Als geschulter Krimineller hörte ich bereits die auffällig auffliegende Tür im Hintergrund und hielt deshalb mit hochgezogener Augenbraue und dem Kaffee in der Hand inne. Mit der Hand geistig schon an der Waffe konzentrierte ich mich in den folgenden zwei, drei Minuten voll und ganz auf die einzige Tür im Raum. Lange warten musste ich nicht und es war glücklicherweise nur Cosma, die letzten Endes durch den Türrahmen trat. Also konnte ich die angespannten Schultern wieder entspannen und erneut an dem Kaffee nippen, bevor ich meinen Blick das erste Mal wirklich aktiv auf sie richtete. Noch dabei fing sie an zu reden und das nicht unbedingt gelassen, um nicht zu sagen hektisch und vielleicht auch mit einem Hauch von Angst im Unterton. Zugegeben gefiel es mir ein bisschen die junge Frau in einem solch aufgewühlten Gefühlsstadium zu sehen, war sie doch sonst immer so furchtbar gefasst und schier für Alles gewappnet. Jedoch nicht ganz Alles, was mir gerade sehr deutlich vor Augen geführt hatte. Vielleicht wusste sie dann jetzt, warum ich so wenig erfreut darüber war, dass mir der Arsch von Clan an den Haxen klebte. Natürlich schoss tagsüber nur selten Jemand, bevorzugte man Morde doch weiterhin in der Nacht durchzuführen, aber es war schon schlimm genug zu merken, dass man unter Beobachtung stand. Das war ein Scheißgefühl. Noch schlimmer war es dann, wenn man auch noch wusste, dass man sich das nur unwahrscheinlich eingebildet hatte, weil es Gründe dafür gab die Sache doch besser sehr ernst zu nehmen. Ich musste mir ein schadenfrohes Grinsen ja wirklich schmerzlich verkneifen und ließ nach außen hin einen weiterhin recht ruhigen Gesichtsausdruck sehen, als ich den Kaffee in meiner rechten Hand erstmals sinken ließ und auf dem Tisch vor mir neben dem bis auf Krümel leeren Teller abstellte, auf dem ursprünglich ein belegtes Brot gelegen hatte. Dann sah ich die rothaarige junge Frau mit gegenüber erneut an, richtete mich dabei etwas auf und stützte schließlich die Ellenbogen nach vorne auf den Tisch. "Wie sah er denn aus? Irgendwelche Merkmale? Vielleicht kenn' ich ihn.", fragte ich mit einem leichten Schulterzucken. Es wäre schon gut zu wissen, wer sie verfolgt hatte. Vielleicht war es eines der Arschlöcher, die mir bei den Verfolgungsjagden entwischt waren, weil sie nach voraussichtlicher Niederlage abgehauen waren. Die wussten ja, dass ich einer der letzten in Oslo war, der irgendwen an die Bullen verpfiff. Bei einem Attentat auf mich war es also tatsächlich relativ unnötig sein Gesicht zu verhüllen. Zumindest wenn man einen Clan im Nacken hatte, der einem den Rücken stärkte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Obwohl ich noch nicht einmal fünf Minuten gesessen hatte, stand ich bereits wieder auf, um aus einer Schublade neben dem kleinen Kühlschrank eine Schachtel Zigaretten zu nehmen. So lange sich meine Nerven nicht beruhigt hatten, brauchte ich gar nicht versuchen, ohne Zappelei auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Ich nahm mir nur einen Glimmstängel aus der Packung und legte den Rest wieder zurück. War für schlechte Zeiten gewesen und musste noch etwas halten, weil ich für gewöhnlich ja eher weniger.. na ja nur Tabak rauchte. Wenn ich mich dazu entschloss, giftige Dämpfe zu inhalieren, dann griff ich lieber zu Marihuana. Weil ich davon jetzt aber gerade keines zur Hand hatte, musste ich wohl mit dem Nikotin zur Beruhigung erstmal vorlieb nehmen. Schon auf dem Weg zurück zum Tisch hatte ich den Filter zwischen meine Lippen gesteckt und das andere Ende mit dem Feuerzeug aus meiner Hosentasche angezündet. In der Zeit hatte sich Hunter ein Stück weit vorgelehnt und mir eine Frage gestellt, die ich beantwortete, sobald ich mich wieder auf den Stuhl hatte fallen lassen. "Viel gesehen hab ich ehrlich gesagt nicht. Ich würde ihn vielleicht auf Mitte zwanzig schätzen, er hatte schlichte Klamotten an, aber ein echt auffälliges Tattoo im Gesicht. Von der Stirn bis zum Kinn hatte er auf der linken Seite ein Kreuz tätowiert. Also wie... na ja, ein Jesuskreuz halt.", beantworte ich seine Frage wahrheitsgemäß, nahm einen ersten tiefen Zug von der Zigarette. Ich behielt den Rauch einige Augenblicke lang in der Lunge, bis ich mir sicher war, dass er seine volle Wirkung entfaltet hatte, bevor ich ihn wieder ausstieß. Mehr konnte ich zu der Person dann leider auch nicht sagen. Wie gesagt, konnte man durch die dicke Winterjacke und den Schal nur bescheiden etwas erkennen. Aber wenn es einer der Jungs war, die uns an den Fersen hingen, würde ihn Hunter sicher kennen. Während ich auf eine weitere Frage oder eine Reaktion auf meine Antwort wartete, überschlug ich die Beine, lehnte mich etwas vor, um mich mit dem Ellenbogen auf dem Knie abzustützen. Mein Blick war mit Abstand am ruhigsten gewesen. Während Arme und Beine noch ein wenig zitterten, fixierte ich den jungen Mann mit meinen Augen. "Was, wenn das einer aus dem Clan war?", gab ich meiner schlimmsten Befürchtung eine Stimme. Eher leise, aber dennoch bestimmt genug, als das ich darauf wirklich eine ernst gemeinte Antwort erwartete. Wie mir gerade einfiel, hatte ich in meiner Wohnung noch ein paar Dosen Pfefferspray gebunkert, aber auf Dauer konnte das auch keine Lösung bleiben.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die Stresszigarette war vermutlich ein erster guter Schritt in Richtung wieder runterkommen, wobei ich mir ehrlich nicht sicher war, ob das reichen würde. Ich hatte Cosma noch nie so wirr und aufgewühlt gesehen und es war vielleicht etwas mehr als nur Nikotin von Nöten, um die schlanke junge Frau wieder auf den Teppich zu kriegen. Auf jeden Fall dauerte es noch ein, zwei Züge nach dem Anzünden bevor ich dann eine Antwort bekam. Aber tatsächlich war ich gerade relativ geduldig, weil ich mich momentan wesentlich ausgeschlafener fühlte als sonst für gewöhnlich. Ich schlief mehr und außerdem erhellte Cosma mir mit ihrem Verhalten gerade ein wenig die Laune. Natürlich war da der Hintergedanke, dass es absolut nicht von Vorteil war, wenn sie jetzt auch schon verfolgt wurde, aber die Schadenfreude überwog jetzt im ersten Moment noch. Die anfängliche Beschreibung, welche die Rothaarige mit lieferte, war nicht sonderlich zielführend. Ganz anders war es da mit dem Kreuz, das mir durchaus auch schon vor die Linse gekommen war. Dadurch sackten meine Mundwinkel unweigerlich ein klein wenig ab, weil die Identifizierung sie vermutlich nicht gerade beruhigen würde. "Ah, du redest von Crossy... ist so der Typ Spion. Er sticht zwar sicher auch zu, wenn er muss, aber er ist eher nur am Beschatten... für den Clan, versteht sich. Kein direkter Verwandter, aber..", erklärte ich Cosma, wer ihr da auf den Versen gewesen war und zuckte erneut ein klein wenig mit den Schultern. Mein Blick glitt dann so wie fast immer, wenn ich anfing nachzudenken, nach unten auf den leeren Teller ab. Wenn sie die junge Frau schon im Visier hatten, dann war es nur eine Frage der Zeit bis sie sie in die Finger bekamen. Wenn sie Cosma hatten, dann hatten sie zwangsweise auch mich. Ich glaubte nämlich kaum, dass sie sich foltern lassen und mich nicht verraten würde. Sie konnte mich nach wie vor sowieso nicht leiden und wenn sie ihr versprechen würden, sie dann gehen zu lassen, würde sie sicher einknicken. Auch, wenn sie nie auch nur eine einzige Menschenseele wieder gehen ließen. Wäre sicher Köder genug. "Ich könnte dir...", fing ich langsam an zu reden, hob erst dabei dann langsam wieder den Blick an und fixierte Cosmas Augen damit. "...ein bisschen Unterricht geben. Für den Ernstfall. Neben ein paar gezielten Griffen und Tritten... auch Schießtraining. Zumindest, wenn du mir versprichst, dass du mich nicht im Schlaf erschießt.", bot ich der unberechenbaren Rothaarigen an, hob gegen Ende die Augenbraue. Es war mir zwar nicht ganz geheuer ihr gezielte Selbstverteidigung zu vermitteln, aber es schien mir leider notwendig.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wie ich erwartet hatte, schien zumindest das auffällige Tattoo Erinnerungen in Hunter hervor zu rufen und im nächsten Moment wusste ich nicht genau, ob mich das jetzt freuen oder besorgt machen sollte. Ich beschloss, einfach gar nichts davon zu fühlen, denn die Frustration über meine Wehrlosigkeit wiegte vorerst schwerer. Ich hätte mir freiwillig wohl nie eingestanden, dass ich so schwach war, weil ich bis jetzt eigentlich immer ganz gut über die Runden gekommen war. Man musste aber fairerweise dazu sagen, dass ich, bis auf die letzten ein, zwei Male der letzten Wochen, noch nie in eine so verzwickte Situation verwickelt worden war. Ich hatte es nie nötig gehabt, jemanden mit einer Waffe oder meinen Fäusten beweisen zu müssen, wie stark ich war. Meine Worte waren da meistens ausreichend gewesen. Tja, nur leider gab es auch Umstände, unter denen das nicht mehr so einfach funktionierte. Zum Beispiel, wenn ein ganzer Clan einen hasste, weil man zwei Anhänger ihrer Sippschaft unter die Erde gebracht hatte. Ich für meinen Teil fand die Reaktion darauf jetzt ein wenig übertrieben, aber Verluste verarbeitete bekanntlich jeder anders. Also musste ich das akzeptieren, aber tolerieren würde ich es nicht. Aus dem Grund war ich angenehm überrascht, dass mir Hunter doch tatsächlich eine Art Selbstverteidigungsseminar inklusive Schießübungen für Umme anbot. Ich zuckte ein wenig mit den Schultern, konnte nicht verhindern, dass gen Ende seines Angebotes ein schwaches Grinsen in meinem Gesicht Einzug hielt. Für solche Art von Späßen war ich scheinbar immer zu haben, egal wie beschissen es mir eigentlich ging. Mittlerweile war ich zwar im Allgemeinen wieder etwas beruhigter, war der erste Schock dann doch überstanden, aber mir würde diese Erfahrung wohl noch etwas in den Knochen sitzen. Wie auch immer. Die Vorstellung, relativ zeitnah zumindest nicht mehr ganz schutzlos durch die Gassen laufen zu müssen, erheiterte meine angeknackste Laune ein bisschen. "Hört sich nach einem Plan an...", stimmte ich Hunters Angebot zu, auch von mir kam ein leichtes Schulterzucken, ehe ich auch noch den letzten Teil kommentierte. "Manchmal habe ich zwar das Bedürfnis, aber wer hilft mir dann hinter der Bar?", scherzte ich belustigt und gab ihm somit indirekt mein Wort, ihn eben nicht im Schlaf umlegen zu wollen. Mein Gesicht spiegelte derweil eine abstruse Mischung aus amüsiert, verwirrt und noch immer ein wenig verunsichert wieder. Während meine Lippen ein Grinsen formten, schrien die Augen förmlich um Hilfe. Ich nahm noch die letzten zwei, drei Züge der Zigarette, bevor ich den Filter in einem Aschenbecher ausdrückte und meinen Kopf dann auf der Hand abstützte, die vor wenigen Sekunden noch den Glimmstängel gehalten hatte. "Wann und wie stellst du dir das vor?" Und vor allem... wo eigentlich? Man konnte ja jetzt nicht mal eben im nächsten Hinterhof ein paar Schießübungen machen, ohne das postwendend die Bullen gerufen wurden. Auch Handgriffe oder Tritte, die zwischen einem Mann und einer Frau stattfanden konnten missverstanden werden. Sollte man also nicht unbedingt da machen, wo einem jeder dabei zuschauen und Dinge hineininterpretieren konnte, wie es ihm passte...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ah, natürlich... die Bar war also der Grund, der sie an meinem Mord hindern würde, ja? Ich konnte nach einem kurzen Augenrollen nur leicht den Kopf schütteln, wobei sich meine Mundwinkel unbewusst aber ein klein wenig anhoben. Sie tat ja so, als wäre ich hochgradig nützlich. Mit den Kunden haderte es auch jetzt immernoch, aber ich hatte mich zwangsweise angepasst. Mir blieb ja gar nichts Anderes übrig. Es gäbe ganz sicher trotzdem andere Leute, die sehr viel effektiver meinem Job nachgehen konnten und auch wollten, als das bei mir der Fall war. Ich konzentrierte mich lieber auf ihre nächsten Worte, als noch lange darüber nachzudenken. Wann wir das Ganze veranstalteten war mir prinzipiell scheißegal, solange es zeitnah war. Wenn sie wieder verfolgt wurde sank die Wahrscheinlichkeit, dass sie die junge Frau zu fassen bekamen, ja nicht gerade. Cosma würde es sich vermutlich aber ohnehin ab jetzt zwei Mal überlegen, wann sie wirklich vor die Tür gehen musste und wann es sich ganz einfach vermeiden ließ. "Wann ist mir prinzipiell egal... wenn's dir halt passt. Zeitnah.", sagte ich wahrheitsgemäß. Ich hatte ja momentan keine anderen Aufgaben als mich hinter der Theke herumzutreiben oder mich mit Sabin zwecks meiner Geschäfte zu unterhalten. Mit dem Italiener konnte ich mich im Notfall aber auch telefonisch kurz schließen, war also weniger der entscheidende Punkt. Lag viel mehr an der jungen Frau, wann sie das Training bekam. "...du bist nicht die einzige, die hin und wieder Zielen üben sollte. Ich hab ein Grundstück im Wald außerhalb der Stadt, wo es keine Sau interessiert, ob du ein paar Kugeln fliegen lässt. Ein Taxi da hin ist schnell organisiert.", erklärte ich weiterhin recht ruhig klingend, hielt Cosma dabei wie gewohnt mit den Augen fest. Mit meinem eigenen Wagen zu fahren wäre riskant, ich würde doch eines meiner Privattaxis bevorzugen. Verdunkelte Scheiben hatten die ja alle, unsere Gesichter waren also auch da nicht wirklich erkennbar durch die dunklen Gläser.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, okay. Hätte mir eigentlich klar sein sollen, dass sein Terminkalender so ganz ohne seine regulären Geschäfte nicht gerade voll war. Unterbewusst hatte ich auf seine Aussage hin leicht angefangen zu nicken, so als Zeichen des Verständnis. "Hm, also ich hab heute nichts weiter vor und bis zur Öffnung der Bar ist es ja noch ein paar Stunden hin.", antwortete ich ruhig, während mein Blick in Richtung Uhr wanderte, die über der Küchentür hing. Circa dreißig Minuten war der Zwischenfall jetzt her. Mit der Aussage sprach ich schon indirekt darauf an, dass mir zeitnah durchaus gelegen kam. "Also wenn ich mich noch kurz umziehen darf, könnten wir das direkt in Angriff nehmen?", formulierte ich meine Aussage mehr zu einer Frage um, weil ich dahingehend jetzt nicht unbedingt über seinen Kopf hinweg entscheiden wollte. Gefiel mir zwar nicht - diese Art von Rollenverteilung - aber in der Hinsicht hatte er halt einfach die Hosen an. Fakt war: Bis auf den Tag, an dem Hunter angeschossen worden war, hatte ich noch nie eine Schusswaffe in der Hand gehalten, geschweige denn bedient. Aber wie bereits erwähnt, war es auch nie nötig gewesen, sich in der Hinsicht weiterzubilden, weil ich bis Dato mit Worten immer weit genug gekommen war. Jedenfalls nickte der junge Mann meinen Vorschlag ohne irgendwelche Widerworte ab und so machte ich mich wenig später auf den Weg in meine Wohnung. Bevor ich die Bar verließ, hatte ich meinen Kopf durch die Tür gesteckt, um nach dem Spanner Ausschau zu halten, der mir am heutigen Vormittag eine ganze Weile am Arsch geklebt hatte. So, wie ich das sah, schien die Luft aber rein zu sein. Dennoch beeilte ich mich damit, die zwei Schritte zurück zu legen, sah mich, an der Haustür angekommen, noch ein letztes Mal um, bevor ich den Schlüssel ins Schlüsselloch steckte, um mich kurz darauf in meinem Schlafzimmer wiederzufinden. Geduscht hatte ich heute morgen bereits, aber anstatt einer Jeans und einem eng anliegenden Top wollte ich etwas Bequemeres anziehen. Eine Jogginghose und einen gemütlichen Hoodie später wanderte ich ins Bad, wo ich mir mit einem Zopfgummi die Haare zu einem Dutt band. War zwar unrealistisch, dass ich bei einer Auseinandersetzung noch die Zeit hatte, mir einen Zopf zu machen, damit mir die Haare nicht wild ins Gesicht fielen, aber für die Übungen heute wollte ich auf etwaige Sichtbehinderungen einfach verzichten. Gerade als ich auf dem Weg nach unten war, hörte ich durch das geöffnete Fenster im Wohnzimmer einen Wagen vorfahren. Weil ich mir zuerst unsicher war, um wen es sich da handelte, hatte ich kurz angehalten und einen zögerlichen Blick auf die Straße geworfen. Eine schwarze Limousine, vermutlich die gleiche, die Hunter und mich schon einmal herum gefahren hatte, parkte direkt vor dem Eingang zur Bar. Als Hunter sich für einen knappen Wortwechsel ans Auto gelehnt hatte, sackten meine angespannten Schultern wieder ein wenig ab und ich setzte meinen Weg nach unten, nachdem ich mir noch einen Jacke unter den Arm geklemmt hatte, ohne weitere Unterbrechungen fort. Ich nahm wenig später auf der Rückbank des Autos Platz, legte die Jacke neben mir ab und versank seufzend in dem kalten Leder. Die Fahrt sollte an und für sich nicht viel länger dauern, als der Ausflug zu der abgelegenen Hütte gebraucht hatte und somit standen wir ungefähr zwanzig Minuten später an einem Waldrand. Weit und breit nicht viel zu sehen, außer eine kleine Hütte. Hm, also hier würde es wohl wirklich niemanden interessieren, wenn ein paar Kugel verschossen wurden.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war mir nur recht, dass Cosma gerne sofort aufbrechen wollte. Um ehrlich zu sein brannte ich förmlich darauf wieder einen Fuß vor die Tür zu setzen und nicht mehr nur zwischen Bar und Wohnung zu wechseln. Ein paar morgendliche Trainingsübungen vor Dusche und Frühstück reichten ganz einfach nicht aus, um mich bei Laune zu halten. Momentan könnte man mich sinnbildlich ziemlich gut mit einem in einen Zwinger gesperrten Hund vergleichen, der stark unterfordert war. Die Bar forderte zwar meine Nerven ungemein, aber körperlich stand ich unter Strom. Dass ich auch noch mehr Schlaf und damit mehr Energie hatte, war in dieser Hinsicht wahrscheinlich extra kontraproduktiv. Entsprechend ungeduldig erwartete ich unser Privattaxi, nachdem die Barchefin noch einmal zum Umziehen nach oben gegangen war. Bequemere Klamotten waren angebracht, zumindest für die Übungen ohne Waffe würde sie zu Beginn etwas mehr Bewegungsfreiheit benötigen. Wenn es noch nicht automatisch ganz leicht von der Hand ging war es doppelt hinderlich, wenn die Klamotten einen beengten. So hatte ich an einem der Fenster der Bar darauf gewartet, dass Ashton schließlich mit dem Wagen angerollt kam und zog mir dann nur noch die Lederjacke über den Hoodie, bevor ich nach draußen ging und ihn durchs Fenster mit einem Handschlag begrüßte. Er sah gut aus, deutlich weniger ausgelaugt als bei unserem letzten Treffen vor meiner Einbuchtung. Als ich Cosma kommen hörte stieg ich ebenfalls ein, parkte meinen Arsch auf dem Beifahrer und mein Handlanger wartete auch nur gerade so bis alle Türen zu waren, ehe er losfuhr. Während der Fahrt erkundigte ich mich bei ihm, ob er sich noch in irgendeiner Form beobachtet oder gar verfolgt vorkam. Immerhin waren Desmond und er bei meinen Fluchten fast immer anwesend gewesen. Jedoch betitelte er die Lage als ruhig und ich nickte zufrieden. Immerhin schien der Clan die beiden nicht auch noch spezifisch mit reinziehen zu wollen. Am Wald angekommen befahl ich Ashton noch, dass er die Umgebung etwas im Auge halten sollte, war ich doch gewissermaßen paranoid in der aktuellen Lage. Ob er dabei nun ausstieg oder sitzen blieb war mir egal. Cosma hingegen bedeutete ich nach dem Aussteigen mit einem Nicken, dass sie mir folgen sollte. Ich steuerte die Hütte an, die nicht abgeschlossen war. Auf den ersten Blick war darin auch schlicht nichts Brauchbares zu finden. Ein paar veraltete Gartengeräte, Seile und Sägen. Ich räumte nur kurz den Boden frei und schob auch die reißfeste Plane noch bei Seite, bevor ich eine nicht unbedingt kleine, hölzerne Luke im Boden öffnete. Darin waren verschiedene Waffen und auch Munition gebunkert, wobei ich aber lediglich die Pistole herausnahm, die jeder von den Jungs standardmäßig von mir bekam. Wollten sie etwas Anderes am Hosenbund mussten sie das aus eigener Tasche zahlen. Ich stellte die Schachtel mit der Pistolenmunition auf dem fast leeren, nur schmalen Holzregal an der Wand ab. Vorerst nahm ich nur zwei Magazine raus. Mal sehen, wie viele die junge Frau mir letztendlich verschießen würde, bevor sie halbwegs traf. Es tat mir zwar finanziell nicht weh, sonst würde ich den Jungs ja nicht sagen, dass sie gerne regelmäßig hier üben durften sofern sie die Munition bei Zeiten auffüllten, aber es war trotzdem eine unnötige Ausgabe. Von Cosmas Überleben hatte ich nur bedingt etwas. Ich ging wieder aus der Hütte, zog lediglich die Tür hinter mir zu und sah dann wieder in ihre meist kalt wirkenden Augen. Noch so eine Sache, die wir gemeinsam hatten. "Ich zeig' dir jetzt einmal wie du die Waffe lädst und entsicherst...", erklärte ich ihr nur knapp, was ich im Folgenden ohne Umschweife tat. Die paar Handgriffe waren schnell getan. "..bevor wir rüber gehen Sicherung aber wieder rein.", ordnete ich an, als ich das Magazin wieder aus der Waffe gelöst hatte und ihr mitsamt der Pistole hin hielt. Wenn sie das problemlos hinbekam, müsste ich einen der Bäume noch mit einer Zielscheibe anritzen, aber das war schnell erledigt. Es passte mir allgemein besser in den Kram, wenn sie zuerst schoss. Strapazierte sie dabei übermäßig meine Nerven, weil sie zu unfähig war, konnte ich danach indirekt bei den Trockenübungen meinen Frust an ihr auslassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen Ashton - den Namen hatte ich beiläufig irgendwann mal in einem Gespräch aufgeschnappt - und Hunter, sollte Letzterer dann doch relativ zügig zu ein paar erklärenden Worten ansetzen. Sein Handlanger blieb vorerst im Auto sitzen, während ich ihm zu der Holzhütte folgte, in der er ganz offensichtlich einen Arsch voll Waffen inklusive Munition eingelagerte. Ich hatte mir in der Zeit des Wartens die Freiheit heraus genommen, mich ein wenig in dem bewaldeten Gebiet um zusehen. Vielleicht, weil ich einfach ein bisschen paranoid war nach der Sache von gerade eben, aber ich durfte erleichtert feststellen, dass sich im Rahmen des, von mir einsehbaren, Bereichs keine weiteren Personen aufhielten, außer eben Ashton, Hunter und mir. Mit einem beruhigten Gewissen konnte ich mich dann also voll und ganz auf die folgenden Worte konzentrieren, mit denen mir der junge Amerikaner grundlegend erklärte, wie ich die Waffe zu laden und zu entsichern hatte. Im Umkehrschluss natürlich auch, wie ich sie wieder gegen unerwünschtes Lösen eines Schusses sichern konnte und wie ich das Magazin wechselte. Ehrlich gesagt waren das ziemlich viele Informationen auf einmal, aber ich war mir sicher, dass ich alles, was wirklich wichtig war, abgespeichert hatte. Als er mir gen Ende der Erklärung die Waffe samt eines Magazins in die Hand drückte, nahm ich die Pistole an mich, wartete aber noch einen Moment, bis ich auch das Magazin in die andere Hand nahm. Wie ein Kind, was zum ersten Mal Bauklötze in die passende Form stecken sollte, besah ich mir das Stück Metall in meiner rechten Hand. Dann wanderte der prüfende Blick rüber zum Magazin. Binnen weniger Sekunden hatte ich die Schritte, die Hunter mir gerade eben erklärt hatte, ausgeführt. Mit einem Klicken des Hahns signalisierte mir das Baby hier, dass sie jetzt, im Falle eines Falles, einsatzbereit gewesen wäre. Eine Anweisung, dass ich jetzt schon schießen sollte, bekam ich nicht, weshalb ich circa eine halbe Minute später wieder die Sicherung einrasten ließ und sich die Kammer zum Lauf öffnete. Ich drehte die Waffe in meiner Hand auf den Kopf, um die Patrone, die sich darin befand, aufzusammeln. Natürlich hätte ich sie auch einfach ins, teilweise vereiste, Gras fallen lassen können, musste aber ganz einfach nicht sein, wenn es anders ging. Nun... zumindest das lief ja schon mal problemlos. Dennoch war es ein anderes Gefühl, als an dem Tag, wo ich dem ersten Vollpfosten des Sverre-Clans eine Kugel durchs Herz gejagt hatte. War im Übrigen ein glücklicher Zufall gewesen, denn Zielen war etwas, worin ich jetzt nicht unbedingt meine Stärke sah. Mit einem Gewehr mochte das noch weitaus einfacher sein, da war das über Kimme und Korn Prinzip leicht anzuwenden. Bei einer Handwaffe sah das ein wenig anders aus. Da musste man schon ein bisschen präziser werden. Wie auch immer. Jedenfalls spürte ich auch jetzt wieder dieses Gefühl von Macht, aber der Reiz, wirklich aktiv auf jemanden zu schießen, war nicht mehr ganz so stark, wie ich es Hunter gegenüber in der Hütte vor etwa zwei Wochen offenbart hatte. Mochte also dem Kokain verschuldet gewesen sein, dass ich mich ein wenig im Höhenflug befunden hatte, was das Morden anging. Vielleicht musste ich aber auch einfach erst wieder Blut lecken, bevor ich in den Rausch verfiel. Wer weiß. "Gibt's die Dinger auch in pink? Oder rot?", fragte ich beiläufig, als ich die Waffe wieder so weit auseinander gebaut hatte, dass ich die Einzelteile - eine Patrone, das Magazin und die entladende Waffe an sich - in den Händen hielt. Nicht das es unbedingt bunt sein musste, aber so ein schmuckes Pink mit Camouflage-Muster sah sicher nett aus. Hatte aber auch einen gewissen Wiedererkennungswert, weshalb ich mir gut vorstellen konnte, dass ich mich lediglich mit einer einfachen, silberfarbenen Knarre zufrieden geben musste.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Wäre man auf etwaigen Rauschmitteln gewesen, dann hätte man sich sicher zusammen halluzinieren können, dass ich Cosmas Hände gerade mit einem Laserblick eliminierte. Ich starrte ihre Finger förmlich an, während sie den von mir vorgeführten Schritten nacheiferte. Nur für den Fall rechtzeitig reagieren und eingreifen zu können, falls sie wie so oft etwas Dummes vor hatte oder schlicht nicht aufgepasst hatte. Oder die Waffe nicht sicherte. Oder, oder, oder. Es gab da sicher einige Möglichkeiten. Aber Cosma machte es gar nicht so verkehrt, wie ich gedacht hatte. Es waren nicht sonderlich viele und auch keine komplizierten Schritte, das mal nebenbei gesagt, aber so als vollkommener Waffenneuling war man auch gerne mit einer simplen Pistole mal überfordert. Die Rothaarige hier scheinbar nicht. Sie wirkte zwar nicht ganz sicher, aber regelte die Sache an sich dennoch klar. Also nickte ich leicht, kurz bevor ich ihre nächsten Worte vernahm, die mich sofort eine Augenbraue hochziehen ließen. "Ja und nein.", gab ich ihr eine vollkommen unklare Antwort, als ich mich wieder in Bewegung setzte. "Für Andere sicher, aber du fasst Sowas nicht an solange dich Jemand mit mir in Verbindung bringt.", stellte ich schnaubend fest, während wir uns den Bäumen stetig näherten und auch noch ein kleines Stück in den Wald hinein gingen. Nach ein paar Metern waren auch die ersten Bäume ersichtlich, deren Rinden schon gänzlich zerschossen waren. Ich bedeutete der jungen Frau mit dem Heben meiner Hand stehen zu bleiben und zückte noch währenddessen mein Taschenmesser. Am Baum meiner Begierde angekommen sah ich noch einmal zurück zu Cosma um die Entfernung zu checken, aber für den Anfang schien sie mir richtig zu sein. Also ritzte ich ein simples, diagonales Kreuz in die Rinde. Breit genug, damit es deutlich erkennbar war und drehte mich nach Vollendung dessen wieder um. Verstaute das Messer auf dem Rückweg in der Lederjackentasche, wo es deutlich knapper als in die Hosentasche rein passte. Wieder bei der schlanken jungen Frau angekommen, deren Hoodie ihre eigentliche Figur gerade ziemlich gut verdeckte, zückte ich meine eigene Waffe. Ich stellte mich unweit neben sie aber mit genug Abstand, damit sie einen guten Blick auf meine Körperhaltung haben würde. Ich forderte sie also erneut dazu auf mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken, bevor ich inklusive erklärender Kommentare demonstrierte, wie sie die Waffe halten sollte. Worauf sie bei der Armhaltung spezifisch achten sollte, dass sie einen festen Stand brauchte. Irgendwann war letzteres nicht mehr ganz so relevant in meinen Augen, aber sie kannte den Rückstoß ja nicht wirklich. Nur auf Koks und das zählte ungefähr gar nicht. Ich ließ die Arme wieder sinken, als ich mir relativ sicher war, dass sie Alles hatte verinnerlichen können. "Versuchs Mal... ungeladen.", wies ich sie zur Nachahmung an, wobei sie das Magazin erst einmal noch für sich behalten oder solange mir in die Hand drücken sollte. Sie hatte absolut kein Gefühl für den Abzug - woher auch -, hatte sich zuerst eine halbwegs fähige Haltung anzueignen und im Anschluss sollte sie sich erst einmal an den Abzug herantasten, ohne zu schießen. Sollte den Auslösepunkt in etwa abzuschätzen wissen, bevor sie hier ihre ersten richtigen Schüsse tätigte und mir noch den Lauf in weiß Gott welche Richtung beim Abdrücken verriss.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wirklich bedauerlich. Musste schon beschissen sein, wenn das Letzte, was man vor dem voraussichtlichen Tod zu sehen bekam, ein öder, silberfarbener Lauf war, nur weil der Boss sich gegen Individualität sträubte. Ich seufzte enttäuscht, folgte Hunter dann aber das Stück in den Wald hinein, wo es nach ein paar weiteren, erklärenden, Worten darum ging, die richtige Position zum Schießen zu finden. Erst kam die Theorie und dann die Praxis. Theoretisch hörte sich das schon alles ganz simpel an, aber als der junge Mann schließlich zeigte, wie es praktisch funktionierte, hob ich doch etwas fragend eine Augenbraue. Noch während er dabei war, mir die richtige Körperhaltung zu zeigen, versuchte ich meine Beine und Arme bereits parallel zu ihm zu positionieren. Das Magazin hatte ich mitsamt der einzelnen Patrone in der Bauchtasche meines Hoodies verstaut, sodass ich beide Hände um den Griff der Waffe legen konnte. Aber auch ohne Inhalt fiel es mir schon schwer genug, die auf mich einprasselnden Informationen sinnvoll zu verarbeiten. Eigentlich mochte man meinen, dass es scheiß egal war, aus welcher Haltung heraus man jetzt eine Waffe bediente, aber ich hatte das Gefühl, dass gerade bei meinem Glück Einiges - sehr Elementares - schief laufen würde, wenn ich jetzt nicht richtig aufpasste. Aber es war egal, wie sehr ich es in diesem Moment auch versuchte... Ich fand keine geeignete Position, in der ich zu mir selbst sagen konnte, dass ich es mir wirklich zutrauen würde, aus diesem Stand eine Kugel abzufeuern. Meine Beine waren kaum standfest platziert, die Arme so weit oben, dass ich mir vermutlich mit dem Rückstoß der Knarre die Nase gebrochen hätte, weil ich sie so nah vor meinem Gesicht hielt. Außerdem war ich im Allgemeinen gerade einfach sehr unzufrieden. Mit einer Hand schießen war blöd, aber zwei Hände am Abzug zu haben halt auch. Vielleicht sollte ich statt mit der Waffe einfach mit dem Messer üben. Da konnte man sich deutlich freier bewegen und war weniger darauf angewiesen, für den optimalen Grad an Verletzung erst einmal eine Ewigkeit zu zielen. Aber gut, bei einer Schießerei nur mit einem Messer aufzukreuzen... na ja, wäre sicher weniger erfolgreich. Ich verdrehte genervt die Augen, wollte das doch alles nicht so funktionieren, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und gerade Hunter musste ich nicht sagen, dass mein Geduldsfaden nicht besonders dick war. Entsprechend frustriert musste ich aussehen und mich anhören, als ich wieder zum Reden ansetzte. "Das is' doch scheiße. Wenn ich sie direkt vor meinen Körper halte, tut's weh, weil ich mir gefühlt die Brüste abdrückte. Aber nur mit einer Hand zu schießen, bricht mir vermutlich das Handgelenk, oder?", fragte ich grummelnd. Ich meine, die Hand war nach der Nacht in Oslos Seitengassen zwar unverletzt, aber ich wollte auch nicht wissen, mit wie viel Kilo Gewicht ich die Knarre dazumal umschlossen hatte. Jetzt, wo man ein realistisches Gefühl für das Metall in der Hand hatte, war das echt schwer abzuschätzen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Nach meiner, wie ich dachte eigentlich sehr einleuchtenden, ausführlichen Erklärung wanderte meine volle Aufmerksamkeit wieder zu dem rothaarigen Temperamentsbündel, das schon nach kurzer Zeit sichtlich frustriert wirkte. Dabei war für mich ehrlich gesagt absolut nicht heraus zu sehen, woran das Problem überhaupt lag. Als sie gerade noch parallel zu mir geübt hatte, sah es gar nicht so unendlich verkehrt aus, mit ein paar nötigen Verbesserungen hier und da. Sobald sie aber nochmal mehr oder weniger abgesetzt und von vorne begonnen hatte, hatte sie schier alles Mögliche zusammen geworfen. Setzte im Grunde fast Nichts mehr von dem, was ich ihr gerade zu vermitteln versucht hatte, in die Tat um. Wohlgemerkt auch noch gefolgt von ein paar sehr motzig klingenden Worten, die blanke Frustration aus ihr sprechen ließen. Geistig schickte ich ein Dankeschön an den in meinen Augen ohnehin nicht vorhandenen Gott, weil ich ein Kerl war und die Probleme mit den Brüsten schlicht nicht hatte. "Bei deiner Geduld brichst du dir Alles.", stellte ich leise seufzend fest und rieb mir für einen Moment lang die Schläfen. Traf auf mich ja genauso zu, nur um nochmal kurz auf die Geschichte mit dem Schlag an die Wand zu verweisen. Als ich zwei tiefe Atemzüge hinter mir hatte schob ich meine eigene Waffe dann wieder zurück in den Hosenbund, hatte ich sie bis jetzt doch noch in der Hand gehalten. Es war wohl ein Wunder, dass ich mir bei meinen eigenen ersten, wohlgemerkt vollkommen unangeleiteten Schüssen nicht irgendwelche Körperteile zerschossen hatte. Ich überbrückte also mit wenigen Schritten die Distanz zu Cosma, nur um nach dem Handgelenk mit der Waffe zu greifen und es wieder anzuheben. "Es geht mir nicht darum, dass du nach der Übung hier aus jeder erdenklichen Position triffst, sondern dass du erstmal nur ein Gefühl für die Pistole kriegst.", kommentierte ich das Ganze bemüht ruhig, weil mir ihr Tonfall eigentlich so gar nicht gefiel. Aber wenn ich sie jetzt noch dumm von der Seite anmachte, stand ich vermutlich auch mitten in der Nacht noch hier und war keinen Schritt weiter. Ich veränderte meine Position, stellte mich statt seitlich etwas mehr hinter sie, um ihr mit leichtem Druck an der anderen Schulter zu bedeuten, dass sie die zweite Hand auch noch an die Waffe legen sollte. "Halt sie gerade vor dich... Ellenbogen leicht angewinkelt, dann solltest du auch mit den Brüsten kein Problem kriegen.", wies ich sie an, musste dabei doch ein klein wenig grinsen und korrigierte währenddessen ihren rechten Ellenbogen zu einem entsprechenden Winkel, was dazu führte, dass der linke Arm es jenem zwangsläufig gleich tat, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Durch das leichte Anwinkeln der Ellenbogen steckte sie nicht nur den Rückstoß besser weg, sondern ließ auch ihrem Vorbau mehr Platz, als wenn sie die Arme fälschlicherweise durchdrückte. Zwar war ich Cosma bei Alledem ziemlich nah, legte es aber nicht darauf an sie mehr zu berühren als nötig. Wie gesagt, Körperkontakt war nicht so meins. Als ich mit ihrer Haltung über ihre rechte Schulter hinwegsehend zufrieden war, setzte ich zu meinen nächsten Worten an. "Tast' dich langsam an den Abzug ran... mit Gefühl, Stück für Stück... niemals ruckartig ganz durchdrücken, dann kannst du dir das Zielen vorher nämlich sparen... und zähl' dabei mit, dann weißt du in etwa wo der Schuss später auslöst.", redete ich weiter vor mich hin und korrigierte dabei noch einmal leicht ihren Ellenbogen. War sie immer so unkonzentriert? Anstrengend. Aber war für mich als geübten Schützen auch sicher leichter gesagt, als für sie getan.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Jemand, der tagtäglich Leute an- oder erschoss, hatte gut reden. Konnte ja auch noch so einfach sein, dieses eine Gefühl für die Waffe zu bekommen, aber ganz ehrlich? Ich fühlte hier gerade gar nichts, außer pure Frustration. War wohl eines meiner größten Baustellen, wenn ich gerade so darüber nachdachte. Blind vor einer Emotion zu sein schränkte mich in meiner Aufnahmefähigkeit und meiner Konzentration einfach unglaublich ein. Bevor ich da nicht wieder mit mir im Reinen war, brauchte man eigentlich gar nicht versuchen, mir noch weitere Informationen einzutrichtern. Denn augenscheinlich waren bereits die ersten Anweisungen schon wieder aus meinem Gehirn geschwemmt worden und da stand ich nun, wie der Ochse vor dem Scheunentor. Am Liebsten hätte ich wie ein trotziges Kleinkind mit den Füßen auf dem Boden aufgestampft, aber Hunter, der sich wenig später hinter mir befand, hielt mich von dieser überaus bescheuerten Aktion ab. Denn im Grunde ließ er mir gar keine Zeit und noch weniger die Möglichkeit, mich jetzt näher mit dem negativen Einfluss meiner Gedanken auseinander zu setzen. Vollkommen unvorbereitet zuckte ich unter der Berührung anfangs ein wenig zusammen, als er gerade wie selbstverständlich dazu ansetzte, meine Haltung, zumindest was die Arme anging, zu korrigieren. Dabei drangen ein paar Worte an mein Ohr, die ich erst einmal sortieren musste. Genervt schloss ich einen Moment die Augen, merkte, dass ich so kein Stück weiter kommen würde. Ich hielt die Arme zwar so, wie er sie drapiert hatte, aber verinnerlichen tat ich das Ganze nicht wirklich. Aus dem Grund nahm ich mir, nachdem er fertig war, an mir herum zu basteln, die Zeit, für zwei, drei Sekunden in mich zu gehen. "Okay, okay, Moment ... bitte.", fuhr ich ihn an, obwohl ein so harscher Unterton wirklich nicht beabsichtigt war. Ich ließ die Arme locker, sodass die Waffe in der rechten Hand neben meinem Knie baumelte. "Tut mir Leid, hm... der Ton war nicht beabsichtigt.", schob ich in der nächsten Sekunde der Erkenntnis über mein Auftreten direkt hinterher, deutlich ruhiger, weil sich der Knoten in meinem Kopf zu lösen schien. Ich machte mir schlicht und ergreifend einfach viel zu viel Stress. Der Gedanke an den Vorfall vorhin und dann dieser Druck, dass ich jetzt auch ja alles richtig machte, waren einfach ein bisschen zu viel für den Augenblick. Nachdem ich mich geistig für etwas über einen Bruchteil von einer Sekunde entspannt hatte, versuchte ich erneut mein Glück. Die negativen Einflüsse hatte ich vorab erfolgreich abgestreift. Zumindest für den Augenblick. Ich setzte also an, statt aber die Informationen, die Hunter mir auf meine Festplatte gespielt hatte, abzurufen, stellte ich mir einfach vor, wie der Baum einen dieser Typen repräsentierte, den es jetzt an- oder zu erschießen galt. Natürlich waren die Tipps nicht irrelevant gewesen, gerade das Anwinkeln der Arme sollte sich doch als durchaus hilfreich herausstellen. Mit einem fokussierten Blick auf den Baum schob ich mein rechtes Bein ein Stück nach hinten, sodass mein Stand um Einiges sicher wurde und auch nach außen hin standfester wirkte. Ich schnappte einen Atemzug voll frischer Luft, dann setzte ich die Finger an den Abzug, tastete mich, wie Hunter es mir eingeredet hatte, langsam an dem Punkt, an dem ich merkte, dass das Spannen des Hahns beendet war und sich beim weiter rein drücken als Nächstes der Schuss lösen würde. Gut, das war relativ simpel, trotzdem wollte ich den Ratschlag befolgen, zählte die Sekunden, bis ich an genau diesem Punkt angekommen war. Eins... zwei... drei... dreieinhalb Sekunden, wenn ich mich darauf konzentrierte und aktiv versuchte, einen bestimmten Punkt anzupeilen. Ich hatte mir die Mitte des, in den Baum geritzten, X's gesucht, mich entsprechend darauf fokussiert und den Abzug dann auch weiter als bis zu dem Widerstand gedrückt. Passierte nur nicht viel. Druck war ohne Munition kaum einer dahinter, ich wollte mich davon also nicht täuschen lassen. Aber gut, es wurde langsam. Nur ein kleines bisschen mehr Geduld noch, Cosma. Die Stimme in meinem Kopf riet mir dazu, ruhig zu bleiben. Das Wesentliche im Blick zu behalten und sich nicht ablenken zu lassen. Emotionen hatten beim Zielen auf einen Menschen ohnehin nichts verloren. Konnte ich mir direkt abgewöhnen diesen Mist.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Cosma schien wirklich der Sinn danach zu stehen, meine Geduld noch etwas auf die Probe zu stellen. Zwar fand ich es an sich wirklich gut, dass sie sich noch einmal zwei, drei Sekunden zum Auflockern geben wollte, weil sie mit derartigen Anspannung oder gar Angst vor dem eigentlich Schuss nicht weit kommen würde. Sie musste sich schon mental darauf einlassen, wenn sie ans Ziel wollte. Was mir hingegen nicht schmeckte war wie so oft der unangebrachte Tonfall, den sie anschlug. Unweigerlich verengten sich meine Augen ein kleines bisschen und ich klatschte sie geistig gegen den Baum, der unweit neben uns stand. Vielleicht hätte ihr auch ein schwungvoller Klaps auf den Hinterkopf gut dabei geholfen einen Gang runter zu fahren und die Gedanken von vorne zu ordnen. Jedoch ersparte die junge Frau sich all das indem sie zeitnah eine Entschuldigung anhängte, die ich nur mit einem kaum sichtlichen Nicken zur Kenntnis nahm, wobei sich auch meine Gesichtszüge wieder ein klein wenig lockerten. Immerhin hatte sie gerade nicht einmal einen Grund dazu mich anzuschnauzen, war ich hier gewiss nicht die Ursache ihres Problems. War also nur angebracht, dass sie dieses Missverständnis ausräumte. Ich hatte meine eigenen Hände wieder sinken lassen, als sie sich dann gesammelt und erneut aufgerichtet hatte. Ich hielt Cosma jedoch weiterhin sehr akribisch im Blick und beobachtete auch ihren Finger am Abzug, bis sie auch jene Aufgabe entsprechend umgesetzt hatte. "Okay, gut... und jetzt mach dich nochmal locker, du bist viel zu angespannt, denkst zu viel nach. Ich sorg' schon dafür, dass du dir nicht weh tust... sonst könnt' ich mir das Ganze hier ja sparen und dich allein drauf los schießen lassen.", bedeutete ich der noch immer viel zu stark unter Strom stehenden jungen Frau, noch einmal tief durchzuatmen. Ich selbst atmete auch für zwei, drei Atemzüge sehr kontrolliert und tiefer, sah dabei nach oben in die Baumwipfel, weil mir im Voraus nicht mehr wirklich bewusst gewesen war, wie anstrengend diese Art von Unterricht sein konnte. Für meine armen, labilen Nervenbahnen. Andererseits war es aber auch immer wieder interessant zu sehen, wie unterschiedlich meine Schüler auf ihren ersten Schuss reagierten. "Wenn du bereit bist, lad' die Waffe... konzentriert, in aller Ruhe. Danach Position wieder einnehmen und erst entsichern, wenn ich dir grünes Licht gebe.", gab ich Cosma weiterhin bemüht entspannt zu verstehen, sah sie auch wieder mit ziemlich neutralem Gesichtsausdruck an. Sie noch weiter unter Druck zu setzen wäre nur kontraproduktiv, also gab ich ihr einfach die notwendige Zeit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wenn die Gedanken nicht ganz so wirsch waren, ließ sich mit den Informationen, die mir Hunter zukommen ließ, gleich viel mehr anfangen. Mit meinem Stand war ich persönlich mittlerweile sehr zufrieden, hatte mir selbst bestätigen können, dass ich bereit dazu war, einen Schuss abzugeben. Zwar sprach der junge Mann hinter mir noch ein letzten Manko an, aber auch den sollte ich relativ bald behoben haben. Wenn ich mich darauf konzentrierte, nur aus Lust an der Laune zu schießen und nicht, um gezielt Leute abzumurksen, fiel mir das plötzlich alles um Einiges leichter. Ich war mir, wie so oft, einfach mal wieder selbst im Weg gestanden. Gut, wie auch immer, jedenfalls schien er dann zumindest mit meiner Bedingung des Abzuges zufrieden zu sein, denn dahingehend äußerte er keine Kritik oder Verbesserungsvorschläge. Konnte ich also einen Schritt weiter gehen, nachdem ich die Muskeln noch einmal gelockert und ausgeschüttelt hatte. Wenig später steckte ich dann meine linke Hand in die Bauchtasche, wo ich das Magazin verstaut hatte. Ich zog es heraus und erinnerte mich dann an die ersten Einweisungen des heutigen Schießtrainings. Step by step lud ich schließlich die Waffe, entsicherte und sicherte sie wieder, nur um noch einmal das Gefühl dafür zu bekommen. Ich nahm keine fünf Minuten später dann wieder die Haltung, an der ich gerade so verzweifelt war, ein, dieses Mal eben mit einer geladenen Waffe und keiner Attrappe. Mein Ziel bereits vor Augen, wartete ich nur noch auf Hunters grünes Licht, bevor ich das erste Mal bewusst und mit voller Absicht einen Schuss abgab. Der Rückstoß, welcher trotz einigermaßen guter Haltung, trotzdem ziemlich schmerzhafte Auswirkungen auf meine Knochen hatte, ließ mich im nächsten Augenblick scharf die Luft einsaugen. Ich konnte zwar direkt sagen, dass weder etwas gebrochen, noch geprellt war, aber für den nächsten Schuss würde ich deutlich mehr Kraft aufbringen und den Griff noch fester umschließen. Angenehm war nämlich anders, wenn man mich fragte. Aber schießen musste ich ohnehin noch einmal. Wie zu erwarten hatte ich nämlich effektiv nichts getroffen - nicht einmal im Ansatz die Rinde des Baumes. Zu meiner Verteidigung musste ich aber auch dazu sagen, dass ich mich gerade mehr auf den Schuss an sich konzentriert hatte, als auf das Zielen, wozu dieses Training hier ja eigentlich gedacht war. Nun... anders, als bei der Misere mit der Haltung, ließ ich mich dieses Mal nicht so einfach unterkriegen, setzte direkt zu einem nächsten Schuss an. Ich konzentrierte mich dieses Mal mehr auf das eingeritzte X, was mich wenig später immerhin schon mal den Baum an sich treffen ließ. Von der Mitte war ich zwar noch weit entfernt, aber mühsam ernährte sich das Eichhörnchen, richtig? Es war zudem gar nicht so einfach, das Stück Metall, war es noch so klein, auf Dauer oben zu halten, ohne das die Arme zu zittern anfingen. Grund genug, nach weiteren zwei, drei Schüssen eine kurze Pause einzulegen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Der leicht stechende Blick erwachte sofort wieder zum Leben, als Cosma dann die Waffe lud und im Anschluss daran den Lauf anhob. Erneut hob ich die eigenen Hände an um kleinere Haltungsfehler zu korrigieren - sie machte das jetzt schon deutlich besser als noch vor zwei Minuten -, warf noch einen abschließenden Blick auf ihre Körperhaltung und nickte dann deutlich sichtbar. Worte schienen mir unnötig. Sollte auch nicht mehr lange dauern, bis die erste Kugel durch den Lauf zischte und irgendwo im Nirgendwo einschlug. Ich hatte aber ohnehin nicht erwartet, dass sie prompt das eigentliche Ziel traf, weil das schlicht sehr selten war. Es war für Anfänger schwierig, sich auf all die notwendigen Kleinigkeiten zu konzentrierten, wenn der erste Knall ertönte Bis jetzt hatte ich die junge Frau neben mir im Augenwinkel gehalten, den direkten Blick stattdessen auf die Rinde des angekratzten Baumes gerichtet, als sie die nächsten Schüsse abfeuerte. Diese waren schon ein wenig besser und ließen mich zufrieden Nicken, was mehr nur mir selbst galt, ehe ich Cosmas Blick mit meinem suchte. "Wenn du zielst, hast du im Grunde zwei Optionen. Mit beiden Augen oder eben nur mit einem. Mit beiden ist schwieriger, aber wenn du's von Anfang an machst ist es zumindest für die meisten im Endeffekt doch einfacher, als später noch umzusteigen. Wenn du ein Auge zumachst triffst du einfacher, jedenfalls wenn du weißt welches dein... stärkeres Auge ist. Wenn du Rechtshänder bist ist es ziemlich wahrscheinlich, dass auch das rechte Auge das dominantere ist.", ließ ich der Rothaarigen noch ein paar Details zu den zwei unterschiedlichen Zielmethoden zukommen, zuckte daraufhin leicht mit den breiten Schultern. Wofür sie sich letzten Endes entschied war ihre Sache, ich war mehr ein Freund vom beidseitigen Sehen. Erstens, weil man sich dann von vornherein daran gewöhnte und zweitens, weil in den ersten brenzligen Situationen, in denen von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden musste, fast jeder zweite vergaß, dass er für gewöhnlich nur mit einem Auge zielte und stattdessen mit beiden Augen schoss, einfach aus Zeitdruck und Hektik. Traf dann halt aber oft eher nicht da, wo es hin sollte. "Ich würd' dir aber empfehlen, bei beiden Augen zu bleiben. Wenn du so weiter machst, hast du das nach ein paar Mal üben raus.", gab ich nach meinen Gedankengängen doch noch meinen Senf dazu, fügte sogar ein indirektes Lob mit ein und griff währenddessen in meine rechte Hosentasche, um nach der fast leeren Kippenschachtel zu greifen. Desmond - der momentan mein Vollpfosten für Alles war, neben seiner eigentlichen Arbeit wohlgemerkt... aber bekam er ja extra vergütet - hatte mir vor ein paar Tagen welche da gelassen und wenn mir außerhalb der Barzeiten langweilig war, rauchte ich ab und an eine. Wirklich nicht oft und nie mehr als eine, aber so als Zeitvertreib für ganz Verzweifelte. Da Cosma sicher noch ein paar weitere Schüsse tätigen wollte und ich selbst dabei nicht mehr viel zu tun hatte, außer ihre Haltung im Blick zu behalten, zündete ich mir kurzerhand eine der Zigaretten an. Als Feuerzeug und restliche Kippen wieder verstaut waren griff ich stattdessen in die andere, seitliche Hosentasche am linken Bein. Jeans waren oft unpraktisch und hatten viel zu wenig Stauraum für Leute wie mich, weshalb ich doch recht häufig diese Abwandlung von Armyhosen trug. Selten in Camomuster, meist eher einfarbig schwarz oder dunkelgrau. Farbe war auch nicht so meins. Jedenfalls griff ich nach Magazin Nummer zwei und schob es der Rothaarigen während ihrer Verschnaufpause in die Bauchtausche ihres Hoodies, bevor ich mich gänzlich der Kippe widmete.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die letzten zwei Schüsse vor meiner kurzen Pause waren eigentlich recht treffsicher gewesen. Der Rückstoß machte mir, seitdem ich nach dem ersten Schuss den Druck um den Griff deutlich erhöht hatte, auch nichts mehr aus. Angenehm war zwar nach wie vor anders, aber es tat zumindest nicht mehr weh. Den Baum zu treffen hatte ich also relativ schnell raus gehabt, eine Kugel schlug sogar überraschend nah an der Stelle an, wo sich die beiden Linien kreuzten. Weil ich die Arme aber nicht länger oben halten konnte, gönnte ich ihnen eine kurze Pause, in der Hunter mir wieder ein paar Tipps zukommen ließ. Also die letzten Schüsse hatte ich mit beiden Augen ins Visier genommen, ich würde also seinem Ratschlag folgen und dabei bleiben. Probehalber würde ich die andere Option zwar auch einmal testen, aber ich ging jetzt schon davon aus, dass diese nichts für mich war. Noch aus Kinderzeiten wusste ich, dass es ziemlich unangenehm werden konnte, wenn man eine längere Zeit nur ein Auge benutze. Bei mir äußerte sich das vor Allem mit Schwindel, der auftrat, sobald ich das lange geschlossene Auge wieder öffnete. Wäre also aus dem Grund schon keine gute Lösung für mich, um ehrlich zu sein. "Okay, danke. Ich werd's gleich noch mal mit einem Auge probieren. Aber ich denke auch, dass es mit beiden auf Dauer doch angenehmer ist.", unterstrich ich meine Gedankengänge ihm gegenüber noch einmal verbal. Ich richtete meinen Blick, der seit Anfang meiner kleinen Pause mehr der Waffe geruht hatte nun auf Hunter. Ich beobachtete ihn dabei, wie er ausnahmsweise auch mal zu einer Zigarette griff. Kam bei ihm ja im Verhältnis noch seltener vor als bei mir. Mit einem entspannten Lächeln - war das indirekte Lob sehr wohl bei mir angekommen - auf den Lippen, machte ich ein paar Schritte auf den jungen Mann zu, um mich neben ihm gegen einen der Bäume zu lehnen, die nicht weniger zerschossen aussahen. So lange ich die Waffe nicht nutzte, steckte ich sie, natürlich erst nach entsprechender Sicherung, in meinen Hosenbund, dann verschränkte ich die Arme vor der Brust. Mit einem Nicken bedankte ich mich schließlich bei ihm, als er ein zweites Magazin in meiner Bauchtasche verschwinden ließ. Würde ich dann gleich noch verschießen, wenn die Oberarme wieder etwas mehr Kraft hatten. In der Zeit wollte ich die Stille mit ein wenig Smalltalk überbrücken. "Hattest du in den letzten Tagen eigentlich mal wieder Kontakt zu Sabin? Wie laufen die Geschäfte?", fragte ich, eine Augenbraue fragend nach oben gezogen. Ich wusste ja, das er mit ihm öfter mal telefonierte, aber er gab mir ja keine Infos weiter, die für mich nicht relevant waren. Dennoch interessierte ich mich dafür, wie es meinem eigentlichen Mitarbeiter so erging. Seitdem er uns nach dem Treffen mit der Polizistin mehr oder weniger darüber informiert hatte, dass er in Italien bereits Mitglied einer Mafia war, machte ich mir dahingehend eigentlich keine... na ja... Sorgen. Viel eher Gedanken, weil ich einfach neugierig war und meine Klappe einfach nicht halten wollte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Also doch erst noch eine kleine Pause. War mir recht. Ich hatte ohnehin viel zu viel Zeit und es war mir lieber etwas mehr davon hier draußen an der frischen Luft, abseits der muffigen Bar zu verbringen. Also es war jetzt nicht so, als würde es da drin wortwörtlich stinken, aber es war eben nach einer Zeit immer stickig und es war kein Geheimnis, dass ich mich dort ohnehin nicht richtig wohl fühlte. Cosmas Wohnung war in Ordnung, da ging mir keiner auf den Sack - außer dem rothaarigen Teufel selbst, aber wir hatten uns momentan ganz gut im Griff - und ich musste mich nicht wie der letzte Penner für jeden Cent abrackern. Es war im Vergleich zu sonst so unnötig hart erarbeitet, dass ich echt lieber verzichten würde. Sabin bekam trotzdem regulär sein Gehalt überwiesen, der Deckung wegen. Der Italiener war aber nicht blöd, hatte nur unter dem Umstand eingewilligt, dass ich ihn mindestens so gut wie den Rest meiner Handlanger bezahlte. Es gefiel mir nicht, dass er jetzt wusste wie viel ich meinen Jungs zusteckte, aber anders wären wir auf keinen grünen Zweig gekommen. Hieß also er bekam zwar seinen Lohn ganz normal, aber ich zog das natürlich von dem ab, was er bei mir nebenbei verdiente. Und apropos Italiener - Cosma hatte diesbezüglich eine an sich simple Frage für mich auf Lager. Noch vor zwei Wochen hätte ich wahrscheinlich leicht gelacht und ihr keinerlei Infos gegeben. Zwar zählte ich sie noch immer nicht als eine Freundin oder dergleichen, aber sie gehörte zwangsweise zum Kreis der Verbündeten. Es würde mich doch sehr wundern, wenn sie Informationen in dieser Richtung an Irgendjemanden weitertragen würde, der nicht zu unserem gemeinsamen Kontaktkreis gehörte. Ich genoss erst einen ganz besonders tiefen, langen Zug vom Glimmstängel, atmete auch erst einige Sekunden später in aller Ruhe aus, bevor ich die Rothaarige erneut ansah und zum Reden ansetzte. "Ja... er ruft eigentlich jeden Tag an. Meistens nur, um mir die Lage zu schildern, hier und da vielleicht ein paar Fragen... aber an sich scheint er das ganz gut hinzukriegen, laut Michael jedenfalls. Ex-Mafiosos sind zu meinem Glück sehr gewissenhaft mit ihrer Arbeit.", redete ich vor mich her und fing gegen Ende doch leicht an zu grinsen, bevor ich erneut die Zigarette an die Lippen legte. Natürlich hatte Sabin auch Glück, dass ich meine Jungs ordentlich drillte und im Grunde zu zweibeinigen Kampfhunden abrichtete, die sich nach ihrem Herrchen richteten. Auch, wenn sie Sabin bis jetzt kaum kannten, spurten sie bei seinen Anweisungen problemlos. Schlicht weil sie wussten, dass sie die Strafe im gegenteiligen Fall erst von ihm und dann auch noch von mir kassieren würden. Der Italiener schien mir nach der Auseinandersetzung in der Smith and Wesson nicht mehr der Typ zu sein, der sich auf der Nase herumtanzen ließ. Von mir mal ganz zu schweigen. "Aber ich denk' trotzdem ständig drüber nach, ob wir die Sache nicht irgendwie frühzeitig beenden können... dass er gar nicht mehr in der Bar ist, ist wegen seiner lieben Mitbewohnerin extrem riskant.", fügte ich noch ein paar gemurmelte, nachdenklichere Worte hinzu. Zwar hatten wir einen kleinen Notfall-Plan für Sydney zusammengestellt, aber ich wollte den nicht unbedingt sofort umsetzen müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Jetzt wusste ich, wie Hunter und Tauren sich fühlen mussten, wenn ich mir mal wieder überdurchschnittlich viel Zeit dafür nahm, auf eine simple Frage zu antworten. Nicht das es mich jetzt unbedingt störte, zumindest nicht, was diese Frage anging, aber ich verstand nicht recht, was es da groß zu überlegen gab. Entweder die Geschäfte liefen oder Sabin hatte den Laden im Prinzip gegen die Wand gefahren. Gut, wäre Letzteres der Fall, würde Hunter wohl eher weniger mit einer Kippe im Mund irgendwo in Meppen Süd stehen, um mir Schießen beizubringen. Entsprechend konnte es schon mal gar nicht so schlecht laufen. Das bestätigte er mir wenig später dann auch endlich mit ein paar erklärenden Worten. Ich nickte als Zeichen des Verständnis ein wenig mit dem Kopf, ließ meinen Blick dann über die Lichtung wandern. Dann drangen aber ein paar weitere Worte in mein Ohr, die mich neugierig auflauschen ließen. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Aber jetzt, wo er es sagte, musste ich dem mit einem weniger zufriedenen Grummeln zustimmen. Ja, klar. Er hatte ja da noch die besagte Bullenschlampe bei sich daheim rumsitzen, die praktisch nur noch darauf wartete, ihn oder jemand anderen von uns irgendwie Hops nehmen zu können. Zwar machte sie mir von Grund auf keinen unsympathischen Eindruck, aber alleine die Tatsache, dass sie für Recht und Ordnung arbeitete, schloss sie grundsätzlich aus dem Kreis der Menschen aus, die eventuell eine Chance gehabt hätten, sich eine engere Freundschaft mir mir zu verdienen. Und ich war mir zu nahezu zweihundert Prozent sicher, dass sie Sabin nicht mehr Vertrauen schenkte, als es für den Personenschutz eines Ex-Mafiosi nötig war. "Ah, stimmt, da war ja was.", murmelte ich nachdenklich, suchte auch wieder den Blick des jungen Mannes. "Recht hast du da schon, aber ich gehe davon aus, dass der entsprechende Plan dazu fehlt?", formulierte ich eine indirekte Frage und zuckte ein klein wenig mit den Schultern. Wir hatten jetzt knapp eine Woche gebraucht, als wirklich letzten Ausweg diesen Rollentausch durch zu ziehen. Wie stellte er sich denn jetzt vor, dass es anders funktionieren könnte? Wenn er es wusste, hätte er es doch schon viel eher angesprochen. Ich konnte mir also nicht vorstellen, dass er da noch was im petto hatte. Aber ich ließ mich gerne überraschen, so war das nicht. Noch während ich eine Antwort auf meine Frage abwartete, fingerte ich wieder die Pistole aus dem Hosenbund, lud das nächste Magazin nach und versuchte mich neben dem Gespräch weiter an meinen Übungen. Es sollte ja nicht allzu schwer sein, sich auf zwei Sachen gleichzeitig zu konzentrieren. Konnte ich sonst ja auch super, da sollte das auch jetzt klappen. Außerdem dauerte es gar nicht so lange, bis die 13 Patronen verschossen waren.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Natürlich nicht. Hätte ich schon einen Plan, dann würde ich mir nicht mehr den Arsch hinter der Bar abstehen und mir die Ohren von besoffenen Idioten abkauen lassen. Aber ich wollte einen Plan. Es war nur so unsagbar schwer Etwas zu finden, das nicht zu viele unkalkulierbare Variablen und Hintertürchen hatte. Es wäre nicht allzu schwer den Clan auszuschalten, wenn sie keinen Grund dazu hätten absolut Alles, was irgendwie mit mir oder Cosma zu tun hatte, sofort zehnfach in Frage zu stellen und für eine Falle zu halten. Dann wäre die Geschichte längst erledigt. Andere mit einem geschickten Plan übers Ohr zu hauen und auszuschalten war eine meiner besten und erfolgreichsten Strategien, aber der Sverre-Clan war in dieser Situation ein beschissener Endgegner, der unbegrenzte Mittel hatte. Ich konnte auch nicht stumpf mit einer dreißig Mann Armee in die Bude spazieren und Alles Kleinhacken, waren doch eigentlich nie Alle am gleichen Ort. Wenn doch, dann in ihrer bescheuerten Villa irgendwo am Arsch der Stadt. Gut bewacht und hoch vermauert, versteht sich. "Hätte ich einen Plan würde ich kaum so Nichts tuend hier rumstehen.", erwiderte ich ironisch, schnippte die Asche ab und beobachtete Cosma nebenher bei ihren weiteren Schüssen. Mir fiel noch währenddessen auf, wie selten ich eine Frau mit Waffe in der Hand zu Gesicht bekam. Meine Domäne war ziemlich von Männern dominiert, was allerdings nicht verwunderlich war. Nur wenige Frauen hatten die Ausdauer, um lange am Leben zu bleiben. Wäre also besser, wenn ich Cosma weiterhin von voraussehbaren Messern fernhielt, wenn auch nach wie vor mehr aus Eigennutz. Sie hatte in meinen Augen eine zu große Tendenz zum Größenwahnsinn, als dass ich sie ab jetzt einfach so mit einer Pistole aus den Augen lassen konnte. "Wären es nicht so viele von den Wichsern, wär die Sache weniger schwer.", stellte ich irgendwo zwischen den Schüssen nachdenklich fest, als ich die Kippe fallen ließ und am feuchten Boden austrat. Waldbrandgefahr war um diese Jahreszeit in Norwegen eher nicht so - wenn es nicht schneite, dann regnete es halt alle paar Tage. Als Cosma dann letzten Endes mit dem zweiten Magazin fertig war, sah ich das aber als das Ende der Schießübungen an. Sie hatte auch so womöglich morgen schon Muskelkater. "Wenn du willst, kann ich dir zeitnah eine Waffe geben... leihen, sofern du sie nicht bezahlen willst.", machte ich der jungen Frau dann noch ein an sich simples Angebot. Sie konnte sie auch behalten, wenn sie mir das Geld dafür auf den Tisch legte. Daran scheitern würde es nicht, wusste ich doch recht genau wo sie mit ihren Finanzen stand, aber vielleicht wollte sie auch nicht länger als nötig eine Schusswaffe mit sich herumtragen und hatte entsprechend nach dem Abhaken dieser Misere kein Interesse mehr daran, sie zu behalten. "Aber nein, ich habe nicht zufällig etwas Rotes oder Pinkes auf Lager.", hängte ich noch eine sarkastische Bemerkung ran.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
War mir klar. Wie ich es mir bereits gedacht hatte, fehlte Hunter das entscheidende Etwas, um uns aus dem Visier des Sverre-Clans rauszuboxen. Ich lachte leise, kaum hörbar und mehr zu mir selbst, weil es einfach so schön ironisch war. Der Satz, mit dem er mir als Erstes antwortete hätte nämlich glatt von mir kommen können. Wenn ich bereits einen Plan gehabt hätte, würde ich wohl nicht hier stehen und mit einer Waffe Löcher in einen Baum schießen. Na ja... vielleicht auch doch, weil der Plan höchstwahrscheinlich mit einbezog, dass ein paar Leute draufgehen mussten. Und lediglich Handgranaten und Pyrotechnik zu werfen war auf Dauer vermutlich nicht ganz so effizient, wie es sich anfangs vielleicht anhören mochte. Ich feuerte gerade noch den letzten Schuss ab, der zum Abschluss des Trainings doch tatsächlich die Mitte des X's traf. Ich sicherte die Waffe wieder, auch wenn das Magazin leer war, verstaute sie erst mal wieder im Hosenbund, weil sie sich dort einfach am besten machte, ohne groß Aufsehen zu erregen oder mich in meinen Bewegungen einzuschränken. Was die Besitzverhältnisse der Pistole anging, unterbreitete mir Hunter kurz darauf zwei Optionen, von denen ich mir eine aussuchen durfte. Aufgrund sarkastischen Anmerkung, setzte ich mit schiefen Grinsen zu einer Antwort an. "Also wenn du jetzt pink oder rot gehabt hättest, hätte ich direkt zwei genommen. Aber so würde ich sie mir diese hier erst einmal nur ausleihen...", antwortete ich belustigt und deutete mit meinem rechten Zeigefinger auf den Bund der Hose, welcher eine leichte Beule aufwies. Meinte ich allerdings ernst. Wobei... vielleicht nicht ganz. Wir wollten es ja auch nicht übertreiben. Eine Waffe würde durchaus erst mal reichen, ich brauchte keine zwei, nur weil sie schön aussahen. Allerdings hinderte mich auch noch ein weiterer Punkt daran, das Geld für so ein Teil in die Hand zu nehmen. Ich hatte ja bereits zu Anfang erwähnt, dass ich nicht unbedingt der Typ Mensch für Handwaffen war, ich einfach keine brauchte und demnach auch kein sonderlich großes Interesse daran bestand, wirklich eine zu besitzen. Andernfalls hätte es mich wohl schon viel früher zu Richard gezogen, der die Teile ja auch in Massen verscherbelte. Vermutlich hätte ich sie dort zudem weitaus günstiger oder für Umme gekriegt. Wie auch immer. So lange uns kein Plan vorlag, wie wir mit der Großfamilie jetzt umgingen, würde ich mir das Teil zwangsläufig ausleihen und wenn das Ganze vorbei war, auch brav wieder zurück geben. Denn danach sollten sich ja wohl alle Begründungen, die im Augenblick für eine Waffe sprachen, in Luft aufgelöst haben und somit war sie in meinen Augen unnütz. Mochte zwar sein, dass ich nach einem verletzenden oder tödlichen Schuss in einen Blutrausch verfiel, aber provozieren würde ich das ganz sicher nicht. Da unterschieden Hunter und ich uns wohl doch ein bisschen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #