Es dauerte für meinen Geschmack noch viel zu lange, bis er mir eine halbwegs brauchbare Erklärung für die ganze Hektik hier nannte. Auch während der Fahrt rückte der Dunkelhaarige nicht wirklich mit der Sprache raus und gepaart mit meiner Neugier war meine Ungeduld gerade nicht unbedingt leichter erträglich. Richard schien nämlich Alles in Allem guter Dinge zu sein, dass ich mich über seine Art von Überraschung freuen würde. War sehr zuversichtlich und das ließ mich dann doch neugieriger werden, weil er eigentlich wusste, dass ich nicht so der Typ Mensch war, der sich mit Allem gleich auf Anhieb zufrieden gab, wenn es mir nicht zu einhundert Prozent in den Kram passte. Als wir dann endlich die letzten Meter zu unserem augenscheinlichen Zielort zu Fuß zurücklegten - was mir bei seinem Fahrstil tatsächlich auch lieber war -, ließ er mir auch nähere Informationen zukommen und meine Augen wechselten langsam aber sicher von ihrem müden, angestrengten Ausdruck viel mehr zu einem leichten, interessierten Funkeln. Es war mir ja vor Kurzem erst selbst in den Sinn gekommen, dass ich mich dringend irgendwie bewaffnen musste, nur eben für den Fall der Fälle. Ich hatte nicht vor, all die Jahre in der Mafia überlebt zu haben, um dann von irgendeinem Drogenkurier oder dergleichen abgestochen zu werden, wenn ich mich in Oslos Untergrund bewegte. Ich fühlte mich schon deutlich wacher als zuvor und war fast ein bisschen ungeduldig, als Richard dann das Schloss löste. Wir betraten den Container und bis jetzt hatte ich seit der Frage im Auto kein Wort mehr verloren, sondern war ihm nur stillschweigend gefolgt. Ich schwieg noch immer, als ich zuerst das kalte Metall der Pistole mit der rechten Hand umschloss. Im Folgenden musterte ich die Schusswaffe sehr ausgiebig, checkte auch - soweit ohne Munition eben möglich - die Funktionalität. Es war schon dunkel und das passte mir nicht, weshalb ich den jungen Mann darum bat, mir kurz mit seinem Handy etwas Licht zu geben. Ich sah einfach gerne, was ich im Begriff zu Erwerben war. Aber auch das Licht ließ mich keine Macken finden, weshalb ich mir daraufhin die anderen beiden Waffen ansah. Prinzipiell war jede davon tauglich in einer entsprechenden Situation und ich hatte an diesem Punkt keine Ahnung davon, was womöglich Alles auf mich zukommen konnte. Erst recht nicht, wenn mein Ex-Chef hier wirklich irgendwann auftauchen würde. Ich persönlich hegte daran auch gar keine Zweifel, sollten die Bullen ihn nicht zeitnah in den Griff kriegen... konnten sie nur von träumen, wenn man mich fragte. Ich legte jede einzelne Waffe zurück an ihren Platz, bevor ich mich mir die Haare mit der Hand raufend wieder bewusst in Richards Richtung drehte. "Ich würd' Alle nehmen... oder sprengt das den Rahmen?", hakte ich sicherheitshalber nach. Ich konnte mich nicht entscheiden, weil ich potenziell für jede der Waffen zukünftig einen Nutzen sah. Ich glaubte nicht, dass der Dozent wirklich finanzielle Probleme damit haben würde, wenn ich mich nicht für eine, sondern für alle entschied. Natürlich bekam er das Geld zurück, das stand ganz außer Frage. Nicht nur wegen unserer geschäftlichen Beziehung zueinander, sondern auch, weil ich es ganz einfach das Gefühl des Verschuldet-Seins hasste. Was das anging brauchte er sich bei mir also weiß Gott keine Gedanken zu machen.
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Als die Katze dann endlich aus dem Sack war, normalisierte sich auch meine Stimmungslage wieder ein wenig. Natürlich war ich immer noch verdammt gut drauf, Bäume wären noch immer kein Problem gewesen, aber zumindest dieses hibbelig und aufgekratzt sein hatte jetzt ein Ende. In der Zeit, in der Sabin die Waffen ausgiebig inspizierte, hatte ich mich auf ein paar Kisten rechts von ihm nieder gelassen, ihn mit einem stetigen Grinsen beobachtet. So wie ich das sah, hatte ich also nicht zu viel versprochen. Dass er am End gleich alle drei vorgestellten Modelle haben wollen würde, bestätigte mich zusätzlich in der Annahme. "Nimm' dir, was du brauchst.", antwortete ich mit einem Schulterzucken. Die paar Tausend, die mir die Dinger auf dem Markt gebracht hätten, steckte ich doch gerne für einen Geschäftspartner zurück. Außerdem wusste ich ja, dass Sabin noch nicht viel hatte, aber er bemühte sich ja drum. War nur nicht ganz so einfach, wenn man... na ja, nichts hatte, um irgendwo anzufangen. Gewissermaßen sah ich mich also auch als eine Art Sprungbrett für ihn. Ich half ihm, Fuß in der Szene zu fassen und bekam mein Payback dann einfach ein bisschen später. Würde mich jetzt nicht ärmer machen, als ich es ohnehin schon war - haha. "Für den Rest habe ich in den nächsten Tagen ein paar Abnehmer.", hängte ich noch ein paar erklärende Worte hintendran. Das war wiederum der Punkt, an dem die ganze Sache einen kleinen Haken hatte. Nur drei Waffen aus Deutschland zu importieren hätte sich absolut nicht gelohnt, wäre ich da doch auf mehreren tausend Kronen sitzen geblieben. Ich musste es also schon rentabel gestalten und bei dem Mann, der mir die Dinger verkaufte, einen guten Deal raus schlagen. Na ja, und da war er eben. Ich hatte jetzt hier an die fünfzig oder sechzig Kisten stehen, die, wie bereits erwähnt, in den nächsten Tagen an ein paar andere Interessenten verkauft werden würde. Konnte durchaus sein, dass ich damit also auch Sabins künftiger Konkurrenz einen Gefallen tat, aber er würde das sicher verstehen. So lief das Geschäft nun mal. Außerdem würde ich ja anteilig dafür die Kohle kassieren und die Teile verkauften sich, gelinde gesagt, richtig gut. War schon fast etwas erschreckend, wie die Leute in Oslo verrückt nach etwaigen Schusswaffen waren. Würde ich mir aber nicht weiter Gedanken darüber machen und mich einfach freuen, dass das Geschäft so gut lief. Auf den Teilen sitzen zu bleiben wäre nämlich auf Dauer ganz schöne Scheiße. Sie ewig hier in dem Container zu lagern war schließlich keine Option. Wie dem auch sei. Mein Blick, der mittlerweile ein leichtes Funkeln angenommen hatte, richtete sich wieder direkt auf Sabin, musterten ihn. "Ich würde dir vorschlagen, dass wir einfach die Kisten verladen und sie zu dir nach Hause fahren, in der Bar wirst du sie nicht abstellen dürfen." Ich wusste immerhin, wie empfindlich Cosma auf solche Geschichten reagierte. Und da sie heute ohnehin nicht sonderlich gut gelaunt schien, würde ich nicht absichtlich noch ihren Blutdruck in die Höhe steigen lassen.
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Richard schien kein Problem damit zu haben, wenn ich ihm ein paar Tausender mehr schuldete als ohnehin schon, also war dieser Punkt damit auch für mich abgehakt, weshalb ich nur noch einmal knapp nickte. Natürlich war ich nicht unbedingt begeistert davon, dass er den Rest der Waffen zumindest teilweise sicher an Konkurrenz verscherbeln wollte, aber das war wohl ein Übel, mit dem ich jetzt leben musste. Die Beweggründe dahinter verstand ich als guter Geschäftsmann natürlich und deshalb nahm ich es dem jungen Mann auch keineswegs krumm. Musste ich halt mit leben und ich würde mich dementsprechend vorsichtiger verhalten. Es bot ein unschönes Sterberisiko, aber mit letzterem war ich sowieso schon gefühlt mein halbes Leben konfrontiert. Also auch keine große Neuigkeit oder Veränderung für mich. "Versteh' schon.", war aufgrund dessen meine einzige Antwort, gefolgt von einem relativ neutralen Blick. Fast Alles hatte heutzutage einen unangenehmen Beigeschmack und ich würde auch diesen zu ertragen wissen. "Wie siehts mit Munition aus?", hakte ich nach den akzeptierenden Worten nach. Nicht alle Händler in diesem Metier verkaufen Waffen und Munition gleichzeitig. Allein schon deshalb, weil das Risiko bei der Übergabe entsprechend hoch sein konnte. Aber der Kram hier war augenscheinlich auf Schiffswegen gekommen, theoretisch möglich war es also schon, dass Richard beides geordert hatte. Ich hatte jedoch nicht vor, die Kisten allesamt danach zu durchsuchen, weshalb ich schlicht seine Antwort darauf abwarten würde. Die Sache mit der Lagerung der Waffen war mir bis zu diesem Punkt nicht einmal ansatzweise durch den Kopf geschwirrt. Die Freude über das nette Geschenk hier war zu groß gewesen, als dass ich auch nur im entferntesten daran gedacht hatte, dass ich den Kram hier nicht lassen konnte. Mit Cosma und der Bar hatte Richie da zweifelsohne Recht und so seufzte ich jetzt doch einmal leise, bevor ich mir erneut mit der Hand durch die Haare fuhr. Die Pistole war nicht so das Problem wegen der handlichen Größe, aber mit der AK und der Sniper sah es da leider ganz anders aus. Die konnte ich nicht mal eben mit in dem kleinen Metalltresor in meinem Schlafzimmer deponieren. "Ich hab' wohl keine andere Wahl.", stellte ich diesbezüglich ziemlich nachdenklich fest. Die einzige halbwegs taugliche Möglichkeit, die Schätzchen zu deponieren, war vermutlich der kleine Geräteschuppen im ebenfalls nicht besonders großen Garten hinter dem Haus. Nur ein oder zwei Tage, bis ich eine weit bessere Lösung gefunden hatte. Es war fast Winter und Sydney würde keinen Grund haben Irgendwas im Garten machen zu wollen, zumal letzterer sowieso sehr pflegeleicht war. Mit ein paar Büsche schneiden und Rasenmähen war es da schon ziemlich getan, also nein, keine Gartenarbeit. Ich müsste schon Pech haben, damit sie die Kisten dort fand und auch genauer untersuchte.
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Noch während Sabin darüber nachzudenken schien, wo er seine neuen Errungenschaften unterbrachte, hatte ich mich wieder von den Kisten erhoben, wollte eigentlich gerade dazu ansetzen, das Auto vorzufahren, damit wir die Kisten einladen konnten, als er sich noch nach Munition erkundigte. Da hatte ich gar nicht dran gedacht, war aber logisch, dass er noch welche brauchte. Anders würde ihm die beste Waffe nichts bringen. Normal war es eher selten, wenn nicht sogar vollkommen ausgeschlossen, dass Verkäufer Waffe und Munition gemeinsam an den Mann brachten. Schlicht aus dem Grund, dass das Risiko, einfach abgeknallt zu werden, doch sehr hoch war. Und wenn Sabin nicht Sabin gewesen wäre, hätte ich schlicht und ergreifend gelogen ohne ihn darauf hingewiesen, dass er wann anders kommen sollte, wenn er keine Waffe in den Händen hielt. Nun war er aber mein Geschäftspartner, weshalb ich mit der linken Hand auf die Kiste klopfte, die bis eben noch als Sitzmöglichkeit gedient hatte. Ohne, dass Sabin mich dazu auffordern musste, schob ich auch von dieser den Deckel ab, checkte kurz die Bezeichnungen auf den Verpackungen und suchte dann zu den jeweiligen Waffen die passenden Patronen heraus. Ich reichte dem jungen Mann insgesamt sechs kleine Päckchen, sah ihn fragend an. "Reicht das erst mal?", fragte ich im Anschluss. Ich konnte ja nicht wissen, wofür er die Waffen letzten Endes wirklich brauchte. Klar, die Pistole diente der Selbstverteidigung, aber wir hatten bis jetzt noch nicht darüber gesprochen, ob er bereits einige Leute auf dem Radar hatte, denen er das Licht relativ bald ausknipsen würde. Entsprechend müsste man dann ja für ein paar mehr Schuss sorgen. "Wenn nicht, nehm' dir noch was, ich hol' eben den Wagen.", hängte ich noch ein paar Worte dran, bevor ich den Container verließ und das Hafengelände überquerte, um den abgestellten Mercedes zu holen. Gott sei Dank hatte ich eine Limousine, die einen entsprechend großen Kofferraum hatte. Mit einem Coupé hätte das durchaus schwierig werden können. Die Kisten waren zwar nicht sehr groß, aber von der Beschaffenheit halt doch sperrig. Ich hatte auf dem Weg zum Wagen meinem Kompagnon Bescheid gegeben, damit er sich nicht wunderte, wenn ich jetzt hier eine Spritztour über den Hafen machte. Er nickte mir zu, bat mich aber, die mit einer Kamera überwachten Bereiche nicht zu durchfahren. Dankend nahm ich die Information zur Kenntnis, lenkte dann wenig später den Wagen in Richtung unseres Containers. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es langsam ohnehin Zeit wurde, sich wieder auf die Achse zu machen. Es sei denn, Sabin wollte Cosma heute noch mal so richtig auf die Nerven gehen und zu spät zur Arbeit kommen...
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Ah, er hatte also auch für entsprechende Munition gesorgt. Die paar Schachteln, die er mir schon wenig später entgegenhielt, sollten auch vorerst vollkommen genügen. Ich hatte wirklich nicht vor zur Eröffnung meines Geschäfts ein Massaker zu veranstalten, obwohl Hunter das sicher witzig gefunden hätte. Keine Ahnung weshalb, aber wenn man mich fragte, konnte dem Kerl nicht wirklich viel an seinem Leben liegen. Wäre schon interessant zu wissen, warum er überhaupt so einen Knacks weg hatte. Denn auch, wenn er mir gegenüber bisher nicht wirklich abfällig oder fies geworden war, war unschwer zu erkennen, dass er nicht unbedingt die einfache Sorte Mensch war, mit der man gerne über all seine Sorgen und Probleme zu reden begann. Zugegeben graute es mir auch jetzt schon vor dem Tag, an dem ich ihm stecken musste, dass ich ungünstigerweise eine Mitbewohnerin hatte, die gerne Leute hinter Gitter brachte. "Danke.", äußerte ich dem jungen Mann gegenüber noch meine Dankbarkeit, wenn auch nur mit einem einzigen, knappen Wort. Die letzten Jahre über hatte ich von jenem fast nie Gebrauch gemacht, außer eben Zuhause... als Frau und Kind noch gewesen waren. Es war erschreckend, festzustellen, dass ich schon damals ein halbes Doppelleben geführt hatte. Zwar hatte Adelia von meinem Platz in der Mafia gewusst, immerhin waren die Geldmassen auch kaum anders zu erklären, aber ich hatte die beiden bewusst so gut es möglich war davon abgeschirmt. Wie viel mir das gebracht hatte, sah man ja - ungefähr gar nichts. Es war für mich gar nicht in Worte zu fassen, wie sehr es gelogen wäre, wenn ich sagen würde, dass ich sie nicht immernoch schmerzlich vermisste. Würde ich vermutlich für den Rest meines Lebens, weil Karma gerne eine verdammte Bitch war. Als Richard zurückkam hatte ich einen Weg gefunden die Munition in den inneren Taschen meiner Jacke zu verstauen. War etwas unangenehm beim wieder zu machen, weil ich die Kanten doch deutlich am Oberkörper spürte, aber es war ja nicht für lange. Als ich den Wagen draußen parken hörte hob ich bereits die erste Kiste mit der AK hoch. Schwer war sie an sich nicht, nur etwas unhandlich. Sollte aber kein Problem sein die Kiste alleine nach draußen zu bringen, wo Richard mir auch ohne Umschweife den Kofferraum öffnete. Ich überließ es dem Dunkelhaarigen die Kiste im hinteren Teil des Wagens noch zurecht zu rücken, damit die zweite gut mit rein passte und Nichts verrutschen würde. Währenddessen holte ich noch die andere Waffe mit Zielfernrohr, platzierte sie doch gewissermaßen behutsam neben der anderen, bevor der Kofferraumdeckel auch schon wieder zu fiel. Ich ließ mich derweil schon auf den Beifahrersitz fallen, während der Kunstfanatiker noch dabei war, das Vorhängeschloss wieder anzubringen. Wäre auch unschön, wenn sich da Jemand Zutritt verschaffte und Wind von der Sache bekam.
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Ich hatte den dunkelblauen Wagen vor dem Container abgestellt, den Kofferraum geöffnet und gemeinsam mit Sabin die Kisten mit den Waffen darin verstaut. Es hätten definitiv nicht mehr Kisten sein dürfen, war er Stauraum doch vollends ausgenutzt worden. Sabin hatte den Deckel zufallen lassen und sich auf den Beifahrersitz verdrückt, während ich noch das Schloss vom Boden fischte, mit einem letzten Blick in den Container die Türen zufallen ließ und alles wieder sorgfältig verriegelte. Noch bevor ich mich auf den Fahrersitz fallen ließ, zog ich eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche, um mir kurz darauf eine anzustecken. Ich atmete einen tiefen Zug des giftigen Rauchs, gemischt mit der salzigen Meeresluft, ein, während ich die Packung an Sabin weiterreichte. Ich wusste nicht, ob er rauchte, wollte ihm aber wenigstens eine angeboten haben. Bis jetzt hatte ich ihn zumindest noch nicht mit einer Kippe erwischt. Oder es war mir schlicht nicht aufgefallen, weil es mittlerweile schon fast Standard war, dass die Menschen in meiner Umgebung quarzten. Mit dem Glimmstängel zwischen den Lippen nahm ich also wieder hinter dem Steuer Platz, wandte mich noch einmal kurz wörtlich an Sabin, um zu erfahren, wohin ich ihn den chauffieren durfte. Er nannte mir eine Adresse, die ich im ersten Augenblick gar nicht so richtig zuordnen konnte. Ich tippte die Adresse in das integrierte Navi meines Autos ein und folgte der Beschreibung bis zur Einfahrt in die Straße, wo der junge Mann wohl wohnen sollte. Mit hochgezogener Augenbraue stoppte ich den Wagen gegenüber der Einmündung, nahm die Hände vom Lenkrad und fixierte Sabin mit meinem Blick. Ich kannte diese Gegend. Der Straßenname hatte zwar keine Erinnerungen geweckt, aber die Umgebung, in der wir uns mittlerweile befanden kam mir ziemlich verdächtig bekannt vor. Ich wusste von Freunden und Bekannten, dass die Polizei hier öfter Mal auf Streife war, ohne wirklich erkennbaren Grund, musste ich dazu sagen. Das Viertel war jetzt kein Drogenumschlagsplatz oder dergleichen, eigentlich ein ruhiges Wohngebiet, was doch ungewollt ein wenig Aufmerksamkeit von außen auf sich zog. Nicht zuletzt deswegen, weil auch die örtliche Spezialeinheit hier und da mal gesehen worden ist. Ich war mir nahezu hundert Prozent sicher, dass Sabin kein Spitzel oder gar Mitarbeiter beim Sonderkommando war, aber wundern tat es mich schon, dass er in einer solchen Gegend zu wohnen schien. "Hm... irgendwie hab ich kein gutes Gefühl hier in der Gegend.", murmelte ich nachdenklich, sah mich ein wenig um. "Bist du dir sicher, dass wir die Kisten hier abladen sollten? Ich hab' gehört, an guten Tagen fahren hier ein paar Streifenwagen lang.", fügte ich hinzu, stellte fest, dass ich in der Dunkelheit nicht wirklich etwas erkennen konnte. Ob das jetzt den ganzen blickdichten Ecken geschuldet war oder der Tatsache, dass sich wirklich niemand auf der Straße befand, konnte ich nicht so genau sagen. Jedenfalls war mir nicht wohl bei der Sache.
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Nein, keine Zigarette für mich. Ich rauchte nur wirklich selten und dann meist nur in akuten Stresssituationen, die ein wenig Nikotin zur Beruhigung bedurften. Ansonsten hielt ich mich von Zigaretten und auch sonstigen abhängig machenden Dingen gerne fern, hatte ich in den schlimmsten Zeiten doch auch schon den einen oder anderen kleineren Absturz damit gehabt. Mittlerweile hatte ich da aber draus gelernt und auch eine Zigarettenabhängigkeit hielt ich für unnötig, weshalb ich damit gar nicht erst anfing. Ab und zu ein bisschen Alkohol zur Entspannung war eher das, was meinem Geschmack entsprach. Jedenfalls winkte ich dankend ab und ich warf während der Fahrt immer mal wieder einen Blick zu Richard, der sich gen Ende zunehmend unbehaglich zu fühlen schien. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr er damit wirklich Recht hatte. Sofern es sich weiter vermeiden ließ, würde ich dem jungen Mann aber ganz sicher nicht explizit sagen, dass ich zufällig eine FBI Agentin im Nacken sitzen hatte. Ich log ihn ja nicht direkt an, wenn ich ihn einfach nur genauso wie den ganzen Rest in Unwissenheit ließ, solange es nicht wirklich notwendig war, sie über meine Situation richtig ins Bild zu setzen. "Nur, weil sie die Straße benutzen, plündern sie nicht ziellos Holzhütten im Garten.", war Alles, was ich zu Beginn mit einem gleichgültigen Schulterzucken erwiderte. Ich wollte keinesfalls so wirken, als sähe ich in seinen Bedenken einen schlimmen Grund. Die Geschichte barg ein gewisses Risiko, ja, aber was hatte ich dermaßen spontan für andere Optionen? Auf den ersten Blick absolut keine einzige. "Sie werden nur ein, maximal zwei Tage hier sein. Ich seh' mir zeitnah eine Immobilie", konnte man das in diesem Fall so nennen? War ja nichts Offizielles mit Verträgen oder dergleichen. "als Stützpunkt für die Drogen an. Wenn da Nichts schiefgeht, wovon ich ausgehe, sind die hier ganz schnell wieder weg. Wenn du sie nicht lieber bei dir parken willst, haben wir sowieso keine Alternativen. Dank deiner Spontanität.", fügte ich noch ein paar mehr Worte zur Erklärung an, kurz bevor er den Wagen zum Stehen brachte, woraufhin ich meinen Blick über die Umgebung schweifen ließ. Ich hatte ihm bedeutet, nicht die Auffahrt hochzufahren, weil ich leider nicht wusste, ob meine herzallerliebste Mitbewohnerin ihr Dasein gerade Zuhause fristete. Ich würde die relativ hohe Hecke entlang gehen, die selbst nahe der Straße guten Sichtschutz bot, weil sie Schatten warf. Blieb dann eben zu hoffen übrig, dass Morgen alles so glatt lief, wie ich mir das hier gerade vorstellte. Aber ich war gut im Verhandeln, sollte also eigentlich eine meiner leichtesten Übungen sein. Positiv denken, Sabin.
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Da mochte er Recht haben, dennoch war ich lieber ein wenig vorsichtiger, als wegen eines dummen Fehlers für ein paar Jährchen in den Bau zu wandern. Und mit ein paar Jährchen meinte ich voraussichtlich eine lebenslange Haftstrafe. Alleine der Haftbefehl aus England würde ausreichen, um mich aus dem Verkehr zu ziehen. Aus dem Grund wollte ich einfach so wenig wie möglich auffallen. Entsprechend musste es nicht sein, wenn ich mit Kisten voller Waffen an Streifenpolizisten vorbeistiefelte. Ich seufzte, raufte mir die Haare und ließ den Wagen dann doch widerwillig in die Straße rollen. Vor dem kleinen, zugegeben relativ schäbigen Haus, hielt ich den Wagen an, stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus, um nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Sabin war derweil ausgestiegen und schien sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Auch ich sah mich immer mal wieder um, tippte nervös auf dem Lenkrad herum, bis Sabin mir bedeutete, dass die Luft mehr oder weniger rein war. Erst dann stieg ich aus, ließ die Tür leise zufallen und ging an den Kofferraum, um die erste Kiste zu entladen. Ich folgte dem jungen Mann, der sich ebenfalls eine Kiste geschnappt hatte, den blickdichten Weg zu der kleinen Gartenlaube, ließ vor Schreck beinahe die Kiste fallen, als nicht unweit von uns ein Licht angeschaltet wurde. Wir befanden uns noch immer in einem nicht einsehbaren Teil der Hecke, trotzdem schoss mir das Blut schneller durch den Kopf, als es mir eigentlich lieb war. "Wer ist das?", fragte ich beinahe aus Reflex, flüsternd. Die Silhouette ließ ganz klar auf eine weibliche Mitbewohnerin schließen, nur wusste ich nicht, ob Sabin eher der Typ für was Zwangloses war oder sich schon vor einiger Zeit festgelegt hatte. Jedenfalls schlichen wir uns schon ein Stück weiter, noch während ich auf seine Antwort wartete. Den Schatten der Frau stetig folgend, hielten wir schließlich vor der kleinen Holzhütte, die für gewöhnlich nur dem Zweck diente, Gartengeräte vor dem Winter zu schützen. Für heute würden wir die Laube allerdings zweckentfremden, wartete ich doch nur darauf, dass Sabin die kleine Eingangstür öffnete, damit ich die Kiste, die auf Dauer im Übrigen doch ziemlich schwer wurde, endlich loswerden konnte. Gewöhnlicherweise war ich nicht der Typ, der sich groß die Hände schmutzig machte. Einzig und alleine der Kunst gab ich mich vollends hin. Für alles andere hatte ich normalerweise Bekannte, die für ein paar Kronen so ziemlich alles tun würden. Wenn es die Zeit zugelassen hätte, wäre ich auch nicht derjenige, der hier gemeinsam mit Sabin die Kisten verräumte. Aber ja, er hatte ja Recht. Meine Spontanität war in der Situation eher unvorteilhaft gewesen.
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Sydney war ja auch so schon mit ihrer bloßen Anwesenheit genug Klotz am Bein, musste sie sich da jetzt auch noch ins Rampenlicht stellen? Mein Gewissen meldete sich doch ein wenig, weil ich weiterhin nicht vor hatte, Richard jetzt die Wahrheit zu sagen. Zwar wäre er am Ende schließlich nur noch wütender, wenn ich ihn eine Weile lang belog, aber es war für mich ganz einfach besser so. Glaubte zwar nicht, dass der Dunkelhaarige es mit eigener Hand wagen würde mir eine Pistole an die Brust zu setzen, war er doch schlicht und ergreifend so absolut gar nicht der Typ dafür, aber ich brauchte seine Kontakte noch. Sein Geld zwar nur bei größeren Investitionen, aber auch das war hilfreich. Wenn es die Lage erforderte war ich einfach egoistisch. Ein Charakterzug, auf den ich ganz gewiss nicht stolz war, aber wenn du in der Mafia nicht zeitnah damit anfingst immer zu deinen eigenen Gunsten zu handeln, kamst du auf der Karriereleiter halt leider auch niemals weiter nach oben, sondern warst ein Leben lang nur der dreckige kleine Dealer, mit dem man absolut Alles machen konnte. Ich ließ Richard noch bis zum Schuppen warten, bevor er eine Antwort bekam. Nach dem Öffnen der Gartenlaube suchte ich mir die hintere rechte Ecke aus, die bis jetzt zugestellt war. Räumte erst fix den Kram bei Seite, bevor ich die erste Kiste dort platzierte. "Nur eine Mitbewohnerin. Ist schwer sich ein Haus zu leisten, wenn man nur nebenbei in 'ner Bar kellnert. Oslo ist jetzt nicht unbedingt billig.", lieferte ich ihm eine eigentlich recht plausibel klingende Erklärung für Sydney, als ich ihm die zweite Kiste schließlich abnahm und dann im Anschluss auf der anderen platzierte. "Keine Panik, sie hat keine Ahnung.", versicherte ich ihm, dass er vor ihr im Grunde Nichts zu befürchten hatte, als ich die Kisten wieder mit anderem Gerümpel verdeckte. War gar nicht so leicht im Dunkeln, aber soweit ich das beurteilen konnte, sah es hinterher ähnlich wie vorher aus, die Kisten waren auf Anhieb nur bei akribischem Nachforschen zu sehen. Dass Richie sich sehr wohl - genauso wie ich - vor dem lästigen Anhängsel in Acht nehmen sollte, behielt ich gekonnt weiter für mich. Ich bedeutete dem jungen Mann wieder aus dem Schuppen zu treten, damit ich die Tür zumachen und er sich gefolgt von mir wieder auf den Rückweg zum Auto machen konnte. "Setzt du mich wieder bei der Bar ab? Ich schaff's sonst nicht pünktlich.", wechselte ich dann auch das Thema. Wenn ich unpünktlich kam, ging das dann ohnehin auf seine Kappe und er dürfte das bei seinem nächsten Besuch dann Cosma erklären. Auf seinen Fahrstil würde ich zwar recht gerne verzichten, aber noch besser war zweifelsfrei der Verzicht auf einen kleinen, verärgerten, rothaarigen Teufel.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Eine Mitbewohnerin also. Aha. Ja, machte irgendwo Sinn. Wenn man nicht sonderlich viel hatte, war es wirklich schwer, einen Platz zum Schlafen zu finden und sich dann auch noch Essen leisten zu können. Die Preise waren teils wirklich horrend, da sprach ich aus Erfahrung. Zwar war Geld nie wirklich mein Problem gewesen, hatte ich schließlich Eltern, die mich quasi mit Geldscheinen aufgezogen hatte, aber ich war geizig. Sah es nicht ein, für etwas, was nur einen simplen Zweck erfüllen sollte, so absurde Preise zu blechen. Bei Kunst war das natürlich etwas anderes. Meine Passion war mir jeden müden Penny wert. Das war heute so und würde auch in Zukunft so bleiben. Aber gut, wie auch immer. Sabin und ich waren relativ fix damit fertig, die Kisten im Schuppen zu verstauen und ich atmete tief durch, als das Versteckspiel in den Schatten endlich ein Ende hatte. Ich stützte die Hände in die Hüften, streckte meinen Rücken ein wenig durch. "Ich bin zu alt für sowas.", murmelte ich ein wenig ironisch vor mich hin, während ich mit einer Hand die Tür des Wagens öffnete. Natürlich hatte ich noch kein wirkliches Alter erreicht, aber die Tatsache, dass ich sowas nicht jeden Tag machte, ließ diese Sache irgendwie anstregender wirken, als sie eigentlich war. Ich ließ mich erneut mit einem leisen Seufzen hinter das Lenkrad fallen, schloss für einen Moment die Augen und öffnete sie erst wieder, als der junge Mann neben mir das Wort ergriff. Ich öffnete das rechte Auge einen Spalt breit, drehte meinen Kopf in Sabins Richtung und nickte. "Kann ich machen, ja.", war alles, was ich auf seine Frage antwortete, bevor ich, noch immer mit halb geschlossenen Augen den Motor startete. Erst als ich das Gaspedal durchdrückte, und die Konzentration auf den Straßenverkehr nötig war, öffnete ich sie wieder. Zwar fuhr ich dieses Mal etwas langsamer an, nutzte die geraden Strecken aber dennoch voll aus. Schließlich war Sabin spät dran und wir wollten ja nicht, dass es heute Abend noch Streit geben würde. Ich hatte mir vorgenommen, heute ebenfalls mal wieder einen Cocktail zu trinken. Außerdem würde ich gerne etwas Pokern - stand mir zwar nicht immer der Sinn nach, aber heute war ein guter Tag! Etwa fünfzehn Minuten später - zehn Minuten nach Schichtbeginn - lenkte ich den Wagen in eine Seitenstraße neben der Bar, stellte den Motor ab und machte mich mit Sabin auf den Weg nach drinnen. "Ich hätte gerne einen Whiskey.", gab ich ihm schon mal grinsend mit auf den Weg, während er sich in den hinteren Teil der Bar begab. Ich für meinen Teil suchte mir mal wieder das favorisierte Plätzchen direkt am Tresen aus.
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Meine Mitfahrgelegenheit zur Bar war schnell klar gemacht, weil Richard Nichts dagegen zu haben schien. Allerdings sagte ich dazu an sich Nichts mehr, sondern kam während der Rückfahrt lediglich auf eine andere Tatsache zu sprechen, die mir bezüglich seines vorherigen Kommentars im Kopf herum schwirrte. "Du solltest vielleicht einfach nur mal damit anfangen Sport zu machen.", merkte ich durchaus ernst gemeint an, wenn auch nur gemurmelt und den Blick dabei aus dem Fenster gerichtet. Es war spätestens dann, wenn Drogen ins Spiel kamen, eigentlich ein unumgängliches Muss, dass man sich körperlich fit hielt und zu wehren wusste. Ein zu alt gab es in der Szene nicht. Natürlich kam der Dozent - zumindest zu Beginn - erst einmal nicht mit den Drogen und meinen Geschäften in dieser Hinsicht in Kontakt, aber es war eben doch nur eine Frage der Zeit bis sich herum sprach, dass er mehr oder weniger mit zu meinem Team gehörte. Ab diesem Zeitpunkt war es dann leider möglich, dass ein Teil der Wut und des Ärgers von Konkurrenten auch auf den jungen Mann zurückfallen würde. Im Gegensatz zu mir würden Andere es sicher nicht bei einer Bekanntschaft mit dem Zaun bleiben lassen. Aber wie dem auch sei - war seine Entscheidung, inwiefern er sich mit besserer Selbstverteidigung auseinandersetzte oder auch nicht. War nicht direkt mein Leben, das davon abhing, denke ich. An und in der Bar angekommen sah ich noch einmal auf die Uhr, stellte zufrieden fest, dass wir es noch pünktlich geschafft hatten und nahm Richies Getränkewunsch mit einem Nicken zur Kenntnis. Konnte er haben, war das doch so ziemlich mit die am wenigsten aufwendige Form von Getränk. Whiskey und Eis, fertig. Kein Zusammenmischen mehrer Zutaten und genaues - oder geschätztes - Abmessen notwendig. War demnach auch schnell erledigt und ich schob ihm das Glas über die Theke zu, bevor ich Cosma anderweitig unter die Arme zu greifen begann.
**le Zeitsprung**
Die Nacht an sich versprach schon wieder absolut nichts Gutes. Es schien sich langsam ein roter Faden durch meine Geschäfte zu ziehen, obwohl ich rein gar Nichts verändert hatte. Die Handlanger eines Konkurrenten hatten Michael jetzt am frühen Morgen - gegen 4.30 Uhr - abgefangen und gefordert, dass ich doch bitte persönlich vorbei kommen sollte, um die Sache zu klären. Weder Michael, noch ich konnten Etwas dafür, dass meine schießwütigen Knaben gefragter waren als andere. Ich hatte in diesem Metier die Krone auf dem Kopf, das Zepter in der Hand und war mehr oder minder dazu gezwungen, diese Scheiße abermals mit ein paar durch die Luft zischenden Kugeln zu klären. Ich sah es nicht ein, mir von ein paar dahergelaufenen Vollidioten die Meinung sagen zu lassen und ich fing solche Diskussionen auch gar nicht erst an, da ließ ich lieber gleich auf Anhieb den Lauf der Pistole qualmen. Keine Ahnung, was die beiden sich wirklich davon versprochen hatten, aber der Plan war definitiv nicht aufgegangen. Einer von beiden war sowieso sehr sicher auf Koks oder weiß der Himmel was für Schnee gewesen und der Andere mindestens betrunken. Wortwörtlich wahrscheinlich nur eine Schnapsidee der beiden, die ihren Chef jetzt zwei Männer gekostet hatte. Nicht mein Problem. Michael war mit ein paar Kratzern aus der Sache raus gekommen und ich hatte mich noch ein paar Minuten lang mit ihm unterhalten, bevor ich ihn auf den Beifahrersitz gebeten hatte. Wenn ich schon da war konnte ich ihn auch persönlich an der Bar absetzen. Es interessierte mich sowieso, ob es schon wieder Probleme gegeben hatte, oder ob ausnahmsweise mal Ruhe geherrscht hatte. Cosma schien den Dreck der Gesellschaft förmlich anzuziehen und es ging mir schon ein wenig gegen den Strich, dass mir das mehr als nur den vorher als gering eingeschätzten Ärger einbrachte. Ich hielt den schwarzen BMW nahe der Bar und wartete nur kurz darauf, dass Michael ebenfalls ausstieg, bevor ich mit ihm den Eingang der Bar ansteuerte. Dort wartete schon der nächste, alteingesessene meiner Handlanger und wir begrüßten ihn beide mit einem kurzen Handschlag, bevor ich mich nach der Lage erkundigte. Die Nacht schien zum Glück ruhig verlaufen zu sein und so verabschiedete sich die Vorschicht auch schon bald nach Hause.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Also irgendwie... passten mir die letzten Tage so gar nicht in den Kram, ebenso wenig der heutige. Es war zwar verhältnismäßig ruhig in der Bar gewesen, ich konnte dank Sabins tatkräftiger Unterstützung auch mal durchatmen, ohne direkt einen Anfall zu kriegen, aber trotzdem... war meine Laune unterirdisch. Ich musste mich wirklich beherrschen, vor allem Neukunden nicht auf den Schlips zu treten. Bei alteingesessenen Stammgästen war das ein bisschen was anderes. Die kannten mich zum größten Teil schon so lange, dass ein paar blöde Sprüche von mir an ihnen abperlten, wie Wasser von frisch poliertem Lack. Trotz meiner Pausen, die ich zwischendrin einlegte, um nach Tauren zu sehen, war ich irgendwie nicht wirklich ausgeruht, nicht bereit, wieder an die Arbeit zu gehen und so schleppte ich mich nur so von einem Tisch zum Nächsten, um die Gläser einzusammeln oder Drinks zu verteilen. Nach etwa drei Viertel der Öffnungszeit hatte ich schließlich genug gehabt. Mir fielen beinahe die Augen zu und ein blöder Kommentar hätte gereicht, um mich die Hütte hier abfackeln zu lassen. Ganz gleich, wie wichtig mir mein Baby war. Meine Nerven waren einfach bis zum Anschlag strapaziert und wenn ich nun keinen Cut setzte, würde es heute noch Tote geben. Ich entschuldigte mich also bei Sabin, dass ich ihn noch einmal kurz alleine lassen musste, um etwas zu erledigen. Zum vierten oder fünften Mal an diesem Tag schleppte ich mich in meine Wohnung, um dort im Arzneischränkchen zu wühlen. Irgendwo in der letzten Ecke fand ich schließlich die Upper, die ich gesucht hatte. Da Koffein und Taurin leider nicht besonders effektiv waren, musste ich in der Hinsicht mal wieder zu etwas härteren Mitteln greifen und legte mir somit noch auf dem Rückweg in die Bar eine der Tabletten unter die Zunge. Es sollte dann auch gar nicht allzu lange dauern, bis sich die Wirkung entfaltete und ich merkte, wie mein Körper sich nicht mehr nach Schlaf oder Ruhe sehnte, sondern eher Bäume ausreißen oder tanzen wollte. Viel besser, wenn man mich fragte. Sooo viel besser. Die synthetische Energie erfüllte meinen Körper gerade so richtig, als ich gegen kurz vor fünf die Bar schließen wollte. Ich hatte schon das Zittern angefangen, weil ich nicht mehr wusste, wohin mit der Euphorie. Gerade, als ich die Türen schließen wollte, hielt direkt vor meiner Nase ein schwarzer BMW. Der erste Insasse, der ausstieg war mir gänzlich unbekannt, der zweite hingegen leider nicht. Trotz der eigentlich ganz guten Laune verfinsterte sich meine Miene schlagartig. Grund dafür war der Gedanke an den heutigen beziehungsweise gestrigen Morgen, als Hunter Tauren an genau der Stelle, auf dem jetzt das Auto parkte, windelweich geschlagen hatte. Wut kroch in mir hoch und im Zusammenspiel mit den Drogen schien das keine gute Kombination zu sein. Der junge Mann, der sich mir als Michael vorstellte, bezog seine Stellung neben der Bar, während sich der Typ vom morgen auf den Heimweg zu machen schien. Ich dachte eigentlich, Hunter würde nur den Chauffeur spielen und direkt wieder abdampfen, aber er schob sich doch tatsächlich an mir vorbei in die Bar, wollte mit mir über etwaige Vorfälle sprechen. Ob heute etwas außergewöhnliches passiert war... Ich schnaubte, konnte gar nicht beschreiben, wie sich meine Gefühle im Inneren gerade überschlugen. Ich warf die Tür der Bar mit Schmackes in ihren Rahmen, bevor ich meiner Wut Luft machte. "Ob heute irgendwas passiert ist? Du meinst abgesehen von heute Morgen, als du Tauren beinahe das Licht ausgeknipst hättest?!", keifte ich zornig in seine Richtung, machte eine abwertende Handbewegung. "Du spinnst doch. Ich finde gar keine Worte, mit denen ich ansatzweise beschreiben könnte, wie durch du bist.", fügte ich mit einem feurigen Funkeln in den Augen hinten dran. Schien, als würde mein Körper die letzten Reserven ausschöpfen. War vielleicht gar nicht mal so schlecht, dann konnte ich zumindest am morgigen Tag mal richtig ausschlafen. Morgen war ohnehin Ruhetag, es würde also passen, wie die Faust aufs Auge.
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Manchmal begann ich wirklich mich zu fragen, womit ich so unendlich viel Respektlosigkeit verdient hatte. Gerade von einer Person wie Cosma, die sich weder in mein Geschäft selbst, noch in meine Beziehung zu meinen Untertanen irgendwie einzumischen hatte. Für wen hielt sich die junge Frau eigentlich, dass sie so mit mir redete? Sie warf mir all diese Worte an den Hinterkopf, hatte ich mich doch bisher nicht wieder zu ihr umgedreht und ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie das Blut in meinen Adern schneller zu fließen begann und der Puls in die Höhe schlug. Ich war ja ohnehin nicht als besonders geduldiger Mensch bekannt, aber nach dem ganzen Ärger der letzten paar Tage wurde meine innerliche Ruhe ohnehin schon hart auf die Probe gestellt. In jedem Fall, ganz gleich wie ausgeglichen ich in dem Moment gewesen wäre, hätten mich ihre Worte ein Stück weit hochfahren lassen. Die Rothaarige gehörte nämlich ganz zweifelsohne zu dem großen Anteil der Weltbevölkerung, der mir absolut Nichts zu sagen hatte - in abfälliger oder kritischer Richtung erst recht nicht. Ich tat, was ich für angebracht hielt und da würde ich mir von ihr ganz sicher nicht reinreden lassen. Bemüht langsam, aber mit bereits unter sichtbarer Spannung stehenden Schultern drehte ich mich zu der jungen Frau um. Fixierte sie mit meinem Blick und trat direkt vor sie, musterte sie im Anschluss mit verengten Augen. Ihre Pupillen in Verbindung mit ihrem heiklen Temperament sprachen für mich Bände. Es war ziemlich sicher kein Alkohol, sondern irgendein anderer Stoff, der sie zu einem solchen Höhenflug mit gesteigertem Selbstbewusstsein - als bräuchte sie das - bewegte. Cosma schien förmlich zu zittern, wenn vielleicht auch nicht stark, was für mich nur ein weiteres Indiz dafür war, dass sie sich irgendwas eingeschmissen, gezogen oder gespritzt hatte. Es gab unzählige Wege dafür, sich mit Drogen die Psyche einzulullen, wie ich selbst nur allzu gut wusste. Waren zwei von Drogen gesteuerte Vollidioten in der letzten Nacht nicht schon genug gewesen? Mein Bedarf was das anging war für den heutigen Tag längst gedeckt, sie sollte sich also besser am Riemen reißen. "Er hat es nicht anders verdient. Tauren hat sich schon vor Jahren auf den Deal eingelassen, er kennt die Regeln genauso gut wie jeder Andere! Wenn er der Meinung ist dagegen verstoßen zu müssen, muss er eben mit den Konsequenzen leben. Das war seine verdammte Entscheidung, nicht meine.", knurrte ich zu der jungen Frau runter, war dabei nicht gerade leise oder zurückhaltend. Spuckte ihr die Worte förmlich ins Gesicht, war ihrem mit dem meinen dabei auch relativ nah. "Von einer zugedröhnten Schlampe wie dir muss ich mir rein gar Nichts sagen lassen. Werd' gefälligst nüchtern, bevor du mit mir redest.", zischte ich weiter zu ihr runter, ließ den verärgerten Gedanken in meinem Kopf so wie eigentlich immer durch Worte Raum zum Atmen. Es waren natürlich nicht immer nur Worte, aber in diesem Fall beließ ich es erst einmal dabei.
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Ehrlich gesagt kam mir Hunter in diesem Moment für meinen Geschmack ein bisschen zu nah. Es schien, als würde er mich von oben herab mustern und ich hatte keinen Zweifel daran, das er bereits herausgefunden hatte, weshalb ich so auf Streit aus war - die Zeichen sprachen ja leider für sich. Mein Blick blieb trotz allem eisern und bestimmt. Überraschenderweise sollte ich nach der Inspektion tatsächlich eine ehrliche Antwort auf meine Frage bekommen, die für mich allerdings wenig zufriedenstellend war. Toll. War ja wirklich ein toller Deal, auf die Fresse zu bekomme, nur weil man von der Auftraggeberin dazu aufgeordert worden war, sich doch bitte mit ins Warme zu begeben. Gott, war dieser Typ zum Kotzen. Noch bevor ich überhaupt irgendwas darauf erwidern konnte, legte der junge Mann direkt das nächste Brett nach, was meinen ohnehin schon strapazierten Geduldsfaden endgültig zum Reißen brachte. Über seine erste Aussage wäre ich bereit gewesen, zu diskutieren, aber da er ja direkt ausfallend werden musste, wollte auch ich mich nicht mehr länger zurück halten. Da die Konversation ja ohnehin nur aus Gebrüll und Gekeife bestand, würden die einen oder anderen Handgreiflichkeiten fast gar nicht auffallen, oder? Meine Hand, gesteuert von den Drogen, fand schneller ihren Weg in sein Gesicht, als ich den Gedanken zu Ende denken konnte und ich musste zugeben, dass ich fast ein wenig zusammen zuckte, als das schallende Geräusch der Backpfeife den kurzen Moment der Ruhe durchschnitt. Ich hatte mich allerdings noch so weit unter Kontrolle, dass mein Blick ihn noch immer nicht aus den Augen ließ, selbst als ich die Hand schon wieder senkte. "Ich denke, dass ich dir nicht noch sagen muss, wie wenig du mir etwas zu sagen hast.", auch meine Stimme glich die eines Knurren, wenn auch weitaus weniger männlich. Hunter und ich waren uns in dieser Hinsicht leider ziemlich ähnlichen. Beide stur und pochten auf ihre Meinung, wollten den jeweils anderen gerne etwas vorschreiben, aber man redete ja doch nur gegen eine Wand. Alleine aus dem Grund war eine sachliche Diskussion gar nicht möglich gewesen. Würde auf Dauer wohl in einem Krieg enden, wenn nicht einfach nachgab. Und da ich heute ja sehr streitlustig war, würde ich nicht diejenige sein, die das Handtuch warf und klein bei gab. Schon alleine die Tatsache, dass ich Gefahren im jetzigen Zustand kaum wahr nahm, bildete ein gutes Sprungbrett ins Verderben. Aber das war in Ordnung. Ich wollte einfach mal wieder ein bisschen gute Laune haben. Und wenn es hieß, sich dafür gegenseitig auf die Fresse zu hauen - wobei ich da wohl oder übel die schlechteren Karten haben würde - na dann war das eben so. Nicht desto trotz bereute ich es noch immer, mir Hunter in die Bar geschleppt zu haben. Und selbst wenn ich meinen Auftrag ihm gegenüber zurück ziehen würde, müsste ich sein Gesicht vermutlich dennoch ertragen, wenn Richie oder Sabin ihn mal wieder hierher orderten oder Hunter sich entschied, einfach mal so vorbei zu kommen. Dementsprechend konnte es dann halt auch wieder so bleiben, wie es war. Genau das gleiche Übel für ein bisschen mehr Schutz, was meine Bar und mich anging...
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Das hatte sie jetzt nicht wirklich getan, oder? Cosma hätte sich an diesem Punkt wirklich wünschen sollen, dass ich ebenfalls was eingeworfen hätte. Vielleicht hätte ich es dann als Fata Morgana eingestuft, weil ich bei manchen Substanzen doch stark zu Halluzinationen neigte. Aber ich war ausnahmsweise nicht mal angetrunken, hatte auch sonst Nichts intus, quasi komplett nüchtern in jeglicher Hinsicht und spürte nur allzu deutlich, wie sehr es keine Einbildung sein konnte, dass sie mir den Kopf zur Seite schlug. Es dauerte im Anschluss nur wenige Sekunden, bis mein Kopf vor Wur hochrot angelaufen war und mir die Halsschlagader gefühlt schon dreifach geplatzt war. Die eindeutig viel zu mutige junge Frau konnte wirklich drei Kreuze dafür machen, dass sie eine Auftraggeberin und noch dazu eben eine Frau war. Ansonsten hätte sie vermutlich gar nicht so schnell gucken können, wie das Echo in Form eines Faustschlags gefolgt wäre. Es kam nur selten vor, dass Jemand, der eigentlich ganz genau wissen sollte, wo sein Platz in der Rangordnung lag, wirklich zu- oder zurückschlug. Von weiblichen Personen im Allgemeinen ganz zu schweigen. Hätte nicht sagen können, wann ich zuletzt mal eine Schelle bekommen hatte. Es war also durchaus auch ein wenig dem Überraschungseffekt zu verschulden, dass ich einen Moment lang mit mahlenden Kiefermuskeln innehielt und in diesen Sekunden ausnahmsweise gezielter nachdachte, bevor ich antwortete oder gar handelte. Langsam drehte ich meinen Kopf wieder in Cosmas Richtung, wobei ich die Augenbrauen tief ins Gesicht zog und das Funkeln in meinen Augen jetzt nicht mehr mit dem vorherigen zu vergleichen war. Es war viel durchdringender, weit aggressiver. Der zuvor war im Vergleich fast schon sanft gewesen - auch, wenn das bei mir nicht wirklich möglich war. Ich hob die rechte Hand, um Cosma vorne am Hals zu packen und schob sie dann mit ordentlich Schwung so weit nach hinten, bis sie unsanft mit dem Rücken an die Tür knallte, die wir vor Kurzem erst passiert hatten. Ich würgte die junge Frau nicht wirklich, übte aber sehr wohl hochgradig unangenehmen Druck auf ihre Kehle aus. Wenn sie schon keinen Schlag kassierte, dann musste sie schließlich anderweitig spüren, dass sie mit solchen Geschichten nicht ungeschoren davonkam. Ich war nicht weiter von ihr entfernt als vorher, als ich mit noch immer vor Schmerz pochender, geröteter Wange wieder zum Reden ansetzte. "Das ist das erste und einzige Mal, dass ich dir das durchgehen lasse, Miststück! Weil du eine Kundin, eine Frau UND drauf bist. Wag' das noch ein einziges Mal und ich sperr dich zu deinen Nutten in den Käfig, damit du merkst, wo dein verdammter Platz in der Nahrungskette ist! Ich bin auf dein Geld nicht angewiesen, also überleg dir besser mit wem du dich hier anlegst. Ich geb' nicht öfter als einmal eine wörtliche Verwarnung.", schrie ich sie förmlich an, hielt mich dabei keinesfalls zurück. Dann rutschte meine Hand mehr seitlich an Cosmas schmalen Hals, um sie wieder von der Tür weg zu ziehen und ihr im Anschluss einen ordentlich Schubs nach links zu geben, damit sie aufhörte, mir mit ihrer aufmüpfigen Art im Weg herum zu stehen. "Ich hab wirklich Besseres zu tun, als mich mit Junkies zu streiten.", stellte ich noch immer knurrend, aber etwas leiser als zuvor fest, wobei das mehr an mich selbst gerichtet war. Noch fast im gleichen Atemzug riss ich die Tür auf, weil ich dringend frische Luft und mehr Distanz zu dem Rotschopf brauchte, um nicht doch noch ernsthaft handgreiflich zu werden. Bisher hatte sie nur ein Kinkerlitzchen an Ausmaß meiner Gewalt erlebt und es wäre ihr stark anzuraten, alles Andere auch nicht antesten zu wollen.
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Hui, die Spiele waren eröffnet. Leider nicht sonderlich lange, denn bevor mein benebeltes Hirn auch nur ansatzweise realisierte, dass ich mich aus der Situation hätte zurück ziehen sollen, beendete der dumpfe Schlag meines Rückens gegen die Holztür die erste Runde. Als sich Hunters kräftige Hand um meinen Hals legte, kam ich um ein Japsen nicht drum herum, war es anders doch gerade etwas schwerer, an Luft zu kommen. Nicht nur der Kehlkopf wurde gerade unangenehm eingedrückt sondern auch meine Luftröhre. Atmen war also eher nicht drin gewesen. So blieb mir leider nichts anders übrig, als Hunter erst einmal sein Ding machen zu lassen, ihn damit weiterhin mit einem breiten Grinsen zu provozieren. Alles was er sagte, ging ins eine Ohr rein und auf der anderen direkt wieder raus. Egal wie oft er mich mündlich warnen würde oder nicht, Angst hatte ich keine vor ihm. Schlicht aus dem Grund, dass ich mit meinem Leben in soweit abgeschlossen hatte, als das ich es einfach akzeptieren würde, nach einer Prügelei an meiner eigenen Kotze gemischt mit ein bisschen Blut zu ersticken. Eigentlich hätte ihm das spätestens dann klar werden müssen, als ich mit dem Schlag in sein Gesicht mein Testament unterschrieben hatte. Aber es schien, dass ich Hunter deutlich intelligenter einschätzte, als er eigentlich war. Schade eigentlich, wenn man mich fragte, wäre das hier noch ein ganz interessanter Abend geworden, aber nachdem er mir dann, wie in etwa jeder zweite betrunkene Gast, klar gemacht hatte, was ich doch für ein Miststück sei und das das auch ja seine letzte Warnung sein würde, noch einen letzten Schubs verpasste, der mich stark ins Taumeln brachte, verpisste er sich ja auch schon wieder. Wäre ich nicht mit der ohnehin schon angeschlagenen Rippe gegen einen der Tische geknallt, hätte ich außerdem das Gleichgewicht verloren. Wie langweilig. Eher aus Reflex auf die gereizten Schmerzrezeptoren in der Brustgegend, tastete ich prüfend meinen Rippenbogen ab. Erst als ich fertig damit war, mit der neu gewonnenen Freiheit um meinen Hals nach Luft zu japsen, stieß ich sie zischend wieder aus. Wenn ich so darüber nachdachte, sollte ich das nächste Mal, wenn ich vor hatte, ein paar Schläge zu kassieren, ein Sedativum einwerfen. Dann wäre zumindest der Schmerz nicht so allgegenwärtig. War wirklich der einzige Grund, warum ich irgendwann dann einfach aufhörte. Selbst wenn mein Geist betäubt war, mein Körper schwenkte mit den Schmerzen irgendwann die weiße Flagge. War Scheiße, aber noch war ich gut drauf, hatte mich Hunter ja leider Gottes verschont. Ich sah dem jungen Mann noch einen Moment nach, bevor ich mich ebenfalls langsam wieder in Bewegung setzte. Meine Hand wanderte automatisch zu dem etwas lädierten Hals, der unter dem Druck etwas zu pochen angefangen hatte. Ich rieb mir die schmerzende Stelle in der Hoffnung, so einem blauen Fleck vorbeugen zu können, aber das war wohl eher Wunschdenken, nicht wirklich realistisch. Da die Bar für heute ohnehin geschlossen hatte, organisierte ich nur noch etwas Essbares, damit ich morgen früh nicht noch einmal runter laufen musste, so wie am heutigen Tag. Keine fünf Minuten später trat ich mit dem Proviant unter dem Arm schließlich auch nach draußen an die frische Luft. Dort erspähte ich unweit des Eingangs den jungen Mann, der gerade mit hoch roter Birne meine Bar verlassen hatte. Grinsend, weil ich meine Chance sah, ihn vielleicht doch noch zum Spielen ermutigen zu können, winkte ich ihm zu. "Ich hätte noch ein paar Pillen, wenn dir ein Streit unter Junkies lieber ist, als als einziger in der Diskussion clean zu sein. Ist das nicht ein faires Angebot?", rief ich ihm über den schwarzen BMW zu, lehnte mich abwartend an die Hauswand neben dem Eingang zur Bar. Fast schon, als wäre es Routine, wanderte meine freie Hand in die Hosentasche, um nach meinen Zigaretten zu fischen. Meine lädierte Lunge konnte ein bisschen Teer als Schmerzstiller gut gebrauchen.
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Ich hatte mich noch kurz mit Michael unterhalten, als ich draußen ankam und die Tür wieder hinter mir zufallen hörte. Er fragte mich auch auf Anhieb, was denn da drinnen eben los gewesen sei. Klar, der Musiklärm der Bar war nicht mehr existent, auch sonst Niemand in der Nähe und wir hatten nicht weit von der Tür entfernt gestanden, als wir so nett diskutiert hatten. Er hatte den Großteil vermutlich also gut verstehen und hören können. In seiner Stimme schwang so ein fragender Unterton mit, der seiner Verwirrung darüber, warum ich das überhaupt tolerierte, sehr gut Ausdruck verlieh. Ja, für mich war es tatsächlich auch ein Rätsel, warum in Hinsicht auf Paybacks stellenweise noch ein minimal vorhandenes Gewissen hatte. Mit Leuten, die ein Messer in meine Richtung schwangen oder gar den Lauf einer Pistole erhoben, machte ich ja auch kurzen Prozess und dachte noch nicht einmal darüber nach. Aber Frauen waren an sich so wehrlos, von Worten abgesehen, die natürlich richtig angewandt auch sehr tief sitzen konnten. Körperlich hingegen konnte die junge Frau so gar Nichts gegen mich ausrichten, wenn sie nicht zufällig einen glücklichen Kniehieb in meine Körpermitte schaffte, bei dem meine Reflexe quasi nicht existent gewesen waren. Ich wusste inzwischen jede noch so kleine Körperregung zu deuten und mich überhaupt zu erwischen war demnach schwer. Für Cosma noch sehr viel mehr, als für jeden Mann. Die Ohrfeige war da eine außergewöhnliche Ausnahme, weil ich sie schlicht so gar nicht hatte kommen sehen. Sollte sie das nochmal versuchen, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr treffen. Vermutlich war all das der eigentlich springende Punkt - ich machte für gewöhnlich mit Strafen Bögen um Leute, die keine Bedrohung für mich darstellten. Mir an Kraft, Training und waffentechnischer Ausstattung nicht ansatzweise ebenbürtig waren. Wieso auch Energie oder Kugeln an jene verschwenden? Die Zahl an Toten auf meinem Konto war schon hoch genug, wuchs fast alle paar Tage. Da musste ich keine unnötigen Opfer wie Cosma hinzufügen. Michael schilderte ich nur knapp die Fakten, bevor er mir eine Kippe reichte, die ich gefühlt innerhalb von zwei Sekunden zu Ende rauchte. Nach dem Austreten auf dem Boden ging ich auch schon zu meinem Wagen, war die Sache für mich hier vorerst abgehakt. Dachte ich jedenfalls, der kleine Teufel schien das anders zu sehen. "Was ist eigentlich dein scheiß Problem, Cosma? Glaubst du nicht Tauren kann seine Angelegenheiten ohne ein nichtsnutziges Weib wie dich klären? Hast du ihn innerhalb von ein paar Stunden so sehr ins Herz geschlossen, dass du ihn mit dieser Aktion in den Dreck ziehen und dich vor ihn stellen musst?", fragte ich ruhiger als zuvor, wenn auch noch immer hörbar gereizt und mit drohendem Unterton. Damit kam ich auf den eigentlichen Teil ihrer Anschuldigung zurück. Das war nicht ihr Kampf, warum fing sie also an ihn zu fechten? Sollte ihre Schnauze gefälligst aus Dingen heraushalten, die sie Nichts angingen, mit denen sie nicht die Bohne was zu tun hatte. "Du kannst hier Nichts gewinnen, warum tust du dir das selbst an?", hängte ich mit verengten Augen noch eine weitere Frage hinten an.
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Ehrlich gesagt war das Thema Tauren für mich längst vom Tisch gewesen, ich hatte meine Antwort ja bereits bekommen und wusste, dass Diskussionen in der Hinsicht zwecklos waren. Egal wie sehr ich versuchen wollen würde, in Hunters Gewissen zu reden. Ich hatte anhand seiner Reaktion schnell gemerkt, dass es da gar kein Gewissen gab, welches man einlullen konnte. Demnach war die Sache etwas unglücklich unter den Tisch gefallen, weil ich ehrlich gesagt nicht genug Argumente hatte, um es überhaupt zu versuchen. Ich kannte Tauren ja kaum und nur, weil wir die letzten Stunden wirklich Spaß zusammen hatten, waren wir nicht gleich Seelenverwandt. Auch meinen Arsch würde ich nicht für sein Leben einsetzen. Gut, vielleicht doch. Aber auch nur aus dem Grund, den ich bereits mehrfach angesprochen hatte - der Wille zu Leben hielt sich aktuell ziemlich gering. Na ja. War jedenfalls einfach das Großmaul, was schneller sprach als mein Hirn seine Schandtaten zu Ende denken konnte. Hinzu kamen die Drogen, die mein Einschätzungsvermögen in jeglicher Hinsicht trübten und einfach den nächstbesten, billigen Anlass dazu nahmen, einen Streit anzuzetteln. Hunter schien das als Angriffspunkt in seiner Argumentation anführen zu wollen. Aber nicht mit mir. Ehrlichkeit währte schließlich am Längsten und nahm den meisten Konfrontationen den Wind aus den Segeln. Ich nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, lachte leise, grinsend. "Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass es immer noch um Tauren geht. Leider konnte ich bei deinem Antlitz mein Schlappmaul nicht halten und zugegebenermaßen war das Thema, mit dem ich die Diskussion eingeleitet habe ein wenig blöd gewählt." Ich zuckte mit den Schultern, schnippte mit einem Finger die Glut von der Zigarette, den Blick stets auf Hunter gerichtet. "Ich weiß nicht, was dein verwirrtes Hirn noch so alles in meine Aussagen rein interpretiert, aber Tauren war zumindest ein guter Einstieg in eine Diskussion und für eine kurze Zeit hast du mir fast so etwas wie Angst gemacht, aber dann...", ich seufzte theatralisch, "... war das Spielen auch schon wieder vorbei." Ein Blick auf meine imaginäre Armbanduhr verriet mir, dass es langsam Zeit wurde, abzudüsen. Der Schlaf kam meistens nichts von selbst. Und leider schwappte nach und nach die Müdigkeit wieder gegen die Mauern in meinem Kopf. "Aber mach' dir nichts draus. Schlaf' ruhig eine Nacht drüber und morgen können wir bei einem Glas Whiskey und einer Pille ja noch mal die Spielregeln besprechen.", war das Letzte, was ich Hunter und damit einhergehend auch Michael an den Kopf warf, gefolgt von meinem Zigarettenstummel, der kurz vor dem schwarzen BMW in einer Pfütze erstickte. Ich setzte mich beinahe enttäuscht in Bewegung, um auch den letzten Schritt in Richtung Haustür zu machen. Ich zerrte meinen Wohnungsschlüssel aus der Hosentasche, um die Tür aufzuschließen. Der Grund, warum ich mich dazu entschied diese Situation so abrupt zu verlassen, war kein geringer als der Schmerz, der so langsam schlimmer wurde, je mehr die berauschende Wirkung des Uppers nachließ. Und mit der Euphorie verschwand auch so langsam die Streitlust. Alles, was ich über die letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte, schien mich jetzt doppelt und dreifach wieder einzuholen.
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Aha. Spielchen spielen wollte Cosma also? Schön für sie. Wie gesagt war mir meine eigene Zeit für so etwas, wenn ich keinen Sinn dahinter sah, für gewöhnlich wirklich zu schade. Wenn sie mit Jemandem spielen wollte, dann konnte sie das von mir aus mit Michael machen. Der würde vielleicht auch einfach zuschlagen, wenn es ihm zu bunt wurde. Im Gegensatz zu mir hatte er nämlich wirklich schon zu ungefähr minus zweihundert Prozent Skrupel und auch, wenn er vielleicht ein klein wenig mehr Geduld besaß als ich, war auch bei ihm diese Lunte nicht besonders lang. Er war einer der Jungs, die schon seit Anbeginn in meinem Team spielten und nicht allzu lange fackelten, bevor er eskalierte. Außerdem hatte er noch weniger einen Ruf zu verlieren als ich selbst. Wenn die junge Frau also freiwillig ein paar Schläge kassieren wollte, dann war sie bei dem stämmigen, selbst im Gesicht ziemlich viel tätowierten Muskelprotz an der absolut richtigen Adresse. Ich brauchte über Nichts zu schlafen, mir zu der Geschichte hier keine Gedanken zu machen. Die Sache war von meiner Seite aus nach wie vor eindeutig - hatte sie nochmal die Dreistigkeit, mir ihre Hand ins Gesicht klatschen zu wollen, dann bekam sie eine Faust zurück. Vollkommen unabhängig davon, ob sie mich traf oder mir daraufhin den Auftrag kündigte. Ihr Geld konnte mir wie gesagt gestohlen bleiben, wenn sie das für eine gute Entscheidung hielt, weil ich es schlicht nicht brauchte. Wenn ihr das nicht schnell genug ging, durfte sie gerne meinen Türsteher belästigen, aber ich war da heute eindeutig raus. "Klar, mach ruhig weiter. Nimm' Michael für deine Spielchen, der schlägt sicher zu.", war auch schon Alles, was ich prustend noch von mir gab, bevor ich in den Wagen stieg und die Tür zuknallte. Weil ich durch die fast gänzlich schwarz getönten Scheiben sehen konnte, dass sich der 28-jährige Prügelknabe neben dem Bareingang nicht sicher war, ob ich das ernst gemeint hatte, ließ ich die Scheibe noch einmal ein Stück weit runter, nachdem ich den knurrenden Motor - ja, mein Auto musste mich eindeutig gut repräsentieren können, da war ich kritisch - angelassen hatte. So weit, dass meine Augen gerade so für ihn sichtbar waren, dann nickte ich ihm kaum sichtlich zu. Mir war vollkommen egal, ob Cosma sich eine Faust einfing, wenn sie sich mit ihm anlegte. Sollte sie ruhig, vielleicht wachte sie aus ihrem größenwahnsinnigen Film dann endlich mal auf noch bevor die vermutlich synthetische Substanz wieder aus ihrem Körper geschwemmt worden war. Michael hatte also alles an Erlaubnis bekommen, was er brauchte, erwiderte das Nicken leicht und ich ließ die Scheibe wieder hochfahren, als ich den Wagen bereits ins Rollen kommen ließ und abfuhr. Heute war wirklich so eine Nacht, in der ich mich förmlich von Idioten umgeben fühlte, obwohl ich die meiste Zeit über wie immer allein gewesen war.
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Ich vernahm nur noch das Starten des Motors und Hunters knappe Aussage in meinem Rücken, bevor die Haustür dann auch schon wieder ins Schloss fiel und damit vollkommene Ruhe einkehrte. Es dauerte bestimmt noch weitere fünfzehn Minuten, bis ich mich endlich dazu entschlossen hatte, das kalte Treppenhaus zu verlassen und die Treppen zu erklimmen. In der Zwischenzeit hatte ich mich schweigend an die Haustür gelehnt, meinen noch immer pochenden Hals mit der Hand massiert und über die absurdeste Scheiße nachgedacht - vollkommen zusammenhanglose Scheiße, im Übrigen. Leider hatten die Upper in etwa den gleichen Effekt wie Energydrinks. Brachte eine ganze Zeit lang ein wirklich nennenswertes Paket an Energie, aber wenn die Wirkung langsam nachließ, riss es einen nur noch tiefer ins Loch der Müdigkeit zurück. Mit einem leisen Seufzen stieß ich mich von der Tür ab, schleppte mich die Stufen nach oben und versuchte dann möglichst leise die Tür zu meiner Wohnung aufzuschließen. Da ich nicht wusste, ob Tauren schon schlief oder noch wach war, wollte ich zumindest schon mal Vorkehrungen getroffen haben, wenn es tatsächlich Option A war. Dann musste ich ja nicht wie ein Elefant durch den Porzellanladen stolpern. Ich verzichtete außerdem da drauf, das Licht im Flur einzuschalten, waren meine Augen nach wie vor ohnehin lichtempfindlich gewesen. Außerdem fand ich mich in meiner Wohnung auch blind zurecht. Ich schlich mich möglichst leise in die Küche, wo ich wieder auf dem Stuhl Platz nahm, den ich erst einmal vom Boden fischen musste, nachdem ich heute morgen so unglücklich über das Möbelstück gestolpert war. Ich ließ mich wie ein nasser Sack auf den Stuhl fallen, stützte den Kopf in die Hand und ließ den Abend und vor allem noch mal den Streit mit Hunter Revue passieren. Hach, jetzt, wo ich so langsam wieder nüchtern wurde, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als das der junge Mann mich einfach ausgeknockt hätte. Dann wäre ich vielleicht am Tag darauf etwas erholter gewesen. Zwar tat dann auch der ganze Körper weh, aber das wäre es mir definitiv wert gewesen. Natürlich hatte ich noch die Möglichkeit, auf das Angebot von Hunter einzugehen und den Türsteher unten blöd anzuquatschen, dann würde ich sicher noch K. O. gehen, aber mein mehr oder weniger cleaner Kopf war da leider anderer Meinung und direkt die nächste Pille hinterher schmeißen war jetzt auch nicht das, was ich wollte. Sollte sich ja gering halten, der Drogenkonsum. War schon schlimm genug, dass ich ohnehin wieder angefangen hatte, mir was zu schmeißen, da musste man nicht noch mit aller Gewalt dran arbeiten, dass einem das Leben wieder aus den Händen glitt. Ich fiel vor Schreck fast vom Stuhl, als ich plötzlich Geräusche hörte, realisierte erst sehr später, dass ich für die heutige Nacht noch einen Mitbewohner hatte. Durch den Schreck zog ich die Luft so schlagartig rein, dass glatt die nächste Welle Schmerz meinen Körper schwemmte. Die gute, alte Rippe...
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