Die Tage der letzten Woche waren ruhig gewesen. So ruhig, wie sie mit einer Cosma an der Seite eben sein konnten. Immerhin stritten wir uns nicht wirklich richtig, diskutierten lediglich das eine oder andere Mal genervt miteinander, weil - wie immer - keiner von beiden so recht einlenken wollte. Wir schienen Stück für Stück wieder etwas weniger an Sabins Worte zurück zu denken. Sie verblassten gefühlt von Tag zu Tag mehr und wir fielen etwas in alte Gewohnheiten zurück. Dementsprechend angespannt waren meine Nerven auch, als ich jetzt wieder hier hinter der Theke der Bar stand und erst einmal an nichts Böses dachte. Das Kokain, das Cosma mir vor einiger Zeit unter dummen Umständen zugesteckt hatte, hatte ich noch immer. Ursprünglich hatte ich es den Jungs widmen wollen. Ich hatte es jedoch beim Ausziehen der Hose in einer der Hosentaschen vergessen und nicht mehr daran gedacht, danach hatte ich auch schon die Sverres am Arsch kleben gehabt. Nur der Nötigste Scheiß wurde zusammen gepackt, damit ich Wechselklamotten hatte und auch jene Hose war darunter gewesen. Zu dem Zeitpunkt noch nicht gewaschen, was mir in die Karten spielte, weil der Schnee sonst vielleicht draufgegangen wäre, hätte sich das Tütchen unter dem Druck geöffnet. Aber wie dem auch sei - jedenfalls war das Koks noch da und deshalb hatte ich mir vorgenommen später nach der Arbeit eine Nase zu ziehen. Ich war gestresst, dauergenervt und brauchte zumindest für ein paar Stunden Ruhe von meinen eigenen Gedanken, die wieder viel zu penetrant unangenehm wurden. Ich war sowieso häufig depressiv, da juckten mich die anschließenden Nebenwirkungen nur noch wenig bis gar nicht. Das ich innerhalb der nächsten Minuten noch einen viel triftigeren Grund als Cosma oder mich selbst zum Schnupfen haben würde, konnte kein Mensch ahnen. Sydney kam vollkommen unerwartet in die Smith and Wesson gestolpert, zog allein damit schon automatisch meinen Blick auf sich. Noch bevor sie bei mir angekommen war wanderte die rechte Augenbraue nach oben und beäugte sie skeptisch. Ihr Blick gefiel mir gar nicht. Noch weniger allerdings sympathisierte ich mit ihren folgenden Worten, welche die Brünette wirr in den Raum warf. Dicht gefolgt von der stark ausgeprägten Alkoholfahne, die selbst über den Tresen hinweg nicht an mir vorbeigehen konnte. Was zum Teufel schob Sydney denn jetzt für einen Film? War nicht ihr einziger Job sich Sabin anzunehmen? Die Vermutung, dass sie entweder Akten nach mir durchsucht hatte - weil ich nunmal schlicht aussah wie ein volltätowierter Krimineller oder weiß Gott was - oder eine nette neue Mail auf ihrem dämlichen Laptop erschienen war, lagen nahe. Wir hätten das Scheißding einfach behalten und Sydney anketten sollen. Es war unvermeidbar, dass sich etliche Barbesucher in unserer Nähe in unsere Richtung drehten und uns schockiert, teilweise vielleicht auch etwas ängstlich musterten. Ich legte das kleine Handtuch zum Abtrocknen und auch das Glas bei Seite, bevor ich um die Theke herum zu der aufgebrachten jungen Frau ging, die hier aller Welt verkündete, dass ich ein Mörder war. Ohne Vorwarnung packte ich die Schnapsdrossel etwas unsanft am Unterarm und zerrte sie wortlos in den schmalen Flur in den hinteren Räumlichkeiten. Sobald die Tür hinter uns zu gefallen war ließ ich sie los und sah sie meiner aktuell sehr miesen Stimmung entsprechend finster an. "Was zur Hölle ist los mit dir, Sydney? Kommst vollkommen besoffen in eine Bar und schreist wirres Zeug. Warum bist du so besoffen? Du stinkst wie eine ganze Brennerei.", versuchte ich die junge Polizistin mit entsprechend energischer Handbewegung erst einmal mit Gegenfragen abzulenken. Unter Alkoholeinfluss war die Aufmerksamkeitsspanne der meisten Menschen relativ kurz gesteckt, vielleicht spielte mir das in die Karten. Ich hatte nämlich logischerweise sehr wenig Lust darauf, mich jetzt ernsthaft mit ihr über mein Strafregister oder gar darüber hinaus zu unterhalten... oder mich gar verhaften zu lassen, was ihr in diesem Zustand jedoch ohnehin absolut nicht gelingen würde.
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Wären meine Reflexe nicht so dermaßen stark eingeschränkt, wäre ich im Normalfall schon einen Schritt zurück gesprungen, als Hunter gerade dabei war, die Bedientheke zum umrunden. So allerdings hatte ich die Info erst verarbeitet, als es schon längst zu spät war. Der junge Mann hatte mich mit einem kalten, keinen Widerstand duldenden, Griff am Arm gepackt und mich prompt ein paar Meter neben der Bar durch eine Tür gezogen. Ich stolperte ihm buchstäblich hinterher und hätte ich meinen Arm nicht rechtzeitig ausgestreckt, um mich vom Türrahmen abzudrücken, wäre ich wohl mit dem Gesicht voraus gegen die Wand geknallt, anstatt mich kurz darauf in den hinteren Räumlichkeiten wiederzufinden. Gut, nicht, dass ich das unbedingt gemerkt hätte, aber spätestens sobald die betäubende Wirkung des Alkohols nachließ, würde mich der Schmerz einer gebrochenen Nase in ihrem vollem Umfang und ohne Gnade einholen. Gemeinsam mit einem dröhnenden Schädel und Magenschmerzen. Eines meiner größten Problem mit Wein war nämlich, dass mein Körper so unglaublich sensibel auf die Säure reagierte und es abzusehen war, dass ich morgen und vermutlich auch den Tag darauf nicht mehr zu gebrauchen war. In diesem Augenblick war ich ich aber auf dem absoluten Höhepunkt meiner Gefühle. Keiner konnte sich mehr mit mir messen. Na ja... zumindest dachte ich das. Entsprechend meiner Promille hatte ich ein gesteigertes Selbstbewusstsein, als ich Hunter gegenüber in einem etwas ruhigeren Flur zum Stehen kam. Dort versuchte er mich mit ein paar Gegenfragen und seinen hektischen Handbewegungen abzulenken, aber ich hatte mein Ziel fokussiert. Für etwa eine halbe Minute. "Es geht hier gerade nicht um mich!", keifte ich, die Worte noch immer nicht wirklich klar, aber das würde sich bis zum nächsten Morgen auch nicht mehr ändern. "Das hätte ich dir nie zugetraut!", kam ich auf das Thema zurück, wegen dem ich eigentlich gekommen war, aber in meinem Kopf überschlugen sich die Worte immer mehr und mehr. Zwischenzeitlich musste ich mich immer mal wieder gegen die Wand in meinem Rücken lehnen, weil das Gleichgewicht nicht mehr wirklich mitspielen wollte. Ich schwankte ziemlich stark und vermutlich würde der Rückweg nach Hause sicherlich abenteuerlich werden. Ins Auto brauchte ich so definitiv nicht mehr steigen, das war bereits angekommen, aber für's Erste war das ja auch noch gar nicht wirklich das Thema. Nur wie bereits erwähnt, fing sich so langsam alles, was sich derzeit in meinem Kopf befand, an, sich zu überschlagen und ich kam um ein kurzzeitiges Schließen meiner Augen nicht drum herum. Andernfalls hätte ich vermutlich nicht die Konzentration aufbringen können, die Galle, die mir langsam die Speiseröhre hinauf stieg, wieder herunter zu schlucken, damit ich mich nicht übergeben musste. War aber schon ziemlich knapp, ich hielt mir einen Augenblick die Hand vor den Mund. Im Grunde genommen war das, was ich gerade Hunter gegenüber angesprochen hatte, auch schon alles gewesen. Plötzlich war etwas anderes dann doch wieder viel interessanter. Und zwar die Frage, was mit mir los ist. Gute Frage eigentlich. Augenscheinlich war ich rotzevoll und hatte zumindest für diesen Abend die komplette Kontrolle über mein Leben verloren. "Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich bin frisch getrennt und genieße mein Singleleben.", erklärte ich und auch wenn mir daheim nicht wirklich nach guter Laune zumute gewesen war, hatte ich jetzt ein breites Grinsen auf den Lippen. War ja nicht alles schlecht, musste man dazu sagen. Hatte auch seine Vorteile, jetzt nicht mehr in festen Händen zu sein. Zumindest wollte mein betrunkenes Gehirn mir das gerade einreden. Morgen wäre meine Meinung wieder eine andere gewesen, aber im Moment...
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Wie viel sie wohl getrunken hatte? Ich glaubte kaum, dass Sydney als Polizistin häufig oder gar richtig regelmäßig trank. War schon damals nicht so ihr Ding gewesen, das ganze Party-Ding. Zwar war sie nicht generell spießig, aber doch eher etwas außen vor gewesen bei solchen Dingen. Womöglich hatte sich das aber auch während der letzten Jahre geändert, konnte ich schlicht nicht wissen. Auf jeden Fall hatte sie eindeutig zu viel von welcher Sorte Alkohol auch immer gehabt. Blieb allerdings weiterhin zu hoffen, dass die Menge auch ausreichend war um all ihre Erinnerungen an das Hier und Jetzt bis morgen früh wieder auszulöschen. Der lallende Schluckspecht vor mir redete genauso wirr wie vorher weiter und hielt zumindest kurz noch an meinen angeblichen Taten fest, was mich seufzen ließ. Hatte sie also nicht von mir gedacht, ja? Schön für sie. Damit konnte sie sich zu all den anderen Idioten aus meiner Zeit in den Staaten gesellen, die mich ganz sicher noch immer unterschätzten. Das war keine Sache, die mich kümmerte, war mir die Meinung anderer Menschen doch bekanntlich ziemlich egal. "Ich hab' immer noch keinen Schimmer, wovon du eigentlich redest.", seufzte ich und stellte mich gänzlich unwissend, rieb mir dann kurz über das Gesicht. Das hatte schon damals in der Schule funktioniert, ich war ein guter Lügner. Jetzt noch so viel mehr als damals, verzog ich doch keine Miene mehr dabei. Sehr zu meinem Glück schien die junge Frau jedoch schon bald auf das von mir angestrebte Thema umzuschwenken. Sagte ich ja, kurze Aufmerksamkeitsspanne. Kannte ich ja von mir selbst, wenn ich mich mal wieder im Vollrausch befand, der bei der Brünetten hier definitiv auch gegeben war. Auf jeden Fall offenbarte sie mir mit wenigen Worten, dass sie wohl am heutigen Tag verlassen worden war. Das war der einzige Punkt, an dem ich ein Grinsen meinerseits erstmals unterbinden musste. Ich müsste schon lügen um zu sagen, dass ich gerade Mitgefühl empfand. Viel mehr sah ich darin eine Chance, welche die junge Frau wesentlich verletzlicher machte. Sicher auch für ein paar Tage reichlich unaufmerksam, was Sabin nur in die Karten spielen konnte. Konnte er schließlich dringend brauchen. Wir Alle im Grunde genommen. Nach außen hin ließ ich die Freude über diese Nachricht aber keinesfalls durchscheinen, formte stattdessen einen mitfühlenden Gesichtsausdruck und hob meine Hand an ihre äußere Schulter. "Das tut mir echt leid, Syd... kann ich dir was Gutes tun? Wasser?", mimte ich also ganz meinem schauspielerischen Talent folgend den ehemaligen Schulkameraden, für den sie mich bis vor ihrem Rausch noch gehalten hatte. Für den sie mich hoffentlich auch morgen wieder halten würde, weil ich sonst zu gewissen Maßnahmen gezwungen war und vielleicht ein weiterer Cop mehr oder weniger von der Bildfläche verschwinden müssen würde.
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Irgendwie war das hier gerade eine ganz schwierige Situation. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich weder meine Gedanken noch meinen Körper unter Kontrolle hatte, lief das hier alles gerade in eine vollkommen falsche Richtung. Ich war hier gewesen, um meinen damaligen Schulkameraden festzusetzen, nicht um ihm mein Leid zu klagen. Zwar standen wir uns zu Schulzeiten relativ nahe, aber die Beziehung war schon längst nicht mehr so vertraut gewesen. Wenn ich es darauf abgezielt hätte, über meine Sorgen und meinen Kummer zu reden, dann war er sicher nicht meine erste Anlaufstelle. Sorry not sorry. Daheim hatte den Artikel flüchtig gelesen. Was genau da jetzt drinnen gestanden hatte, bekam ich zwar nicht mehr zusammen, aber um in den Polizeimeldungen aufzutauchen musste es schon ein Delikt sein, für das man durchaus eingebuchtet werden konnte. Und genau das war mein eigentliches Ziel gewesen. Dass er hier jetzt versuchte, mich indirekt von meinem Vorhaben abzubringen, indem er den Unschuldigen mimte, passte mir überhaupt nicht. Ich wusste, dass er etwas mit dieser Sache zutun hatte, nur was genau galt es herauszufinden, aber die begrenzte Aufnahmefähigkeit, wenn ich etwas getrunken hatte, machte es mir unglaublich schwer, zielorientiert zu arbeiten. Meine Fähigkeit, Leute gezielt zu verhören und auszuquetschen, war in diesem Zustand na ja... quasi nicht vorhanden. Faktisch würde ich hier sowieso niemanden mehr verhaften. Und die Erinnerung wäre morgen sicher auch verblasst. Er hatte also eigentlich gar nichts zu befürchten. Nur konnte er zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, dass mich die Kopfschmerzen morgen früh jedes einzelne Wort dieser Konversation vergessen lassen würde, andererseits hätte er sicher schon ein paar erklärende Worte abgegeben, um meine Neugier zu stillen. Mit einem "Ich brauche nichts!" und einem "Ich will wissen, was passiert ist!" machte ich ihm klar, dass er mir die Er weiß von Nichts - Geschichte nicht verkaufen konnte. Ich war vielleicht hackedicht, etwas verwirrt und orientierungslos, aber nicht blöd... Nachdruck verlieh ich meinen Worten damit, dass ich schnippisch seine Hand von meiner Schulter schlug und dabei so sehr ins Straucheln geriet, dass ich letzten Endes doch noch das Gleichgewicht verlor. Ich rutschte an der, wie mir auffiel etwas demolierten, Hauswand nach unten, wo ich mich noch gerade so mit den Armen auffangen konnte. Das Gesicht in Richtung des Bodens, vernahm ich, wie das einst helle Grau sich unter meinen Tränen etwas dunkler verfärbte. Hunter hatte mit seinen nächsten Worten dafür gesorgt, dass meinem Fall auch die provisorisch errichteten Dämme einrissen und ich Sturzbäche heulte. De Faco ging es mir natürlich nicht gut und ein Glas Wasser wäre sicher nicht verkehrt gewesen, aber das war gerade einfach nicht die Mission. Ich wollte doch nur nachvollziehen, was in der Nacht zwischen Oslos Gassen passiert war. Immerhin war ich auch nur ein Mensch, wollte Dinge nachvollziehen können, auch wenn ich sie nicht gut hieß. Einen Mord zu rechtfertigen war eine Sache, ihn zu entschuldigen aber ein ganz andere. "Ich bin weg, sobald ich Informationen habe, Hunter. Warum kannst du mir nicht mehr so vertrauen, wie damals?", lallte ich unter Tränen, schaffte es nicht, meinen Kopf anzuheben, um ihn direkt anzusehen. Stattdessen sprach ich gen Boden. Dabei lag die Antwort auf meine Frage nahe. Ich hatte sie mir ja schon selbst beantwortet. Wir hatten einfach viel zu lange keinen Kontakt mehr gehabt, wieso sollte er es also erzählen, dass er jemanden abgemurkst hatte? Machte wenig, bis gar keinen Sinn...
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Herrgott, es war nun wirklich nicht meine Schuld, dass die junge Frau hier heute eine Trennung hatte erleben müssen. Auch nicht, dass sie sich die Kante gegeben hatte und dermaßen unzurechnungsfähig war, dass sie meine Hand auch noch wegschlug. Allein das war Auslöser genug dafür, dass wieder die leise Wut meinen Rachen nach oben gekrochen kam. Für wen musste sie sich halten, dass sie dermaßen respektlos mit gegenüber war? Natürlich könnte man das nach wie vor dem Alkohol zuschreiben. Oder der Tatsache, dass sie eben glaubte, dass ich mit jener Hand womöglich Jemanden ermordet hatte... was ja auch stimmte. Nur brauchte sie das nicht zu wissen und Antwort würde sie von mir darauf auch ganz sicher keine bekommen. Mir war das Risiko, dass sie sich doch noch an das Gespräch oder zumindest einen Teil davon morgen erinnern konnte, viel zu hoch. Allerdings bekam die junge Frau ihre Retourkutsche sowieso postwendend ganz ohne Einwirkung meinerseits, weil sie durch die hastige Bewegung endgültig in Richtung Boden abrutschte. Ihre Worte ließen mich doch hörbar genervt seufzen. Ja, ganz komisch, warum vertraute ich ihr bloß nicht mehr? Wir waren doch ach so tolle Freunde in der Schulzeit gewesen. Könnte daran liegen, dass ich schon vor den Abschlussprüfungen ins Nichts verschwunden und die Schule abgebrochen hatte, beziehungsweise einfach nicht mehr aufgetaucht war. Spätestens da hätte ihr eigentlich klar sein müssen, dass mit meiner Psyche und auch meinem ganzen Umfeld zum jenen Zeitpunkt etwas gewaltig nicht stimmte. Ich hatte ganz einfach angefangen mich in jenem schlechten Kreis zurechtzufinden, weil Alles besser als Zuhause gewesen war. Sie war doch ein ach so schlauer Cop, sollte sie sich die ganzen Einzelheiten aus den eigenen Fingern ziehen. Sie würde sicher die Vermisstenanzeige meiner Eltern für mich ausgraben können. "Ich bin nicht mehr so naiv wie damals... und ich kenn' dich schon lange nicht mehr, Sydney. Wieso sollte ich dir also weiß Gott was für Geschichten über mich erzählen? Dass du Bulle bist mindert deine Chancen auf irgendwelche Details gegen Null.", redete ich bemüht ruhig vor mich hin, rieb mir anstrengt übers Gesicht. Warum musste sie heulen? Weinende Frauen waren so furchtbar nervig. "Lass' mich dir wenigstens hoch helfen...", bot ich ihr meine Hilfe beim wieder Aufstehen an, weil sie nach wie vor auf dem Boden herum kniete, schluckte meinen Ärger über ihr Verhalten gezielt runter. Dabei streckte ich auch meine Hand in ihre Richtung aus, machte aber keinerlei Anstalten sie ein weiteres Mal zu berühren. Wollte die Brünette ja sowieso nicht.
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Okay, er blieb also bei seiner Entscheidung, mir nichts über den Vorfall erzählen zu wollen. Was konnte und sollte ich darauf jetzt noch erwidern? Mal ganz abgesehen davon, dass ich mittlerweile auch wieder genug mit meinen eigenen Problem zutun hatte, seitdem die Schleusen offen standen, waren weitere Versuche, ihn in seiner Meinung umzustimmen, vermutlich zwecklos. Ich starrte also noch eine ganze Weile auf den Boden, resigniert aufgrund des ausbleibenden Erfolgs meines Vorhabens. Erst als Hunter erneut das Wort an mich richtete, um mir seine Hilfe anzubieten, konnte ich mich von meinen Gedanken losreißen und in eine sitzende Position zu begeben. Meinen Rücken gegen die Wand lehnend, fiel es mir deutlich leichter, den Kopf in den Nacken zu legen. So sah ich ihn also von unten aus verheulten Augen an, wägte kurz die Pro und Contras ab, wenn ich jetzt seine Hand nehmen würde. Aber wenn wir ehrlich waren, konnte man auf diese Überlegungen rein gar nichts geben. Ich war absolut nicht klar im Kopf, hätte unter normalen Umständen gar nicht überlegen müssen, ob ich seine Hand wirklich annehmen wollte. Da war das von Anfang an ein ganz klares Nein gewesen. Mit Mördern wollte ich schlichtweg nichts zutun haben. Punkt aus. Aber im Moment konnte ich wirklich jede Hilfe gebrauchen und so kam es, wie es kommen musste. Mit einem leisen Schluchzen griff ich nach seiner Hand, um mich zurück auf die Beine ziehen zu lassen, wobei ich stets darauf achtete, mich auch mit meinem Rücken an der Wand nach oben zu drücken. Es fiel mir unglaublich schwer, in der Gerade angekommen, stehen zu bleiben. Immer wieder rutschte ich ein Stück zur Seite und drohte, erneut Bekanntschaft mit dem Boden zu schließen. Ich reagierte ausnahmsweise aber doch relativ zeitig darauf, indem ich mich einfach an Hunters Arm klammerte und damit weitaus mehr als nur seine Hand annahm. "Denkst du, es ist leicht, ein Bulle zu sein? Du bist der Schuhabtreter für Jedermann...", stellte ich nach einem Moment der Stille fest, wirkte dabei schon fast so etwas wie verbittert. Ganz im Gegenteil. Bis jetzt hatte ich mit dem Beruf als FBI Agentin nur Ärger gehabt oder Probleme bekommen, Abstriche machen müssen... Dabei hatte ich es mir wirklich anders vorgestellt. Ich war blind in der Annahme gewesen, dieser Beruf wäre ehrenhaft, jeder würde einem danken, wenn man die Gesellschaft vor Abschaum wie Hunter bewahrte, aber man bekam effektiv gar nichts für das, was man tagtäglich leistete. Man riskierte alle Nase lang sein Leben für wildfremde Menschen und bekam noch nicht einmal ein Dankeschön dafür. Von Anerkennung ganz zu schweigen. "Manchmal wünschte ich mir, mich niemals für diese Arbeit entschieden zu haben.", hängte ich ein paar lallende Worte hinten dran, als ich mich mit dem Oberkörper gegen den jungen Mann stützte. Mir liefen noch immer die Tränen, allerdings hatte ich aufgehört zu schluchzen. Da hing ich also. Dem Nervenzusammenbruch nahe in den Armen meines damaligen Klassenkameraden und heulte mir ja doch die Probleme von der Seele. Ich war erbärmlich. Anders konnte man das Ganze hier gerade nicht schöner ausdrücken. "Es tut mir Leid... es tut mir alles so schrecklich Leid. Ich fahr' nach Hause.", fing ich schließlich an, in der Art eines Kleinkindes zu quengeln, weil die Situation zunehmend unangenehmer wurde. Dabei suchte mein verheulter Blick noch einmal den von Hunter. "Bringst du mich zu meinem Auto... bitte?" Na ja. Ob das eine so gute Idee war? Auch dieses Mal blinkte eine imaginäre, schrill leuchtende Warntafel mit dem Wörtchen Nein auf. Aber für ein Taxi hatte ich kein Geld, Hunter wollte ich nicht fragen und zu Fuß wäre ich sicher noch morgen unterwegs. Dann würde ich eben langsam fahren, die eher unbekannten und somit weniger befahrenen Straßen nehmen.. Klappen würde das sicher irgendwie.
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Wieder schien Sydney erst einige Augenblicke lang mit sich selbst zu ringen, oder aber ihr Gehirn war durch das Nervengift einfach nur derart langsam und brauchte dementsprechend einige Sekunden, um mir eine Antwort zu formen. Aber letztendlich ergriff sie doch meine Hand und ich half ihr auf die Füße, was mit meinen durchtrainierter Armen absolut kein Hindernis darstellte. Sydney war ohnehin recht schlank, da sollte ihr hoch zu helfen eigentlich für keinen gesunden Mann ein Problem sein. Statt aber wieder allein an die Wand gelehnt mit ihrem Gleichgewicht zu ringen hängte die Brünette sich schon bald an meinen Arm und lehnte sich mit ihrem vollen Gewicht gegen mich. Das ließ meine Augenbraue wieder für einen Moment lang nach oben wandern, ehe sie erneut zum Reden ansetzte. Nein, Polizist oder gar FBI Agentin zu sein war sicher nicht einfach. Daran hegte ich gar keine Zweifel, machte ich den Idioten doch selber nur allzu gerne das Leben schwer, wenn sie mir über den Weg liefen. Kam zwar nicht mehr oft vor, weil ich in- und auswendig wusste wo die Cops hier in der Stadt regelmäßig Streife fuhren, aber wenn doch, dann machte ich mir einen Spaß daraus. Wenn sie mich anhielten eben. War mit einem derart auffälligen Wagen nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls hatte aber sicher Niemand Sydney aufgezwungen diesen Weg einzuschlagen, geschweige denn ihn beizubehalten. Das war allein ihre Entscheidung und wenn sie damit nicht mehr klar kommen sollte, sollte sie eben einfach aufhören und gut war. "Es sagt ja aber keiner, dass du damit weitermachen musst, wenn's dir nicht gut tut...", sagte ich dazu also lediglich und zuckte kaum merklich mit den breiten Schultern, was angesichts des Gewichts an meinem Arm einfach nicht wirklich gut auszuführen war. Danach sollte auch schon eine Entschuldigung folgen und der Drang nach Hause zu gehen. Kam mir gelegen, hatte ich doch nicht wirklich Interesse an diesem unsinnigen Gespräch. Allerdings sah ich Sydney doch ziemlich fragend an, als sie erwähnte selber nach Hause fahren zu wollen. Sie war echt hierher gefahren? Viel konnte ihr dann ja zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr an ihrem Leben liegen. Sie musste eine gute Portion Glück gehabt haben, um heil hier anzukommen. "Bist du verrückt? Ich ruf' dir ein Taxi... du fährst so nirgends hin.", stellte ich fest, ehe ich auch schon mein Handy aus der Hosentasche zog. Ich mochte nicht mehr mit Sydney auf einer Wellenlänge sein so wie damals, daran bestand kein Zweifel, aber dass sie an einem Baum oder einer Hauswand landete... nein, wollte ich tatsächlich auch nicht unbedingt. Außerdem würde sie dann ganz sicher durch einen weniger gutgläubigen Agenten ersetzt werden, was weder Sabin, noch mir in die Karten spielte. War also besser für alle Beteiligten, wenn die gute Frau sich eine moderne Kutsche statt ihrem Auto nach Hause nahm.
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Hunter war jetzt schon eine ganze Weile verschwunden gewesen, hatte mich vorne hinter der Bar alleine gelassen. Und so langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen. Natürlich nicht um sein Wohlergehen - wo kämen wir da hin -, sondern viel mehr darum, dass er gerade mit vorgehaltener Waffe von der Polizistin ausgequetscht wurde, die er etwas kurzfristig inmitten von etlichen Bestellung in den hinteren Bereich des Hauses transferiert hatte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass die Dame überhaupt noch in der Lage dazu gewesen war, eine Knarre halten zu können, aber anders konnte ich mir die lange Abwesenheit nicht erklären. War für mich insoweit beunruhigend als das ich, nachdem das Dringendste an Getränken über den Tresen gegangen war, dann doch mal nachschauen gehen wollte. Ich hatte erst einmal einen Blick durch die Luke geworfen und damit die Information bekommen, dass es der Polizistin Alles in Allem gerade wohl ziemlich scheiße zu gehen schien. In Anbetracht dessen, dass sie Hunter gegenüber ziemlich aufmüpfig wirkte was Gestik und Mimik anging, ahnte ich schon nichts Gutes. Vor allem, als sie allen Ernstes die Hand des Amerikaner von ihrer Schulter schlug. Am liebsten wäre ich in Deckung gegangen, um gar nicht erst Zeuge von dem Unfall zu werden, als den wir den Vorfall hätten tarnen müssen, aber überraschenderweise blieb die Situation entspannt. Ein Lachen, weil der darauffolgende Abgang der jungen Frau aus meiner Position zu herrlich anzusehen gewesen war, musste ich mir derart verkneifen, das ich mich etwas krümmte und die Hand vor den Mund hielt, als würde das Irgendwas an etwaigen Geräuschen zurückhalten können. Nun, jedenfalls wurde mir das stille Beobachten schnell zu langweilig und ich schob mich in einer günstigen Minute, als Hunter der jungen Frau wieder auf die Beine verhalf, in den Flur hinein, blieb aber vorerst im Schatten der hinteren Ecke nahe der Tür stehen, durch die ich geschlüpft war. Und dann wartete ich und lauschte. Es brauchte eine schiere Ewigkeit, bis Sydney sich wieder so weit gefangen hatte, als das sie für sich entschied, langsam aufzubrechen. Sich daheim mit einer Flasche Wasser und im besten Fall einem Eimer neben dem Bett in ihre Decken zu kuscheln. Ihre Aussage, dass sie gerne zu ihrem Auto wollte, um Heim zu fahren, quittierte ich im exakt gleichen Moment wie Hunter mit einer hochgezogenen Augenbraue. Noch im selben Atemzug hatte ich Richard eine Nachricht geschrieben. Er sollte, wenn möglich, die Arbeit im Labor für einen Moment ruhen lassen und stattdessen unsere Schnapsdrossel sicher durch die Gässchen Oslos geleiten. Gerade, als ich das Okay bekam, machte Sydney einen ersten wackligen Schritt in Richtung Tür und lief mir damit gezwungenermaßen direkt in die Arme. "Ich habe aber kein Geld dabei.", versuchte sie sich gegenüber Hunter dafür zu rechtfertigen, warum ein Taxi für sie aktuell keine Option darstellte. Als sie mich dann neben der Tür stehen sah, erlitt die Gute fast einen Herztod, so sehr hatte ich sie erschrocken. "Ein Taxi ist unterwegs und bereits bezahlt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", äußerte ich in einem relativ ruhigen Ton und mit einem der berühmt berüchtigten Fake-Lächeln auf den Lippen. Ich kam ihr ein paar Schritte entgegen und unterstützte sie dann von der anderen Seite, ihr Gleichgewicht zu halten. Gemeinsam begleiteten wir sie dann durch die tobende Menge nach draußen, wo mir persönlich der Wind ja etwas zu kalt wurde. Hoffentlich brauchte Richie nicht mehr allzu lange. Es waren zwischen der Nachricht und dem Heraustransportieren der Polizistin sicher fünfzehn Minuten vergangen, es konnte also nicht mehr lange dauern... Und just in dem Moment, in dem ich einen Blick auf die Uhr werfen wollte, rollte der mir bekannte Wagen vor, hinterm Steuer der sichtlich genervte Kunsthändler und Drogenbaron. Hätte ich noch Zeit und Interesse daran gehabt, zu erfahren, warum er so negativ drauf war, wäre ich sicherlich noch einen Moment lang neben dem Wagen stehen geblieben und hätte mich mit ihm ausgetauscht. Da mir aber verdammt kalt war und absolut niemand gerade ein Auge auf den Leute im Inneren der Bar hatte, platzierte ich die sichtlich mitgenommene Polizistin wortlos auf dem Beifahrersitz, warf Richie nur einen entschuldigen Blick zu. Er wusste, dass es ich es wieder gut machen würde. Irgendwann halt. Es dauerte dann aber Gott sei Dank keine weiteren fünf Minuten mehr, bis wir die nervige Schlampe endlich losgeworden waren und meine Augenbrauen augenblicklich in sich zusammen fielen. Mir stand es ja Oberkante Unterlippe und ich war echt kurz vorm Explodieren gewesen. "Was war das denn jetzt gerade?", ging ich Hunter etwas forsch an, als die Hecklichter der Limousine langsam in der Ferne verblassten. Zwar traf ihn sicher keine direkte Schuld, dass sich die Situation hier gerade so hochgeschaukelt hatte, aber ich konnte mich in dem Moment wirklich nicht zügeln, was die schlechte Laune anging. Tja. Und da er der Einzige war, der sich jetzt in unmittelbarer Nähe befand, bekam er es natürlich in voller Härte ab. Sorry, Sabin...
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Gelinde gesagt war ich doch recht froh darüber, dass Cosma augenscheinlich gelauscht hatte und auch eine Lösung für das Taxi-Problem parat hatte. War für mich kein Problem, immerhin hatte ich mir im Gegensatz zu Sydney bei diesem Gespräch keine Blöße gegeben. Informationen waren auch keine durchgesickert, also alles bestens. Solange sie so eine Scheiße nicht tat, wenn ich mich mit einem meiner Handlanger unterhielt, war das geduldet. Vorerst. Vielleicht auch nur, weil ich wusste, wie sehr mir das Alles hier später egal sein würde, wenn ich mich in dem Schnee verlor, der jetzt noch so viel dringender notwendig war als zuvor. Also wurde die betrunkene junge Frau gemeinsam nach draußen geschleppt und Sydney war wohl ein wenig skeptisch, als sie Richard erblickte. Immerhin teilte sie mit ihm bisher eher keine guten Erinnerungen, aber der Alkohol ließ sie vermutlich auch das innerhalb der nächsten Minute vergessen, weshalb mir das ebenfalls am Allerwertesten vorbeigehen konnte. Hauptsache der Typ brachte sie zeitnah hier weg, was auch bald geschehen war. Was ich allerdings weniger tolerieren wollte war der ach so liebenswürdige Tonfall, den die Rothaarige neben mir jetzt schon wieder anschlug. War jetzt nicht ihr Ernst, oder? Meine Laune war sowieso schon im Keller, da sollte sie mich nicht auch noch mit ihrem niemals endenden Gezicke reizen. Meine bis gerade eben noch recht gut gesessene Maske verlor sich also sofort in Nirgendwo, sackten doch sowohl die Augenbrauen, als auch die Mundwinkel merklich nach unten ab, während ich den Kopf in Cosmas Richtung drehte. "Geh' du mir jetzt nicht auch noch auf den Sack, alter. Sonst kannst du die Bar den Rest der Nacht allein schmeißen, klar?", knurrte ich also erstmal mit leicht verengten Augen zurück. Ich konnte Nichts für die beschissene Situation von gerade eben, sie sollte sich ihren Tonfall also entweder sonst wohin stecken oder war mich für den Rest des Abends los. "Sydney hat scheinbar in ihrem Rausch weiß Gott was zugeflüstert bekommen. Mich angeschrien von wegen ich sei ja ein Mörder, dies und das... ich hoffe für sie, dass sie den Scheiß morgen vergessen hat. Beziehungsweise hoffe ich das für uns Alle, sonst müssen wir sie eindeutig früher festsetzen als geplant.", grummelte ich weiter vor mich hin und griff in meine Hosentasche, um die wohl letzte Kippe aus der Schachtel zu nehmen und mir gleich darauf anzuzünden. Zwar glaubte ich nicht, dass mir das Nikotin die Laune wirklich retten konnte, aber es war immerhin ein Anfang.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Meine Haltung war deutlich angespannt, als Hunter mir auf meine eher weniger freundliche Frage auch zeitnah eine passende Antwort geben sollte. Aha. Und er dachte, dass seine kleine Drohung mich jetzt verschrecken sollte, oder wie? Das ich kuschte und ihm nicht auch noch auf den Sack ging, alter? Damit hatte er ja wirklich das letzte Fünkchen von Sabins ermahnenden Worten in mir ausgelöscht. "Klar, alter. Wie wär's, wenn du dich dann einfach verpisst? Du arbeitest schließlich hier für deine Tarnung und nicht die der Bar, alter.", fauchte ich zurück und setzte mich zeitgleich in Bewegung, um die Eingangstür anzusteuern. Das zweite und das letzte Wort spuckte ich ihm dabei förmlich ins Gesicht, denn er wusste genau, wie sehr ich dieses dumme, absolut nichtssagende Wörtchen hasste, wenn er es mir gegenüber verwendete. Ich war weder sein Freund, noch sein Vertrauter oder eben sein Alter, alter... und alt im Sinne von Lebensalter alt war ich auch nicht. Aber gut, zurück zur weiteren Konversation. Die Worte, die seiner gereizten Antwort folgen sollten, waren für mich dann doch wieder etwas informativer. Zwar beruhigten sie mich nicht unbedingt, aber meine Frage war immerhin hinreichend beantwortet wurden, sodass ich mir nachdenklich durch die Haare fuhr und auf halben Weg ins Innere der Bar noch einmal kurz inne hielt. Mhm, das konnte - ganz neutral betrachtet - wirklich ein Problem für uns darstellen, wenn sie sich morgen noch an den Quatsch erinnern würde. Denn wenn sie erst einmal Hunter auf den Fersen war, wäre es nur noch eine Frage der zeit, bis auch Sabin, Richard und ich ins Visier ihrer Ermittlungen rücken würden. Und dann wäre die Kacke richtig am Dampfen. Ich nahm einen tiefen Atemzug, in der Hoffnung, dass die kalte Luft meine Nerven etwas betäuben würde, aber nichts war. Pustekuchen. Also stieß ich sie zischend wieder aus. "Also mal abgesehen davon, dass sie Recht ... bleibt uns wohl erst einmal nichts anderes übrig, als bis morgen abzuwarten.", stellte ich nachdenklich fest, ehe ich mich wieder zu Hunter umdrehte, welcher mit der Kippe zwischen den Lippen ebenfalls kurz davor stand, zu detonieren. War ja schon amüsant, dass er es wirklich noch versuchte, seine Nerven mit Nikotin zu beruhigen. Hätte mich auch glatt zum grinsen gebracht, wenn ich selbst nicht gerade auf Reserven laufen würde, was meine Geduld und Toleranz ihm Gegenüber anging. Ich verspürte aktuell wirklich das dringende Bedürfnis, mich nach Ladenschluss so richtig abzuschießen. Egal, mit was. Die Gedanken, die ich mir jetzt um Sydney und ihre leider nicht ganz so haltlosen Worte machte, waren doch sehr unangenehm. Zudem noch der alltägliche Scheiß wie das Zusammenarbeiten und Zusammenleben mit Hunter... war dringend mal wieder eine Pause nötig, wenn wir mal ehrlich waren.
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Bei Gott, ich hätte sie erschießen sollen. Schon vor Wochen. Ja gar vor Monaten, als wir uns das erste Mal gesehen und sie schon die Nase gerümpft hatte. Ich könnte sie nach wie vor erschießen. Die Waffe trug ich genauso wie sonst auch bei mir, wegen der permanenten Paranoia. Andererseits wäre es mir vermutlich doch lieber die Rothaarige einfach mit bloßen Händen zu erwürgen, wäre das doch weit unangenehmer für sie als ein schneller Tod durch einen Kopfschuss. Sie hätte mir wenigstens den Gefallen tun und wirklich direkt zurück in die Bar gehen können, damit sie mir nicht weiterhin die ohnehin zum Zerreißen gespannten Nerven durch ihre bloße Anwesenheit immer und immer weiter spannte. Es war nur eine Frage der Zeit bis ich erneut an die Decke gehen würde, wenn sie diesen Tonfall jetzt doch wieder als Standard benutzen wollte. Ich hätte fast die Zigarette zwischen meinen Fingern abgeknickt, wollte meine Hand doch Nichts lieber, als sich zur guten, alten Faust zu formen. Aber statt wieder zur Faust zu greifen, bildete sich nach dem Absetzen der Zigarette noch während dem Innehalten des Rauchs das psychotische, leicht gruselige Grinsen auf meinen Lippen. Es reichte ganz einfach. Ich hatte mehr als nur keine Lust mehr dazu, mich mit dem wahnsinnigen Weibsbild zu streiten oder sie auch nur noch weiter anzusehen. Es war einer dieser Momente, wo meine zutiefst negative Stimmung in Ist-Mir-Alles-Scheißegal umschwenkte und ich entsprechend leichtsinnig wurde, weil es mich ganz einfach nicht mehr juckte. Alles war besser als mich noch etliche Wochen mit Cosma auseinandersetzen zu müssen - auch noch auf ihrem Territorium, streng genommen. Dass das mit meinem allgemein dominanten Verhalten nicht in Einklang zu bringen war, war absolut vorhersehbar gewesen. Aber hey, ich hatte es versucht. Der Versuch zählte ja bekanntlich, oder? "Gut, dann schmeiß' den Laden alleine, wenn's das ist was du willst. Ich hab die Schnauze voll von deinem hormongesteuerten Hirn, alter.", fiel ich gänzlich in alte Muster zurück und stieß während dem Reden den Rauch wieder aus meinen Lungen, weshalb meine Stimme noch ein wenig tiefer klang als sonst. Das war, was ich immer tat, wenn mir Etwas zu viel wurde - entweder ich löschte ein weiteres Leben aus ohne mit der Wimper zu zucken, oder ich ging auf Distanz um den Kopf woanders wieder frei zu kriegen. "Ich werde diese Zigarette jetzt ganz gemütlich zu Ende rauchen, vielleicht auch einfach noch ein paar unnötig lange Minuten die ach so frische Luft Oslos genießen... dann geh' ich rein, zieh' mir 'ne Nase von deinem Koks, sammel ein paar Minuten später meine Jacke ein und du siehst mich ganz sicher für mindestens zwei Tage nicht mehr wieder.", redete ich einfach weiter vor mich her, bevor ich den Stängel weite rauchte. Ich hielt es für nicht sehr wahrscheinlich, dass der Clan mich nur aufgrund des Rausches zu packen kriegen würde. Ging ich halt ein paar Meter alleine vor mich hin bis sie der erste Bewegungsdrang und die Euphorie legten, danach rief ich dann einen der Jungs an... und sollten sie mich doch kriegen, dann konnte ich ihnen wenigstens auch noch sagen, wo sie Cosma fanden. Mein altbekannter Egoismus fand gleiches Recht für Alle war absolut angebracht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Okay... ich gab das ja echt ungerne zu, aber auf einer Skala von eins bis zehn stand ich gerade bei elf, was die Verwirrung anging. Dass Hunter nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte war, bewies er mir mit seiner ganz speziellen Art ja tagtäglich aufs Neue, aber seine nachfolgenden Worte machten in meinen Augen nur wenig bis gar keinen Sinn. Ja, gut. Dann schmiss ich den Laden eben wieder alleine, dann blieb er eben noch ein wenig hier draußen und ... atmete? Nur um sich dann nach etlichen anderen kleineren Erledigungen für zwei Tage aus dem Staub zu machen und dann? Kam er wieder und tat so, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden, bis uns beiden wieder der Arsch platzte? Ich meine, beschweren würde ich mich nicht. In der heutigen Gesellschaft nahm man das, was man gerade kriegen konnte und zwei Tage Ruhe waren nun mal zwei Tage Ruhe. Ich hatte, meinem aktuellen Geisteszustand entsprechend, etwas skeptisch eine Augenbraue angehoben, während der Rest meines Gesichts mittlerweile einen relativ neutralen Ausdruck angenommen hatte. Ich war gerade so sehr in das Sortieren seiner Worte vertieft gewesen, da waren mir glatt die Gesichtszüge entglitten. Nachdem ich mich dann wieder etwas gesammelt hatte, kam ich um ein Lachen nicht drum herum, war die Situation, in der wir uns hier befanden, mal wieder viel zu absurd, um eigentlich wahr zu sein. Er verdrehte mir hier ganz offensichtlich die Worte im Mund, denn schließlich war es nicht mein Wille gewesen, dass er mich mit der Bar jetzt alleine lassen würde. Ich hatte mich nur rein objektiv erkundigt, ob die Tarnung nicht mehr genügte. Vielleicht hatte ihn ja im Gespräch mit der Polizistin ein Blitz der Erleuchtung getroffen und ihm war ein vollkommen neuer Masterplan in den Kopf geschossen, in dem ich gar keine Rolle mehr spielte? Fragen über Fragen, die ich allesamt für heute auch Fragen bleiben ließ. Ich hatte weder die Kraft, noch die Lust dazu, mich jetzt hier ausführlich mit ihm zu streiten und so hob ich einfach resigniert die Hand. "Also erst mal", setzte ich an und räusperte mich direkt im Anschluss. War es mir das jetzt wert, ihn darauf anzusprechen, dass das, was er gerade los gelassen hatte, irgendwie nicht so richtig stimmte? Nein... nein, war es mir nicht. Ich war müde, die Sorgen um Sydneys Wissen größer, als der Wille, die Sache hier jetzt ehrenvoll auszufechten. Ich brach also meine Ansprache ab, überlegte ein paar neue Worte, was in etwa eine halbe Minute brauchte. Dann ließ ich die Hand wieder sinken, seufzte. "Koks hört sich gar nicht so verkehrt an.", war schließlich alles, was ich zustimmend zu der ganzen Sache noch zu sagen hatte. Die Hand, die vor wenigen Augenblicken noch abwehrend in die Höhe gehalten worden war, zeigte mit dem Zeigefinger á la You got me there, buddy in Hunters Richtung und ich setzte meinen Weg in die Bar fort. Als er anfing, von meinem Kokain zu sprechen, machte ich wieder kurz Halt, dieses Mal hatte ich die Klinke der Tür schon in der Hand, als ich meinen Oberkörper etwas verwirrt so halb in seine Richtung drehte. Dann aber leuchtete mir ein, dass ich ihn ja vor wenigen Wochen mit einem Päckchen Weißes und der ausstehenden Zahlung für seine damaligen Dienstleistungen in den Wind geschossen hatte. Fiel mir glatt ein Stein vom Herzen, dass er nicht zufällig meine geheimen Verstecke in der Wohnung geplündert hatte. Sonst wäre ich durchaus wieder hoch gefahren, hätte die Diskussion hier ganz schnell noch mal auf Hochtouren gebracht. Aber zu seinem Glück war ich noch ganz fit im Kopf, trotz der etlichen Drogen- und Alkoholexzessen. Besagten Schnee würde ich mir dann nach Ladenschluss ebenfalls zu Gemüte führen, dann war er hoffentlich weg. Aber er würde wohl kaum zwei Stunden brauchen, um noch schnell eine zu atmen und dann 'ne Line zu ziehen. Maximal das Jacke schnappen konnte dann etwas zeitintensiver ausfallen. Wenn man mitten im Rausch war, sah man unter Umständen mal die tollsten Dinge oder hielt sich länger in einem Gespräch auf, in welches man verwickelt wurde. Da rannten die Minuten ganz gerne mal dahin, ehe man das Objekt seiner Begierde zu fassen bekam.
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Zur Hölle mit ihr. Mindestens. Die freie Hand zitterte fast schon vor sich hin, hätte sie der jungen Frau das Lachen doch sicher sehr gerne aus dem Gesicht geschlagen. Konnte sie nicht einfach ein Kerl sein? Charakterlich mochte sie sich manchmal wie einer verhalten, aber das Äußere passte leider nicht. Das Zuschlagen wäre dann so furchtbar viel leichter und vermutlich würde ich gar nicht erst darüber nachdenken, sondern es einfach tun. Es war so schrecklich ironisch, dass ich trotz all der Abneigungen gegen das weibliche Geschlecht, die ich ja schon aus meiner Kindheit mitbrachte, in dieser Hinsicht einfach nicht so kalt sein konnte, wie ich es gerne wollte. Ich verstand diese Blockade in meinem Kopf schlicht nicht, sie machte keinen Sinn. In meinen Augen jedenfalls. Sabin hatte gut daran getan diesen Scheiß in Hinsicht auf Cosma augenscheinlich noch zu verstärken. Das schrie förmlich nach einer Gehaltskürzung. "Vielleicht bist du danach ja fast erträglich.", sagte ich nur noch reichlich trocken, bevor ich mich weiter der nach mir schreienden Zigarette widmete. Heilfroh darum, dass der rothaarige Teufel sich von selbst verdünnisierte und eine Tracht Prügel nicht nötig war. Auch, wenn das Nikotin kaum eine Wirkung zeigen wollte war ich froh darum, mit der Zigarette noch ein klein wenig beschäftigt zu sein. Allerdings war es eben leider die letzte Kippe gewesen und so blieb der Nachschub aus, als ich sie auf den Boden fallen ließ und austrat. Der Stummel blieb auf dem feuchten Boden zurück als ich zur Hauswand ging und mich für ein paar Minuten dagegen lehnte. Dabei die Augen überwiegend geschlossen hielt, um gänzlich darauf fokussiert ein wenig tiefer durchzuatmen. Ich fror im Shirt in der kalten Nachtluft, aber letztere schien mein hitziges Gemüt zumindest minimal auch ohne Droge im Hintergrund beruhigen zu können. Ich stand da sicher eine Viertelstunde und meine Finger fühlten sich eiskalt an, als ich mir beim Reingehen die Haare raufte. Was nur logisch war, hatte es draußen inzwischen doch Minusgrade. Wieder in der Bar angekommen empfing mich die gewohnt stickige, aber angenehm warme Luft. Mein Weg führte mich durch die teils tanzende Menge wieder gezielt in die hinteren Räumlichkeiten. Ich musste mir das Pulver jetzt nicht vor allen Augen reinziehen und meine Jacke war sowieso da hinten. Also ließ ich mich auf dem wie immer bis auf einen Aschenbecher leeren Tisch nieder, nur um kurz darauf die kleine Tüte aus der Lederjacke hinter mir zu fischen. Grob die Menge abschätzend ließ ich ein paar Krümel auf die Tischplatte fallen. Nach einem letzten prüfenden Blick wanderte der Rest zurück in meine Jackentasche und dann wurde der Schnee fein pulverisiert zur akribisch geraden Linie geformt, damit auch ja Nichts auf dem Tisch zurück blieb. Das Benutzen von Geldscheinen zum Schnupfen war zwar denkbar ungesund, aber ich war eindeutig zu faul nochmal aufzustehen und mir ein anderes, sauberes Stück Papier aus dem Büro oder sonst woher zu holen. Also zog ich ein wenig Trinkgeld von vorhin aus der rechten Hosentasche und entfremdete mit der weiterhin anhaltenden, gleichgültigen Gemütslage Risiken gegenüber das bunte Papier, um das feine Pulver in meine Nase wandern zu lassen. Wie immer war das unangenehm und für einen kurzen Moment hätte ich fast meinen können, dass mir die Nasenschleimhäute weggeätzt wurden, weshalb ich den Kopf in den Nacken legte und mich zurücklehnte. Ich wischte mir kurz über die Nase, nur für den Fall, dass da irgendwo noch Etwas von dem weißen Pulver hängen geblieben war, bevor ich mich ganz einfach Stück für Stück von der Wirkung der Droge einholen ließ und unbewusst tiefer auf dem Stuhl rutschte. Es war so herrlich entspannend und doch setzte es auch gleichzeitig neue Energien in mir frei. Hatte ich mich gerade eben doch noch furchtbar kaputt gefühlt, schien davon jetzt absolut Nichts mehr vorhanden zu sein. Mit all dem neuen Elan und einem fetten Grinsen im Gesicht ging ich förmlich beschwingt einige Minuten später mit der schwarzen Jacke unterm Arm zurück in den vorderen Bereich der Bar. Dabei fiel mir zum ersten Mal auf, wie angenehm warm die Beleuchtung hier drin war... und, dass die Stimmung wirklich gut war. Die Musik war auch gar nicht schlecht. All das führte unumstößlich dazu, dass ich mich von einer Gruppe junger Frauen zum Tanzen animieren ließ. Also mehr oder weniger tanzen, eigentlich war das nicht so mein Ding. Aber ich gesellte mich nur allzu gerne zu ihnen, nachdem ich in deren Nähe stehen geblieben war und von einer Blondine am Handgelenk gegriffen und heran gezogen wurde, um im Folgenden Gefallen an den teilweise aufreizenden Hüftbewegungen zu finden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich reagierte lediglich noch mit einem genervten Augenrollen auf diese Aussage, ehe ich die Klinke, welche ich jetzt schon eine ganze Weile in den Händen hielt, nach unten drückte, um wenig später ins Innere der Bar zu verschwinden. Hunter ließ ich damit in der Dunkelheit zurück und fokussierte mich, meinen Posten hinter der Theke bezogen, wieder auf meine Arbeit. Da sich in der Zeit meiner Zwangspause einige Bestellungen angesammelt hatten, war ich für die nächsten anderthalb Stunden auch gut beschäftigt. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass mir das Bedienen von so vielen Menschen auf einmal leicht fiel, aber ich würde den Teufel tun und mir dies offen eingestehen oder gar jemanden um Hilfe bitten. Ich musste einfach wieder rein kommen. Immerhin hatte es jahrelang geklappt, den Laden ohne einen weiteren Mitarbeiter zu schmeißen. Durch Sabin war ich dann aber doch ein wenig verwöhnt worden, weil man hier und da einfach ein bisschen mehr Zeit für andere Sachen aufbringen konnte. Aber gut, wie auch immer. Mosern brachte da jetzt auch nichts und so passte ich mich dem Umstand entsprechend an. Manche Kunden mussten vielleicht ein oder zwei Minuten länger warten, weil ich des Jonglieren leider nicht mächtig war, aber am End waren dann doch alle irgendwie zufrieden gewesen. Von meinem Posten aus hatte ich beobachtet, wie Hunter wenige Minuten nach mir das Gebäude betreten hatte und direkt in den hinteren Räumlichkeiten verschwunden war. Erneut quittierte ich sein Gehabe nur mit einem Augenrollen meinerseits, wobei das wohl kaum bei ihm angekommen war, dann konzentrierte ich mich aber auch schon wieder voll und ganz auf meine Gäste. Somit war mir auch nicht weiter aufgefallen, dass sich der junge Mann nach seinem Drogenkonsum als Barbesucher getarnt hatte und inmitten der Masse mit ein paar Mädels schäkerte. Erst als sich der Raum etwa dreißig Minuten vor Ladenschluss zu leeren begann, fiel er mir mit seiner gewohnt großen Statur und den auffälligen Tattoos ins Auge. Mit verhältnismäßig wenig Verständnis dafür, dass er sich an seine eigenen Worte nicht halten konnte oder wollte, schüttelte ich den Kopf, konzentrierte mich dann aber erst einmal wieder darauf, die Gläser einzusammeln und zu spülen. Dann wischte ich mit einem Lappen über den Tresen und schaltete die Musik aus. Die Mädels starrten mich allesamt an, als käme ich von einem anderen Planeten, aber mit dem Zeigefinger auf meine imaginäre Armbanduhr tippend, sahen sie schließlich ein, dass es langsam Zeit wurde aufzubrechen. Nur eine Blondine und Hunter blieben wortlos zurück, die aktuell scheinbar in ihrer eigenen kleinen Welt lebten. Ich gab ihnen jetzt ganz genau zehn Minuten, in denen ich mich zurück zog, um meinen eigenen Schnee vorzubereiten, um sich ein Zimmer in einem Hotel zu nehmen, ansonsten könnte das hier durchaus noch andere Ausmaße annehmen. Seitdem Hunter und ich aktiv von dem Clan verfolgt wurden und er mit mir das Schießtraining absolviert hatte, trug ich nämlich immer eine Waffe in meinem Hosenbund bei mir. Und wenn's hart auf hart kam, würde ich diese auch einsetzen. Punkt aus. War schließlich mein Grundstück in dem Sinne und wenn Fremde sich partout nicht fortbewegen wollten, musste man eben andere Maßnahmen ergreifen. Aber wie gesagt, sie hatten ja beide noch ein paar Minuten Zeit, in der ich mich erschöpft auf einen der kahlen Stühle fallen ließ, mir erst einmal durch die Haare fuhr, weil ich doch schon ganz schön erledigt war. Arbeiten war schon lange nicht mehr so dermaßen stressig gewesen, da tat ein tiefer Atemzug wirklich Wunder wirken. Ich zögerte allerdings auch nicht lange, das Gefühl der Entspannung mit synthetischen Mitteln noch ein wenig verstärken zu wollen. Ein Päckchen Kokain hatte ich, wie die Notfallzigaretten auch, in einer der Schubladen in der Küche deponiert, wo ich es wenig später auch von seinem Platz nahm. Es war nicht mehr sonderlich viel drin, weil ich einen Teil davon in der letzten Woche schon verschnupft hatte, aber für heute würde es auf jeden Fall noch reichen. Wieder am Tisch angekommen, bereitete ich das Pulver mit meiner Bankkarte auf, die ich aus meinem Portemonnaie gezaubert hatte. Gemeinsam mit einem fünf Euro Schein, der für mein Vorhaben allerdings vollkommen ausreichend war. Wie Hunter auch, hielt ich eigentlich nicht viel davon, verschmutztes Geld zum Koksen zu benutzen, aber ich war ebenfalls endlos faul gewesen, um mich jetzt noch um ein sauberes Stück Papier zu kümmern. Nachdem ich das weiße Pulver in eine gerade Linie geschoben hatte, rollte ich den Schein zu einem kleinen Röhrchen, um mir damit kurz darauf das Rauschmittel einzuverleiben. Ich blieb nach dem Konsum noch einen Augenblick sitzen, weil ich förmlich spürte, wie das Gift meine Nerven auf so eine angenehme Art und Weise betäubte und zeitgleich berauschte. Erst als ich mir ganz sicher war, dass auch die gewünschte Wirkung eingetroffen war und nicht irgendein total dummer Nebeneffekt auftrat, erhob ich mich ziemlich euphorisch von dem Stuhl, wischte mit der Hand über die Tischplatte, um etwaige Spuren zu verwischen und machte mich dann auf den Rückweg in den vorderen Teil der Bar, wo Hunter und sein Püppchen nach wie vor eng umschlugen zu imaginärer Musik tanzten. Meine Laune war zwar noch immer nicht sonderlich gut, aber ich sah der Sache schon mal weitaus entspannter entgegen, als es eigentlich geplant war. "Ich mach jetzt zu, nehmt euch bitte ein Zimmer außerhalb der Bar.", rief ich den beiden zu, als ich, mich leise räuspernd, in Bewegung setzte, um mit einem ausgestreckten Arm in Richtung Tür zu deuten.
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Ich genoss es in vollen Zügen mich einfach von der Musik und den bestens gelaunten, sicher ein Stück weit betrunkenen jungen Frauen treiben zu lassen. Das erste Mal seit viel zu vielen, viel zu langen Tagen konnte ich mich in einer Droge verlieren und immerhin für ein paar wenige Stunden abschalten, bevor ich vollkommen kaputt in mich zusammen fallen würde. Weiß Gott wo. Normalerweise würde ich mich einfach in einen meiner Bunker zurückziehen und vor mich hin vegetieren, aber auf Cosmas Sofa enden wollte ich eigentlich ja gar nicht. Viel mehr wollte ich einfach noch ein bisschen raus. Nach Ladenschluss mit zu der schlanken Blondine zu verschwinden, wie uns mehr oder weniger gerade von Cosma empfohlen wurde - war ich schon so lange hier herum gestanden? Kam mir eher nur vor wie fünf Minuten -, schien mir auch keine Ideallösung zu sein. Sie konnte ja sonst wer sein. Vielleicht wartete sie hier nur darauf mich zu entführen, damit sie mich in die Arme des Clans laufen lassen konnte... oder sie stach mir ein Messer in den Rücken, sobald ich mich umdrehe. Nein, ich war viel zu wenig Herr meiner Sinne, um mich auf eine fremde Frau einzulassen. Also schob ich stattdessen nur ihre blonden, leicht gelockten Haare bei Seite, um ihr noch etwas ans Ohr zu flüstern. Sollte sie ruhig in ein paar Tagen nochmal hier auftauchen. Außerhalb der Öffnungszeiten, da war ich meistens ziemlich nüchtern. Ich hatte noch immer keine Ahnung davon, wie sie überhaupt hieß, als das Blondchen leise kichernd nickte und sich dann mit einem letzten Blick in meine hellblauen Augen von mir löste, um die Bar zu verlassen. Mit einem leisen, bedauernden Seufzen sah ich ihr nach, den Blick auf den runden Hintern gerichtet, der in dem engen schwarzen Kleid so herrlich gut zur Geltung kam. Als sie nach draußen verschwunden war drehte ich mich stattdessen noch immer breit vor mich hin grinsend zu Cosma um. Überbrückte die Distanz zwischen uns mit ein paar wenigen Schritten, um dann ihren Kopf in meine Hände zu nehmen. Dabei war aber nach wie vor Distanz zwischen uns, war mein Ziel doch nicht ihr auf die Pelle zu rücken. "Du bist viel zu unentspannt, Schätzchen.", waren meine ersten Worte, während ich sie recht entschlossen anblickte. Nur zwei oder drei Sekunden des Schweigens folgten, bevor sich meine Hände wieder von ihren Wangen lösten und ich mit den Fingern der rechten Hand nach ihrer griff. "Komm', ich zeig' dir was. Wird dir gefallen.", flötete ich bester Laune förmlich vor mich hin und zog sie ein paar Meter hinter mir her in Richtung Barausgang, bevor ich ihre Hand wieder losließ und mir die Lederjacke anzog. Ich redete dabei von einem Club, der quasi 24 Stunden offen hatte, ausgenommen nur Montag bis Mittwoch. Er war gar nicht so weit weg und die Stimmung war bisher jedes Mal wunderbar ausgelassen gewesen. Es trieb sich dort nicht nur Meinesgleichen - Kriminelle - herum, sondern durchaus auch ganz normale Leute, die einfach aus dem Alltag ausbrechen wollten. Die gute elektronische Musik und vor allem einen guten Trip suchten. Fast jede Art von Droge war dort ebenfalls geboten. Natürlich nicht offiziell, man musste die Barkeeper schon kennen um ran zu kommen. Im Grunde war das aber ohnehin nicht allzu relevant, würden wir dort doch sowieso nie ankommen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auch ich sah dem hübschen Mäuschen noch einen Moment nach, wie sie durch die Tür nach draußen in die Dunkelheit verschwand. Dann wollte ich dazu ansetzen, auch Hunter aus der Bar zu schmeißen, hatte er vorhin den ganz klaren Standpunkt vertreten, für ein paar Tage Ruhe vor mir haben zu wollen. Da dachte ich natürlich nicht dran, dass er es sich plötzlich anders überlegte und irgendwelche Aktivitäten mit mir plante. Zugegeben war ich auch eigentlich weniger begeistert von seinem Vorschlag, weil ich mich innerlich schon darauf vorbereitet hatte, den Abend ganz faul und ausnahmsweise mal vor der Glotze ausklingen zu lassen, aber was sollte ich sagen? Meine Gedanken wurden just in diesem Moment von dem Kokain liebkost und auf einmal wirkten seine nachfolgenden Worte durchaus einladend. Auch wenn ich mich im ersten Moment etwas beleidigt gefühlt hatte. Ich war ja gerade auf dem besten Weg in Richtung Entspannung gewesen, er sollte mir bloß noch ein wenig Zeit geben. Gut, ich war also einverstanden gewesen mit dem Vorschlag, dass er mir etwas zeigen würde, aber ihm das verbal noch einmal zu bestätigen, schien gar nicht mehr nötig zu sein. Denn gerade, als ich zum Reden ansetzen wollte, griff er nach meiner Hand und zerrte mich förmlich hinter sich her in Richtung Ausgang. An der Garderobe hielt ich ebenfalls kurz an, um mir eine Jacke über die Arme zu ziehen. Ich hatte nämlich in Erinnerung, dass es recht frisch draußen war und hier gelassen hätte ich sie ohnehin nicht. Ganz gleich, ob ich noch alleine um die Häuser gezogen oder doch nur rauf in die Wohnung gegangen wäre. Nachdem wir uns also dem Wetter entsprechend gewappnet hatten, folgte ich Hunter nach draußen, wo ich trotz des Drogeneinflusses ganz gewissenhaft die Eingangstür der Bar verschloss. Ich wollte mir schließlich nicht vorwerfen müssen, dass meinem Baby etwas passiert war, nur weil ich in meiner geistigen Umnachtung nicht dran gedacht hatte, sie gegen unbefugten Zutritt abzusichern. Ne ne, so weit kam's noch. Als ich mir dann sicher war, dass alles abgeriegelt war, ließ ich den Schlüssel in meine Jackentasche wandern und stelzte, mittlerweile mindestens genau so gut gelaunt wie Hunter, neben ihm die Straßen entlang. Es war, wie zu erwarten, ziemlich frisch gewesen, aber aufgrund der Kälte war die Nacht so sternenklar, sodass ein Blick gen Himmel einem glatt die Sprache rauben konnte. Die Sternen schienen hell auf uns herab und man konnte meinen, sie wären der Grund für meinen Bewegungsdrang gewesen. Nachdem ich meinen Kopf in den Nacken gelegt und so einige Schritte weit gelaufen war, durchfuhr mich ein Blitz der angestauten Energie. Und so kam es, wie es kommen musste, dass ich meine überschüssige Reserven an ein paar parkenden Autos ausließ. Hier schlug ich mal gegen ein Fenster, da trat ich mal einen Spiegel ab. Im Prinzip hätte das noch zehn Minuten so weiter gehen können und dann wäre es für meine Verhältnisse schon gut gewesen. Man hätte mich dann Zuhause absetzen und mich in Ruhe schlafen lassen können, aber daran sollte ja vorerst nicht mal dran zu denken gewesen sein. "Wohin willst du mich denn entführen?", fragte ich laut lachend, nachdem ich einem, am Straßenrand stehenden, Mercedes den Stern von der Motorhaube gerissen hatte. In Anbetracht dessen, dass wir in ein paar Minuten wortwörtlich entführt werden würden, hatte ich wohl eine ziemlich große Klappe. Aber es konnte ja keiner ahnen, dass die stechenden Blicke, die ich mir in meinem Rücken eingebildet hatte... na ja, eben keine Einbildung waren.
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Also kein Einspruch - sehr schön. Eigentlich hatte ich aber auch gar nicht nicht erst in Erwägung gezogen, dass es sein konnte, dass Cosma von meiner sehr spontanen Idee so gar nicht begeistert war und stattdessen ihre Ruhe haben wollte. Den Rausch alleine auskosten wollte. War scheinbar auch jetzt nicht so, folgte sie mir doch schon recht bald nach draußen in die Kälte, die mir aber an sich ziemlich egal war. Viel mehr nahm ich wieder ein paar ganz tiefe Atemzüge der frischen Luft, die Hände in die Jackentaschen geschoben und leicht vor mich hin summend. Als die Rothaarige neben mir nach einigen Metern plötzlich anfing zu randalieren konnte ich gar nicht anders, als zu lachen. Dass das so gar kein unauffälliges Verhalten war, war mir dabei nicht einmal bewusst. Ich amüsierte mich lieber darüber, dass ein paar Autobesitzer am nächsten Morgen die Spuren der Verwüstung finden und aus allen Wolken fallen würden. Dementsprechend grinsend beobachtete ich die junge Frau bei ihren Taten, trat selbst auch noch gegen ein oder zwei Autotüren, bevor sie sich mir zuwendete. Mit einer Frage, die sicher berechtigt war. "Zum mit Abstand besten Ort in der ganzen Stadt, um komplett abzuschalten... weiß nicht, ob dir das 24/7" Ja, der Name war hochgradig originell, tat dem Laden aber keinen Abbruch. "was sagt, aber du wirst mir noch danken. Versprochen.", redete ich beschwingt vor mich hin und tat dabei ein Versprechen offen kund, was bei mir doch nur extrem selten vorkam. Ich versprach nie Irgendetwas. Schlicht deshalb, weil ich meine Meinung gerne oft und spontan änderte und Versprechen an sich nicht gerne brach. Das stimmte nicht mit meinem eigenen, kleinen Kodex überein. Auf meine Worte sollte man sich verlassen können, immerhin erwartete ich das auch von Anderen. Allerdings sollte es gar nicht erst noch dazu kommen, dass ich Cosma von meinem Geschmack hinsichtlich Clubs überzeugen konnte. Dass wir beobachtet wurden und sogar schon Verstärkung im Anmarsch war, bemerkte ich nicht. Ein einziges Mal hatte ich zur Sicherheit über meine Schulter hinweg gesehen, aber da war Nichts gewesen. Als wir ein paar Minuten später an einer schmalen Gasse vorbei kamen, sah ich nur noch eine hastige Bewegung im Augenwinkel und just in dem Moment, in dem ich den Kopf in jene Richtung drehen wollte, verspürte ich auch schon einen harten Schlag am Hinterkopf. Unweigerlich brachte mich das aus dem Gleichgewicht und ich kippte nach vorne, landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem harten Boden und schaffte es nicht einmal mehr mich mit den Armen richtig abzufangen, weil die Reflexe durch den Schlag komplett abgeschaltet waren. Es dauerte nicht lange, bis ich mit dem Gesicht seitlich auf dem Boden liegend warmes Blut an meinem Hinterkopf runter laufen spürte, während ich mit dem Bewusstsein rang. Mein Kopf tat unbeschreiblich weh und ich nahm kaum etwas anderes als das penetrante Piepen in meinen Ohren wahr. Als ich mich in Zeitlupe auf den Rücken rollte fiel mir das Gesicht des Kerls mit dem metallenen Baseballschläger in der Hand in die ohnehin verschwommene Sicht. Ich erkannte ihn nicht und konnte nur ein Stück weiter rechts sehen, wie Cosma von dem Kreuzgesicht in die Mangel genommen wurde. Hatte der Hurensohn uns also doch aufgespürt, ja? Ich hörte ein Auto anrollen, als ich - nach wie vor sehr langsam, kaum fähig mich zu bewegen - nach der Waffe an meinem Rücken greifen wollte. Das wurde jedoch gleich durch einen schmerzhaften Tritt am Unterarm mit dem festen Stiefel des Kerls quittiert, was mich leise aufstöhnen ließ. Mir das bisschen Luft aus den Lungen schlug, das nach dem Aufprall noch vorhanden gewesen war. "Na, na, na... Zeit zu schlafen, Dornröschen.", lachte er noch zu mir runter, bevor er den Fuß von meinem Arm anhob und die harte Front dessen an meinen Kopf knallte. Das Licht wurde damit endgültig ausgeknipst und ich war sicher ein paar Stunden bewusstlos.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Vermutlich war das so ziemlich der einzige Umstand, unter dem Hunter und ich fast so etwas wie freundschaftlich miteinander umgehen konnten. Vollkommen high vergaßen wir, wie sehr wir einander eigentlich hassten und wurden so vermutlich zum schlimmsten Alptraum für umstehende Personen. Anstatt uns gegenseitig die Laune und den Tag zu vermiesen, hatten wir Spaß daran, gemeinsam einfach vollkommen Fremden auf den Sack zu gehen. Und so schlenderten wir unter uns eigentlich recht friedlich durch die Gassen Oslos, demolierten hier und da ein Auto und wäre uns jemand über den Weg gelaufen, so hätten wir ihm vermutlich einen guten Grund gegeben, sich um diese Uhrzeit nicht mehr in unserem Revier aufzuhalten. War natürlich vollkommener Quatsch, ab von Drogen war ich ja eher weniger kampflustig, was man von Hunter nicht unbedingt behaupten konnte, aber es ging mir hier gerade auch mehr um das Prinzip. Zu zweit waren wir de facto einfach doppelt so schlimm für unsere Mitmenschen, als wenn wir alleine auf der Pirsch waren. Jedoch sollte es heute eine Gruppierung geben, die sich von unserem dominanten Verhalten nicht einschüchtern lassen wollte. Gut, wir wirkten zugegeben auch wie zwei Teenager, die betrunken von einer Party heim liefen, als wir an einer der deutlich schmaleren Gassen vorbei liefen, die von unserer Position aus in der Dunkelheit eher schwer einzusehen war. Da hatte man natürlich leichtes Spiel, wenn man es darauf anlegte, uns abzupassen. Ich hatte Hunter gegenüber gerade erwidern wollen, dass mir der Club vom Namen her nichts sagte und ich mich im Allgemeinen eher selten mit Oslos Nachtleben beschäftigte, als es plötzlich einen dumpfen Schlag tat. Ich vernahm ab dem Punkt nur noch, wie der junge Mann mit seinem ganzen Gewicht nach vorne fiel, bevor es mich selbst gen Boden riss. Von der rechten Seite, also aus der schmalen, unbeleuchteten Gasse, war ein junger Mann wie ein Puma auf seine Beute gesprungen und hatte mich, als absolutes Fliegengewicht, unter seinem Körpergewicht begraben. Zwar fiel ich deutlich weicher als Hunter, weil mein Angreifer beide Arme um mich geschlungen hatte und ich somit durch fremde Muskeln und Fett etwas gepolstert war, aber mein Kopf schlug trotzdem mit einer unangenehmen Härte auf den asphaltierten Boden auf. Die Waffe in meinem Hosenbund drückte mir dann durch das fremde Gewicht so unglücklich auf den Magen, dass ich augenblicklich das Bedürfnis verspürte, mich übergeben zu müssen. Vielleicht lag es aber auch an der Gehirnerschütterung, die ich durch den Sturz ganz sicher erlitten hatte. Ich hatte im Fall beide Augen geschlossen gehabt und wollte sie auch eigentlich jetzt noch nicht öffnen, aber für den Fall, dass wir heile aus dieser Situation heraus kommen sollten, wollte ich gerne wissen, welchen Wichser ich kastrieren musste. Es brauchte einen Moment, bis ich den Schleier vor meinen Augen weggeblinzelt hatte und erkennen konnte, mit wem ich eigentlich gerade das Vergnügen hatte. Das Gesicht, welches meinem so ekelhaft nahe war, kam mir durchaus bekannt vor. Von seinem triumphierenden Grinsen mal ganz abgesehen, das hatte er dazumal ja gekonnt hinter seinem Schal verborgen. Ich wollte gerade zu ein paar gehässigen Worten ansetzen, als ich merkte, dass die Luft langsam aber sicher wirklich knapp wurde und hätte ich nicht angefangen, etwas flacher zu atmen, wäre ich wohl in den nächsten Minuten ganz sicher in die Bewusstlosigkeit abgedriftet, denn das Körpergewicht von dem Kreuzgesicht lag überwiegend ganz ungeschickt - oder aber vollkommen beabsichtigt - auf meinen Lungenflügeln, sodass an Durchatmen gar nicht zu denken war. Mit allerletzter Kraft schaffte ich es gerade noch, meinen Kopf in Richtung Hunter zu drehen, dem es augenscheinlich nicht unbedingt besser erging als mir. Allerdings war ich ganz froh, als ihm dann temporär das Licht ausgeschalten wurde, denn damit entfernte sich auch langsam der Beton auf meiner Brust, der das Atmen so unglaublich anstregend gemacht hatte. Nach Luft japsend startete ich einen Versuch, zeitgleich mit dem jungen Mann, der mich zu Boden gerissen hatte, aufzustehen. Und das klappte auch ganz gut soweit, was nicht zuletzt daran lag, dass mir unsanft an den Haaren gezogen wurde und ich mittels meiner roten Mähne kurz darauf in den Transporter manövriert wurde. Noch bevor ich mich in dem fensterlosen Laderaum wieder fand, wurden meine Arme und Beine insoweit fixiert, als das ich kurz darauf wie eine behinderte Robbe durch den Sprinter rollte. Außerdem wurde mir der Mund zugeklebt, was in Anbetracht dessen, das ich ohnehin schon wirklich bescheiden Luft bekam, wirklich unschön war. Hunter, der - no offense - noch beschissener aussah als ich, wurde von drei Männern ebenfalls im Auto verstaut und dann schlugen die Hecktüren auch schon zu. Damit wurde dann auch das letzte bisschen Licht aus dem Inneren des Wagens verbannt und mehr als das leise Röcheln des Motor war kurz darauf nicht mehr zu vernehmen. Die ein oder andere, zum Teil wirklich heftige, Kurve gab mir schlussendlich dann auch den Rest, nachdem ich mit dem Kopf gegen den Radkasten im Inneren des Laderaums geschlagen war. Anschnallgurte waren für Entführungsopfer immerhin keine vorgesehen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Vermutlich konnte ich froh darüber sein, dass ich von der holprigen Fahrt und auch dem unsanften Verfrachten in den hinteren Teil des Lieferwagens rein gar Nichts mitbekam. Mir waren nur die Hände am Rücken zusammengebunden worden, ansonsten wanderten aber natürlich auch sämtliche meiner Waffen in die Hände der Entführer. Das betraf nicht nur die Schusswaffe, sondern auch zwei Messer. Ich verpasste also sowohl die halbstündige Fahrt an den Rand der Stadt, als auch den Part, in dem wir beide in den Keller des großflächigen Anwesen des Clans gebracht und dort verbarrikadiert wurden. Auch danach verschlief ich noch etwas mehr ein zweieinhalb Stunden, bevor mich der dröhnende Kopfschmerz langsam aber sicher zurück unter die Lebenden brachte. Ich ließ die Augen in den ersten Sekunden des wach werdens noch zu, weil es einen gewissen Zeitraum brauchte bis ich mich daran erinnern konnte, was passiert war. Als allerdings der kurze Film des Anschlags auf Cosma und mich wieder präsent wurde, riss ich die Augen förmlich auf und setzte mich viel zu hektisch auf. Mir wurde postwendend übel und auch schwindlig, weshalb ich die Augen mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder zumachte, damit die Schwärze vor Augen wegblinzeln wollte. Noch dabei hob sich meine rechte Hand an meinen Hinterkopf. Die Platzwunde war unversorgt, das Blut außen herum an meinem Haaransatz und Hals getrocknet und eine deutliche Beule hatte sich gebildet. Wenn ich ganz viel Glück hatte bekam ich also auch noch eine Wundinfektion, nachdem ich mich auf der Straße auf den Rücken gerollt hatte. Eine zweite, etwas weniger dicke Beule befand sich vom Tritt seitlich an meinem Schädel. Ich tastete diese ebenfalls kurz ab und fing des Schmerzes wegen schon an zu fluchen noch während ich die Augen wieder öffnete. Das Schwarz war weg, aber der Kopfschmerz noch immer so vehement, dass er mir fast den Verstand raubte. Eine kurze Analyse der Umgebung sagte mir, dass ich auf dem kalten, harten Boden einer verdammten Zelle saß, während ich mir die von den inzwischen abgenommenen Fesseln noch immer gereizte Haut an den Handgelenken rieb. Cosma war ebenfalls hier, im ersten Moment aber nicht wirklich von Bedeutung für mich. Meine Augen suchten nach Schwachstellen in der Konstruktion, wollten aber auch nach zwei Minuten absolut keine finden. Zum Gang hin war da ein unerbittliches, schwarzes Metallgitter und ansonsten harte Steinwände. Kalt war es übrigens auch noch. Nicht so kalt wie draußen, aber doch recht unangenehm kühl, waren meine Füße und Hände doch jetzt schon ein wenig kalt. Im Anschluss daran wühlte ich in den Taschen der Lederjacke, aber selbst das kleinere meiner beiden Messer, das ich nie direkt in der Tasche, sondern in einem Loch dahinter hatte, war weg. "Ihr verdammten...", knurrte ich leise den nächsten Beginn eines Fluches vor mich hin, als ich mich daran machte aufzustehen. Dabei schwankte ich leicht, war mein Kreislauf doch komplett im Keller und der kurzzeitig erneut eintretende Schwindel machte es nicht einfacher. Also stützte ich mich kurz mit der Hand an der rauen Wand ab, bevor ich langsam nach vorne ans Gitter ging. Nein, keine Wachen in unmittelbarer Nähe, aber ich konnte das Ende des langen Flurs auch nicht einsehen. Da waren sicher welche, die nur allzu gerne gleich Alarm schlugen wenn sie merkten, dass ich wach war. Warum hatten sie uns nicht einfach gleich umgebracht? Eine andere Theorie als die, dass die Arschlöcher vorher noch Irgendwas aus mir oder gar uns beiden herausquetschen wollten, fiel mir dazu nicht ein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die restliche Fahrt zu dem abgelegenen Anwesen des Sverre Clans hatte ich nach der Geschichte mit dem Radkasten komplett verschlafen. Und wären da nicht diese unsagbaren Kopfschmerzen gewesen, als ich in der kalten Zelle meine Augen aufgeschlagen hatte, hätte ich glatt behaupten können, dass ich mich richtig ausgeruht fühlte. Schon damals als Kind ging es mir nach einer Narkose beispielsweise immer sehr viel besser, als wenn ich daheim am Wochenende lange ausgeschlafen hatte. Irgendwie kam der Körper unter solchen Umständen noch ein Stück weit mehr zur Ruhe und konzentrierte sich wirklich darauf, die Energie, die er benötigte, bis zum Anschlag zu regenerieren und nicht bei der Hälfte - weil es ja tendenziell ausreichte - einfach aufhörte. So eben auch in diesem Fall. Zwar war ich Alles in Allem wirklich fit, aber der dröhnende Schädel war so unangenehm, dass ich mich nicht wirklich mehr traute, als die Arme und Beine von meinem Körper zu strecken. Alleine das sorgte schon für einen stechenden Schmerz, der sich vom Kopf aus seinen Weg bis in die Zehenspitzen bahnte. Ein leises, schmerzverzerrtes Stöhnen entwich meinem Mund und ich beschloss, erst einmal so sitzen zu bleiben. Den Rücken an die Wand gelehnt, Arme locker neben dem Körper und die Beine ausgestreckt gen Zellentür. Außerdem hatte ich meinen Kopf etwas in den Nacken gelegt um die Muskulatur zu entlasten, weil es auf Dauer doch unangenehm wurde, ständig in meinen Schoß zu gucken. Als ich dann soweit zufrieden war, was meine Haltung und die Verteilung der Schmerzen anging, ließ ich meinen Blick einmal durch die Zelle wandern. Mein Hirn noch ein Stück weit vom Kokain benebelt, das klare Denken fiel mir also recht schwer, aber ich vernahm immerhin, dass Hunter unweit von mir auf dem Boden lag und augenblicklich schossen mir Sabins Worte ins Gedächtnis, mit denen er gedroht hatte, uns in Zellen zu verfrachten, bis wir wie zwei normale Menschen miteinander umgehen konnten. Tja und da waren wir nun. Das Schlimmste, was Hunter und mir hätte passieren können: Wir steckten gemeinsam in ein und derselben Zelle fest, es führte kein Weg nach draußen und hier erlaubte sich auch sicher niemand einen dummen Scherz. Das war gerade bittere Realität und würden mich die Kopfschmerzen und das Gefühl der Übelkeit, welches noch immer sehr präsent war, nicht zurück halten, wären hier Schimpfworte und Flüche bis zum Abkotzen von mir zu hören gewesen. Im jetzigen Fall schloss ich allerdings nur die Augen, in der Hoffnung, wenn ich sie wieder öffnete, war der ganze Alptraum hier vorbei. Aber alles, was sich beim Aufschlagen der Augenlider verändert hatte, war Hunters Position. Und damit hatte er mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, der mich zusammenfahren und direkt im Anschluss schmerzverzerrt aufstöhnen ließ. Ich beobachtete ihn eine Zeit lang wortlos, wie er etwas zu hektisch für seinen Gesundheitszustand versuchte, die ganze Sache hier zu analysieren, schnellstmöglich einen Weg hier raus zu finden und am End dann doch resigniert aufzugeben. Zumindest für's Erste. "Hey...", begrüßte ich ihn leise, als er sich aufgerichtet hatte und auf wackligen Beinen zur Zellentür stolperte. "Geht's dir gut? Also... den Umständen entsprechend?", hängte ich ein paar fragende Worte hinten dran, weil er doch ebenfalls ganz schön zugerichtet worden war. Und ja, ich wusste, dass es ihm sicher alles andere als gut ging. Die Situation war jetzt nicht unbedingt das, was man im Duden unter dem Wörtchen rosig als Definition fand, aber er würde schon wissen, wie meine Frage gemeint war. Ehrlich gesagt wäre ich ja gerne zu ihm aufgeschlossen, hätte ebenfalls einen prüfenden Blick in den dunklen Flur geworfen, nur um resigniert festzustellen, dass wir ganz schön in der Scheiße steckten. Aber ich traute mich noch immer nicht, mich mehr als unbedingt nötig zu bewegen...
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