Ich wartete einfach in aller Seelenruhe Richards Arbeit ab, hatte im Anschluss daran auch absolut kein Problem damit mich selber hinters Lenkrad zu setzen. Zwar war das letzte Mal Autofahren jetzt ein paar Wochen her und mich an das neue Auto zu gewöhnen dauerte doch zwei, drei Minuten zu Beginn der Fahrt, aber es tat wirklich gut stattdessen nicht in der Bahn zu sitzen. Außerdem war mir Richars Fahrstil einfach irgendwie unangenehm. Es war nicht so, als würde ich dabei in Todesangst schweben, aber er missachtete in meinen Augen unnötig viele Verkehrsregeln und konnte schon allein dadurch gut und gerne Aufmerksamkeit der Bullen erregen, wenn die zufällig Streife fuhren. War unnötig. Ich schlich jetzt auch nicht gerade durch die Straßen - auch deshalb, weil es halt nunmal einfach Spaß machte endlich wieder hinterm Steuer zu sitzen -, hielt mich dabei aber doch weitgehend an die Verkehrsregeln. Ich grinste dank des angenehmen und ziemlich problemlos verlaufenen Nachmittags so leicht vor mich hin und war eigentlich recht guter Laune, als ich die Tür der Bar aufschob. Allerdings fiel mir noch auf dem Weg zur Theke ein Gesicht unter den Gästen auf, das mir jetzt so gar nicht schmeckte. Cosma wusste grob, was ich am heutigen Tag getrieben hatte - natürlich aber wie immer nicht mehr, als notwendig war - und ich hatte sie mehr oder minder vorgewarnt, dass es vielleicht zwei oder drei Minuten später werden konnte, weil ich Richards Vorhaben nicht direkt abwägen konnte. Sollte an sich aber nicht so schlimm sein, erwarteten wir heute doch eher keinen großen Ansturm. Ich hatte ihr versichert, dass ich, sollte jener Fall eintreten, eben auch länger bleiben und im Anschluss allein aufräumen würde. Mit der Arbeit hier meinte ich es ja zum jetzigen Zeitpunkt noch recht ernst. Von ihr hatte ich also keine strafenden Blicke zu erwarten, aber meine absolut nicht erwünschte Mitbewohnerin hier sah das vermutlich etwas anders. Ich hatte absolut keine Lust dazu, mir den Abend von ihr jetzt noch ruinieren zu lassen. Aber half ja Nichts. Noch bevor ich zur Barchefin ging machte ich also Halt bei Sydney, lächelte ihr schwach entgegen. "Hey... keine Sorge, ist Alles abgesprochen. Ich bleib' dafür paar Minuten länger. Wenn du mich entschuldigen würdest..", besänftigte ich sie gefolgt von einem kurzen schiefen Grinsen allerdings nur knapp, bevor ich auch schon hinter die Bar verschwand. Ich musste ja arbeiten hier, also keine Zeit für ausführliche Erklärungen. Sollte sie länger bleiben konnte sie mich noch immer in der Pause löchern, wenn es denn sein musste. Aber nicht jetzt, nein.
Eigentlich wollte ich nur Tauren aus sicherer Distanz ein wenig beschatten, weil ich einfach skeptisch blieb. Er hatte inzwischen nachgehakt, ob es denn zukünftig bei Minusgraden - zu dieser Jahreszeit nicht gerade eine Seltenheit - möglich war, dass er drinnen die letzten Stunden bis zum Schichtwechsel auf Cosma aufpasste, wenn die Bar geschlossen wurde. Wach versteht sich, ohne schlafen oder andere Extrawünsche. Ich hatte ihn noch mit einigen Fragen unter die Lupe genommen, letztendlich aber zugestimmt, weil er durchweg solide auf jene antwortete. Nur, weil ich ihn für schlau genug hielt, um nicht noch einmal Scheiße zu bauen und auch, weil man mit halb erfrorenen Fingern weniger gezielt schlug und stach, als mit gut durchbluteten. Jedenfalls unternahm ich jene Beschattung von einem alten Gebäude aus, dessen erster Stock unbewohnt war. Mir Zutritt zu verschaffen war nicht schwer, weil in der Bruchbude hier Nichts abgeschlossen war. Letzten Endes war es aber gar nicht Tauren, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern eine junge Frau, die sich kurz nach ihrem Auftauchen auch schon zu den Gästen der Bar zählen durfte. Ich war mir nicht sicher damit, ob ich sie auf diese Distanz wirklich richtig erkannt hatte oder ob ich mich irrte, aber ihre Gesichtszüge kamen mir wirklich hochgradig bekannt vor. Es dauerte auch erst einmal gut eine halbe Stunde, bis ich herausfand, woher ich sie kannte und der Ursprung dafür lag wirklich weit zurück. In einer Zeit an die ich normalerweise keinerlei Gedanken verschwendete, weil es keine gute für mich gewesen war. Alles vor dem Knastbesuch war Folter und Horror gewesen, einzig von Drogenkonsum gelindert worden. Aber selbst noch davor lag die Bekanntschaft mit Sydney. Ich musste also extrem weit zurückspulen. Ich erhob mich schließlich von dem alten, knarrenden Holzstuhl am Fenster und schlug stattdessen den Weg zur Bar ein. Keine Ahnung ob Tauren überrascht war mich zu sehen, weil ich hier heute eigentlich gar nichts vorhatte, aber der junge Mann nickte mir nur ziemlich neutral zu, kurz bevor ich die Eingangstür passierte. Drinnen angekommen dauerte es nicht lange, bis ich besagte alte Bekanntschaft mit meinem stechenden Blick wieder ausfindig gemacht hatte. Ich zögerte auch nicht in ihre Richtung zu gehen, wenn auch erstmal nur, um sie noch einmal unauffällig im Augenwinkel ansehen zu können, während ich mir wie immer meinen Whiskey von Sabin zuschieben ließ. Aber ich war mir doch zu 99% sicher, dass es sich wirklich um meine frühere Mitschülerin handelte. Die Brünette darauf anzusprechen tarnte ich allerdings weiterhin. Erst wandte ich mich zum Gehen ab, hielt dann aber doch noch einmal inne und ging wieder einen Schritt zurück, um sie das erste Mal wirklich direkt anzusehen. "Sydney?", begrüßte ich sie nur indirekt und mit fragendem Unterton. Ja, ich konnte auch gut ein bisschen schauspielern, wenn mir denn gerade der Sinn und die Motivation danach standen. In diesem Fall war gewisse Vorsicht schlicht angebracht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sabin schaffte es tatsächlich, innerhalb der, durch mich festgelegten, Frist in der Bar aufzutauchen. Entgegen meinen Erwartungen betrat der junge Mann die Bar allerdings in Begleitung durch den Haupteingang, was mein Misstrauen nur noch weiter verstärkte. Schien, als würde er seinen Arbeitsbeginn nicht allzu ernst nehmen. Als hätte er meine Gedanken gehört, erblickte Sabin wenig später mein Gesicht inmitten der mittlerweile größeren Menschenmasse. Er schien überrascht, mich am Tresen sitzen zu sehen und versuchte kurz darauf auch schon, mir die Geschichte - warum er so spät da war - mehr schlecht als recht zu verkaufen. Noch bevor ich überhaupt irgendwelche Gegenfragen hatte stellen können, wimmelte er mich auch schon mit dem Argument ab, dass er jetzt keine Zeit zum Reden hatte und arbeiten müsse, was ich auf der einen Seite natürlich gut hieß. Auf der anderen Seite schrillten bei mir allerhand Alarmglocken, weil ich merkte, das Sabin sich durch diese raffinierte Aussage nur Zeit erkaufte, um sich eine plausible Erklärung einfallen zu lassen. Ich beschloss, der Sache am morgigen Tag weiter auf den Grund zu gehen, hatte ich jetzt ohnehin wenige Möglichkeiten, Informationen aus ihm heraus zu bekommen. Die Begleitung, die mit Sabin in der Bar eingetroffen war, ließ sich derweil etwa drei Barhocker weiter neben mir nieder und schien mich ab und an unauffällig zu mustern. Ich schnaubte frustriert, weil ich gehofft hatte, dass eine Undercoverarbeit einfach mal gut - oder zumindest okay! -verlief. Das Böse in den Menschen mal zur Ruhe kam und eine Pause einlegte. Aber es schien allmählich chronisch zu werden, dass die Leute aus dem Personenschutz Scheiße bauten und es am End dann doch hieß, dass sie in den Knast gehen würden, der Deal geplatzt war. Natürlich wäre das für mich eine super Sache gewesen, immerhin wäre der Einsatz dann beendet und ich konnte zu meiner Familie zurück kehren, aber so funktionierte mein Job nicht. Ich brauchte zumindest ein kleines Fünkchen den Willen, die Leute wieder in die richtige Spur zu schieben. Jeder hatte eine zweite Chance verdient und ich konnte nachvollziehen, dass ein solcher Umzug oft erst einmal schwer war. Man musste sich dran gewöhnen, noch einmal von null anzufangen - dieses Mal ganz legal. Und an diesem Punkt schien Sabin momentan ein wenig die Richtung verloren zu haben, wenn ich mit meinen Gedankengängen nicht gänzlich falsch lag. Nachdenklich sah ich dem Italiener hinterher, als dieser gerade durch die Tür nach hinten verschwand. Mit einem leisen Seufzen hob ich mein Glas an die Lippen, um von dem Drink zu nippen, als mich jemand von der Seite ansprach. Ich wollte gerade schon zum genervten Fluchen ansetzen, weil ich direkt am Anfang des Abend schon von irgendwelchen Idioten belästigt wurde, als ich direkt in das Gesicht des jungen Mannes blickte, der sein Wort gerade an mich gerichtet hatte. Es verschlug mir einen Moment die Sprache, weil Hunter mir so unglaublich bekannt vor kam und dennoch so fremd wirkte. Eine ganze Weile später - ich musste ihn sicher für eine halbe Minute wortlos angestarrt haben -, fiel der Groschen schließlich und meine Gedanken um Sabins Machenschaften rückten für den Augenblick in den Hintergrund. "Hunter.", murmelte ich mit einem überraschten Blick in seine Richtung. Mein Gott, was hatte er sich verändert. Und wie lang war es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten? Meine letzte Erinnerung, die ich an ihn hatte, deckten sich so gar nicht mit seinem aktuellen Aussehen. Er war viel kleiner, schlanker gewesen und noch nicht bis unters Kinn tätowiert. Wie man in zehnten Klasse eben so aussah. Tja und dennoch erkannte man sich wieder. Rein rechnerisch musste es jetzt in etwa zehn Jahre her sein, als wir uns das letzte Mal in der Schule begegnet waren. "Das ist aber eine Überraschung, dich hier zu treffen.", hängte ich gleich ein paar Worte hinten dran, konnte es gar nicht so richtig glauben, dass ich ausgerechnet ihn hier antraf. Von allen Personen auf der Erde, erwartete ich Hunter hier am wenigsten...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Überraschung traf den Nagel wohl ziemlich auf den Kopf, ja. Es war wohl nicht gerade meine Intention beim Stalken gewesen, zufällig eine alte Bekannte aus der Schulzeit hier wieder zu sehen. Immerhin war ich so gar nicht davon ausgegangen, dass Sydney oder Irgendwer anders mir hier nach Norwegen gefolgt war. Ich war ja nicht hierher gekommen, weil ich mein altes Leben irgendwie mitnehmen wollte, sondern um absolut Alles in den USA passierte hinter mir zu lassen. Inklusive meinem ersten Mord, zahlreichen Drogenexzessen und anderen, noch eher kleinkriminelleren Geschichten. Damals war ich ja noch nicht so ein Genie gewesen wie heute und hatte mir außerdem nicht so leicht Respekt verschaffen können, weil meine ganze Aura vor dem Einsitzen im Gefängnis eine ganz andere gewesen war. Weit weniger extrovertiert, nicht von vornherein so dominant und gleichzeitig provokant. Aber man lernte im Knast halt so Einiges, was für das Überleben im kriminellen Untergrund sehr von Vorteil war. "Kannst du laut sagen...", stimmte ich diesbezüglich also nickend ein, wobei ich doch ein klein wenig anfing zu grinsen. War jetzt nicht so, dass es keine nette Überraschung war. Irgendwie schon witzig, dieser Zufall. Erhellte mir zum jetzigen Zeitpunkt schon ein wenig das grummelige Gemüt. Ich fing unbewusst damit an, die junge Frau ein klein wenig zu mustern und stellte fest, dass sie noch immer eher wie das brave Mädchen aus der Schule wirkte. Vielleicht ein klein wenig selbstbewusster, natürlich auch älter und ein Stück weit weiblicher. Aber dennoch machte die Brünette nach wie vor den Brave-Amerikanerin-Eindruck auf mich. "Siehst gut aus.", stellte ich dann schließlich wörtlich fest, als ich sie ganz unverblümt wieder direkt ansah. Dann nahm ich neben ihr mit dem Rücken an die Bar gelehnt den ersten Schluck von meinem Whiskey, den ich schon viel zu lange unbeachtet gelassen hatte. Der kühle Tropfen Alkohol trug auch prompt noch zu weiterem Wohlbefinden und Entspannung meines hitzigen Gemüts bei. "Wie geht's dir denn? Wohnst du noch in New Orleans?", stellte ich ihr gleich zwei Fragen, um das Gespräch etwas besser ins Rollen zu kriegen. Ob Sydney wirklich noch immer in dieser Absteige von Stadt wohnte? Natürlich waren nicht alle Ecken so hässlich wie das Ghetto, in dem ich mich gen Ende meiner freien Zeit als Amerikaner herum getrieben hatte, die Stadt hatte durchaus Charme und auch schönere Ecken. Nur in meinen Augen halt nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich war immer noch ein wenig perplex, als sich Hunter neben mir auf einem der freien Barhocker nieder ließ. Es war wirklich ein verdammt witziger Zufall gewesen, dass sich zwei amerikanische Schulfreunde hier in Norwegen trafen. Und das ungewollt nach einer so langen Zeit. Sein Kompliment bezüglich meines Aussehens zauberte mir ein schmales Lächeln auf die Lippen, was sich nach und nach eher zu einem Grinsen entwickelte. "Danke. Du auch. Aber das letzte Mal hattest du irgendwie... na ja... weniger Tattoos.", stellte ich fest, nachdem ich ihn flüchtig von oben bis unten gemustert hatte. Man sah zwar nur Teile der Tattoos an Hand, Hals und im Gesicht, der Rest war durch einen Hoodie verdeckt, aber ich ging davon aus, dass er auch darunter weitere Verzierungen trug. Stand ihm gar nicht mal schlecht, wenn wir mal ehrlich waren. Bevor ich schließlich seine Fragen beantwortete, leerte ich den Mojito mit einem letzten Zug und schob das leere Glas dann der Barchefin über den Tresen. "Mir geht es eigentlich ganz gut." Den Umstand, dass ich meine Familie vermisste, würde ich ihm jetzt nicht offen legen. "Und nein, in New Orleans wohne ich nicht mehr. Bin umgezogen nach Washington D. C. und gerade beruflich in Oslo", antwortete ich ehrlich und stellte prompt die entsprechenden Gegenfragen. "Und bei dir? Was treibst du hier in Norwegen und wie ist es dir die letzten Jahre so ergangen? Ist ja eine halbe Ewigkeit her.", meinte ich bloß und orderte mir noch im selben Atemzug einen neuen Drink. Mittlerweile schien nämlich auch Sabin seine Stelle hinter dem Tresen bezogen zu haben. Als er unsere alte Heimatstadt erwähnte, katapultierte es mich augenblicklich um ein paar Jahre in die Vergangenheit zurück. Man, das waren gute Zeiten gewesen. Ich hatte unser Haus, meine Freund und Familie dort wirklich geliebt. Aber als ich meinen Schulabschluss hatte und eine Zusage vom Headquarter des FBIs bekommen hatte, verschlug es mich aufgrund der Arbeit leider weiter in den Westen der Staaten. Mittlerweile hatte ich mich auch da ganz gut eingelebt, mir eine eigene Familie aufgebaut und neue Freunde gefunden. Aber in Erinnerungen schwelgen war trotzdem irgendwie... schmerzhaft. Wenn man mal darüber nachdachte, hatte ich damals ziemlich egoistisch gehandelt. Hatte alle, die mich liebten, zurück gelassen, nur um meinem Traum nachzugehen. Aber gut, selbst wenn ich mich heute dazu entscheiden würde, zurück in die alte Heimat zu pilgern, wäre niemand mehr dort, der auf mich warten würde. Meine Eltern waren bereits verstorben, der Krebs hatte sie beide dahin gerafft. Und für ehemalige Freunde wäre ich wohl nur noch eine entfernte Bekannte. Im Prinzip hatte ich in New Orleans also nichts mehr.
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Ich nickte dankend bei Sydneys Aussage, wobei das Grinsen weiter Einzug hielt. Damals hatte ich wohl nur ein einziges kleines Tattoo gehabt, das inzwischen auch schon lange gecovert war. Ein absoluter Schandfleck, den ich bis heute bereute und nur allzu froh darüber war, dass er schon lange nicht mehr sichtbar war. "Ja, was das angeht... hab ich in manchen Augen vielleicht ein bisschen übertrieben.", stellte ich fest, weil ein fast lückenfrei tätowierter Körper ja nicht gerade jedermanns Geschmack war. Aber ich für meinen Teil liebte jeden einzelnen schwarzen Fleck unter meiner Haut und würde keinen davon wieder hergeben wollen. Gehörte zu mir und passte meiner Meinung nach auch bestens zu meinem Image, das der jungen Frau hier glücklicherweise unbekannt war. Sonst würde sie sich nämlich kaum so friedlich hier mit mir unterhalten, sondern entweder schnell das Weite suchen oder das Pfefferspray rausholen. Von der Waffe ahnte ich ja nicht mal ansatzweise etwas. Auch ihren folgenden Worten lauschte ich aufmerksam, weil ich fast ein Stück weit neugierig war. Es schien ihr gut zu gehen, in New Orleans wohnte sie aber scheinbar nicht mehr. Washington war aber wohl sowieso die weit bessere Lösung, weshalb ich auch daraufhin zum Verständnis leicht nickte. Zwar wäre auch jene Stadt nicht meine erste Wahl, wenn ich in die USA zurückgehen würde, aber das lag mehr daran, dass die wenigen guten Kontakte, die ich zu ehemaligen Knastinsassen dort noch hatte, woanders lagen. Sydney teilte mir auch noch im gleichen Atemzug mit, dass sie rein beruflich hier in Oslo war. Schien also kein schlechter Job zu sein, den sie da hatte, weil sie sonst kaum Auslandseinsätze erledigen würde. Im Gegensatz zu mir schien sie also auf legalem Weg Etwas aus sich gemacht zu haben. Es dauerte auch gar nicht mehr lange, bis entsprechende Gegenfragen zurück kamen. "Mir gehts gut, kann mich nicht beschweren.", erwiderte ich erst einmal mit einem leichten Schulterzucken. Es gab im Grunde Nichts, worüber ich mir grade ganz ernsthafte Sorgen machen musste, also entsprach das durchaus der Wahrheit. "Ich bin schon seit etwas mehr als zwei Jahren in Oslo, bin ausgewandert. Gab Nichts, was mich in den USA gehalten hat und ich hab wohl einfach einen Neuanfang gebraucht... aber seitdem läuft's gut, könnte echt schlimmer sein.", erklärte ich und nahm dann erneut einen kleinen Schluck vom Whiskey, bevor mein Blick erneut in die Augen der Brünetten richtete.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, das konnte ich mir gut vorstellen. Diese Art von Kunst war leider nicht besonders angesagt bei den meisten Menschen. Dabei fand ich einige Bilder wirklich faszinierend, konnte mir nicht vorstellen, wie man so filigrane Linien mit einer Nadel erarbeiten konnte, aber neben den Mustern war eben auch das Stechen eine Kunst für sich. "Kann ich mir gut vorstellen. Aber ich persönlich find's cool. Würde mich auch mehr tätowieren lassen, aber ist vom Arbeitgeber her leider nicht erlaubt." War halt so eine Sache, wenn man in einer Branche arbeitete. Wenn man Tattoos an offensichtlichen Stellen trug, war man für so etwas wie den Personenschutz leider nicht mehr zu gebrauchen. Die Gefahr, anhand der schwarzen Tinte unter der Haut von Leuten erkannt zu werden, die man eigentlich ganz gerne mied, war einfach zu hoch. Aus diesem Grund waren nur kleine, kaum sichtbare Tattoos erlaubt gewesen. Etwa an den Beinen, der Hüfte oder dem Oberkörper. Hauptsache die Körperteile, die man im Sommer gerne in kurze T-Shirts oder Hosen steckte blieben frei. Als Sabin mir meinen Drink über den Tresen schob, überschlug ich entspannt die schlanken Beine, was die Cardigan ein wenig zu Seite schob und einen Teil meiner Dienstwaffe preis gab. Mit dem Glas in der Hand nahm ich wieder das Wort auf. "Ich verstehe. Hört sich nicht schlecht an. Aber so ein Neuanfang ist sicher schwer.. Was machst du jetzt hier in Oslo? Also beruflich?" Entspannt, weil das Gespräch gerade wirklich Spaß machte, drehte ich mich auf dem Barhocker so, dass auch ich mich jetzt mit der Seite an das Holz lehnen konnte, den Blick weiterhin auf meinen alten Klassenkameraden gerichtet. Ich konnte zum jetzigen Zeitpunkt ja noch nicht ahnen, wem ich hier eigentlich gerade gegenüber saß. Menschen veränderten sich, das war unabdingbar. Aber hätte ich den wahren Grund für Hunters Ausreise aus den Staaten gewusst, wäre das Gespräch hier bei Weitem nicht so ruhig verlaufen. Ganz gleich, wie gut wir uns in jungen Jahren verstanden hatten. Er stand eindeutig auf der falschen Seite und es wäre meine Pflicht gewesen, seinen Aufenthaltsort unverzüglich der regionalen Polizeistelle mitzuteilen. Aber ahnungslos wie ich war, grinste ich ihn einfach gut gelaunt an, während ich auf seine Antwort wartete.
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Ah, sie hatte also scheinbar keine Abneigung gegen Tattoos, fand sie auch ein Stück weit interessant. Hatte selbst nach eigener Aussage scheinbar ein oder zwei kleinere. Mehr nicht, weil der Arbeitgeber es verbot. Unweigerlich begann ich mich natürlich zu fragen, was für einem Job sie nachging. Es gab ja selbst Firmen, die in ihren Büros keine tätowierten Angestellten sehen wollten, weil ein Teil der Menschheit eben aus spießigen Idioten bestand. Aber trotzdem lag meine allererste Vermutung grundsätzlich immer auf Bulle. Vermutlich einfach deshalb, weil jene Leute nicht gerade zu meinen besten Freunden gehörten und grundsätzlich gerne von mir abgeknallt wurden, wenn sie es nicht geschickt anstellten oder zu den von mir bestochenen zählten. Ich antwortete allerdings zu lange nicht darauf, weshalb sie gleich mit dem nächsten Thema fortfuhr, bevor ich zum Reden angesetzt hatte. Ehe ich mich versah ging es also in Richtung meiner eigenen Tätigkeit, womit ich an sich aber kein Problem hatte. Mir Dinge so zurecht zu drehen, wie es mir in den Kram passte, war eine meiner größten Stärken und die kam mir jetzt auch hier zu Gute. "Einfach war's nicht, das stimmt... war auf jeden Fall viel Arbeit, aber ich hab' mir inzwischen eine eigene Firma in der Sicherheitsbranche aufgebaut. Security-technisch.", erklärte ich und log dabei ja noch nicht einmal wirklich, weil das so fast der Wahrheit entsprach. Es war halt keine legal angemeldete Firma oder gar überhaupt legalen Schutz bietende Securitys mit entsprechend dokumentierter Ausbildung, die ich zum Wache halten raus schickte, aber das war ja auch nicht die Frage gewesen. Mein Blick wanderte unweigerlich in Richtung ihrer Beine, als sie jene überschlug, war ich doch einfach ein durchweg aufmerksamer Mensch, der permanent seine Umgebung - und Mitmenschen - mit Blicken abzutasten wusste. Ich müsste schon blind in meiner Art von Beruf sein, um das Metall der Waffe dabei nicht ins Auge zu fassen. Genauso wie für mich war für sie eigentlich das Tragen einer Waffe verboten - ich war halt nicht so naiv, sie zu zeigen und trug sie wie gewohnt komplett unterhalb der Kleidung, die schon sehr stark verrutschen müsste damit Etwas zum Vorschein kam. Es sei denn natürlich, sie hatte gewisse Sonderrechte... aus beruflichen Gründen. Ich musste mich wirklich dazu zwingen, meine Mundwinkel nicht einfach abrutschen zu lassen, sondern den gleichen Gesichtsausdruck wie zuvor beizubehalten. "Cop?", hakte ich also doch recht neugierig nach als ich sie wieder ansah, wobei ich etwas schief zu grinsen anfing, den Kopf leicht zur Seite neigte und das Glas in meiner Hand zu drehen begann. Aus Beruhigungs- und Ablenkungsgründen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Er hatte sich also seine eigene Firma aufgebaut. Da war das natürlich kein Problem gewesen, sich bis unters Kinn tätowieren zu lassen, wenn man sich selbst sein eigener Chef war. Ich nickte zum Verständnis, sah ihn weiterhin interessiert an. War ja doch mal was Neues, endlich mal wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es ist viel zu lange her gewesen, als das ich überhaupt irgend wen aus meiner alten Heimat je wieder getroffen hatte. Ich genoss also den kleinen Plausch, als Hunter mir mit einem Ein-Wort-Satz die Sprache verschlug. Für einen Moment sah ich ihn etwas verwirrt an, weil ich nicht wusste, woher er sich das jetzt abgeleitet hatte, bis mein Blick auf den Hosenbund fiel. Das Metall der Waffe war ein kleines Stückchen zu sehen gewesen, was wohl der Grund für seine Annahme gewesen war. War ja klar. Hellseher war er schließlich nicht. Das gedimmte Licht der Bar verbarg gekonnt, dass sich auf meine Wangen ein rötliches Schimmern gelegt hatte. Ertappt werden war für mich einfach nicht angenehm. Schnell zog ich die Cardigan, unter der das Teil versteckt lag, wieder an die richtige Stelle, zuckte grinsend mit den Schultern. "Ja..", beantwortete ich die indirekte Frage, ehe ich noch ein paar Worte hinten dran hing, um die Situation aufzulockern. "Du weißt ja, mein Sinn nach Gerechtigkeit war schon immer ausgeprägt." Nichts als die Wahrheit. Zwar hatte ich über die Jahre gelernt, dass man manchmal auch verlieren und auf die Schnauze fallen musste, wenn ein Verteidiger seinen Mandanten aus der Sache raus geboxt hatte, aber grundlegend wurden alle wirklich schlimmen Finger gefasst und weggesperrt. Da hatte ich noch vertrauen in die Justiz der vereinigten Staaten gehabt. Erneut setzte ich das Glas zum Trinken an, nur um es wenig später vor Schreck beinahe fallen zu lassen. Sabins Anhängsel war fast vom Stuhl gekippt, als er sein eigenes Glas auf den Tresen donnerte. "Sabin teilt sich seine verschissene Wohnung mit einem Cop?", war alles, was ich durch die verhältnismäßig laute Musik vernahm. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich das richtig verstanden und aufgefasst hatte - und vor allem, mit wem er redete -, aber es schien, als wäre der Typ immer näher und näher gekommen, denn mittlerweile saß er unmittelbar neben mir auf einen der leeren Barhocker und nicht wie zu Anfang drei weiter rechts... So wie es aussah, hatte er er uns scheinbar belauscht, so gut das durch die Musik eben möglich war. Nicht so die feine englische Art, wenn man mich fragte. Augenblicklich drehte ich mich zu dem Störenfried um, zog die Augenbrauen tief ins Gesicht. Auch wenn kaum einer Verdacht schöpfen würde, dass Sabin und ich aus etwas anderen Gründen zusammen lebten, verspürte ich doch ein wenig das Bedürfnis, mich rechtfertigen zu müssen. "Ja und? Können Frauen und Männer nicht auch ohne Beziehung zusammen leben? Die Mieten sind teuer!", grummelte ich in Richtung des jungen Mannes. Dass er aus einem ganz anderen Grund so energisch wurde, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst...
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Im Grunde genommen war mir Alles, was Sydney nach dem Ja noch erwiderte, vollkommen scheißegal. Wir mochten uns damals ganz gut verstanden haben und sie war gerade vielleicht auch ganz nett, aber das änderte leider absolut gar nichts an der Tatsache, dass mir jetzt nicht mehr der Sinn danach stand, mich weiter mit ihr zu unterhalten. Erst recht dann nicht mehr, als das Glas unweit von uns auf die Theke knallte und Richard auch seinen Senf dazu gab. Ich hatte keine Ahnung davon, an wen der Dunkelhaarige diese Worte gerichtet hatte oder ob er gar nur mit sich selbst redete, aber das war mir auch latte, weil es mir rein um den Inhalt des Satzes ging. Sabin wohnte mit ihr zusammen. Woher auch immer der Kunstfreak das wusste, es brachte mir hier gerade ein letztes kleines Detail ein, das mich das Puzzle geistig blitzschnell zusammenfügen ließ. Klar, der Italiener war nicht einfach aus Italien geflohen, wie er mir zu verklickern versucht hatte, sondern war zu den Bullen gerannt und hatte sich eskortieren lassen. Das ließ ihn mich zum Einen als kompletten Waschlappen abstempeln und zum Anderen wusste ich damit eindeutig, dass er mich angelogen hatte. Er war im verdammten Zeugenschutzprogramm und keineswegs aus freien Stücken in Oslo. Das konnte Sydney jetzt hier weiß Gott wem erzählen, dass sie einfach nur zusammenwohnten, obwohl sie ja eigentlich in den USA sesshaft war, aber mir ganz bestimmt nicht - immerhin war sie laut eigener Aussage aus beruflichen Gründen hier. Zwar hatte ich keine Ahnung davon, inwiefern Richard über die Vergangenheit des Mafiosos Bescheid wusste, aber er würde sicher auch keine halbe Ewigkeit dazu brauchen, diese Information mit weiteren zu verknüpfen. Ich umfasste das Glas krampfhaft, krallte mich förmlich daran fest, sodass meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Ich konnte gerade so im Zaum halten, dass mein ganzer komplett angespannter Arm zu Zittern begann. Ich war dabei zwar überwiegend auf den Italiener sauer, aber Richard machte es mit seinem gerade ziemlich auffälligen Satz jetzt auch nicht unbedingt besser, obgleich mir dieser eine wichtige Info geliefert hatte. Ich hätte die beiden vermutlich lieber abknallen sollen, als einen Deal mit ihnen einzugehen. Die ganze Bar hier versprach bisher nichts als Probleme, vielleicht sollte ich sie einfach mit einer verdammten Granate in die Luft jagen und das Thema wäre erledigt. Natürlich ganz genau dann, wenn alle drei Anwesend waren. Verstand sich von selbst. "Nimm' ihn nicht so ernst... er war vor etlichen Jahren Kleinkrimineller und hat mit der ACAB-Scheiße immernoch nicht abgeschlossen.", zog ich Richard ganz bewusst mit einem lockeren Lächeln auf den Lippen mit meinen Worten in den Dreck, warf ihm im Anschluss noch einen vielsagenden Blick zu, der ihm sehr klar deuten sollte, dass er ab hier besser den Rand hielt, wenn er keine Kugeln fressen wollte. Sabin hingegen sah ich nur kurz an, weil ich an seinem deutlich sichtbaren Schlucken schon erkennen konnte, dass er wusste, wie sehr er hier gerade Mist gebaut hatte. Das würde auch ganz sicher noch auf ihn zurückfallen, wenn seine liebreizende Aufpasserin hier sich ins Bett verabschiedete. Bis dahin musste ich zwangsweise die Finger möglichst still halten, um nicht Irgendwen im Beisein einer Polizistin zu erwürgen oder abzustechen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Meine Augenbraue hob sich unwillkürlich, als Hunter wieder sein Wort an mich richtete und damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. Zugegeben entlockte mir seine Aussage ein schmales Grinsen, weil der Gesichtsausdruck des jungen Mannes neben mir doch wirklich Bände sprach. Hätte ich mich nicht so auf den Schlips getreten gefühlt, wäre auch ein Lachen drin gewesen, aber unter den Umständen... nein. Einfach nein. Ich gab nur ein paar beschwichtigende Worte á la Solange er jetzt eine weiße Weste hat, muss er sich vor nichts fürchten von mir, bevor ich mich dazu entschloss, den Heimweg anzutreten. Ich war nicht wirklich lange da gewesen, vielleicht maximal eine oder anderthalb Stunden, aber die Situation war mir unangenehmer, als ich es mir anmerken ließ. Auch die Tatsache, dass der Mann mit der schlaksigen Statur darüber Bescheid wusste, dass Sabin und ich uns ein Apartment teilten, war mir nicht ganz Geheuer. Und inmitten einer riesigen Menschenmasse etwas zu provozieren, was ich am End nicht mehr ausbaden konnte, wollte ich auch nicht. Dann lieber Sicherheitsabstand gewinnen und Sabin morgen zu der Geschichte ausfragen. Besagter Italiener schien die Konversation nämlich ebenfalls verfolgt zu haben und würde daher ganz sicher wissen, dass mir gerade einige Fragen auf der Zunge brannten. Nicht zuletzt wollte ich wissen, wer der Typ rechts von mir war und warum Hunter und er sich kannten. "Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.", meinte ich schließlich bestimmt, erhob mich von meinem Hocker, um mich kurz darauf über den Tresen zu beugen, Sabin mit einem Handzeichen zu mir zu winken. "Ich schwöre bei Gott, wenn du heute Nacht nicht pünktlich Zuhause bist, dann werde ich das ganze, Gott verdammte Police Department nach dir suchen lassen. Wir haben ein Wörtchen zu reden!", fauchte ich verhältnismäßig leise, um nicht unnötig mehr Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, als ohnehin schon. In meiner Stimme schwang ein bedrohlicher und sehr ernst zunehmender Unterton mir, weil die ganze Geschichte hier bis zum Himmel stank. Eine Sache, dass Richard ein Bekannter von Sabin zu sein schien, mochte ja sein, dass er bereits Bekanntschaften geschlossen hatte, eine andere aber, wenn dieser für meinen Geschmack ein wenig zu viel wusste. Und aufgrund der Tatsache, dass er Details wusste, die eigentlich niemanden etwas zu interessieren hatte, drängten sich mir schon einige Fragen auf, die ich später in aller Ruhe mit meinem Schützling besprechen würde. An Schlaf war nach der Sache ohnehin nicht zu denken. Ich würde zwar den Heimweg antreten, mich aber vermutlich vor den Fernseher hocken und darauf warten, dass der Italiener die Tür herein spaziert kam, nur um ihn direkt auf dem Stuhl fest zu tackern und auszufragen. Bis dahin... dauerte das aber noch eine Weile. Ein letzter vielsagender Blick in Richtung Sabin, dann verabschiedete ich mich von Hunter, dem man seine innere Anspannung so gar nicht wirklich ansah. "Hat mich gefreut, dich wieder zu sehen, Hunter. Aber mir wird der Spanner da drüber", ich nickte in Richtung Richard "ein bisschen zu blöd und generell gibt es da gerade ein, zwei Sachen... die ich gerne heute noch erledigt haben würde.", waren meine letzten Worte, bevor ich die Bar endgültig wieder verließ. Als ich auf dem Heimweg in der Bahn gesessen hatte, fiel mir plötzlich ein, dass ich Hunter unbedingt nach dem Namen hätte fragen sollen. Er wusste sicher, wie der Vogel hieß. Wenn er durch seine Security bereits mit dem jungen Mann zutun hatte, hätte er mir auch den Namen nennen können und ich hätte mich ein bisschen über den Typen belesen können. Mist...
Ich hatte das Szenario aus sicherer Entfernung betrachtet, konnte mich zwischenzeitlich ja kaum noch halten vor Lachen. Zwar kamen nicht alle Worte deutlich bei mir an, dafür war die Musik einfach viel zu laut, aber alleine die Gesichtsausdrücke sprachen ihre eigene Sprache. Irgendwann hatte ich mich dann allerdings wieder meiner Arbeit gewidmet und auch Sabin dazu aufgefordert, das Gleiche zu tun, nicht nur blöd in der Gegend rum zu stehen. Mittlerweile konnte ich mich ja wieder einigermaßen schmerzfrei bewegen, waren die Wunden doch über die letzten paar Tage gut abgeheilt. Lag nicht zuletzt daran, dass ich mir seit dem Vorfall mit Hunter keine Pille mehr geschmissen habe und mich somit auch mit niemanden mehr geprügelt hatte. Auch von den Opiaten hatte ich die Finger gelassen, nachdem der schlimmste Schmerz vorüber gewesen war. Auch wenn ich keine Probleme damit hatte, mir eine Spritze zu setzen, war ich trotzdem kein großer Fan von Nadeln. Und wenn es nicht nötig war, griff ich dann doch lieber auf das gute alte Marihuana zurück. Das Gras reichte vollkommen aus, um die Schmerzen, die aktuell noch präsent waren, zu unterdrücken. Die blauen Flecken und die Rippen taten nur noch mäßig und nur bei falschen Bewegungen weh. Leider musste ich feststellen, dass sich daraus wieder eine Art Abhängigkeit entwickelt hatte. Zwar war der Vorteil von dem Rauschgift, was ich in den letzten Tagen wieder aktiver konsumierte, das es nicht physisch abhängig machte, sondern nur psychisch. Wenn ich es gewollt hätte, wäre es also kein Problem gewesen, einfach aufzuhören, mein Körper hätte da keine Anstalten gemacht. Aber mein Kopf fragte sich, warum er das tun sollte. War ein angenehmes Gefühl, ich wollte niemanden auf die Fresse hauen und belästigen tat ich damit auch niemanden. War also vollkommen in Ordnung, wenn man mich fragte. Na ja, wie auch immer. Jedenfalls fielen mir die Nächte in der Bar wieder deutlich leichter, seitdem wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt war. Sollte sich aber an diesem Abend wieder ändern. Präventiv stopfte ich schon einmal Blunt vor. Bis zur eigentlichen Auseinandersetzung vergingen noch ein paar Stunden und Hunter konnte entsprechend ein bisschen runter kommen - insofern das überhaupt möglich war -, weil Sabin für ihn momentan einfach nicht greifbar war. Er wusste, dass ich mal einen der größten Zickenaufstände anzetteln würde, wenn er mir meinen Mitarbeiter in seiner Arbeitszeit abzog. Sollten sie die Scheiße klären, wenn die Türen geschlossen waren. Letzteres trat dann nämlich auch relativ bald ein, als gegen vier Uhr der letzte Gast den Raum verließ. Außer Sabin und mir waren nur noch Richard und Hunter da gewesen, plus Tauren, der nach ausführlicher Genesung derweil wieder seinen Posten vor der Bar bezogen hatte. Weil ich fast schon riechen konnte, wie die Luft immer dünner wurde, stellte ich präventiv schon mal vier Schotgläser auf dem Tresen ab und füllte sie mit Absolut Wodka. Nachdem ich mich schließlich hin gehockt hatte, genehmigte ich mir außerdem noch einen Joint. Dubois Talk Show konnte damit beginnen.
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Ich hätte gar nicht sagen können, wie sehr dieser Abend nicht zu meiner Zufriedenheit verlief. Mit Vielem hatte ich gerechnet, aber ganz bestimmt nicht damit, dass ausgerechnet der psychopathische Irre ein alter Bekannter von Sydney war. Ich meine komm schon, wie wahrscheinlich war so ein Mist? Es schien wirklich so, als würde sich die Pechsträhne seit dem Tod meiner Familie immer weiter durch mein Leben ziehen und nicht so recht abreißen wollen. Natürlich war das hier ein Grab, das ich mir selbst geschaufelt hatte. Ich bereute es aber trotzdem nicht, Richard davon Nichts gesagt zu haben. Schlicht aus dem Grund, dass er mir dann nie im Leben auch nur ansatzweise Geld oder gar die Mitarbeit an seinem Geschäft angeboten hätte. Ohne diese Lüge stünde ich mit meinen eigenen Plänen also nicht dort, wo ich jetzt war... als es weiter auf Feierabend zuging war ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob das wirklich etwas Gutes war. Ich hätte vermutlich einfach nicht wieder mit der kriminellen Scheiße anfangen sollen, weil ich doch mit am besten wusste, was das immer für eine schmale Gratwanderung war. Aber man wurde was das anging nicht schlauer, Statistiken über Kriminelle im Gefängnis machten das sehr deutlich. Kaum einer hörte wirklich mit dem Mist auf, wegen dem er gesessen hatte. Ich war zwar nicht in den Knast oder auf den Todesstuhl gewandert, aber vielleicht würde ich mir letzteres gleich wirklich wünschen. Ich konnte nämlich kaum so schnell gucken, wie Hunter sich von seinem Stuhl erhob und an der Wand neben der Theke dingfest machte, sobald ich aus dem hinteren Bereich der Bar zurückkam. Demnach hatte ich die Kiste zum wieder Auffüllen der Bar kläglich fallen lassen und es gingen sicher ein oder zwei Flaschen kaputt, wobei der mangelnde Sauerstoff in meiner Luftröhre eher mein Problem war. Ich hob meine eigenen Hände an Hunters, die mich am Kragen packten und gegen die Wand drückten. Allerdings war an der geballten Kraft seiner Finger in meiner Position Nichts zu machen und so blieb mir nicht viel als einfach auszuharren, bis er erst einige Sekunden später anfing zu reden.
Es war gar nicht zu vermeiden, dass ich absolut jeder einzelnen Person, die im Verlauf des Abends nach Sydneys Verschwinden noch ansatzweise an mir vorbeikam, mit Blicken des Todes strafte. Es grenzte wirklich ans nächste Weltwunder, dass ich mich im Rest des kurzen Gesprächs mit der Brünetten noch beherrschen konnte und dass ich auch danach lange genug Ruhe bewahrte - konnte man nicht wirklich so nennen -, um kein Massaker mit Augenzeugen zu veranstalten. Als die Bar letzten Endes aber geschlossen wurde, auch Tauren nach drinnen kam und sich langsam ein paar Schritte in unsere Richtung bewegte, war es dann endgültig um meine Fassung geschehen, als ich Sabin wieder nach vorne in den für mich sichtbaren Bereich der Bar kommen sah. Der Lügner fand sich also festgetackert an der Wand wieder, noch bevor ich dem Vodka überhaupt Beachtung hätte schenken können. "Nenn' mir nur einen einzigen guten Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle in Stücke reißen sollte..!", knurrte ich ihn lautstark an. Dass das Reden ihm unter diesen Gegebenheiten sicher schwer fallen würde war mir einfach dahingehend egal, dass ich nicht wirklich glaubte, dass er mir tatsächlich ein brauchbares Argument nennen können würde. Wider Erwarten machte er aber doch unter meinem funkelnden, ja nahezu tobenden Blick den Mund auf. "Wenn du willst, dass sie... die ganze verdammte Bar, Richards... Kunstsammlung und deine fünftausend Bunker aushebt... dann bitte, schlag zu. Tu dir... keinen Zwang an.", gab er mit dünner Stimme von sich, stockte auch immer wieder, weil ihm augenscheinlich die Luft ausging. Was mir aber noch viel weniger gefiel als die Tatsache, dass er damit Recht hatte, war sein gewissermaßen herausfordernder Blick. Allein deshalb hätte ich ihm gerne eine oder zwei verpasst. Einfach, um ihm diese unangebrachte Überheblichkeit wortwörtlich auszuschlagen. Konnte ich aber nicht. Es wäre nach der Auseinandersetzung vorhin hochgradig verdächtig, wenn der Italiener auch noch mit Platzwunden oder Schlimmerem nach Hause kam. Oder gar nicht mehr auffindbar war, weil er irgendwo in Lauge verdünnisiert wurde. Also ließ ich ihn los, wenn auch nicht ohne seinen Schädel nochmal gegen die Wand zu knallen. Eine Beule fiel unter den Haaren nicht auf und vielleicht hätte er wenigstens ein paar Tage Kopfschmerzen, wenn ich ihm schon nicht das Gesicht frisieren konnte. Dann wendete ich mich Richard zu, wobei er noch keine Schläge zu befürchten hatte, sofern er nicht auf noch mehr dumme Gedanken kam. "Und du... bist komplett bescheuert?! Krieg' gefälligst dein loses Mundwerk in den Griff, bist du ein verdammter Amateur oder was? Geh sie doch gleich besuchen und erzähl' ihr wie gut du Sabin kennst, meine Fresse... Ich bin echt nur von Vollidioten umgeben.", knurrte ich auch in seine Richtung, wobei meine gesamte Körperhaltung deutlich verriet, dass ich nach wie vor kurz davor war die gesamte Bar umzukrempeln - und wenn es nur die Einrichtung wäre, die leiden musste. Jetzt wendete ich mich aber doch der Bar zu, um nach einem der Shots zu greifen und ihn runterzukippen. Brannte mir zwar gefühlt die gesamte Mundhöhle und noch mehr den Rachen aus, aber wirklich Linderung verschaffte der nicht. Also nahm ich achtlos noch einen zweiten. Aber der Alkohol brauchte viel zu lang, um überhaupt irgendeine Wirkung zu entwickeln. Inzwischen hatte ich auch angefangen zu zittern. Nicht aus Nervosität, sondern weil ich meiner Wut und der Aggression keinerlei Platz durch körperliche Gewalt verschaffen konnte. Es war quasi der sichtbare Strom, der unaufhaltsam durch meine Adern zischte und sich partout nicht mehr beruhigen wollte. Deshalb switchten meine Blicke auch zwischen allen hier Anwesenden hin und her, bevor er letztendlich bei Cosma hängen blieb. Tauren hatte nie was, Richard war nicht gerade der Typ Drogenjunkie und ich war mir angesichts der neuen Erkenntnisse sehr sicher, dass Sabin regelmäßig Tests abgeben musste. Wenn hier also Irgendwer Stoff dabei hatte, konnte es nur der Rotschopf sein. "Hast du was? Irgendwas?", hakte ich doch mit hörbarer Dringlichkeit und noch immer forschem Tonfall nach. Es schien mehr der einzige Ausweg dafür zu sein, nicht Irgendwen oder Irgendwas in dieser Bar zu Kleinholz zu verarbeiten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte, die Beine überschlagen, zwischen Richard und Tauren gesessen, als die Konversation so richtig an Fahrt auf nahm. Zugegeben hatte ich schon ein bisschen Angst um das Mobiliar meiner Bar gehabt. Hunter war nämlich, wie immer, nicht gerade vorsichtig, wenn ihm vor Wut mal wieder der Schädel qualmte. Eigentlich hatte ich aufstehen wollen, um in meiner naiven Dummheit zu versuchen, den aufbrausenden Amerikaner ein wenig zu beruhigen, aber noch bevor ich diesen überaus dummen Gedanken zu Ende gedacht hatte, überlegte ich es mir schlagartig anders. Grund dafür waren die leisen, gestammelten Worte Sabins, die aufgrund des Sauerstoffmangels nur schwer verständlich gewesen waren. Aber ich hatte genug Informationen bekommen. Schön. War ja wieder super. Da sah man ja, was man dafür bekam, anderen Leuten aus der Scheiße helfen zu wollen. Verrat, wenn es darauf ankam. Sollte mir Recht sein, wenn er mit einem Bullen fickte und sich von ihr aushalten ließ, war aber etwas anderes, wenn er sie aktiv dazu nutzte, Druck auf jemand anderen auszuüben. Klar galt die Drohung in erster Linie Hunter, aber die darauffolgenden Worte zogen uns alle gleich mit in die Scheiße und das schmeckte mir einfach gar nicht. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass Hunter einfach zuschlug, aber ich konnte seine Gedankengänge leider nachvollziehen, wenn es darum ging, dass es zu auffällig gewesen wäre, wenn er heute Abend verletzt nach Hause kommen würde... oder eben gar nicht. Als der junge Mann, der mit seiner aggressiven Aura förmlich Hitze absonderte, von Sabin abließ, dachte ich, dass Tauren, Richard und ich die Nächsten waren, die etwas abbekommen würde. Vollkommen grundlos, versteht sich. In der Verfassung traute ich Hunter alles zu, auch das er einfach unwillkürlich seine Wut an anderen ausließ, wenn er es schon bei seinem eigentlichen Ziel nicht konnte beziehungsweise durfte. Ich kippte fast vom Stuhl, als er kurz vor uns zum Stehen kam. Sein Wort galt schließlich aber Richard, der den Kopf schon eingezogen hatte und ihm nur ein entschuldigendes Lächeln zukommen ließ. Mehr schien er dazu auch nicht äußern wollen, was hätte er auch? Jedes weitere Wort hätte Hunter wohl nur noch wütender gemacht, wir kannten ja alle unseren lieben Richard. Schon Richies Haltung nach zu urteilen wäre bei einem Gespräch nichts Gutes bei rum gekommen. Ich war also froh, dass er einfach die Klappe hielt und sich seinen Teil dachte. Dann tigerte das Energiebündel weiter durch die Bar und ich sah im Geiste schon ein paar Tische und Stühle fliegen, als er Kehrt machte und erneut zum Stehen kam, dieses Mal direkt vor mir und auch richtete er seine Worte direkt an mich. Ob ich was hatte? Ich brauchte einen Augenblick um zu realisieren, dass er auf die Drogengeschichte anspielte und für wenige Sekunden war ich fast so etwas wie beleidigt. Wie sah ich aus? Als hätte ich etwas zu verschenken? Ich grummelte leise, weil ich wusste, dass ich mich von meinem Joint wohl oder übel verabschieden musste. Andererseits würde heute entweder doch noch etwas kaputt gehen oder jemand verletzt werden. Ich steckte mir die Tüte zwischen die Lippen, um zumindest ein oder zwei Züge zu nehmen, bevor ich das Marihuana wortlos an Hunter weiter reichte. Ich war mir nicht sicher, ob ihm das ausreichen würde, aber für's Erste war das alles, was ich hatte.
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Das war Alles? Verdammt. Ich hatte wirklich darauf gehofft, dass Cosma mir Irgendwas mit mehr... Wirkung geben könnte. Zwar rauchte ich Gras wirklich nicht oft und es hatte dementsprechend eine relativ gute Auswirkung auf meinen Organismus, aber es war halt eine von den in meinen Augen sehr milden Drogen. Kein starkes Opiat, das mich gen Himmel fahren und nur noch grinsend in der Ecke sitzen ließ und auch Nichts, was mich anderweitig ausknocken würde. Aber es würde schon reichen - musste es, denn ansonsten sah ich nur sehr begrenzte bis eher gar keine Möglichkeiten, mich irgendwie zurück auf den Teppich zu kriegen. Demnach riss ich Cosma den Joint schon fast aus der Hand und ließ den Rauch so lange wie nur irgendwie aushaltbar nach jedem ausgiebigen Zug in der Lunge, um eine möglichst gute Wirkung zu erzielen. Alles aus dem Ding rauszuholen, was ging. Es dauerte einige - zu viele - Sekunden, aber noch bevor ich das Ding zu Ende geraucht hatte, machte sich langsam eine angenehm betäubende Wirkung breit. Es war nicht so, dass sich jener Schleier über meinen gesamten Körper legte, aber er bettete so sanft er konnte mein heißes Gemüt in eine Wanne mit kaltem Wasser und ließ es langsam ein wenig runterkühlen. Noch nicht vollkommen zur Ruhe kommen, aber das Gras sorgte doch zumindest dafür, dass ich wieder in geregelten Bahnen ein- und ausatmete, statt vor mich hin zu schnaufen. Der verbliebene Stummel der Tüte landete in einem der beiden leeren Shotgläser, wonach ich einen Moment lang den Kopf in den Nacken legte und das Marihuana noch eine Runde auf mich wirken ließ, bevor ich den Blick wieder in die mir inzwischen unliebsame Runde warf. "Also, Mister Ex-Mafioso... ich würde behaupten, dass es Zeit für eine sehr ausführliche Erklärung ist.", forderte ich Sabin indirekt aber doch noch immer mit Nachdruck dazu auf, endlich vollständig mit der Sprache heraus zu rücken. Er hatte noch immer den gleichen beschissenen Blick drauf wie an der Wand, aber er ließ sich jetzt doch ein ganzes Stück weit leichter von mir dulden. Hatte er allerdings nur Cosma zu verdanken, sie durfte von mir aus gerne seinen zukünftigen Lohn behalten. Der Italiener fackelte dann aber tatsächlich auch gar nicht mehr lange, bis er seine vollständige Geschichte imaginär auf dem Tresen ausbreitete. Uns sagte, wer denn nun im Endeffekt genau hinter ihm her war - was ich schon wusste, der Rest halt aber nicht -, dass er keinen anderen Ausweg als die verlogene Polizei gesehen hatte um dort weg zu kommen und dass er deswegen halt leider die lästige Klette von Agentin an der Backe hatte, von der er noch nicht wusste, ob und wann er sie loswerden würde. Er fügte aber noch merklich betont hinzu, dass er keinerlei Bindung zu ihr hatte und ihr kein Sterbenswörtchen sagen würde. Wäre ja auch noch schöner. Offiziell musste er eben den unnötigen Sprachkurs machen und zur Deckung hier in der Bar arbeiten... er war zwar offenbar nicht blöd, weil er sonst niemals so lange bei den Mafiosos überlebt hätte und auch hier schon lange aufgeflogen wäre, aber ganz durchdacht hatte er die Geschichte scheinbar auch nicht. "Dir ist schon klar, dass sie früher oder später trotzdem dahinter kommt? Sydney ist nicht blöd und wird dir die Ausreden sicher nicht mehr lange abkaufen. Was machst du dann, hm? Sie abknallen? Grandiose Idee, um dir wirklich Alle auf den Hals zu hetzen und uns da auch noch mit rein zu ziehen. Mit Ganovenehre is bei euch in Italien nicht so, oder?", erwiderte ich letztendlich mit reichlich Sarkasmus darauf, hatte mich während seines Geredes an die Wand gelehnt, weil mir nicht nach sitzen war. Mir selbst war gar nicht bewusst, dass ich ein klein wenig vor mich hin grinste, obwohl das nicht einmal meine Intention war. Hach ja, das liebe Marihuana.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irgendwie hatte die miese Stimmung, die Hunter an den Tag gelegt hatte, abgefärbt. Meine Laune war nicht mehr ganz so gut, wie noch vor wenigen Minuten, bevor ich die Bar geschlossen hatte und hier noch Menschen getanzt hatten. Und ehrlich gesagt konnte ich es nicht direkt fest machen, was genau jetzt der Auslöser dafür war, dass meine Mundwinkel jede Sekunde tiefer sanken. Nüchtern - haha - betrachtet hatte ich eigentlich viele Gründe, absolut angepisst zu sein, aber ich hatte Schwierigkeiten, mir den Besten davon auszusuchen. Ich konnte jetzt zwischen folgenden Optionen wählen. Option A war, dass ich stinkig geworden war, weil Sabin kurz davor stand, uns verraten zu wollen. Im Gespräch am Ende des Abends beteuerte er zwar, dass er genau das nicht machen würde, aber warum sollte er solche Aussagen als Druckmittel benutzen, wenn er dann nicht die Eier hatte, es auch durch zu ziehen? Für mich machte er nicht den Anschein, als würde er bluffen. Konnte ihm ja nur zu Gute kommen, wenn er bei den Bullen auspackte. Knast wäre nach der Geschichte sicher drin, noch einmal Zeugenschutz konnte er vergessen, aber trotzdem... Option B bezog sich auf meine eigene Entscheidung, Sabin nicht von Anfang an abgewiesen zu haben. Ich hatte mich von ihm nur noch tiefer in die Scheiße reiten lassen, als ich ohnehin schon drin steckte. Wäre ich nicht so verdammt geldgierig gewesen und hätte einfach auf die Kohle vom Arbeitsamt verzichtet, hätten sich einige Probleme vermeiden lassen können. Und mit Problemen meinte ich grundsätzlich Hunter. Und eben Sabins Bitch. Ging hier also um meine eigene Dummheit, die mich fuchsig machte. Option C war allerdings die Erklärung, die ich im Augenblick für am wahrscheinlichsten hielt. Und zwar, dass meine Laune einfach so abgerutscht war, seitdem Hunter mir vor meinen Augen einfach das Pape samt Inhalt weg geraucht hatte. Ohne mir auch nur ein bisschen übrig zu lassen. Um das mal klar zu stellen... es ging mir nicht darum, dass ich meinen Stoff teilen musste und auch nicht darum, dass ich nichts mehr hatte. Der Punkt war, das ich jetzt auch gerne einen Joint geraucht hätte, um mich zu beruhigen. Mein Blutdruck war bei Sabins Erklärungen und Beteuerungen nämlich so in die Höhe geschossen, dass ein unangenehmes Pochen in meinem Ohr Einzug hielt und mein Gesicht die Farbe meiner Haare angenommen hatte. Es war mir sowas von scheißegal, was er da redete, alleine seine Stimme brachte mich immer mehr in Rage. Denn Hunter hatte Recht. Sobald seine Bullenschlampe aktiv im Spiel war, konnte es für uns nur scheiße laufen. Wenn sie Wind davon bekam, dass Sabin noch immer illegal unterwegs war, würde sie die Lunte bis zum bitteren Ende verfolgen und ich wollte nicht wissen, wie viel Kontakte sie innerhalb ihrer eigenen Reihe hatte, um uns alle gleichzeitig Hops nehmen zu können, wenn sie wollte. Auf der anderen Seite, wenn der Italiener sie frühzeitig entsorgen würde, wartete das gleiche Spiel auf uns, nur eben minus Sydney. Das FBI, das Norwegische Police Department und weiß Gott wer würde nach uns suchen. Unser aller Leben wäre von jetzt auf gleich einfach nur noch ein Scherbenhaufen. Und das bloß, weil dieser dumme Wichser einfach sein Maul nicht aufgemacht hatte. Der Gedanke daran und die Tatsache, das anders als bei Hunter gerade kein THC meine Nerven beruhigte, sprang ich förmlich vom Hocker auf, griff diesen an seinen Beinen und schleuderte ihn mit voller Wucht in die andere Ecke des Raumes, wo es neben einem Tisch auch ein Bild traf. Ich durfte das schließlich. Hatte ich ja auch bezahlt und wenn mir der Sinn danach stand, zerlegte ich gerne mal die Einrichtung. So wie jetzt... Sowohl das Bild, als auch der Tisch gingen klirrend zu Boden und ich war kurz davor, diesem arroganten Möchtegern-Mafiosi an den Hals zu springen, als Richie mich am Arm packte. Die körperliche Einschränkung hielt mich allerdings nicht davon ab, noch mal so richtig laut zu werden, um meinem Frust anderweitig Luft zu machen. "Wie stellst du dir die ganze Sache jetzt vor, hm? Meinst du, wir nehmen uns jetzt alle an den Händen und stehen die Scheiße gemeinsam durch? Am Arsch! Egal, in welche Richtung wir uns jetzt bewegen. Wir werden Fresse vorwärts gegen Wände laufen, Sabin!", keifte ich in seine Richtung, wand mich beinahe aus Richards Griff, der den Kopf eingezogen hatte, um von meinem Geschrei keinen Tinnitus davon zu tragen. Eigentlich wollte ich noch anhängen, dass es schön gewesen wäre, vorher darüber ins Bild gesetzt worden zu sein, sodass wir uns auf eine potenzielle Gefahr hätten einstellen können, dann wäre das Ganze eventuell anders gelaufen. Aber wenn ich da dann noch mal drüber nachdachte, hätte zumindest ich mich geweigert, überhaupt einen Deal mit ihm einzugehen, geschweige denn ihn von meinen persönlichen Machenschaften zu erzählen. Barg ja, wie man anhand dieser Situation jetzt sah, nur Gefahren...
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Herrgott, mit was für Waschlappen hatte ich mich hier eingelassen? Klar, es war echt nicht der ideale Weg und ja, vermutlich hätte ich mit der kriminellen Scheiße einfach warten sollen, bis sie wieder ins Amiland abgezogen war. Dort wieder ihrem Job nachging, sich am Abend mit ihrem Macker und dem Kind aufs Sofa vor dem Kamin verzog oder weiß Gott was... oh, apropos Familie: Dabei kam mir ein Gedanke, der im Notfall wirklich von Nutzen sein konnte. Ich wusste nicht, inwiefern Hunter noch Kontakte in die USA führte. Ich selbst hatte da nur welche, die mit der Mafia verknüpft waren und demnach von vornherein nicht in Frage kamen. Aber Verwandte waren ein extrem effektives Druckmittel. Sollte Sydney versuchen uns auszuliefern oder gar nur nachzuforschen, bevor uns etwas Besseres eingefallen war... naja, wieso nicht? Ich war kein Freund von sämtlichen Machenschaften, die unschuldige Familienmitgliedern reinzogen. Aber ich hatte zu diesen Leuten keine Bindung und es war mir eine Milliarde mal lieber, als doch noch in den Bau zu wandern. Es tat mir ein bisschen leid - aber halt auch nicht mehr als nur ein bisschen -, dass ich diesen Vorschlag noch brachte. "Mein Gott, ihr seid solche Pussys. Ich bin die letzten zehn Jahre nicht in den Knast gewandert, ich werd's auch jetzt nicht.", gab ich weiterhin selbstbewusst, leicht schnaubend von mir. Ich hatte den Bullen ein einziges Mal eingelenkt und bereute es schon jetzt unheimlich. Nochmal würde mir das also ganz bestimmt nicht passieren. "Und du fahr' dich runter, meine Güte... seid ihr beide noch 12 und müsst bei jedem Anflug von Frust Alles in Schutt und Asche legen?!", fügte ich sowohl an Cosma, als auch an Hunter gewendet hinzu und verdrehte sichtlich die Augen. Gefühlt war ich in diesem Raum wirklich der Einzige, der einen halbwegs kühlen Kopf bei Problemen bewahren konnte. "Wenn du auch aus den USA bist, hast du da sicher noch Kontakte... hab ich Recht?", richtete ich meine letzten Worte wieder nicht mehr an die ganze Gruppe, sondern ganz spezifisch an den mordlustigen Idioten, der mich jetzt auch nicht mehr grinsend, sondern wegen der Beleidigung von gerade eben viel mehr wieder leicht funkelnd ansah.
Oh, ein netter kleiner Wutanfall... und es war nicht mal mein eigener! Es war nicht so, als hätte ich selten mit aggressiven Persönlichkeiten zu tun, aber vielleicht hätte ich Cosma doch ein kleines bisschen von der Tüte übrig lassen sollen. Andererseits fand ich es fast ein bisschen süß, wie sie da vor sich hin wetterte, den Stuhl durch die Gegend schmiss. Wütende Frauen waren... naja, süß war eigentlich der falsche Eindruck. Nennen wir es unterhaltsam, weil ich das immer nicht so recht ernst nehmen konnte. War einfach ein bisschen witzig. Dann schoss der Ex-Mafioso aber einen weiteren Vogel ab. Pussy. Er nannte mich eine gottverdammte Pussy. Sabin konnte wirklich heilfroh darüber sein, dass die rothaarige junge Dame mir ihren Joint überreicht hatte. Andernfalls wären ihm seine nächsten Worte stark zum Verhängnis geworden und hätten den Faden seines Lebens stark an-, wenn nicht sogar durchgeschnitten. Aber noch bevor mein vollkommen vernebeltes Hirn, in dem sich das THC immer breiter zu machen schien, Irgendwas davon weit genug sortiert und sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, stellte er mir auch schon die nächste Frage, welche die vorherigen Gedanken erfolgreich verdrängte. Naja, vielleicht gab es da noch ein paar wenige Kontakte, ja. Ich hätte aber nicht sagen können inwiefern die dazu bereit waren sich in eine derartige Scheiße reinziehen zu lassen. Deshalb zuckte ich vor mich hin grummelnd mit den durchtrainierten Schultern, die vom Hoodie gut kaschiert wurden. "Ein oder zwei vielleicht, ja... wieso?", hakte ich nach, hielt den Italiener dabei in meinem nur halb so stechenden Blick wie sonst. "Naja, weil sie Familie hat. Ich weiß nicht viel über sie, aber sie hat Mann und Kind. Wenn sie zu weit geht oder Irgendwas findet...", jetzt war er an der Reihe mit den Schultern zu zucken, während er eine kurze Pause vom Reden machte. "Sperr' sie in 'nen Keller und zwing sie weiter Kontrollanrufe zu machen, weil sonst ihren Liebsten was zustoßen wird. Irgendwann bricht sie dann von ganz allein und wir können sie in die Klapse entlassen.", unterbreitete er uns den Rest seiner offenbar sehr spontanen Idee gänzlich ungeniert. Es war nicht so, als hätte ich noch irgendeine Art von Freundschaft zu Sydney, die mich an diesem Vorschlag zweifeln ließ. Viel mehr barg auch das eben ein paar unkalkulierbare Risiken, wenn man nicht höllisch aufpasste. War aber wohl immernoch besser, als sie gleich meine Waffensammlung und Co. finden zu lassen. Was mit Richard oder dem anderen Temperamentsbündel hier passierte war mir persönlich vollkommen egal, ich dachte wieder gänzlich egoistisch nur an mich selbst. Mein Gehirn brauchte allerdings erst noch einige Sekunden, um sich das gründlich zu überlegen, weshalb mein verschleierter Blick nachdenklich auf die Tischplatte abrutschte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gott, was passierte hier eigentlich gerade? Ehrlich gesagt hatte ich nach Hunters, an mich gerichtete, Ansage abgeschaltet und deshalb nicht mitbekommen, an welcher Stelle die Konversation so aus dem Ruder gelaufen war. Einzig und alleine der Stuhl, der mit einem lauten Knall ein Bild und einen Tisch zu Fall brachte, riss mich wieder aus den Gedanken. Fast reflexartig hatte ich nach Cosmas Arm gegriffen, als sie so zielstrebig an mir vorbei stiefeln wollte, um Sabin sein überlegendes Lächeln aus dem Gesicht zu wischen. Noch immer wusste ich nicht genau, worum es eigentlich ging, bis mir mit gefühlt einer halben Million Dezibel ins Ohr geschrien wurde, dass ja dies und jenes nicht ging und grundlegend wieder alles Scheiße war. Wie ätzend. Ich konnte es so langsam echt nicht mehr hören. Diese missmutige Laune, egal von wem sie nun kam, nervte einfach nur noch. Als ich mir sicher war, dass Cosma Sabin nicht wieder direkt an den Kragen sprang - oder zumindest Tauren günstig stand, um sie zurück halten zu können, wenn's drauf ankam - ließ ich sie langsam wieder los, nur um mir mit einem genervten Schnauben die Schläfen zu massieren. Ich bekam langsam Kopfschmerzen. Natürlich hatte ich mir als Mimose der Gruppe auch imaginär in die Hose geschissen, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel, dass Sabin mit einer Polizistin unter einem Dach wohnte. Im Prinzip war mein schlimmster Albtraum dadurch wahr geworden, aber ich musste ihm zustimmen, dass es nichts brachte, jetzt wie ein verwirrtes Kleinkind im Kreis zu laufen. Zugegeben mochte es seltsam gewesen sein, dass gerade ich so entspannt war, wo ich doch sonst immer mit dem Kopf im Sand steckte, wenn es darum ging, in irgendeiner Hinsicht aufzufliegen. Ehrlich, ich war hart noch bereit genug für den Knast. Aber Sabin kam zugute, dass ich Kopfschmerzen hatte und manchmal doch realistisch war. Natürlich nicht immer, denn der Mantel des Pessimismus stand mir immer noch am Besten, aber was brachte es jetzt, sich hier gegenseitig auf die Fresse zu hauen, wenn es uns nicht dabei half, aus der Misere heraus zu kommen? Ohnehin war ich kein Freund von Gewalt und das hatte ich Sabin nach unserem ersten, unglücklichen Treffen bereits klar gemacht. Von mir brauchte er entsprechend einen Ausraster zu erwarten. Anders als von meiner rothaarigen Freundin hier. Ich erhob mich langsam vom Stuhl und nahm nebenbei bewusst die Worte von Sabin auf. Ich nickte zustimmend, wusste nicht, ob es ihm auffiel. Deswegen unterstrich ich das Ganze noch einmal verbal. "Hört sich gar nicht so verkehrt an.", bestätigte ich ihn also, während ich beim hin und her tigern durch die Bar versuchte, auf diesem Plan aufzubauen. Grundlegend sollten wir uns alle erst einmal ein wenig beruhigen - Punkt eins. Hunter hatte sich ja bereits erfolgreich zugedröhnt, blieb eigentlich nur noch.. einer. Cosma. Sabin hatte ja die Ruhe weg in solchen Situationen und Tauren sah auch keinen größeren Grund zur Sorge. Nur der temperamentvolle Rotschopf schien noch immer nicht durchatmen zu können. Aber da man sie ohne pflanzlichen oder synthetischen Einfluss jetzt eh nicht auf ein zivilisiertes Level zurück holen konnte, versuchte ich diese ungezügelte Aura, die sie ausstrahlte, einfach zu ignorieren. Gerade als ich für zwei Sekunden in mich gegangen war, um einen produktiven Teil zu der Idee beizusteuern, poppte über meinem Kopf quasi die leuchtende Birne auf. "Weißt du, ob sie Zuhause", ich betonte das Wort extra, weil ich nicht glauben konnte, dass sie sich im Beisein eines Kriminellen wie zuhause fühlte, "arbeitet? Vielleicht zäumen wir den Gaul gerade vollkommen von der falschen Seite auf. Stellt euch mal vor auf wie viele Informationen die Alte Zugriff hat. Wenn sie nicht weiß, wer uns alles Stunk machen könnte - egal in welchem Metier - wer dann?" Ich warf einen fragenden Blick in die Runde, zuckte nachdenklich mit den Schultern. Es sollte ja wohl kaum ein Problem sein, gekonnt um sie herum zu spielen. Mochte sein, dass der Ein oder Andere gerne vor Wut explodierte, aber im Grunde genommen waren wir ja alle nicht blöd. "Wenn wir nur taktisch genug vorgehen, könnte Sabins Fehltritt vielleicht ein Segen sein.", hängte ich ein paar abschließende Worte hinten dran. Nur um das noch mal klar zu stellen. Ich ging nicht davon aus, dass eine Undercoveragentin nur Däumchen drehend Zuhause rumsaß und darauf wartete, dass ihr Schützling von der Arbeit kam. Irgendwas musste sie in der Zwischenzeit machen. Und ich würde mein heiß geliebtes Picasso Gemälde darauf verwetten, dass sie in irgendeiner Hinsicht arbeitete.
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Mindestens einer in diesem Raum schien langsam damit anzufangen die Geschichte nicht mehr komplett schwarz anmalen zu wollen. Man konnte es Cosma nicht verübeln, dass sie so sauer war. Immerhin war sie - bis jetzt - ja nicht einmal wirklich in meine Geschäfte verwickelt und steckte nur durch meine legale Arbeitsstelle mit im Schlamassel. Aber hey, wenn es ihr nicht passte, sollte sie mich rausschmeißen. Ich wäre wohl ganz einfach dahingehend absolut nicht traurig, dass ich dann endlich wieder ein paar Stunden mehr schlafen könnte. Natürlich würde es Sydney so gar nicht passen, wenn ich meinen Job verlor, das stand ganz außer Frage. Aber ich war immernoch in der dreimonatigen Probezeit und Cosma brauchte keinen Grund in die Kündigung zu schreiben, hieß ich könnte mir auch da einfach Etwas zusammen dichten und mein Alibi mit der Barinhaberin absprechen. Wäre also auch halb so wild in meinen Augen. Aber zurück zum Thema: Richard schien nach seinen einlenkenden Worten, auf die ich lediglich ein leichtes Nicken erwiderte, erst einmal eine Runde nachzudenken und mein Blick folgte ihm die ganze Zeit über aufmerksam. Immerhin hatte ich dieses Denker-Gesicht nun schon öfter gesehen und in der Regel sprang da nur Gutes bei raus, sofern er auf einen grünen Zweig kam. Tat er auch dieses Mal, als der kurze Moment der Erleuchtung in seinem Gesicht erkennbar war und er sich erneut zu Wort meldete. Über eine Antwort musste ich auch gar nicht lange nachdenken. "Klar arbeitet sie. Woran genau kann ich dir nicht sagen, weil ich natürlich Nichts sehen darf... normalerweise. Sie hat mich nur einmal unter Aufsicht in ihren Laptop schauen lassen, weil ich keine Ruhe gegeben hab zwecks meines Ex-Chefs.", redete ich vor mich hin, wobei mein Blick einzig auf dem dunkelhaarigen jungen Mann lag, der da jetzt etwas verloren herumstand. "Da waren noch X andere Ordner auf der Festplatte... die einzige Hürde ist wohl das Passwort.", stellte ich erneut nickend fest. Das würde man schon auch aus ihr heraus kriegen, das würde uns nicht zum Scheitern verurteilen. Allein der Gedanke daran auf diesen Laptop zugreifen zu können war hochgradig verlockend... auch wegen den zahlreichen Formularen, die sich darauf befanden, von denen man in brenzlige Situation Gebrauch machen konnte. War hier ja fast schon wie Weihnachten! Erst danach glitt mein Blick zu Hunter, dessen Augen doch fast ein wenig gierig zu funkeln schienen. Sicher hätte das für ihn auch nur Vorteile. Wussten die Bulle etwas über seine Konkurrenz, was ihm weiterhelfen konnte, würde er bestimmt nur allzu gerne davon Gebrauch machen. Es sprangen also auch für ihn Pluspunkte heraus, die das bisschen Arbeit und Kontakte knüpfen ganz sicher wert waren. "Zugegeben wird mir das Ganze damit ziemlich sympathisch.", lenkte der für gewöhnlich schwer zu begeisternde Kerl ein, beugte sich interessiert ein wenig nach vorne und faltete dir Hände vor sich auf dem Tisch zusammen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das Passwort. Lag auf der Hand, das solche wichtigen Informationen mit einem entsprechenden Passwort geschützt werden mussten, nervig war es aber allemal. Jedoch sollte uns dieser Umstand nicht allzu große Probleme bereiten, wir würden sicher einen Weg finden. Am Liebsten hätte ich Sabin gebeten, den Laptop einfach mitgehen zu lassen, damit man sich in aller Ruhe angucken konnte, mit welcher Art von Passwortschutz man es hier zutun hatte, aber das wäre viel zu auffällig gewesen. "Ich denke, das wird sich irgendwie regeln lassen. Wo ein Wille, da auch ein Weg.", stellte ich grinsend fest, ehe ich den weiteren Worten Sabins lauschte. X andere Ordner waren Musik in meinen Ohren. Nicht auszudenken, wie weit wir anderen auf der Straße überlegen waren, wenn wir über exklusives Wissen verfügten. Der Gedanke erhellte meine angeschlagene Laune doch etwas, aber wie immer mussten wir verdammt vorsichtig sein. War jetzt kein optimaler Zustand, aber es schien mir Alles gar nicht so schlimm zu sein, wie es scheinbar in den Augen von Hunter und Cosma war. Letztere hatte sich entgegen meiner Erwartungen doch wieder ein wenig beruhigt, stand jetzt nur noch mit verschränkten Armen an die Bar gelehnt und schaute griesgrämig in die Runde. Sollte sie, war mir auch egal. Genau so wie es den anderen wohl auch am Arsch vorbei ging. Während Sabin mir eine Antwort auf meine Frage gegeben hatte, war mein Blick an ihm haften geblieben, wanderte dann aber zu Hunter, als dieser sich zu Wort meldete. Auch er schien mit der Entwicklung der Situation zufrieden zu sein. Ich setzte mich wieder langsam in Bewegung, tigerte erneut ein wenig auf und ab. "Grundlegend haben wir also einen Plan. Schon jemand 'ne Ahnung, wie wir den umsetzen? Sabin, Hunter... wie sind eure Beziehungen zu der Polizistin? Meint ihr, es gibt eien Chance, dass ihr irgendwie an das Passwort kommt? Ansonsten... hmm", ich hielt vor einem Bild, das ich vor Ewigkeiten hier aufgehängt hatte, inne. Meine Augen analysierten das Muster genau, versuchten in den Farben die Lösung unseres Problems zu finden. "Ansonsten knocken wir sie einfach aus.", schlug ich vor, hob aber dabei direkt beschwichtigend die Hände, weil ich ehrlich gesagt davon ausging, dass es bei neunzig Prozent der Anwesenden falsch verstanden wurde. "Ich meine natürlich mit chemischen Substanzen. Das ist weitaus weniger auffällig, als wenn sie aufsteht und blaue Flecken im Gesicht hat. Nur um das klar zu stellen!", äußerte ich grinsend und schenkte sowohl Sabin, als auch Hunter wieder diesen fragenden Blick. Neben Cosma waren die beiden wohl die EInzigen, die sich etwas näher mit solchen Geschichten auskannten. Tauren kannte ich in der Hinsicht zu wenig, als das ich mir ein Urteil hätte bilden können. Wenn er etwas dazu zu sagen hatte, konnte er sich natürlich ebenfalls zu Wort melden.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Richard war ja manchmal schon echt witzig. Was glaubte er wohl, wie die Beziehung zwischen einer FBI-Agentin und einem Typen war, der jahrelang Leute malträtiert, beraubt und über den Tisch gezogen hatte, um an mehr Geld zu kommen? Sie kannte jede einzelne Zeile in meiner Akte vermutlich inzwischen auswendig und hielt mich demnach wohl für nicht mehr als ein mordendes Arschloch, das seine neue Chance und auch die Freiheiten, die sie mir gab, nicht zu schätzen wusste. Mit letzterem hatte Sydney wahrscheinlich auch Recht. In ihren Kopf schauen konnte ich zwar nicht, aber wir waren ja nicht einmal sowas wie Freunde, obwohl wir zusammen wohnten. Es kam mir oft so vor als würde sie mich psychisch ganz bewusst auf Abstand halten, einfach so aus Sicherheitsgründen. Vielleicht, damit sie mich nicht zu gerne mochte, um im Ernstfall abzudrücken. War Alles möglich, mir im Grunde aber auch ziemlich egal. "Was glaubst du denn, Richard? Sie kennt meine gesamte Akte, ihr bester Freund bin ich ganz bestimmt nicht.", erwiderte ich dementsprechend nur trocken mit ein wenig Sarkasmus unterlegt, bevor mein Blick zu Hunter glitt. Von ihm war ja ebenfalls eine Antwort zu erwarten, für die er sich aber ein paar Sekunden Zeit ließ. Hatte doch den Anschein, als würde das Marihuana sein Gehirn etwas verlangsamen. "Wir waren damals schon irgendwie Freunde... aber ich glaub' nicht, dass das Irgendwas bringt. Welcher Cop gibt einfach so Jemandem sein Laptop-Passwort?", redete er nuschelnd vor sich hin, zuckte mit den Schultern und legte dann den Kopf auf dem Tisch ab, machte immer wieder für ein paar Sekunden die Augen zu. Müde wurden wir von dem Gras jetzt also auch noch, ja? "Ausknocken klingt mir wie die einzige funktionierende Methode... macht außerdem mehr Spaß.", vollendete er mit ein paar gegrinsten Worten noch seine wohl erstmal letzten Worte, bevor er sich die Kapuze auch noch auf den Kopf zog. Ich nickte daraufhin nur leicht. Wirklich eine andere Option sah ich eben auch nicht, weil Sydney nur sehr unwahrscheinlich auch nur einen winzigen Hinweis darauf geben würde, wie ihr Passwort lauten könnte. Sie war vielleicht ein Bulle und damit wohl Jedem hier unsympathisch, aber halt leider nicht von Übergestern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Schade eigentlich. Wäre so ziemlich die einfachste Möglichkeit gewesen, wenn man sagen konnte, Sabin oder Hunter würden sich mal einen Abend mit ihr zusammen setzten und versuchen, Hinweise auf ihr Passwort heraus zu finden. Aber gut, dann wurde es eben ein wenig komplizierter, sollte mich persönlich auch nicht stören, schlicht weil ich an der Ausübung grundlegend nicht beteiligt sein würde. Ich würde nur den Stoff stellen, Sabin würde sich am Besten um den Rest kümmern können. War weitaus weniger auffällig, als wenn man ihr jetzt auf anderen Wegen versuchte, das Getränk oder ihre Mahlzeit zu präparieren. Hinsichtlich Hunters letzter Aussage starrte ich ihn einen Moment lang ungläubig an und es schien, als wären mir meine Gesichtszüge entglitten, jedenfalls stieß Cosma ein amüsiertes Lachen aus. Ob es jetzt mir galt oder der Tatsache, dass der junge Amerikaner nach ihrem Joint spaced out schien konnte ich nicht sagen. Ich schüttelte kurz darauf etwas ungläubig den Kopf, konnte immer noch nicht glauben, dass es wirklich Menschen gab, die es gut fanden, andere Leute willenlos zu machen. Ich persönlich sah es nur als ein Mittel zum Zweck und hatte nicht die Intention, die Fußsohlen der Polizisten mit einem Bunsenbrenner zu malträtieren, wenn sie ohnehin schon weggetreten war. Sie sollte einfach nicht mitkriegen, dass wir uns um sie herum aufhielten, mal wieder richtig durchschlafen und im Anschluss wie nach einer Narkose richtig erholt aufwachen. "Eventuell könntest du ihr zum Abendessen etwas zubereiten, Sabin? Dann würde sie nicht mal merken, dass ihr Essen oder ihr Getränk daran Schuld ist, dass sie das Bedürfnis verspürt, sich ins Bett zu legen.", schlug ich daher vor. Meiner Meinung nach war das die simpelste und am wenigsten auffällige Methode. Dann könnte er das Laptop über Nacht einsacken und in der Bar würden wir uns dann um alles andere kümmern. War doch eigentlich eine gute Idee. Reichte dann aber auch für heute, wenn ich ehrlich war. So langsam verspürte ich nämlich, wie die Müdigkeit in meine Knochen kroch und sich breit zu machen schien. Ich streckte mich ein wenig und konnte auch ein kurzes Gähnen nicht unterdrücken. "Wenn keiner Einwände hat, würde ich mich dann aber auch für den Abend verabschieden. Ich bin alt und mein Körper macht diese wilden Partys nicht mehr mit.", murmelte ich mit einem gewissen ironischen Unterton, als ich mich langsam wieder in Bewegung setzte. Die Kopfschmerzen trugen neben dem angestrengten Denken nicht gerade positiv zu meiner aktuellen Verfassung bei. Eine Runde Schlaf würde uns nach dem Tag ohnehin nicht schaden. Gerade Hunter machte den Eindruck, als das er hier gleich auf dem Tresen einschlafen würde. Und wenn der rothaarige Teufel nach wie vor so schlecht drauf war, würde sie ihn wohl auch einfach hier sitzen lassen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #