War das so? Ich für meinen Teil hielt es bis jetzt ehrlich gesagt noch für wahrscheinlicher, dass ich zuerst abkratzte. Vielleicht eher nicht mehr durch Iljah, weil wir uns inzwischen doch ganz gut verstanden - was wir eigentlich nicht sollten und ich sollte mich vermutlich mal selbst fragen, was genau ich eigentlich damit bezwecken wollte, nur war es wohl leichter für mich jene Gedanken weiter zu umgehen -, aber ich kam vom kriminellen Untergrund Moskaus vermutlich nie wieder ganz los. Falls doch würde ich vermutlich nicht nein dazu sagen, aber bis es mal so weit war glaubte ich da nicht dran. In dem Fall war es sicherlich nur eine Frage der Zeit bis ich mir irgendeine Scheiße einbrockte, die sich dann nicht mehr auslöffeln ließ. Was solche Dinge anbelangte war ich zweifelsfrei nämlich einsame Spitze und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt behaupten, dass ich das ganze Drama unterbewusst einfach so sehr herbeisehnte, dass ich gar nicht anders konnte. Zumindest würde das so einiges erklären. "Wenn mir weiter Kirills an irgendwelchen Straßenecken auflauern stehen deine Chancen glaub ich schlecht.", erwiderte ich was das anbelangte nur ziemlich ironisch, aber weiterhin amüsiert klingend, kurz bevor ich den vorletzten Löffel voll Müsli aus der Schüssel holte. Ich hatte geglaubt den Abend am liebsten allein in der Sofadecke eingekuschelt verbringen zu wollen, aber bisher empfand ich die Anwesenheit des Schwarzhaarigen als durchweg positiv. Womöglich hob es meine Laune auch einfach automatisch zusätzlich an, dass ich jetzt was die Arbeit anging mal vorübergehend kürzertreten konnte, ohne damit irgendwen zu verärgern. Es war dadurch schlichtweg einfacher mal den Kopf auszumachen und nicht permanent nur daran zu denken, wie schrecklich anstrengend die Arbeit am Montag doch wieder werden würde. Ich mochte den Wochenbeginn sowieso nie besonders, war auch eher die Kategorie Morgenmuffel und mit extrem viel anstehender Arbeit steigerte sich meine Motivation zur Arbeit eben auch nicht unbedingt. Ob ich mich was die Buchhaltung anging an feste - frühe - Arbeitszeiten halten müssen würde? Iljahs Lachen war angenehm. Es war weder besonders schrill oder anderweitig vom Klang her nervtötend, noch wirkte es irgendwie... naja, böse. Der junge Mann wirkte durch das aufrichtige Lachen einfach gleich noch ein Stück weit menschlicher und ich konnte wohl immer noch nicht im Ansatz nachvollziehen, was die Sorokins gegen ihn haben konnten. Er war doch eigentlich relativ umgänglich - zumindest im Alltag und wenn man ihm nicht gerade irgendwas Gemeines unterstellte, wie ich das mit Bravour getan hatte. Wie es bei seinen weniger legalen Geschäften aussah wusste ich natürlich nicht, aber in meinem Kopf begann sich wohl mit jeder ungezwungenen Minute mehr, die wir entweder auf der Arbeit oder außerhalb davon miteinander verbrachten, weiter das Bild zu formen, dass die von mir so verhassten Brüder den Tätowierten einfach nur aus dem Weg haben wollten, um ihre Geschäfte in Moskau und darüber hinaus ohne ihm in die Quere zu kommen weiter auszudehnen. Zumindest war das bis zum jetzigen Zeitpunkt die einzige Theorie, die für mich Sinn ergab. Konkurrenz, die man gerne weghaben wollte, gab es schließlich nicht nur im legalen Geschäftsbereich. Allerdings wollte ich jene Gedanken ungern hier und jetzt fortführen, wollte viel mehr die recht ausgelassene Stimmung genießen. Denn Iljahs Antwort auf meinen Witz führte unweigerlich dazu, dass ich mich beinahe am letzten Löffel voll Müsli verschluckte, als ich mich nach vorne beugte und die leere Schüssel zurück auf den Tisch vor dem Sofa stellte. Die freie Hand legte ich dabei zur Sicherheit auf meinen Mund, weil ich beinahe genauso hätte lachen müssen wie der junge Mann am anderen Ende des Sofas. Um das Müsli aber nicht in alle Himmelsrichtungen des Wohnzimmer zu verteilen schluckte ich erst einmal bemüht ruhig runter, als ich mit dem Rücken wieder an der Lehne ankam. "Nein... du weißt doch, sowas bring ich nicht übers Herz.", meinte ich erst einmal übertrieben theatralisch seufzend, als ich mir den Controller wieder griff, weil Iljah das Spiel gestartet hatte. Meine Worte waren natürlich genauso weit von der Realität entfernt wie die vorherigen auch schon - wir wussten ja beide, dass ich durchaus biestig werden konnte, wenn mir etwas nicht passte oder mir zu nahe getreten wurde. Während der standardmäßige '3...2...1...'-Countdown für das Spiel auf dem Bildschirm runterzählte, hängte ich noch ein paar Worte mehr an. "Ich hab ihn reingelassen und ihm sogar was zu trinken angeboten. Ich kann doch den armen Kerl nicht im Regen stehen lassen, wenn er sich schon die Mühe macht herzukommen. Wir sind hier in Russland, es ist kalt draußen.", führte ich das Spielchen mit einem breiten Grinsen auf den Lippen noch ein bisschen weiter fort, während der Start für die wohl mittelmäßig schwierige Rennstrecke erfolgte. Lief zu Anfang noch ganz gut für mich, weil ich mich tatsächlich grob an den Streckenverlauf entsinnen konnte. Allerdings war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich mit dem Gefährt in irgendeinem tückischen Graben an der Seite rauschte. Sähe mir zumindest sehr ähnlich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Unter den Umständen war ein verfrühtes Ableben der jungen Frau vermutlich wahrscheinlicher, ja. Ich war mir zwar nicht unbedingt sicher damit, ob Kirill es darauf angelegt hatte, Irina etwas anzutun, was ihr Leben maßgeblich gefährdet hätte, aber unbedingt darüber nachdenken wollte ich jetzt auch nicht. Ich kannte genug solcher Schweine, war nicht zuletzt selbst eines von ihnen und auch mir hatte es ab und an in den Finger gekribbelt, meiner Beute nach erfolgreicher Jagd einfach die Kehle aufzuschlitzen und sie jämmerlich in ihrem oder meinem Bett ausbluten zu lassen, aber so weit war es bis jetzt noch nicht gekommen. Warum und wieso wusste ich zwar nicht genau, aber alle Frauen, denen ich ihr Leben oder zumindest die Psyche mehr oder weniger zerstört hatte, lebten noch. Waren zumindest nicht durch meine Hand gestorben. Vielleicht war die ein oder andere dabei gewesen, welche die Erfahrung einer Vergewaltigung nicht verarbeiten konnte oder das ganz einfach nicht wollte, die sich daraufhin dann von der Brücke stürzte oder vor einen Zug schmiss, aber dieser Tod ging dann faktisch nun mal einfach nicht auf meine Kappe. Aber genug davon. Ich war heute schließlich nicht hier, um irgendeinen Unfug mit Irina anzustellen, sondern kam tatsächlich in Frieden. Bis auf den ein oder anderen etwas intensiveren Blick hatte ich bis jetzt auch noch keinerlei Anstalten gemacht, der jungen Frau näher zu kommen, als das die Situationen erforderten, weil mein Blutdurst in dem Sinne schlichtweg gestillt war. Es fiel mir demnach auch überhaupt nicht schwer, mich auf etwas anderes, als die langen, nackten Beine und den unglaublich gut aussehenden, runden Hintern Irinas zu konzentrieren, als sie da gerade so vor der Konsole gehockt und nach CDs gekramt hatte. "Mhm, da könntest du Recht haben. Aber ich denke, dass er seine Lektion fürs Erste gelernt hat.", stellte ich ein wenig nachdenklich, aber ebenfalls weiterhin grinsend fest. Der Typ wäre zumindest ziemlich dumm, wenn er es binnen weniger Tage, nachdem ich ihm vermutlich die Nase gebrochen hatte, gleich ein weiteres Mal versuchen würde, der jungen Frau neben mir zu nahe zu kommen. Immerhin war meine Ansage ziemlich unmissverständlich gewesen, ein weiteres Mal käme er nicht verhältnismäßig ungeschoren aus der Sache wieder heraus. Was dann den vermeintlich kriminellen Störenfried anbelangte, schien Irina erst einmal mit sich ringen zu müssen, ihr Abendbrot bei sich zu behalten, was mich gleich ein Stück weit breiter Grinsen ließ. Allerdings wandte ich den Blick noch während sie dabei war, die Schüssel zur Seite zu stellen, ab, um mich stattdessen auf den Start des Spiels zu konzentrieren. Der Anfang gestaltete sich wie erwartet etwas schwierig und ich brauchte einige Anläufe, bis ich herausfand, wie alles funktionierte, sodass Irina in der Zeit sicher einige Sekunden Vorsprung für sich gewinnen konnte. Aber ich nahm das gelassen, konnte in dem Fall auch gut mit einer eventuellen Niederlage umgehen, auch wenn ich sonst eher ein Gewinnertyp war. "Du herzensgute Samariterin...", witzelte ich mit einem Seitenblick auf die Schwarzhaarige, während ich mich primär auf die Rennstrecke konzentrierte. Auf einem geraden Abschnitt, der in meinen Augen keinerlei Tücken barg, ließ ich eine Hand von dem Controller nach meinem Glas angeln, um daraus einen Schluck zu nehmen, ehe ich das Behältnis wieder auf dem Tisch abstellte. Die erste Runde neigte sich dann auch schon bald dem Ende entgegen und wurde tatsächlich durch Irina entschieden, weil ich in Hinsicht auf Konsolen schlichtweg einfach nicht wirklich bewandert war. "Apropos kalt...", kam ich noch einmal auf den vorherigen Satz der jungen Frau zu sprechen, um mich danach zu erkundigen, wie sie einer späteren Unternehmung denn prinzipiell gegenüber stand. "Ich hatte eigentlich vor, dich nach dem Billard noch zu einem Lagerfeuer am Rande der Stadt zu entführen. Wenn du später noch Lust hast, könnten wir hinfahren. Das Teil brennt voraussichtlich die ganze Nacht, so groß, wie das ist.", schlug ich mit einem leichten Schulterzucken vor und das bis eben beständige Grinsen verwandelte sich schlagartig eher in ein Lächeln, das mich beinahe schon handzahm wirken ließ. Wie ein richtig netter Mensch, den sich jedes Elternteil gut als Schwiegersohn vorstellen könnte und tatsächlich... war ich bis vor den Tattoos auch optisch gar nicht so weit weg davon gewesen. Natürlich hatte sich das mit der Farbe unter der Haut schlagartig geändert und vom liebeswerten Nachbarsjungen zum kriminellen Arschloch degradiert worden, aber auch das nahm ich eher gelassen. Auf die Meinung anderer gab ich nämlich bekanntlich nicht viel.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Was Kirill anbelangte würde Iljah mit ziemlicher Sicherheit Recht behalten. Schließlich dürfte er inzwischen wissen wem er die gebrochene Nase zu verdanken hatte, nachdem er wie bereits von mir vorhergesehen mitsamt Täterbeschreibung wie ein getretener Hund zu den Sorokins gerannt war. Allerdings hatte es keinerlei Anschiss für mich gegeben, wo ich durch mein Nichtstun doch einfach nur dafür gesorgt hatte, dass dem Tätowierten hier neben mir an der Sache nichts komisch vorkam. Es hatte also lediglich Ersthilfe für das Arschloch gegeben, das definitiv keine verdient hatte und für mich noch den Auftrag, Iljah ruhig noch ein bisschen näher zu kommen. Steigerte schließlich die Chancen darauf mal an wirklich wichtige Informationen ranzukommen, die ich aber wohl nur immer weniger weitergeben wollen würde, je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte. Wieso sollte ich auch? Er tat zumindest fast nichts, das mir einen Grund dafür gegeben hätte. Zwar fand ich es immer noch schräg, dass er mir in der Bar aufgelauert hatte, aber ich müsste mich wohl selbst belügen, um zu behaupten, dass ich ihm das nicht irgendwie schon verziehen hatte. War schließlich nicht nochmal vorgekommen, also sah ich keinen Sinn darin ihm das ewig weiter nachzutragen. "Ja, ziemlich sicher.", bestätigte ich den Schwarzhaarigen mit einem Nicken zum Abschluss noch in seinen Worten, womit das Thema dann wohl auch erstmal erledigt war. Während ich mehr bis eher weniger geschickt dabei war die erste Partie für mich zu entscheiden kam der junge Mann dann auf etwas ganz anderes zu sprechen. Bisher war nie die Rede davon gewesen nach dem Billardspielen noch weiterzuziehen und deshalb flog ich auch wie bereits prophezeit von der Rennstrecke auf dem Fernseher, weil ich unweigerlich ein bisschen überrascht zu ihm rübersah. Aber sollte mich das jetzt wirklich wundern? Vermutlich nicht, wo er gefühlt doch wirklich ständig irgendwas tat, womit ich nicht rechnete. Inzwischen zwar eher nur noch in Hinsicht auf Worte und weniger auf Taten - mir auflauern, mich anfassen, eben Dinge in dieser Richtung -, aber für kleinere Überraschungen war er häufiger mal gut. Seine Wortwahl machte es nicht unbedingt besser, wurde ich doch nur ungern wortwörtlich entführt. Jetzt wieder Angst vor ihm zu kriegen war nicht nötig, oder? Iljah saß hier so locker herum wie nur selten zuvor, da brauchte ich mir eigentlich keine Gedanken darüber machen, ob ich eine böse Vorahnung in seine Worte hineininterpretieren musste. An sich klang ein Lagerfeuer nämlich gar nicht so verkehrt, ich war ewig bei keinem mehr gewesen. Das letzte Mal vermutlich während meiner Schulzeit und die lag doch jetzt schon ein paar fast durchweg unschöne Jahre zurück. Gott, was wünschte ich mir die unbeschwerte Zeit vor meiner ersten Entführung zurück. Ich war glücklich gewesen. "Wenn ich bis dahin nicht müde bin... ja.", behielt ich mir das Recht vor es mir unter Umständen doch nochmal anders zu überlegen, als mein Avatar wieder auf der Strecke abgesetzt wurde und ich mich wieder aufs Lenken konzentrierte. Es zogen um die zwei Stunden ins Land, bis wir uns mittels der Konsole lang genug duelliert hatten und beide die Flagge hissten. Ich wägte dann kurzzeitig ab, ob ich wirklich noch raus wollte, aber eigentlich war ich nicht müde und der Gedanke an knisternde Flammen löste irgendwie ein wohliges Gefühl in mir aus, weshalb ich Iljah schließlich für wenige Minuten im Wohnzimmer allein ließ. In der kurzen Hose konnte ich schließlich nicht raus, also verschwand ich zuerst kurz in mein Schlafzimmer, um in eine gewohnt eng anliegende, aber sehr stretchige, dunkle Jeans zu wechseln, in der Herumsitzen nicht unbequem werden würde. Auch tauschte ich das Top noch gegen einen kuschligen Pullover ein und wuselte im Anschluss weiter ins Bad, um mir die inzwischen trockenen Haare zu kämmen - die natürlich gegebenen, leichten Wellen blieben dabei jedoch bestehen - und sie in einem eher lockeren Zopf zusammenzubinden, damit sie mich im Verlauf nicht störten. Make-Up sparte ich mir weiterhin, sah ich in dem zusätzlichen Zeitaufwand doch absolut keinen Sinn - war ja Niemand dabei, für den ich mich irgendwie hübsch machen musste und war sowieso dunkel draußen - und so traf ich nach nur wenigen Minuten im Flur wieder auf den Tätowierten, der sich bereits in Schuhe und Jacke gehüllt hatte. Ich tat es ihm mit ein paar zügigen Handgriffen gleich, schlüpfte nur in die schwarzen Stiefel und den ebenfalls schwarzen Mantel, bevor ich das Ganze noch mit einem kuschligen Schal komplettierte. Während ich schließlich hinter dem Schwarzhaarigen die Stufen im Hausflur nach unten ging, nachdem ich die Wohnungstür abgeschlossen hatte, tippte ich noch eine knappe Nachricht in die WG-Gruppe ab, die den Mädels bündig erklärte wohin und mit wem ich unterwegs war. Allerdings mehr nur noch aus Gewohnheit und weniger, weil ich glaubte, dass Iljah Irgendetwas im Schilde führte. Die Fahrt zum Lagerfeuer dauerte wohl fast eine halbe Stunde. Die angenehme Sitzheizung und die anhaltend lockeren Gespräche zwischen dem Schwarzhaarigen und mir ließen die Zeit zum Glück jedoch recht zügig ins Land ziehen. Das Feuer war schon vom nahen Schotterparkplatz zu sehen und ich warf noch ein flüchtiges, aber vorfreudiges Lächeln in Richtung des Fahrers, bevor ich die Tür aufschob und ausstieg. Es waren auch auf aktueller Distanz schon die Stimmen einiger anderer Leute zu hören, die sich noch am Lagerfeuer herumtrieben - war auch kein Wunder, es war erst kurz nach Mitternacht und außerdem Samstag. Es könnte also durchaus etwas an Iljahs Worten dran sein und die Flammen würden noch bis in die frühen Morgenstunden züngeln. Ich ging zur Front des Wagens, weil er rückwärts eingeparkt worden war und wartete nur noch kurz darauf, dass der junge Mann zu mir aufschloss, bevor ich mich erneut in Bewegung setzte. Schon auf dem Weg zum Feuer nach einem freien Platz Ausschau hielt, waren doch so einige Bänke und Baumstämme drum herum als Sitzmöglichkeiten aufgestellt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich befürchtete schon fast, dass die Idee mit dem Lagerfeuer so überhaupt gar keinen Anklang bei der Schwarzhaarigen gefunden hatte, so verhalten, wie sie sich zu dem Vorschlag äußerte. Umso verwunderlicher war es für mich wohl, dass sie sich nach einigen Drinks auf meiner Seite und einer halben Ewigkeit später dann doch dafür aussprach und zeitnah vom Sofa aufstand, um sich den draußen vorherrschenden Temperaturen entsprechend zu wappnen. Geduldig wie eh und je wartete ich noch einige Minuten stillschweigend im Wohnzimmer, nachdem ich der schlanken Schönheit kurz nachgesehen hatte, stand kurze Zeit später dann aber doch schon mal auf, um das zur Hälfte gefüllte Glas in die Küche zu bringen. Ich war schließlich erzogen und würde mein Geschirr kaum achtlos in der Gegend herumstehen lassen. Der Inhalt floss noch auf dem Weg meine Kehle hinunter und damit leerte ich das Behältnis jetzt bestimmt schon zum zweiten oder dritten Mal am heutigen Abend. Irina hätte man nach der Menge vermutlich nur noch den Magen auspumpen können, mir hingegen ging es weiterhin bestens. Ich war weitaus Schlimmeres gewohnt, was Alkoholexzesse anging und alleine schon wegen der Gene vollkommen abgestumpft, was das klare Destillat anging. Ich hätte sicherlich noch ewig so weitermachen können, aber vor dem Hintergrund, noch eine gute halbe Stunde zu dem Feuer gurken zu müssen, ließ ich das lieber bleiben. Nicht, dass ich eine Verkehrskontrolle oder etwas in dieser Richtung fürchtete, aber der Alkohol kickte selten dann, während man ihn trank, sondern machte sich erst später bemerkbar und ich wollte einfach nicht riskieren, dass uns auf der Fahrt etwas passierte, nur weil ich mich nicht am Riemen hatte reißen können. Irgendwann erreichte nämlich auch mein Körper den Punkt, an dem die berauschende Wirkung des Hochprozentigen einsetzte. Immun war ich nämlich keinesfalls. Ich wartete die restlichen Minuten also in aller Seelenruhe im Flur der Wohnung, wo ich bereits in Mantel und Schuhe geschlüpft war und mir die Zeit am Handy daddelnd um die Ohren schlug. Die Serbin brauchte glücklicherweise aber gar nicht lange und so konnten wir nach einigen weiteren Minuten dann auch endlich aufbrechen. Die Fahrt gestaltete sich nicht weniger zwangslos, als das gemeinsame Zocken in der Wohnung und demnach war meine Laune nach wie vor ziemlich beschwingt, als ich den Motor des Mercedes letztlich abstellte und nach einem Seitenblick auf Irina dann auch schon ausstieg. Ich verriegelte die Karre noch beiläufig und schloss dann zu der jungen Frau auf, die bereits an der Front des Wagens stehend auf mich wartete. Weil ich mich hier jedoch nicht auf der Flucht befand, nahm ich mir sicherlich einige Sekunden Zeit, in denen ich einfach die frische Luft genoss und dem angeregten Stimmwirrwarr in Kombination mit dem knisternden Holz lauschte. Man verstehe mich nicht falsch: Zu einem entspannten Abend auf dem Sofa würde ich wohl in den seltensten Fällen Nein sagen und es wäre für mich auch vollkommen in Ordnung gewesen, wenn Irina heute keine Lust mehr gehabt hätte, noch einmal raus zu gehen, aber ich freute mich gerade tatsächlich ein bisschen, dass sie sich noch aufgerafft hatte. Die durchweg angenehm kühle Luft war einfach Balsam für meine Seele und der herbe Geruch nach angekokeltem Brennmaterial ließ meine Laune gleich eine ganze Ecke besser werden. Der Mimik der Serbin war zu entnehmen, dass es ihr da ähnlich ging, was mich zusätzlich freute. So hatte immerhin nicht nur ich etwas von dem Ausflug, sondern meine Begleitung ebenfalls. Nachdem ich also für den ein oder anderen Atemzug stehengeblieben war, gab ich mir irgendwann schließlich einen Ruck und steuerte mit der jungen Frau im Schlepptau das riesige Feuer an, das einen schon ein paar Meter weiter weg mit angenehmer Wärme empfing. Ich ließ den Blick kurzzeitig über die Masse an Menschen schweifen, die sich um das Feuer herum versammelt hatten, bis ich selbst unweit einiger Sitzgelegenheiten zum Stehen kam. Ich für meinen Teil würde wohl auch einfach stehenbleiben. Die letzten drei bis dreieinhalb Stunden hatte ich jetzt überwiegend gesessen, aber sollte Irina der Sinn danach stehen, dann durfte sie selbstredend gerne Platz nehmen. Bei der flüchtigen Analyse des aktuellen Geschehens war mir aufgefallen, dass auf der anderen Seite des Lagerfeuers ein paar Tische aufgebaut waren. Neben den Boxen, die irgendeinen russischen Hip Hop im Hintergrund dudelten, ließen sich auf die Distanz auch einige Softgetränke und Wasser ausmachen. Scheinbar hatte ein Großteil der Gäste von Zuhause etwas mitgebracht, um der guten Laune und einer ausreichenden Versorgung aller Teilnehmenden beizusteuern, was mir in dem Fall nur gelegen kam. Ich hatte zwar nicht vor, mich jetzt weiterhin volllaufen zu lassen, aber wenn wir noch eine Weile blieben, wäre ich über die ein oder andere Cola oder ein Wasser doch wirklich dankbar. "Wenn du was trinken willst, sag Bescheid.", gab ich die Information mit einem knappen Handzeichen in Richtung der Verpflegung an Irina weiter, ehe die Hand wieder ihren Weg in die Taschen des Mantels fand. Handschuhe hatte ich leider nicht am Mann und auch wenn noch nicht die Rede davon sein konnte, dass ich bis auf die Knochen der Kälte wegen schlotterte, wollte ich frostigen Händen einfach vorbeugen. In meinen Augen gab es kaum etwas Schlimmes, als kalte Finger. Eisige Füße vor dem Einschlafen vielleicht, aber ansonsten? Vermutlich lag in meinem Wagen noch das ein oder andere Paar, genau wie eine wärmende Decke, für den Fall, dass ich spontan mal im Auto übernachten musste, aber noch war zumindest meinerseits alles in bester Ordnung und ich hatte keine Lust, den Weg über den Schotterparkplatz gleich ein weiteres Mal zurückzulegen. Stattdessen beobachtete ich lieber mit tief in die Jackentaschen geschobenen Händen meine Begleitung, die sich augenscheinlich nicht so wirklich entscheiden konnte, wo sie denn nun sitzen wollte oder ob stehen nicht vielleicht doch die bessere Option war. Die Menschenmassen ließen sich jetzt zwar nicht mit irgendwelchen großen Konzerten vergleichen, war aber der aktuellen Uhrzeit und dem Tag entsprechend doch ganz schön unübersichtlich. Vermutlich kannte ich hier sogar das ein oder andere Gesicht, aber bewusst darauf achten, wer an uns vorbei lief, tat ich natürlich nicht. Ich konzentrierte mich einzig und alleine auf Irina. Nicht, dass sich einer dieser Kirills von hinten anschlich, wenn ich unachtsam war. Gut, so paranoid war ich vielleicht noch nicht, aber ich müsste wohl lügen, würde ich behaupten, dass ich die junge Frau nicht gerne ansah. In meinen Augen war sie nun mal eine echte Schönheit und entsprach sogar in überdurchschnittlicher Form meinem Beuteschema. Ich bezweifelte deshalb schon seit die freundschaftliche Geschichte mit uns beiden angefangen hatte, dass daraus nicht doch früher oder später ein bisschen mehr werden würde. Vermutlich keine Beziehung oder generell etwas wirklich Ernstes, aber bei ihrem Aussehen fiel es mir doch ziemlich schwer, mir nicht das ein oder andere Kleidungsstück einfach mal wegzudenken und einmal ist keinmal, oder wie war das? Aber bis ich die Schale geknackt hatte, würde wohl noch etwas Zeit ins Land ziehen, so zumindest meine Vermutung.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Vielleicht würde ich mich ein bisschen weniger überfordert mit meinem aktuellen Umfeld fühlen, wenn ich ein paar Zentimeter größer wäre. Ich war zwar kein absoluter Zwerg, aber allein der männliche Anteil der Besucher überragte mich wohl ziemlich ausnahmslos. War ja auch nicht besonders schwer, hatte es bei mir für Model-Körpergröße doch gar nicht erst gereicht. Ich wendete meinen etwas unruhigen Blick von der Menge ab und sah zu Iljah, als er sich mit ein paar Worten an mich richtete und folgte kurz darauf seiner Handbewegung mit den Augen. Bisher war ich noch gut bedient, war es doch nicht bei dem einen Glas Sprite geblieben, aber womöglich regte die Wärme des Feuers meinen Durst früher oder später wieder etwas an. "Mach ich.", ließ ich den jungen Mann also indirekt wissen, dass ich bis jetzt eher noch keinen Bedarf hatte, sein Angebot aber durchaus zu schätzen wusste. Danach sah ich mich ein weiteres Mal um, weil ich nach wie vor nicht so recht wusste, wohin ich denn nun wollte. Da ich mich auch nach einer weiteren Minute noch nicht so recht entscheiden konnte beschloss ich ein paar Schritte weiterzugehen und mir dadurch einen besseren Überblick zu verschaffen. Außerdem war ein sehr gemütliches, alles andere als hektisches Herumgehen um das Feuer auch ganz gut, um aktiv herauszufinden, wo ich wegen des Rauchs schonmal auf keinen Fall sitzen wollte. Es ging nicht wirklich Wind und deshalb ging ich auch nicht davon aus, dass die Richtung sich in Hinsicht auf den Rauch noch einmal maßgeblich ändern würde. Natürlich konnte man was das anbelangte auch einfach Pech haben, aber der Abend war bisher ganz witzig gewesen und deshalb wollte ich jetzt eher nicht in pessimistische Denkmuster verfallen. Jedenfalls schien es nahe der Getränke und der Musik mit am wenigsten Rauch in die Menschenansammlung zu wehen, weshalb ich letztendlich auch dort dem Feuer zugewandt wieder zum Stehen kam. Eine kleine Weile lang genoss ich einfach das leicht kribbelnde Gefühl der Wärme auf meinen Wangen, lächelte unbewusst auch so ein bisschen vor mich hin und fühlte mich von den durchweg gut gelaunten Menschen um uns herum nur noch mehr darin bestärkt, dass es kein Fehler gewesen war noch hierher zu kommen. Die Atmosphäre war einfach ansteckend, das etwas lautere Knistern und Knacken des Holzes im Feuer nur zusätzlich entspannend. War schade, dass wir keinen Ofen in der WG hatten, auch wenn sowas immer zusätzlichen Aufwand bedeutete. Im früheren Haus meiner Eltern hatte ich die durch den Kamin erzeugte, kuschlige Wärme im Wohnzimmer immer genossen. Allerdings war ich wohl nicht der Typ Mensch dafür sich gerne stundenlang die Beine in den Bauch zu stehen. Geschätzt blieb ich wohl noch eine Viertelstunde mit Iljah stehen, dann wurde eine der Biertischgarnituren in unmittelbarer Nähe frei und ich warf nur einen kurzen Blick zu meiner männlichen Begleitung, bevor ich mich erneut in Bewegung setzte und meinen Hintern auf der Bank parkte. Die war vom vorherigen Besuch sogar noch ein bisschen angewärmt, was ich bei den aktuellen Außentemperaturen doch ziemlich willkommen hieß. "War eine gute Idee herzukommen.", bekräftigte ich den Schwarzhaarigen noch ein bisschen in seinem Vorschlag und warf ihm ein durchweg zufriedenes Lächeln zu, das jene Worte noch aufrichtig untermalte. Auch die folgende halbe Stunde unterhielten wir uns ähnlich locker wie schon zuvor. Es wurden hier und da auch weiterhin wenig ernst gemeinte Seitenhiebe ausgeteilt, ohne dass einer von uns beiden das irgendwie persönlich nahm und ganz allgemein blieb die entspannte, lockere Stimmung zwischen Iljah und mir erhalten - so lang, bis mir stückweise immer kälter wurde. Das Feuer brannte noch immer gefühlt bis zum Himmel und strahle eine nicht zu verachtende Wärme aus, aber halt immer nur auf einem gewissen Teil des Körpers. Man konnte eben nur auf dauerhaft sehr unangenehm verrenkte Art gleichzeitig Gesicht und Hintern ans Feuer halten, um es plump auszudrücken. Wenn mir kalt wurde, dann sank meine Laune irgendwann auch von ganz allein stetig ein bisschen ab. Ich war weniger redselig, legte die Arme darum bemüht Energie und Wärme einzusparen enger um den Körper und verkrampfte mich dabei unter Umständen auch ein wenig. Es war vielleicht also auch für Außenstehende ab einem gewissen Punkt relativ offensichtlich, dass mir nicht mehr ganz wohl war, weil ich das einfach nur schwer verbergen konnte. Frieren war nun mal unschön, daran ließ sich nichts rütteln. Deswegen versiegte unsere Unterhaltung auch irgendwann und ich drehte meinen Kopf nach ein paar schweigsamen Sekunden wieder zur dem Tätowierten. "Würdest du mir ein Wasser holen?", fragte ich ihn mit einem nur schmalen Lächeln zum einen aus langsam aufkommendem Durst und zum anderen einfach deshalb, weil ich das Gefühl hatte besser denken zu können, wenn er nicht so verhältnismäßig nah bei mir saß. Wie löste ich denn dieses Problem jetzt? Jetzt schon zu gehen kam eigentlich gar nicht in Frage, waren wir doch noch überhaupt nicht lange hier. Normalerweise wäre meine erste Wahl dann ein heißer Tee oder Kaffee - Glühwein hätte ich auch nicht abgelehnt -, aber damit sah es hier gerade denkbar schlecht aus. Ob Iljah noch ein oder zwei Decken im Wagen hatte? Vielleicht schon, aber eigentlich wollte ich ihn auch nur ungern den Weg bis zum Parkplatz zurücklegen lassen. Bis zu den Getränken waren es höchstens fünfzehn Meter, das Auto stand einige Meter mehr weit weg. Ihn nach dem Schlüssel und einer Decke konkret zu fragen war aber womöglich auch nicht so gut. Die meisten Männer waren irgendwie eigen mit ihren Autos - das merkte ich allein schon beim Verkauf oft und deutlich genug - und der Tätowierte fuhr ja auch noch nicht irgendeine Pappschachtel, sondern ein definitiv teures Exemplar. Unter Umständen würde ich mit der Frage also auch mein eigentliches Ziel verfehlen, weil er darauf bestehen könnte mitzukommen und damit saß ich weiterhin irgendwie in einer ungünstigen Pattsituation fest. Vielleicht hätte ich doch einfach selbst zum Getränke holen aufstehen sollen, um ein bisschen in Bewegung zu kommen, aber daran dachte ich auch erst jetzt. Außerdem hatte der junge Mann mir das vorhin so lieb angeboten und ich wollte ganz bestimmt nicht nochmal irgendwie undankbar oder ignorant erscheinen, um unserem inzwischen ganz guten Verhältnis zueinander einen erneuten Dämpfer zu verpassen. Half mir nur leider bei dem Kälte-Problem jetzt auch nicht weiter. Wären Ksenia und Anastasia hier würden wir uns einfach eng zueinander setzen und uns gegenseitig ein bisschen Wärme spenden, aber bei Iljah... das wäre schon extrem schräg, oder?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte insgesamt noch ein paar Minuten, bis wir in den Augen der Serbin ein nettes Plätzchen gefunden hatten, von wo aus wir das Lagerfeuer entspannt genießen konnten, aber das machte mir nichts aus. Ich lief gemütlich und den Blick schweifen lassend neben der jungen Frau her und ließ ihr vollkommen freie Hand, was die Platzwahl anbelangte. Man hatte glücklicherweise rund um das Feuer einen guten Blick auf die emporragenden Flammen und es war überall auch in etwa gleich warm, was nicht zuletzt daran lag, dass es am heutigen Tag nahezu windstill war. Als wir schließlich unweit des Tisches mit Getränken - und beim zweiten Mal Hinsehen gab es auch den ein oder anderen Snack in Form von kleinen Brezeln oder Salzstangen - zum Stehen kamen, weil es Irina hier scheinbar gefiel, erwiderte ich das aufrichtige Lächeln ihrerseits mit meinem eigenen. In den darauffolgenden Minuten gab ich mich ebenso wie die Schwarzhaarige neben mir dem Knistern und Knacken des Lagerfeuers hin, ohne dabei viele Worte zu verlieren. Genoss einfach das Großaufgebot der Menschen um uns herum und deren gute Laune, die meiner Meinung nach ziemlich stark abfärbte. Es war jetzt nicht so, als würde ich mich von der Musik und den teilweise tanzenden Leuten unbedingt anstecken lassen, aber es müsste wohl schon etwas ziemlich nervenaufreibendes passieren, damit meine Mundwinkel jetzt noch abrutschten. So wirklich quatschen taten wir beiden erst dann wieder, als wir uns circa fünfzehn Minuten später auf eine der frei gewordenen Sitzbänke an einem der aufgestellten Tische fallen ließen. Eine aus Höflichkeit eher knappe Begrüßung der restlichen Anwesenden später teilte Irina mir dann mit, dass sie die Idee jetzt im Nachhinein doch gar nicht mehr als so schlecht empfand, wie ich Eindruck gehabt hatte und anschließend philosophierten wir wieder eine ganze Weile lang über Gott und die Welt. Blieben dabei nicht immer ernst, lachten und hatten alles in allem wohl einen wirklich schönen Abend, zumindest wenn man mich fragte. Die junge Frau neben mir wurde jedoch zunehmend ruhiger, je länger wir unweit des Feuers saßen, was mich sie zwischendurch ein wenig besorgt ansehen ließ. Just in dem Moment, als ich fragen wollte, ob alles in Ordnung war, weil die ausgelassene Stimmung scheinbar einen kleinen Knacks bekommen hatte, bat mich Irina darum, ihr etwas zu trinken zu besorgen. Einen Augenblick lang sah ich sie noch wortlos an und überlegte, ob ich nun noch etwas sagen sollte, entschied mich gen Ende dann aber doch dagegen und stand von der Sitzbank auf. "Klar, mach ich.", bestätigte ich der jungen Frau, dass ich mich um ein Glas - oder eher einen Plastikbecher - Wasser kümmern würde, ehe ich mich nach kurzem Zögern auch schon in Bewegung setzte, um den Tisch mit den verschiedensten Getränken anzusteuern. Grundlegend traf sich das eigentlich ganz gut, weil auch mein Mund so langsam trocken wurde und der Rachen eine Ölung gut gebrauchen konnte. Statt also nur einen der Plastikbecher mit Mineralwasser zu füllen, wurden daraus kurzerhand zwei, die ich mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen zurück zu unserem Platz trug. Ich beugte mich mit gewisser Distanz zu der Schwarzhaarigen herunter, um einen der beiden Behältnisse vor ihr auf dem Tisch aufzustellen, während ich selbst noch einen Augenblick lang stehen blieb und mit dem Blick auf das Feuer gerichtet den ersten Schluck vom kühlen Nass nahm. "Alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie ein bisschen bedrückt.", sprach ich nach einem kurzen Moment der Stille schließlich doch die Frage aus, die mir vor wenigen Minuten noch auf der Seele gelegen hatte, als ich die junge Frau vor mir wieder direkt ansah. Dabei versiegte das freundliche Lächeln jedoch kein bisschen, ganz im Gegenteil. Es wurde gleich noch ein Stück weit wärmer und fürsorglicher und auch mein Blick, welchen ich in den der jungen Frau legte, war besorgt und ein wenig nachdenklich. Ich hatte mich inzwischen seitlich hinter Irina positioniert, sodass sie sich nicht vollkommen unbequem verrenken musste, wenn sie mich ansehen wollte, weil ich gerade ein paar Minuten stehen müssen würde. Die ganze Zeit nur herum zu sitzen ließ einem die Kälte ungeachtet des dicken Mantels förmlich in die Knochen kriechen und auch wenn das Feuer für meine Verhältnisse eigentlich ausreichend Wärme spendete, wurden die Gelenke mit der Zeit trotzdem steif. Es war demnach gleich doppelt passend gewesen, dass mich Irina um die Besorgung von etwas zu trinken gebeten hatte. Bewegung lockerte die Muskeln bekanntermaßen nämlich ein wenig auf.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich sah Iljah einen Moment lang nach, als er sich auf den Weg zu den Getränken machte und vermutlich sollte ich nicht einmal eine Sekunde lang darüber nachdenken, ob es schon irgendwie okay wäre, wenn den jungen Mann als wandelnde Heizung nutzen würde. Das an sich war schon mal eine grundlegend schlechte Idee und ich konnte sie gerade noch nicht einmal auf Alkohol schieben, weil ich den ganzen Tag über noch keinen einzigen Schluck davon zu mir genommen hatte. Das auch noch vollkommen bewusst, weil ich ganz einfach wusste, dass das im Beisein des Schwarzhaarigen keine wirklich gute Idee war. Allerdings schien ich das Nervengift wiederum gar nicht zu brauchen, um absolut ungute Einfälle zu haben, wie ich mir gerade sehr gut selbst bewies. Es war schließlich gewissermaßen vorprogrammiert, dass es der rein platonischen Freundschaftsgrenze nicht wirklich gut tun konnte, wenn ich dem Tätowierten nun doch wieder auf welche Art und Weise auch immer näher kam und trotzdem ließ mich der Gedanke irgendwie nicht mehr los. Ich würde das gerne daran festmachen, dass es schon wieder eine gefühlte halbe Ewigkeit her war, dass mich ein paar starke Männerarme umarmt hatten, die nicht entweder zu Sergej oder Iwan bei einer simplen Verabschiedung oder Begrüßung gehörten. Ich würde wohl kaum so weit gehen zu sagen, dass ich für den Getränke organisierenden Schwerverbrecher hier schwärmte, aber es war irgendwie unerwartet schwierig ihn auf einer rein freundschaftlichen Basis zu betrachten. Bei den anderen beiden teilzeit-pubertären Vollidioten, die immer mit am Stammtisch saßen, war das sehr viel leichter. Keiner von beiden war irgendwie mein Typ Mann für mehr als nur Freundschaft - weder vom Aussehen her, noch auf Dauer charakterlich, konnten doch beide extrem anstrengend sein - und so kam ich gar nicht erst auf den Gedanken, dass sie ansatzweise mehr als nur Freunde sein konnten. Bei Iljah jedoch war das anders. Er war rein optisch betrachtet einfach ein Hingucker und dass ich wusste, dass er mich nun mal auch nicht unbedingt hässlich fand, machte das nur noch... ja, was eigentlich? Verlockender? Spannender? Es schien als würde mein Kopf einfach stets nach irgendeinem Nervenkitzel suchen und das hörte bei Männern, die ich nicht gut finden sollte, scheinbar auch nicht auf. Er war ja nicht nur an sich gefährlich und daher mit Vorsicht zu genießen, sondern eben auch noch mein Chef und eigentlich Freiwild der Sorokins. Ob letzteres da auch noch mit reinspielte? Vielleicht ein bisschen. Den Brüdern eins auszuwischen, indem ich mich einfach auf die andere Seite verkroch, wäre eine wahnsinnige Genugtuung für mich, aber eigentlich wollte ich dadurch nicht noch zusätzlich Feuer zwischen den beiden Kartellen entfachen. Es war gut, dass Iljah mich bei jenen Gedanken unterbrach, indem er mir das Wasser vor die Nase stellte. Ich schüttelte kaum sichtbar und eher nur für mich selbst den Kopf und würde mich wohl gerade liebend gern selbst dafür ohrfeigen, dass ich so weit überhaupt auch nur dachte. "Danke.", ließ ich dem jungen Mann meinen Dank und damit auch ein schwaches Lächeln zukommen. Das hielt allerdings nicht besonders lang an. Ich griff nach dem Becher, um einige Schlucke zu trinken und kurz darauf richtete mein Begleiter auch schon eine Frage an mich, die ich gerne umgangen hätte. Eigentlich war ja alles in Ordnung und das Feuer war auch immer noch schön, nur war mir eben kalt und das schmälerte die Freude daran einfach ein Stück weit. Ich zuckte also ein kleines bisschen mit den Schultern, starrte dabei in die klare Flüssigkeit im Becher vor mir und murmelte die Worte "Doch, eigentlich schon." vor mich hin. Erst einige Sekunden später hob ich die Augen dann von dem Wasser an und ließ den Becher los, als ich ein Bein über die Bank schwang und damit kurzzeitig breitbeinig auf jener saß. Einen Moment lang sah ich Iljah aus meiner Sitzposition heraus direkt an, musterte mit den leisen, wenig aussagekräftigen und unvollständigen Worten "Es ist nur..." abschätzend sein Gesicht. Ob ich das Risiko eingehen konnte, dass er das Ganze gleich wieder vollkommen überbewertete? Vermutlich eher nicht, weil es in meinen Augen relativ hoch war und trotzdem stand ich wider besseren Wissens ein wenig zögerlich von der Bank auf. Schob die Hände schon dabei in den schwarzen Mantel und wich den Augen des jungen Mannes von da an gekonnt aus. Drehte mich ihm kurz darauf auch wieder mit dem Rücken zu, ehe ich noch die letzten beiden Schritte rückwärts auf ihn zumachte und dadurch vorsichtig mit dem Rücken an seinen Oberkörper stieß. Erstens war eben primär gerade der Rücken kalt und außerdem hielt ich das auch für vorerst ungefährlicher als mich ihm direkt zuzuwenden, bis ich wusste, wie der Tätowierte auf den von mir gesuchten Körperkontakt reagierte. "...ein bisschen kalt.", vollendete ich meinen vor einigen Sekunden schon begonnenen Satz verspätet, den Blick nach unten auf den Boden geklebt und dadurch das Gesicht ein bisschen in dem fülligen Schal vergraben. Vielleicht half das Herumstehen meinem Körper ja sogar ausreichend mit der Durchblutung und ich konnte mich zeitnah schon wieder von Iljah lösen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irina selbst schien sich nicht wirklich darüber im Klaren zu sein, wo der Schuh denn nun eigentlich drückte oder sie wusste einfach nicht, wie sie es mit Worten auf den Punkt bringen sollte, was in den seltensten Fällen ein gutes Zeichen war. Das bedeutete nämlich, es plagte sie ein persönliches Problem. Eines, dass sie nicht so offen ansprechen konnte, wie sie das vielleicht gewollt hätte und auch wenn sich die rein freundschaftliche Beziehung seit dem unschönen Anfang prächtig entwickelte, konnte ich nachvollziehen, dass ich in dem Fall eventuell eben nicht der richtige Ansprechpartner für sie war. Natürlich würde ich ihr immer mein Gehör schenken, wenn sie das denn wollte, aber wenn letzteres nicht der Fall war, na ja, dann konnte ich nun mal nur bedingt helfen, indem ich versuchte, sie mit einem schrägen Witz wieder aufzumuntern. Ich stieß ein leises, kaum hörbares Seufzen aus, mit dem anfing, darüber nachzudenken, was binnen der wenigen Minuten, in denen wir hier waren, passiert sein konnte, dass ihre bis dato eigentlich sehr gute Laune plötzlich einen Dämpfer verpasst bekam. Ob sie jemanden erspäht hatte, den sie hier absolut nicht sehen wollte? Etwa Kirill oder eine andere, ähnlich ätzende Gestalt vielleicht? Oder war ihr gerade plötzlich eingefallen, dass sie abgelehnt hatte, mit einem ihrer tollen Freunde zum Lagerfeuer zu gehen und jetzt plagte die Serbin ein schlechtes Gewissen, weil sie mit mir gegangen war? Ich konnte in dem Fall nur mutmaßen und war Irina deshalb wirklich dankbar, dass sie zumindest versuchte, dass Problem nun doch irgendwie zu konkretisieren. Auch das brauchte ein bisschen, aber heute war ein guter Tag, was meine Geduld anging. Sie war noch nicht auf die Probe gestellt worden und deshalb ließ ich der jungen Frau auch alle Zeit der Welt, eine treffende Erklärung zu formulieren, die sie an die wenig aussagekräftigen Worte schließlich anhängen wollte, ohne dabei einen angespannten oder gar genervten Eindruck zu erwecken. Stattdessen sah ich sie mit einem ruhigen Blick an, der ihr signalisieren sollte, dass sie sich nicht gehetzt fühlen brauchte und ich ihr auch nicht den Kopf abreißen würde, wenn das Ganze etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Allerdings dauerte es wider Erwarten gar nicht lange, bis Bewegung in die junge Frau kam und sie mir viel mehr mit einer Geste vorab bedeutete, warum sie im Augenblick aussah, als gäbe es ab morgen sieben Tage Regenwetter. Ihr war kalt. Zumindest war das in meinen Augen die einzig logische Erklärung dafür, dass sie mir plötzlich derart nahe kam, obwohl sie sich doch die ganze Zeit über sehr distanziert gezeigt hatte. Vorhin in der Wohnung auf dem Sofa auch am komplett anderen Ende Platz genommen hatte und es auch sonst nicht darauf anlegte, mir näher zu kommen, als das unbedingt nötig war. Andererseits wäre es auch eine Möglichkeit gewesen, mir diese Information auch einfach mitzuteilen und sich zu erkundigen, ob sich in meinem Auto eventuell eine Decke befand - was ja durchaus der Fall war -, aber ich wollte ihre Entscheidung nicht unbedingt hinterfragen. Am Ende bildete ich mir darauf viel zu viel ein und das wäre vermutlich weniger gut, als wenn ich die Annäherungsversuche der jungen Frau einfach unkommentiert stehenlassen würde. War ja außerdem auch gar nichts dabei. Klar, konnte man in diese Aktion jetzt viel mehr hineininterpretieren, als das vielleicht gut war und eventuell zierte auch ein schwaches, triumphierendes Grinsen meine Lippen, aber zu einer guten Freundschaft zählte ja wohl auch, füreinander da zu sein, oder? Und wenn ich dadurch den Titel einer menschlichen Heizung vermacht bekam, dann hieß das ja nun noch lange nicht, dass von heute an in der Zukunft irgendwie innigere Dinge zwischen uns passierten. Ich würde es selbstredend absolut begrüßen, aber Irina gegenüber den Kaiser von China zu spielen funktionierte leider nicht. Sie zu bedrängen ließ sie erfahrungsgemäß ziemlich zickig werden und sich vor mir verschließen, was natürlich die absolut gegenteilige Reaktion war, die ich eigentlich hatte erzielen wollen. Die Schwarzhaarige brauchte nun mal ihre Zeit und das hatte ich verstanden. Das Tempo und die Art, wie sich unsere Beziehung entwickelte musste also von ihr ausgehen und unabhängig davon, ob es in diesem Fall wirklich nur an der Kälte lag oder sie vor einem anderen Hintergrund meine Nähe suchte... machten wir doch ziemlich große und nennenswerte Fortschritte. Nichtsdestotrotz kam das natürlich etwas überraschend für mich und ich stand sicherlich auch gut eine halbe Minute einfach nur reglos mit dem Wasser in der Hand dar und sah auf den schwarzhaarigen Zwerg vor mir hinab, ehe ich schwach mit dem Kopf schüttelte und mich dadurch von der Frage, ob sie das im Nachhinein nicht eventuell bereuen würde, wenn ich darauf einstieg, löste. Dann legte ich allerdings relativ bestimmt - warum auch zögerlich sein, wenn der erste Schritt von ihr ausging? - den freien Arm über ihre Schulter und ließ ihn etwa parallel zu ihrem Schlüsselbein über der Brust liegen, sodass der Abstand zwischen ihrem Rücken und meinem Oberkörper auf ein Minium reduziert wurde. Im Anschluss daran atmete ich einmal tief durch und wandte mein Blick schließlich von den schwarzen Flusen in Form von Irinas Haaren - mehr sah ich ja gerade nicht - ab, um ihn stattdessen wieder direkt auf das Feuer vor uns zu richten. "Und ich dachte schon, es wäre irgendwas, wobei ich nicht helfen könnte.", stellte ich nach einer schier unendlich langen Zeit der Stille fest und wieder zierte ein durchweg amüsiertes Grinsen meine Lippen. Auch meine Stimme klang wieder gut gelaunt, wo ich doch nun wusste, dass das Problem der jungen Frau eigentlich kein richtiges Problem war. Es war vielleicht eine gewöhnungsbedürftige Methode, das ihr auf der Seele brennende Anliegen zu solvieren, aber mich persönlich störte das jetzt ehrlich gesagt nicht. Irina offensichtlich genau so wenig, weil sie ansonsten wohl kaum die Grenze der rein platonischen Freundschaft riskiert hätte, die in meinen Augen relativ großzügig abgesteckt war.
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Es wäre sicherlich entspannter für mich den Kopf einfach mal ein bisschen auszumachen und damit aufzuhören, mir durch ewiges Hinterfragen von absolut Allem selbst auf die Nerven zu gehen. Nur war das eben nicht ganz so einfach, wenn der Tätowierte erst einmal so gut wie gar nicht reagierte. Könnte theoretisch natürlich sein, dass er innerlich oder auch äußerlich gerade wie ein Honigkuchenpferd grinste oder anderweitig sowas wie Freude oder Zufriedenheit zum Ausdruck brachte, aber das konnte ich aus meiner aktuellen Position heraus eben nicht sehen und so quälte mich eine halbe Minute lang der Gedanke, ob ich vielleicht doch lieber wieder flüchten sollte. Wenn er in der Zwischenzeit vielleicht wenigstens was gesagt hätte, hätte das meine innerlich doch stetig weiter ansteigende Nervosität unter Umständen gelindert. Er regte sich aber auch verbal kein bisschen und so war ich kurz davor doch lieber einen Schritt nach vorne und wieder von ihm weg zu gehen, als Iljah sich doch zu bewegen begann. Seinen Arm anhob und ihn fast wie selbstverständlich auf der Höhe meines Schlüsselbeins um mich legte. Mich damit darin bestärkte, dass gleich nicht die Hölle aufbrechen oder die Erdkugel in zwei Hälften brechen würde, weil ich einen Fehltritt gemacht hatte - übertrieben gesagt, aber ich war wohl leider einfach eine dramatisch veranlagte Person. So atmete ich selbst wohl auch ein wenig tiefer durch und schloss einen kurzen Moment lang die Augen. Trotzdem wollte sich meine innere Unruhe auch mit den Worten, die kurz darauf seitens des Schwarzhaarigen noch folgten, noch nicht so ganz legen. Doch, er konnte mir sehr wohl aus meiner kleinen Misere hier helfen. Sogar auf mehreren, unterschiedlichen Wegen. Womöglich wäre es auch weit schlauer gewesen ihn einfach nach einer anderen Möglichkeit des Warmhaltens - einer Decke, vielleicht auch einem Pulli - zu fragen und ihn einfach zum Auto loszuschicken, aber vielleicht testete ich Grenzen auch einfach gerne ein bisschen aus. Es war schließlich das körpereigene Adrenalin, das einen zu ungeahnten Hochgefühlen beflügeln konnte, durch die man sich so herrlich belebt fühlte. Meistens nicht lange, nur für ein paar Minuten, aber das reichte schon. Iljah war vielleicht weniger wie ein Heizkörper und mehr wie eine Herdplatte - auf gewisser Distanz war sie angenehm warm, kam man zu nah ran oder fasste sie gar an verbrannte man sich aber ziemlich schmerzhaft. Bisher stand ich aber noch nicht in Flammen und je länger ich an ihn gelehnt dastand und überwiegend auf seinen Arm heruntersah, desto weniger stellte ich die ganze Geschichte hier in Frage. Der Tätowierte war angenehm warm, auch wenn es einen Moment lang dauerte, bis durch die mehreren Schichten Klamotten wirklich richtig etwas davon spürbar wurde und seine Hand blieb auch da, wo sie war. Rutschte nicht ganz versehentlich tiefer oder versuchte sich gar zwischen Schal und Kragen meines Mantels durchzuschieben, also lehnte ich mich nach einer kleinen Weile etwas mehr gegen ihn. Nicht so, dass mein gesamtes Körpergewicht von ihm gehalten werden musste, aber er diente doch als kleine Stütze, damit ich hier und da einfacher eines meiner Beine ein bisschen entlasten konnte. Vermutlich hätte ich spätestens jetzt, wo mein Rücken langsam wieder ein Stück weit aufgewärmt war und ich nicht mehr drohte zu zittern wieder Distanz zu dem jungen Mann suchen sollen, um zu viel Nähe zu unterbinden - so weit zumindest die Theorie meines Verstands, der aktuelle jedoch relativ wenig zu melden hatte. Es war gar nicht so schwer erfolgreich zu verdrängen in wessen Armen ich mich hier gerade befand, wenn ich parallel dazu die von Iljah ausgehende Körperwärme genießen konnte. So als würde mein Unterbewusstsein nur nach zusätzlichen Gründen dafür suchen das Ganze noch ein bisschen mehr auszukosten wies es mich erfolgreich darauf hin, dass meine Hände jetzt aber trotzdem immer noch kalt waren. Zwar waren die Taschen meines Mantels bis zu einem gewissen Grad gefüttert, aber das reichte eben irgendwann nicht mehr aus, wenn der weibliche Körper damit begann die Wärme an Händen und Füßen einzusparen, um sie stattdessen auf die lebenswichtigen Organe zu fokussieren. Ich glaubte auch nicht, dass sich an den kalten Fingern noch etwas ändern würde, solange ich draußen blieb und sie nicht stattdessen zwischen meine Oberschenkel und die warmen Autositze klemmte, wenn ich keine andere Lösung dafür fand. "Doch, kannst du...", setzte ich sicher erst nach gut fünf Minuten dazu an irgendwas auf Iljahs vorherige Worte zu erwidern. Wieder war es mehr nur ein leicht undeutliches Murmeln, weil ich mich eben doch nicht so ganz zu einhundert Prozent sicher mit dem fühlte, das ich jetzt im Begriff war zu tun. Ich biss mir ein klein wenig auf der Unterlippe herum, als ich mich wieder vollends zurück auf beide Beine stellte und mich langsam zu dem großgewachsenen, jungen Mann umdrehte. Allerdings noch immer ohne ihn anzusehen, weil ich mich damit gerade etwas wohler fühlte. Denn ich zog die eisigen, leicht zittrigen Finger aus den Jackentaschen hervor, um damit nach den Knöpfen seines Mantels zu greifen und ihn zu öffnen, damit ich kurz darauf die Hände auf Bauchhöhe an seinem Oberkörper ablegen konnte. Das bisschen Abstand, das sich durch meine Bewegungen zwischen uns gebildet hatte, ließ ich kurz darauf auch wieder verschwinden, indem ich mich erneut gegen ihn lehnte und daraufhin die Worte "...ein bisschen zu gut sogar." an meinen vorherigen Satz anhängte, sie mit wieder geschlossenen Augen an seine Brust nuschelte. Spätestens Morgen - oder eher später, wenn ich im Bett lag und deswegen dann nicht einschlafen konnte - würde ich mich selbst wieder dafür verfluchen oft lieber nach Bauchgefühl als nach meinem Kopf zu handeln... aber das war so herrlich leicht, wenn es sich gut anfühlte. Trug Iljah dieses Parfüm eigentlich immer?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bis auf das allgemeine Raunen der umstehenden Leute, dem Knistern des Feuers und der leise im Hintergrund vor sich hin dudelnden Musik wurde es dann eine ganze Weile lang erst einmal still zwischen uns. Für mich bedurfte die Geschichte aber wie gesagt auch keiner großen Worte und ich erwartete nicht, dass Irina sich noch irgendwie dazu äußerte. Ich nahm das Ganze schlichtweg gelassen und konzentrierte mich schon sehr bald wieder auf die wärmenden Flammen vor uns, ohne dem aktuellen Umstand viel mehr Beachtung zu schenken. Erst, als die junge Frau vor mir nach etwa fünf Minuten dann doch noch einmal ihr Wort an mich richtete und sich parallel dazu leicht aus meinem Griff zu winden begann, hob ich meinen Arm etwas an. Sie sollte schließlich nicht das Gefühl bekommen, ich würde sie jetzt konsequent bei mir halten wollen, auch wenn wir meiner Meinung nach ruhig noch einen Augenblick lang so hätten stehenbleiben können. Zwar fingen beide meiner Hände zu frieren an, weil sie nun ungeschützt den kalten Außentemperatur ausgesetzt waren, aber für zehn, vielleicht zwanzig Minuten hätte ich das bestimmt noch ausgehalten. Gerade weil die Bestätigung seitens der Schwarzhaarigen, dass ich als Problemlöser durchaus taugte, schon ein Stück weit mein Ego streichelte. Mir war durchaus bewusst, dass ich eine anziehende Wirkung auf den Großteil der Frauenwelt hatte, aber das auch noch bestätigt zu bekommen, selbst wenn es dabei nur um ein bisschen angenehme Körperwärme ging, tat schlichtweg gut. Ich war niemand, der eifrig nach Bestätigung strebte, weil ich von mir selbst nun mal einfach am meisten hielt und das, zumindest in meinen Augen, deutlich wichtiger war, als es anderen Recht machen zu wollen, aber aufgrund der Tatsache, dass ich der Dunkelhaarigen grundsätzlich nicht abgeneigt war, freute es mich natürlich, sie indirekt noch ein wenig von mir überzeugen zu können. Jedenfalls dachte ich, dass wir die Kälte nach der mehrminütigen Kuscheleinheit bereits wieder aus ihren Knochen vertrieben hatten und sich Irina deshalb von mir löste, um die Situation nicht noch seltsamer werden zu lassen, als sie das ohnehin schon war, aber ganz offensichtlich stand ihr viel eher im Sinn, genau das anzustreben. Die ultimative Verwirrung, zumindest auf meiner Seite, auszulösen, indem sie noch einen Schritt weiter ging. Es wäre vielleicht übertrieben zu sagen, dass ich mich nicht mehr regen konnte, als Irina anfing, die Knöpfe meines Mantels zu öffnen - in einer Situation, die einem fremd war, in eine Schockstarre zu verfallen kam bei Verhandlungen mit Kunden oder Geschäftspartnern nun mal einfach nicht gut, konnte einem unter Umständen vielleicht sogar den Kopf kosten -, aber ich sah sie definitiv ziemlich verwirrt an. Das würde der jungen Frau ziemlich sicher aber nicht auffallen, weil sie sich vor einem Blick in mein Gesicht noch immer scheute. Vermutlich deswegen, weil sie sich selber noch nicht zu einhundert Prozent darüber im Klaren war, wohin das Ganze hier jetzt eigentlich führen sollte. Wie gesagt, es konnte für mich auch auf rein freundschaftlicher Basis gerne inniger werden und ich drehte ihr da auch echt keinen Strick draus. Vor allem dann nicht, wenn ihr wirklich kalt war, aber man konnte nun mal auch nicht behaupten, dass die Sache nicht trotzdem irgendwie schräg war. Irina, meine Mitarbeiterin, die sich eingangs darüber echauffiert hatte, dass ich ihr ungefragt eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und seitdem immer einen absolut überzogenen Sicherheitsabstand zu mir einhielt - wenn wir nicht gerade auf einer Bank, wo viele andere Leute um uns herumsaßen, nebeneinander hockten -, zog mich hier vor versammelter Mannschaft beinahe aus, um sich unter meinem Mantel zu verkriechen. Es war eine absurde, aber irgendwie auch amüsante Geschichte, die mir vermutlich niemand glauben würde. Gut, dass ich ohnehin nicht vorhatte, darüber Irgendjemanden Bericht zu erstatten. Ging schließlich niemanden etwas an, das war eine alleinige Angelegenheit zwischen der Serbin und mir. Dieses Mal brauchte ich nicht einmal ansatzweise so lange, um auf die etwas skurrile Situation zu reagieren, sondern regte mich bereits, als gerade der letzte Knopf durch die dünnen Fingerchen geöffnet wurde, um meinen Plastikbecher hinter Irina auf dem Tisch abzustellen. So hatte ich schließlich beide Arme frei, die ich um den zierlichen Körper der Schwarzhaarigen legen konnte, deren Hände ich wenig später auf Bauchhöhe an meinem Körper spürte. Ich zupfte rechts und links noch etwas den Mantel zurecht, damit ein kleiner Teil zumindest an den Schultern Irinas lag und diese vor der Kälte schützten, ehe ich wieder auf sie hinabblickte und meine Nase daraufhin ein wenig nachdenklich in ihrem Haaransatz vergrub. Bedingt durch den Zopf war das zwar nicht ganz so leicht, aber es war dennoch ein Stück weit bequemer, das Kinn einfach auf ihrem Kopf abzulegen, während ich von uns beiden nunmehr der Einzige war, der noch etwas von dem Lagerfeuer sehen konnte. Aus Irinas Position heraus war das schlicht und ergreifend nun mal nicht möglich. "Ich fasse mal kurz zusammen... wir haben uns jetzt eine ganze Weile lang ziemlich ausgiebig unterhalten und ich habe dich das ein oder andere Mal zum Lachen gebracht. Mein Humor scheint also gar nicht so schlimm zu sein... Außerdem fungiere ich augenscheinlich sehr gut als menschliche Heizung aka starke Schulter zum Anlehnen und habe für dein Problem nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch einen offenen Mantel. Wenn du mich fragst, dann konnte ich dich zweifelsfrei von meinen anderen Qualitäten überzeugen.", stellte ich hörbar amüsiert in ihr Haar nuschelnd fest und spielte damit ein weiteres Mal auf den Abend an, der gen Ende leider mit einer ziemlich dreisten Unterstellung an meiner Person geendet hatte. Damals hatte mich Irina gefragt, was mich denn meiner Meinung nach dafür qualifizierte, in das eng gestrickte Muster ihrer Männerwahl zu passen. Na ja, also wenn das nicht mittlerweile ziemlich offensichtlich war, dann wusste ich ja auch nicht. Dabei stand mir keinesfalls im Sinn, der jungen Frau auf den Schlips zu treten oder sie in die Flucht zu jagen, nur konnte ich nach der Erkenntnis natürlich nicht meine Klappe halten. Mittlerweile waren wir jedoch an einem Punkt angekommen, an dem Irina wissen dürfte, wann ich ihr mit Worten wirklich etwas Böses wollte und wann ich einfach amüsiert ein paar Fakten zusammenfasste, die sich schlichtweg nicht widerlegen ließen, ohne dass man sich dabei in Widersprüche verstrickte. Sie konnte beispielsweise nicht behaupten, dass der ein oder andere Witz, über den sie herzhaft gelacht hatte, eben nicht witzig gewesen war. Dafür war der Ausdruck von Freude einfach viel zu ehrlich gewesen. Und gerade aufrichtiges Gelächter konnte man nur sehr schwer faken.
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Doch, so ließ es sich wirklich ganz gut aushalten. Die Finger tauten durch die direktere Nähe zu Iljahs Körper sogar etwas schneller auf als mein Rücken und damit waren dann wohl höchstens noch meine Fußzehen etwas kalt. Die kalten Füße waren bei mir aber bei den kühleren Jahreszeiten sowieso fast chronisch, also war das so ziemlich der einzige Punkt an meinem Körper, dem ich beim runterkühlen etwas weniger bis keine Beachtung schenkte. Außerdem gab es für die jetzt sowieso keine Möglichkeit zum Auftauen, also war das hinfällig. Meine Finger hingegen wurden stückweise immer wärmer und ich hatte auch nichts dagegen, dass der junge Mann seinen Kopf ein wenig auf meinem abstützte, auch wenn das nicht weniger ungewohnt war als das restliche Unterfangen. Ich wünschte mir auch wirklich, dass ich mich nicht so schnell an seine Nähe gewöhnen würde. Zwar hatte ich zweifelsfrei noch immer recht großen Respekt vor dem Tätowierten, aber zumindest in der aktuellen Situation war da keine Angst vor ihm mehr. Es wäre etwas anderes, wenn er das kleine bisschen Kuscheln plötzlich als selbstverständlich ansehen oder mich förmlich mit seinen Armen zerquetschen würde, weil er mich irgendwie krampfhaft an sich drückte. Er gab mir jedoch zu keiner Zeit das Gefühl, dass ich bedrängt wurde und das spielte ihm wohl zweifelsfrei ziemlich stark in die Karten. Es war nicht so, als könnte ich nicht durchaus auch passivere Haltungen einnehmen und damit zufrieden sein, aber solange noch ein gewisses Maß an Unsicherheit in meinem Inneren mitschwang war es eher nicht anzuraten, mich in irgendeiner Art und Weise unter Druck zu setzen. Iljah war nicht dumm und schien sich dessen nach meiner ersten, ziemlich forschen Abweisung auch bewusst zu bleiben. Passte sich mir lediglich bedacht an und das schien sich unweigerlich auf mich auszuwirken. Gefährlich und absolut nicht gut, aber die Konsequenzen mal eine kleine Weile lang hinten anzustellen war nicht allzu schwer, während ich weiter seinen Geruch einatmete und zwangsweise unter meinen Fingern seinen athletischen Körperbau spürte. Immerhin drückte ich die Handflächen schon ein klein wenig gegen seinen Körper, damit sie eben möglichst schnell auftauten und dabei war es unvermeidlich, dass mir auffiel, dass er regelmäßig irgendeine Art von Sport betreiben musste. Natürlich fiel mir das nicht zum ersten Mal auf, denn auch beim bloßen Ansehen war ersichtlich, dass der junge Mann sich fit hielt. Es war nur eben eine andere Stufe das auch unter den zierlichen Fingern zu spüren, statt nur hinzusehen. Gedanklich dankte ich Iljah deshalb auch dafür, dass er erneut das Wort an mich richtete und mich davon abhielt noch weiter darüber zu philosophieren. Mein Kopf steuerte in eine sehr ungute Richtung und der Dunkelhaarige wies mich prompt auch noch darauf hin, indem er mir gekonnt vor Augen hielt, für wie unmöglich ich es vor ein paar Wochen noch gehalten hatte, dass ich mal so mit ihm irgendwo herumstehen würde. Ich konnte nicht anders als daraufhin leise an seine Brust zu seufzen und danach dann doch mal den Kopf anzuheben, wodurch er sich automatisch ein Stück weit zurückziehen musste. So konnte ich ihn dann auch das erste Mal seit einer ganzen Weile wieder ansehen, legte es darauf an seine Augen mit meinen zu fokussieren. "Ja, Iljah. Ich mag deinen Humor und deine anderen Qualitäten", ich fand diese Formulierung noch immer ein bisschen unpassend, das war nur aktuell eher weniger von Belang, "sind auch nicht schlecht, aber du bist eher Kategorie Ofen und nicht Heizung. Nah ran gehen ist okay, anfassen eigentlich eher keine gute Idee.", ließ ich den jungen Mann mit leicht zusammen gekniffenen Augen an meinen vorherigen Gedanken teilhaben. Womöglich goss ich damit nur noch mehr Öl ins Ofenfeuer, aber es dürfte ohnehin schon relativ offensichtlich für ihn sein, dass ich ihn keineswegs mehr so scheute wie noch zu Anfang. Andernfalls würde ich ihm ja kaum förmlich in den Mantel kriechen, um meinen Körper auf Betriebstemperatur zu halten. Denn auch dabei fühlte ich mich inzwischen bei Weitem nicht mehr so unsicher wie noch zu Beginn. "Wärst du also wenigstens so nett mich nicht auch noch auf meine chronisch veranlagte Inkonsequenz hinzuweisen? Ich weiß nämlich schon lang, dass die nicht nur in Hinsicht auf Alkohol eins meiner größten Probleme ist.", hängte ich eine rhetorische Frage inklusive sarkastischer Bemerkung an und streckte ihm dann für einen Moment lang provokant die Zunge raus, wobei unweigerlich das Piercing zum Vorschein kam, das heute lediglich aus einer simplen, goldenen Kugel bestand. Ich zog goldenen und roséfarbenen Schmuck ganz allgemein silbernem vor, weil die warmen Töne zu meinen dunklen Haaren und dem leicht gebräunten Teint meiner Meinung nach einfach besser passten. Allerdings verschwand meine Zunge ziemlich bald schon wieder hinter meinen Lippen und parallel dazu kniff ich Iljah mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand ein bisschen in den Bauch. Ich konnte seine Worte nun mal leider nicht verneinen oder gar widerlegen, weil sie ungünstigerweise vollkommen der Wahrheit entsprachen, also musste eine andere Form von Konter herhalten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irinas Worte waren wie Musik in meinen Ohren, weil sie mich schlichtweg ein weiteres Mal darin bestätigten, dass sich Geduld in den meisten Fällen eben doch auszahlte, auch wenn es hier gerade lediglich um ein paar Kuscheleinheiten und bestätigende Worte ging. Vollkommen egal. Fakt war, dass Irina mir sehr offensichtlich doch nicht ganz so leicht widerstehen konnte, wie ihr das vielleicht lieb gewesen wäre und so ließ es sich leider auch nicht vermeiden, dass ich wie ein frisch gebackenes Honigkuchenpferd bis über beide Ohren grinste, als sie sich ein Stück von mir löste, um mich nach der nun doch verhältnismäßig langen Zeit endlich wieder anzusehen. Es freute mich einfach, dass ich mit meinen Einschätzungen wie gewohnt richtig lag und machte daraus auch absolut keinen Hehl. Irina schien damit aber ganz gut umgehen zu können, denn andernfalls hätte sie meinem Blick wohl nie im Leben so lange standgehalten und kurzzeitig wünschte ich mir das sogar - dass sie einfach wieder wegsehen würde, meine ich. Der Grund dafür war so simpel, wie er bescheuert war, denn es lag schlicht und ergreifend an der langen, zu einem Zopf gebundenen Mähne, die mir durch das Hochsehen der jungen Frau über den Handrücken kitzelte und damit für einen Moment lang das Bedürfnis in mir auslöste, die Masse an Haar zu packen und sie dadurch zu zwingen, den Kopf noch einen weiteren Moment lang in der auf lange Sicht ziemlich unangenehmen Position zu halten, um mich an dem schmerzverzerrten Gesicht zu erfreuen. Dass ich mich dahingehend allerdings zurückhielt und stattdessen zur eigenen Ablenkung lieber über die Worte der Serbin lachte, musste ich sicherlich nicht noch extra erwähnen, oder? Der Abend hatte zwar nicht besonders schön angefangen, nahm aber doch zunehmend an Fahrt auf und da wollte ich die ganzen kleinen Errungenschaften nicht direkt mit Vollgas gegen die nächstbeste Wand setzen. Ich schüttelte die etwas schrägen Gedanken also mit einem leichten, kaum sichtbaren Kopfschütteln ab, ehe ich eine Hand hinter dem Rücken der jungen Frau hervor zog, um mit einem nachdenklichen Lächeln auf den Lippen - von dem vorangegangenen Grinsen war keine Spur mehr, auch wenn ich weiterhin bei bester Laune war - eine lose Haarsträhne aus ihrem Gesicht und hinter das Ohr zu streichen. Ich konnte mich natürlich auch irren, empfand das nun allerdings als nicht mehr ganz so unpassend, wie noch vor ein paar Wochen in meinem Büro, weshalb ich auch nicht unbedingt eine negative Reaktion der Schwarzhaarigen erwartete. Vielleicht belehrte sie mich aber auch gleich eines Besseren, was ebenfalls verständlich gewesen war. Schließlich war ich hier gerade lediglich ein Mittel zum Zweck und war mir dessen auch durchaus bewusst. Es stand mir also definitiv nicht zu, hier eigenmächtig Entscheidungen zu fällen, was den Umgang mit Irina anging, wenn ich dem Ganzen nicht einen ganz klaren Cut setzen und die Dunkelhaarige von mir schieben wollen würde. Und trotzdem reizte ich Grenzen nicht weniger gerne aus, als es die junge Frau tat und schenkte der Geste deshalb kaum mehr wirklich Beachtung. Ich seufzte lieber leise, nachdenklich und nickte dann vorsichtig, um die Serbin in ihrer Annahme zu bestätigen. Da gab es schließlich nichts dran schönzureden. Ich war nun mal einfach ein Arschloch. Ja, ich konnte nett zu Frauen sein, aber in den meisten Fällen war das alles doch nur Fassade und damit temporär. Außerdem glaubte ich zudem nicht, dass ein paar Stunden mit dem liebevollen und netten Iljah ausreichten, um meinen ansonsten so ekelhaften Charakter und die noch viel skurrileren Vorlieben in den Hintergrund rücken zu lassen. Da brauchte es vermutlich eine Person, die mindestens genau so kaputt war, wie ich selbst, wenn nicht sogar noch ein Stück weit irreparabler. Aber genug davon, mir ging es ja auch überhaupt nicht um eine Beziehung mit der schlanken Schönheit. Eine Freundschaft mit gewissen Boni würde mir ja schon vollkommen ausreichen und würde weder für die junge Frau, noch für mich selbst irgendwelche nennenswerten Risiken bergen. Ja, auch in einer Freundschaft Plus Beziehung konnte ich schwierig im Umgang sein, aber es machte doch einen erheblich großen Unterschied, ob jemand mir gehörte oder ich denjenigen lediglich benutzte. Bis ich das aber lang und breit erklärt hatte, würden wir hier sicher in zwei Wochen noch stehen, also ließ ich es ganz einfach bleiben und zuckte nur etwas mit den Schultern. "Da könntest du Recht haben...", pflichtete ich Irina indirekt bei, dass die Vermutung gar nicht so weit hergeholt war, weil sie durchaus zutraf. Ich wusste natürlich nicht, wie sich eine eventuell intimere Beziehung letztlich genau auf meine Partnerin und mich auswirken würde, aber ich war mir auch nicht sicher damit, ob Irina das wirklich herausfinden wollte, wo sie mir doch anvertraut hatte, dass sie mit Männern im Allgemeinen eher unschöne Erfahrungen hatte sammeln dürfen. Da wollte ich ihr zumindest jetzt noch einen entsprechenden Schock in diese Richtung wirklich ersparen. Ich zuckte ein klein wenig zusammen, als mich die zierlichen Finger der jungen Frau in die Seite stachen, allerdings mehr aus Reflex, als dass ich wirklich kitzelig war, dann lachte ich wieder leise und musterte im direkten Anschluss das wirklich hübsche Gesicht der in meinen Armen liegenden Serbin. Nicht sehr lang, vielleicht für ein paar Sekunden, bis mein Blick wieder zum Feuer wanderte und sich in den emporragenden Flammen verlor. "Wenn du erst einmal in meinem Alter bist, wirst du merken, wie viel Spaß das macht, so jungen Küken ihre Defizite unter die Nase zu reiben.", stellte ich belustigt vor mich hin grinsend fest, als ich meinen Arm, mit dessen Hand ich gerade die Haarsträhne aus ihrem Gesicht gewischt hatte, wieder um ihren zierlichen Körper legte. "Es tut mir also sehr leid, dir mitteilen zu müssen, dass es mir nicht leid tut und ich dich sehr wohl noch einmal darauf hinweisen werde, dass du ganz offensichtlich auf ziemlich schräge, alte Männer stehst und ich da perfekt ins Bild passe.", fügte ich ein paar neckende, aber durchweg sarkastische und ironische Worten hinzu, wobei mein Blick dann doch wieder den ihren suchte. Dabei leuchtete ein herausforderndes Funkeln in meinen Augen, der ziemlich deutlich machen dürfte, wie viel Spaß mir die Unterhaltung mit ihr gerade machte. Und das... hatte verschiedenste Gründe.
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Er machte es schon wieder. Womöglich war ich daran jetzt aber auch gänzlich selbst schuld. Ehrlichkeit war an sich zwar eine wirklich gute Eigenschaft, die ich auch gerne mit mir herumtrug, aber in manchen Momenten war es vermutlich einfach besser, wenn man wahre Worte nicht aussprach. Denn in diesem Fall hier führte meine unverblümte Ehrlichkeit wohl schlichtweg dazu, dass Iljah sich darin bestätigt sah, mich wieder aus eigenen Stücken anfassen zu dürfen - also mehr, als er das ja gerade ohnehin schon tat, weil ich mich nun mal ganz naiv in seine Arme geflüchtet hatte. Damit hatte ich ihm wohl irgendwie automatisch erlaubt seine Hände auch an meinen Körper zu legen und zu sagen, dass ich etwas dagegen hatte, wäre sehr offensichtlich eine Lüge. Ich hörte sie noch irgendwo ganz hinten in meinem Kopf. Die leisen Stimmen, die sich erneut zu Wort zu melden versuchten, während der Tätowierte mir zum zweiten Mal auf im Grunde viel zu angenehme Art und Weise eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Du weißt schon, dass das irgendwie immer noch der gleiche Typ wie im Büro ist, ja? Die Hand gehört nicht an deinen Rücken und noch viel weniger in dein Gesicht. Der Engel auf meiner Schulter war wie immer deutlich leiser als das heimtückische Teufelchen, das mir lieber ein bisschen Spaß gönnen wollte, während ich einen Moment lang beinahe wie versteinert in die Augen des Dunkelhaarigen sah. Er könnte doch wenigstens weniger lebhaft funkelnde, fesselnde Augen haben, oder? Oder zumindest solche, aus denen sich irgendwie ein bisschen was lesen ließ. Ich hatte mich nun schon öfter mit Iljah unterhalten und trotzdem hatte ich immer noch das Gefühl überhaupt nicht zu wissen, woran ich bei ihm überhaupt war - wer er war. Was den Tätowierten anbelangte stand noch immer ein riesiges Fragezeichen für mich im Raum und ich hasste das. Allein schon deshalb, weil ich unfassbar neugierig war und das nicht selten an Stellen, wo ich das bleiben lassen sollte. Ich sollte nicht für zwei oder drei Sekunden auf seine Lippen sehen und darüber nachdenken, ob der optisch eher respekteinflößende, junge Mann beim Küssen womöglich genauso einfühlsam war, wie beim hinters Ohr streichen meiner Haare. Als ich mich bei diesem Gedanken ertappte ließ ich das Kinn aber recht schnell sinken und sah einen Moment lang zur Seite weg. "Hab ich dir nicht eigentlich gesagt, dass du das lassen sollst..?", stellte ich ihm eine eher nur gemurmelte, rhetorische Frage. Eigentlich hatte die ganz anders klingen sollen. Deutlich kräftiger und mindestens ein bisschen anschuldigend - keines von beidem bekam ich hin, während die Nervosität wieder in mir nach oben kroch, sich meine Wangen in ein zartes Rosa hüllten und mein Herz einen Gang höher schaltete. Ich atmete ein wenig tiefer durch und schloss kurzzeitig die Augen, bis der Tätowierte sich erneut zu Wort meldete und mich auch noch mehr oder weniger darin bestätigte, dass es keine so gute Idee war sich nun ausgerechnet in seine Arme zu flüchten. Spätestens jetzt wäre also eigentlich der perfekte Moment gewesen, um mich von ihm zu lösen und ihn wieder den einzigen Bewohner in seinem Mantel sein zu lassen. Ihm zu sagen, dass ich für heute dann genug hatte und nach Hause wollte. Natürlich war aber nichts davon passiert, als ich ein bisschen vorsichtiger als zuvor wieder zu ihm nach oben sah. "Siehst du, ich sag's ja: Ich ziehe Arschlöcher magisch an.", ließ ich ihn wissen, dass das eine Sache war, mit der ich wiederum Recht behalten würde und blinzelte dabei übertrieben mit nur allzu lieblichem Lächeln zu ihm hoch. Es klang aber wohl weniger wie eine Anschuldigung oder eine ernst gemeinte Beleidigung, sonst würde ich mich ja parallel dazu von ihm distanzieren. Aber ich war eben nur gerne naiv und deswegen nicht dumm - ich wollte gerne glauben, dass Iljah so war. Ein Gentleman, zuvorkommend, sich meinem Tempo der Dinge anpassend, einfach ein guter Kerl. Aber eigentlich wusste ich, dass das nicht wirklich wahr sein konnte. Er war der Kopf einer kriminellen Organisation und konnte damit ganz einfach nur einen ordentlichen Knacks in der Birne haben. Ich wusste nur leider nicht, wie der genau aussah und ich war mir fast sicher damit, dass er so lange verlockend bleiben würde, bis ich das Ausmaß kannte und dann lieber die Beine in die Hand nehmen wollte. An diesem Punkt war es nur meistens leider schon zu spät zum umdrehen. Auf Iljahs noch folgende Worte hingegen konnte ich nur die Augen verdrehen und den Kopf schütteln. "Du tust so als wäre ich unberührte 15 und du steinalte 50.", schilderte ich ihm ironisch, wie das in meinen Augen gerade geklungen hatte. Ich meine, ja, er war schon ein paar Jahre älter als ich und hatte sehr wahrscheinlich schon einiges mehr im Leben gesehen, als das bei mir der Fall war... aber er tat ja so als wäre ich ein Kind, das noch nicht einmal verstanden hatte, dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe war. Mit seinen letzten Worten setzte er dem Ganzen wirklich die Krone auf. Galt hier jetzt Narrenfreiheit und er hatte den Gentleman wieder in der Kiste unterm Bett verstaut? "Und du bist die perfekte Bestätigung dafür, dass es anders echt besser wäre, Mister.", meinte ich nur sarkastisch, wenn auch eher gemurmelt und fing dann mit wieder gesenktem Blick doch lieber mal damit an leichten Druck mit meinen Händen auszuüben, um Distanz zu Iljah aufzubauen. Ich wollte noch immer nicht, weil er so angenehm warm war und unfassbar anziehend roch, aber das Gespräch verlief einfach in eine zunehmend immer ungünstigere Richtung und ich wollte Schlimmeres ganz gerne verhindern. Jetzt, wo ich das noch konnte. Diese ganze Freundschaftskiste würde von jetzt an vermutlich eher schlecht funktionieren, wenn mir doch schon jetzt Dinge im Sinn standen, die da nie hätten hinkommen sollen. Ich schien den Nervenkitzel und schmale Gratwanderungen wohl einfach zu brauchen. Vielleicht lag mir aber auch einfach nichts mehr am Leben, klang für mich genauso plausibel.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja. Ja, das hatte sie. Und ich wusste auch, dass ich definitiv nicht das Recht dazu hatte, ihre Entscheidung in Frage zu stellen oder sie entgegen ihrer Bitte mehr, beziehungsweise anders, anzufassen, als das für eine simple Umarmung unter Freunden von Nöten gewesen wäre. Trotzdem tat ich es und vermutlich hätte ich mich jetzt besser schlecht fühlen und mich bei Irina entschuldigen sollen, aber wir wussten wohl beide, dass es mir ganz und gar nicht leid tat. Außerdem war vollkommen offensichtlich, dass die Berührung sie gar nicht so sehr zu stören schien, wie sie es gerade versuchte hinzustellen. Die Betonung lag dabei auf versuchte, denn gelingen tat ihr das in meinen Augen nicht wirklich und die Tatsache, dass sie bis dato noch keinerlei Anstalten gemacht hatte, sich von mir zu lösen, untermauerte meine These, dass das mehr oder weniger ein kläglicher Versuch der Schwarzhaarigen war, die Grenze einer normalen Freundschaft nicht zu überschreiben. Aber man sah Irina ohnehin ziemlich deutlich an, dass sie eigentlich etwas anderes dachte, als sie letztlich aussprach und das wiederum zauberte mir ein angetanes Grinsen auf die Lippen. Sie saß sozusagen in der Falle. Egal, was sie jetzt noch sagte, die Schlinge um ihren Hals würde sich immer weiter zuziehen, bis sie schließlich vom Galgen, den ich repräsentierte, baumeln würde. Als Irina im Anschluss an die rhetorisch gemurmelte Frage dann ihren Blick von mir abwandte, verblasste das triumphierende Grinsen aber sofort wieder und ich lauschte aufmerksam den etwas später folgenden Worten der jungen Frau. Diese entlockten mir ein leises Seufzen, weil ich ihr in dem Punkt wohl leider nicht widersprechen konnte, auch wenn ich es gerne getan hätte. Ich kannte Irina zwar noch immer nicht besonders lange, aber meiner Meinung nach brauchte ich das auch gar nicht, um ihr nur das Beste und alles Gute zu wünschen, was einen künftigen Mann anging, der sie mit dem nötigen Respekt und Anstand behandelte. Mein Selbstwertgefühl war zwar enorm groß, aber das änderte trotzdem nichts daran, dass ich keiner Frau eine Beziehung mit mir wünschte. Ich war gut fürs Bett und faktisch gesehen reichte das auch vollkommen aus. Natürlich wünschte auch ich mir ab und an, einfach mal sesshaft zu werden und meinen Kopf am Abend in den Schoß einer mich liebenden Frau legen zu können, aber waren wir mal ehrlich... auf Dauer brachte das doch jene Frau auf einem ziemlich unschönen Weg ins Grab. Kaum einer würde es längere Zeit mit einem vergewaltigenden, mordenden Kriminellen aushalten, der nur ab und an mal ein nettes Wort für eine Frau übrig hatte, die er ansonsten bloß als eine Art Objekt betrachtete. Kurze Zeit später sahen mich die dunkelbraunen Augen eines Rehs wieder an und erneut seufzte ich leise, nachdenklich. Hin und her gerissen, was ich darauf wohl am ehesten erwidern sollte. Dass sie Recht hatte und Männer einfach vergessen sollte? Es vielleicht einfach mal mit dem anderen Geschlecht probierte? Oder sollte ich sie anlügen, um mich damit selbst in ein besseres Licht zu rücken und ihrer Aussage zu widersprechen? Nein, letzteres kam wohl eher nicht in Frage, aber die ersten beiden Optionen erschienen mir auch nicht unbedingt als die ultimative Resonanz. Es dauerte meinen Überlegungen entsprechend eine ganze Weile, bis ich mich schließlich zu Wort meldete. In der Zwischenzeit hatte die junge Frau schon lange weitergeredet und war nun im Begriff, sich von mir zu lösen, was ich allerdings unterband, indem ich sie wieder ein Stück zu mir heran zog. Dabei ließ ich der Dunkelhaarigen selbstredend weiterhin die Möglichkeit, sich aus meinem Griff zu winden, hielt sie auch alles andere als bestimmt an meinen Körper gedrückt, aber es würde ihr trotzdem aussagekräftig genug signalisieren, dass ich noch nicht bereit war, mich von ihr zu lösen und es auch nicht tun würde, wenn Irina sich nicht konsequent dazu entschied, Distanz zu mir aufzubauen. "Dir zu widersprechen wäre vermutlich schwachsinnig...", stellte ich mitten im Vergleich unserer beiden Alter etwas aus dem Kontext gerissen fest, während der rechte Arm wieder locker neben meinem Körper baumelte. Quasi als zusätzlicher Hinweis, dass es ihr jederzeit freistand, sich aus meiner Umarmung zurückzuziehen, wenn es ihr zu viel wurde. "...aber dir zuzustimmen auch. Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, Irina. Und auch wenn du keine fünfzehn mehr bist und ich von den fünfzig noch weit entfernt, kann ich dir definitiv sagen, dass es da auch noch hellgrau, blaugrau, dunkelgrau und viele andere nette Farbtöne gibt...", ich gestikulierte zu den sarkastisch angehauchten Aufzählungen beiläufig mit der freien Hand durch die Luft, "...na ja und was ich dir damit eigentlich sagen will ist, dass es da draußen wohl kaum den perfekten Mann geben wird. Aber das liegt nicht an dir, sondern einfach an der Tatsache, dass wohl jeder so seinen ganz eigenen Knacks hat und sich Arschloch ziemlich individuell definieren lässt.", wurde ich dann wieder etwas ernster, als es mit der Erklärung meiner Weltanschauung langsam zu Ende ging. Dabei wollte ich Irina nicht belehren oder ihr gar die eigene Meinung madig reden, sondern schlichtweg darauf hinweisen, dass sie die Welt schwärzer sah, als sie das eigentlich war. Natürlich konnte ich das nur auf Grundlage der Dinge bewerten, die mir über sie und ihre Vergangenheit bekannt war, aber sie war noch jung. Hatte noch alle Zeit der Welt, selbst tiefe Wunden heilen zu lassen, bevor sie sich meine Worte eventuell zu Herzen nehmen würde. Ich konnte mir persönlich zumindest nicht vorstellen, dass es auf dem großen Planeten Erde nicht einen einzigen Mann oder eine einzige Frau gab, die von allen anderen am wenigstens ein Arschloch war. Kam halt immer ganz darauf an, wen die Serbin als solches identifizierte. War man schon ein Arschloch, weil man sie nicht grüßte? Nicht vor ihr auf die Knie fiel und ihr die Hand küsste? Die Nase zu schief war? Es gab etliche, teils absolut nicht nachvollziehbare Gründe, die jemanden schon negativ dastehen lassen konnten. Andere wiederum schätzten eventuell die ansonsten so verhassten Charaktereigenschaften, das Handeln oder skurrile Meinungen, die sonst kein anderer vertrat. War halt ganz einfach eine Sache der Auslegung und auch wenn ich beispielsweise nicht unbedingt daran glaubte, dass es jemand wirklich gutheißen konnte, dass man mordete oder sich einfach nahm, was man wollte, egal, wer darunter auf welchem Wege auch immer litt, hieß das nicht, dass das unmöglich war. Ich bezweifelte nur stark, dass Irina urplötzlich diejenige war, die sich damit arrangieren konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
An sich war es wohl wenig überraschend, dass Iljah mich weiter bei sich zu halten versuchte. Vielleicht hatte ich nicht deutlich genug gemacht, dass ich weg wollte... was wiederum womöglich daran liegen konnte, dass ich das nur halbherzig wollte. Ich sollte aufhören mir in dieser Hinsicht etwas vorzumachen und einfach akzeptieren, dass ich bis zu einem gewissen Grad ziemlich einsam war. Natürlich hatte ich Freunde, war nicht wirklich allein, aber Freundschaft war etwas ganz anderes als traute, intime Zweisamkeit. Es war nicht so, als würde ich den tätowierten Schwarzhaarigen hier für eine gute Wahl halten - bei Gott, er war vermutlich das absolute Gegenteil von einem perfekten Schwiegersohn. Er war eben nur einer der sehr wenigen, die sich von meiner anfänglich zickigen Art nicht abschrecken ließen. Die meisten anderen kamen ja gar nicht erst bis zu diesem Punkt hier, weil ihnen das Ganze schon vorher zu anstrengend wurde. Sie nicht beharrlich genug waren, um es lang genug zu akzeptieren, dass ich nun mal eine gewisse Zeit brauchte, um mit einem Mann auch nur ein bisschen warm zu werden. Iljah hingegen ließ sich eher wenig bis gar nicht davon beeindrucken, war wohl mit einem relativ geschickten Schachzug nebenher auf den Freundschaftszug aufgesprungen und wie man hier gerade sehr deutlich sehen konnte funktionierte das. Zwar war mir im ersten Augenblick doch etwas unwohl damit, dass er einfach Gegendruck ausgeübt hatte und mich wider meiner Geste weiterhin bei sich hielt, aber es empfing mich die gleiche, kuschlige Wärme bei ihm wie schon zuvor. Für einen kurzen Moment verkrampfte ich mich ein bisschen, während er so vor sich hin zu reden begann, weil es mich eben doch ein bisschen irritierte, dass er mich jetzt bestimmt zu sich zurückzog. Aber es brauchte wohl kaum mehr als fünf Sekunden, bis sich die leicht verkrampften Schultern langsam wieder entspannten, weil sonst nichts Schlimmes passierte. Er hielt mich nur fest und mehr nicht, während er mir verschiedene Farbtöne aufzulisten begann. Kurz darauf dann auch noch etwas deutlicher machte, worauf er hinauswollte und natürlich hatte er damit schon recht. Selbst ein Blatt Papier hatte immer zwei Seiten und ich war zweifelsfrei die Kategorie Frau, die Männer bewusst schnell abstempelte, damit sie einen Grund hatte sie von sich wegzuschieben. Nicht, weil ich hochgradig wählerisch war, sondern weil ich ganz einfach Angst hatte und sie nicht zu bewältigen wusste. Das allein vielleicht auch gar nicht konnte, was wusste ich schon. Ein Therapeut würde da in keinem Fall reichen, also ließ ich das lieber gleich bleiben. Mal ganz davon abgesehen, dass das russische Gesundheitssystem sowieso unbrauchbar war und ein guter Therapeut mich Unsummen kosten würde. "Ich will gar nicht den... perfekten Mann finden, Iljah. Niemand ist perfekt, ich bin ja selbst echt weit davon entfernt...", murmelte ich, mied seinen Blick erneut und sah geradewegs auf seine Brust, bevor ich letztlich meine Wange noch einmal an seinen Oberkörper bettete und dadurch zur Seite wegsah. Perfekt... was war schon perfekt? Alles, aber der Mensch ganz bestimmt nicht. "Ich will auch gar Niemanden, der mir bedingungslos die Welt zu Füßen legt und mir ständig am Arsch klebt. Das ist langweilig und hat keinen Reiz.", stellte ich für den jungen Mann hörbar fest, dass ich nicht der Typ Frau war, dem bedingungslos jede Annehmlichkeit in den Allerwertesten geschoben werden musste, damit sie Ruhe gab. Ich war jung und schön - ohne eingebildet klingen zu wollen - und hätte sicher jede Menge Möglichkeiten dazu einen reichen Macker zu finden, der mich als sein Püppchen neben sich herschleppen wollte, während ich mich in seinem Geld wälzte. Ich verstand nur so gar nicht, wie man als Frau so leben konnte. Es würde mich nichts als unzufrieden machen nicht mehr auf eigenen Beinen zu stehen und im Grunde kein eigenes Leben mehr zu haben, komplett abhängig zu sein. Für mich vollkommen unverständlich. "...aber genauso wenig kann ich Jemanden brauchen, der mich mit Füßen tritt und denkt, dass er alles mit mir machen kann. Ich hab einfach Angst noch eine Million Mal auf die Schnauze zu fliegen und hab auch ohne Männer schon genug Probleme.", murmelte ich weiter vor mich hin. Erst danach fragte ich mich, warum ich ihm das alles überhaupt sagte. Immerhin war ausgerechnet Iljah eines jener Probleme. Aktuell eigentlich sogar das größte von allen, weil ich wirklich schrecklich in der Zwickmühle saß. Weder wollte ich ihm näher kommen und ihn dann ans Messer liefern, weil das erstens absolut hinterlistig wäre und mir zweitens nur weh tun würde, noch wollte ich ihn erneut ganz von mir wegstoßen, weil ich ihn irgendwie... na ja, lieb gewonnen hatte. Er hatte seine Ecken und Kanten und ich war noch sehr weit davon entfernt den Tätowierten wirklich zu kennen, aber er hatte eigentlich eine ganz angenehme Art. War vielleicht ein bisschen schräg auf seine Weise, aber das war ich ja auch und ich wünschte wirklich ich würde anders empfinden. Ich schlug die Lider wieder auf, löste mich jetzt doch deutlich bestimmter von Iljah und sah dabei aber fast etwas wehmütig zu ihm hoch. War ja noch immer nicht so, als würde ich von ihm wegwollen - ich sollte aber, drehte mich deshalb gänzlich von ihm weg und griff schließlich nach dem Becher auf dem Tisch, um etwas zu trinken. Als könnte das kalte Wasser irgendwas daran ändern, dass mein Schädel gerade Kopf stand. Den anderen Arm legte ich schutzsuchend um meinen Körper, sah dann auf das letzte bisschen an klarer Flüssigkeit im Becher runter. "Geh'n wir heim?", fragte ich den Russen mit etwas klarerer Stimme und mir fiel erst gut fünf Sekunden später auf, dass meine Worte durchaus falsch interpretiert werden konnten, waren sie doch nicht ganz eindeutig. Es schien wirklich dringend notwendig zu sein, dass sich unsere Wege mindestens für heute erstmal trennten. Deshalb hob ich die freie Hand auch kurz mit einem Seufzen an, um mir flüchtig über die Augen zu reiben, bevor ich zu Iljah sah. "Also ob du mich Zuhause absetzt, meine ich...", definierte ich das Ganze noch einmal unmissverständlicher uns wendete den Blick ab, um den Becher leerzutrinken. War nicht so, als würde ich gerne wieder allein Zuhause sitzen, aber ich brauchte meinen Wein und den konnte ich im Beisein meines Chefs eher nicht trinken, ohne noch leichtsinniger zu werden als es gerade offenbar nüchtern schon der Fall war. Ich verzichtete also lieber auf Gesellschaft und betrank mich allein, weil einschlafen sehr sicher sowieso nicht drin war. Zumindest nicht ohne Schwips.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
So konnte ein netter Abend natürlich auch zu Ende gehen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass es nicht mehr möglich sein würde, Irinas oder meine Laune am heutigen Tag noch zu trüben, aber ich für meinen Teil empfand das Gespräch und den daraus resultierenden Ausgang - die Schwarzhaarige wollte gerne nach Hause - schon als eine Art Dämpfer. Dabei war mir doch überhaupt nicht im Sinn gestanden, hier jetzt übermäßig ernst zu werden und in nur halb verheilten Wunden herumzustochern, aber dafür hatte ich wohl manchmal ganz einfach ein Talent. Ich kostete die Zeit, in der sich die junge Frau noch ein letztes Mal in meine Arme flüchtete in vollen Zügen aus, bis ich sie schließlich aus meinen Armen entließ und ihr Handeln mit meinen Augen verfolgte. Dabei stand ich sicherlich noch einige Sekunden lang mit dem offenen Mantel in der Gegend rum, hatte mich gerade mit dieser anderen Art von Wärme angefreundet, da pustete mir der kalte Wind unter den offenen Stoff und über das Gesicht. Mit einem leisen Seufzen begann ich also, Knopf für Knopf wieder zu verschließen, während ich hinsichtlich Irinas Bitte lediglich leicht mit dem Kopf nickte. "Klar, können wir.", antwortete ich unnötigerweise, durfte ihr doch ziemlich sicher klar sein, dass ich sie kaum hier alleine lassen würde, nur weil ich mich jetzt eventuell missverstanden oder anderweitig unrecht behandelt fühlte. Ich mochte zwar ein Arschloch sein, aber ich war auch immer noch in gewisser Hinsicht erzogen worden und Irina in einer Menschenmasse aus völlig Fremden zurück zu lassen war einfach nicht richtig. Nachdem ich mich um die Jacke gekümmert hatte, tat ich es der Dunkelhaarigen gleich und nahm mich ebenfalls noch für einen kurzen Augenblick dem restlichen Inhalt meines Bechers an, bevor dieser kurzerhand in einem nahegelegenen Mülleimer entsorgt wurde. Zwar ließ ein Großteil der Leute ihren Müll einfach liegen, aber auch in dem Punkt hatte ich noch etwas Erziehung genießen dürfen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Irina und ich uns langsam in Bewegung setzten, um den Weg zum Mercedes einzuschlagen, hatte ich geschwiegen. Erneut aus dem Grund, dass ich mir einfach nicht sicher war, was ich ihr jetzt antworten sollte, weil wir bezüglich dieses heiklen Themas ganz offensichtlich zwei vollkommen unterschiedliche Ansichten vertraten und das war an und für sich ja auch total okay. Blöd war nur, dass auf beiden Seiten scheinbar ein gewisses Interesse bestand, den jeweils anderen näher kennenzulernen. Allerdings war Irina nicht weniger schlau als ich und wusste, dass wir mit unseren derart verschiedenen Persönlichkeiten und Vergangenheiten unter keinen Umständen auf einen grünen Zweig kommen würden, wenn wir uns übermäßig auf den jeweils anderen einlassen würden. Das hieß zwar nicht zwangsläufig, dass wir auf ein bisschen Sex verzichten mussten, jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass mich das nur nach noch mehr lechzen lassen würde, wenn mir die junge Frau so schon kaum aus dem Kopf ging. Dabei stellte ich mir unweigerlich die Frage, warum ich eigentlich plötzlich einen solchen Narren an Irina gefressen hatte. Schließlich kannte ich sie streng genommen nicht erst seit ein paar Tagen und doch schien sie mich erst so richtig zu reizen, seit wir fast tagtäglich aufeinander hingen. Ganz komisch, wenn man mich fragte, aber Gedanken darüber machen wollte ich mir im aktuellen Augenblick auch nicht. Ich hatte die Hände wieder tief in die Seitentaschen des Mantels geschoben, als ich neben der Schwarzhaarigen an ein paar feiernden Jugendlichen vorbeilief, die gerade irgendeine bekloppte Art von Trinkspiel zu spielen schienen. Danach folgten ein paar Männer und Frauen, die ich vom Auftreten her auf in etwa mein Alter schätzte und dann kam auch schon der Parkplatz in Sicht. Ich hatte noch immer nichts gesagt und konnte mich wohl auch erst dazu durchringen, als Irina bereits auf der Beifahrerseite und ich hinter dem Steuer Platz genommen hatte. Alles in allem waren bis hierhin sicherlich an die zehn oder fünfzehn Minuten ins Land gezogen, in denen wir einander angeschwiegen hatten. Allerdings wollte ich das Ganze nicht unkommentiert lassen, da wäre es mir sogar herzlich egal gewesen, wenn ich erst vor der Wohngemeinschaft noch einmal etwas erwähnt hätte, weil mir bis dahin nichts eingefallen war. Aber Irina hatte Glück im Unglück, wenn man so sagen wollte. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob sie mit dem Gesagten etwas anfangen konnte oder ich ihr nur zusätzlich die Laune verdarb, die ohnehin schon etwas angekratzt zu sein schien. Tja, manchmal wäre es wohl einfach besser, wenn ich die Klappe halten würde. Nur leider entsprach das so überhaupt nicht meiner Art... "Ich schätze, dass du im kriminellen Metier kaum einen Mann finden wirst, der... nicht hangreiflich wird. Manchmal zumindest.", ich zuckte ein wenig nachdenklich mit den Schultern, als ich gerade dabei war, den Motor zu starten. Dass ich damit mich selbst einschloss und der jungen Frau einen sehr, sehr indirekten Wink mit dem Zaunpfahl gab, warum ich für sie sicher nicht der richtige Kerl sein könnte, selbst wenn sie das zulassen oder wollen würde, war mir bewusst und beabsichtigt. "Ich meine... puh, zu sagen, dass es mir leid tut, dass ich dich in genau das noch ein Stück weit mit einbinde, wäre wohl eine ziemlich dreiste Lüge und wie ich zu den stehe weißt du ja inzwischen. Aber ich denke, dass Geldwäsche etwas ist, womit man im Hintergrund noch ein halbwegs anständiges Leben führen kann. Wenn du dich also nicht mehr prostituierst, dealst oder Menschen ermordest, dann stehen deine Chancen ziemlich gut, in der normalen Welt Jemanden kennenzulernen...", redete ich weiter ein bisschen gemurmelt vor mich hin und mir fiel wieder einmal zu spät auf, dass ich mit der Aussage Dinge über Irina und ihrer Vergangenheit ihr gegenüber ansprach, die ich - bis auf die Geschichte mit dem Rumgehure - so eigentlich gar nicht hätte wissen können, wissen sollen. Ich schloss mit einem leisen Seufzen die Augen, als ich den Wagen vom Parkplatz schließlich auf die Gerade in Richtung Heimathafen lenkte und hoffte einfach, dass Irina mittlerweile verstanden hatte, dass ich mir die Informationen nicht selbst beschaffte, sondern, na ja, sozusagen eben an der Quelle saß. Ich wollte damit auch eigentlich gar nichts weiter bezwecken, außer ihr ein wenig Mut zu machen und die Hoffnung in ihr auflodern zu lassen, dass es sicherlich noch nicht zu spät für sie war, der Sache mit einer ernsten Beziehung, die auf Augenhöhe verlief, eine Chance zu geben. Und das war doch auch etwas, wofür Freunde da waren, oder? Sich gegenseitig Mut machen. Schien in dem Fall nur leider absolut nach hinten loszugehen, wenn man mich fragte und faktisch gesehen war ich mit Taten wohl besser, als mit Worten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Vielleicht war ein simples Schweigen gerade wirklich die bessere Option, wenn vielleicht auch nicht die angenehmste. Allerdings schien ich jetzt ohnehin nur mehr Mist zu reden, der weder mir, noch Iljah wirklich zu Gute kam, also akzeptierte ich die eintretende Ruhe zwischen uns beiden einfach. Still war es ja trotzdem nicht und so versuchte ich mich erst einmal noch ein bisschen vom Knistern des großen Feuers beruhigen zu lassen. Zwar war die Wirkung dahingehend nur wenig bis gar nicht vorhanden, weil ich nach dem Gespräch jetzt einfach schrecklich aufgewühlt und nur noch verwirrter als vorher war, aber wenigstens hatte ich dann vorübergehend was zu gucken, solange der junge Mann seinen Becher auch noch leerte. Als er damit fertig zu sein schien folgte ich ihm wortlos, ließ auch meinen Becher beiläufig in den Abfalleimer wandern und legte dann auf dem Weg zum Auto wieder die Arme um meinen Körper. Zwar war mir noch lange nicht wieder kalt geworden, aber irgendwie gab mir das zumindest einen Funken Sicherheit zurück. Viel bringen tat mir das dann aber auch nicht mehr, als ich meinen Arsch erst einmal wieder auf dem Beifahrersitz geparkt und mich angeschnallt hatte. Eigentlich hatte ich gedacht, dass der Tätowierte die ganze Geschichte zumindest für heute auf sich beruhen lassen würde, war doch eigentlich recht offensichtlich, dass mir das alles eher unangenehm war. Da machte er mir jedoch einen Strich durch die Rechnung. Einen richtig fetten, der sinnbildlich auch noch in leuchtendem Rot erstrahlte, damit ich ihn auch ja nicht übersehen konnte. Ich drehte meinen Kopf unweigerlich wieder in seine Richtung, sah ihn sicherlich für einige Sekunden lang ziemlich starr von der Seite an. Wohl hauptsächlich deswegen, weil seine Worte eben einen gewissen Interpretationsspielraum ließen und ich mich unweigerlich zu fragen begann, inwiefern er selbst eben handgreiflich wurde. Ganz besonders natürlich in Hinsicht auf Frauen - dass er Kerlen ohne mit der Wimper zu zucken eine reinschlug, wenn es angebracht war, wusste ich schließlich bereits und war im Augenblick auch wirklich nicht von Belang für mich. Die Gedanken in meinem Kopf erschlugen mich förmlich ein weiteres Mal, weil ich mich zwangsweise selbst zu fragen begann, warum ich Iljah eigentlich mochte. Natürlich schätzte ich seine Ehrlichkeit, gar keine Frage, denn damit wusste ich zumindest ein kleines Stück weit woran ich war, aber er schmiss mich damit gerade nicht zum ersten Mal ins kalte Wasser und es war auch dieses Mal wieder hochgradig unangenehm. Ich schluckte lautlos, hatte auch noch immer nichts erwidert, als er weitere Worte anhängte und damit ganz offen kundtat, dass es ihm im Grunde am Arsch vorbeiging, dass er mich unweigerlich wieder ins kriminelle Metier reinzog. Allerdings war das gar nicht der Punkt, an dem ich mich störte - schließlich steckte ich durch die Sorokins sowieso nach wie vor bis zum Hals in dieser Scheiße fest und sah den Tag, an dem ich mich gänzlich freischwimmen konnte, noch nicht bis eher nie kommen. Es störte mich auch deutlich weniger als das letzte Mal, dass er mir offenbarte im Grunde vermutlich meine ganze Strafakte zu kennen. Aber was mich störte, war, dass ich noch immer keine Ahnung davon hatte, was er denn noch so alles über mich wusste, das ich ihm nie erzählt hatte. Das machte mich kirre. Ich hatte das Gefühl ihn noch kaum zu kennen und er packte hier stattdessen Dinge über meine Vergangenheit aus, die er gar nicht wissen sollte. Deshalb sah ich ihn auch sicher noch weitere gut zwanzig Sekunden lang schweigend an, musterte seine Gesichtszüge und ließ ihn auch dann nicht aus den Augen, als ich zum Reden ansetzte. "Ja, na klar... und wie stellst du dir das bitte vor? Kein wirklich guter Mensch würde meine Strafakte irgendwie normal finden oder akzeptieren. Da steht ein verdammter Mord und ziemlich viel andere Scheiße drin, wie du ja bestens zu wissen scheinst. Ich hab keine Lust darauf einem Menschen, dem ich so nah sein will wie keinem anderen, für den Rest meines Lebens meine Vergangenheit zu verschweigen... und ja nicht nur die, sondern mindestens noch eine Weile lang auch das, was ich bei der täglichen Arbeit so mache. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht der Typ Mensch dafür bin andere, wirklich unschuldige Menschen mit in meine Probleme reinzuziehen... irgendwann gibt es immer welche.", erwiderte ich kopfschüttelnd und sah dann mit einem tiefen Seufzen aus dem Beifahrerfenster. War in meinen Augen ganz einfach auch so gar nicht das Wahre. Schließlich machte meine Vergangenheit mich zu der Person, die ich nun mal war und eine gute, nicht kriminelle Person stattdessen einzuweihen und in meinen Sumpf mit reinzuziehen kam nicht in Frage. Selbst wenn es Jemanden gab, der meine Strafakte und den ganzen anderen Mist akzeptieren und nicht schlimm finden würde, würde ich es kaum übers Herz bringen denjenigen dann mit in meine Probleme einzubinden. Vielleicht lief jetzt gerade alles relativ glimpflich für mich - keine aufgebrachten Sorokins und auch keine wütenden Amerikaner oder Iljahs, die auf mich losgingen, weil ich irgendwas bei der Geldwäsche verbockte. Aber irgendwann gab es immer Probleme, so war das nun mal in diesem Metier. Jemand, der an meiner Seite war, wurde automatisch mit zur Zielscheibe. Nein, danke. Da blieb ich lieber allein. "Und ehrlich gesagt finde ich bist du's mir langsam schuldig zu sagen, was du noch so alles über mich weißt... es ist nämlich echt beunruhigend, dass ich im Grunde keine Ahnung davon habe wer du eigentlich bist und du gefühlt mein halbes Leben kennst.", forderte ich den Tätowierten murmelnd dazu auf, mich endlich mal über das Ausmaß seines Wissens bezüglich meiner eigenen Person einzuweihen. Wenn er diese Freundschaft hier nur hatte anzetteln wollen, um seine Chancen mich irgendwann ins Bett zu kriegen zu erhöhen - klar, dann war ihm der Wert unserer Beziehung zueinander vermutlich relativ egal und womöglich würde er mir dann keine Einblicke in sein Wissen gewähren. Sollte ihm aber doch etwas daran liegen täte Iljah gut daran mich ins Bild zu setzen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Entgegen meinen anfänglichen Erwartungen nahm Irina das Ganze tatsächlich ziemlich locker auf. Natürlich war der Schwarzhaarigen anzumerken, wie unangenehm ihr diese Unterhaltung gerade war, aber das war mir zumindest im aktuellen Augenblick relativ egal. Sie schien ja auch weiterhin mit mir reden zu wollen, so schlimm konnte es also gar nicht sein. Andernfalls hätte die anfängliche Stille weiterhin Einzug gehalten und das tat sie ganz offensichtlich ja nicht. Der Weg in Richtung Wohngemeinschaft war wieder verhältnismäßig kurvig, nur selten konnte ich einen Blick zu der jungen Frau auf dem Beifahrersitz werfen, tat es aber just in dem Moment, als sie anfing, sich darüber auszukotzen, dass ein weniger, beziehungsweise nicht kriminelles Leben schier unmöglich war, was mich langsam, aber ziemlich bestimmt mit dem Kopf schütteln ließ. Russland mochte zwar seine Ecken und Kanten haben, wenn es um das Gesundheitssystem oder wirtschaftliche Aspekte ging, aber trotzdem gab es gerade in Moskau unglaublich viele Hilfsangebote und Organisationen, mit denen man aus dem Teufelskreis wieder herauskommen konnte. Wie hoch die Erfolgschancen standen, hing jedoch einzig und allein von dem Betroffenen ab. Man musste sich schon helfen lassen, sonst setzte man nur eine Menge Zeit in den Sand. "Es gibt genug Möglichkeiten, auch mit einer Strafakte, die sogar dicker ist, als es deine vermutlich jemals sein wird, einen legalen Job zu finden. In Moskau gibt es viele Resozialisierungsprogramme, mit denen du zurück in ein normales... oder zumindest halbwegs normales Leben finden kannst." Woher ich das wusste? Tja, ich hatte wohl selbst einige ziemlich gute Freunde an solche Therapien verloren. Schließlich ging es natürlich überhaupt nicht, wenn Bekannte kriminell waren, obwohl man selbst damit nichts mehr zutun haben wollte. Aber im Grunde genommen war das ja auch egal. Fakt war, ich wusste, dass es solche Programme gab und wollte Irina eines der anderen Grautöne zeigen, von denen ich vorhin gesprochen hatte. Was dann den Punkt mit den Eintragungen ins Strafregister anging - das war wiederum eine andere Sache und ich konnte nachvollziehen, dass Irina Angst davor hatte, von ihrem künftigen Geliebten verschmäht zu werden, sobald dieser herausfand, was sie alles auf dem Kerbholz hatte. Aber auch da gab es Ausnahmen, ganz sicher. Körperverletzung und Raub war bis zu einem gewissen Grat sogar noch nachvollziehbar und was den Mord anging - dessen Hintergründe ich tatsächlich nicht kannte, weil er mich nicht besonders interessierte und ich ab davon auch gar keine Zeit gehabt hatte, mir die Eintragung genauer anzusehen - ließe sich das Ganze mit Notwehr argumentieren und plötzlich war Irina gar nicht mehr so kriminell, wie es anfangs eventuell den Anschein erweckte. Nur schien ihr das irgendwie nicht ganz klar zu sein. Es war gerade etwas ruhiger auf den Straßen, was mitten in der Nacht vermutlich kaum verwunderlich war, also sah ich nun etwas länger zu der Dunkelhaarigen rüber, legte meinen ruhigen, verständnisvollen Blick in den ihren. "Du musst deine Vergangenheit ja auch nicht verschweigen, Irina. Bis jetzt hast du lediglich Straftaten begangen, die man entweder als Jugendsünden deklarieren oder anderweitig plausibel erklären kann. Ich verstehe nicht, warum du dir dahingehend solche Sorgen machst...", stellte ich mitsamt einer rhetorischen und eher indirekten Frage am Ende fest, was Sache war, ehe ich mich wieder auf den Verkehr konzentrierte, der nun doch wieder zunahm, sobald wir in eine Hauptstraße eingebogen waren. Worum sie sich sorgte hatte die junge Frau ja bereits angesprochen. Sie wollte keine unschuldigen Zivilisten in ihre - aktuell teils kriminellen - Probleme mit hinein ziehen und auch über die Geldwäsche nur sehr ungerne reden, aber dazu äußerte ich mich nicht weiter. Irina schien da ihre Ansicht zu haben und ich hatte nun mal eine ganz andere. Sie hatte doch selbst gesagt, dass sie nicht perfekt war und ihr Partner es auch nicht sein musste. Warum also war jetzt eine etwas dunklere Vergangenheit auf einmal so schlimm? War diese nicht letztlich der Grund, warum sie die Irina war, die ich aktuell kannte? Kein Grund, sich zu schämen oder verstecken zu müssen, wenn man mich fragte und ein möglicher Geliebter sollte mit so einer Kleinigkeit ja wohl klarkommen. Wenn die Serbin tagtäglich Leute für Geld abmurksen würde, wäre das natürlich etwas ganz anderes, aber was die Buchhaltungsgeschichte anging, war sie ja noch nicht einmal die Strippenzieherin und damit lediglich ein ausführendes Organ, das Anweisungen von oben befolgte. Und Probleme würde es wohl immer geben, auch in einer Beziehung, nur war ein Partner doch genau dafür da - sollte einem bedingungslosen Rückhalt geben, wenn man selbst im Augenblick alles absolut scheiße fand. Aber gut, wer war ich, das beurteilen zu können, hm? Jedenfalls hatte ich den Blick wieder stur auf die Straße gerichtet, als Irina sich noch mit ein paar weiteren Worten an mich richtete, die mich im Normalfall wohl zumindest mal zum schmunzeln gebracht hätten. Momentan war ich jedoch mehr damit beschäftigt, mich zu fragen, wie man in so jungen Jahren schon alles derart negativ sehen konnte, dass sich meine Mundwinkel nicht im Ansatz zu einem freudigen Zucken oder einer Verformung überreden lassen wollten. Mein Gesichtsausdruck war daher ziemlich neutral, als ich auf die direkte Frage seitens der Dunkelhaarigen zu einer Antwort ansetzte. Vorher zuckte ich allerdings noch einmal mit den Schultern. "Ich weiß nicht viel über dich.", stellte ich erst einmal grob fest, dass sich meine Informationen bezüglich Irina in Grenzen hielten. "Du wohnst in einer WG, hast zwei Mitbewohnerinnen... dann kenne ich noch deine Lieblingsbar und weiß, wo du arbeitest und was du in der Vergangenheit schon für Mist gebaut hast. Zumindest eben das, was damals zu Protokoll gegeben wurde. Außerdem ist ziemlich offensichtlich, dass du für dein Alter ein ziemlich negatives Bild deiner Zukunft vor Augen hast und nebst der Tatsache, dass du scheinbar einen Narren an mir gefressen hast - was im Übrigen umgekehrt genauso der Fall ist -, würde ich schätzen, dass du dich gleich mit dem mittelklassigen Rotwein betrinken wirst und ich am Montag auf der Arbeit nicht mit dir zu rechnen brauch'.", zählte ich ohne Weiteres auf, was mir bezüglich der jungen Frau gerade so durch den Kopf ging und untermauerte das Ganze dann noch mit einer entsprechenden Gestikulation der Hand, nachdem ich den Gang eingelegt hatte. Ich verzichtete allerdings darauf, meinen Kopf wieder in ihre Richtung zu drehen, auch wenn ich mich eventuell an einem leicht geschockten Gesichtsausdruck hätte ergötzen könnte. Das wollte ich nur gerade überhaupt nicht. Stattdessen sah ich ab und an lieber auf der Fahrerseite aus dem Seitenfenster, in dessen Rahmen ich mich mit einem Arm lehnte, um mir mit der dazugehörigen Hand nachdenklich über das Kinn zu reiben. Wie waren wir noch mal so schnell von netten Unterhaltungen und angenehmen Kuscheleinheiten zu diesem deepen Realtalk gekommen?
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich schenkte dem jungen Mann weiterhin mein Gehör - blieb mir in dem Auto hier ja jetzt auch nicht wirklich etwas anderes übrig -, als er mir sagte, dass ich durchaus in ein normales Leben zurück konnte, wenn ich das denn wollte. Mal unabhängig davon, dass das eben wegen der Sorokins vorerst ziemlich unmöglich war - was er ja nicht wissen konnte -, wusste ich auch ehrlich nicht, ob ich das überhaupt wollte. Natürlich war mein allzu leicht kränkbares Herz für einige Dinge in diesem harten Umfeld eigentlich viel zu weich, daran bestand kein Zweifel. Aber ganz zurück in ein neues Leben zu finden hieße zwangsweise auch alles zurücklassen zu müssen, was ich mit dem kriminellen Dasein verband. Darunter fielen zum Beispiel auch Anastasia und Ksenia, die ich schon seit meiner Prostitution in der Villa der Sorokins kannte. Ich wusste, dass ich niemals ganz loslassen können würde, wenn ich nicht wirklich alle Kontakte in dieser Richtung komplett abbrach und ich konnte nicht meine beiden besten Freundinnen verlieren. Es war schon meine Familie auf der Strecke geblieben, weil ich sie vor mir und meinen Kontakten schützen wollte und ich brachte es sehr sicher nicht übers Herz die beiden mehr oder weniger im Stich zu lassen, nur um mir selbst damit die Freiheit einer neuen, weißen Weste zu kaufen. "Ich weiß, dass ich theoretisch zurück kann... aber erstens ist das nicht unbedingt leicht und zweitens bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher damit, ob ich das überhaupt will.", gab ich dahingehend mit einem Schulterzucken meine Gedanken preis, würde aber kaum mehr ins Detail gehen. War vermutlich sowieso besser, wenn wir dieses Thema erst einmal wieder begruben, wie mir die noch folgenden Worte des Tätowierten mehr oder weniger bestätigten. Jugendsüden? Ich drehte meinen Kopf unweigerlich zurück zu Iljah und zog eine Augenbraue hoch. Ich meine, ja, wenn es sich lediglich um zwei oder drei minimale Einträge bezüglich des Klauens handeln würde - dann auf jeden Fall schon, ja. Aber ich persönlich fand nicht, dass man es auf die leichte Schulter nehmen konnte mit einem Haufen an Drogen gedealt und Leute ziemlich bewusst verletzt zu haben. Natürlich war das nicht willkürlich gewesen und es war mir jedes Mal ausschließlich darum gegangen meine eigene Haut zu retten, aber ich empfand das eben dennoch nicht als Lappalien. Womöglich hatte ich mir dahingehend einfach ein paar normale Ansichten aus der Zeit vor meiner eigenen kriminellen Laufbahn bewahrt. Vor dem riesigen Drama mit meiner Entführung hatte ich mich von zu exzessivem Alkoholkonsum immer ferngehalten, von Drogen verticken oder nebenher Leute erschlagen mal ganz zu schweigen und ich hatte auch schlechten Einfluss gekonnt auf Distanz gehalten. Danach dann eben... nicht mehr. "Ich glaub wir lassen das lieber.", war alles, was ich mit einem leisen Seufzen noch zu der ganzen Geschichte sagte, weil mir alles andere jetzt ganz einfach zu anstrengend war. Entweder wollte Iljah mich was das anging einfach nicht verstehen, oder er konnte es tatsächlich nicht. Letzteres wäre für mich eigentlich nur noch eine zusätzliche Bestätigung dafür ihn auf Abstand zu halten, war er doch in krimineller Hinsicht ziemlich sicher sehr abgebrüht und tat weiß Gott was alles, wenn er mir gerade nicht die Buchhaltung näher brachte oder mich von A nach B kutschierte. Erst jetzt, wo ich noch einmal darüber nachdachte wurde mir noch einmal bewusst, wie viel Zeit wir momentan miteinander verbrachten. Zwar überwiegend wegen der zukünftigen Geldwäsche, also geschäftlich, aber das war seit unserem durchwachsenen Abend in der Bar auch deutlich lockerer als vorher, wenn man den Umgang miteinande betrachtete. Ich fühlte mich eindeutig schon zu wohl bei ihm, was er mit seinen noch folgenden Erklärungen auch noch einmal überdeutlich machte. Immerhin konnte der Russe mich aber damit beruhigen, dass er eben doch nicht zu viele Dinge über mich wusste. Durchaus ein paar sehr wichtige, aber er schien mir wenigstens nicht meinen gesamten Lebenslauf oder mein Lieblingsessen auftischen zu können und ich hasste es, wie offensichtlich es für ihn war, dass ich trotz all der fetten Stoppschilder auf unserem gemeinsamen Weg irgendwie auf ihn stand. Ich verstand nicht einmal selbst warum das so war und noch weniger wusste ich, wie ich es unterbinden sollte. Da war jetzt zwar noch ein weiteres großes Fragezeichen in meinem Kopf was ihn und seine möglicherweise unschönen sexuellen Vorlieben anbelangte, aber nicht einmal das schien mich genug abzuschrecken, um mir stattdessen ein Taxi nach Hause zu nehmen und den Kontakt außerhalb der Arbeit zu kappen. Es war wohl leider nicht nur so dahergesagt, dass man sich nicht wirklich aussuchen konnte, in wen man sich verguckte. Das war eben einfach sehr häufig weniger eine von Fakten belastete Angelegenheit, sondern etwas rein körperlich Instinktives. Es gab Menschen, die man auf den ersten Blick eher abstoßend fand und dann eben solche, bei denen die Anziehung einfach von vornherein da war. Zu denen man sich einfach hingezogen fühlte, auch wenn man ganz genau wusste, dass man das nicht sollte. Iljah schien für meinen weiblichen Hormonhaushalt ganz eindeutig in die letzte Kategorie zu fallen. Ich sah wieder einen Moment lang zu ihm rüber, wobei mein Gesichtsausdruck wohl eine Mischung aus leicht überfordert und verwirrt darstellte, bevor ich kurz nach vorne durch die Frontscheibe sah. Dann gab ich eine Art leisen, jammernden Laut von mir und ließ den gesamten Oberkörper leicht nach vorne kippen, um mein Gesicht in meine Hände zu betten, deren Arme auf meine Oberschenkel gestützt waren. "Ich hasse dich.", jammerte ich gemurmelt vor mich hin, wobei allein der Tonfall klar machen dürfte, dass das eben leider nicht so war. Dass das mehr nur sehr ironisch so dahingesagt war, um Iljah zu untermauern, dass er mich halb wahnsinnig machte. Es dauerte sicher noch eine halbe Minute, bis ich mich tief durchatmend wieder aufrichtete und den Kopf unsanft zurück an die Lehne fallen ließ. "Kannst du mich nicht einfach genauso anstrengend finden wie die meisten anderen Männer? Das würd's echt einfacher machen.", ließ ich ihn noch ein paar mehr sarkastische Worte hören, weil ich nicht wirklich anders mit der Situation umzugehen wusste, sie mich ein bisschen überforderte. "Vielleicht wird's aber auch Weißwein, hab mich noch nicht entschieden. Außerdem wäre ich bis Montag trotzdem wieder arbeitsfähig, liegt ja der Sonntag noch dazwischen.", versuchte ich ein bisschen was von meinem Stolz zusammenzukratzen, indem ich Iljah sagte, dass er mich auf den Rotwein noch nicht festnageln konnte und ich nach über 24 Stunden durchaus fit genug für die Arbeit hätte sein können. Kommen würde ich aber trotzdem nicht - die paar freien Tage schienen mir inzwischen verlockender denn je, um mich nicht mehr als notwendig in der Gegenwart des Schwarzhaarigen aufhalten zu müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja, wenn das so war, dann konnte ich ihr natürlich auch nicht weiterhelfen. In meinen Augen durfte sich Irina dann aber eben auch nicht darüber beschweren, keinen normalen Mann zu finden, weil im kriminellen Metier nun mal so ziemlich jeder grundlegend einen Knacks in der Birne hatte, aber gut. Sie wollte sowieso nicht näher auf das Thema eingehen, also beließ ich es einfach dabei und konzentrierte mich stattdessen vollumfänglich auf das Verkehrsgeschehen. Ich war zwar nicht besonders begeistert davon, dass sie der Unterhaltung einen so forschen Cut setzte, jedoch war das ihr gutes Recht und ich akzeptierte das. Nichtsdestotrotz zogen sich meine Augenbrauen wie von selbst ein wenig tiefer ins Gesicht und es war wohl Irinas Glück, dass mir die Lust, zu ihr nach drüben zu sehen gerade irgendwie vergangen war. Andernfalls wäre die Angst vor mir vermutlich schneller zurückgekehrt, als ich bis drei hätte zählen können, wirkte ich durch das markante Kinn und die Tattoos mit einem düsteren Blick recht schnell respekt- oder angsteinflößend. Es wurde dann kurzzeitig still, nachdem ich der jungen Frau mein Wissen über ihr bisheriges Leben dargelegt hatte, bis sie mir dann ein paar Worte an den Kopf warf, die meine Laune nur noch mehr drückten. Es war natürlich hochgradig unwahrscheinlich, dass sie mich wirklich hasste, weil so vieles dann am heutigen Abend nicht passiert wäre und sie sich auch nur sehr unwahrscheinlich von mir nach Hause hätte fahren lassen, aber nun war auch ich einmal das Sensibelchen, welches sich schnell mal beleidigt fühlte. Ich warf lediglich einen Seitenblick in Richtung der Serbin, ehe ich kopfschüttelnd ein Schnauben ausstieß. Was glaubte sie denn, würde ich ihr darauf nun antworten? Ja, fände ich irgendwie auch besser oder Anstrengend ist für dein Verhalten schon gar kein Ausdruck mehr, vielleicht? Beides hätte den Nagel wohl absolut auf den Kopf getroffen, war aber schlichtweg einfach etwas, womit ich jetzt nur noch einen Streit ausgelöst oder die Schwarzhaarige womöglich verletzt hätte und das wollte ich nun wiederum auch nicht. Ich schwieg deshalb für eine ziemlich lange Zeit, in der ich einfach nur am Straßenverkehr teilnahm und mir zunehmend öfter mit der freien Hand über das Gesicht rieb, wenn es der Moment erlaubte, bis ich nach etwa zwei oder drei Minuten schließlich zu einer mehr schlechten als rechten Antwort ansetzte. "Also erst einmal... bin ich nicht die meisten.", stellte ich etwas angesäuert klingend fest. Mochte sein, dass ich mit einer Menge Männer die ein oder andere Charaktereigenschaft teilte, aber mich zur breiten Masse zählen würde ich deshalb noch lange nicht. Zwar verfiel ich ab und an auch gerne mal in ein solches Schubaldendenken und warf mit Aussagen wie 'Normalerweise reagieren alle Frauen so und so auf mich...', aber im aktuellen Augenblick war mir wohl kaum etwas egaler, als meine Doppelmoral hier und da. "Und zum anderen habe ich nie behauptet, dass du nicht anstrengend bist...", wohl ein weiterer verbaler Fausthieb, der Irina ziemlich deutlich aufzeigen sollte, dass das Spiel mit den frechen Kommentaren und der ungehobelten Art auch zwei Leute spielen konnten, aber dann wurde ich doch wieder deutlich ruhiger, seufzte, "...es gibt nur einfach Dinge, über die kann ich hinwegsehen, weil sie mir schlichtweg egal sind oder ich sehe, dass sich dahinter mehr verbirgt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist." Ich zuckte nachdenklich mit den breiten Schultern und sah das erste Mal seit langer Zeit wieder für ein paar Sekunden zu der jungen Frau rüber, kurz bevor ich in die Straße mit der Wohngemeinschaft einbog und mich parallel dazu dann schließlich auch zu ihrer darauffolgenden Aussage äußerte. Grundsätzlich war es mir egal, mit welcher Art von Wein sie sich denn nun betrank. Fakt war, dass sie es vermutlich tun würde und zu sagen, dass ich davon alles andere als begeistert war, schien wohl ziemlich offensichtlich. Denn auch wenn meine Stimme wieder etwas ruhiger geworden war, hatte ich den kritischen Gesichtsausdruck beibehalten. Ich ging zwar nicht davon aus, dass Irina heute dann noch einen Fuß vor die Tür setzen würde und sie deshalb eher nicht betrunken in die Arme eines weiteren Kirills laufen würde, aber sicher sein konnte ich nicht und mir ginge es wohl dennoch besser mit dem Gedanken, wenn sie sich jetzt einfach nur ins Bett legen und schlafen würde. Aber wer war ich, mir das Recht herauszunehmen, ihr dahingehend irgendwelche Vorschriften machen zu wollen? Sie war erwachsen und wusste selbst wohl am besten, was sie tat - auch wenn ich diesbezüglich anderer Meinung war -, also würde ich wohl versuchen, mich damit abzufinden und mir einzureden, dass es mir prinzipiell vollkommen egal sein konnte. Ob der Wein nun rot, weiß, grün oder gelb mit Streifen war und wie es ihr am Sonntag oder am Montag gehen würde war doch überhaupt nicht meine Angelegenheit und trotzdem beschäftigte mich das noch so lange, bis ich den Mercedes vor der Haustür der Serbin anhielt und den Motor abstellte. Ich hielt mich allerdings zurück, was eine entsprechende Reaktion auf die gemurmelten Worte der jungen Frau anging, weil ich wusste, wohin das Ganze führen würde und wie gesagt... eigentlich hatte ich gedacht, meine Laune könne heute nichts mehr kaputt machen. Mittlerweile vertrat ich allerdings auch die Ansicht, dass es besser wäre, für heute getrennte Wege zu gehen und es wann anders noch einmal zu versuchen. Da wir beide momentan ein wenig angefressen wirkten, dürften wir wohl kaum auf ein gemeinsames Ergebnis in irgendeiner Art von Diskussion kommen und da konnten wir uns den Ärger und die Luft zum Reden sparen, wenn man mich fragte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #