuldeten wir ihnen. Schließlich hatten Dmytro, Holovanov und der Rest mit ihrem Leben für meine Schwester und damit verbunden auch mich eingestanden. Sie jetzt auf die Straße zu setzen, wäre nichts als undankbar. Gerade deswegen, weil die meisten noch immer mit Knochenbrüchen, Brandverletzungen, sowie Schuss- und Schnittwunden zu kämpfen hatten. Das hießt für mich zwar, Teile der privaten Rücklagen in die Firmenkasse fließen zu lassen, aber anders als Vahagn war ich ein durchweg positiver Mensch. Glaubte fest daran, dass es irgendwann wieder bergauf gehen würde und der abgeschlossene, wie auch der gegebenenfalls zustande kommende nächste Auftrag gaben mir dahingehend Hoffnung. In den letzten Tagen hatte ich vermehrt mit meiner besseren Hälfte in Kontakt gestanden und war heilfroh, dass der letzte Auftrag, für den ich einen Frachter nach Norwegen beordern sollte, ohne weiteren Beanstandungen von der Bühne gegangen war. Laut Aussage der Russin auf der anderen Seite der Erdhalbkugel war dabei ein nettes Sümmchen herausgesprungen, welches sie mir in jedem Fall persönlich vorbei bringen wollte. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, wusste ja, dass sie mich besuchen kommen wollte, sobald es ihr wieder besser ging und sie sich nach meinem an sie übersandten Obolus wieder ein wenig auf die Beine gerafft hatte, aber dass sich damit gleich ein neues Abkommen mit dem scheinbar ziemlich barmherzigen Amerikaner anbahnte, von dem mir meine Schwester am Telefon erzählt hatte, kam überraschend. Jedenfalls stand ich der ganzen Sache eigentlich ziemlich offen gegenüber, auch wenn ich den Autohandel gerne weiterhin auf legalen Wege hätte laufen lassen wollen, aber ganz so ernst war mir der Aspekt nun wirklich nicht. Deshalb brauchte es auch kaum Überredungskunst, um mich davon zu überzeugen, dass das mit der Geldwäsche durchaus seinen Reiz hatte und so willigte ich kurzerhand dem Treffen mit Hunter ein, der offensichtlich darauf bestanden hatte, sich das Unternehmen persönlich anzusehen, was in meinen Augen nur verständlich war. Ich hätte auch keine besonders große Lust, mein Geld ins Niemandsland zu schicken, ohne zu wissen, wie es vor Ort eigentlich abging und ob ich Angst haben musste, nicht einen einzigen Rubel von den gefälschten Blüten zu sehen. Trotz des hohen Grad an Verständnis, den ich für den potenziellen Geschäftspartner aufbringen konnte, hielt sich meine Lust, mich am heutigen Tag zu einer Besprechung in einem der noblen Hotels Moskaus einzufinden stark in Grenzen. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass ich so früh aufstehen musste, um meine Schwester vom unweit entfernten Flugplatz abzuholen, nachdem sie mir mitgeteilt hatte, wann sie landen würden. Hunter hatte ich allerdings noch nicht kennen lernen dürfen, weil der gute Mann ziemlich schnell die Biege gemacht hatte und nur noch die Russin aufzufinden gewesen war, als ich den Wagen nahe der gelandeten Maschine parkte. Der Rest vom Tag zog dann aber doch relativ schnell ins Land und nachdem Vahagn und ich uns ausgiebig über Dies und Das - überwiegend geschäftliches, aber auch privates - unterhalten hatten, machte ich mich am frühen Abend auf den Weg zum mir genannten Hotel, wo der Amerikaner auf mich warten würde. Eigentlich hatte meine Schwester mitkommen wollen, aber nachdem sie aus ihrem Mittagsschlaf kaum mehr erwachen wollte, war ich einfach alleine losgefahren. Nicht ohne den ein oder anderen Begleitschutz, den ich beim Betreten der Hotellobby allerdings draußen parkte. Ich ging nicht davon aus, dass Hunter mir mal eben so an den Kragen wollte. Erst recht nicht, wenn es dafür Zeugen in Form von Bedienungen und Barkeepern gab, also befürchtete ich dahingehend absolut gar nichts. Es dauerte nicht lange, bis ich schließlich die hohe und ziemlich prunkvoll gestaltete Holztür zur Hotelbar ausfindig gemacht hatte, die ich ohne größeren Umschweife - ich wischte mir lediglich noch einmal angestrengt über das Gesicht - dann auch aufschob. Mein Blick wanderte daraufhin suchend die unzähligen Bänke, Tische und Stühle ab, bis ich in so ziemlich der hintersten Ecke einen Mann ausfindig machte, der laut Vahagns Beschreibung mein Mann sein könnte. Ein ziemlich sperriger, beinahe glatzköpfiger Typ mit auffälligen Tattoos. Gefiel mir gut, hatte ich doch selbst ein Faible für Tinte unter der Haut, aber das musste ihn noch lange nicht zu einem in meinen Augen sympathischen Typen machen. Aus Erzählungen wusste ich, dass der Kerl wohl ziemlich aufbrausend, leicht reizbar und ungeduldig war, beschloss aber für mich, erst einmal vollkommen unvoreingenommen an das Gespräch heran zu gehen und zu schauen, wie sich jenes in seinem Verlauf entwickeln würde. Als ich gerade dabei war, zu dem Amerikaner aufzuschließen, kam mir eine junge Frau entgegen, die ganz offensichtlich hier arbeitete und fragte mich, ob sie etwas für mich tun könne. Ich nickte und bestellte im selben Atemzug ein Bier, was sie bereitwillig zur Kenntnis nahm und mich anschließend passieren ließ. Wenige Schritte später kam ich bei dem grimmig dreinblickenden Kerl an, setzte mich jedoch noch nicht zu ihm, sondern blieb etwa einen halben Meter vom Tisch entfernt stehen, musterte ihn kurz. "Hunter?", fragte ich schließlich und auch wenn mein Englisch nahezu dialektfrei war, wog der russische Akzent schwer. Schwerer, als das bei meiner Schwester der Fall war. Jedenfalls wollte ich mit dem zu einer indirekten Frage formulierten Namen sichergehen, dass ich mich auch tatsächlich am richtigen Tisch befand. Nicht, dass durch einen dummen Zufall gleich zwei Volltätowierte, potenzielle Hunters hier in der Hotelbar saßen.
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Mein Blick lag ungeniert auf Iljah, während er in meine Richtung kam. Ich musterte sein Gesicht, seine Körperhaltung, die Art wie er ging. Allein die Körpersprache konnte viel über einen Menschen verraten und dass ich neue, mir noch unbekannte Leute gerne ganz genau mit den Augen unter die Lupe nahm, war ja nichts Neues. Trotz meines gewohnt stechenden Blicks machte der Russe einen relativ ruhigen Eindruck, was ihm schon im Voraus einen winzigen Pluspunkt einbrachte. Ich konnte mit hibbeligen Typen nicht, hatte damit bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht. Das waren in der Regel nämlich entweder drogenabhängige Menschen oder solche, die keinen Schimmer von dem hatten, was sie taten. Erfahrung im Geschäft und Abgeklärtheit waren für mich ein unabdingbares Muss. Als Vahagns Bruder letztlich bei mir am Tisch stand und er sich danach erkundigte, ob er bei mir an der richtigen Adresse war, wandte ich das erste Mal den Blick wieder von ihm ab, während ich deutlich sichtbar nickte und mit einer Geste der linken Hand unterstrich, dass er sich setzen sollte. Meine Augen hafteten daraufhin kurzzeitig auf dem Whiskeyglas in meiner Hand, während der Schwarzhaarige sich mir gegenüber an den Tisch fallen ließ. Ich nahm einen kleinen Schluck aus dem Glas und ließ mir den teuren Tropfen Alkohol einen Moment lang auf der Zunge zergehen, bevor sich meine Augen erneut auf Iljahs richteten. Sein Akzent störte mich nicht, war ich es doch inzwischen ziemlich gewohnt ständig irgendwelche neuen Slangs zu hören, weil ich schlicht nicht nur mit Amerikanern oder Norwegern Geschäfte gepflegt hatte. Solange das die Verständlichkeit nicht beeinträchtigte gab es dafür also keinen Punktabzug. Ich wartete nur noch darauf, dass der Russe sein Getränk von der zuvorkommenden Bedienung bekam und wir vorerst allein waren, ehe ich selbst das Wort ergriff. "Geht auf mich - All Inclusive.", offenbarte ich dem jungen Mann gegenüber mit knappen Worten, dass ich ihn für dieses oder auch weitere Getränke nicht zahlen lassen würde. Weniger aus Gutherzigkeit und mehr deshalb, weil er sein momentan eher rar gesätes Geld lieber für seine Männer behalten sollte, damit künftig nichts bei unserem möglichen Unterfangen schief lief. "Ich bin kein besonders großer Freund von Smalltalk, also komm ich gleich auf den Punkt. Vahagn sagt, dass du den Laden bisher komplett legal führst... wie machst du das dann? Ich meine, wenn du nicht Alles selber machen willst", namentlich dann die Autos ankaufen, danach verkaufen und vor allem nebenher die Finanzbücher überwachen, damit da keine auffälligen Lücken oder dergleichen entstanden, "wirst du wohl mindestens eine oder zwei Personen einweihen müssen. Ich glaube kaum, dass deine Männer besser im Autos verkaufen wären als meine.", redete ich wie so oft frei heraus, was mir noch an Fragen im Kopf herumschwebte, wenn auch mit leicht gesenkter Stimme, obwohl die Musik hier drin recht leise nur den Hintergrund bildete. Es wäre wohl kaum machbar einen bereits in die illegalen Machenschaften Iljahs' verstrickten Mann zu einem guten Autoverkäufer zu machen, der sich zufällig auch noch mit Finanzen und dergleichen auskannte. Wenn das also eher weniger in Frage kam, dann würde er wohl mindestens eine Person in seinem Autohaus einweihen müssen oder er hatte eine andere Lösung dafür, die mir bisher nicht gekommen war. Deswegen saßen wir ja hier - um uns zu einigen und den bestmöglichen Weg zu finden. Es war natürlich sein Laden, aber auf zu riskante Manöver einlassen wollte ich mich nicht. Also ganz gleich, wen er für den Job in Betracht zog - jene Person musste definitiv auch durch meinen TÜV. Ich konnte gut darauf verzichten Ärger zu bekommen, weil mich Jemand bestahl oder meinte seine Arbeit nicht richtig zu machen. Dass sich Iljah selbst um all das kümmern wollte hielt ich jedenfalls für grundlegend unwahrscheinlich. Als Kopf eines Clans wusste ich selbst schließlich am besten, wie viel man zeitweise um die Ohren haben konnte und es würden sicher wieder Zeiten für ihn kommen, in denen es mehr Aufträge gab. "Und egal wen du dafür in Betracht ziehst - ich werde mir denjenigen genauso ansehen wie den Laden selbst.", ließ ich den Russen noch an meinen letzten Gedanken teilhaben. Die Stimme dabei nach wie vor eher ruhig, weil ich bisher keinerlei Gründe hatte an die Decke zu gehen. Hoffen wir mal, dass das auch so blieb und sich der Tätowierte hier nicht als Reinfall entpuppte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm, so weit, so schön. Der Tätowierte schien also tatsächlich derjenige zu sein, für den ich ihn gehalten hatte und bat mich kurzerhand darum, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Nur wenige Augenblicke später tauchte dann die Bedingung von gerade eben wieder auf, um das von mir bestellte Bier auf dem Tisch abzustellen. Ich nickte knapp, dankbar, woraufhin sie ohne weiteres den Rückzug antrat und ich meine Aufmerksamkeit gänzlich dem Amerikaner widmen konnte. Auch dieser erntete ein wortloses, dafür aussagekräftiges Nicken, weil wir uns für eine wortwörtliche Danksagung weder gut genug kannten, noch ich im Allgemeinen so wirklich der Typ dafür war. Schien ihn allerdings ohnehin nicht wirklich zu stören, denn anstatt sich vorzustellen und kurz darüber zu klagen, wie kalt es hier in Russland doch war, kam er direkt auf den Punkt zu sprechen, weshalb wir uns hier gemeinsam in der Hotelbar eingefunden hatten. Einerseits war das natürlich gut, weil sich meine Lust wie gesagt in Grenzen hielt, andererseits wusste ich ganz gerne, mit wem ich es zutun hatte und bevorzugte ein paar mehr Informationen als bloß den Namen, die Herkunft und den aktuellen Wohnsitz. Aber gut, daran würde ich mich fürs Erste nicht aufhängen und beschloss, Hunter erst einmal mein Gehör zu schenken, bevor ich selbst das Wort ergreifen würde. Ich nutzte die Zeit, in der der Amerikaner noch einmal kurz zusammenfasste, worum es bei dem Geschäft eigentlich gehen soll und wo eventuell Schwierigkeiten auftreten konnten damit, dass ich ein oder zwei Mal an dem Bierglas nippte, bis irgendwann nach einer schier unendlichen langen Zeit dann endlich meine Meinung gefragt war. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis das sichtlich amüsierte Grinsen von meinen Lippen verschwunden war, aber ich konnte einfach nicht anders. Es reichten schon die wenigen Worte des Amerikaners, um mich verstehen zu lassen, warum mich Vahagn bereits vorgewarnt hatte. Hunter war speziell... herrisch... eigen. Das waren ihre Worte gewesen und wenn man dem jungen Mann länger als ein paar Sekunden zuhörte, dann waren diese Charaktereigenschaften absolut offensichtlich. Mich... störte es tatsächlich gar nicht. Es amüsierte mich viel eher die Tatsache, dass sich mein geliebtes Schwesterchen an solchen Typen aufhing. Wertvolle Zeit und Nerven investierte, sich zu ärgern, obwohl offensichtlich war, dass man Menschen wie Hunter so akzeptierte und mit ihm klar war, wie er war oder aber besser gleich den Rückzug antrat. Bis hierhin hatte er noch nicht besonders viel von sich preisgegeben, also war ich bei den darauffolgenden Worten noch ein wenig vorsichtig. Nachdenken musste ich über eine Antwort im Übrigen nicht lange, denn ich war ja kein kleiner Dummer und hatte mir im Vorfeld schon Gedanken über etwaige Möglichkeiten gemacht. "Mhm, das mit dem Smalltalk ist schade. Ich weiß gerne, mit wem ich im Begriff bin, Geschäfte einzugehen, aber dann läuft das eben auf dem etwas anderen Weg der Informationsbeschaffung. So wie ich das sehe, bist du ein kluger Mann, Hunter und nicht dumm. Sollte dir Vahagn noch nicht genug über mich erzählt haben, werde ich dir meine Akte direkt ins Hotel liefern lassen oder ich bringe sie dir mit, wenn wir uns das nächste Mal sehen.", antwortete ich ruhig. Zwar mochte es den Anschein haben, als würde ich ihn aufziehen, ja, ihm gar unterschwellig drohen wollen, aber das war so überhaupt nicht der Fall. Hunter war nicht blöd und brauchte gar nicht erst denken, dass ich es war. Schließlich ließen sich nicht mal eben durch das Schnipsen mit den Fingern neue Persönlichkeiten aus dem Boden stampfen. Es gehörte Einsicht in vielerlei Register, sowie staatliche Datenbanken dazu und irgendwo würde ich ganz bestimmt etwas über unseren ominösen Amerikaner hier finden. Im Umkehrschluss konnte ich aber auch verstehen, wenn er selbst Interesse daran hatte, seine potenziellen Geschäftspartner besser kennen zu lernen und weil ich absolut nichts zu verbergen hatte - vermutlich ein Buch über mich und mein Leben schreiben würde, wenn ich mal die Zeit dazu fand - schien das in meinen Augen nur ein sehr faires Angebot. Außerdem machte ich damit direkt den Standpunkt klar, dass er mich nicht in meiner Position zu degradieren versuchen brauchte, nur weil es meinem Unternehmen nicht gut ging. Das waren nun mal unverhoffte Ereignisse, mit denen man leben musste, aber es machte mich weiß Gott zu keinem zerbrechlichen, arschkriechenden Jammerlappen, der für einen erbärmlichen Rubel alles tun würde. Sollte das Ganze hier nicht zustande kommen, dann war das schade, weil die Geschäftsidee grundlegend erst einmal ziemlich interessant klang, aber ich machte mich nicht von anderen Leuten abhängig und würde mich schon gar nicht wie einen Handlanger herumschubsen lassen. Das konnte Hunter gerne mit seinen Jungs machen, aber mit mir nun mal nicht. "Was die Planung der ganzen Geschichte angeht, habe ich mir vorab auch schon ein paar Gedanken gemacht. Durch besagte andere Wege werde ich mir die Akten meiner Mitarbeiter zukommen lassen. Die, die bis dato nicht ein einziges Mal auffällig geworden sind, fallen weg. Grundsätzlich - ich habe aktuell verhältnismäßig wenig Lust, jemanden umbringen zu müssen, weil er drauf und dran ist, zu den Bullen zu rennen. Dafür fehlt mir die Zeit.", redete ich reichlich trocken weiter und unterstrich vor allem den letzten Satz mit einer vielsagenden Handbewegung. "Potenziell infrage Kommende können wir uns dann gemeinsam angucken. Hab' da ein paar meiner Angestellten im Kopf, die erstklassige Arbeit leisten, wenn es um das Verkaufen von Fahrzeugen geht. Wenn der Background passt, wäre es ein Versuch wert und ich lasse es dich dann wissen. Die Buchhaltung würde ich zu einem großen Teil selbst übernehmen. Zahlen habe ich lieber persönlich im Blick. Wobei ein zweites Paar Augen auch in dem Punkt sicher nicht verkehrt wären." Nachdenklich in die Krone des Bieres stierend schwenkte ich leicht das Glas in meinen Händen, kurz bevor ich den geduldigen, ruhig abwartenden Blick wieder in den von Hunter legte. Das Grinsen zwar inzwischen wieder gänzlich verschwunden, was nicht zuletzt sicher auch daran lag, dass ich den Amerikaner nicht unnötig provozieren wollte. "Sollte keiner meiner derzeitigen Angestellten für die Art von Aufgabe geschaffen sein, bin ich natürlich gerne so gastfreundlich und nehme ein paar deiner Männer bei mir auf.", hängte ich noch ein paar wenige Worte hinten dran. Nur für den Fall der Fälle eben. Das Grundstück, welches ich zurzeit bewohnte, war riesig. Das Haus, welches darauf stand, hatte noch mehrere freie Zimmer, die ich gerne für eine geringe Pauschale an die Männer des Amerikaners vermieten konnte. Eben dann, wenn er mir nach dem Beschnuppern als Geschäftsmann immer noch zusagte.
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Der Russe gegenüber schien doch merklich anders als seine Schwester gestrickt zu sein. An sich nichts ungewöhnliches, gab es doch viele Geschwister, die sich nicht besonders ähnelten, aber in diesem Fall könnte man fast meinen die beiden waren wie Feuer und Eis. Wer jetzt was davon war mal dahingestellt, aber im Gegensatz zu Vahagn schien Iljah deutlich weniger kurz angebunden zu sein. Fand es sogar schade, dass ich nicht der Typ Mensch für Smalltalk war. Das Grinsen, das seine Gesichtszüge beschwingte, gefiel mir weniger. Aber selbst das war nicht ganz so provokant wie das, das seine Schwester ab und an auf den Lippen trug. Bei ihr hatte ich auch relativ häufig das Gefühl, dass sie es bewusst tat, um anderen Leuten - spezifisch mir - auf die Nerven zu gehen, zumindest eben in der Anfangszeit unserer Bekanntschaft. Inzwischen kamen wir ja durchaus etwas besser miteinander klar, was wohl schlichtweg daran lag, dass wir uns auf den jeweils anderen einzustellen gelernt hatten. Wobei ich mich ihrem Verhalten natürlich auch nur so weit anpasste, wie ich für richtig hielt - wenn sie mir auf der Nase herumtanzen wollen würde, dann könnte sie wie jeder andere auch gar nicht schnell genug gucken, bevor ich zehn Gänge hochfuhr. Kurzum war mir Iljah schon jetzt der sympathischere von den beiden, obwohl er noch gar nicht lange hier war. Er schien mir einfach deutlich weniger kompliziert und reizbar zu sein, was mir gegenüber grundsätzlich etwas Gutes war. Seine Worte bezüglich der Akte zu seiner eigenen Person ließen mich den Blick erneut ins Glas richten, wobei mein linker Mundwinkel leicht nach oben zuckte und ich leise in mich hinein seufzte. Es war ein fast stilles, aber relativ zufriedenes Seufzen. Bevor ich jedoch eine wörtliche Antwort von mir gab nippte ich erneut am kalten Alkohol, ließ das Glas danach langsam zurück auf die Tischplatte sinken und sah den jungen Mann gegenüber neutral an. "Vahagn und ich sind wirklich nicht prädestiniert dafür viel miteinander zu reden.", stellte ich ironisch fest. War nun mal so - redeten wir zu lange miteinander, dann endete das in der Regel nicht besonders nett, also beschränkten wir uns auf die wichtigen Fakten. "Also ja, die Akte wäre sicher nicht verkehrt. Falls du jetzt allerdings eine von mir erwartest, muss ich dich leider enttäuschen. Aber eigentlich solltest du mehr als genug über Hunter Price in den USA und Tyr in Norwegen allein schon im Internet finden.", ließ ich den Russen ungeniert wissen, dass er sicherlich auch ohne ein offizielles Strafregister meinerseits - wie er an meine Akten rankommen wollte ohne Aufsehen zu erregen war mir schleierhaft, weil zumindest die in Norwegen aufgrund zahlreicher laufender Ermittlungen gegen mich für Niemanden außer die involvierten Ermittler einsehbar sein dürfte; keine Spuren bei der Einsicht zu hinterlassen wäre auch für einen Cop oder Hacker so gut wie unmöglich - so einiges im Netz zu meiner Person finden konnte. Die Cops führten zwar genauso wenig alle meine Straftaten in ihren Unterlagen auf, wie das Internet, aber ich war unweigerlich seit der Sache mit dem Kindermädchen etwas prominent geworden. War immer ein bisschen grotesk, wenn ich ein Bild von damals von mir zu Gesicht bekam. Da hatte ich noch deutlich längere Haare auf dem Kopf, war gefühlt nur halb so breit und hatte kaum Tattoos, vor allem noch keine im Gesicht und an den Armen. Während sich meine Statur aus der Not heraus schon im Knast langsam zu verändern begonnen hatte, waren meine Tattoos zu 90% erst in Norwegen entstanden. Der optische Wandel war auch aus Gründen der Tarnung im neuen Land sehr praktisch gewesen. Die Akten seiner Mitarbeiter hier in Russland sollten im Gegensatz zu meiner norwegischen wohl deutlich leichter zu arrangieren sein, weshalb ich schon während Iljahs Worten diesbezüglich nickte. Das war ein gut durchdachter Schachzug und würde uns wohl einen oder mehrere gute Hinweise dazu geben, wer für den Job zu haben und vor allem geeignet war. Auf die Bullen konnte ich nämlich genauso gut verzichten wie der Schwarzhaarige, auch wenn die mir hier in Russland kaum hinterher rennen würden. Hier kannte mich bisher schließlich kein Schwein. Dass der junge Mann die Finanzen selbst auf jeden Fall mit im Auge behalten würde, konnte auch nur gut sein. Vertrauen war schön und gut, Kontrolle deutlich besser. Solange er das in seinen Zeitplan gut einbringen konnte, hatte ich also weiß Gott nichts dagegen. "Das ist gut... sogar ausgezeichnet.", tat ich Iljah nachdenklich, aber hörbar anerkennend kund, dass ich seine Vorgehensweise für gut befand. Er hatte sich schon Gedanken dazu gemacht und das ersparte mir Ärger, sowie Zeit. Auch, dass er sich nicht weigern wollte mir ganz transparente Einsicht in das Unterfangen zu geben, sprach durchweg für ihn - wieder kleine Pluspunkte für den verhältnismäßig umgänglichen Russen. "Allerdings würde ich so oder so ein paar meiner Männer mit der ersten Lieferung schicken, damit ich hier ein paar Augen und Ohren habe. Nicht für lange, höchstens bis zur zweiten Lieferung. Wenn ich weiß, dass hier Alles glatt läuft, ziehen sie wieder ab. Ist nichts Persönliches.", kam ich auf die Sache mit der Einquartierung meiner Männer hier zu sprechen, während ich unbewusst ein wenig das Glas in meiner Hand drehte. Ich wusste schlichtweg noch nicht, ob ich Vahagns Bruder trauen konnte und eine Absicherung dahingehend war notwendig. Wenn entweder ganz mysteriös ein paar Blüten abhanden kamen oder gar meine Männer abgeknallt wurden, wusste ich woran ich war.
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Wirklich wundern tat es mich nicht, dass Vahagn und Hunter sich nicht besonders oft miteinander unterhielten. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die dominante Art des Amerikaners für meine hitzköpfige Schwester ein echter Dorn im Auge war, aber mein Verständnis dafür hielt sich zumindest aktuell noch stark in Grenzen. Gut, es war mehr als offensichtlich, dass der Amerikaner gerne das Zepter in den Händen hielt und über alles haargenau informiert war, was ich ihm für meinen Teil auch nicht verdenken konnte. Schließlich ging es hier primär darum, dass das Geschäft gut lief und nicht darum, irgendwem mit vermeintlich sinnlosen und total überzogenen Auflagen seinerseits auf den Schlips zu treten und genau an dem Punkt schieden sich bei Vahagn und mir die Geister. Keine Ahnung, wann die junge Frau so sensibel geworden war, aber sie hätte sich ziemlich sicher darüber erzürnt, dass Hunter ihr - noch - nicht traute und ein paar seiner Männer nach Russland schicken wollte, um das Ganze zu überwachen, während ich darin lediglich zusätzliches Geld sah. Schließlich würden sie weder umsonst in den Flieger steigen, noch in meinen Gemächern nächtigen dürfen und wenn es den Amerikaner beruhigte, schlichtweg mehr Geld dafür auszugeben, damit alles zu seiner vollsten Zufriedenheit von statten ging, dann sollte mir das nur recht sein. Vorausgesetzt, seine Männern versuchten mir nicht auf der Nase herum zu tanzen oder mich anderweitig zu nerven. Ich mochte zwar mit deutlich mehr Geduld gesegnet sein, als so manch einer im kriminellen Metier, aber irgendwann wurde auch mein Geduldsfaden porös und riss. Zusammenfassend konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass der Typ mir gefiel. Von der Art, wie er Sachen anging und wie sorgfältig er größere Unterfangen durchdachte, könnten wir glatt ein super Team bilden, aber so weit würde ich nun wirklich noch nicht gehen wollen. Nur weil er mir auf den ersten Blick einen ganz souveränen Eindruck machte, hieß das noch lange nicht, dass das auch so bleiben würde. Er hatte mich überzeugt, dass ich meine Firma weiterhin für diese Sache zur Verfügung stellen würde, jedoch konnte er sich darauf verlassen, dass ich ein sehr akribisches Auge darauf haben würde, wie, unter welchen Umständen und was für Abläufe in meiner Firma verändert wurden und wenn nötig, dann würde ich auch mein Wort erheben. Ihm klar machen, dass er sich nicht alles erlauben konnte, sondern es auch für ihn gewisse Grenzen gab. "Oh, das ist kein Problem.", winkte ich ab, dass die Enttäuschung darüber, keinerlei genehmigten Akteneinsichten seinerseits erwarten zu können, relativ gering, quasi nicht vorhanden war. "Deine Lebensgeschichte interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht besonders. Zu versuchen, über das FBI, den russischen Geheimdienst oder sonstige Organisationen an deine Akten zu kommen wäre viel zu zeitaufwendig und außerdem zu riskant dafür, dass geschäftlich jeder seine eigenen Brötchen backt. Bei einer im Raum stehenden Zusammenschließung zweier Vereinigungen wäre das natürlich etwas anderes. In dem Fall reicht es mir allerdings vollkommen aus, zu wissen, anhand welcher Merkmale ich Morde auf dein Geheiß oder durch deine Hand erkennen kann.", redete ich weiterhin ziemlich ruhig und ohne an den Worten zu sparen vor mich hin. Natürlich nicht, ohne auch diese Aussage mit einer zusammenfassenden Handbewegung zu unterstreichen. Ich nahm daraufhin einen weiteren Schluck aus dem Bierglas, sodass jenes nur noch etwa zwei Schlucke davon entfernt war, an die hübsche Bedienung zurück zu wandern, was aber nicht weiter schlimm sein sollte. Entweder war das Gespräch dann bereits zu Ende oder ich orderte mir ganz einfach noch einen Schnaps. War ja laut dem Amerikaner für mich all inclusive sozusagen. Dass er mich für die bereits ausgearbeiteten Gedankengänge lobte, würde sich Vahagn wohl rot im Kalender eintragen, waren Komplimente aller Art seitens Hunter doch ziemlich selten. Sie hatte bis jetzt zwar noch nie besonders lange oder intensiv mit ihm zusammen gearbeitet, war aber der festen Überzeugung, dass er von kaum etwas begeistert war, was nicht er selbst inszeniert hatte. In meinen Augen sah das hier gerade allerdings anders aus und ich stellte mir unweigerlich die Frage, ob der Tätowierte nicht eventuell einen Zwillingsbruder hatte, der ganz zufällig ein weniger umgänglicher Typ Mensch war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie meine Schwester derart mit ihm aneinander gerasselt war. Dass das lediglich an unseren unterschiedlichen Charakteren lag, konnte ich mir irgendwie nur schwer vorstellen, andererseits war es so ziemlich der einzige naheliegende und plausible Grund, wollte mir auf die Schnelle doch nichts anderes einfallen. Na ja, grundlegend war das ja auch erst einmal vollkommen egal. In erster Linie würde das Geschäft ohnehin primär zwischen Hunter und mir Laufen, Vahagn hatte damit an und für sich relativ wenig zutun, weshalb ich sinnlose Gedanken an die Beziehung zwischen den beiden erstmal über Bord warf und mich darauf konzentrierte, hier keine wichtige Information zu verpassen. "Wunderbar. Dann wäre das ja geklärt. Ich muss dich allerdings darauf hinweisen, dass der Transport deiner Leute voraussichtlich etwas kosten wird und ich die Unterkunft auch nicht für Umme zur Verfügung stellen kann. Für ersteres bin ich gerne bereit, ein nettes, preisreduziertes Angebot anzufertigen, aber die Miete für die Räumlichkeiten ist fix. Dafür wird es deinen Männern an Nichts mangeln.", machte ich fairerweise darauf aufmerksam, dass der Einstieg in sein Geschäft etwaige Transport- und Unterhaltskosten für seine Mitarbeiter nicht inkludierte. Schließlich wollten wir ja auch noch ein bisschen was dran verdienen, aber am Preis schrauben ging eigentlich immer.
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Tatsächlich war es gar nicht so irrelevant zu wissen, wie man eine Leiche meiner Person zuordnen konnte. Denn kam man mir im Anschluss damit irgendwie in die Quere oder regte sich gar bei mir darüber auf, hatte man meinen Respekt in Windeseile verloren. Wenn ich es für richtig hielt Jemanden umzunieten, dann hatte das Gründe und die hatte man nicht in Frage zu stellen. Ich hielt es jedoch für grundlegend unwahrscheinlich, dass es aktuell in irgendeiner Form nötig sein würde hier in Russland einer Leiche mein neues Logo einzuritzen. Das H, das ich in Norwegen für gewöhnlich benutzt hatte, konnte ich jetzt schlecht noch nehmen. Fand man das an einem Toten, dann durchkämmte man wahrscheinlich bald die ganze Insel nach mir und nach noch einer Flucht stand mir wirklich nicht der Sinn. Ich konnte es zwar mit Vielen aufnehmen, aber meine Reihen hatten sich nach dem Eklat in Oslo dezimiert und ab einer gewissen Anzahl Cops oder gar Militär war die Sache schlichtweg aussichtslos. Ich war fast unschlagbar gut in dem was ich tat, aber ich war kein unsterblicher Gott. Auch, wenn ich mich manchmal durchaus so fühlte. "Irgendwo am Tatort findest du fast immer mein Logo. Bei einer oder zwei Leichen ist es gut sichtbar in die Haut geritzt, meistens im Gesicht.", Wange oder Stirn boten einfach eine gute Fläche dafür, wenn sie nicht zerschossen waren und man sah es auf den ersten Blick, "Wenns zu viele sind oder keine Zeit ist, auf dem Boden oder an einer Wand. Ein L und ein R, relativ quadratisch ineinander übergehend.", erklärte ich ihm mit ein paar wenigen Worten, dass es in der Regel nicht schwer herauszufinden war, wo ich meine Finger im Spiel hatte. Die Sache mit der Zusammenschließung ließ ich gänzlich außen vor, weil ich sowas wohl nie und mit Niemandem in Betracht ziehen würde. Nicht, wenn ich dafür die Krone teilen musste. Es hatte schon seinen Grund, warum ich mein eigener Chef war und dabei auch keine Konkurrenz duldete. Das Maximum war, dass ich mit Jemandem auf Augenhöhe zusammenarbeitete, wenn das reibungslos funktionierte - wenn sich herausstellte, dass es das nicht tat, hatte das Konsequenzen. Eine gute Kooperation war bei klaren Fronten also möglich, mehr aber nicht. "Ich hatte aber eigentlich erstmal nicht vor, auf russischem Grund zu morden, solang ich dafür keine Gründe habe. Wenn du also nicht grade nach Kuba fliegst oder Ärger machst...", hängte ich noch ein paar ironische Worte an, die jedoch ein ganzes Stück Wahrheit in sich trugen. Ich glaubte nur bisher nicht, dass ich an Iljahs Arbeit oder ihm selbst etwas auszusetzen oder gar zu morden haben würde, deswegen der abgedroschene Humor mit unterschwelligem Witz. Sollte der junge Mann sich also so zeigen, wie ich ihn bisher einschätzte, sah ich keine Probleme auf ihn oder seine Untergebenen zukommen. Es folgte noch ein kleiner Nipper am Whiskey, weshalb meine Augen sich erneut kurzzeitig von dem Schwarzhaarigen lösten. Was das geschäftliche Vorgehen anbelangte waren wir uns bereits einig und viel mehr gab es dazu an und für sich auch nicht mehr zu sagen. Schließlich hing alles weitere davon ab, ob mir sein Geschäft an sich zusagte und welche Personen in Frage kamen, ob ich den oder die Auserwählte dann für würdig befand. Bis dahin galt es abzuwarten und wenn das soweit alles geklärt war, stand auch noch die finanzielle Verhandlung auf der Matte. Bisher noch Zukunftsmusik. "Davon bin ich ausgegangen.", erwiderte ich weiterhin für meine Verhältnisse ruhig. Das Funkeln in meinen Augen verschwand aber zu keinem Zeitpunkt. Es hätte mich in jedem Fall gewundert, wenn Iljah meine meistens hungrigen Mäuler für lau hätte stopfen wollen. "Ich investiere lieber am Anfang und hab danach dafür dann in den meisten Fällen keine Probleme mit dem Geschäft. Sollten wir uns also einig werden nehm' ich ein gutes Angebot gern an.", erklärte ich ihm kurzum, dass mir das Eindämmen von Risiken und Verrat durchaus ein paar Münzen wert war. Allerdings nahm ich ihn dann auch beim Wort - sollten meine Leute sich über Irgendetwas beschweren, was die Lage in ihren Quartieren anging, konnte er mit einem wütenden Anruf meinerseits rechnen. Geld würde jedenfalls keines unserer Probleme werden, auch wenn ich dank der vorherigen Geschäfte mit Vahagn und anderen meiner Im- und Exporteure in etwa wusste, was wirklich ein gutes Angebot war und was nicht. Er brauchte also nicht versuchen mich über den Tisch zu ziehen, aber bisher machte er mir einen korrekten Eindruck. Apropos korrekt und künftige Geschäfte, ich hatte da noch ein ganz beiläufiges Anliegen... "Hat deine Schwester dir eigentlich gesagt, dass sie sich seit ein paar Wochen von einem meiner Männer besuchen lässt? Nur so... rein informativ.", hakte ich mit gleichbleibender Stimme nach, die Augen stur in sein Gesicht gerichtet. Nur für den Fall, dass er hierbei gerne lügen und sich dabei von mir erwischen lassen wollte. Denn es konnte gut für mich sein, wenn er davon wusste. Iljah war sicher schlau genug um zu wissen, dass es unter Umständen irgendwelche unschönen Konsequenzen für beide Seiten haben könnte, wenn die zwei Mist mit ihrer Turtelei bauten. Er durfte seiner zweiten Hälfte also gerne ein bisschen ins Gewissen reden, was das anbelangte und im besten Fall konfrontierte er irgendwann auch noch Tauren damit, dass er keine Scheiße bauen sollte. Vahagn würde vor ihrem Bruder sicherlich mehr Respekt haben als vor mir und ich kannte den für dieses Metier etwas zu schön geratenen Norweger gut genug, um zu wissen, dass er sich eine Drohung seitens ihres Bruders ganz sicher zu Herzen nehmen würde. Er schien sich zwar auch mir gegenüber langsam wieder zu berappeln und sich mit mir gutstellen zu wollen, aber doppelt hielt auch in diesem Fall bestimmt besser. Ob es Vahagn vielleicht sauer machte, dass ich das hier so offen kund tat, falls sie Iljah noch nichts davon gesagt hatte, ging mir am Arsch vorbei. Sie konnte schon froh darüber sein, dass ich sie den Flug über damit in Ruhe gelassen hatte, weil ich es mir bei zu viel Dreistigkeit ihrerseits nicht hätte leisten können, sie einfach aus dem Flugzeug zu schmeißen. Dann wären die Geschäfte mit ihrem deutlich vernünftiger und erwachsener wirkenden Bruder wohl dahin gewesen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha, na das war doch schon mal eine durchaus informative Aussage des Amerikaners, die ich stillschweigend mit einem Nicken abtat. Zur Kenntnis nahm, dass es gar nicht so schwer war, seine Werke zu identifizieren, aber das würde mich wohl nicht davon abhalten, trotzdem noch ein paar mehr Informationen über den launischen jungen Mann zu sammeln. Mir vielleicht ein paar Bilder seiner Opfer anzusehen und Geschichten über ihn zu lesen. Das Ganze natürlich schön authentisch, so mit am späten Abend im Sessel vor einem Kamin sitzen, Tee trinken und dem ganzen Mist, weil sich im Internet Geschriebenes teilweise las, wie ein schlechter Krimi. Nichtsdestotrotz war ich ihm dankbar dafür, dass er sein reserviertes Verhalten kurzzeitig ablegte und sich entgegen seiner anfangs ziemlich unmissverständlichen Ansage doch noch auf einen kurzen Plausch einließ. Zuerst war es eben noch passend zum geschäftlichen Kontext, wurde darauffolgend aber doch durchaus privater, was mich überraschte. Ob im positiven oder negativen Sinne war mir noch nicht ganz klar und so richtig wissen, was ich davon halten sollte, tat ich auch nicht. Im Grunde genommen redete ich mit keinem Fremden - seinen Namen und Beruf zu kennen machte ihn noch lange nicht zu einem Bekannten oder gar einem Freund - über Vahagn oder mich, weil das schlichtweg gehörig nach hinten losgehen konnte und ich gerne auf Anschläge aller Art verzichten würde, sofern das eben möglich war. Aber Hunter hatte nun nicht erst seit gestern mit meiner Schwester zu tun und außerdem betraf das von ihm angesprochene Thema auch einen seiner eigenen Männer. Bevor ich darauf allerdings einging, ließ ich seine vorangegangen Worte sacken, indem ich das Bier schließlich leer exte, nur um beim Abstellen des Glases festzustellen, dass ich dem nichts mehr hinzuzufügen hatte. Er brauchte sich keine Sorgen darüber zu machen, dass ich ihm das Leben auf Kuba schwer machen würde, solange er hier in Russland die Füße still hielt. Ganz einfache Sache, wenn man mich fragte. Sobald er aber anfing, sich mehr Rechte rauszunehmen, als ihm hier im kalten Umland von Moskau zustanden, würde er die andere Seite des geduldigen, überaus toleranten Iljahs kennenlernen. Er, wie auch ich selbst taten sich also gut daran, wenn wir dem jeweils anderen sein Territorium nicht streitig machten und im Umgang miteinander fair blieben. Wie ich bereits wörtlich hatte verlauten lassen, ging ich nicht davon aus, dass Hunter dumm genug war, unbegründeten Ärger anzufangen und anders herum hatte er das genau so wenig zu befürchten. Demnach war das Thema für mich dann auch beendet und alles weitere würde sich dann in den nächsten Tagen ergeben. Wie ich von Vahagn erfahren hatte, plagte die beiden kein besonders großer Zeitdruck, weil sie wohl noch eine Weile im Land bleiben würden, was ich durchaus begrüßte. So hatte ich immerhin ausreichend Zeit, zum einen die Akte über meine eigene Person vorzubereiten, als auch die meiner Mitarbeiter - jene dann durchzugehen und aufzuarbeiten, ein entsprechendes Angebot für die Überfahrt und Versorgung von Hunters Männern zu erstellen und nebenbei auch das Hauptgeschäft noch zu unterhalten war halt nicht in wenigen Stunden möglich. Ein paar Tage würde das Ganze sicherlich in Anspruch nehmen, selbst wenn ich mich beeilen würde. Und zum anderen wollte der junge Mann ja auch irgendwann noch einen Blick auf die Firma als solches werfen. Na ja, jedenfalls konzentrierte ich mich darauffolgend dann mehr um den privaten Aspekt des aktuellen Gesprächs, was mir allem voran erst einmal ein belustigtes Schnauben entlockte, welches sich irgendwann als ein amüsiertes Grinsen auf meinen Lippen manifestierte. "Mhm... da hat sich wohl jemand gefunden, der sich für ihren Verschleiß an Männern interessiert. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, warum du darüber mit mir reden möchtest, aber du kannst mich natürlich auch gerne korrigieren, wenn ich falsch liegen sollte. Um deine Frage zu beantworten: Wir hatten beiläufig mal über Tauren geredet - ich schätze, es geht um ihn? Das aber auch nur deswegen, weil ich nach dem Vorfall in Italien noch ein paar Fragen hatte. Sie wollte ja unbedingt zu ihm und die ein oder andere Sache war mir da noch nicht ganz klar. Nach ein paar Telefonaten war mir dann schnell klar, dass da was läuft und war überrascht. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass das mit den beiden besonders lange halten wird. Vahagn scheint auf Kuba gerade ihre Pubertät neu zu durchleben und dahingehend bin ich wirklich froh, sie nicht mehr tagtäglich an meiner Backe kleben zu haben. Ich bin zu alt, um mich um Kinder zu kümmern..." Dass sie lediglich vier Jahre jünger war als ich, ließ ich jetzt einfach mal außen vor. "Ich würde mir an deiner Stelle aber keine besonders großen Gedanken machen und...", weiter kam ich mit meinem gut gemeinten Rat leider nicht, weil im nächsten Moment das leise knurrende Miststück direkt neben uns am Tisch stand und wütend mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Das wiederum ließ mich nur leise Seufzen, ohne dass ich den Blick jedoch aus dem von Hunter nahm. Das Einzige, was sich tatsächlich veränderte, war das Grinsen auf meinen Lippen. Es wurde ein ganzes Stück breiter und ich schüttelte leise lachend den Kopf. "Scheint, als hätte wir damit den Teufel höchstpersönlich herauf beschworen.", ließ ich noch ein paar hörbar ironische Worte verlauten, ehe ich ungeachtet meiner aufbrausenden Schwester auf der Bank zur Seite rückte, um ihr Platz zum Sitzen einzuräumen. Vahagn schien sich aktuell aber gar nicht für das Gespräch von eben zu interessierten und beschwerte sich stattdessen darüber, dass ich sie nicht geweckt hatte, obwohl sie doch gerne bei den Anfängen des Gesprächs dabei gewesen wäre. Dass am Ende der Unterhaltung, gerade dann, als sie die Hotelbar betreten und uns näher gekommen war, ihr Name fiel, ließ sie dann aber doch nicht gänzlich unkommentiert im Raum stehen und der Farbe ihres Gesichts nach zu urteilen, würde heute voraussichtlich noch jemand sterben.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Interessante Sicht der Dinge, wenn auch nicht wirklich realitätsnah. Von mir aus konnte Vahagn mit allen kubanischen Männern schlafen, die sie finden konnte - nur eben nicht mit meinen, die ich mir aus weiß Gott welchen Ländern zusammengefischt hatte. Kubaner war keiner dabei, die meisten waren Europäer oder aus den Vereinigten Staaten, weil ich sie zum Start mit rüber genommen hatte. Wobei ich im Grunde ja nicht einmal was dagegen hatte, dass Tauren einen Narren an der denkbar ungünstigsten Frau überhaupt gefressen hatte. Mich störte nur das ziemlich hohe Risiko dabei, dass es schief ging. Ich glaubte kaum, dass der Norweger ihr das Herz brechen würde. Wenn, dann war es mit absoluter Sicherheit umgekehrt und ich konnte ihn als psychisches Wrack schlichtweg nicht brauchen. Es sei denn es entwickelte sich dann zügig in Richtung eiskalt werden, weil er danach keine Lust mehr hatte sich verletzen zu lassen. Allerdings hielt ich das nicht für besonders wahrscheinlich. Er hatte genauso wie jeder andere in meinen Reihen mehrere Jahre sehr schlimme Dinge gesehen und getan. Wenn man davon allein nicht abstumpfte, dann vermutlich kaum wegen einer dahergelaufenen Russin. "Von mir aus kann sie mit ganz Kuba schlafen, solange das nicht meine Männer mit einbezieht.", korrigierte ich Iljah also ironisch, wie er es mehr oder minder schon prophezeit hatte. Klang dabei aber dann doch leicht grummelnd und sah Vahagn von meiner Position aus bereits im Augenwinkel auf uns zukommen, während der Russe direkt vor meiner Nase ungeniert weiter redete. Meine beiden Jungs an der Bar warfen mir kurzzeitig fragende Blicke zu, weil sie sich scheinbar nicht sicher damit waren, ob das Temperamentsbündel von Frau gerade erwünscht war. Ich löste meinen Blick also lediglich kurzzeitig von Iljah, um ihnen ein schwaches Signal mit kaum sichtbarem Nicken und einem begleitenden, minimal verlangsamten Blinzeln zukommen zu lassen. Eigentlich würde ich sie lieber nach draußen eskortieren lassen, weil ich förmlich spüren konnte meine Laune innerlich umzuschlagen begann. Ich war in Vahagns Gegenwart einfach grundlegend angespannt, erst recht dann, wenn sie miese Laune mitbrachte. An sich war mir dennoch egal, ob sie vom aktuellen Gesprächsthema Wind bekam oder nicht. Sie war sicher intelligent genug um auch vorher schon gewusst zu haben, dass ich ihr Anbandeln mit Tauren nur sehr bedingt guthieß. Was die Kinder anbelangte konnte ich dem älteren der beiden Russen hier allerdings nur zustimmen - sie waren lästig und unheimlich nervtötend. Der junge Norweger war nur leider auch eins davon und ich wusste, dass ich meistens ein ziemlich herzloser Boss war, es selten Gnade gab und man für Vergehen in der Regel teuer bezahlte. Trotzdem war der naive Schönling Teil meiner Familie und wenn sie ihn verletzte, dann schlug das automatisch auf mich um. Eher weniger im psychischen und sehr viel mehr im geschäftlichen Sinne. Es war ja auch nicht mal so, dass ich den jungen Mann nicht leiden konnte - er war mir einfach nur oft ein Dorn im Auge gewesen, wenn er Mist gebaut hatte. Mein Blick wanderte von Iljah zu seiner augenscheinlich aufgebrachten Schwester, als sie sich neben ihn setzte - nachdem sie ihrer Wut auf dem Tisch Ausduck verliehen hatte, was mich nicht beeindruckte. Sich auch noch darüber echauffierte nicht geweckt worden zu sein, was mich belustigt schnauben ließ. Sie mochte seine Schwester sein, aber ich machte hier primär ein Geschäft mit ihrem Bruder. Er hielt die Zügel in der Hand und im Grunde war sie vollkommen überflüssig, was diese Sache anbelangte. Ich fragte was all das anbelangte nicht nach ihrer Meinung, sondern nach Iljahs und sie konnte ihn dementsprechend auch einfach im Nachhinein fragen, worauf das Gespräch hinausgelaufen war. "Wenig überraschend. Sie ist gut darin mir gute Laune zu versauen.", stelle ich trocken fest, wobei ich der Brünetten ein durchweg gestelltes, keinesfalls positives Lächeln zukommen ließ. Dann legte ich auch die zweite Hand um das Whiskeyglas und stützte mich vermehrt auf die Ellenbogen auf dem Tisch, sodass meine Schultern deutlich hervortraten und mein Kopf leicht gesenkt wirkte. "Du kannst aber ruhig selbst hören, dass du Tauren lieber jetzt kaputt machst, als damit zu warten. Es ist mir scheißegal ob er mit seinem Liebesleben glücklich wird oder nicht, aber ich hab einfach keinen Bock darauf die Konsequenzen von eurer Dummheit ausbaden zu müssen. Noch ist er bedingt ersetzbar, in ein paar Monaten nicht mehr. Falls du also bloß deinen Spaß haben willst, was normalerweise scheinbar dein Ding ist", es folgte ein subtiler, aber nur flüchtiger Seitenblick auf Iljah, der mir das mit seinen vorherigen Worten ziemlich deutlich gemacht hatte, "dann setz' den Cut gefälligst jetzt und erspar' uns allen die Folgen. Man scheißt verdammt nochmal nicht da wo man isst.", wurde ich mit leisem Knurren hier und da, sowie hörbarem Nachdruck im letzten Satz einige Worte an die junge Frau los, die ich mir bis hierhin immer gespart hatte. Richtete mich danach wieder auf und kippte den Rest des Whiskeys runter, ließ damit nur noch ein paar Eiswürfel im Glas zurück. Tauren war einer der wenigen meiner Männer, die für den Ersatz von Michael überhaupt in Frage kamen. Noch dazu war er der einzige von ihnen, der ihm charakterlich relativ nahe kam. Michael war von verhältnismäßig ruhiger, nicht hitzköpfiger Sorte gewesen und dass es das in meinem Clan nur eher selten gab war offensichtlich. Es war nämlich eigentlich ziemlich normal, dass man als Mörder und Schläger irgendwann eine gewisse Reizbarkeit entwickelte und durch die eigenen Taten abstumpfte - nicht aber der norwegische Jüngling. Ich wusste nicht, warum er so anders war als der Rest, aber es konnte mir beim zweiten Mal drüber nachdenken - okay, vielleicht auch beim fünften oder zehnten Mal - wirklich nützlich sein. Er qualifizierte sich damit für Jobs, die beispielsweise für Desmond vollkommen ausgeschlossen waren, weil jener nicht besonders lange fackelte, so wie ich eine ziemlich kurze Zündschnur hatte. Ashton war mein Mann für Alles und sehr vielseitig, aber ich konnte ihn nun mal nicht halbieren oder klonen. Ich hatte ihm auch bewusst gesagt, dass er mit dem Norweger während der Testphase ein bisschen sachter umgehen sollte als mit seinen vorherigen Schülern. Wollte dadurch herausfinden, ob bei Tauren ein Schulterklopfen wirklich so viel besser funktionierte als eine Drohung und bisher hatte es wirklich genau diesen Anschein. Wenn ich diesen Rohdiamanten also von jetzt an schleifen konnte, wie mir beliebte und ich ihn zu einem perfekten Soldaten machen konnte, dann sollte Vahagn mir das jetzt nicht zerstören indem sie ihm das Herz brach, oder sie trug mindestens finanziell die Konsequenzen dafür. Sollte er sich eine Kugel in den Schädel jagen, dann durfte sie sich über selbiges Schicksal erfreuen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dass Iljah in ihrem Rücken stand spielte dabei für mich überhaupt keine Rolle. Die junge Frau wusste genauso gut wie ich, wie zart besaitet ihr neues Lieblingsspielzeug war, also meinte sie diesen Zirkus besser entweder sehr ernst - man suchte sich eben nicht aus ob oder in wen man sich verliebte, was ich inzwischen selbst gut beurteilen konnte - oder beendete ihn andernfalls noch heute.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na, das war ja wunderbar. Wieso hätte der Tag, der ohnehin schon nur bedingt entspannt angefangen hatte, auch ohne größere Zwischenfälle zu Ende gehen sollen? Wäre ja langweilig gewesen und hätte meine aktuell ziemlich angespannten Nerven ziemlich sicher geschont - ha ha. Kam also unter gar keinen Umständen in Frage und bereits wenige Stunden, nachdem meine Schwester hier in Russland angekommen war, wünschte ich sie mir auch schon wieder auf die Insel zurück, von der sie runter gekrochen war. Nicht, dass wir einander falsch verstanden... ich liebte meine Schwester, sehr sogar, wo sie doch das letzte lebende Familienmitglied war, aber es gab einfach Situationen, in denen wollte ich sie gerne zum Teufel jagen. Wenn sie mit ihrer absolut nervigen, unruhigen und ungeduldigen Art wieder der Meinung war, den Mund aufreißen zu müssen beispielsweise. Und nichts anderes war aktuell der Fall. Es schien Vahagn nicht einmal die Bohne zu interessieren, was eventuell der Hintergrund dessen gewesen sein könnte, warum ich sie hatte schlafen lassen. Dass ich ihr überhaupt nichts Böses und sie auch nicht übergehen wollte, sondern einfach gemerkt hatte, wie müde sie durch den Flug gewesen war. Absolut verständlich, wenn man mich fragte, im Übrigen. Selbst wenn man über den Wolken für ein paar Minuten bis wenigen Stunden die Augen schloss, fühlte ich mich danach in der Regel trotzdem nicht besonders fit. Jedenfalls war das Gespräch mit Hunter - gerade jetzt, wo ich das im Nachhinein auch ganz gut bewerten konnte - nicht so interessant oder aufschlussreich gewesen, als dass sie wirklich höchstpersönlich mit von der Partie hätte sein müssen. Selbstredend hätte ich ihr Rede und Antwort gestanden, wenn ich nach Hause zurückgekehrt wäre, weil sie ja durchaus auch eine wichtige Rolle in der ganzen Geschichte spielte. Ich würde nämlich definitiv keine Zeit finden, Frachter und Flugzeuge für den Import der Blüten nach Russland zu koordinieren und zu überwachen - das übergab ich mit Handkuss an meine geliebte Schwester. Aber hier und heute ein solches Fass aufzumachen war zum einen wirklich peinlich und zum anderen absolut unbegründet. Lag es wirklich an diesen läppischen vier Jahren, die zwischen uns lagen? Machten diese wirklich den Unterschied, wenn es darum ging, sich Dinge nicht ganz so oft zu sehr zu Herzen zu nehmen? Oder lag es vielleicht doch einfach an den von Grund auf unterschiedlichen Einstellungen zum Leben? Wobei die Russin zu meiner Linken noch nicht allzu lange so komisch drauf war. Eine ganze Weile unserer Kindheit und der Jugend waren wir auf einer Wellenlänge geschwommen und mittlerweile konnten wir verschiedener kaum sein. Aber gut, wichtig war das in dem Fall jetzt nicht, in meinen Augen jedoch interessant genug, als dass ich mich in der Zukunft etwas näher mit der Ergründung von Ursachen für Vahagns Wandlung befassen würde. Zurück im Hier und Jetzt und die Gedankenwelt hinter mir lassend, wischte ich mir kurzzeitig etwas angestrengt über das Gesicht, während ich das Gespräch zwischen den beiden verfolgte. Während meine Schwester sich noch eine ganze Weile lang darüber auskotzte, wie ich es hatte wagen können, sie nicht aufzuwecken und mitzunehmen, schien sich Hunter viel mehr um den jungen Mann zu sorgen, der augenscheinlich sein Herz an die junge Russin verloren zu haben schien. Armer Kerl, konnte ich mir - wie bereits erwähnt - nicht wirklich vorstellen, dass das Ganze lange hielt, aber hey... eventuell täuschte ich mich auch? Vielleicht waren er und meine kratzbürstige andere Hälfte ja wie füreinander bestimmt. Das, was ich Hunter gegenüber kundgetan hatte, war rein spekulativ und auf Grundlage bisheriger Erfahrungen gewesen, aber definitiv nicht in Stein gemeißelt. Womöglich hatte es Tauren ja tatsächlich geschafft, mit wärmenden Händen nach dem kalten Herz der tätowierten Egoistin zu greifen, aber ich persönlich bezweifelte es ganz einfach. Vahagn hatte jetzt schon länger keine Beziehung mehr gehabt, zumindest so weit ich das beurteilen konnte und lediglich ein paar Bettbekanntschaften gepflegt. Dass sie es ganz plötzlich darauf anlegte, doch noch sesshaft zu werden, hörte sich in meinen Ohren abstrus an, wäre aber meiner Meinung nach nicht weiter schlimm. Jeder hatte schließlich ein bisschen Glück in seinem Leben verdient und gerade nach der Sache in Italien würde ich es ihr gönnen. Hunter hingegen schien das Ganze ein kleines bisschen anders zu sehen. Hielt scheinbar absolut gar nichts von dieser mehr oder weniger vorhandenen Beziehung zwischen seinem Handlanger und meiner Schwester, was ich ihm grundlegend nicht verübeln konnte. Andererseits schien auch er ganz gerne ein wenig zu übertreiben und so langsam verstand ich, warum und weshalb sich die beiden nie länger, als über das Nötigste unterhielten. Wenn jedes Mal so ein verdammter Mist dabei rum kam, war es besser, wenn beide getrennte Wege gingen und nur ab und an mal aufeinander trafen. Für wichtige Besprechungen oder so. Aber privat sollten sie definitiv einen größeren Bogen um den jeweils anderen machen. Blöd war es nur, wenn Privates und Geschäftliches miteinander kollidierten, wie das in diesem Beispiel der Fall war... Ich verfolgte die hitzige Diskussion noch eine ganze Weile wortlos, hatte meinen Kopf in der Zwischenzeit auf den rechten Arm gestützt und bei der freundlichen Bedienung, die zwischendrin noch einmal vorbeigeschaut hatte, sich von den zwei Streithähne aber nicht weiter beirren ließ und ihre Aufmerksamkeit vollumfänglich auf mich richtete, noch ein Bier und einen Wodka geordert. Letzterer würde die Nerven der aufgebrachten Diva hoffentlich ein wenig zu beruhigen wissen und wenn nicht, na ja, dann halt eben nicht. Irgendwann, als es mir dann langsam echt zu bunt wurde, weil die Zeit doch zunehmend ins Land zog und ich heute gerne noch fertig werden würde, atmete ich einmal etwas tiefer durch, bevor ich meine Hand auf Vahagns Unterarm legte. Eingangs mit ein paar gewohnt ruhigen Worten versuchte, an die Vernunft meiner Schwester zu appellieren. Wie so oft ging das jedoch nach hinten los und brachte ganz genau gar nichts. Also erhob ich meine Stimme ein wenig und schnauzte sie kurzerhand ziemlich unfreundlich - also so ziemlich gegenteilig von der Art, wie ich vor wenigen Sekunden noch drauf gewesen war - mit den Worten "Würdest du bitte für einen Augenblick die Klappe halten?" von der Seite an. Logischerweise war das eine vollkommen rhetorische Frage, denn ihr stand ganz bestimmt nicht der Sinn danach, die Anschuldigungen Hunters einfach so stehen zu lassen, aber wenn ich lauter wurde, dann bedeutete das, dass ein Unheil sich ankündigte und wenn sie weiterhin der Meinung war, dieses Gespräch, welches primär zwischen dem Amerikaner und mir stattfand, stören zu müssen, es mit meiner brüderlichen Einfühlsamkeit zu Ende ging.
War es denn wirklich zu viel verlangt, mich einfach aufzuwecken? Ich hatte Iljah schließlich nicht umsonst darum gebeten, mich lediglich ein paar Stunden schlafen zu lassen. Wenn mir der Sinn nach mehr gestanden hätte und ich gerne länger liegen geblieben wäre, dann hätte ich ihm das genau so kommuniziert. War aber nicht der Fall gewesen und demnach war ich mehr als nur ein bisschen erzürnt darüber, dass er bereits weggewesen war, als ich aus dem scheintoten Zustand erwacht war und nach ihm gesucht hatte. Von einem seiner Männer hatte ich dann erfahren, dass sich Iljah bereits auf den Weg ins Hotel gemacht hatte und meine Laune war dementsprechend ziemlich beschissen. Nicht zuletzt sicher auch deswegen, weil ich von Tauren nach der kurzen Textnachricht im direkten Anschluss an unsere Landung nichts mehr gehört hatte. Ich versuchte wirklich, ihm nicht böse zu sein, weil ich wusste, dass er arbeiten und danach sicherlich ohne Umschweife ins Bett gefallen war, aber es fiel mir trotzdem schwer und trug damit zu einem alles andere als optimalen Gemütszustand bei. So kam es, wie es kommen musste: Ich war ziemlich geladen, als ich nach einer mehreren Minuten andauernden Fahrt schließlich an dem Hotel angekommen war, in dem Hunter residierte und alleine der böse Blick, den ich dem Hotelportier zugeworfen hatte, war vollkommen ausreichend gewesen, dass man mir keinerlei Fragen stellte und mich einfach passieren ließ. Ich ging nicht davon aus, dass sie auf Hunters Zimmer miteinander redeten. Dafür kannte ich den Amerikaner und meinen Bruder inzwischen gut genug. Keiner der beiden war dumm genug, sich für das erste Treffen nicht auf neutralem Boden zu verabreden. Außerdem verrieten kurz darauf auch die zwei Schlägertypen rechts und links einer prunkvollen Tür, dass sich dahinter ziemlich sicher hoher Besuch befand. Ich stürmte kurzerhand an den beiden vorbei, noch bevor mich einer der riesen Pranken am Arm erwischen konnte und stampfte schon ein paar Meter wütend in Richtung Bar, als ich die Augen nach den zwei Idioten offen hielt. Besagte Männer befanden sich in einer der hinten Ecken der Hotelbar und ich machte wohl absolut keinen Hehl daraus, dass ich aktuell mächtig angepisst war. In Kombination mit Hunters und auch Iljahs Art war das zwar ziemlich fatal, aber das interessierte mich nicht. Auf den letzten paar Metern hatte ich mitbekommen, wie die beiden über mich geredet hatten und das neckische Grinsen meines Bruders verriet dahingehend nichts Gutes. Ich wusste gar nicht, wohin mit dem ganzen Zorn und schlug am Tisch angekommen erst einmal kräftig mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Dicht gefolgt von ein paar fluchenden Worten auf russisch in Richtung meines Bruder, aber das verstand sich wohl von selbst. Ich war in erster Linie gar nicht gekommen, um wirklich Ärger zu machen, wollte einfach nur gerne bei der Planung anwesend sein, die ich offensichtlich in der letzten Minute verpasst hatte und stattdessen durfte ich mir daraufhin ein paar vorwurfsvolle Worte an den Kopf schmeißen lassen. Keine Ahnung, was Tauren jetzt mit der ganzen Sache zu tun hatte, aber Hunter schien es wichtiger zu sein, mir mitzuteilen, was er von der Sache zwischen seinem Handlanger und mir hielt, als den Punkt einfach gar kein Thema sein zu lassen und mich stattdessen darüber aufzuklären, was sie in den letzten Minuten so besprochen hatten. Dass er mit der Wortwahl und erst Recht mit dem Inhalt einen wunden Punkt traf, durfte meinem entsetzten Gesichtsausdruck zu entnehmen sein. Ich sah ihn kurzzeitig etwas perplex an, ließ meinen Blick zum passenden Zeitpunkt ebenfalls in Richtung meines Bruders wandern, kurz bevor er wieder den von Hunter traf. "Was soll der Scheiß, man? Was hat das jetzt mit der Sache zutun, weshalb wir uns eigentlich hier treffen wollten?", fragte ich eingangs noch etwas verwirrt, aber bereits hörbar angepisst. Hunter begann, das Ganze noch ein wenig auszuführen und unterstellte mir dabei Dinge, für den ich ihn am liebsten direkt geköpft hätte. Einfach, weil mir gerade der Sinn danach stand und die Laune dafür perfekter nicht hätte sein können. "Keine Ahnung, was Iljah dir in der kurzen Zeit für Flausen in den Kopf gesetzt hat, aber alleine für die bloße Unterstellung, dass du es mir echt zutraust, 'ne ganze Insel zu vögeln, würde ich dir gerne eine reinhauen.", knurrte ich nun etwas lauter in die Richtung des Amerikaners und als es dann tatsächlich um die unmittelbare Beziehung zwischen dem Norweger und mir ging, vergaß ich tatsächlich kurzzeitig selbst, weshalb wir eigentlich hier waren. Allerdings brauchte ich für eine entsprechende Aussage einen Augenblick, weil mir derart viele Gedanken durch den Kopf schossen, dass ich mich erst einmal sortiert bekommen musste und gerade als ich mich bereit dafür fühlte, Hunter Dinge an den Kopf zu werfen, die aktuell denkbar unpassend gewesen wären, mischte sich Iljah ein. Erst nur verhältnismäßig leise, dann aber wurde er lauter und zog damit dann letztlich auch meine Aufmerksamkeit auf sich. Schließlich wusste ich, dass das so ziemlich die letzte Warnung war, bevor etwas Schlimmes passierte. Also zwang ich mich dazu, einen Gang zurück zu schalten und versuchte stattdessen, all die angestaute Wut und den Frust im Wodka zu ertränken. Wo kam der eigentlich her?
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