Das hatte sie nicht wirklich gesagt, oder? Besaß Sydney hier im Ernst gerade die Dreistigkeit, mir indirekt zu sagen, dass das nicht genug gewesen war? Dass ich es mir selbst zuzuschreiben hatte, dass meine Frau und meine Tochter ermordet worden waren, weil ich mich geweigert hatte die Familien meiner Brüder auszulöschen? Ja, es war meine eigene Schuld. Aber das hieß nicht, dass ich nicht mit allen Mitteln versucht hatte, meine eigene Familie zu beschützen. Vor dem was ich tat und Allem, was auch nur im Entferntesten damit zu tun gehabt hatte. Dementsprechend funkelte ich sie auch mit einem absolut kalten Blick an, während sich die Finger auf meinem Bauch verkrampften. Wären sie nicht ineinander verschränkt, dann hätte sich vermutlich mindestens eine Hand zur Faust geballt. Ich war gerade kurz davor etwas äußerst Bissiges zu erwidern, ihr wirklich gemeine Worte an den Kopf zu werfen, bevor sie ihre Worte mehr oder weniger revidierte. Sich dafür entschuldigte, Sowas gesagt zu haben. Genau das war wohl unser beider Glück. Meines, weil ich mich bei diesem Thema wenig bis gar nicht unter Kontrolle hatte und ihres, weil sie aufgrunddessen hätte leiden müssen. Frau und Agentin in einem hin oder her, bei dieser Angelegenheit brannten bei mir sofort sämtliche Sicherungen durch. Ich nickte also stattdessen nur leicht, verkniff mir zu unser aller Bestem jegliche Kommentare in dieser Richtung. Im Anschluss daran faselte Sydney dann ein paar eher wirr wirkende Worte, was vermutlich dem kleinen Mittelchen zu verschulden war. Ich glaubte um ehrlich zu sein nicht wirklich daran, dass sie tatsächlich Etwas gefunden haben könnte, um mich ein für alle Mal mit meiner Vergangenheit abschließen lassen zu können. Wie zu erwarten würden wir das Gespräch jetzt aber auch gar nicht vertiefen. "Ja, können wir machen.", stimmte ich dem Ganzen dennoch zu. Zum Einen, weil das ganz einfach war was die junge Frau hören wollte und zum Anderen, weil ein kleiner Funke Hoffnung meinerseits vielleicht doch noch vorhanden war. Im Anschluss daran erhob ich mich dann vom Stuhl, um den Tisch abzuräumen. "Dann... schlaf gut.", wünschte ich ihr noch eine gute Nacht und widmete mich dann bereits vollauf dem Geschirr, das weggeräumt werden wollte. Sie hatte ja keine Ahnung davon wie gut sie jetzt schlafen würde. Und wie lange. Allein der Gedanke an den Laptop besänftigte mein noch etwas aufgebrachte Gemüt ein wenig. Ich hatte nämlich absolut gar kein Problem damit das Karma in diesem Fall eigenhändig zu verkörpern.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut anderthalb Stunden hatte ich jetzt in der dunkelblauen Limousine darauf gewartet, dass Sabin seinen Auftrag endlich abschloss und mit dem Laptop nach draußen kam. Hatte alles länger gedauert, als eigentlich angenommen und so musste ich zwischenzeitlich das Auto anschmeißen, damit mir nicht sämtliche Gliedmaßen vor Kälte abfielen. Es war inzwischen schon lange dunkel, in der Küche und dem Wohnzimmer brannte Licht und so konnte ich quasi live verfolgen, wie weit Sabin in der Ausführung unseres Plans war. Ich hatte meine Arme inklusive meines Kopfes auf dem Lenkrad abgelegt und beobachtete aus dieser Position heraus die schwarzen Silhouetten, die absolut unspektakulär zu Abend aßen. Seit diesem Schauspiel waren weitere fünfzehn Minuten vergangen, bis sich endlich die schmalere Gestalt - unsere Zielperson - vom Tisch entfernte. Fast mit akribischer Exaktheit setzte die Wirkung meines kleinen Wundermittelchens ein, was mich augenblicklich den Kopf anheben ließ. Nachdem die Umrisse kurzzeitig hinter ein paar Wänden verschwunden waren, tauchten sie wenig später im Wohnzimmer wieder auf, wo sie etwas einzusammeln schienen. Von hier draußen konnte ich allerdings nicht erkennen, was genau sie da in den Händen hielt. Das Licht im Wohnzimmer erlosch mit dem Verschwinden des Schattens aus dem Raum und wurde ein Zimmer wieder eingeschaltet. Ich kam mir ehrlich vor wie ein schlechter Stalker, so wie ich hier die Polizistin bespitzelte, aber gut, war ja jetzt vorbei. Nachdem das Licht auch im Schlafzimmer erloschen war, dauerte es nicht mehr allzu lang, bis Sabin endlich aus dem Haus kam. Unter dem Arm das elektronische Gerät unserer Begierde. Der junge Mann ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, sodass ich ziemlich bald den Zündschlüssel umdrehen und Richtung Bar fahren konnte. Diese war heute geschlossen und bildete somit einen guten Treffpunkt für unser Vorhaben. Ich hatte aus alten Studienzeiten in England einen Bekannten ausfindig gemacht, der seit einiger Zeit ebenfalls in Norwegen sesshaft geworden war. Gegen eine entsprechende Bezahlung nahm er die drei Stunden Autofahrt in Kauf, um uns mit seinem IT-Fachwissen zu unterstützen. Wenn jemand gut darin war, Passwörter zu knacken, dann er. Damals, an der Universität in Oxford, waren wir beide uns ziemlich nahe gewesen. Für manche Geschmäcker vielleicht zu nahe, aber aus Homosexualität machte ich jetzt nicht unbedingt einen großen Hehl. Sollte uns außerdem in diesem Fall zugute kommen, denn hätte ich den nächstbesten Studienkollege gefragt, ob er uns bei einer solchen Aufgabe helfen konnte, wäre ich vermutlich kurz darauf im Knast gelandet. Aber auf George war Verlass. Wir hatten uns schon immer gut verstanden und das sollte uns jetzt in die Karten spielen. Etwa zwanzig Minuten später, parkte ich den Wagen vor der Bar, wollte eigentlich gar nicht aussteigen, weil mir die wackelnden Laubbäume verrieten, wie arschkalt es draußen eigentlich war. Für meinen Geschmack war Norwegen einfach eine ganz absurde Nummer. Klar, in England war auch kein schönes Wetter, es regnete viel, aber selbst im Winter herrschten einigermaßen gemäßigte Temperaturen. Hier fror man sich nur alles ab. Minus zehn Grad oder mehr waren keine Seltenheit und damit hatte ich mich bis heute einfach noch nicht zurecht gefunden. Mit großen und schnellen Schritten stelzte ich neben Sabin durch die Eingangstür der Bar, in dessen Innenraum schon Hunter, Cosma und Co warteten. Auch George war pünktlich da gewesen. Dann konnte der Spaß ja los gehen.
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Obwohl ich Sydney kurz darauf los war, war meine Laune doch ziemlich angeknackst. Ich hasste es zu wissen, dass die Menschen, die mir mit Abstand am allernächsten gestanden hatten, wegen mir ihr Leben hatten lassen müssen. Dass ich die beiden jeden Tag aufs Neue vermissen, immer allein in einem leeren Bett aufwachen musste, war aber eigentlich bei Weitem schon Strafe genug. Wegen jener Gedanken schwieg ich die ganze Autofahrt zur Bar über, weil mir ganz einfach so gar nicht nach reden war. Weder mit Richard, noch mit sonst Irgendwem. Eigentlich hatte das ein wirklich guter, entspannter Abend werden sollen - konnte er theoretisch ja auch noch, aber gerade war ziemlicher Pessimismus meinerseits vorhanden -, mein Kopf jedoch schien mir vorerst keinerlei Ruhe gönnen zu wollen. Also schleppte ich die unliebsamen Gedanken mit bis in die Bar, in der es immerhin ganz im Gegensatz zu draußen angenehm warm war. Meine Jacke wanderte ohne große Umschweife an die Garderobe, der Schal ebenso. Danach steuerte ich zielstrebig mit dem Laptop unter dem Arm einen der wenigen größeren Tische an, die sich im Raum befanden. Die Anderen hatten dort bereits Platz genommen und das einzige mir unbekannte Gesicht bekam sogleich den Laptop vor der Nase abgestellt, als ich die anderen mit einem knappen "Hi.", und einem schweifenden Blick begrüßt hatte. Dann bewegte ich mich selbst aber erst einmal zur Bar, um mir Etwas von dem ach so entspannenden Nervengift in ein Glas zu schütten. Mir war gerade nach ein bisschen Rumcola, weil sich das vor allem schnell machen ließ und bei entsprechender Mischung trotzdem nicht gänzlich den Rachen verätzte. So ein bisschen was vom Trinken haben wollte ich dann doch noch. Erst im Anschluss daran begab ich mich erneut zum Rest der Versammlung und ließ mich zwischen Cosma und Tauren nieder. Letzterer blieb jedoch nicht mehr allzu lange sitzen, sondern trat wieder seinen Wachposten vor der Tür an, um die Straße im Blick zu halten und vermutlich auch einfach Eine rauchen zu gehen. Kam selten vor, dass er mal vor der Tür stand und keine Kippe an den Lippen hatte. Während Hunter schon dabei war unserem Mittelsmann etwaige mögliche Zusammenhänge zum Passwort zu nennen - Geburtsdaten, Namen und so weiter, bezogen auf Sydneys familiäre Anhängsel -, beschäftigte ich mich selbst erstmal mit ein bis zwei Schlucken der dunklen, kühlen Flüssigkeit in meinem Glas.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte den freien Tag damit verbracht, die Bar über ein paar Stunden hinweg von Grund auf zu reinigen. Alle paar Wochen mussten einige Tische und Stühle mal abgerückt und das Holz geölt werden, damit es auch ja weitere Jahre gute Dienste tat. Es dauerte mich den ganzen Tag, bis das Prozedere abgeschlossen und ich ziemlich erledigt war. Mit einem Gin in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand hatte ich mich an dem größten Tisch der Kneipe nieder gelassen, wo ich wenig später die ersten und einzigen Gäste des heutigen Abends begrüßte. Hunter, Tauren und Richards komischer Flitzpiepe betraten quasi zeitgleich die Bar und verteilten sich relativ gleichmäßig auf die freien Plätze rund um den Tisch. Nach einer knappen Begrüßung folgte ich ihren Unterhaltungen nur noch flüchtig, bis ein, zwei Stunden später die Tür erneut aufschlug. Dieses Mal waren es Richard und Sabin, die mit dem Zielobjekt in den Händen zu uns aufschlossen. Mindestens Letzterer schien keine besonders gute Laune zu haben, man merkte es ihm direkt an seiner Wortkargheit und seiner Haltung im Allgemeinen an. Klar war er ohnehin nicht unbedingt ein gesprächiger Typ, aber heute war es irgendwie... auffällig. Ehrlich gesagt hatte ich trotzdem keine Lust, da jetzt nachzufragen. Er war erwachsen und es würde schon nicht so schlimm sein, als das er jetzt zwangsläufig jemanden zum Reden brauchte. Denn ich war müde und kaputt, eigentlich passte mir das ganze Treffen schon wieder überhaupt nicht in den Kram, aber ich wollte dieses Mal nicht schon wieder die Rolle als Miesepeter einnehmen. Also machte ich einfach gute Miene zum bösen Spiel und hoffte darauf, dass Richards Freund - George - Ahnung davon hatte, was er tat und wir hier schnell einen Schlussstrich ziehen konnten. Tatsächlich sollte es gar nicht so lange dauern - eben so lange, wie man für eine FBI Verschlüsselung im Durchschnitt brauchte, haha - bis wir endlich Zugriff auf den Datenträger der Polizistin hatten. War eigentlich ein Grund zur Freude, wenn man es so sah, aber irgendwie hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Während Richard sich förmlich auf Georges Schoß gesetzt hatte, um direkt nach bestimmten Informationen zu suchen, erhob ich mich mit einem leisen Seufzen von meinem Platz. Sollten die Jungs sich erst einmal austoben, irgendwann würde ich dann mein Stück des Kuchens nehmen, wenn mir der Sinn danach stand. Fürs Erste schlurfte ich aber erst einmal vor die Tür, um ein paar Züge der frischen Luft zu nehmen. "Scheint, als wären sie erfolgreich gewesen.", murmelte ich Tauren zu, der seinen Posten vor der Bar bezogen hatte. Dann angelte ich nach meiner, in der Hosentasche verstauten, Zigarettenschachtel. Anders als normale Leute befanden sich darin nicht nur normale Zigaretten, sondern auch ein paar kleinere Joints. Mittlerweile war ich auf einem Level angekommen, in der ich die Teile wie besagte Zigaretten rauchte, ohne das es besonders großen Einfluss auf mein Verhalten hatte. Knallen tat es dann nur noch, wenn ich mich dazu entschied, zur Pfeife zu greifen. "Wenn du magst, kannst du rein gehen und dir ein paar Infos abholen. Ich halte so lange die Stellung.", bot ich mit einem leichten Schulterzucken an, während ich mir eine der Tüten zwischen die Lippen steckte und anzündete. Ich für meinen Teil war nicht unbedingt heiß auf den Inhalt der zig Ordner auf dem Laptop der FBI Schlampe gewesen. Schlicht weil ich kaum einen Nutzen davon hatte. Brachte mir nichts, zu wissen, was für Idioten sich eventuell an meinem Pokertisch befanden. Aber gut, ich verstand schon, dass der Datenträger für die anderen wie eine Goldgrube gewesen sein musste...
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Ich hatte nicht wirklich ein Problem damit wieder meinen Platz vor der Tür einzunehmen. Dafür hatte es nicht einmal einen Blick seitens des Chefs gebraucht, von dem ich mir eigentlich ziemlich sicher war, dass er mich nicht unbedingt dabei haben wollte. Zwar sagte er Nichts in dieser Richtung, aber von dem wirklich geschäftlichen, detaillierten Kram hielt er seine Crew für gewöhnlich fern. Das, was wir wissen mussten, trug er an uns weiter und den Rest behielt er zwecks seiner eigenen Pläne für sich. Damit konnte ich eigentlich auch ganz gut leben, weil ich mir dann über nicht mehr als das Nötigste den Kopf zerbrechen konnte. Wenn ich zu viel wusste war das für die Konzentration im Ernstfall vielleicht auch nicht gut. Da brauchte ich mir Nichts vorzumachen: Ich war nicht so kaltherzig und abgestumpft wie all die Anderen von Hunters Schlägern. ich konnte sowohl mit Messern, als auch mit mehreren Schusswaffen problemlos umgehen, wenn ich es musste. Aber im Gegensatz zu so manch Anderem tötete ich nie mit Vergnügen. Es war nur eine Sache, die für mein Überleben leider zwingend notwendig war. Physisch, wie auch finanziell. Ich sah gerade an die Wand gelehnt ziemlich nachdenklich auf den gepflasterten Boden vor meinen Füßen, als die Tür unweit von mir aufging und ich aus den Gedanken gerissen den Kopf hoch riss, um zu sehen wer denn meine Gesellschaft suchte. Die roten Locken der jungen Frau waren wie immer schwer zu übersehen und reichten vollkommen für die Identifizierung aus. Auf ihre ersten Worte hin nickte ich nur und beobachtete sie dann - aufmerksam wie immer - dabei, wie sie sich die etwas andersartige Zigarette anzündete. Mir war schon aufgefallen, dass es doch ziemlich oft sehr stark nach Marihuana in ihrer Wohnung roch, hatte bisher aber Nichts dazu gesagt. Wieso sollte ich auch? Ich war froh um jede ruhige Minute die ich oben verbringen konnte, um nicht auf der Straße herumstehen zu müssen. Außerdem war Cosma wirklich nicht der Typ Mensch, der sich gerne Etwas sagen ließ. Also schenkte ich stattdessen auch den folgenden Worten ihrerseits Gehör, zuckte dann ein klein wenig mit den dick in Klamotten gepackten Schultern. "Glaube Hunter fänd' das weniger geil. Er ist da... eigen. So wie mit Allem.", meinte ich und schnaubte ein klein wenig, kurz bevor ich die zu Ende gerauchte Kippe fallen ließ, austrat und Cosma im Anschluss wieder direkt ansah. "Außerdem bin ich ehrlich gesagt ganz froh, wenn ich nicht noch tiefer in die Materie rutschen muss.", fügte ich wahrheitsgemäß noch ein paar Worte an, die an sich relativ neutral klangen.
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Gut, dann halt nicht. Blieben wir eben beide draußen stehen und ließen die Männer drinnen ihr Ding machen. "Okay.", war alles, was ich auf seine Antworten äußerte, bevor ich den ersten Zug von meinem Zigaretten ähnlichen Joints nahm, dessen Rauch ich kurz darauf in die dunkle Nacht hinaus blies. Ich hatte derweil den Platz neben Tauren bezogen, mich ebenfalls an die Wand gelehnt und meinen leeren Blick geistesabwesend durch die Gegend gleiten lassen. Meine Gedanken verloren sich nur wenig später im Nirvana. Schweigend standen wir also eine halbe Ewigkeit nebeneinander, weil keiner von uns beiden scheinbar großes Interesse daran hatte, drinnen mit den anderen zu feiern. Erst ein paar dicke Regentropfen, dir mir ins Gesicht fielen, rissen mich wieder aus meinen Träumereien. Irgendwie... ich wusste ja auch nicht, wie ich das beschreiben sollte, fühlte ich mich matt. Kaputt und leer wären zwar auch treffende Umschreibungen gewesen, aber matt klang am wenigstens wehleidig. Ich stellte mir ja schon die Frage, warum gerade jetzt wieder diese Gedanken hoch kamen, hatte ich doch eigentlich alles, was ich brauchte und dennoch schien ein Teil zu fehlen. Ich seufzte schwer, als ich den Filter, den ich sicher seit fünf oder zehn Minuten vollkommen abgebrannt zwischen den Fingern hielt, in eine Pfütze warf, die sich unter dem Wolkeneinbruch kurzzeitig zu unseren Füßen gebildet hatte. Da ich selten Hoodies oder Jacken mit Kapuze trug, tränkte das Wasser meine Haare so stark, dass diese dem Gewicht irgendwann nachgaben und mir platt im Gesicht kleben blieben. Anstatt Anstalten zu machen, wieder in die Bar zu gehen, drehte ich mich in Richtung Tauren, schmunzelte. "Es ist, als würde Gott meine Gedanken in Worte fassen.", kommentierte ich den starken Regenschauer mit ein paar leisen Worten. Und ich meinte das auch wirklich so. Natürlich nicht den Part, in dem ich Gott erwähnte - ich glaubte nicht an einen Tee trinkenden Geist auf einer Wolke - aber das Wetter entsprach in etwa meiner derzeitigen Laune, war sie doch einfach zum Kotzen. Die Kälte, die sich mit den nassen Klamotten hinterlistig in meine Knochen schlich, ließ mich ein wenig frösteln und spätestens jetzt wäre es wohl ein guter Zeitpunkt gewesen, das Warme aufzusuchen, wenn ich keine Erkältung provozieren wollte, aber irgendwie... reizte mich der Gedanke an Schutz vor dem Regen nicht. Ich genoss es, wie unter den Regentropfen meine eigenen Tränen verbergen konnte, die mir plötzlich über die Wangen liefen. Ich drehte mich zurück in meine Ausgangsposition, damit ich meinen Moment der Schwäche nicht auch noch Tauren offenbarte, wo es doch über mich schon vollkommen ohne Vorankündigung herein brach.
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Also ich wollte ja hier wirklich Niemandem Irgendwas unterstellen... Schon gar nicht Cosma, weil ich sie dazu womöglich absolut nicht gut genug kannte. Aber dennoch wirkten ihre nach einem etwas längeren und ziemlich nassen Schweigen folgenden Worte ziemlich depressiv. Ich hatte keine Ahnung davon, was ihr Alles auf der Seele lag und sie bedrückte. Sie würde es mir wahrscheinlich auch eher nicht erzählen, wenn ich nachfragte, weil sie der verschlossene, kühle Typ Mensch war. Aber ich brauchte kein Hellseher, Gedankenleser oder gar Arzt zu sein um zu sehen, dass die rothaarige junge Frau in einen ziemlichen Trott gefallen war. Nicht nur in Hinsicht auf die offenbar zu große Menge Gras, die sie zurzeit konsumierte, sondern auch auf ihren Alltag bezogen. Als sie gesagt hatte, dass sie das Haus eher nicht oft verließ, dachte ich um ehrlich zu sein nicht, dass es wirklich dermaßen extrem war. Sie machte ja eigentlich Nichts außer in der Wohnung vor sich hin leben oder unten in der Bar arbeiten und auf Dauer konnte das nicht gesund sein. Sie brauchte, wie mir ihre Worte nur umso deutlicher machten, ganz dringend ein bisschen Abwechslung. Zwar war ich mir fast sicher damit, dass Cosma gar keine Hilfe wollte und annahm, aber einen Versuch war es trotzdem wert. Ich hatte ja Nichts zu verlieren, falls sie ablehnen würde. Spätestens dann, als sie mehr oder weniger zu weinen begann, wenn auch nur leise. Kein lautes Schluchzen oder dergleichen, aber das hätte wohl auch einfach nicht in das Bild der sonst so starken Frau gepasst. Der einzige Moment, in dem sie sich mir gegenüber verwundbar gezeigt hatte, war der Nachmittag an dem ich hier ahnungslos vorzeitig die Gassen hatte patroullieren wollen und stattdessen einen Mord hatte begehen müssen. "Ich weiß zwar nicht, was dir momentan so sehr zu schaffen macht, dass du zu Drogen greifst...", setzte ich an, wobei ich vollkommen ruhig und gar nicht verurteilend klang. Cosma war wie gesagt bei weitem nicht die einzige Person in meinem Umfeld, die zu Drogenkonsum in welcher Form auch immer neigte. Ich wusste nur zu gut wie wenig es in einem solchen Fall brachte, tadelnd den Zeigefinger zu heben. "..aber du brauchst ganz dringend Abwechslung, Cosma. Wie lang warst du schon nicht mehr unterwegs? Wochen? Monate?", ein paar Wochen mindestens, solange ich eben schon hier herumhing, aber ich war mir fast sicher, dass sie schon lange vorher in einen strikten Alltagstrott verfallen war. "Lass' mich Hunter Bescheid sagen und wir gehen. Egal wohin, Hauptsache weg von der Bar.", redete ich mit gleichem Tonfall weiter, drehte mich etwas mehr in ihre Richtung und legte ihr eine Hand auf die Schulter, während ich versuchte sie zu etwas Blickkontakt zu bewegen. Es war nicht schlimm, dass sie weinte. Mir war es weit lieber wenn sie die Gefühle hochkommen ließ, als dass sie zu härteren Mitteln griff. Marihuana war harmlos, aber auf die eine Sucht folgte in Oslos Untergrund nicht selten die nächste. Wir müssten auch nicht laufen oder die Bahn nehmen, ich war mit einem der Dienstwagen hier, weil ich vorher noch zwei Lieferungen hatte tätigen müssen. Aber im Regen laufen oder nicht: Sobald wir in welche Richtung auch immer aus dem Regen raus waren, würde sie mindestens meine Jacke kriegen. War ja kaum mit anzusehen, wie die junge Frau da als begossener Pudel im kalten Regen stand.
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Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass auf meine Worte überhaupt irgendeine Art von Resonanz seitens Tauren kam. Ich hielt meine Worte für vollkommen belanglos und aus der Luft gegriffen, aber es schien, als würde Tauren zwischen den Zeilen lesen, beziehungsweise in dem Fall hören, können. Darauf angelegt, dass er sich jetzt in welcher Form auch immer um mich sorgte und versuchte, eine Lösung für meine Probleme zu finden, hatte ich es ganz sicher nicht. Umso mehr überraschte mich seine Antwort auf mein Geschwätz und die Tatsache, dass er es wirklich ernst zu meinen schien. Andernfalls hätte er sicher nicht seinen Poster an der Wand verlassen um mir seine Hand auf die Schulter zu legen. Weil mir die ganze Situation durchaus unangenehm war, mied ich in den ersten Sekunden, in denen er mich fragte, wann ich das letzte Mal etwas anderes gemacht hatte, als in der Bar zu arbeiten oder in meiner Wohnung all Ritt Marihuana zu konsumieren, seinen Blick, aber sobald seine Hand meine nasse Schulter berührte, war es endgültig um mich geschehen. Hut ab, ich hatte lange durch gehalten, aber die Dämme in meinem Kopf wiesen von Tag zu Tag mehr Löcher auf. Und ja, vielleicht hatte Tauren Recht. Ein wenig Abwechslung hätte sicher dazu beigetragen, dass meine Psyche den ein oder anderen Rückschlag hätte verkraften können - sich davon auch langsam, aber stetig erholte -, aber dieser ständige Kreislauf aus den immer wiederkehrenden, monotonen Abläufen war definitiv zu viel gewesen. Zumindest in den letzten Tagen. Passend zu einem lauten Donnerschlag öffneten sich also bei mir sämtliche Schleusen und ich heulte wie ein Schlosshund, als ich mich dann doch dazu bewegen konnte, mich zu dem jungen Mann herum zu drehen. Die Schminke, die ich für gewöhnlich trug, lief mir förmlich Literweise über die Wangen, aber das war mir in dem Moment egal. Ohnehin schien das Bild, was ich abgab, ein ziemlich armseliges zu sein. Als hätte man mich geschlagen an einer Ecke inmitten der Innenstadt ausgesetzt. Vollkommen orientierungslos, obwohl dieses Viertel wie meine Westentasche war. Weil ich ohnehin kein Wort heraus brachte, beantwortete ich Taurens... Frage? Aussage? Angebot? mit einem schwachen, aber bestimmten Nicken. Er erwartete vermutlich eh keine ehrliche Antwort, weil er durch seine Arbeit wusste, wie oft ich in den letzten Tagen oder Wochen mal weggegangen bin. Aber um es noch mal auf den Punkt zu bringen, war es nur ein mal vorgekommen in der jüngsten Vergangenheit. Und das war der Ausflug zum Waschsalon gewesen. Entsprechend gehörte das auch eher zu meiner Routine. Jedenfalls schien Tauren sein Wort halten zu wollen, denn er verschwand kurz darauf ins Innere der Bar und ließ mich einen Moment mit mir alleine zurück. Ich nutzte diese kurze Zeit der Einsamkeit, um mir eine Zigarette anzustecken. Dieses Mal wollte ich keinen Joint, brauchte nur das Nikotin, um das Adrenalin, welches gerne mit dem Heulen einher ging, ein wenig abebben zu lassen. THC wäre in dieser Situation auch für meine keine gute Option gewesen.
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Also gut, schien als würden wir uns hier weg bewegen. Eine wörtliche Antwort bekam ich zwar nicht und allgemein dauerte es erstmal ein haltloses Weinen lang, bis ich überhaupt sowas wie eine Antwort bekam, aber Cosma schien sich doch zu meinem Vorschlag hinreißen zu lassen. Das war nicht nur besser für sie, weil sie sich dann nicht mehr verheult zurück zu den Anderen in die Bar oder allein in ihre Wohnung schleppen musste, sondern auch besser für mich, weil ich dann wirklich Etwas zu tun hatte und mir nicht nur die Beine hier draußen in den Bauch stand. Das ging jetzt schon einige Tage so und langsam wurde es doch wirklich langweilig. Ich war drauf und dran einen der Jungs zu fragen, ob er nicht für eine oder gar zwei Nächte Schichten tauschen wollte, damit ich mal etwas Anderes als immer die selbe Gasse sah. Viel Zeit verlieren wollte ich allerdings nicht mehr unbedingt, weshalb ich mich auf den Weg nach drinnen machte. Dem Chef knapp mitteilte, dass Cosma weg wollte und mich demnach zwangsweise mitnahm, damit er sich hier nicht wunderte, warum wir beide weg waren oder gar vermutete ich würde mich meiner Arbeit entziehen, weil ich nicht mehr da war. Er nickte mir bloß einwilligend zu und im Anschluss war ich schon auf dem Rückweg. Draußen verlangsamte ich mein Tempo nur ein klein wenig ohne zum Stehen zu kommen, legte Cosma meine Hand nur für einen Augenblick mit leichtem Druck an den Rücken, um sie zum Gehen zu bewegen. Es waren nur ein paar Meter bis zu dem schlicht mattsilbernen Wagen um die Ecke, aber sie konnte die Kippe theoretisch auch im Inneren zu Ende rauchen. Ich war nicht der Einzige in den Dienstwagen, der sich während Autofahrten gerne eine Kippe an die Lippen hielt. Bei der Limousine angekommen öffnete ich mittels Knopfdruck die Zentralverriegelung. Während Cosma schon einstieg blieb ich an offener Rücksitztür stehen und legte meine Jacke auf dem Rücksitz ab, bevor ich die hintere Tür schloss und mich beim abwenden Richtung Fahrertür auch des Pullovers noch entledigte. "Zieh den an... oder zumindest drüber. Du wirst noch krank... falls dir das nicht reicht, nehm' dir die Jacke.", murmelte ich zu der Rothaarigen rüber, als ich ihr den grauen Pullover auf den Schoß legte und fast gleichzeitig dir Fahrertür zuzog. Der Parker auf dem Rücksitz wäre ihr unendlich viel zu groß, weshalb der Pulli sicher die bessere Wahl war. Der war sicher auch wärmer, weil er näher an meiner Haut gelegen hatte. War zwar jetzt zwei oder drei Minuten sehr frisch für mich hier drin nur in Tshirt zu sitzen, aber die Heizung wurde glücklicherweise ziemlich schnell warm. Also zögerte ich nicht den Motor anzulassen und auszuparken, wobei ich mich erst nach letzterem anschnallte. Ich vergaß das öfter mal, sehr dumme Angewohnheit. "Kategorie Bleifuß oder 0815-Verkehrsteilnehmer?", fragte ich die junge Frau neben mir kurz nachdem ich ohne richtiges Ziel losgefahren war. Zum einen zur Ablenkung ihrer empfindlichen Gefühlslage und zum Anderen, weil ich mich dann ganz einfach an ihre Fahrstil-Wünsche anpassen konnte. Mir war das egal, ich konnte beides.
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Ich hatte in etwa die Hälfte der Zigarette weg geatmet, bis Tauren wieder aus der Bar kam, um mich mit einem sachten Druck gegen den Rücken zum Gehen zu animieren. Ohne große Widerworte oder gar Widerstand setzte ich mich langsam in Bewegung und folgte, die Kippe noch immer in der rechten Hand haltend, Taurens Wegbeschreibung bis zu seinem Dienstwagen. Dort nahm ich mir noch einen Augenblick Zeit, um auch den letzten Rest des Tabaks zu verbrennen und die so schädlichen Dämpfe in mich aufzunehmen, bevor ich den Filter ins dunkele blau-schwarz der Nacht schnipste. Ich fuhr nicht oft mit dem Auto, aber wenn ich es mal tat, waren die Fahrer für gewöhnlich nicht so begeistert, wenn man im Inneren des Wagens noch seine Zigarette quarzte. Daher war das wohl eine ziemlich blöde Angewohnheit, auch bei Wind und Wetter noch einen Augenblick draußen stehen zu bleiben, um auch ja nichts von dem Glimmstängel zu verschwenden. In Norwegen mochten die Preise für Tabakwaren bei Weitem nicht so horrend sein, wie in manch anderen Ländern, auch auch hier zahlte man schon zu viel, als das man es ich erlauben konnte, die Teile nur zur Hälfte fertig zu rauchen. Aber gut, wie auch immer. Das war ja jetzt nun wirklich nicht das Thema gewesen. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich mich mit den nassen Klamotten in den Ledersitz der mattsilbernen Limousine fallen gelassen hatte und so musste ich über das Angebot, welches mir der junge Mann keine zwei Minuten später unterbreitete, nicht lange nachdenken. Noch bevor er quasi seinen Satz zu Ende gebracht hatte, war mein eigentliches Oberteil schon in den Fußraum gewandert und wurde von Taurens, mir viel zu großen, Pullover ersetzt. Überziehen hielt ich in der Situation für überaus schwachsinnig, brachte es nicht mehr, als das auch dieses Kleidungsstück durchnässte und warm halten würde es dann ganz sicher nicht mehr. "Danke.", murmelte ich leise und als ich sah, dass er jetzt mehr oder weniger oben ohne da saß, bescherte mir das schon eine Art schlechtes Gewissen. Aber der Wagen heizte zum Glück relativ schnell auf eine angenehme Temperatur, sodass auch ich im Top oder T-Shirt nicht mehr gefroren hätte. Nachdem ich mich in dem Wagen ein wenig sortiert hatte, griff ich zum Anschnallgurt - safety first - und drückte dann den Knopf für die Sitzheizung, den ich unweit des Beifahrersitzes entdeckte. Die ersten paar Mater fuhr Tauren einfach drauf los und ehrlich gesagt war es mir auch relativ egal, wo wir uns am Ende der Nacht aufhalten würden. Wie er schon sagte, würde es sicher reichen, im Allgemeinen einfach mal von der Bar weg zu kommen. Klar war sie mein Baby und das konnte sie auch sein, aber ich merkte ja manchmal selber, wie schlecht es mir eigentlich ging damit, nur zwischen ihr und der Wohnung zu pendeln. Entsprechend dankbar - auch wenn ich es nicht unbedingt so direkt zeigte oder gar aussprach - war ich, dass der junge Mann mich heute Abend einfach mal entführte. Und wenn wir nur mitten in der Stadt auf einem doofen Parkplatz hielten, war das schon mehr als ausreichend für mich gewesen, einfach mal auf andere Gedanken zu kommen. Bevor es aber daran ging, ein geeignetes Ziel ausfindig zu machen, wollte Tauren von mir wissen, wie denn meine allgemeine Einstellung zum Thema Fahrstil war und ehrlich gesagt musste ich da einen Augenblick drüber nachdenken. Noch bevor ich überhaupt auf ein einstimmiges Ergebnis kam, öffnete sich mein Mund auch schon. "Ich denke, eine gesunde Mischung aus beiden ist gut.. solange du niemanden umfährst ist mir alles Recht", antwortete ich ehrlich und konnte ein schwaches Lächeln nicht unterdrücken. Sollte er von mir aus mit 140 km/h durch die Innenstadt heizen. Solange er damit niemanden verletzte war mir alles egal. Hauptsache wir kamen am Ziel an. "Auch wenn's vielleicht doof klingt, aber ich kenne keine schönen Orte, Clubs oder so.. also ich hoffe, du hast ein gutes Navi.", fügte ich noch ein paar Worte hinzu, bevor er auf die Idee kam, mich zu fragen, ob es irgendeinen Ort gab, an den ich gerne hin wollte. Außer dem Viertel um meine Bar herum, war mir Oslo nicht sonderlich bekannt, auch wenn ich hier schon so lange lebte. Wie wir alle mitbekommen hatten, war Ausgehen jetzt nicht meine Alltagsbeschäftigung gewesen und mehr als die üblichen Drogenumschlagsplätze und den Stadteigenen Strich kannte ich persönlich jetzt nicht.
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Ich schenkte Cosma während des Umziehens nicht wirklich mehr Beachtung als sonst. Sie war schon nackt vor meinen Augen durchs Badezimmer getanzt, da war das hier ja kaum der Rede wert. Auf ihren Dank hin nickte ich nur ein klein wenig. Inzwischen hatte ich den Blick ziemlich streng auf die Straße fokussiert, hatte ich doch auch beim Autofahren sehr gerne Alles so genau wie möglich im Blick. Die Entscheidung zwecks der Fahrtgeschwindigkeit quittierte ich mit einem leichten Lächeln. In sehr vielen Hinsichten wählte man schlicht am besten eine Zwischenlösung, statt sich auf eine strikte Variante festzulegen. Mit dem Fahren war es da kaum anders, immerhin musste man sich in jedem Fall sowieso der Verkehrslage anpassen. Nachts war zwar bei Weitem nicht so viel auf den Straßen los wie am Tag, aber unvorsichtig werden sollte trotzdem nie eine Option sein. Der Wagen hier hatte zwar gut PS für den Ernstfall unter der Haube, aber unbedingt eine Verfolgungsjagd starten war nicht meine Intention. Führerschein vorhanden war meinerseits nämlich keiner. In gewissen Gebieten Ruhe walten zu lassen war für mich daher essentiell. "Alles klar.", erwiderte ich daraufhin nur und nickte ein klein wenig. Es sollte gar nicht lange dauern bis Cosma sich dann erneut zu Wort meldete. Mir ehrlich mitteilte, dass sie nicht wirklich eine Idee für das Ziel dieser Autofahrt parat hatte. Als schlimm empfand ich das nicht, würde ich eben improvisieren. Ein Club mit viel zu lauter Musik und reichlich betrunkenen Menschen schien mir aber eher weniger das Richtige für eine Ablenkung zu sein. Die zierliche Dame neben mir hatte fast jeden Tag eine Bar mit fast Gleichem um die Ohren, ein richtiger Tapetenwechsel wäre das kaum. Ein wenig Ruhe schien mir angebrachter und sollte ich damit doch falsch liegen, würde ich sicher zügig ein Fax vom Beifahrersitz aus bekommen. "Macht Nichts... ich kenn' mich ganz gut aus.", meinte ich also und warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu, bevor meine Augen erneut an der Straße klebten. Das blieb auch weitere 19 Minuten so, während ich immer mal wieder abbog oder an einer Ampel halten musste. Wir kamen eher gegen Ende am Hafen vorbei, an dessen hinterem Ende am Stadtrand eine schmale Straße auf eine der kleinen Inseln in Oslos offenem Gewässer führte. Auch diese Brücke ließen wir hinter uns, um kurz darauf die fast leere Straße noch ein kurviges Stück entlang zu fahren. Ich wollte auf die andere, quasi die 'innere Seite' der kleinen Insel, von der aus man bequem zum Hafen und der Stadt sehen konnte, die gerade bei Nacht hinter dem Wasser, in dem sich so viele Lichter spiegelten, einfach schön aussah. So täuschend perfekt, wenn man es im Gegensatz zu mir nicht besser wusste. Ich hielt den Wagen schließlich auf einem geschotterten Parkplatz an und stellte den Motor ab, ehe ich wieder zu der jungen Frau neben mir sah. "Willst du hier sitzen bleiben oder raus?", fragte ich in gänzlich entspanntem Tonfall nach. Auch hier durch die Frontscheibe war die Aussicht gut, ich hatte den Wagen vorteilhaft angehalten - und blockierte damit sicher mehr als einen Parkslot -, aber der Regen auf der Scheibe verschleierte es eben doch ein bisschen. Unweit von hier stand eine gut sichtbare kleine, einseitig offene Hütte, die uns zwar vom Wetter weitgehend abschirmen würde, aber kälter war es dort eben trotzdem. Wer von uns beiden an der frischen Luft dann meine Jacke und wer die wetterfeste Decke aus dem Kofferraum bekam, mussten wir in diesem Fall dann eben schweren Herzens entscheiden.
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Während der Autofahrt hatte ich es tunlichst vermieden, ein Wort mit Tauren zu wechseln. Ich mochte in der Hinsicht vielleicht etwas paranoid sein, aber ich konnte es nicht haben, als Beifahrer den Mann - oder der Frau - hinterm Steuer eine Kante ans Schienbein zu quasseln. Er sollte sich ruhig auf die Fahrbahn konzentrieren und mich heile ans Ziel befördern, von dem ich bis zum Erreichen des Parkplatzes auf einer kleinen Insel noch nichts gewusst hatte. Die viertel Stunde, zwanzig Minuten Autofahrt hatte ich meinen Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und war in der wohligen Wärme der Sitzheizung beinahe weggeknickt, wenn mich das ständige Anfahren und Abbiegen nicht wach gehalten hätten. Und so sah ich neunzehn lange Minuten durch die Scheibe, die vom Regen gezeichnet war, nach draußen. Kaum zu glauben, dass es an manchen Ecken von Oslo doch etwas schöner war und die Leute, die um diese Uhrzeit draußen herum lungerten ausnahmsweise nicht den Beruf Dealer oder Prostituierte gewählt hatten. Es schien, als wäre der Großteil der Menschen hier Schichtarbeiter, die gerade entweder auf dem Weg hin oder aber auf dem Rückweg von der Arbeit waren. Alleine das war schon Abwechslung genug für mich. Aber dabei sollte es nicht bleiben. Es folgten noch einige schmalere Straßen, der Weg vorbei am Hafen und schließlich über eine Brücke auf eine abgelegene Insel vor Oslo. Vielleicht wären manche Frauen - Prostituierte eventuell - in Panik verfallen, wenn sie hierhin abgeschleppt worden wären, aber ich fand es gerade wahnsinnig aufregend und schön zur gleichen Zeit. Es sollte dann auch nicht mehr lange dauern, bis der Wagen zum Stehen kam und Tauren den Motor ausschaltete. Ich drehte mich, eingerollt in den Pullover, in seine Richtung, um ihm beim Antworten direkt in die Augen sehen zu können. Durch die Scheiben hatte ich bereits ein wirklich schönes Bild erhaschen können, aber ich würde trotzdem aussteigen wollen. Alleine weil auch ich den kleinen Unterstand erblickte, der uns Schutz vor Wind und Wetter bot, zeitgleich aber einen wirklich tolles Blick auf die beleuchtete Skyline von Oslo versprach. "Ich denke, ich steige aus.", antwortete ich ihm somit ehrlich und angelte dann seine Jacke von der Rückbank, nur um diese im Anschluss auf seinen Schoß zu legen. Ich hatte jetzt etwas Dickeres an den Armen - frieren würde ich draußen womöglich trotzdem -, aber er hatte ja gar nichts mehr, bis auf das kurzärmlige T-Shirt. Ich schenkte ihm wieder ein Lächeln, welches dieses Mal deutlich breiter war, als ich mich abschnallte und die Beifahrertür öffnete. Der Kies knirschte verheißungsvoll, als ich mit meinen Füßen nach festem Halt suchte, um aus dem Wagen aus zusteigen. Und auch als ich den Weg Richtung Unterstand einschlug, begleitete mich diese Melodie fortlaufend. Weil ich nicht weiter auf den jungen Mann gewartet hatte, war ich die Erste, die den Aussichtspunkt erreichte, wie zu erwarten natürlich fror, weil der Wind hier noch mal um Einiges heftiger wehte, als auf dem Festland. Aber ganz ehrlich, war mir das in dem Moment vollkommen egal. Der Ausblick, der sich mir von Oslos Skyline bot, war einfach hinreißend und ich hätte fast zur Frage angesetzt, ob das wirklich die Stadt war, in der ich in einer der hinteren, versteckten Gassen mein Dasein fristete...
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Es sollte gar nicht lange dauern bis Cosma mir eine Antwort auf meine Frage gab und allein das Lächeln, das auf ihren Lippen lag, war die Fahrt hier raus wohl schon wert gewesen. Letzteres schien vorhin in noch so unerreichbare Nähe zu sein, aber doch hatte das stille Örtchen auf der Insel hier prompt einen sehr positiven Einfluss auf die junge Frau. Offensichtlich konnte meine Entscheidung demnach auch nicht so verkehrt gewesen sein. Mein Blick fiel automatisch auf die Jacke, als sie auf meinem Schoß platziert worden war. Damit nahm sie mir mehr oder weniger auch die Entscheidung zwecks der wärmenden Mittel ab. Ich tat es der Rothaarigen kurz darauf gleich und stieg aus, wobei mir schon der Wind um die Ohren wehte. Die Jacke hielt ich noch kurz unterm linken Arm während ich nach hinten zum Kofferraum ging und dann die Decke aus der hintersten Ecke zog. Meistens war die eher für andere Zwecke da. Blutflecken im Innenleben des Wagens vermeiden war so die Hauptaufgabe, deswegen auch die wasserabweisende äußere Seite. War nicht selten, dass die Decken getauscht werden mussten und so erwartete mich auch dieses Mal eine noch sehr neu aussehende, akkurat gefaltete Decke. Trotzdem entfaltete ich sie kurz um sicher zu gehen, dass wirklich keine Flecken drauf waren, bevor der Kofferraumdeckel wieder zuschnappte und ich den Wagen abschloss. Auch, wenn wir hier oben allein zu sein schienen, ging ich da grundlegend immer auf Nummer sicher. War ja nicht mein Wagen, sondern einer von Hunters. Ich schloss ohne weitere Umschweife zu der Hütte auf und war doch recht froh darüber, dass es darin zumindest nicht ganz so windig und nass war wie zuvor vollkommen schutzlos dastehend. Es bildete sich inzwischen unweigerlich eine leichte Gänsehaut auf meinen vom Regen etwas feuchten Armen und deswegen flüchtete ich mich auch gänzlich an Cosma vorbei an die hintere Wand, wo eine ungepolsterte, wetterbeständige Holzbank stand. Einen kurzen Moment überlegte ich noch, dann platzierte ich meine Winterjacke an der Rückwand und nahm davor Platz, lehnte mich mit dem Rücken dagegen. So, dass neben mir aber noch ein bisschen Platz war, hatte ich den Parker doch so weit wie möglich aufgefächert. Früher oder später würde Cosma der Pullover kaum mehr reichen, war das Wetter doch ziemlich ungemütlich und war ja auch nicht so, als hätten wir auf dem Sofa nicht auch schon eng nebeneinander gesessen. War Nichts weiter dabei und so breitete ich auch die Decke aus, schirmte damit die Vorderseite meines Körpers von dem kalten Wind ab - trocken war es hier dank dem Dach ja zumindest, aber die kalte Luft fand trotzdem ihren Weg hier rein. Dauerte auch gar nicht lange bis mir wieder warm wurde, weil die Decke keine Wärme nach außen entweichen ließ. "Gefällts dir?", fragte ich die junge Frau als ich endlich meine endgültige Position, komplett bis unters Kinn verschanzt hinter der Decke eingenommen hatte.
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Er meinte die Frage doch nicht wirklich ernst, oder? Natürlich gefiel es mir! Schon alleine die Ruhe, die hier herrschte, war Balsam für meine Seele. Keine laute Musik, keine schreienden Gäste, nichts, um das ich mich kümmern musste. Nur das Rauschen des Meeres und das Pfeifen des Windes. "Es ist herrlich.", antwortete ich ihm also ehrlich, als ich mich von dem Antlitz der Stadt abwandte, um mich zu ihm umzudrehen. Sein Anblick zauberte mir ein schiefes Grinsen ins Gesicht. So dick eingepackt könnte man meinen, er gehöre zu einem Stamm weiter nördlich auf dieser Erde. Allerdings konnte ich es schon verstehen. Schlicht weil die Kälte auch bei mir wieder langsam ihrem Weg durch den dicken Pulli fand. Ich hatte ja nichts weiter drunter und die Hose war nach wie vor etwas feucht vom Regen gewesen. Aber Tauren hatte schließlich auch an mich gedacht, mir Platz gelassen, damit auch ich mich aufwärmen konnte, wenn mir der Sinn danach stand. Und nachdem ich noch gute zehn Minuten an der Brüstung gestanden und mir die Stadt angesehen hatte, zog ich mich auf mein Plätzchen unter der Decke neben dem jungen Mann zurück. Ähnlich wie ihm störte mich die Nähe zu ihm nicht. Wir waren beide erwachsen, hatten uns schon das Sofa geteilt und wussten somit am Besten, was für eine Beziehung wir zueinander hatten. Für Außenstehende mochte das Bild vielleicht eindeutig sein, aber wie gut, dass zumindest mich die Meinung anderer nur in sehr seltenen Fällen interessierte. Als ich fertig damit war, mich zwischen Jacke und Decke an Tauren zu kuscheln, lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter, mein Blick richtete sich dabei wieder geradewegs raus aufs Meer. Ich konnte richtig spüren, wie sich ein Teil der Last, die ich sonst auf den schmalen Schultern mit mir herum trug, zumindest für einen Moment verabschiedete. Meine Muskeln entspannten sich regelrecht und auch die Stimmen in meinem Kopf kamen seit Langem mal wieder zur Ruhe. Eine lange Zeit verharrte ich in dieser Position, genoss den Ausblick und setzte erst relativ spät zu ein paar Worten an. "Ich glaube, ich hätte in den nächsten Tagen jemanden umgebracht, wenn du mich nicht hierher entführt hättest.", murmelte ich nachdenklich und ein wenig unverständlich, weil die Decke auch einen Teil meines Gesichts bedeckte. Ich stellte mir zwar die Frage, welchen Nutzen er davon hatte, tat er das Ganze hier sicher nicht aus Nächstenliebe. Aber im Grunde genommen war es mir irgendwo auch scheißegal. Ich für meinen Teil wusste ja, wie weit ich gehen würde und ja, dann hat er mich halt mal Heulen sehen. Aber ihm trotz dieser Umstände irgendwas schuldig sein? Definitiv nicht. Ich war ihm dankbar, dass er mir diese kurze Auszeit beschert hatte, ja, das hatte ich ihm aber auch bereits kundgetan. Zwei Mal sogar. Noch tiefer würde ich ihm sicher nicht in den Arsch kriechen, dafür war ich mir trotz der eingerissenen Dämme, noch immer zu stolz. Ich konnte ja zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass mit den Tränen auch dieses eine bestimmte Tabu-Thema aus dem Rückhaltebecken geschwemmt worden war.
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Eigentlich hatte ich gar nicht mehr zwingend eine wörtliche Antwort auf diese Frage gebraucht. Im Grunde war es auch so ziemlich offensichtlich, dass Cosma dem Ausblick nicht gerade abgeneigt war. Ging mir auch nicht anders. Ich war nicht mehr so oft hier wie früher in meiner Jugend, wenn mir die Decke zunehmend auf den Kopf gefallen war, aber ich war nach wie vor gerne hier. Dass Oslo sehr viel weniger schön war als das, was die Skyline uns so marketingreif vermitteln wollte, ließ sich hier draußen für gewöhnlich zumindest für einige Minuten vergessen. Das reichte bei mir meistens schon, damit ich einmal etwas tiefer durchatmen und meine Gedanken ganz von vorne neu einsortieren konnte. Das war manchmal notwendig, um überhaupt erst wieder klar denken und die Sicht auf die meistens eher unschönen Dinge in meinem Leben verändern zu können. Ich sah nicht einmal die Narbe an meinem Hinterkopf, die noch immer weit davon entfernt war komplett verheilt zu sein, noch immer als gänzlich negativ an. Natürlich war sie absolut hässlich und versaute mir mindestens das Nackentattoo auch ein Stück weit, aber die Leute sahen mich jetzt anders an. Vor allem die, die wussten was das Geritzte zu bedeuten hatte. Auch, wenn das ganz sicher nicht unbedingt Hunters Absicht gewesen war, hatte ich deutlich seltener das Gefühl verfolgt zu werden und das war ein durchaus positiver Effekt von der hässlichen Narbe am Haaransatz. Es war eine ganze Weile still um uns beide nachdem die Rothaarige sich zu mir unter die Decke verkrümelt hatte, weil ich abgesehen von einem schwachen Lächeln Nichts weiter auf Cosmas vorherige Worte erwidert hatte. War so aber auch vollkommen in Ordnung für mich, ich mochte die Ruhe hier draußen nur allzu gerne. Was die junge Frau jedoch jetzt von sich gab musste ich erst einen Moment lang in meinem Kopf Revue passieren lassen, um es richtig verstehen zu können, weil die Decke vor ihrem Gesicht gute Dienste dabei leistete ihre Worte etwas zu vertuschen. Als ich begriffen hatte drehte ich unweigerlich den Kopf zu ihr rüber und fing an ihr Profil zu mustern. Ich konnte wirklich verstehen, dass sie mit ihren Nerven zur Zeit ein wenig am Ende war. Jedoch war ich nicht unbedingt ein Freund davon, derartige Worte in den Mund zu nehmen. Zumal ich mir auch wirklich nicht sicher war, ob sie das jetzt nur aus Frustration so dahinsagte, oder ob sie das ernst meinte. Genau genommen war beides scheiße. Ersteres, weil man in meinen Augen nicht leichtfertig vom Morden reden sollte, wenn man keine Ahnung davon hatte - ich hielt sie zumindest zum jetzigen Zeitpunkt so gar nicht für eine Mörderin - und Letzteres, weil es ganz sicher reichte, wenn sie Hunter und mich an mordendem Personal in ihrer Bar hatte. "Jeden Tag eine gute Tat... oder so.", waren die ersten Worte, die ich ziemlich ironisch darauf erwiderte. Ich war mir ziemlich sicher, dass Ausflüge zur Aufheiterung wie dieser hier kaum die Liste an Toten wett machte, die auf mein Konto gingen. "Keine Ahnung, ich bin einfach gern hier... ist schön ruhig... dachte es könnte dir vielleicht auch helfen.", hängte ich noch ein paar Worte dran, bevor ich den Blick wieder nach vorne richtete. Natürlich herrschte hier nicht gänzliche Stille, das gab es Nirgends außer in einem speziell dahingehend abgeschotteten Raum. Aber der ganze Großstadtlärm war weg und das eine gute Essenz für eigene innere Ruhe. Konnte bei Cosma nach dem Geheule vorhin sicher nicht schaden.
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Noch so eine Aussage, die ich ihm ohne Wenn und Aber abkaufte. Dass auch er des Öfteren hier her kam, um den Kopf frei zu bekommen, konnte ich mir nämlich sehr gut vorstellen. Vermutlich hatte jeder so sein Örtchen, an dem er mal runter fahren konnte, die Sorgen Sorgen sein ließ und seinen inneren Ruhepol fand. Außer mir natürlich. Allerdings ging ich davon aus, dass das allgemein eine Krankheit der Workaholics war... dieses Nicht-aufhören-können oder diese Nur-noch-schnell-das-erledigen-Einstellung. War auf Dauer echt nicht gesund, aber das schien mich unterbewusst gar nicht so wirklich zu interessieren. Andererseits hätte ich wahrscheinlich schon von mir aus einfach mal die Reißleine gezogen. Aber gut, wie auch immer. Ich war froh, dass mein innerer Akku mit dem heutigen Abend wieder ein wenig Kraft tanken konnte. Und ich würde mir fest vornehmen, des Öfteren an freien Tagen einfach mal wegzufahren. Ob sich das auch so umsetzen ließ, ganz ohne Führerschein und Auto sei mal dahin gestellt. Hinsichtlich seiner Antwort auf mein hirnrissiges Geschwafel - wobei ich mir bei der letzten Aussage echt nicht ganz sicher gewesen war, ob's nicht vielleicht doch passiert wäre -, musste ich doch ein wenig Lachen. Vermutlich, weil er und ich den selben Gedanken teilten. Bei den Straftaten, die er Tag für Tag beging, würde so eine Kleinigkeit sicher nicht ins Gewicht fallen. Zumindest nicht, wenn es jemals zu einer öffentlichen Anklage kommen würde. "Hat Cosma Dubois auf eine einsame Insel entführt, um ihr den inneren Frieden zu bringen.", betonte ich überaus ironisch und formte mit den Händen unter der Decke eine Art Regenbogen, der eine Überschrift in einem Tagesblatt symbolisieren sollte. Mit einem breiten Grinsen drehte ich meinen Kopf in seine Richtung, um ihm direkt in die Augen schauen zu können. Erst als ich mich genug darüber amüsiert hatte, wich das Grinsen wieder einem schmalen Lächeln. "Aber du hast Recht. Es ist wirklich schön hier und ich merke richtig, wie die Ruhe mir gut tut. Ausnahmsweise keine laute Musik oder pöbelnde Menschen um mich herum zu haben, lässt mich doch einen Gang zurück schalten. Ich hoffe dir ist klar, dass ich damit wieder genug Kraft habe, euch die Hölle heiß zu machen, oder?", warf ich witzelnd noch ein paar Worte hinterher und piekte ihm mit der rechten Hand in die Seite. Seitdem sowohl bei ihm, als auch bei mir zumindest die Schmerzen in der Brust nachgelassen hatten beziehungsweise vollständig verschwunden waren, konnte ich mir das auch wieder erlauben. Normal Atmen und Lachen war auch wieder drin gewesen.
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Cosmas Lachen schwenkte doch ein wenig auf mich über, als sie ihre wunderschöne imaginäre Schlagzeile vorlas. Zum einen musste ich einfach nur wegen der Vorstellung allein lachen, zum Anderen weil das Wort entführen bei mir wohl doch eher vorsichtig zu gebrauchen war. Schließlich war Sowas durchaus auch schon vorgekommen, wenn Hunter Jemanden in seinem imaginären Wohnzimmer brauchte, um Informationen aus ihm raus zu prügeln. Sich die Leute selber einsacken tat er nur noch selten. Wozu auch, hatte er ja uns für. Außerdem war es ja auch gar nicht wirklich eine einsame Insel, hier wohnten durchaus zwei oder drei Leute, wenn auch auf weite Fläche verteilt und nicht so Wand an Wand gebaut wie im Inneren der Stadt, wo es der Platzmangel gar nicht anders zuließ. "Das Wort entführen solltest du in Hinsicht auf mich vielleicht eher mit Vorsicht genießen..", erwiderte ich mit einem schiefen Grinsen nachdem sich das leise Lachen wieder gelegt hatte. Ich wandte auch den Kopf dabei wieder in ihre Richtung, erwiderte den offenen Blickwechsel. Nachdem wir uns beide dahingehend wieder ein wenig beruhigt zu haben schienen setzte Cosma auch zu ihren nächsten Worten an und ich nickte schon währenddessen ein klein wenig. Also noch vor dem Part, in dem sie mir heilfroh erläuterte, dass sie durch den kleinen Ausflug hier ja jetzt wieder viel zu viel überschüssige Energie hatte, die sie womöglich an mir und auch den Anderen auslassen musste. Ich verdrehte ein wenig die Augen und im sofortigen Anschluss daran spürte ich ein leichtes Pieken in meinen Rippen. Vermutlich zuckte ich ein wenig stärker zusammen als normalerweise, weil meinerseits noch immer ein leichter, automatischer Schutzmechanismus seitens des Oberkörpers und speziell eben den Rippenbögen vorhanden war. Ich räusperte mich hörbar, was eine leichte Mahnung darstellen sollte. "Ich muss doch sehr bitten, Madame...", fing ich mit leicht verengten Augen wieder an zu grinsen, hielt sie mit meinem Blick fest. "Fang' hier nicht solche Späße wie einen Stupskrieg an... du verlierst.", mahnte ich Cosma weiter, kurz bevor sie ebenfalls einen leichten Hieb mit dem Zeigefinger in die Seite kassierte. Ich war größer als sie, hatte demnach längere Arme und wog auch weit mehr. Die Chancen der Rothaarigen aus dieser Sache als Siegerin hervor zu gehen standen also schwindend gering. Konnte sie trotzdem versuchen, wenn ihr der Sinn danach stand, weil ich sie wohl im Gegensatz zu einem nüchternen Hunter nicht dafür köpfen würde, aber bringen tat's ihr halt trotzdem nicht wirklich was.
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Na ja, also wenn es danach ging, durfte ich seinen Namen mit keinerlei illegalen Aktivitäten in Verbindung bringen, denn potenziell hatte er all die gängigsten Straftaten schon mindestens einmal hinter sich. Mord, Diebstahl, Entführung... Meine Augenbraue hob sich, das Grinsen wurde ein Stück breiter, noch bevor ich auf seine doch etwas extreme Reaktion auf meinen Pieken, wieder lachen musste. Dann bekam ich allerdings die Retourkutsche für das Piesacken und mir entglitten für einen Augenblick sämtliche Gesichtszüge, als mein Oberkörper mit in etwa der gleichen Intensität wie Taurens eben in die Höhe schoss. Fast ein wenig entsetzt, als hätte ich nicht mit einer derartigen Reaktion gerechnet, sah ich ihn an, schnaubte, als er wieder das Wort ergriffen hatte. Womöglich hätte er auch in diesem Punkt Recht gehabt, wenn ich es wirklich drauf angelegt hätte, den Stupskrieg fortzuführen. Ich war einfach wesentlich empfindlicher und nicht nur an den Seiten kitzelig. Überall, wo die Haut dünn wurde, konnte man mich eigentlich sehr gut ärgern. Aber ich hatte nicht vor, das Ganze auszuweiten, wollte ich lieber noch einmal auf seinen ersten Kommentar eingehen. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, schien nämlich nicht nur die schöne Aussicht auf Oslo der Grund dafür zu sein, dass ich hier ganz entspannt abschalten konnte. Auch die Nähe zu Tauren und sein Umgang mit mir wärmte irgendwie dieses kaputte Teil, was ursprünglich wohl mal mein Herz gewesen sein sollte. Kaum zu glauben, dass das Teil tatsächlich noch an Ort und Stelle war. Ich war ja fest davon ausgegangen, dass Daith das bei seinem Abgang mitgenommen hatte, aber gut. So richtig bewusst wurde mir die Sache mit Tauren erst, als er mich mit seinen Blicken förmlich fesselte und damit eine leichte Gänsehaut bei mir auslöste. Vielleicht war es aber auch nur der Wind gewesen, der noch immer unnachgiebig durch die Bäume pfeifte. So genau konnte ich das jetzt nicht sagen. Jedenfalls war mir nicht so richtig klar, wohin meine folgenden Worte führen sollte, aber sie zurück zu halten, war definitiv keine Option gewesen - dafür brannten sie mir zu sehr auf der Zunge. "Na ja, also würdest du mich jemals so richtig entführen... ich weiß nicht, aber ich glaube, ich würde schon auf dem Weg ins Versteck am Stockholm-Syndrom leiden.", antwortete ich also grinsend, die Augenbraue dabei stets nach oben gezogen. Just in dem Moment bereute ich es ein wenig, den Schutz der Decke aufgegeben zu haben, denn ich merkte, wie meine Wangen zu brennen anfingen. Und das verhieß für gewöhnlich, dass sie drauf und dran waren, die Farbe meiner Haare anzunehmen. Ich wandte mich also schnell ab, nur um besagte Decke wieder ein Stück höher zu ziehen, damit Nase und Wangen bedeckt waren. Zwangsläufig sah ich damit auch wieder aufs Meer und die Skyline, die noch immer so prächtig vor sich hinleuchtete. Schien, als würde diese Stadt niemals wirklich schlafen..
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Zugegeben war ich wirklich froh darum, dass die junge Frau es nicht auf weitere Piekereien anlegte. Ich war zwar nicht übertrieben kitzlig, empfand Sowas aber doch meistens eher als unangenehm. Eben auch dann, wenn ich keine Verletzungen an den Rippen hatte. Inzwischen waren die Blutergüsse zum Glück ziemlich weg und mein Brustkorb, beziehungsweise mein gesamter Oberkörper ließ sich wieder deutlich schöner im Spiegel ansehen. War jetzt nicht so als würde ich mich gerne stundenlang im spiegelnden Glas ansehen, aber in der Regel gefiel mir da trotzdem sehr, was ich sah. War halt doch nicht ganz ohne Grund von den Anderen in der Crew gleich zu Beginn als der Schönling im Team deklariert worden und bisher hatte es glücklicherweise Niemand geschafft mein Gesicht zu verunstalten. Narben woanders am Körper fand ich nicht schlimm um ehrlich zu sein, aber mein Gesicht hatte ich gerne ohne. Einfach weil es das erste war, was mein Gegenüber sah und ich doch ganz gerne einen guten ersten Eindruck hinterließ. War in meinem Metier zwar nicht so wichtig wie im normalen Leben, würde ich meinen, aber da war ich wohl einfach penibel. Apropos gutaussehend - Cosma schien mittlerweile wieder so gute Laune zu haben, dass sie indirekt mit mir zu flirten begann. Die Tränen von vorhin waren scheinbar schon vergessen. Klang in meinen Ohren zumindest so, was mich sofort um einiges breiter grinsen ließ als noch zuvor. An diesem Punkt waren wir mehr oder weniger schonmal gewesen, obwohl das Ganze da irgendwie noch viel mehr nach einem blanken Spaß - eher schon nach verzweifelten Flachwitzen - geklungen hatte als jetzt. Die Rothaarige versuchte gekonnt die Röte in ihren Wangen zu verschleiern, aber ein, zwei kurze Blicke darauf erhaschen konnte ich trotzdem. Vermutlich war es nicht besonders klug von mir überhaupt darauf einzugehen und es sollten eher sämtliche Alarmglocken schrillen, als dass ich Spaß daran finden sollte... aber Flirten war schon immer so eine Sache, die ich nur allzu gerne tat und mit der ich mich rein theoretisch gesehen eine halbe Ewigkeit auseinandersetzen konnte, ohne dass mir langweilig wurde. Deswegen war die ganze Situation so herrlich verlockend und von ein bisschen Flirten würde sicher nicht gleich die neue beste Liebesgeschichte ganz Oslos entstehen. Im Gegensatz zu der zierlichen jungen Frau neben mir wendete ich den Blick jetzt also nicht ab, ließ ihn weiter auf ihr Gesicht gerichtet, obwohl sie meinen ein klein wenig funkelnden, blauen Augen gerade gezielt auswich. "Hmm, machs mir nicht zu schmackhaft... ist nicht so als wär kein Seil im Kofferraum.", grinste ich zu ihr rüber und kam ihrem Ohr währenddessen ein klein wenig näher, wobei ich ganz bewusst einen anderen Tonfall anschlug als normalerweise. Den etwas tieferen, rauen, den viele Frauen so unsagbar gerne mochten. Im Anschluss daran biss ich mir ein klein wenig auf die Unterlippe. Ich hätte das blöde Seil nicht erwähnen sollen. Es setzte unweigerlich etwas mehr Kopfkino ein, als gut für mich war. Ich war in dieser Hinsicht zugegeben aber auch einfach extrem... anfällig.
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Hui. Also wenn man mich fragte, entwickelte sich die Geschichte hier gerade in einem rasanten Tempo sowas von in die falsche Richtung. Ich wusste ja, dass Tauren solche Aussagen nicht unkommentiert lassen konnte, aber ich musste zugeben, nicht mit einer solchen Antwort gerechnet zu haben. Und mein Gesicht sprach diesbezüglich Bände, während ich versuchte, die Worte in meinem Kopf zu sortieren. Von peinlich berührt bis kurz vor einem Lachanfall stehend spiegelte sich gerade alles in dem wilden Funkeln meiner Augen wieder, als ich meinen Kopf doch noch einmal in die Richtung des jungen Mannes drehte. Besagter Schönling war noch ein Stück näher an mich gerutscht und sein Gesicht befand somit direkt neben meinem. Ich konnte schon seinen warmen Atem auf meiner Haut fühlen und im Zusammenspiel mit dieser unfassbar heißen Stimme jagte mir das glatt einen angenehmen Schauer über den Rücken. Dieses Mal konnte ich zu hundert Prozent bestätigen, dass es nicht der Wind war, der meine Sinne gerade so reizte. Dennoch versuchte ich den Schein zu wahren, es ihm nicht ganz so einfach zu machen. Außerdem wusste ich selbst noch nicht so ganz genau, wo das Ganze hier hinführen sollte. Hieß also Zeit schinden bis ich es wusste. Leider erwies sich das als relativ schwierig, denn wie auch beim Mann schüttete der Körper einer Frau gewisse Stoffe aus, die das Denken irgendwie... beeinträchtigten. Was für eine seltsame Situation. Ehrlich. Mochte sich für andere echt dumm anhören, aber ich fühlte mich gerade wirklich hilflos. Wie ein Teenager bei seinem ersten Date. Seit Daith hatte ich kaum engeren Kontakt zu Männern gehabt, begnügte mich, wenn überhaupt, lieber mit dem gleichen Geschlecht, weil mir das Ansprechen in diese Richtung deutlich einfacher fiel. Entsprechend unsicher war ich also, was ich jetzt als Nächstes sagen sollte. Ich hätte hier jetzt den Cut setzten können, was vermutlich die bessere Option gewesen wäre, denn eigentlich redete ich mir ja immer ein, dass dieses Thema ein für alle mal abgehakt war, auf der anderen Seite... war es doch nur ein kleiner Flirt und nichts weiter Ernstes, oder? Also drauf geschissen, was konnte schon schief gehen. Wäre ich nicht so unglaublich verzaubert von diesen Augen, diesem Gesicht im Allgemeinen und von der Art des jungen Mannes, hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr Zeit genommen, die Pro und Kontras abzuwiegen, aber dafür blieb jetzt keine Zeit. Ich ließ ihn sicher schon eine halbe Minute warten, in denen nur das Funkeln in meinen Augen und der leicht geöffnete Mund ihm die Signale gab, dass ich durchaus Interesse daran hatte, diese Konversation auszuweiten. Als ich realisierte, wie blöd ich aussehen musste, schlug ich mir peinlich berührt die Hand vor den Mund, schüttelte leise gackernd den Kopf. Meine Stimme bebte, als ich zu den nächsten Worten ansetzte. "Gott, ich fühle mich gerade in der Zeit zurück versetzt. Vierzehn Jahre jung, pubertierend und absolut keinen Schimmer, was man auf so eine Aussage jetzt erwidern sollte.", murmelte ich ihm, während sich mein Kopf wieder von der Hand löste und diese die rote Mähne sortierte um sie im Anschluss über die linke Schulter zu werfen. Ich besann mich dazu, noch ein paar weitere Worte hinten dran zu hängen, um das Ganze nicht so ... abstrakt dastehen zu lassen. Ich war ja immerhin kein Kleinkind mehr und konnte mich schon in Worte fassen, richtig? Richtig! "Okay... mal angenommen, du hast mich jetzt gefesselt und in deinen Kofferraum verfrachtet. Ich würde dich bitten, mich zumindest an einen Ort zu entführen, wo man auch ohne Klamotten nicht friert. Ist das ein Deal?", fragte ich grinsend, zuckte vielsagend mit den Augenbrauen, wobei meine Worte immer noch zitterten, unsicher klangen, aber ich wusste was ich wollte. Zumindest in diesem Augenblick. Ob und inwieweit ich das bekommen würde, hing von der Laune und der Bereitschaft meines Gegenüber ab.
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