Die letzten beiden Tage beschlich mich genau zwei Mal das ungute Gefühl, dass ich verfolgt wurde. Das erste Mal als ich am recht frühen Morgen auf dem Weg zu einem meiner beiden Lieblingscafès war, um mich noch vor der Arbeit mit einer guten Freundin zu treffen. Ich hatte mich drei Mal flüchtig über die Schulter hinweg nach einer Art Verfolger umgesehen, aber Niemanden entdeckt. In etwa das gleiche Spiel erfolgte noch einmal, als ich auf dem Heimweg von der Bar war. Ich traf mich dort auch unter der Woche ab und an mal mit meinem sehr kleinen Freundeskreis, um einfach ein bisschen zu entspannen. Vielleicht war es auch nur meine seit dem Gespräch in Iljahs Büro anhaltende Paranoia, die mich dazu trieb zu glauben, dass mich in der Straßenbahn - mit Taschenmesser und Pfefferspray bewaffnet, ich war immer noch in einer Großstadt unterwegs - Jemand beobachtete, obwohl ich zu keiner Zeit Jemanden dabei ertappen konnte, wie er mich ansah. Es war Alles wie immer und doch ließ sich die innere Nervosität kein bisschen vertreiben. Dementsprechend froh war ich auch, als ich endlich Zuhause ankam. Ich betrat dennoch mit dem Spray bewaffnet die Wohnung - nur um festzustellen, dass sie leer war. Anastasia und Ksenia waren beide noch im Club, also war es nur logisch, dass Niemand Zuhause war. Meine Paranoia ging aber sogar noch so weit, dass sie mir eintrichtern wollte, ich hätte den Ordner auf dem Schreibtisch gestern rechts vom Laptop in der Mitte abgelegt und nicht links. Es gab keinerlei Anzeichen in der Wohnung dafür, dass Irgendwer eingebrochen war und trotzdem schlief ich entsprechend beschissen. Die Angst noch ein weiteres Mal gekidnappt zu werden war wohl einfach etwas zu tief in meinem Kopf verankert, als dass ich seelenruhig hätte schlafen können. Leider hatte das eine gewisse Müdigkeit am folgenden Tag zur Folge, aber das kam ohnehin häufiger mal vor. Ich hatte schon länger aufgehört die Pillen gegen die anhaltenden Schlafstörungen einzunehmen, weil sie in meinen Augen schlichtweg nicht viel brachten. Also war das mit dem Durchschlafen öfter mal ein kleines Problem für mich, das ich jedoch zu verkraften wusste. Was mir hingegen weniger gut bekam war die augenscheinlich wirklich miese Laune seitens Iljah, als er mich bei einem Gespräch mit einem Kunden unterbrach. Ich hatte Iljah schon im Augenwinkel für seine Verhältnisse sehr energisch gehen sehen und seine Tonlage bestätigte meine ungute Vermutung - dicht gefolgt von der Aufforderung, dass ich mich erneut in seinem Büro einfinden sollte. Ich nickte ihm nur flüchtig zu, bevor ich mich dem abschließenden Gespräch mit dem älteren Herren widmete. Es dauerte nicht mehr lange, weil wir ohnehin schon in den letzten Zügen waren. Ich verräumte im Anschluss nur noch die wenigen neuen Unterlagen - Papiere zum Aushändigen des Schlüssels und so ein unwichtiger Mist - und machte mich dann auf direktem Weg zum Chef. Dass das ungute Gefühl in der Magengrube wieder da war, als ich die Tür aufzog, war vermutlich überflüssig zu erwähnen. Die Laune des Russen hatte sich offenbar auch noch kein Stück gebessert und so verlor ich keine Zeit damit mich zu setzen, um ihm mein Gehör zu schenken. Er hatte den Vertrag inzwischen fertig aufgesetzt und kam auch ohne große Umschweife mit seinem Anliegen auf den Punkt. Dieses Mal entglitten mir die Gesichtszüge aber ohne, dass ich wirklich eine Kontrolle darüber hatte. Sie verlangten also quasi von mir, dass ich das Finanzamt beschiss und nebenher auch noch ganz unterschwellig meine Unterschrift auf jene Papiere setzte. Dass im Ernstfall dann ich diejenige war, die hopsgenommen wurde, wenn etwas schief ging, wäre für die beiden natürlich erste Sahne. Iljah bezichtigte dann vermutlich einfach, dass er davon gar nichts gewusst hatte und ich das Geld selbst bei Seite genommen hatte oder Ähnliches, nur um selber nicht im Visier der Cops zu landen. Zumindest wäre das ziemlich naheliegend und zu sagen, dass mir spätestens jetzt so gar nicht mehr wohl bei der ganzen Geschichte war, wäre noch untertrieben gewesen. Ich war es zwar gewissermaßen gewöhnt hier und da mal gegen das Gesetz zu verstoßen, aber die Sache hier könnte theoretisch wirklich übel für mich ausgehen. Dieser leicht stechende Blick seitens des Schwarzhaarigen machte es auch wirklich nicht besser. Ich hatte unweigerlich ein paar Sekunden geschwiegen, nachdem er das letzte Wort losgeworden war. Dann schluckte ich kaum merklich, räusperte mich leise uns nickte gut sichtbar. "Ja, ich... kann ich.", fiel meine Antwort noch ziemlich überrumpelt aus, aber das war mir nicht zu verdenken. Ich war kurzzeitig versucht Iljah zu fragen, warum er ausgerechnet mich dafür auf die Agenda zog, aber mich beschlich das ungute Gefühl, dass er mir das sowieso noch sagen würde. Außerdem schienen mir voreilige Fragen angesichts seiner Tonlage auch dezent riskant.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das einzig wirklich Positive an dem Tag war bisweilen, dass Irina mir - noch - keine Probleme machte und die Aufforderung zur Begehung einer oder mehrerern Straftaten so weit erst einmal unkommentiert ließ. Es brauchte in meinen Augen jedoch viel zu lange, bis mir die Schwarzhaarige eine Antwort auf meine doch relativ simple Frage gab, was mich im Normalfall nichts weiter stören würde. Aktuell befand ich mich für meine Verhältnisse jedoch ziemlich weit weg vom Normalfall, weshalb sich mein Gesichtsausdruck gleich ein Stück weit verfinsterte. Die tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen entspannten sich erst wieder, als Irina mir bestätigte, dass sie die paar wenigen Informationen vollumfänglich zur Kenntnis genommen hatte und im in etwa selben Atemzug appellierte ich dann doch zumindest zeitweise an meine Vernunft. Weder die Serbin, noch ein anderer im Autohaus Anwesender konnte etwas dafür, dass meine Schwester eine solche Pestbeule war und auch wenn es mir als Kopf einer größeren Organisation durchaus erlaubt war, hier und da auch mal grundlos schlecht drauf zu sein, musste ich das nicht auf die derzeit noch legal unter meinem Vertrag arbeitenden Angestellten abwälzen. Ich zwang mich also dazu, einmal tief einzuatmen, rieb mir im Anschluss gleich noch einmal ein wenig angestrengt über das Gesicht und versuchte dadurch, ein wenig den Kopf frei zu kriegen. Die negativen Gedanken auf Seite zu schieben, weil Sinn und Zweck des Gesprächs unter vier Augen eigentlich gewesen sein sollte, dass sich die junge Frau ein bisschen wohler fühlt. Nicht durch Eiseskälte oder schlechte Laune verunsichert wurde. Denn dann hätten wir die Unterhaltung bereits in Hunters Beisein zu Ende führen können, aber ich hatte explizit darauf bestanden, die weiteren Details in einer ruhigeren und entspannten Atmosphäre zu besprechen. Klappte ja super, wie man sah, nur wollte ich das Ganze nicht um noch einen weiteren Tag aufschieben. Ein Blick in meinen vollen Terminkalender ließ mich auch so schon mehrere Herztode sterben, wenn ich dann auch noch irgendwo Irina dazwischen quetschen musste, konnte ich noch heute einen Termin mit dem örtlichen Bestatter ausmachen, um in einem Sarg Probe zu liegen. Danke, aber nein danke. Eigentlich wollte ich ganz gerne noch ein bisschen länger auf dieser gottverlassenen Erde verweilen, weil ich das Leben an und für sich eigentlich ganz gerne hatte. Jedenfalls wüsste ich ohnehin nicht, wann ich in den kommenden Tagen überhaupt Zeit dazu hätte, der jungen Frau die Buchungsprogramme und Abläufe beizubringen. Ihr im besten Fall auch noch zu soufflieren, was sie wo und wie und überhaupt anzupassen hatte. Natürlich würde ich es auch am heutigen Tag nicht schaffen, ihr das alles zu zeigen und sie anzuweisen, aber wir können sehr sicher schon einmal die Grundlagen durchgehen. Vorausgesetzt, Irina blieb weiterhin so gelassen und nahm die Tatsache, dass sie im Begriff war, wieder in das kriminelle Metier abzurutschen, gelassen. Und um die Chancen dahingehend ein wenig zu verbessern, senkte ich meine Stimme im Darauffolgenden, bemühte mich um einen nicht mehr ganz so rauen Tonfall, während ich allgemein versuchte, einen Gang oder auch zwei zurück zu schalten. "Gut. Haben Sie sowas schon mal gemacht? Irgendwelche kriminellen Berührungspunkte? Oder ein Problem damit?", fragte ich sie deutlich ruhiger als vorher ziemlich direkt danach, ob sie sich schon einmal etwas zu schulden hatte kommen lassen, wobei ich die Antwort darauf im Prinzip bereits kannte. Die Akte mit sämtlichen aktuellen Eintragungen lag verschlossen unweit links von mir auf dem Schreibtisch, allzeit bereit, aufgeschlagen zu werden, um ein paar Delikte daraus zu rezitieren. Im Prinzip war das also nur ein kleiner Test meinerseits, weil ich gerne wissen wollte, ob Irina den Mut hatte mich anzulügen und wenn dem so war, sie das erste und auch letzte Mal freundlich darauf hinzuweisen, dass sie das künftig zu unterlassen hatte. Ich nicht angelogen werden wollte, weil ich gerne wusste, woran ich war. Und auch wenn die Wahrheit manchmal weh tat oder nicht schmeckte, würde ich sie einer dreisten Lüge in jedem Fall bevorzugen. Wie Hunter seine Informationen durch Nachstellen oder das Durchsuchen einer Wohnung bekam, nutzte ich ganz einfach die ziemlich simplen, psychologischen Tricks, weil diese in der Regel mit weniger Aufwand verbunden waren. Man hatte ja gesehen, wie lange der Amerikaner im Verhältnis zu einer einfachen Frage brauchte, um ganz genau gar nichts wirklich Wichtiges über die junge Frau in Erfahrung zu bringen. Lediglich den Namen irgendeines Stripclubs hatte er mir zukommen lassen mit der Bitte, mich nach dem Besitzer zu erkundigen, sofern mir das möglich war. Bis jetzt war ich allerdings noch nicht dazu gekommen, aber mir kam der Name doch schon ziemlich bekannt vor. Ich hatte ihn schon irgendwann einmal gehört, trieb mich aber selten in solchen Etablissements herum, weshalb mein Wissen diesbezüglich ein wenig eingeschränkt war. Die Recherche in diese Richtung würde wohl noch ein wenig warten müssen oder aber ich drückte diese Aufgabe einfach einem meiner Männer aufs Auge. Ganz sicher, ob und wie ich es machen würde, war ich noch nicht, wollte mich fürs Erste aber auch erst einmal ausschließlich auf das Gespräch konzentrieren.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich hatte Iljah noch nie so kritisch und durchweg launisch gesehen. Er war wie jeder normale Mensch an manchen Tagen mal ein wenig kürzer angebunden, wenn er mit dem falschen Fuß aufgestanden war, aber selbst dann war er nicht so... naja, so eben. Er wirkte unruhig, genervt und nicht wirklich tolerant gegenüber etwaigen Fehltritten meinerseits. Es galt vermutlich also jegliche unpassenden Worte zu vermeiden und das war gerade angesichts seiner folgenden Frage wirklich nicht einfach. Es war nicht so als würde ich die Antwort darauf nicht kennen oder als müsste ich erst darüber nachdenken, aber ich war mir einen Augenblick lang absolut nicht sicher damit, was jetzt die klügere Entscheidung war. Natürlich schrieb man Straftaten eher nicht in eine Bewerbung und bis hierhin waren sie auch noch nie relevant für Irgendjemanden hier gewesen, weil ich ja weder etwas geklaut, noch anderweitig im Autohaus Mist gebaut hatte. Auch im Vorstellungsgespräch hatte der junge Mann sich nicht danach bei mir erkundigt, obwohl der eine oder andere Arbeitgeber diese Frage durchaus mit einbaute. Dafür gab es sicher verschiedene Gründe, aber Iljah hatte darauf verzichtet und stellte mir genau jene Frage stattdessen jetzt. Einen Moment lang senkte ich den Blick und überlegte, ob eine Lüge das Risiko wert war. Es könnte nämlich genau diesen entscheidenden Grund haben, warum ich hier saß und nicht einer der anderen, schon deutlich länger hier arbeitenden Angestellten - ich glaubte kaum, dass einer von ihnen einen längeren Eintrag im Strafregister verzeichnete als ich. Kam schließlich nicht gerade oft vor, dass sich das Blatt noch einmal schlagartig wendete, wenn man in dieser ganzen kriminellen Scheiße erst einmal festsaß. Erst recht dann, wenn einem 5 Jahre von einem Kartell aufgebrummt wurden. Ich wagte im übrigen bis jetzt noch zu bezweifeln, dass sie mich nach Absitzen dieser Zeitspanne einfach so in die freie Welt entließen. Wieso auch? Ich könnte im Grunde den kompletten Grundriss der Villa der Sorokins auf Papier abzeichnen. Mit Keller und Dachboden. Wusste, wo sie ihre Drogen stationierten. Wusste, wo die Übergabepunkte waren. Wieso so Jemanden gehen lassen und damit riskieren, dass die Informationen in fremde Hände flossen? Es gab sicher reihenweise Leute, die mir eine riesige Stange Geld dafür zahlen würde. War auch kein großes Geheimnis, dass die beiden Brüder des Kartells sich häufig Ärger mit anderen einhandelten. Es konnte ihnen nur leider kaum einer was - dass ich selbst nichts dagegen hätte, wenn sie Jemand umnietete, war überflüssig zu erwähnen. Ich hatte unbewusst angefangen ein wenig mit den Fingern auf meinem Schoß herumzunesteln. Seufzte schließlich leise und setzte zu einer Antwort an. "Ja, leider ein paar Mal.", murmelte ich und sah erst dann wieder langsam zu ihm auf. Unter Umständen war das eine geringfügige Untertreibung, aber das lag vermutlich im Auge des Betrachters. Mit einem normalen Bürger verglichen war ich vermutlich sowas wie ein eingefleischter Krimineller, während ich mit Iljah oder den Sorokins verglichen eher nur die Nadel im Heuhaufen Moskaus war. Eine unwichtige, kleine Maus, die sich nur die Krümel vom Boden holte und aufpasste, dabei möglichst von Niemanden zertreten zu werden. Immer schön um die überall aufgestellten Fallen herumwuseln. "Ich hab ein paar dumme Entscheidungen getroffen." Eine, Irina. Nur eine und dabei warst du sehr, sehr betrunken. "Aber ich hab damit aufgehört, als ich hier angefangen habe... wollte es anders machen.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an und zuckte ein klein wenig mit den Schulter, kurz bevor ein leises Seufzen sich den Weg über meine Lippen suchte. Meine Augen suchten sich einen Punkt auf dem Papierkram auf der Tischplatte. War ja auch irgendwie nur wieder eine Halbwahrheit. Ich drehte vielleicht nicht mehr aktiv krumme Dinger, aber ich war nun mal trotzdem nicht von meiner 5-Jahres-Pflicht entbunden. Deswegen war ich ja hier. Dinge wie das, was Iljah mir hier gerade erzählte, waren ja genau das Ziel der Sorokins. Allerdings hatte ich eigentlich gehofft, dass ich weiterhin ganz außen vor blieb was die Machenschaften des Russen auf der anderen Seite des Tisches anbelangte. Denn jetzt saß ich unmittelbar zwischen den Fronten und war mir nicht sicher, vor wem ich jetzt mehr Respekt haben sollte... wobei Angst es sicher besser traf. Für Rückzug war es an einem Punkt wie diesem hier nur eindeutig eine ganze Ecke zu spät. "Ich will ehrlich sein. Mir ist deswegen nicht ganz wohl dabei... aber ich weiß, dass es jetzt für den Rückwärtsgang wahrscheinlich zu spät ist. Also...", verfiel ich irgendwie in einen kleinen Redeschwall, weshalb ich kurz unauffällig den Kopf schüttelte und die Augen für zwei Sekunden schloss, ehe ich den Schwarzhaarigen direkt ansah. Mit klarem, deutlich gefasster wirkendem Blick als vorher. "Ich werde keine Probleme machen.", schloss ich mit dem vorherigen Gerede ab, scheute seinen Blick nicht mehr. Weiter entfernt von der Realität könnte ein Satz kaum sein, aber ich klang weniger von Gefühlen behaftet als bei den vorherigen, im Nachhinein betrachtet doch etwas wirr klingenden Sätzen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Blick lag durchgehend auf der Dunkelhaarigen, wollte ich doch um keinen Preis eine Regung ihrer Gesichtszüge verpassen, die sie einer Lüge zusätzlich überführen würde. Zwar wäre ein klares Nein in dem Fall schon ausreichend genug, weil die Wahrheit nun mal schwarz auf weiß auf mehreren Papieren in dem Hefter aus Pappe geschrieben stand, aber es gab auch noch vielerlei anderer Emotionen, die sich anhand eines Zuckens der Mundwinkel oder des zu schnelle Blinzelns ablesen ließen. Unsicherheit, Angst, Verlegenheit... all das konnte man problemlos aus dem Gesicht eines Menschen lesen, wenn man denn ein bisschen geübt darin war. Bei jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Kunden - kriminellen noch dazu - war es wohl wenig überraschend, dass das für mich nur eine Kleinigkeit darstellte. Natürlich konnte man sich immer mal wieder täuschen, beherrschten im Gegenzug dazu doch einige wenige Menschen ein nahezu perfektes Pokerface, welches Menschen wie Hunter oder mich mit ihrer Gabe durchaus auf eine falsche Spur locken konnte. Das war in den letzten Jahren zumindest bei mir nur äußerst selten vorgekommen, jedoch würde es mich bei dem aktuellen Stress nicht wundern, wenn ich es damit zwischenzeitlich mal nicht ganz so ernst nahm. Na ja, Fakt war auf jeden Fall, dass ich Irina damit zum Nachdenken angeregt hatte und man musste nun bei Gott nicht die eben angesprochene Gabe besitzen, um das ganz sicher sagen zu können. Es reichte schon vollkommen aus, dass sie meinem Blick eingangs auswich und stattdessen mit den Fingern herumnestelte. Vermutlich deshalb, weil sie sich unsicher war. Vielleicht auch Angst hatte, dass ich bereits wusste, wie viel sie eigentlich auf dem Kerbholz hatte und sie befürchtete, für eine Lüge postwendend gerügt zu werden? Grundlegend war mir allerdings auch relativ egal, worüber sie sich letztlich Gedanken machte, es reichte mir vollkommen aus, dass sie mir zumindest wahrheitsgemäß auf meine Frage antwortete. Offen darlegte, dass sie bereits Erfahrungen im kriminellen Metier gesammelt hatte, anstatt zu versuchen, das zu leugnen, was ihr bei mir sofort einen Pluspunkt einbrachte. Dass sie mich in diesem Punkt nicht anlog hieß zwar noch lange nicht, dass sie es künftig auch bezüglich anderer Themen nicht tun würde, aber fürs Erste war ich dadurch ruhig gestellt. Ich nickte ihre Worte nun doch deutlich entspannter ab, hatte ich mich innerlich schon darauf vorbereitet, nach ihrer Strafakte zu greifen und ihr die Leviten zu lesen. Gut, dass wir diesen Punkt dann direkt überspringen und beim eigentlich Kernpunkt des Gesprächs bleiben konnten. "Danke für Ihre Ehrlichkeit.", kehrte ich langsam aber sicher zu dem Iljah zurück, den die Mitarbeiter des Autohauses für gewöhnlich kannten. Ruhig, empathisch - was in Anbetracht der des ganzen kriminellen Aspekts in meinem Leben schon ironisch war - und verständnisvoll eben. "Ich müsste Sie anlügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir leid tut, Sie in die ganze Sache mit einzubinden, aber ich werde Ihnen gegenüber nicht weniger ehrlich sein, als ich das umgekehrt auch erwarte.", stellte ich darauffolgend klar, dass sie Mitleid von mir nicht zu erwarten brauchte. Ich durchaus zu dem stand, was ich tat und nachts - wenn es die Umstände zuließen - durchaus ruhigen Gewissens einschlafen konnte. Natürlich war das blöd und alles andere als fair, ihr den scheinbar festen Betonboden eines neuen, legalen Lebens fernab der Angst, wegen irgendwelchen krummen Dingern jederzeit von den Bullen eingesackt werden zu können, unter den Füßen wegzuziehen, aber das war nun mal der Lauf der Dinge und ich war froh, dass Irina das augenscheinlich einfach zu akzeptieren versuchte, anstatt sich dagegen aufzulehnen. Es war ihr zwar anzusehen, dass sie gerade zwischen zwei Stühlen stand und nicht so recht wusste, was sie davon jetzt halten sollte, aber sie entschied sich letztlich für das in meinen Augen Richtige. Nahm das Schicksal, so wie es kam, ohne sich zu beschweren oder groß zu mosern. Sie fasste ihren Unmut für mich hörbar noch in ein paar wenigen Worten zusammen, aber man konnte fast meinen, dass ich die einfach überhörte und geflissentlich ausblendete. Weil es mich schlichtweg auch einfach nicht interessierte, was sie jetzt konkret eigentlich davon hielt oder wie sie sich dabei fühlte. Für mich zählte nur eines... 'Ich werde keine Probleme machen' und ich... würde sie diesbezüglich beim Wort nehmen, genauso wie Hunter das vermutlich auch tat. "Ich kann es Ihnen auch nur empfehlen. Verstehen Sie mich nicht falsch... ich möchte Ihnen nicht drohen, sondern Sie warnen. Für mich wäre ein Fehltritt Ihrerseits sicherlich zu verkraften, solange Sie weiterhin ehrlich zu mir sind, aber ich schätze mein amerikanischer Geschäftspartner sieht das ein klein wenig anders. Nur, weil Sie offiziell für mich arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass ich Sie vor ihm beschützen kann, wenn etwas schief laufen sollte. Sie tun sich also selbst den größten Gefallen damit, keine Probleme zu machen.", klärte ich die junge Frau weiterhin darüber auf, dass ich nicht derjeige war, vor dem sie primär Angst haben musste. Natürlich konnte ich unter anderem auch anders, als den lieben und netten Chef zu spielen, aber in dem Fall sollte ihr Respekt vor Hunter noch ein Stück weit größer sein. Es war grundlegend mehr sein Geld, mit dem sie pokerte, als meins. Im Grund genommen war ich hier nur so etwas wie ein Personaldienstleister. Stellte meine Räumlichkeiten und einen Angestellten für ein gewisses Endgeld zur Verfügung. Zwar hatte ich ferner noch die ein oder anderen Verpflichtungen und war dazu angehalten, ein Auge auf die Schwarzhaarige zu werfen und sie für kleinere, nicht unbedingt nennenswerte Fehler auch zu rügen, aber das war es dann auch schon.
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Er wollte mir nicht drohen? So, wie das Ganze hier gerade für mich klang, tat er das aber. Vielleicht nur eher indirekt und nicht mit seiner eigenen Hand, aber augenscheinlich schien der Kerl in der Lederjacke mir gegenüber weiterhin keinen Namen zu bekommen. Wahrscheinlich ganz einfach damit ich nicht zu neugierig wurde, weil er sich offenbar schon irgendwo anders einen Namen gemacht hatte. Amerikaner waren hier in Russland wohl allgemein im kriminellen Metier eher selten vertreten, noch dazu schien er wohl auch nicht einfach nur irgendein Amerikaner zu sein. Allerdings ließ sich das Netz schlecht durchsuchen, wenn man weder einen Namen, noch ein Bild hatte, also tappte ich dahingehend wohl erst einmal weiterhin im Dunkeln. Gefiel mir gar nicht, wo er laut Iljah doch noch eher derjenige der beiden war, der weniger Geduld mitbrachte. Mir Fehler zu erlauben stand also absolut nicht zur Debatte. Das einzig gute daran war, dass ich den Sorokins keine Namen geben konnte, wenn ich gar keine hatte. Ich musste mich also nicht sofort zwischen die Stühle setzen. War auch ein wenig riskant, mir im aktuellen Augenblick aber doch lieber. Ich nickte die Worte des jungen Mannes sichtbar ab, um ihm zu signalisieren, dass ich verstanden hatte. Das mit der gewünschten Ehrlichkeit war zwar auch so ein zweischneidiges Schwert, weil es nun mal fortwährend Dinge geben würde, die ich ihm ganz einfach nicht sagen konnte und dann sicher hier und da mal eine kleine Notlüge herhalten musste, aber ich war was das anbelangte recht geschickt. Wusste mich mit Worten gezielt um gewisse Themen herum zu hangeln und sie etwas aus dem Augenmerk meines Gegenübers zu schleusen, indem ich die Aufmerksamkeit primär auf etwas anderes legte. Ich zwang mich mit dem Durchkneten meiner Finger aufzuhören und atmete ein klein wenig tiefer durch, bevor ich erneut zum Reden ansetzte. "Ändert sich dadurch etwas für mich? Abgesehen von der Tätigkeit an sich, meine ich... eher was die Arbeitszeiten und so weiter anbelangt...", stellte ich eine kleine, aber nicht gerade irrelevante Frage. Ich hatte bis jetzt keinen Schimmer davon, wie die beiden Männer es sich vorstellten mich die Zahlen schönigen zu lassen. Ob ich das weiterhin einfach zur gewohnten Arbeitszeit tun würde, damit es am wenigsten auffällig war oder ob ich doch zu ganz anderer Zeit hierher kam... oder eben woanders hin. Vielleicht war es ihnen in der Anfangsphase, wo sicher noch am ehesten mal ein kleiner Fehler passieren könnte - ich hoffte bei allen erdenklichen Göttern darum, dass ich keine machen würde -, auch lieber mir an einer anderen Örtlichkeit über die Schulter zu schauen. Zumal der Tätigkeitswechsel jetzt sicher auch inbegriff, dass ich mehr Zeit mit Iljah verbrachte. Wer sollte mir das auch sonst zeigen? Er konnte ja schlecht so ganz nebenbei irgendwen Anderes aus der Finanzabteilung dazu auffordern mich in den Mist einzuweihen. Ob mir wohl dabei war? Kein Stück. Dabei war es gar nicht so, dass ich ununterbrochen einen Aussetzer seinerseits fürchtete, aber auch, wenn ich in den letzten Jahren wirklich an viele schräge Typen geraten war, weil es die Arbeit im Kartell von mir verlangt hatte, hatte ich mich noch immer nicht daran gewöhnt. Mit extrem selbstbewussten Frauen und deren Drohungen konnte ich gut umgehen, das war kein Problem - wie gesagt, ich war redegewandt und bei solchen war mein Nachteil in Sachen Kraft weniger gravierend. Aber Männer? Was das anging war ich wohl einfach fürs Leben geschädigt und ich glaubte nicht, dass sich das nochmal irgendwann ändern würde. Iljah war meistens eigentlich umgänglich und auch jetzt wirkte er schon etwas ruhiger als noch vorhin im Showroom, aber er war nun mal trotzdem Iljah. Respekt zu haben war da definitiv angebracht, gehörte er doch am ehesten zu der Sorte Kerl, die mich quasi mit einem Fingerschnippen außer Gefecht setzen konnten. Es war nicht so, als hätte ich mir nicht schon den einen oder anderen gezielten Handgriff oder Tritt zur Selbstverteidigung angeeignet, aber falls er sauer wurde... nein, dann half wohl nur noch eine Schusswaffe. Ich besaß zwar einen kleinen Revolver, aber den zukünftig zur Sicherheit mitzubringen fand ziemlich sicher keinen Anklang bei ihm. Meine letzte Option war dementsprechend wohl einen meiner Schuhe auszuziehen und den schmalen Absatz zur Waffe umzufunktionieren. Klang wenig vielversprechend in meinen Ohren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wenn doch nur jeder so umgänglich wäre, wie die junge Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches es aktuell war... Es war wirklich angenehm, schonte meine Nerven, dass sie sich nicht grundlegend quer stellte und zu diskutieren anfing. Nach der Auseinandersetzung mit Vahagn war mein Geduldsfaden für heute bereits an seinem Ende angekommen und ein weiter Konflikt mit weiß Gott wem würde ziemlich sicher zur Folge haben, dass heute noch irgendwas zu Bruch ging. Entweder ein Joch- oder Nasenbein, vielleicht aber auch bloß etwas anderes leicht Zerbrechliches. Je nach dem, was für mich in unmittelbarer Nähe war, wenn ich denn dann in die Luft ging. Allerdings schien Irina die ersten Anzeichen meiner schlechten Laune bereits richtig gedeutet zu haben und legte es nicht darauf an, mich weiter zu reizen. Stellte keine dummen oder zu dreisten Fragen und überlegte sich wohl zwei Mal, ob und wenn ja, was genau sie denn sagte, wenn sie den Mund mir gegenüber auf machte. Ein weiterer Pluspunkt, den ich ihr anrechnen würde. Manchmal war es nämlich einfach besser, Gedachtes für sich zu behalten, auch wenn man das dringende Bedürfnis verspürte, beispielsweise seinen Unmut über eine Sache kundzutun. Die Serbin hatte in meinen Augen gute Gründe sauer, enttäuscht, ja, vielleicht auch ein klein wenig verletzt zu sein, weshalb ich es ihr nicht verdenken konnte, wenn sie mich gedanklich bereits zum wiederholten Male zum Teufel jagte. Es war jedoch für alle Beteiligten das Beste, wenn sie es ausschließlich bei den Gedanken belassen würde. Schätzungsweise konnte sie nämlich bereits ein falsches Wort den Kopf kosten. Ich wäre zwar nur äußerst selten derjenige, der das Beil führte, weil ich wie gesagt ein klein wenig mehr Geduld und Verständnis aufbringen konnte und nicht einfach willkürlich Leute abmurkste, weil mir deren Gesichter nicht passten, aber wie der Amerikaner da so drauf war - das wusste ich nicht. Wir kannten uns noch nicht lange genug, als das ich mir von Hunter ein eigenes, richtiges Bild machen konnte, lediglich aus Erzählungen und Berichten wusste ich, wie skrupellos der Kerl war. Das, was ich bis dato von ihm hatte sehen und hören dürfen war auch nur bedingt angenehm gewesen, also vielleicht legte ich es auch einfach gar nicht weiter darauf an, ihn über ein reines Geschäftsverhältnis hinaus besser kennenlernen zu wollen. Aber ich schweifte ab, war das aktuell überhaupt nicht von Bedeutung. Ich fokussierte mich also wieder auf Irina, statt meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und richtete mich dabei in meinem Chefsessel wieder etwas auf. Mittlerweile schien sich auch der letzte Rest meiner schlechten Laune zu verabschieden, je mehr die Sache mit der Dunkelhaarigen sich in die richtige Richtung entwickelte. Jene richtete nach einer weiteren kurzzeitig eintretenden Stillen erneut das Wort an mich, wollte wissen, wie es um ihre Arbeitszeiten stand, womit sie mich doch tatsächlich ein wenig überrumpelte. Ich hatte in den letzten Tage so viel um die Ohren gehabt, weil ich mich darum bemühte, auf jede Eventualität und jede Frage vorbereitet zu sein, allerdings hatte ich den Aspekt mit der Arbeitszeit vollkommen aus den Augen verloren und mir noch absolut gar keine Gedanken darum gemacht, wie die Zusammenarbeit mit Irina im Konkreten überhaupt aussehen sollte. Natürlich war es nur naheliegend, dass sie in den nächsten Tagen vermehrt Zeit mit mir verbringen würde, damit ich sie ausreichend anlernen konnte, aber ob das immer zu ihren gewohnten Arbeitszeiten sein würde? Ich wagte es zu bezweifeln. "Ich schätze, dass sich Ihre Arbeitszeiten verändern werden. Wie genau kann ich aber leider nicht verbindlich sagen. Aufgrund vielerlei anderer Termine wird es mir nicht möglich sein, immer zu Ihren gewohnten Arbeitszeiten hier im Büro zu sein.", teilte ich also meine binnen weniger Sekunden überschlagenen Gedanken mit der jungen Frau, rieb mir währenddessen nachdenklich über das Kinn, wo sich etwa alle zwei Tage mal ein paar wenige Barthaare verirrten. "Ich würde vorschlagen, dass Sie erst einmal weiterhin zu den regulären Arbeitszeiten hierher kommen und Ihrem ursprünglichen Job nachgehen. Sobald ich genau weiß, wie wir das Ganze am besten angehen, werde ich mich bei Ihnen melden. Stellen Sie sich dann bitte darauf ein, dass sich für Sie der Arbeitsort gegebenenfalls ändern wird.", ergänzte ich meine vorangegangenen Worte noch um eine Erklärung, durch die ich ihr indirekt offenbarte, mir darüber noch nicht wirklich den Kopf zerbrochen zu haben. Es war aber aktuell auch wirklich schwer, nichts zu vergessen oder außen vor zu lassen. Dabei schrieb ich mir schon jeden Kleinscheiß irgendwo auf und trotzdem rutschte ab und an mal etwas durch. Was ich allerdings ziemlich sicher sagen konnte war, dass sich der Arbeitsplatz der Serbin nicht mehr ausschließlich hier im Autohaus befinden würde. Ich würde mich zwar davor hüten, sie in irgendeiner Weise mit meinem Hauptgeschäft in Berührung kommen zu lassen, indem ich sie mir einfach an die Seite setzte, während ich in dem anderen Büro arbeitete, aber mir jetzt zwei, drei Wochen am Stück frei zu nehmen, nur um tagtäglich hierher zu kommen, war definitiv nicht möglich. Da musste ich mir in jedem Fall noch etwas einfallen lassen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Mit einer Frage in dieser Richtung schien Iljah eher nicht gerechnet zu haben. Viele andere Leute hätten ihn mit Sicherheit auch eher gefragt, ob er noch ganz bei Trost war, weil er den Staat betrügen wollte und sich offenbar mit einem Wahnsinnigen verbündete, der im Ernstfall wohl selbst einfach mal schnell den Henker spielte. Dass es sich dabei um sein Geld handelte hatte der Amerikaner ja sehr unmissverständlich klar gemacht. Ich wäre wirklich froh darüber, wenn der Typ seinen Arsch einfach zurück nach Amerika - oder wo auch immer er residierte, was wusste ich schon - schob und ich ihn nicht öfter zu Gesicht bekam, als es in Zukunft unbedingt notwendig war. Es schien glücklicherweise ohnehin so, als würde er die eigentliche Arbeit mit mir gänzlich an Iljah übertragen wollen und das konnte ich nur gutheißen. Bei dem Schwarzhaarigen wusste ich zumindest ein klein wenig besser, womit ich es zu tun hatte. Würde einfach versuchen ihn nicht zu reizen und falls ich doch einen Fehltritt machen sollte, aufrichtig dafür gerade stehen und mich entschuldigen. Unter Umständen schaffte ich es dann ja meinen Kopf weiterhin auf den Schultern zu behalten und Niemand musste den Schädel mitsamt der schwarzen Mähne die Bordsteinkante entlang rollen sehen. Ich hätte ziemlich sicher lieber weiterhin nur im Autohaus residiert, was die Arbeit anbelangte. Es war einfach sicherer, weil wir hier im Grunde nie allein zu zweit waren, wenn wir uns nicht gerade nachts trafen. Wenn ich zukünftig woanders hin sollte, dann gab es da vermutlich eher keine Leute, die mindestens mit dem Gehör Zeuge einer Auseinandersetzung werden konnten und sich auch dafür interessierten, ob Jemand gerade unter Umständen das Zeitliche segnete. Noch ein ziemlicher fetter Haken an dem ganzen Unterfangen, die Liste dahingehend wurde länger. Sinnbildlich in den Käfig eines sibirischen Tigers zu klettern war wirklich kein schöner Gedanke, aber immerhin hatte ich laut seiner Aussage noch ein oder zwei Tage Zeit, mich ein klein wenig mehr an diesen Gedanken zu gewöhnen. "Okay, mach ich.", ließ ich Iljah nach ein oder zwei schweigsamen Sekunden wissen, dass ich verstanden hatte. Wahrscheinlich würde ich bis dahin noch jedes Mal zusammenzucken, wenn mein Handy klingelte oder Jemand an meine Bürotür klopfte, weil die potenziell unheilvolle Nachricht nur so darauf wartete an mich übermittelt zu werden. Mein Blick wanderte auf den bereitgelegten Vertrag, der noch immer unter der Hand des jungen Mannes lag. Ob darin viel mehr als meine neue Position geändert worden war? Immerhin war das ziemlich sicher ein absolut normaler, gesetzestreuer Arbeitsvertrag und kein 'zum kriminell werden bitte hier unterzeichnen'-Wisch. Meine Augen hoben sich von dem Papier wieder an und richteten sich ungeniert zurück auf Iljahs. "Kann ich ihn mir ansehen?", fragte ich nach und streckte dabei die rechte Hand aus, um auf den Vertrag zu deuten und ihn mir im Fall einer Einwilligung gleich nehmen zu können. Ich ahnte bezüglich des Vertrags eigentlich nichts Böses, aber ich würde ihn dennoch zumindest überfliegen, bevor ich hier Irgendwas unterschrieb. Sollte Irgendwas drinstehen, wovon ich bisher keine Ahnung hatte, dann sprach der Russe mich hoffentlich entweder noch von selbst darauf an oder aber ich würde nachhaken. Nachfragen war mir ja bestimmt nicht verboten, wenn es sich nicht auf Tabuthemen bezog.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irina trug gerade ziemlich maßgeblich dazu bei, dass sich meine Laune langsam aber sicher wieder normalisierte. Das tat sie zwar nur unterbewusst und legte es ganz bestimmt nicht darauf an, aber die Hintergrunde waren im Prinzip auch nicht weiter wichtig. Fakt war, dass ich eingangs befürchtet hatte, mit der Serbin noch in einen Konflikt zu geraten, was die ganze illegale wir bescheißen den Staat Geschichte anging und vermutlich wären wir das auch, hätte sie ihren Gedanken eine Stimme verlieren. Tat sie aber nicht und so hatte sich das Gespräch entgegen meiner Erwartungen doch ziemlich schnell erledigt. Beschweren würde ich mich weiß Gott aber nicht darüber, denn jede Minute, die wir nicht über richtig oder falsch, moralisch oder unmoralisch diskutieren mussten, konnten wir stattdessen in die Einarbeitung stecken. Ich war also schon drauf und dran, ein durchweg zufrieden klingendes "Wunderbar." von mir zu geben, als die junge Frau mir gegenüber noch einmal das Wort ergriff. Ich befürchtete schon, sie hatte es sich doch noch einmal anders überlegt und wollte nun doch noch einmal aufmüpfig werden, aber es handelte sich bloß um eine sehr simple Frage bezüglich ihres neuen Arbeitsvertrages. Mir war gar nicht so bewusst gewesen, dass ich die ganze Zeit über noch mit der Hand einen Großteil des Geschriebenen bedeckte und so wanderte mein Blick kurzerhand auf jenes Körperteil hinab. "Aber natürlich. Lesen Sie ihn sich in aller Ruhe durch und bringen Sie ihn morgen bitte wieder mit. Selbstverständlich unterschrieben.", waren die Worte, mit denen ich die insgesamt vier Seiten an die Schwarzhaarige überreichte, nachdem ich selbst noch einmal flüchtig die erneuerten Informationen überflogen hatte. "Viel hat sich nicht geändert. Lediglich die Berufsbezeichnung und das Gehalt habe ich angepasst. Die Arbeitszeit, wie auch der Ihnen zustehende Jahresurlaub ist gleich geblieben. Ich muss aber glaube ich nicht erwähnen, dass es mit der Freizeit nun nicht mehr ganz so einfach ist.", erklärte ich ihr kurzerhand noch, dass ich zur Wahrung des Scheins einer ganz normalen Angestellten die Papiere entsprechend angepasst hatte. Sie nun nicht mehr den Beruf einer Verkäuferin, sondern den der Buchhalterin ausführte. Eine Provision gab es für sie jetzt keine mehr, dafür wurde aber das Bruttoentgelt entsprechend ein wenig nach oben geschraubt. Ein weiterer Grund, warum ich mir erhoffte, dass die Sache mit dem Falschgeld rund lief. War der Vertrag erst einmal unterzeichnet, dann galt es jenen grundlegend auch zu erfüllen. Ich bezweifelte zwar, dass mich Irina auf kurz oder lang vor der Arbeitsgericht zerren würde, aber es war nur verständlich, dass man für die geleisteten Dienste auch gerne den ein oder anderen Rubel sehen wollte. Dass das Geld, welches sie am Ende des Monats nun mehr aufs Konto bekam, jedoch durch die aktuelle Wirtschaftslage der Firma kaum zu vereinbaren war, musste sie allerdings nicht wissen. Ich spielte da wieder einmal mit dem gewissen Risiko, alles zu gewinnen oder aber im schlimmsten Fall zu verlieren. War das Geschäft mit den Blüten genug ab, wäre sehr sicher sogar eine Gehaltserhöhung für jeden der hier angestellten Mitarbeiter denkbar, aber aktuell wäre es weitaus profitabler, den ein oder anderen einfach zu kündigen. Das kam für mich allerdings überhaupt nicht in Frage. Eher würde ich weitere von Vahagns Jungs entlassen, sobald sie wieder auf den Beinen standen. Die Belegschaft des Hauptgeschäfts war an manchen Ecken nämlich chronisch unterfordert, weil es so viele Aufträge nun mal aktuell einfach nicht gab. Warum also sollte ich hart arbeitende, gute Leute, die das Autohaus voran brachten also eher auf die Straße setzen, als Kriminelle, die sehr sicher an jeder Ecke irgendeine Unterhaltungsmöglichkeit finden würden? Machte in meinen Augen keinen Sinn. "Fürs Erste war es das dann heute auch. Ich komme später noch einmal auf Sie zu und zeige Ihnen grundlegend, womit Sie in Zukunft arbeiten werden. Bis dahin würde ich Sie bitten, Ihrer regulären Arbeit nach zu gehen.", entließ ich Irina schließlich aus dem Gespräch und rang mir dafür sogar ein schmales Lächeln ab, auch wenn dieses in Windeseile wieder verflogen war.
~ le sprüng vong ... 7 daes ~
Ich war noch nie - und ich konnte es gar nicht genug betonen -, noch nie derart froh darüber gewesen, Russland endlich wieder zu verlassen. Normalerweise war ich über das gesamte Jahr verteilt vierteljährlich ins Gästezimmer meines Bruder eingezogen, um so etwas wie Urlaub zu machen und mich vom Stress in Italien zu erholen. Vielleicht beiläufig ein paar organisatorische Dinge für unseren Mutterkonzern zu erledigen, aber ansonsten tiefenentspannt die Seele baumeln zu lassen. Die eisige Kälte als Kontrast zu dem immer warmen Palermo zu genießen und im Wald um die Ecke Speerfischen zu gehen oder so. Der Ausflug mit Hunter war jedoch das genaue Gegenteil gewesen und ich war täglich bestimmt um mehrere Jahre gealtert. Dabei konnte ich noch nicht einmal sagen, woran genau das jetzt eigentlich gelegen hatte, waren die Begegnungen mit dem Amerikaner doch auf ein Minimum reduziert gewesen. Er bevorzugte es, die Sache gänzlich mit Iljah alleine zu klären und mich lediglich für die Organisation des Im- beziehungsweise Exports der Blüten auf den Plan zu rufen. Sonderlich begeistert war ich von der Entscheidung zwar nicht gewesen und bestand auf eine ziemlich nervenaufreibende Diskussion mit meinem Bruder, aber danach hatte ich es auch seinlassen und stillschweigend akzeptiert. Versucht, darin etwas Positives zu sehen, aber ich war nun mal einfach neugierig. Wollte immer auf dem Laufenden gehalten werden, wenn ich mit einer Sache bereits angefangen hatte und die Ausrede, dass mir mehr Freizeit zur Verfügung stünde, wenn ich mich nicht um den ganzen Mist drum herum kümmern musste, zog bei mir leider auch nicht. Ganz im Gegenteil... ich suchte aktuell händeringend nach einer Beschäftigung, weil mir auf Kuba zunehmend langweiliger wurde und nur aus der Ferne irgendjemanden zu dirigieren machte nicht ansatzweise so viel Spaß, als selbst mit von der Partie zu sein. Ändern konnte ich es in dem Fall nur leider nicht, weil mir Iljah eine ziemlich klare Ansage zu der Geschichte gemacht hatte und demnach verbrachte ich den restlichen Urlaub damit, mir irgendwelche russischen Filme im Fernsehen anzugucken und spazieren zu gehen. Außerdem versuchte ich mir über die noch offene Sache mit Tauren im Klaren zu werden, was während zwischenzeitlicher sportlicher Aktivität an der frischen Luft auch tatsächlich so halbwegs möglich gewesen war. Ich war zu dem Entschluss gekommen, dass ich dem Ganzen gerne eine Chance geben wollte. Tauren eine Chance geben wollte und dem Amerikaner damit gleichzeitig beweisen würde, wir ernst mir das Ganze mit seinem Schützling war. Natürlich konnte ich jetzt noch keine verbindliche Aussage dazu treffen, ob und wie lange eine Beziehung zu dem gebürtigen Norweger halten würde, aber eine garantierte Sicherheit darüber war vermutlich auch eher Wunschdenken. Schließlich konnte auch in zehn Jahren noch immer etwas passieren, was mich von ihm abwenden ließ. Fürs Erste war ich mir jedoch sicher, es zumindest versuchen zu wollen. Nach dieser Erkenntnis waren etwa noch drei weitere Tage ins Land gezogen, bis Hunter und Iljah das Gröbste miteinander geklärt und organisiert hatten. In der Zeit war das ein oder andere Telefonat mit Tauren auf der anderen Seite der Welthalbkugel drin gewesen, allerdings hatte ich mich ganz bewusst dazu entschlossen, es ihm erst zu sagen, wenn wir uns wieder persönlich sehen konnten. Das war für mich einfach etwas unglaublich intimes und ich wollte es ihm nicht über eine rauschende Telefonleitung vor die Füße spucken. Nein, ich würde ihn dabei gerne ansehen und in seinen Armen liegen wollen. Bis dahin brauchte es aber noch eine schier unendlich lange Zeit, in der ich von Tag zu Tag beschissener schlief, sodass ich zum Zeitpunkt unserer Heimreise sicherlich Augenringe bis zu den Knien hatte. Zwar versuchte ich im Flugzeug immer mal wieder, die Augen zuzumachen, aber das half für maximal ein paar Minuten, dann wachte ich wieder auf. Ich konnte mir nicht helfen, aber je näher wir Kuba kamen, desto unruhiger wurde ich und umso öfter wachte ich aus den Sekundenschlaf ähnelnden Versuchen, ein wenig Kraft zu tanken, auf. Als das Flugzeug nach der gewohnt langen Reise dann etwa gegen drei Uhr nachts kubanischer Zeitrechnung gelandet war, blieb ich sicher noch eine halbe Ewigkeit auf meinem Platz sitzen, bevor ich mich schwerfällig und mit einem müden Gang dazu aufraffte, den Flieger zu verlassen und die verräumten Gepäckstücke an mich zu nehmen. Da ich die Taschen mit dem Geld bei Iljah in Russland gelassen hatte, schleppte ich jetzt nur noch mein privates Hab und Gut mit mir herum. Ich entfernte mich gerade die ersten Meter von dem Vogel, als die Türen sich bereits wieder schlossen und die Triebwerke angelassen wurden. Etwas verloren begab ich mich zum Rande des Flugplatzes und war ab da dann auf mich alleine gestellt. Hunter war mit seinen Jungs bereits von dannen gezogen, noch bevor ich ihn hatte fragen können, ob er mich mit nach Hause nahm und so blieb mir nichts anderes übrig, als ein Taxi zu nehmen. Weil der offizielle Flughafen von der nur sehr rar und im Grunde nur zu Frachtzwecken genutzten Start- und Landebahn nicht sehr weit entfernt war, brauchte es Gott sei Dank auch nicht lange, bis ich mit auf der Rückbank eines der klassischen gelben Oldtimer wiederfand. Der Bezug im Innenraum war noch aus echtem Leder. Ziemlich verschlissen, aber überaus bequem. Es fiel mir zum ersten Mal seit langem wirklich schwer, die Augen offen zu halten und so nickte ich beinahe ein, noch bevor ich dem Fahrer überhaupt die Adresse nannte. Jener schien ein wenig verwirrt über meinen Zustand zu sein, erkundigte sich aber lediglich danach, wohin es denn eigentlich gehen sollte. Ich setzte bereits dazu an, ihm die Straße in der Innenstadt zu nennen, wo ich zur Zeit residierte, entschied mich im letzten Augenblick jedoch noch um und bat ihn, mich direkt vor Taurens Haustür abzusetzen. Er hatte inzwischen ja auch ein Eigenheim und auch wenn die Umgebung nicht ganz so schön war, wie bei mir inmitten von Havanna, ließ es sich in der Gegend trotzdem ziemlich gut leben. Natürlich hatte ich dem Norweger noch keine Information zukommen lassen, dass Hunter und ich heute landen und Fuß auf kubanischen Grund setzen würden. Sollte eine kleine Überraschung sein, von der ich mir bis jetzt noch nicht wirklich sicher war, was ich mir von ihr erhoffte. Vermutlich konnte ich von Glück reden, wenn er mir nicht mit einer Knarre in der Hand die Tür öffnete. Es war inzwischen viertel vor vier und ich für meinen Teil war sehr vorsichtig, wen ich unangekündigt um diese Uhrzeit die Tür öffnete. Vielleicht hatte ich aber auch das größte Pech und er war überhaupt nicht Zuhause. Noch unterwegs... arbeiten oder so. Lichter brannten selbstredend keine, als mich der Taxifahrer an meinem Ort der Begierde nach entsprechender Bezahlung auf die Straße entließ. Ich schleppte mich mit schweren Schritten noch die letzten Meter bis zur Tür, von wo aus ich die rechte Hand hob, um auf die Klingel zu drücken.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Was genau war nochmal Schlaf? Oder Freizeit? Ich hatte eigentlich still und heimlich gehofft, dass sich mein Arbeitspensum ein wenig senken würde, wenn der Amerikaner nicht auf kubanischem Boden unterwegs war. Stattdessen hielt Ashton mich noch eine ganze weitere Woche nach Hunters Abflug unter seinen Fittichen und halste mir Arbeit auf, wo er nur konnte. Ich kam wirklich an meine Grenzen. Schlief auch von Tag zu Tag schlechter, weil ich durch all die Erschöpfung wohl unterbewusst Angst davor hatte irgendwann einfach zu verschlafen und deshalb eine Strafe zu kassieren. Durch den zeitweise nur noch sehr leichten Schlaf häuften sich auch bewusst wahrgenommene Träume und ein Teil davon bezog sich auf die Arbeit, ein wieder anderer auf Vahagn. Dass ich was uns beide anbelangte nach wie vor auf heißen Kohlen sitzen bleiben musste und nicht wusste, ob mir noch irgendwann der Arsch abbrennen würde, hing augenscheinlich auch ziemlich tief in meinem Unterbewusstsein fest. Kam öfter mal vor, dass sie mich abservierte und Hunter irgendwo im Hintergrund stand, nur um sich herrlich darüber zu amüsieren. Wegen all diesen durchweg ungünstigen Faktoren war ich froh, als Ashton mir nach geschlagenen 14 Tagen voller Hektik und Stress am 15. dann endlich mal sagte, dass ich wieder nach Hause fahren durfte. Ich fragte mich zwar bis jetzt, warum er mir das nicht einfach am Ende des letzten Arbeitstages gesagt hatte, statt mich noch ein letztes Mal vollkommen unnötig früh aufstehen und aus dem Bett fallen zu lassen, aber andererseits war das nicht wirklich relevant. Denn ich verbrachte den Rest des Tages damit zu schlafen und nur zwischendurch mal aufzustehen, um die Blase zu entleeren und zu duschen. Mir noch zwei Scheiben Brot reinzuschieben und dann erneut ins Bett zu fallen. Seit Anbeginn von Tag 16 fühlte ich mich endlich mal wieder sowas wie lebendig und fing an die Wohnung aufzuräumen, weil ja doch so einiges an nicht dafür vorhergesehenen Plätzen herumlag. Danach konnte ich mich sogar auch noch dazu motivieren die Küche und das Bad auf Hochglanz zu polieren und freute mich wahnsinnig darüber, dass ab Tag 17 absolut nichts mehr außer Einkaufen auf der Agenda stand. Hunter hatte mir eine ganze Woche frei gegeben - spontane Planänderungen natürlich wie gewöhnlich inbegriffen - und das hieß, dass ich endlich mal Zeit dazu hatte ohne jegliche Form von Verletzungen oder Zeitdruck die Insel zu erkunden. Natürlich entfernte ich mich nicht zu weit von Havanna, zweieinhalb Stunden mit dem Bike waren das Maximum. Eben für den Fall, dass ich doch gebraucht wurde, aber auch auf diese Distanz ließen sich schöne Ecken erreichen. Abgelegene Strände oder auch ein Tal voll Felder, die Hunter bisher nicht hatte anzünden lassen. Die steinernen Berge, die da überall aus dem Boden ragten waren ein Spektakel für sich und deshalb blieb ich bis zum Abend. Hatte mich mit dem Bike auf einem schmalen Pfad bis auf die Spitze einer dieser Berge hochgearbeitet und war gleich doppelt froh darüber, dass ich ein Crossbike hatte. Das brauchte jetzt zwar in jedem Fall eine Dusche, war der Weg doch teilweise nach den gestrigen Regenfällen matschig gewesen und ich hatte selbst wohl auch den einen oder anderen Dreckspritzer abbekommen, aber das war es wert. Zugegeben hätte ich vielleicht nicht ganz so lang den Sonnenuntergang vom Berg aus genießen sollen, weil sich der Weg nach unten im Halbdunkel als relativ gefährlich herausstellte. Es war aber Niemand gestorben und das Bike hatte auch nur einen Kratzer abgekriegt, also konnte ich später Zuhause eher nur noch darüber lachen. Während das Motorrad bis morgen warten musste um den Dreck loszuwerden duschte ich selbst noch ziemlich ausgiebig und genehmigte mir noch ein paar Stücke der kleinen, frischen Ananas, die mir ein Bauer geschenkt hatte, den ich im Tal nach einem Weg nach oben gefragt hatte. Kuba war was Landwirtschaft anging auch durch die wirtschaftliche Lage sehr ökologisch unterwegs, sprich nur sehr wenige nutzten überhaupt sowas wie Pestizide oder anderen giftigen Mist, um Ungeziefer fernzuhalten - das schmeckte man. Vermutlich hatte ich in meinem ganzen Leben noch keine dermaßen authentisch schmeckende Frucht gegessen. Wie auch? In Norwegen wuchs ja gefühlt nichts auf natürlichem Weg, es wurde fast alles importiert oder in Gewächshäuser gesteckt. Mit schönen Ausflügen hier und da in jüngster Vergangenheit, sowie ein paar wenigen Telefonaten zwischendurch mit Vahagn ließ es sich gleich doppelt gut schlafen, hatte es doch wirklich gut getan ihre Stimme endlich mal wieder zu hören. Mein Schlafrhythmus hatte sich auch ein bisschen verschoben. Ich ging wesentlich früher schlafen, nicht wie zuvor gegen 5 oder 6 Uhr morgens. Ich war einfach deutlich früher müde und so kam es, dass ich schon seit etwa einer Stunde schlief, als es quasi aus dem Nichts an der Tür klingelte. Erst dachte ich, ich hätte mir das nur eingebildet, aber das würde nicht erklären, weshalb ich aufgewacht war. Vorher geträumt hatte ich nämlich nichts, also öffnete ich müde blinzelnd die Augen und setzte mich auf, rieb mir einmal übers Gesicht. Befürchtete im Grunde schon das schlimmste - also entweder Hunter oder seine rechte Hand - auf der Türschwelle, weil ich nicht wusste, wer jetzt sonst an meine Tür klopfen sollte. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass jetzt irgendein verärgerter Bauer oder Fabrikinhaber ausgerechnet zu mir nach Hause kam. Deshalb schlurfte ich auch lediglich in Boxershorts erst zu meiner Wohnungstür und ließ sie oben im Flur offen stehen, bevor ich mit dem Schlüssel in der Hand nach unten zur Haustür ging. Sowas wie einen Türspion gab es da nicht, lediglich eine Türkette. Die war wie immer nachts eingehakt und so zog ich die Tür nach dem Aufschließen nur langsam ein kleines Stück auf. Als ich dann aber sah wer vor der Tür stand wischte das die Müdigkeit schlagartig aus meinem Gesicht und meine Augen fingen glücklich zu funkeln an, ehe ich von leichtem Herzklopfen beschwingt die Türkette löste. Statt nach dem gänzlichen Aufziehen der Tür aber ein paar begrüßende Worte auszusprechen zog ich Vahagn in einer innigen Umarmung förmlich zur mir in den Hausflur. Dass sie vielleicht gar nicht hier war, weil sie sich nach mir sehnte, zog ich gar nicht in Betracht. Wieso auch? Mein innerer Optimist sagte mir eindeutig, dass wir uns die Telefonate zuvor dann auch schon gespart hätten. Ich murmelte grinsend ein leises "Hallo, schöne Frau." an ihr Ohr und zog mich erst dann ein kleines Stück zurück. Lockerte meine Arme um ihren Körper und streckte eine Hand aus, um beiläufig die Tür zurück ins Schloss zu werfen und mit den Fingern der anderen über ihre Wange zu streichen, ihr Gesicht das erste Mal richtig zu mustern. Weil sie verglichen mit mir eher recht müde aussah griff die freie Hand fast umgehend nach der Tasche, um sie ihr abzunehmen. Mit dem neu gewonnen Elan hätte ich die junge Frau gerne auch gleich mit hochgetragen, aber das stellte ich mir doch ein wenig zu umständlich vor, also blieb es wohl bei der Reisetasche. "Komm, gehn' wir hoch.", animierte ich die Brünette mit ein paar wenigen Worten dazu lieber nicht noch länger hier im öffentlichen Hausflur herumzustehen, damit sie Ruhe bekam und wir außerdem keine ungebetenen Gäste bekamen. Löste dann auch meine Finger von ihrer Wange und wandte mich der Treppe zu.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich stand eine schier unendlich lange Zeit vor der verschlossenen Haustür und wartete darauf, dass sich im Inneren des Hauses irgendetwas tat. Ich eine Bewegung vernahm oder das Licht eingeschaltet wurde, aber für sicher ein oder zwei volle Minuten tat sich da überhaupt nichts. Ich war schon drauf und dran gewesen, ein zweites Mal zu klingeln, nur um dann resigniert festzustellen, dass Tauren nicht Zuhause war und den Heimweg anzutreten, als ich doch noch leise Schritte im Hausflur hörte. Als dann auch noch gedimmtes Licht durch die kleinen Fenster rechts und links von der Haustür zu sehen war, schlug mein Herz gleich wieder einen Takt schneller und der grundlegend ziemlich müde Blick erhellte sich ein wenig. Nur wenige Sekunden, nachdem Leben ins Innere des Hauses eingekehrt war, öffnete sich dann auch tatsächlich dir Tür vor meiner Nase. Nur einen Spalt weit, was jedoch vollkommen ausreichend war. Entweder für den Lauf einer Waffe oder, wie in diesem Fall, für das kristallblaue Augenpaar, das mich mit einem glücklich erscheinenden Funkeln begrüßte. Tauren entfernte kurzerhand das kleine Kettchen, welches weiß Gott welchen Einbrecher davon abhalten sollte, in das Haus einzudringen und zog mich, als das erst einmal erledigt war, daraufhin fest in seine Arme. Ein wenig überrumpelt wusste ich erstmal nicht genau, wie ich mich jetzt nun verhalten sollte, aber sobald mir der bekannte, eine heimische Atmosphäre versprühende Duft des jungen Mannes in die Nase stieg, schlang ich instinktiv beide Arme um seinen Oberkörper. Schloss außerdem die Augen, was mich, wenn wir nicht gerade inmitten des Hausflurs stehen würden, vermutlich sofort ins Land der Träume befördert hätte. All die Anspannung und unschönen Erfahrungen der letzten Tage waren in den Armen des Norwegers plötzlich verschwunden und ich fühlte mich mit einem Mal ziemlich erschöpft und bereit, schlafen zu gehen. Demnach begrüßte ich es sehr, dass mir der junge Mann nach wenigen Worten zur Begrüßung, die mich verlegen hatten lächeln lassen, meine Reisetasche abnahm, die ich auf dem Weg vom Taxi bis zur Tür geschultert hatte und mich bat, ihm nach oben zu folgen. Das ließ ich mir kein zweites Mal sagen und schleppte mich mühselig die einzelnen Treppenstufen bis in die Wohnung von Hunters Schützling, wo ich mehr als froh war, dass die Tür auch dort bald hinter uns ins Schloss viel und ich endlich all der angestauten Wut und dem Frust Platz machen konnte. Allerdings etwas komprimiert und auf den Grad meiner Müdigkeit zugeschnitten, was hieß, dass ich zum Beispiel nicht unbedingt lauter wurde oder wie für mich üblich viele Schimpfwörter verwendete. Ich machte aber wohl trotzdem ziemlich deutlich, dass ich froh war, endlich wieder kubanisches Festland unter den Füßen zu haben. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, endlich wieder hier bei dir auf Kuba zu sein.", murmelte ich müde, als ich mir die Schuhe von den Füßen streifte und dann wie selbstverständlich das Schlafzimmer ansteuerte. Mich jetzt ins Wohnzimmer zu begeben und dort auf dem Sofa Platz zu nehmen hätte nur zur Folge, dass ich am Ende unserer Unterhaltung nicht mehr bereit war aufzustehen und was eine Nacht auf der Couch für Folgen hatte, war allgemein bekannt. Ich ging außerdem nicht davon aus, dass Tauren etwas dagegen einzuwenden hatte, sich heute mit mir ein Bett zu teilen. Andernfalls hätte er mich dann doch nicht so innig in eine Umarmung gezogen und mich mit rauf genommen, oder? Na ja und selbst wenn konnte er mich immer noch später des Platzes verweisen, fürs Erste ließ ich mich jedoch sichtlich erschöpft auf der Bettkante nieder, wo ich mir mit den freien Händen über das Gesicht rieb in der Hoffnung, so einen Teil der Müdigkeit einfach wegwischen zu können. Vergebens, aber das musste ich sicherlich nicht erwähnen. "Es war einfach nur anstrengend. Hunter, Iljah... einfach alle. Normalerweise ist Russland für mich Erholung pur, aber dieses Mal fühle ich mich wie durch den Fleischwolf gedreht. Außerdem hätte ich nicht gedacht, dass es so lange dauern würde.", verfiel ich unterbewusst in einem Redeschwall, der auch noch nicht zu Ende sein sollte. Zuvor ließ ich mich jedoch erst einmal nach hinten auf die Matratze fallen, um darauffolgend die Decke anzustarren. "Irgendwie lief nichts so, wie ich das geplant hatte. Also... das Geschäft kommt vermutlich trotzdem zustande, aber anders, als ursprünglich erhofft. Hunter ist ein Arsch und dass das nichts neues ist, weiß ich selbst, aber Hunter und Iljah gemeinsam an einem Tisch sitzen zu haben ist die reinste Hölle. Demütigt dich der eine nichts, tut es dafür der andere...", spielte ich auf Tag 2 der Reise an, als sich die beiden Männer im Hotel verabredet und ich dabei scheinbar unerwünscht gewesen war. Normalerweise gab ich nicht besonders viel darauf, wo und von wem ich abgewiesen wurde. Hunters Wort alleine hätte bei weitem nicht dafür ausgereicht, meinen Stolz zu kränken, aber dass mir mein Bruder derart in den Rücken gefallen war... das war hart gewesen. Gut, vielleicht hatte ich mich auch nicht besonders angemessen verhalten, aber dennoch rechtfertigte das nicht, wie Iljah mit mir umgegangen war. Mich vor einem Geschäftspartner bloßgestellt hatte... Auch wenn das bereits ein paar Tage zurück lag, belastete es mich nach wie vor ein bisschen und ich erhoffte mir bei dem jungen Mann, der kurzzeitig im Türrahmen stehen geblieben war, Verständnis. Dabei fiel mir ein, dass ich das Wichtigste noch überhaupt nicht hatte verlauten lassen. "Du hast mir im Übrigen sehr gefehlt... nach der ganzen Scheiße in Russland noch mehr, als davor schon.", ergänzte ich die Darlegung meiner Probleme noch um ein paar weitere, leise Worte. Besonders leicht kamen sie mir wie immer, wenn es um irgendwelche emotionalen Angelegenheiten ging, aber es war mir wichtig, dass Tauren das wusste. Es von mir hörte. Persönlich.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es breitete sich ein wohlig warmes, leicht kribbeliges Gefühl in meinem gesamten Oberkörper aus, während ich mit Vahagn nach oben ging und wir schließlich in der Wohnung unter uns waren. Es dauerte zwar nicht besonders lange, bis sie ihrer Müdigkeit mit ihren Worten noch etwas mehr Ausdruck verlieh, aber ihre womöglich nur eher mittelmäßige Gefühlslage - wer war müde schon hochgradig gut gelaunt? - tat meiner eigenen keinerlei Abbruch. Ihre bloße Anwesenheit reichte vollkommen dazu aus mich gedanklich ein paar freudige Luftsprünge machen zu lassen. Gerade weil ich noch so gar nicht mit ihr gerechnet hatte freute ich mich gleich doppelt, dass sie jetzt doch schon da war und ich sogar noch ein paar wenige Tage frei hatte. Potenziell recht viel Zeit mit ihr verbringen könnte, wenn sie selbst noch keinen gänzlich zugekleisterten Terminkalender hatte - die Lust dazu durfte ihr natürlich auch nicht fehlen. Ich wusste ja, dass sie hier und da gerne ihre Ruhe hatte. "Die Überraschung ist dir jedenfalls gelungen.", ließ ich sie nach ihren ersten paar Worten unverblümt wissen, wie sehr ich mich über ihr Auftauchen freute. Auch, wenn dass ziemlich sicher nicht wirklich Worte gebraucht hätte, wo ich doch einfach nicht damit aufhören konnte vor mich hin zu lächeln. Ich beschloss Vahagn einfach mal die freie Wahl zu lassen, wo es hingehen sollte, weil ich nicht wusste wonach ihr am ehesten der Sinn stand und so folgte ich ihr kurz darauf schon langsam zum Schlafzimmer. Während die hübsche Brünette sich kurzum auf der Bettkante niederließ stellte ich erst einmal nur beiläufig ihre Sachen ab, hielt inne und beobachtete sie einfach einen Moment lang, während sie damit anfing sich bei mir darüber auszukotzen, dass Hunter und ihr Bruder scheinbar eine absolut unausstehliche Kombination bildeten. Für mich klang das auch gar nicht weit hergeholt, weil ich den Russen schon flüchtig kennen gelernt hatte und ehrlich gesagt war er mir zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich sympathisch gewesen. Das konnte allerdings auch hauptsächlich daran liegen, dass ich mich sehr viel weniger gern auf die Kosten seiner Schwester amüsierte, als es bei ihm offenbar der Fall war. In Kombination mit dem Amerikaner, der Vahagn sowieso nicht besonders gut leiden konnte und noch dazu einfach grundlegend ein egoistisches Arschloch war, ließ mich das gedanklich schon die Beine in die Hand nehmen und mich aus dem Radius der beiden herausbewegen. Zumindest so weit, dass sie mich als nicht relevant einstuften und mich in Ruhe ließen. Aber auch diese ungemütliche Vorstellung ließ das freudige Funkeln aus meinen Augen nicht verschwinden und noch während ich mich in Bewegung setzte, um zum Bett aufzuschließen, ließ die junge Frau ein paar in meinen Augen sehr viel wichtigere Worte von sich hören. Nur leise, aber es reichte trotzdem, um mich wie ein Honigkuchenpferd breit vor mich hin lächeln zu lassen. Als wären die angehobenen Mundwinkel mir so ins Gesicht gemalt worden, wollten sie doch einfach nicht verschwinden. Auch nicht, als ich mich neben ihr aufs Bett sinken ließ und ihr ungefragt unter die Arme griff, um sie mit mir ein Stück weiter Richtung Kopfende zu ziehen. Natürlich gewohnt vorsichtig, wollte ich ihr doch keinesfalls weh tun, aber ganz liegend war es nun mal einfach bequemer, als wenn die Beine zur Hälfte über die Bettkante baumelten. Ich drehte mich auf die Seite und stützte mich auf den Ellbogen, um sie besser ansehen zu können. "Kann ich mir bei den beiden gut vorstellen... nimm's mir nicht übel, aber dein Bruder ist auch irgendwie ziemlich speziell. In Kombination mit Hunter... stell ich mir das potenziell wirklich sehr unangenehm vor.", erwiderte ich und hob noch währenddessen die freie Hand an, um sie seitlich an den Hals der jungen Frau zu legen. Ich folgte meinem Daumen mit den Augen einen Moment lang, als ich sanft an ihrem Unterkiefer entlang strich. "Aber wenn Hunter sich so gut mit ihm versteht, kannst du ihn ab jetzt ja auch einfach allein rüberfliegen lassen...", setzte ich zu einem neuen Satz an und beugte mich dann langsam zu ihr runter, wobei mir unweigerlich ein paar der längeren Haarsträhnen über die Stirn fielen. Da war nach dem Duschen schließlich kein Spray oder Gel mehr drin, das sie an Ort und Stelle hielt. "...und einfach bei mir bleiben. Dann musst du mich nicht vermissen... und ich dich auch nicht.", vollendete ich meinen vorherigen Satz flüsternd und sah ihr noch einen Moment lang in die grau-grünen Augen, bevor ich auch das letzte bisschen Distanz zu ihr überbrückte und sie küsste. Nicht zu aufdringlich, weil sie doch ziemlich erledigt zu sein schien, aber ich versuchte trotzdem so viele der Gefühle in meiner Brust in die zärtliche Lippenberührung fließen zu lassen, wie irgendwie möglich war. Sie hatte in den letzten, viel zu langen eineinhalb Wochen - und der absolut blöd gelaufenen Woche davor - einfach eine schreckliche Lücke hinterlassen und es fühlte sich mehr als ein bisschen gut an, dass sie jetzt endlich hier war, um ihren Platz wieder einzunehmen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tauren setzte sich schon bald in Bewegung und schloss zu mir auf. Ließ sich ebenfalls auf die Matratze fallen, um mit mir bis rauf ans Kopfende zu rutschen. Wirklich etwas dagegen einzuwenden hatte ich nicht, es war nur leider furchtbar anstrengend, die Beine aufs Bett zu heben, wenn sich jegliche Kraft und Lust, die Körperteile zu bewegen, gerade verflüchtigte. Demnach war ich ganz froh, als die Aktion - wirklich als solche konnte man die minimale Bewegung natürlich nicht nennen - auch wieder vorbei war und ich nur noch meinen Kopf drehen brauchte, um den jungen Mann neben mir ansehen zu können. Das tat ich auch just in dem Moment, als Tauren sich zu meinem Bruder äußerte und mir damit ein resigniertes Seufzen entlockte. "Russische Männer sind glaube ich immer speziell. Hab' noch keinen kennengelernt, der ansatzweise normal im Kopf ist. Ich schätze, die werden einfach dumm geboren.", wurde ich ein paar hörbar ironische Worte los, bei denen ich nicht drum herum kam, sie durch ein Augenrollen zu untermauern. Es ging hier zwar um mein Bruder und damit das letzte lebende Familienmitglied in meinem Leben, aber ich wusste, dass er über mich auch oft schimpfte. Warum sollte ihm das Recht vorbehalten sein? Ich durfte mich genau so über ihn auskotzen, wenn mir gerade der Sinn danach stand und seitdem ich durch die Wohnungstür des Norwegers geschritten war, überkam mich plötzlich das ziemlich dringende Bedürfnis, mich mitteilen zu müssen. Ich war froh, dass der junge Mann neben mir nichts dagegen einzuwenden hatte, wo ich in der Regel doch etwas distanzierter und zurückhaltender war. Gerade über Geschäftliches nicht besonders oft redete und bei allgemein zu vielen Worten schnell mal ausfällig wurde, aber heute war das irgendwie anders. Es tat erstaunlich gut, einfach das, was mir gerade so auf der Seele lag, auszusprechen und das ganz ohne einen Mantel aus Eis oder einer meterdicken Mauer vor dem Ausdruck meiner Gefühle. Es war deutlich herauszuhören, wie unzufrieden und kaputt ich war. Dass ich das so normalerweise nicht zeigte und eigentlich immer versuchte, trotzdem noch erhobenen Hauptes meine Wege zu gehen, wusste Tauren wohl auch mit am besten. Heute war also alles in allem ein ziemlich besonderer Tag - sowohl für den verboten gut aussehenden jungen Mann neben mir, als auch für mich selbst. "Aber ja, da hast du wohl Recht. Was soll ich in Russland, wenn ich da sowieso nicht gebraucht werde.", pflichtete ich ihm beiläufig bei, wobei sich bei seinen darauffolgenden Worten gleich ein ziemlich breites Lächeln auf meinen Lippen bildete. Vermissen... Ja, ich hatte ihn wirklich vermisst. Direkter, als ich es bereits ausgesprochen hatte, würde ich es ihm wohl nicht mehr sagen, aber das war in meinen Augen auch vollkommen ausreichend. Ich hatte... irgendwie alles an ihm vermisst. Seine gute Laune, sein Gesicht, die unsagbar schönen, treudoofen, blauen Augen, einfach alles... Und ich war wirklich verdammt froh, dass er sich scheinbar auch darüber zu freuen schien, mich wiederzusehen, was meinem rostigen Herz einen schwungvollen Tritt gab, um es vor Freue leise klappern zu lassen. Andernfalls wäre meine Laune heute wohl ins Bodenlose gesunken, wenn ich dann doch noch mit dem Taxi nach Hause hätte fahren müssen, weil ihm irgendetwas nicht passte. Aktuell schien aber das genaue Gegenteil der Fall zu sein und wir genossen die Nähe zueinander in etwa gleichermaßen. Als Tauren seine Hand an meinen Hals legte und mit dem Daumen behutsam über die Haut an meinem Kinn strich, schloss ich einen Moment lang die Augen, um das angenehme Bitzeln, welches sich gerade über meinem ganzen Gesicht und auch den Rest vom Körper ausbreitete, zu genießen. Gerade rechtzeitig, als der junge Mann sich über mich beugte, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken, schlug ich die Lider wieder auf. Streckte daraufhin die Hand aus, um dieses Mal diejenige zu sein, die ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Leider funktionierte das bei Männern mit tendenziell eher kurzen Haaren nur irgendwie nicht besonders gut und so fiel die lose Strähne gleich wieder in seine Stirn. Ich schnaubte mit einer Mischung aus Belustigung und Frustration, dass das Ganze wie der beschissene Rest der letzten Tage so überhaupt nicht klappen wollte, aber bevor ich mich dazu hätte äußern können, zogen mich die weichen Lippen des Norwegers in ihren Bann und die Liste mit allem, was ich an ihm vermisst hatte, ergänzte sich gedanklich noch um die sündhaft guten Küsse. Auch die liebevollen Streicheleinheiten hatten mir gefehlt und dieses beruhigende Schnarchen, wenn ich mitten in der Nacht durch einen Alptraum aufgeschreckt wurde erst recht. Ich erwiderte den Kuss voller Leidenschaft und so intensiv, wie das meine restliche vorhandene Kraft eben zuließ, während ich dabei wieder die Augen schloss. Ein paar Sekunden ging das sicher noch, bis ich sie wieder öffnete und mich ein klein wenig von Tauren löste. Nicht viel, ich konnte immer noch seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren, aber ausreichend, um problemlos sprechen zu können. "Ich schätze, du wirst dein Bett heute mit jemanden teilen müssen, der nicht mehr dazu in der Lage ist, sich die Klamotten auszuziehen.. Hab' Erbarmen.", bat ich belustigt an die Lippen des Norwegers murmelnd, ehe ich seine Lippen ein weiteres Mal in einen im Gegensatz zu dem ersten eher flüchtigen Kuss verwickelte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Selbst Vahagns oft recht trockener Humor hatte mir gefehlt und ihre Aussage bezüglich russischer Männer ließ mich leise auflachen. Ich schien von Glück reden zu können keine russischen Wurzeln zu haben, wo das laut der Brünetten doch quasi automatisch die beste Voraussetzung dafür war ein Idiot zu werden. Ich wusste tatsächlich nicht, zu wie viel Prozent ich noch Amerikaner war - die ja auch chronisch einen Knacks in der Birne zu haben schienen, wenn ich mir Ashton und Hunter ansah -, aber meine norwegischen Gene waren wohl sehr weit in der Überzahl und das fand ich gut so. Zumindest in Oslo waren die meisten Leute ziemlich weltoffen und schwer in Ordnung, wofür ich selbst wohl auch ein gutes Beispiel war - ohne mir selbst aber jetzt zu sehr auf die Schulter klopfen zu wollen, weil ich von einem guten Menschen schlichtweg doch eine ganze Ecke entfernt war, wenn man mich mit dem normalen Durchschnittsbürger maßnahm. Trotzdem hatte ich so viele gute Werte behalten, wie mir die letzten Jahre über möglich gewesen war. "Dann haben wir wohl beide Glück, dass ich kein Russe bin.", erwiderte ich nicht weniger ironisch, wobei ich noch immer so ein klein wenig vor mich hin grinste. Ich hatte wohl auch optisch nichts von einem Osteuropäer, worüber ich ebenfalls ganz froh war. War nicht so, als wäre ich selbst ein total oberflächlicher Mensch - außer eben bei der Frau meiner Wahl, weil wohl jeder einfach gerne einen anziehenden Partner hatte -, aber ich war was meinen Körper anging doch wirklich gut weggekommen. Jemand, der mich nicht kannte, würde mich kaum als Schwerverbrecher oder gar Mörder einstufen, weil solche noch dazu selten so lebensfroh auftraten wie ich. Was Tarnung in der Öffentlichkeit anbelangte quasi der Jackpot. Zumindest solange ich keine Narben im Gesicht kassierte, was leider oft nur eine Frage der Zeit war. So wie jede andere Form von Verletzung in diesem Metier eben auch. Ich war froh darüber, dass Vahagn und ich uns scheinbar vollkommen einig damit waren, dass sie zukünftig nicht mehr den Aufwand betrieb den Amerikaner in ihr Heimatland zu begleiten. Es sei denn natürlich er wünschte das explizit, aber ich hoffte es wirklich nicht. Sah auch aktuell keinen Grund dafür, wo er doch ohnehin ihre Nummer hatte und sie nicht gerade seine beste Freundin war. Wenn es nach uns beiden hier ging, dann sollte er sich also lieber weiter mit Iljah anfreunden und dessen Schwester hier bei mir lassen. Natürlich hieß all das trotzdem nicht, dass Vahagn nicht hier und da trotzdem mal ein paar Tage nicht da wäre, sollte ihr Import- und Exportgeschäft wieder zurück zu neuer Blüte finden, aber es ging mir dann wohl trotzdem besser damit, weil Hunter nicht dabei war, um ihr potenziell den Kopf abzuschlagen. Jedoch hatte ich darauf bis zu dem etwas längeren Kuss nichts erwidert und so vergaß ich währenddessen vollständig, dass ich überhaupt noch darauf hatte antworten wollen. Es tat einfach unheimlich gut nun auch zu spüren, dass ich der Brünetten gefehlt hatte. Ihre Worte hatten dahingehend zwar keine Zweifel bei mir hinterlassen, aber ihre verführerisch weichen Lippen untermauerten ihre Aussage schlicht absolut perfekt. Allein schon deshalb und weil ich in den letzten Wochen eindeutig zu wenige Küsse abgestaubt hatte, fiel es mir schwer mich überhaupt wieder von ihren Lippen zu trennen, also lag es schließlich an der jungen Frau den Kuss selbst zu beenden. Ich schlug die Lider langsam wieder auf und suchte ihren Blick mit meinem, kurz bevor sie erneut das Wort ergriff. Scheinbar hatte die Reise eine durchweg müde Vahagn zurückgelassen, die nicht einmal mehr im Stande dazu war ihre Klamotten auf ein angenehmes Maß zum Schlafen zu reduzieren. Ich konnte nicht anders, als ein klein wenig in den flüchtigen Kuss hineinzugrinsen. "Rein zufällig kann ich mich noch ganz dunkel daran erinnern, dass ich hervorragende Pfleger-Qualitäten habe und dir schon ein, oder vielleicht auch zwei Mal aus den Klamotten geholfen habe...", spielte ich erst nach dem Kuss mit einer Prise Sarkasmus darauf an, dass ich rein theoretisch zwei helfende Hände besaß, die ihr schon vor einiger Zeit öfter mal mit der Kleidung geholfen hatten. Und mehr - wobei ich an diesem Punkt gedanklich lieber einen Cut setzte und mich nicht in die Szenen zurückversetzen wollte, in denen ich sie nackt gesehen hatte. Einfach weil ich inzwischen schon eine ganze Weile auf dem Trockenen saß und es gerade in Anwesenheit der hübschen Brünetten sicher nicht viel brauchte, um ein Problem in meiner unteren Körperregion heraufzubeschwören. Was solche Dinge anbelangte waren Frauen wirklich klar im Vorteil. "Also wenn du mich lässt, dann...", hängte ich noch eine sehr indirekte Frage hintenan. Dabei rutschte mein Blick wieder auf meine Finger ab, weil ich mehr nur unterbewusst damit angefangen hatte, die Hand ein bisschen abwärts wandern zu lassen. Ihr mit dem Daumen vorne nahe der Kehle zärtlich über die Haut zu streicheln. An ihrem Schlüsselbein hielt ich schließlich aber inne und sah über ihre noch leicht feuchten Lippen hinweg zurück in ihre Augen, wobei sich bis jetzt noch immer nicht mehr Distanz zwischen uns gebildet hatte. Ich wollte Vahagn diese Entscheidung nicht vorweg nehmen, auch wenn ich sie in ihrer stark lädierten Phase häufig mit wenig Stoff am Körper gesehen hatte. Das hier war trotzdem etwas ganz anderes und ich wusste selbst, dass es ein potenziell komischer Moment werden könnte, wenn ich ihr die Klamotten tatsächlich ausziehen sollte. Einfach schon allein deshalb, weil wir hier eben nicht in einem Badezimmer, sondern auf meinem Bett waren. Wir uns inzwischen oft geküsst hatten, uns auch anderweitig nah gekommen waren und es jetzt dann sehr viel nackte Haut geben würde, weil ich selbst ja nach wie vor nichts außer die Boxershorts am Körper trug. Aber obwohl ich mich wirklich nach ihr verzehrte würde ich mich davor hüten sie in der Entscheidung beeinflussen zu wollen, wann sie für mehr als Küsse bereit war. Es gab nämlich wirklich nichts Schlimmeres als 'Das war ein Fehler'- oder 'Es liegt nicht an dir, sondern an mir'-Gespräche mit einer Person, die einem weit mehr bedeutete, als nur das Stillen eines rein körperlichen Bedürfnisses. Bevor sie mir also keine wirklich unmissverständlichen Signale oder Worte zukommen ließ, würde ich mich wohl weiter zurückhalten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, Glück hatte er in dem Punkt allemal. Die Erfahrungen mit Michail in meiner Jugend hatten mir vollumfänglich gereicht und ich würde wohl nie, nie wieder eine Beziehung mit einem Russen eingehen wollen. Natürlich war mir klar, dass es auch in dem Punkt Ausnahmen gab, die die Regel bestätigten, aber im Grunde genommen war ich jetzt ja sowieso irgendwie vergeben. Mehr oder weniger in festen Händen quasi, auch wenn das beidseitig noch nicht klar kommuniziert wurde - und das würde es heute wohl auch nicht mehr. Demnach spielte es im Prinzip also absolut keine Rolle mehr, wie ich über den männlichen Teil meiner Landsleute dachte und verbannte deshalb alle überflüssigen Gedanken diesbezüglich aus meinem Oberstübchen, um mich stattdessen im angemessenen Umfang auf Tauren konzentrieren zu können. Denn der junge Mann schien sich gar nicht mehr von mir lösen zu wollen und nach mehr Aufmerksamkeit zu lechzen, die ich ihm auch durchaus bereit war zu geben. Ansonsten hätte ich mich nach den Küssen einfach gänzlich von ihm distanziert, mich auf die Seite gerollt und geschlafen, aber ich genoss seine Nähe aktuell mindestens genau so sehr, wie es umgekehrt auch der Fall war. Lag nur allzu gerne in seinen Armen und genoss die zärtlichen Streicheleinheiten seiner Hand, während ich ihn dabei einfach nur ansah. Zu wirklich mehr war ich gerade auch nicht in der Lage, aber das spielte in meinen Augen keine besonders große Rolle. Ich musste mich nicht stundenlang mit Tauren unterhalten, manchmal war weniger nämlich durchaus mehr. Dass wir uns in Anwesenheit des jeweils anderen gerade pudelwohl fühlten und niemand die heutige Nacht auf der Straße verbringen musste, dürfte inzwischen ja wohl klar sein. Also schwieg ich nach dem letzten Kuss, bis der Norweger mich mit seinem indirekten Angebot erröten ließ. Durch die nur spärliche Beleuchtung des Schlafzimmers war das zwar nicht ganz so offensichtlich, aber die Aussage "Erinnere mich bitte nicht daran." machte durch den verlegenden Unterton wohl unmissverständlich darauf aufmerksam, dass mir die Erinnerung an jene Zeit irgendwie unangenehm war. Nach wie vor ging es mir dabei nicht um den Aspekt, dass Tauren mich damals nackt gesehen hatte, denn da gab es weitaus Schlimmeres, sondern schlicht und ergreifend darum, dass es furchtbar demütigend war, auf die Hilfe von Fremden angewiesen zu sein. Vermutlich hätte ich ohne die Unterstützung des Norwegers noch heute mit den Folgen des Anschlags auf den Firmensitz in Italien zu kämpfen, weil die Wunden unter der ständigen Belastung bei alltäglichen Dingen wie dem Toilettengang oder der Körperhygiene einfach nicht anständig heilen konnten, aber angenehm war halt trotzdem anders. Ich machte mich nach wie vor nicht gerne von anderen Leuten abhängig, weshalb ich das Angebot, seine hervorragenden Qualitäten als Pfleger ein weiteres Mal unter Beweis stellen zu können, mit einem entschlossenen Kopfschütteln ablehnte. Mich daraufhin gänzlich von ihm löste, um mich im Bett aufzusetzen. "Ich meine, nicht, dass ich deine Qualitäten nicht zu schätzen weiß, aber heute würden sie dir vermutlich nicht besonders viel bringen.", spielte ich indirekt darauf an, dass er außer meiner nackten Wenigkeit neben ihm heute nichts mehr zu erwarten brauchte. Es war nicht so, als hätte ich keine Lust darauf, mich mit dem jungen Mann zu amüsieren, war ich mir doch mittlerweile so mehr oder weniger im Klaren darüber, der Beziehung zwischen uns eine Chance geben zu wollen, aber ich bezweifelte, dass ich dazu heute noch imstande war. Mich dann aber trotzdem von ihm ausziehen zu lassen, obwohl ich rein körperlich inzwischen wieder selbst dazu in der Lage war, erschien mir vor dem Hintergrund, dass danach dann nichts mehr käme, irgendwie komisch. Also sammelte ich entgegen meiner vorherigen Aussagen, dass ich keine Kraft mehr hatte, noch die allerletzten Energiereserven, um mich kurzerhand meines T-Shirts und der schwarzen Stoffhose zu entledigen. Dann überlegte ich einen Moment lang, aber weil schlafen im BH für mich keinesfalls in Frage kam, wanderte jener kurz darauf auch neben dem Bett auf den Fußboden, sodass nur noch die Unterhose übrig blieb und ich damit nun nicht mehr anhatte, als der geduldig neben mir auf der Matratze wartende Tauren, zu dem ich mich kurzerhand auch wieder gesellte. Ihn mit der Hand vorsichtig gegen die nicht belastete Schulter stieß, damit er auf den Rücken fiel und ich meinen Kopf problemlos an seiner Schulter betten konnte. Es breitete sich eine angenehme Gänsehaut über meinen ganzen Körper aus, als die nackte Haut unserer beider Körper aufeinander traf und mit einem zufriedenen Seufzen schloss ich schließlich die Augen. Noch vor wenigen Monaten war ich der festen Überzeugung gewesen, dass das steinernde Herz in meiner Brust für keinen Mann dieser Welt jemals wieder schlagen würde und doch hatte es der Norweger mit sehr viel Geduld und seinem offensichtlichen Faible für psychisch ziemlich kaputte Frauen geschafft, seine wärmenden Hände nach meinem eiskalten Herz auszustrecken und es schmelzen zu lassen. Stück für Stück und auch nur sehr langsam, aber ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass da überhaupt nichts passierte. Ich mich von der Hartnäckigkeit dieses Mannes nicht beeinflussen ließ. Denn das tat ich und leugnen brachte in dem Punkt absolut gar nichts. Schließlich war es absolut offensichtlich, dass ich immer öfter mein Schneckenhaus verließ, mehr lachte und allgemein besser drauf war, wenn der junge Mann und ich nicht gerade eine Meinungsverschiedenheit hatten, die in einem Streit geendet war. Dann war vermutlich alles wie immer, aber in Situationen wie diesen hier, fiel es mir plötzlich überhaupt nicht mehr schwer, abzuschalten und loszulassen. Mich Tauren einfach anzuvertrauen, weil ich seit einer schier unendlich langen Zeit endlich das Gefühl hatte, jemanden gefunden zu haben, der sich ehrlich und aufrichtig für mich interessierte und dem mein Wohlergehen am Herzen lag.
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Ich fand es immer noch ziemlich unterhaltsam, dass Vahagn sich nicht gerne helfen ließ. Wahrscheinlich würde ich nie verstehen, was so schlimm daran war sich hier und da ein bisschen helfen zu lassen, wenn man eben ganz offensichtlich Hilfe brauchte. Letzteres war hier und jetzt jedoch nicht wirklich der Fall und es war eher nur mangelnde Lust zum Entkleiden die Ursache dafür, dass die Russin sich nicht selbst aus den Klamotten schälen wollte - eigentlich. Denn scheinbar war ihr die Vorstellung, dass ich ihr kurzerhand einfach mit den Klamotten half, dann doch noch wesentlich unangenehmer, als sich noch einmal aufzusetzen und es selbst in die Tat umzusetzen. Wenn sie nicht wüsste woran sie bei mir war, dann hätte ich Aussage Nummer Zwei wohl eher nachvollziehen können. Wo sie doch inzwischen mehrfach ziemlich deutlich gemacht hatte, dass sie von der Reise einfach erledigt war, lag es mir fern sie jetzt noch zu Irgendwas drängen zu wollen. War ich ja sowieso allgemein nicht der Typ Kerl für. Solange es nicht beidseitig recht offensichtlich war, wohin ein gemeinsamer Abend oder auch nur eine Situation wie diese hier führte, machte ich was Sex anbelangte keine voreiligen Schritte. Bei Vahagn ja erst recht nicht... aber gut, sie schien wohl einfach auf Nummer sicher gehen zu wollen, was die Klamotten-Misere anbelangte und ich nahm ihr das nicht übel. Wusste inzwischen gut genug, dass sie ihre Standpunkte einfach ganz gern sofort klarmachte. "Die Ich-bin-müde-Message war schon deutlich genug, keine Panik.", konnte ich sie ganz entspannt, wenn auch wieder leicht sarkastisch was das anging vollkommen beruhigen. Schon während ich redete war die hübsche Brünette drauf und dran sich von dem überflüssigen Stoff an ihrem Körper zu befreien und irgendwie war ich mir nicht schlüssig damit, ob ich nun hinsehen sollte oder nicht. Natürlich wollte ich Vahagn an sich schon gerne wieder mit wenig bis keinem Stoff am Körper sehen, aber die aktuellen Umstände dafür waren wohl denkbar ungünstig. Hätte ich sie selbst ausgezogen hätte ich nebenbei wenigstens was zu tun gehabt und mich weniger aufs Hinsehen an sich konzentriert. So hingegen konnte ich in aller Seelenruhe dabei zusehen - wirklich wegzuschauen war dann ja doch irgendwie eher keine Option, wenn man meine männlichen Hormone fragte - wie sie immer mehr ihrer Haut freilegte und irgendwie hatte ich nicht gedacht, dass der BH auch auf Wiedersehen sagen musste. Auch, wenn das natürlich Sinn machte, stellte ich mir die Dinger doch nicht unbedingt bequem vor... aber ich hatte wohl einfach angenommen, dass bei ihrer Oberweite sowas wie eine imaginäre Grenze war. Weit gefehlt, wie mir schien. Ich hatte kaum den Gedanken zu Ende gefasst, dass sie gleich doch noch einmal aufstehen würde, um sich ein Shirt zu holen, als sie sich stattdessen auch schon mit splitterfasernacktem Oberkörper zu mir umdrehte und zu mir zurückkam. Es brauchte kaum mehr als den leichten Stupser gegen meine Schulter, damit ich noch ein wenig perplex zurück ins Kissen fiel. Kurz bevor sie ihre sicher selbst im hellsten Licht makellose, angenehm weiche Haut an meine schmiegte und ich tonlos schluckte. Dass ich sie auszog war also nicht okay, aber sich nackt förmlich an meinen ebenfalls nur spärlich bedeckten Körper zu kleben schon? Natürlich freute ich mich darüber. Wusste es zu schätzen, dass sie immer mehr Grenzen überschritt und sich mir vermehrt annäherte, eben auch auf körperlicher Ebene. Trotzdem wurde ich manchmal - so wie jetzt zum Beispiel - einfach nicht schlau aus dieser Frau und es war nun mal nicht weniger als pure Folter. Ob das ein Test war oder sowas? Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, aber es fiel mir auch einfach wahnsinnig schwer überhaupt darüber nachzudenken, während ich parallel dazu alle Hände voll damit zu tun hatte, eindeutig kontraproduktive Gedanken in ihre Schranken zu weisen. Es kribbelte mir wirklich in den Fingern... und nicht nur da, wohlgemerkt. "Ich hab da drüben 'nen Schrank mit ziemlich vielen Tshirts drin, falls du keine mehr hast, weißt du...", ließ ich sie durchweg ironisch daran teilhaben, dass ich gedanklich gerade doch irgendwie ziemlich in Selbstmitleid versank. Das war in meinen Augen angesichts der Situation allerdings auch vollkommen berechtigt und jeder Kerl würde mir Recht damit geben. Nachdem ich die paar leisen Worte losgeworden war legte ich langsam meinen Arm um ihren Körper und strich ihr noch ein klein wenig am Rücken auf und ab. Allerdings auch nicht lange, bevor meine Hand endgültig an ihrer Taille zum Erliegen kam und ich mich ihr mit dem Kopf etwas mehr zuwendete. Der jungen Frau ein leises "Schlaf gut." ins Haar murmelte, das wie gewohnt einen angenehmen Duft versprühte, ehe ich ihr noch einen flüchtigen Kuss auf den Haaransatz hauchte. Was mich anbelangte würde es sicher noch eine Weile dauern, bevor sich meine Gedanken in eine annehmbare, weniger aufwühlende Richtung bewegten und mich wieder zur Ruhe kommen ließen. Ich hatte in den letzten Nächten aber auch schon mehr als genug geschlafen, also würde ich bestimmt damit zurechtkommen, heute mal eine Stunde abzuziehen. Oder zwei. Vielleicht eher drei. Oder ich würde einfach nochmal aufstehen, wenn ich mir sicher damit war, dass die Russin fest genug schlief, um nichts davon mitzukriegen. Allerdings war eine Garantie dahingehend wohl leider ausgeschlossen, also lebte ich wohl entweder mit der Latte weiter oder ging das Risiko ein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Man mochte es mir mit meiner gehässigen und absolut unausstehlichen Art vielleicht nicht abkaufen, aber mir war just in diesem Moment wirklich nicht klar, was ich damit lostrat, als ich mich mit meinen nackten Oberkörper an den des jungen Mannes schmiegte. Auch nach seiner darauffolgenden Aussage brauchte es einen Augenblick, bis es bei mir klick machte und ich die unterschwellige Botschaft richtig zu deuten wusste. Erst dachte ich, er hätte inzwischen ein Problem damit, mich nackt zu sehen - natürlich klopften die ganzen negativen Gedanken wieder zuerst an -, was aber natürlich keinen Sinn ergab, denn er wollte mir ja vor wenigen Augenblicken selbst noch mit dem Ausziehen behilflich sein. Die weitaus weniger verletzende Annahme wäre dann gewesen, dass er sich Sorgen machte, ich könne mich erkälten, weil es in der Nacht doch inzwischen auch etwas kühler wurde, aber es war nun mal immer noch Kuba. Selbst in den verhältnismäßig kalten Monaten war es auch in der Nacht noch gut auszuhalten, also war die Sorge entweder unberechtigt oder sie kam als Antwort, was er mir mit seiner Aussage mitteilen wollte, auch nicht in Frage. Es brauchte dann allerdings auch nur noch wenige Sekunden, bis der Schleier sich ganz von selbst lüftete und ich ein hörbar amüsiertes "Stell' dich nicht so an." in seine Richtung murmelte. Zwar war das als Kerl leichter gesagt, als getan, aber es ging wohl aus dem Tonfall ziemlich deutlich hervor, dass ich das gar nicht mal so ernst meinte. Helfen konnte ich ihm in der Situation nur leider auch nicht und das Budget tröstender Worte auf ein bereits ausgeschöpftes Minimum reduziert. Was die Sache mit dem Helfen anging, entsprach mein Gedankengang wohl nur in etwa zur Hälfte der Wahrheit. Helfen konnte schon, wollte aber nicht, weil ich schlichtweg erschöpft war. Mir nunmehr nicht einmal den Weg zum Kleiderschrank zutraute, in dem weiß Gott wie viele T-Shirts für mich bereit lagen, aber selbst die hätten jetzt sicher nichts mehr gebracht. Taurens Reaktion nach zu urteilen, war es nämlich schon zu spät, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und weil ich kurz darauf in eine Art Dämmerzustand abdriftete, war es mir - auf einem ganz neuen Level von böse - dann auch relativ egal, was aus dem jungen Mann neben mir letztlich wurde. Die Message, wie er es tituliert hatte, dass ich ich mich heute nicht mehr zum Sex überreden konnte, war laut eigener Aussage immerhin angekommen, also war alles weitere nicht mehr mein Problem. Ich brauchte jedenfalls keine zehn Minuten mehr, nachdem ich ein "Du auch." erwidert hatte, um mich schließlich ins Land der Träume zu verabschieden. Träume war im Übrigen ein gutes Stichwort. Ich durchlebte in dieser Nacht wohl an die fünf oder sechs verschiedene, ohne, dass mich davon je einer aufzuwecken gewagt hatte. Manchmal waren es schöne Bilder, die sich vor meinem inneren Auge abspielten, mal weniger schöne. Hier kam mal Tauren vor, in einem anderen wiederum mein Bruder und in mit einer der letzten irgendwann auch noch mal meine Eltern. Alles in allem schien mein Gehirn einiges verarbeiten zu müssen, was es in den letzten Tagen mangels der nötigen Ruhe nicht gekonnt hatte. Und das war okay, denn am nächsten Morgen war ich so ausgeruht, wie schon lange nicht mehr. Ich hatte sicher an die zehn oder elf Stunden Stunden geschlafen, als ich gegen kurz vor drei Uhr am Nachmittag die Augen aufschlug und gegen das schwache Licht, welches durch die Lamellen der nachgerüsteten Jalousie ins innere des Zimmers schien, anblinzelte. In der Nacht hatte ich mich trotz der vielen, durchaus auch seltsamen Träume scheinbar nicht besonders viel bewegt und lag dem jungen Mann neben mir noch immer mit dem Gesicht zugewandt dar. Das wiederum zauberte mir sofort ein glückliches Lächeln auf die Lippen und ich schob mich ihm noch ein Stück entgegen. Vorsichtig, weil ich nicht wusste, ob er noch schlief oder nur mit geschlossenen Augen am Dösen war. Ich legte meinen Arm über seinen ebenfalls nackten Oberkörper und bettete meinen Kopf wie gestern Nacht bereits an seiner Schulter, schloss dann ebenfalls noch einmal die Augen, um das Gefühl der vollkommenen Entspannung noch ein wenig auszukosten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den kompletten Schlafmangel nach einer Nacht im Beisein Taurens aufarbeiten würde und vermutlich fühlte es sich jetzt gerade auch nur so an. Im Verlauf des Tages ging es dann tendenziell wieder bergab, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass zehn Stunden auch nur ansatzweise aufwiegen konnte, was mir in den letzten Wochen an Schlaf eigentlich gefehlt hatte. Aber das würde ich dann ja sehen. Für den Moment war ich noch nicht wach genug, mir über so unnützen Unfug Gedanken zu machen. Stattdessen fing ich an, ganz leicht mit der Hand ein paar der Linien auf der Brust des Norwegers nachzuziehen, hatte die Lider indessen auch wieder aufgeschlagen und ließ die Seele einfach baumeln. All die negativen Gedanken waren in einer Kiste verstaut und für den Augenblick im hintersten Eck meines Oberstübchens verstaut. Als sich das gut aussehende Individuum, dessen Haare in sämtliche Himmelsrichtungen zeigten, schließlich unter mir bewegte, richtete ich mich etwas auf, stützte mich auf den Ellenbogen, um ihn besser ansehen zu können und murmelte ein leises "Gott sei Dank warst du kein bloßer Traum." in seine Richtung. Allerdings sollte mich diese Aussage wohl eher selber beruhigen, als dass sie für ihn irgendeine tiefergehende Bedeutung hatte. Zwischen all den kuriosen Sachen, die mich in der Nacht heimgesucht hatten, wäre es ja nur naheliegend gewesen, dass ich durch den Mangel an Schlaf einfach halluziniert und mir die Ankunft gestern nur eingebildet hatte - aber er war noch da. Und sah verschlafen noch eine ganze Ecke besser aus, als ohnehin schon.
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Stell dich nicht so an. Es war einer dieser Momente, in denen ich mir wirklich wünschte, dass das genau so einfach wäre, wie sie das sagte. Aufzustehen traute ich mich am Ende ja doch nicht. Allerdings deutlicher weniger, weil es mir irgendwie peinlich wäre, wenn Vahagn es doch mitbekam und mehr deshalb, weil ich sie wirklich nicht aufwecken wollte. Sie hatte eine extrem anstrengende Woche hinter sich, das hatte sie deutlich genug gemacht, also wollte ich sie nicht auch noch aufwecken, wo sie doch so ruhig schlief. Wäre was anderes gewesen, wenn sie irgendwann im Laufe der kommenden Stunde von allein von meiner Brust gerutscht wäre, aber das tat sie nicht. Sie blieb wo sie war und ich brachte es einfach nicht übers Herz sie extra von mir runterzuschieben, nur damit ich irgendwelchen männlichen Urinstinkten nachgeben konnte. Zwar dauerte es wirklich eine gefühlte Ewigkeit, bis ich meinen eigenen Schädel dann mal so weit hatte, dass er meinem Körper klarmachen konnte, dass es gerade im Moment wichtigeres als Sex gab, aber danach schlief ich relativ gut. Mein Unterbewusstsein war dennoch der Meinung mir mittels Träumen noch einmal unter die Nase reiben zu müssen, worauf ich hier fast bereitwillig verzichtete, aber auch das war wohl vorhersehbar gewesen. Das Schlafpensum war sicherlich dennoch ausreichend, als ich letztlich durch ein leichtes Kribbeln auf der Brust wach wurde. Nur langsam, aber meine Lider begannen zu zucken und dann dauerte es auch nicht mehr lang, bevor ich ein klein wenig gähnte und die Augen im Anschluss gänzlich öffnete. Noch währenddessen drangen mir ein paar Worte der Brünetten neben mir ans Ohr und ich begann unwillkürlich schwach zu lächeln, ehe ich meinen Kopf etwas mehr in ihre Richtung drehte und ihr noch leicht verschlafen wirkendes Gesicht musterte. Sie könnte mich ruhig öfter mit ein paar schönen Worten wecken. Es war nicht so als bräuchte ich jeden Morgen Frühstück ans Bett und überschwängliche Liebesbekundung, aber es ließ sich gleich viel besser in den Morgen - oder in diesem Fall eher Nachmittag - starten, wenn man ein paar angenehme Worte zu hören bekam. Und wenn sie auch nur bedeuteten, dass man willkommen war. Das reichte schon, um mir eine kleine Freude zu machen. Erst recht bei Vahagn, wo sie sich doch wirklich lange dagegen gewehrt hatte meinem Charme mal nachzugeben. Immun dagegen war sie schließlich ja doch nicht. Es kam etwas mehr Leben in mich und ich streckte beide Arme nach ihr aus, um sie um ihre schlanke Taille zu legen und mich zu ihr hinzuziehen. Ich zwang sie dadurch unweigerlich dazu sich mit dem Rücken zurück auf die Matratze zu pflanzen, weil ich sonst mit all meinem Gewicht an dem abgestützten Arm hängen geblieben wäre. Mein Kopf lag dann kurzweilig an ihrer Halsbeuge und ich nuschelte die leisen Worte "Du kannst ja fast richtig süß sein, wenn du willst." an ihren Hals. Fing dabei ein klein wenig zu grinsen an und hinterfragte ihre Worte dann zum ersten Mal wirklich. Offenbar hatte sie irgendwas geträumt und schien deshalb der Meinung zu sein veräußerlichen zu müssen, dass sie froh darüber war, dass sie sich meine Anwesenheit nicht nur eingebildet hatte. Deshalb wollte ich sie gern danach fragen, also löste ich meine Arme nach der kurzen Kuscheleinheit wieder von ihrem angenehme Wärme versprühenden Körper, um mich stattdessen so halb über sie zu schieben. Nur mit dem Oberkörper, damit sie nicht gleich irgendwas Falsches hineininterpretierte. Ich stützte mich mit den Unterarmen links und rechts von ihr ab, um sie nicht unter meinem Gewicht zu begraben. Die Haut unserer Oberkörper streifte sich nur hier und da ein bisschen, als ich die rechte Hand anhob und ihre Wange streichelte. "Hast du schlecht geträumt?", fragte ich die Brünette murmelnd, trug weiterhin das noch etwas verschlafen wirkende Lächeln auf dem Gesicht, sah ihr unentwegt in die klaren Augen. Strich dann noch eine ihrer dunklen Haarsträhnen bei Seite, die durch das Herumrollen etwas wirr vor ihrem Ohr hängen geblieben war. Ich hoffte schon jetzt, dass Vahagn die nächsten Nächte auch noch bei mir verbrachte, solange ich mich was das anging noch nicht wieder nach der Arbeit richten musste. Dann würde das nämlich wieder schwieriger werden. Deshalb würde ich ihr zweifelsfrei noch mitteilen, dass sie potenziell einfach noch ein bisschen hier bei mir bleiben könnte, wenn sie wollte, weil ich mich für ein paar Tage mal nicht nach Hunters Plänen richten musste. Dass wir theoretisch noch ein paar Mal öfter nebeneinander aufwachen und uns erst noch ein bisschen durchs Laken rollen konnten, bevor wir uns im Bad zivilisierten und danach vielleicht Irgendwas zusammen unternahmen. War ja auch nicht so, als könnte sie nicht trotzdem zwischendurch arbeiten, wenn sie das musste. Von mir aus konnten wir uns auch zu ihr verkriechen, wenn ihr das wegen Unterlagen oder ihrem Laptop besser passte. Hauptsache ich konnte mich weiter in ihrer Anwesenheit aufhalten - wo genau war mir letztlich ziemlich egal.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mit so viel Aktivität rechnete am frühen Morgen nun wirklich kein Mensch und dementsprechend überrascht war ich wohl, als Tauren sich so plötzlich und ohne ein Wort auf meine Begrüßung zu erwidern bewegte, um mich kurz darauf förmlich zu überfallen. Ich gab ein leises, ersticktes und noch recht müde klingendes Lachen von mir, als ich mit dem stämmigen Norweger an meiner Seite zurück auf die Matratze kippte. Kurz darauf erreichten ein paar gemurmelten Worte mein Ohr, die mich zum einen mit den Augen rollen, andererseits aber auch schief grinsen ließen. "Wenn das so ist, dann begrüße ich dich das nächste Mal wohl mit Guten Morgen, Arschgesicht.", antwortete ich hörbar ironisch und dass das kein bisschen ernst gemeint war, musste ich hoffentlich nicht noch extra erwähnen. Zwar fielen mir freundliche Begrüßungen für gewöhnlich tatsächlich etwas schwerer, als sie das für die restlichen Menschen in meinem Umfeld waren, aber wenn ich mich dann schon mal zu ein paar netten Worten durchringen konnten, tat mir das süß oder niedlich sein für fünf Minuten ganz sicher auch keinen Abbruch. Vor allem dann nicht, wenn Tauren daraufhin noch sehr viel süßer und niedlicher reagierte, als ich es jemals könnte. Leider war die durchaus angenehme Kuscheleinheit nicht von besonders langer Dauer und der Kopf des jungen Mannes lag schon bald nicht in meiner Halsbeuge, wo ich seinen warmen Atem auf meiner Haut hatte spüren können, sondern sah halb über mich gebeugt auf mich herab. Ich fixierte die kristallblauen Augen mit den meinen, streckte dabei eine Hand nach seinem Gesicht aus, um einmal kurz über seine Wange zu streicheln, damit die nicht vorhandene Ernsthaftigkeit meiner vorangegangenen Worte unterstrich - schließlich würde ich nicht weiterhin so süß reagieren, wenn ich tatsächlich ein Problem damit hatte, oder? -, bevor ich im direkten Anschluss daran beide Arme um seinen Nacken legte. Auf die Frage, ob ich schlecht geträumt hätte, wich ich seinem Blick für den Bruchteil einer Sekunde aus, weil ich mich nicht richtig darauf konzentrieren konnte, die Träume als gut oder schlecht zu klassifizieren, wenn der schönste aller Träume mich direkt ansah, aber ich brauchte nicht lange, ehe ich mit den schmalen Schultern zuckte und ihn wieder direkt ansah. Daraufhin anfing, in den Haaren oberhalb von Hunters Brandmarke herumzunesteln. "Mal so, mal so, würde ich sagen.", gab ich anfangs eine ziemlich schwammige Aussage darüber, welche Art von Träumen mich in der Nacht heimgesucht hatten, konkretisierte das Ganze im Folgenden jedoch noch. "Ein oder zwei Alpträume waren schon dabei, aber ich kann mich längst nicht mehr an sie erinnern. Nur die schönen und guten sind mir noch ansatzweise im Gedächtnis geblieben.", folgte also die entsprechende Aufklärung, die ich im Bezug auf die Wahrheit so auch eidesstattlich unterschreiben würde. Ich konnte nur mutmaßen, dass die weniger schönen Träume mit meinem Bruder, Michail oder Hunter zu tun hatten, wissen tat ich das allerdings nicht, wohingegen ich die Erinnerung an meine Eltern noch sehr deutlich vor meinem inneren Auge sehen konnte. Es war ein Tag aus der Vergangenheit, den ich quasi ein weiteres Mal erlebt hatte und Grund dafür war ganz bestimmt mein Aufenthalt in dem Haus meiner Eltern, das mittlerweile Iljah, Michail und bald wohl auch ein paar von Hunters Männern bewohnten. Jedes Mal, wenn ich in Russland war und mein altes Kinderzimmer bezog, tauchten Erinnerungen aus der Vergangenheit in meinen Träumen auf, was nicht zuletzt auch einer der Gründe dafür war, warum der Urlaub in meinem Heimatland normalerweise immer so erholsam war. Ich genoss es einfach, zumindest ab und an mal meine Eltern wieder zu sehen und wenn es nur für wenige Stunden in einer beschissenen Gedankenwelt war, aber ich vermisste sie einfach schrecklich. Wir mochten unsere Differenzen gehabt haben, aber keiner von den beiden hatte einen so frühzeitigen Tod verdient. Na ja und dadurch, dass ich die letzten Tage meiner Tiefschlafphase höchsten einmal gewunken, sie jedoch nie wirklich erlebt hatte, holten mich die Träume dann eben in den Armen des jungen Mannes hier ein. Ließ mich nur gleich doppelt gute Laune nach dem Aufstehen haben, was an und für sich schon mal ziemlich selten war. Normalerweise war ich nämlich auch eher der Typ Morgenmuffel und vielleicht war es doch gar nicht so abwegig, dass Tauren an wirklich schlechten Tagen direkt einen Anranzer kassierte, sobald er die Augen aufschlug. Heute aber ausnahmsweise nicht. "Trotzdem war der Schlaf heute sehr viel erholsamer, als er es die letzten zwei Wochen gewesen war.", stellte ich beiläufig fest, ohne dabei das Spiel mit seinen Haaren zu unterbrechen. "Und du?", stellte ich eine entsprechende Gegenfrage, wobei ich mir die Antwort quasi schon selbst herleiten konnte. Er hatte vermutlich ziemlich schwer in den Schlaf gefunden, aber danach wohl sehr passabel gepennt. Natürlich konnte ich mich da auch irren, aber er machte mir hier gerade ehrlich gesagt weniger den Eindruck, als hätte er unruhig geschlafen und wenn dem doch so wäre, würde er mir das wohl ziemlich sicher gleich mitteilen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Natürlich verstand ich, dass Vahagn das nicht ernst meinte. Dass sie mich eher nicht derartig unsanft am Morgen begrüßen würde - hoffte ich zumindest -, sondern mich hier lediglich ein bisschen aufziehen wollte, weil ich sie als süß betitelt hatte. Bekam sie ganz bestimmt auch nicht oft zu hören, weil ich die junge Frau vorher noch nie so gesehen hatte wie jetzt. Natürlich hatten wir auch schon vor ihrer Abreise einige schöne Momente miteinander geteilt, auch schon öfter im selben Bett geschlafen, aber seit sie aus Russland zurück war, war sie irgendwie ein bisschen anders. Ich zweifelte keineswegs daran, dass sie mir noch immer sinnbildlich gerne den Kopf abschlagen würde, wenn ich mir mit Worten oder Taten zu viel erlauben würde, aber dennoch schien sie insgesamt einfach ein kleines bisschen... lockerer zu sein. Nicht so bedacht darauf nichts Falsches zu sagen oder sich zu weit vorzuwagen, wie das sonst häufig der Fall gewesen war. Auch, wenn sie zweifelsfrei unschön gewesen war, hatte diese kleine - zu lange - Pause uns beiden vielleicht doch gut getan. Einfach um zu merken, was wir am jeweils anderen hatten. Ich hob spielerisch die rechte Augenbraue und beugte mich ein wenig tiefer zu ihr runter, um mit meinen Lippen kurz vor ihren Halt zu machen. "Wenn du aus dem Bett gekickt werden willst ist das eine gute Methode dafür, ja.", ließ ich sie genauso wenig ernst gemeint und mit einem leichten Grinsen wissen, dass sie das ruhig tun konnte, dann aber mit etwaigen Konsequenzen zu rechnen hatte. Zumindest in meinem Bett galten gewisse Benimm-Dich-Regeln. Wenn sie mir also zu frech wurde, würde sie vermutlich zwar nicht wirklich Bekanntschaft mit dem Boden machen müssen, aber eine kleine Kitzelattacke, die sie nach Luft japsen lassen würde, war wohl das mindeste an Vergeltung. Wach war sie danach dann bestimmt. Ich ließ auch das letzte bisschen an Distanz schwinden und legte meine Lippen für einen kurzen Kuss auf die ihren. Was die Geschichte mit den Träumen anging schien sie sich hingegen nicht so sicher damit zu sein, was sie antworten sollte. Es dauerte also noch eine kleine Weile, in der ich die kleinen Spielereien im Nacken genoss, die ein leichtes, angenehmes Kribbeln hinterließen, bis sie ihre sehr vage Antwort noch etwas genauer definierte. Scheinbar hatte sie tatsächlich der eine oder andere Alptraum geplagt, aber es schien immerhin nicht so gravierend gewesen zu sein, dass ihr die nächtlichen Bilder in Erinnerung geblieben waren. Etwas später ließ sie mich noch wissen, dass sie dennoch gut geschlafen hatte. War nicht so als würde ich mich selbst in den höchsten Tönen loben wollen, aber das lag ziemlich sicher ganz einfach daran, dass sie an meiner Schulter gelegen hatte. Eiskönigin hier und da oder nicht, mittlerweile war ich der Russin keinesfalls mehr egal und es schlief sich einfach besser bei einem Menschen, bei dem man sich wohlfühlte. "Dann ist ja gut...", kommentierte ich jene Aussagen also entsprechend, strich der Brünetten noch einmal den Unterkiefer entlang und ließ die Hand dann zurück ins Kissen neben ihr sinken. Meine Antwort auf die Gegenfrage bedurfte nicht viel Nachdenken meinerseits und so richtete ich die Augen für ein paar Sekunden stur geradeaus aufs Kopfende, seufzte ganz leise. "Schlecht geträumt hab ich nicht, nein...", stellte ich mit einem leicht schiefen, vielsagenden Grinsen fest, während sich eine der Szenen erneut in meinem Kopf abspielte - was nicht gut war, weil sie nach wie vor fast nackt und zur Hälfte unter mir hier lag. Dieses Gesprächsthema zu vertiefen schien mir deswegen nicht sinnvoll, wenn sie nicht ganz überraschend gerade der Teufel der Lust ritt. War eher nicht davon auszugehen, wo sie noch relativ verpennt aussah. "...und jetzt, wo ich dran denke, liegst du immer noch fast nackt hier rum. Also werd' ich lieber mal aufstehen.", vollendete ich die vorherige Anspielung und sah dann erstmalig wieder zu ihr runter, nur um ihr kurz darauf einen einzigen, etwas innigeren Kuss aufzudrücken. Danach fing ich an mich von ihr zu lösen, weil alles Andere wohl nur wieder kontraproduktiv gewesen wäre. Ich stieg also über sie drüber zur Bettkante, wo ich nur kurz sitzen blieb und mir die Haare nach hinten strich, damit sie mir nicht auf die Nerven gingen. Dann stand ich auf und ging Richtung Schrank, um mir Klamotten rauszusammeln. "Ich hab übrigens noch ein paar Tage frei. Falls du Irgendwas unternehmen willst und Zeit hast, können wir das gern machen.", teilte ich Vahagn endlich mit, dass wir ihren eigentlichen Urlaub potenziell ein Stück weit hier auf Kuba nachholen konnten, wenn sie das wollte. Zu welcher Tages- oder Nachtzeit war für mich ja absolut nicht wichtig, ich konnte mich nach ihr richten. Als ich alles aus dem Kleiderschrank gefischt hatte, was ich brauchte, schloss ich dessen Türen und wandte mich mit den Worten "Ich geh unter die Dusche." der Zimmertür zu. Ich war kurzzeitig versucht noch Irgendwas in Richtung 'Du kannst ja mitkommen.' zu erwidern, ließ es dann aber ganz bewusst bleiben. Nach der Aktion vor dem Schlafengehen traute ich es der attraktiven jungen Frau durchaus zu, dass sie nur mit unter die Dusche kommen würde, um mich ein weiteres Mal mit ihrem Körper zu reizen, nur um mich dann ohne einen Hauch von Sex oder anderweitiger Befriedigung erneut im Regen stehen zu lassen. Ich ließ ihr also lediglich noch einen vielsagenden Blick zukommen, bevor ich den Raum verließ und das Bad ansteuerte.
**Im Prinzip gar kein Zeitsprung, weil er jetzt einfach mal früher von der Artbeit heimkommt, also ja. Diese Zeile ist nur da, um dir zu sagen, dass es keinen Zeitsprung gibt. XD **
Langsam aber sicher schien Sabin genug von den Kristallen produziert zu haben, dass sich ein Export ins Ausland lohnte. Er hatte an der nicht allzu weit entfernten Küste Mexicos einen Abnehmer gefunden und mein Chef exportierte in jenes Land. Der Kaffee dockte hier in Havanna am Hafen ab und drüben im nahen Cancún wieder an, nur um von dort aus mittels mehrerer Lastkraftwagen in die verschiedensten Ecken des Landes geliefert zu werden. Das war einfacher und ging deutlich schneller, als mehrere mexikanische Häfen hintereinander anzufahren. Stattdessen ging der Frachter in der Regel von Mexico weiter zu den Vereinigten Staaten und wurde auch dort einen Teil unserer Kaffeeprodukte los. Dass mir absolut nicht wohl dabei war, dass drüben im Nachbarland dann erst einmal die Drogen wieder aus dem Kaffee gefischt werden mussten, war sicher überflüssig zu erwähnen. Die Typen mussten wirklich verdammt schnell damit sein, damit das am Ende bei der Lieferzeit kaum auffiel. Ich konnte schließlich nicht jedes Mal bei unseren Kunden anrufen und ihnen sagen, dass sich die Lieferung unter Umständen vielleicht ein kleines bisschen verzögern würde oder im Nachhinein um Entschuldigung bitten, wenn es zu Verspätungen gekommen war - dann hätten wir bald keine mehr und ich vor allem auch keinen Job mehr. Ich betete wirklich darum, dass sie niemals auch nur einen Hauch des Meths im Kaffee vergessen würden. Dann konnte ich nämlich wirklich nur noch dabei zusehen, wie sich die Handschellen um meine Handgelenke schlossen und Unschuld beteuern, sofern keine eindeutigen Beweise dafür vorlagen, dass ich dafür mitverantwortlich war. Hatte Sabin mir zumindest gesagt. Auch, dass ich ziemlich sicher noch im Knast umgelegt werden würde, wenn ich den Bullen gegenüber jemals auch nur ein Sterbenswörtchen verraten würde - als wüsste ich das nicht sowieso schon. Aber er schien es noch einmal betont haben zu wollen, jetzt wo der Schmuggel in die Vollen ging und die erste Überfahrt kurz bevorstand. Ich stand deshalb schrecklich unter Strom und das wirkte sich sogar so weit auf mich aus, dass ich es selbst vorzog wirklich so wenig direkten Kundenkontakt wie notwendig zu vollziehen. Seit Sydney mit im Café arbeitete - dahingehend hatte ich ja auch so gar keine Wahl gehabt, was aber gar nicht weiter schlimm war, weil sie ihre Arbeit gut machte - wurde ich im öffentlichen Bereich des Geschäfts auch eigentlich so gut wie gar nicht mehr gebraucht. Ich konnte mich also leicht im Büro verkriechen und nur den Papierkram, sowie die notwendigen Telefonate erledigen. Höchstens zwischendurch mal die eingehenden Waren kontrollieren, aber das war's. Die Gedanken an das morgige Schmuggeln der Drogen machten mich trotzdem so kirre, dass ich irgendwann am Nachmittag einfach beschloss es für heute mir der Arbeit gut sein zu lassen. Ich hatte alles Notwendige erledigt und konnte den Rest getrost morgen am Vormittag erledigen. Deshalb übergab ich die Verantwortung für das spätere Abschließen des Cafés an eine meiner langjährigen Mitarbeiterinnen, bevor ich mich zu Fuß auf den Heimweg machte. Ich hatte es ja zum Glück nicht besonders weit und die frische Luft half ein wenig dabei tief durchzuatmen. Trotzdem war das nicht ausreichend, um wieder gänzlich zur Ruhe zu kommen und so schloss ich die Wohnungstür noch immer etwas angespannt auf. Ließ im Flur erstmal ein mäßig lautes "Bin wieder Zuhause." verlauten, damit Richard nicht denken musste gleich einen Einbrecher zu treffen, weil ich zu ungewöhnlich früher Zeit nach Hause kam. Ich ließ meine Tasche einfach auf der Kommode im Flur liegen und schob mir die Schuhe von den Füßen, bevor ich in die Küche ging. Zuerst war da ein leerer Joghurtbecher mit Löffel darin, der sein Dasein aus mir unerklärlichen Gründen auf der Theke fristen musste. War es wirklich so schwer den Löffel einfach in die Spülmaschine und den Becher in den Abfall zu schmeißen? Scheinbar schon. Ich atmete einmal etwas tiefer durch und zog den Kühlschrank auf, um mir eine der Coladosen rauszunehmen. Nur, um direkt daneben eine leere Verpackung zu sehen. Ich nahm sie grummelnd parallel zur Dose aus dem Kühlschrank und schmiss sie genervt in den Müll, bevor ich die Cola öffnete und ein paar Schlucke nahm. Mich indirekt damit abzukühlen versuchte und so leerte ich zuerst das Getränk, bevor ich die Dose - weil ich als einziger hier drin einen Sinn für Ordnung zu besitzen schien - im kleinen Vorratsraum nebenan in eine Tüte für Pfandbehälter schmiss. Danach ging es mit einem kurzen Umweg über mein Schlafzimmer weiter ins Badezimmer, weil ich auf dem Heimweg geschwitzt hatte und mich zur Erfrischung kurz abduschen wollte. Nicht mal das ging ohne Probleme vonstatten, weil Richard sich mal wieder mein Shampoo mit zum Waschbecken genommen hatte - was er an sich ja gerne tun durfte, solange er es danach an seinen Platz in der Dusche zurückstellte. Ich musste also nass und fluchend nochmal die Dusche verlassen, um mir mein Shampoo zu holen. Nachdem ich mit dem Duschen fertig war stolperte ich auch noch über ein paar Klamotten auf dem Boden, als ich mich abgetrocknet hatte und mich in neue, bequemere Klamotten hüllen wollte. Das war dann auch der Moment, in dem der heutige Tag für mich endgültig gelaufen war. Ich zog mir nach der lockeren, kurzen, grauen Jogginghose nur noch ein weißes Shirt über den Kopf, bevor ich den Engländer sichtlich angepisst im Wohnzimmer aufsuchte. Dabei ein zusammengeknülltes Shirt von ihm aus dem Badezimmer in der rechten Hand haltend. "Ist es wirklich so verdammt schwer, dich einfach an ein paar simple Regeln zu halten?" Ich holte aus und schmiss ihm das Kleidungsstück mit Nachdruck etwa auf Bauchhöhe. "Allem voran deinen Scheiß wegzuräumen oder mir mein Shampoo wenigstens zurück in die Dusche zu stellen, wenn du's schon benutzt?!", knurrte ich in seine Richtung. Es reichte mir einfach ständig den Babysitter für einen Ex-Junkie spielen zu müssen. Es wäre halb so schlimm, wenn er einfach ein paar Regeln für seine Residenz hier einhalten würde, aber nicht einmal das schien er hinzukriegen. Dabei war er doch ohnehin so viel Zuhause. Statt sich erkenntlich dafür zu zeigen, dass ich ihn überhaupt hier aufnahm, indem er mir hier und da mit dem Haushalt ein bisschen half, machte er nur noch mehr Dreck und Unordnung, was am Ende ja doch auch nur wieder an mir hängen blieb. Ich hatte ihn jetzt schon oft genug freundlich darum gebeten einfach nur ein bisschen Ordnung zu halten, damit ich mich Zuhause nach der Arbeit entspannen konnte - die nette Tour schien nur irgendwie einfach nicht funktionieren zu wollen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ha ha, aber klar doch - das glaubte er ja wohl selbst nicht. Ich war ja schon der Meinung, dass meine Aussage nur so vor Ironie trifte, aber Tauren musste dem Ganzen wohl unbedingt noch das Krönchen aufsetzen. Er konnte gerne seiner Mutter, Großmutter oder Urgroßmutter versuchen weiß zu machen, dass er es übers Herz bringen würde, mich mit einem unsanften Tritt vom Bett zu befördern, aber ganz bestimmt nicht mir. Dafür hatte der junge Mann mir in jüngster Vergangenheit viel zu oft gezeigt, wie viel ich ihm eigentlich bedeutete und das es ihm fern lag, mir auch nur auf irgendeine erdenkliche Art und Weise weh zutun. Also nein, das kaufte ich ihm nicht ab, dafür brauchte es in meinen Augen nicht einmal den vielsagenden Unterton, den er an den Tag legte. "Und ich dachte, dass ich hier den größten Mist erzähle.", antwortete ich belustigt, kam jedoch gar nicht mehr dazu, noch ein paar weitere Worten hinten dran zu hängen, weil meine Lippen daraufhin schon damit beschäftigt waren, den mir aufgedrückten Kuss zu erwidern. Er war nicht von besonders langer Dauer, trotzdem reichte er aus, um in mir wieder dieses angenehme Kribbeln auszulösen, das sich durch den ganzen Körper zog und in Form einer leichten Gänsehaut abklang. Seitdem ich in Russland die Entscheidung getroffen hatte, dem Ganzen zwischen uns eine ernst gemeinte Chance geben zu wollen, schien ich auf sämtliche seiner Berührungen gleich viel intensiver zu reagieren und was ich davon konkret halten sollte, wusste ich ehrlich gesagt nicht. Einerseits war es wirklich angenehm, all die an- beziehungsweise verstauten Emotionen neu zu entdecken, andererseits hatte ich natürlich Bammel davor, dass mich das zu einer weitaus verletzlicheren Person machen würde, was gerade im kriminellen Metier eine denkbar ungünstige Eigenschaft war. Sich verletzlich zu zeigen brachte auf vielerlei verschiedenen Ebenen nur Schwierigkeiten, aber war es das nicht wert, wenn ich dafür seit verdammt langer Zeit endlich mal wieder glücklich war? Unbeschwert lachen und mal wieder ein Mensch sein konnte, der ein wenig Wertschätzung erfuhr? Das war wohl eine Frage, auf die ich nie eine zufriedenstellende Antwort finden würde und so musste ich einfach schauen, was die Zukunft für Überraschungen bereit hielt. Musste ich an dieser Stelle noch einmal erwähnen, wie sehr ich Überraschungen eigentlich hasste? Vermutlich nicht. Aber gut, wie auch immer. Jedenfalls wäre die aktuelle Situation mit dieser absolut lockeren, entspannten Atmosphäre vermutlich einer der besten gewesen, um Tauren endlich mitzuteilen, wie ich zu der Beziehung zwischen uns denn nun eigentlich stand, aber so wie es aussah, wollte mich der Norweger einfach nicht zu Wort kommen lassen. Das ließ mich die Lippen wiederum zu einem leichten Schmollmund verziehen, als er sich gerade ein wenig von mir distanziert hatte, um seinen Blick in Richtung Kopfende vom Bett abzuwenden. Der hielt aber nicht besonders lange, weil ich schon bei den darauffolgenden Worten des jungen Mannes erneut leise lachen musste. Es klang dieses Mal schon ein bisschen wacher, aber vom fit wie ein Turnschuh sein war ich wohl trotzdem noch eine ganze Ecke entfernt. "Es gibt Schlimmeres.", war alles, was ich nach dem zweiten, etwas längeren Kuss in Zusammenhang mit einem schwachen Schulterzucken erwiderte. Natürlich nicht, ohne das ziemlich breite, sichtlich amüsierte Grinsen dabei auf den Lippen zu tragen. In dem Punkt war ich wirklich froh, eine Frau zu sein. Bis heute hatte ich zwar allgemein nur wenige Probleme mit meinem Geschlecht, fühlte ich mich doch ganz wohl in meiner Haut trotz der ein oder anderen Nachteile, was die Evolution der körperlichen Gegebenheiten einer Frau im Gegensatz zu denen eines Mannes anging, aber immerhin hatten wir nicht solche Probleme. Es lief mir schon kalt den Rücken runter, wenn ich nur an den unangenehmen Moment dachte, mitten in aller Öffentlichkeit einen Ständer zu kriegen, nur weil ich eine durchweg attraktive Frau oder einen absolut heißen Kerl etwas zu lange ansah. Die Gedanken schweifen ließ, was für das Blut im Hirn quasi der Freifahrschein in Richtung Penis war. Mit mehr als harten Nippeln - die man bei einem gepolsterten BH noch nicht einmal zwangsläufig sehen musste - und feuchten Schamlippen hatten Frauen in der Regel nicht zu kämpfen und das war beides etwas, was lediglich bei näherer Betrachtung auffiel. Letzteres eigentlich nur dann, wenn man ohnehin kurz vor dem Akt stand und ansonsten musste man schon eine sehr gute Beobachtungsgabe besitzen, damit man anhand des flachen Atems, den leicht geöffneten Lippen und der allgemein etwas hibbelig wirkenden Art darauf schließen konnte, dass die Frau einem gegenüber sexuell erregt war. Bei Männern hingegen war die Sache ziemlich schnell absolut klar, wie mir Tauren hier auch gerade noch mal deutlich zu verstehen gab. Würde er die Gedanken, an denen er einen Augenblick lang zu hängen schien, weiterhin verfolgen, würde er wohl mit dem gleichen Problem in den Tag starten, mit dem er gestern schon ins Bett gegangen war und das wollten wir natürlich nicht. Oder doch? Na ja, vielleicht ein bisschen, weil ich nun mal ein gehässiges Miststück war und das auch immer bleiben würde, aber ich hielt mich zurück. Wollte den Moment jetzt einfach nicht kaputt machen und außerdem hatten wir was das anging ja wohl alle Zeit der Welt, wenn ich ihn richtig verstanden hatte. Hunter schien seinem Schützling nach der stressigen Woche endlich eine kleine Auszeit zu gönnen und diese Information war wie Musik in meinen Ohren. Zwar hatte ich noch die ein oder andere Kleinigkeit Zuhause zu erledigen, aber weder nahm die viel Zeit in Anspruch, noch war es besonders dringend zu erledigen. Ich würde das Angebot des gemeinsamen Zeitvertreibs also liebend gerne annehmen. Ein paar gemeinsame Unternehmungen - vielleicht ja auch außerhalb von Havanna? - konnten sicherlich nicht schaden, um mich zunehmend mehr davon zu überzeugen, dass Tauren seit einem halben Dezennium tatsächlich der Mann war, für den es sich lohnte, meine kleine Klapperkiste in der Brust wieder zum Laufen zu kriegen. Ich hing meinen Gedanken dahingehend wohl ein bisschen zu lange nach, da war der junge Mann plötzlich verschwunden. Aufgestanden und am Kleiderschrank stehend, weil er duschen wollte. Enttäuschend, aber durchaus nachvollziehbar. Ich selbst hatte mich gestern Gott sei Dank vor der Rückreise noch unter die Brause gestellt, weshalb das noch nicht zwangsläufig wieder notwendig war. Zwar hätte ich mich ohnehin nicht getraut, dann einfach aufzustehen und ihm unaufgefordert zu folgen - er fragte ja auch gar nicht danach, vielleicht bevorzugte er es tatsächlich, alleine zu duschen -, aber im direkten Anschluss wäre ich dann einfach ebenfalls ins Bad marschiert, um mich der Körperhygiene zu widmen. So blieb ich allerdings noch eine ganze Weile einfach liegen, hatte mich wieder auf die Seite gerollt und mit dem Kopf auf den angewinkelten Arm gestützt dabei zugesehen, wie der Tätowierte das Zimmer verließ und kurz darauf das Rauschen der Dusche zu hören war, ehe ich mich selbst dazu aufraffte, aufzustehen. Ich sammelte das Shirt vom gestrigen Tag auf, roch einmal flüchtig daran, um festzustellen, dass ich das definitiv nicht noch einen weiteren Tag lang tragen sollte und daraufhin steuerte ich dann die achtlos neben der Tür auf den Boden gewanderte Sporttasche an. Aber auch in der befanden sich keine frischen Oberteile mehr, weil ich für länger als eine Woche nicht mit ausreichend Klamotten versorgt gewesen war. Demnach war ich ganz froh darüber, dass auch in diese Richtung bereits ein ziemlich indirektes Angebot seitens des norwegischen Schönlings gefallen war und da ich ja nun wusste, wo er die schlicht weißen Shirts aufbewahrte, krallte ich mir kurzerhand eines davon aus seinem Kleiderschrank. Ohne Shorts - das Shirt war lang genug - und barfuß stiefelte ich dann rüber in die Küche, wo ich mich ohne großen Umwege direkt an der Kaffeemaschine einfand. Ich war zwar ausgeruht, brauchte aber trotzdem einen Hauch von Koffein, um meinen Körper final wach werden zu lassen. Weil das Rauschen der Duschbrause inzwischen nachgelassen hatte, bereitete ich Tauren auch gleich eine Tasse vor. Ich ging davon aus, dass er auch noch etwas wacher werden wollte und wenn nicht, dann hätte ich auch mit zwei Tassen absolut kein Problem. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis besagter junger Mann die Küche betrat. Ich lehnte mit dem dampfenden Gesöff in den Händen an der Küchenzeile direkt gegenüber der Tür, wo ich mich spontan dazu entschloss, ihm meine Entscheidung einfach jetzt mitteilen zu wollen. Ich konnte es einfach nicht länger an mich halten und wollte es unbedingt los werden. "Du, ich wollte dir da noch etwas sagen...", setzte ich also an, ehe ich einen kleinen Schluck vom Kaffee nahm, die Tasse dann jedoch abstellte und stattdessen meine Hände locker vor meinem Körper baumeln ineinander verschränkte. "In Russland war ja nicht alles schlecht...", redete ich erstmal ein wenig um das eigentliche Thema drum herum, bevor ich schließlich auf den Punkt kam. "Und ich schätze, dass... ich jetzt so etwas wie eine konkrete Antwort für dich habe. Willst du sie hören?", stellte ich eine wohl ziemlich überflüssige Frage am Ende, wobei ich darauf tatsächlich eine Antwort erwartete. Schlicht weil mir klar war, dass er sich darüber wohl wirklich freuen würde und ich wollte es einfach spannend machen. So spannend das nun mal eben ging, wenn man selbst ziemlich aufgeregt dabei war.
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