Gut, sollte sie die Post holen gehen. An mich war ohnehin eigentlich nie Etwas adressiert, weil ich offiziell ja gar nicht mehr ich war, sondern irgendeinen dummen Decknamen mit mir herumschleppte. Außerdem durfte ich meine Post ohnehin nur unter Aufsicht aufmachen, weil es meistens Dinge waren, die auch Sydney als meine Babysitterin betrafen. Sie konnte, sollte auch was mit meinem Decknamen drauf dabei sein, das also liebend gerne gleich zuerst in die Hände kriegen. Nach einem leichten Nicken folgte mein Blick ihr noch aus der Tür, ehe er sich an die Tischplatte heftete und ich stattdessen die Ohren spitzte. Nur für den Fall, dass sie log und Ansätze machen würde, jetzt wegzulaufen oder die Schrottkiste von Auto zu nehmen, die man in meinen Augen gar nicht mehr als fahrbaren Untersatz bezeichnen konnte. Aber es geschah nichts dergleichen, stattdessen hörte ich den quietschenden alten Briefkasten bis durch die Haustür und wenig später kam die junge Frau auch zu mir zurück. Wie sie das allerdings tat, ließ mich sofort stutzig werden. Schon während den letzten Schritten, welche die Brünette auf den Esstisch zu machte, zeigten sich mir ihre Augen glasig und sie schien leicht zu zittern, war vollkommen aufgelöst. Wären wir hier in irgendeinem Sci-Fi-Streifen, dann hätte sie das Papier in ihren Fingern wohl nächstens mit einem Laserblick geschmolzen, so wie sie die Zeilen anstarrte und sich gar nicht mehr davon lösen konnte. Schon als sie sich selbst noch einmal wörtlich verdeutlichte, dass sie kaum glauben konnte, was sie da gerade lesen musste, wurde ich doch ein wenig neugierig, obwohl es mich sehr wahrscheinlich Nichts anging. Wenn Sydney dermaßen sensibel reagierte, was für sie ja sehr untypisch war, dann hatte es sicher etwas mit ihrem ohnehin schon kaputten Privatleben zu tun... und ich sollte damit auch recht behalten. Sie verteilte die Blätter schwungvoll in völligem Chaos auf dem Tisch und ich war mir nicht sicher, ob das wirklich die offizielle Erlaubnis war, einen Blick darauf zu werfen, oder die Geste nur aus ihrer blanken Frustration und Verzweiflung sprach. Trotzdem wanderten meine braunen Augen auf den Tisch und erblickten wenig später das entscheidende Papier. Nicht nur die Scheidung, nein, auch das Kind sollte ihr mehr oder weniger ganz weggenommen werden. Ich konnte verstehen, was das in ihr auslösen musste, war selbst Vater gewesen und wäre nach einer derartigen Nachricht zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich sofort Amok gelaufen. Ich hatte gerade ein leises Seufzen von mir gegeben, da sprach die Brünette förmlich vom Stuhl und wirkte dabei, als wäre sie gerade der Klapse entsprungen. Zeigte mir eine eindeutige Kurzschlussreaktion, die sie ihre Waffe und auch die Dienstmarke weglegen ließen. Für einen kurzen Moment lang blinzelte ich beides überrascht an. Ich wusste, dass sie das jetzt nur tat, weil sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand. Dass sie das vollkommen überstürzt entschied. Was, wenn Sydney sich das bis morgen schon wieder anders überlegt hatte? Es gab nur zwei Möglichkeiten, sich dahingehend irgendwie abzusichern. Die erste war, nicht darauf einzugehen und zu warten, bis sie vielleicht wieder minimal klarer denken konnte. Die zweite war, sie unumstößlich mit in die kriminellen Machenschaften zu verwickeln, damit sie darin festsaß. Das alleine zu entscheiden wäre aber nicht in Ordnung, weil ich in der Geschichte nicht allein drin hing. Es würde also zuerst eine keine Telefonkonferenz stattfinden müssen. "Ich werde wohl erstmal Jemanden anrufen.", setzte ich erstmals wieder mit noch immer sehr ruhigem Tonfall zu reden an, als ich mich langsam vom Stuhl erhob und das Papier, auf dem ich die entscheidende Information gelesen hatte, dabei wieder zum restlichen Chaos auf den Tisch fallen ließ. "Brauchst du was zur... Entspannung? Ich bunker' ein paar Flaschen unterm Bett.", bot ich der jungen Frau mit einem schwachen, schiefen Grinsen Zugang zu meiner persönlichen Bar an. Es kam einfach nicht gut, wenn man sich oft des Abends zwei oder drei Shots genehmigte, um besser Schlafen zu können, wenn man gerade auf Bewährung und im Zeugenschutzprogramm war. Also hatte ich den Vodka, Gin und auch Whiskey einfach unter meinem Bett am Kopfende gebunkert, wo sie senkrecht an der Wand stehend beim simplen Vorbeigehen gar nicht sichtbar waren. Aber vielleicht wusste Sydney das schon, wenn sie in nächtlichem Anfall schon meinen Kram durchsucht hatte. Keine Ahnung, war schon möglich. Jedenfalls ließ ich die Polizistin, die gerade ihren Dienst geschmissen hatte, erst einmal für die nächsten paar Minuten allein im Haus zurück und trat vor die Haustür, um dort ungestört mittels Anruf die Anderen kontaktieren und ihre Meinungen zu der Situation abfragen zu können.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Vermutlich würde ich alles, zu was ich mich heute Abend noch hinreißen lassen würde, bald bitterböse bereuen, aber auch dieser Fakt war mir, wie so viel anderes in diesem Augenblick schlicht egal. Ich hatte im Prinzip nur noch mich selbst, musste auf niemand anderen mehr Rücksicht nehmen, denn die Chancen, jemals die Klage um das Sorgerecht für meinen Sohn zu gewinnen standen extrem schlecht. De facto konnte ich ihm nichts bieten. Das Haus gehörte schließlich meinem Noch-Ehemann. Zwar verdiente ich, das FBI als Arbeitgeber habend, entsprechend nicht schlecht und eine Wohnung wäre definitiv kein Problem gewesen. Aber dann blieb immer noch der Aspekt, dass ich schlicht und ergreifend keine Zeit dafür fand, alleine ein Kind groß zu ziehen. Dazu müsste ich den Job wechseln und in der jetzigen Situation schien mir das auch eine realistische Lösung zu sein. Wie bereits mehrfach erwähnt, konnte ich mich schon lange nicht mehr mit der Arbeit beim Staatsschutz identifizieren, aber offiziell hatte ich noch keine Kündigung eingereicht. Egal, wie ich es drehte und wendete, vor Gericht würde ich den Kürzeren ziehen. Entweder ich gab meinen Job jetzt schon auf, hatte dafür aber weder Geld, noch eine Unterkunft, die ich meinem Sohn bieten konnte oder aber ich bleib beim FBI, hatte dann das Geld für eine eigene Wohnung, aber keine Zeit. Und eine Übergangslösung tat sich mir momentan so gar nicht auf. Vielleicht, weil ich viel zu geblendet von der Trauer und dem Frust war. Zu gleichen Teilen könnte aber auch das Adrenalin daran Schuld sein, welches durch die immens angestaute Wut auf meinen Ex durch meine Blutbahnen pumpte. Keine Ahnung. War aber auch egal. Ich war hier für's Erste gefangen, musste mich damit abfinden, nichts außer einen kriminellen Mitbewohner zu haben, der mir wenig später anbot, sein verbotenes Versteck zu plündern. Zwar hatte ich dem Alkohol nach der Aktion von letzter Woche erst einmal abgedankt, aber ein oder zwei Schlücke, um ein wenig ruhiger zu werden waren sicher drin. Ich nickte also leicht, dankbar, dass er mir dieses Angebot machte und während er vor die Tür ging, um zu telefonieren, nahm ich eine Abzweigung früher, um in Sabins Zimmer einzubiegen. Dort suchte ich das von ihm benannte Versteck auf, wo ich mich nach kurzer Überlegung schließlich für einen schweren Whiskey entschied. Ich stellte mir kurz die Frage, seit wann er diese Flaschen hier gebunkert hatte... Mir war nämlich nie aufgefallen, dass er hochprozentigen Alkohol in den Einkaufswagen gelegt hatte, aber gut... erstens war er oft genug alleine unterwegs, arbeitete zudem noch in einer Bar, wo es diesen Scheiß en masse gab und zweitens interessierte es mich eigentlich auch gar nicht. Ich war schlicht froh darüber, dass ich eine gute Alternative zu Rotwein hatte. Noch immer ziemlich aufgekratzt verließ ich das Zimmer wenig später mit der Whiskeyflasche in der rechten Hand und nickte Sabin, der mir auf dem Rückweg entgegen kam zu. "Und, hast du deine Anrufe getätigt?", fragte ich feixend und tat auch noch die nächsten drei Schritte bis zum Esstisch, wo ich die Flasche vorerst abstellte, um aus einem der Hängeschränke zwei Gläser zu angeln. Ich wusste zwar nicht, ob Sabin auch etwas von dem flüssigen Gold abhaben wollte, aber ich sah es jetzt einfach mal als selbstverständlich an, ihm auch etwas einzuschenken. Noch während ich das tat, setzte ich wieder zu ein paar Worten an. Ich war noch immer auf 180, hatte mich nicht im Ansatz beruhigt und entsprechend aufgewühlt mussten meine Worte wirken. "Ich sag dir ganz ehrlich, Sabin. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Bedürfnis, jemanden umzubringen.", gestand ich offen und meinte das sogar ernst. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich eine solche Wut entwickelt, die vor allem aus der Machtlosigkeit herrührte. Für gewöhnlich hatte ich immer die Kontrolle über alles gehabt, ohne dabei direkt zu herrschen und jetzt einfach nichts tun zu können... fühlte sich einfach unschön an. Eigentlich wäre es jetzt das beste für mich gewesen, ein paar Runden gegen einen Sandsack zu schlagen, um mir den Hass und die Wut aus dem Körper zu prügeln, aber da wir keinen Sandsack besaßen, war das leider nicht möglich... Sollte ich, nachdem ich meine Gefühle etwas sortiert hatte, immer noch der Meinung sein, weiterhin in Norwegen wohnen zu bleiben, war das definitiv ein Must-Have. Platz Eins auf meiner Einrichtungsliste.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich hatte zuerst Kontakt zu Richard aufgebaut und ihn als den wohl schlauesten Kopf der ganzen Gruppe separat gefragt, was er davon hielt. Er gab mir einige Pros und Kontras für beide Fälle zu bedenken, wobei wir aber beide letzten Endes zu dem Entschluss kamen, dass es doch besser war, sie einfach gleich in die Geschichte mit rein zu ziehen, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Steckte sie einmal drin, kam sie nicht ohne eigene Blessuren wieder heraus und das war ein entscheidender Punkt. Dennoch war Richard natürlich nicht der Einzige, den es diesbezüglich zu befragen galt und so schaltete ich auch noch Hunter mit in die Konversation, wobei ich mir sicher war, dass Cosma noch immer bei ihm war. Sie würde also auch Wind davon bekommen. Hunter rang länger mit sich als Richie, sah die Sache problematischer. Es dauerte also eine kleine Weile, bis er ebenfalls zu einem Entschluss kam und mit jenem einwilligte, die Angelegenheit noch heute ins Rollen zu bringen. Lieber jetzt, als dass wir die Gelegenheit ins Land ziehen ließen und morgen vielleicht nicht mehr wahrnehmen konnten. Also ging ich mit neuen Erkenntnissen zurück nach drinnen, wo mich die angenehm warme Luft empfing und eine sich auffällig verhaltende Ex-Polizistin - mehr oder weniger, offiziell raus war sie ja nicht - förmlich durch die Wohnung wirbelte. Man konnte ja von ihr halten, was man wollte, aber ihr aktueller Geisteszustand war hochgradig ungesund. Gut für mich, schlecht für sie. "Ja... wir müssten uns später noch auf den Weg machen, um den Rest abzuklären.", gab ich also das Ergebnis des Telefonats preis und nickte ein klein wenig vor mich hin, als ich zum Tisch aufschloss. Offenbar war ich auch zum Trinken verdonnert, wo ich an sich aber Nichts dagegen hatte. Ich würde ja wegen ein paar Schlucken nicht gleich aus den Latschen kippen und jegliche Sinne verlieren, weshalb ich mir das gut und gerne genehmigen konnte. Allerdings erregten Sydneys Worte erneut meine Aufmerksamkeit und ich hätte doch gerne ihre Waffe genommen und eingesteckt, nur um sicher zu gehen, das nicht ich derjenige war, den sie umbrachte. Aber ich glaubte gar nicht, dass sie mir persönlich an den Kragen wollte, es viel mehr nur die allgemeine Wut und Frustration war, die da so aufgewühlt aus ihr sprach. Andernfalls hätte sie mich ja schon längst umlegen können, hätte bereits viele Möglichkeiten dazu gehabt. "Solange ich's nicht bin.", erwiderte ich leicht grinsend ein wenig sarkastisch, aber doch ziemlich locker, als ich nach meinem Glas griff, ihr dann lediglich kurz zu prostete und drei Schlucke von der teuren Flüssigkeit nahm, die ich mir als nur in der Bar jobbender Kerl eher nicht hätte leisten können. Aber es schien der jungen Frau ohnehin langsam aber sicher Alles am Arsch vorbei zu gehen, also war ganz sicher auch egal, woher ich das Geld für derart teure Tropfen hatte. "Er wird aber wahrscheinlich eher nicht wollen, dass du nachher bewaffnet antanzt. Er geht nicht gerne Risiken ein, die vermeidbar sind.", stellte ich klar, das es sicher keine gute Idee wäre, wenn Sydney ihre Dienstwaffe mit zum Treffen nahm, das in einer Stunde angesetzt war. Andernfalls würde Hunter sie sicher unsanft der Waffe entledigen und das Übel konnte sie sich leicht ersparen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich lauschte Sabins Worten, noch während ich mich auf einen der freien Stühle fallen ließ. Nachdem ich die die Flasche Alkohol wieder verschlossen hatte, zog ich mein eigenes Glas zu mir rüber, um es kurz darauf auch schon an meine Lippen zu setzen. Aus Frust und Verzweiflung fiel der erste Schluck recht großzügig aus und brachte mich damit postwendend zum Husten. Der Schnaps brannte unangenehm in der Kehle und ließ mich für einen kurzen Augenblick vergessen, wie dreckig es mir eigentlich gerade ging. Tat richtig gut, durch den Schleier der Wut kurzzeitig wieder klar sehen zu können, aber Fakt war, dass das nicht so bleiben würde, wenn ich weiterhin auf diese Art meinen Alkohol vernichtete. Ich sollte also etwas langsamer machen, wenn ich zu den nächsten Schlucken ansetzte. Fürs Erste stellte ich das Glas allerdings wieder auf dem Tisch ab, konzentrierte mich voll und ganz auf die, im Gegensatz zu meinen, recht ruhig wirkenden Worten meines Gegenübers. Gut, wie hatten also zeitnah ein Date mit seinen ominösen Bekanntschaften. Hörte sich ja schon mal nicht verkehrt an. Dass die lustige Verabredung zahlreiche, mir bekannte Gesichter zutage fördern würde, konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt ja noch gar nicht ahnen. War vermutlich aber auch besser so, dass ich nicht wusste, auf wen ich mich da alles einließ. Einige Kollegen von mir hätten vermutlich Freudensprünge gemacht, bei der Masse an Kriminellen, die man in Nullkommanichts hätte einknasten können, ich hingegen... wusste noch nicht so recht, wie ich mich verhalten würde. Schließlich rechnete ich weniger damit, Hunter und den komischen Typen aus der Bar inklusive der Besitzerin dort anzutreffen. In der Hinsicht war ich also noch recht entspannt. Um das zu unterstreichen, hob ich mein Glas erneut an die Lippen. Dieses mal war ich nicht so gierig, nahm nur einen kleinen Schluck, ehe ich es wieder abstellte, um ein paar Worte auf seinen nachfolgenden Satz zu erwidern. Es wäre besser, wenn ich unbewaffnet kommen würde? Na wegen mir. Was hatte ich schon groß zu verlieren..? Zuhause wartete ja niemand mehr darauf, mich beerdigen zu müssen. Ich konnte das Risiko also eingehen und zuckte deshalb nur ruhig mit den Schultern. Der wenige Alkohol, den ich bereits intus hatte, legte sich auf angenehme Art und Weise auf meine so lädierten Nerven, ließen sie, wie erwartet, ein bisschen runter kommen. Ich fühlte mich noch nicht dösig, geschweige denn betrunken, aber einen Gang hatte ich dennoch zurück geschalten. Dem Umstand entsprechend angepasst, waren meine Worte etwas leiser, sortierter und nicht mehr ganz so wirsch. "Keine Sorge, wenn ich dich umlegen wollen würde, hätte ich das sicher schon getan.", antwortete ich und bestätigte damit seine unausgesprochenen Gedanken. Grinsen wollte ich zwar auch, aber so betäubt war ich dann doch noch nicht. "Und ja, wegen mir... mein unglaublich gutes Aussehen kann ich aber nicht ablegen.", fuhr ich ziemlich trocken fort. Eigentlich wollte ich die Situation ein wenig auflockern, aber das ging ziemlich nach hinten los. Trotz des teuren Whiskeys war ich nämlich noch immer nicht bereit für Ironie und Sarkasmus. Sich da an blöden Witzeleien zu versuchen, war womöglich nicht die beste Idee. "Wann soll es denn losgehen?", waren dann meine letzten Worte, zu denen ich Sabin mit einem leeren Blick fokussierte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ja, genau das hatte ich mir eben auch gedacht. Gäbe Sydney wirklich mir die Schuld an ihrer ganzen Misere und war in ernsthafter Mordstimmung, dann würde ich ganz bestimmt schon nicht mehr atmen. Immerhin schlief ich jeden Tag ein paar Stunden, in denen ich ihr unbewusst ausgeliefert gewesen war. Der Umkehrschluss war also, dass ich vor ihr in dieser Hinsicht eigentlich Nichts zu befürchten haben musste. Ob sie das vielleicht doch wieder anders sah, wenn sie den ganzen Haufen später zu Gesicht bekam, war vielleicht nochmal eine andere Geschichte. Immerhin wurde ihr dabei dann unter die Nase gerieben, wie oft ich sie die ganze Zeit über angelogen haben musste und das ich eben ganz eindeutig nicht nur in der Bar arbeitete, sondern dort auch haufenweise krumme Geschäfte zum Laufen gebracht hatte. Ich war mir zwar sicher, dass sie all das ohnehin schon geahnt haben musste, aber aus irgendeiinem Grund warf sie dem nicht näher nachgegangen. Warum war mir eigentlich ziemlich egal, schließlich hatte es bis hierhin geschafft und nur das war jetzt noch relevant. "Dann bin ich ja beruhigt.", erwiderte ich lediglich noch, während ich den Blick auf mein Glas gerichtet hielt und den Inhalt vor mich hin schwenkte. Erst der etwas schräge Witz ließ mich wieder von dem Glas aufsehen und ich hätte beinahe belustigt geschnaubt. Hielt das aber im Zaum, weil ich nicht wusste, ob sie das in ihrem empfindlichen Zustand vielleicht falsch auffassen könnte. Ich fand sie nicht unattraktiv oder gar hässlich, aber es hätte so rüber kommen können und das wollte ich dann doch lieber vermeiden. Sonst wollte sie mich am Ende doch noch über den Haufen schießen. Also schüttelte ich stattdessen nur leicht vor mich hin grinsend den Kopf, verzichtete auf Worte und ließ stattdessen bei meiner Gestik und Mimik, bevor ich mir erneut einen Schluck aus dem Glas genehmigte. Ob Hunter mal mit ihr geschlafen hatte? Wäre angesichts der jetzigen Lage der Dinge unheimlich witzig. Für mich zumindest. Für ihre nicht schwer zu beantwortende Frage hingegen packte ich dann doch wieder ein paar Worte aus. "In einer Stunde sollen wir etwa da sein... ich schätze wir brauchen ungefähr eine halbe Stunde hin mit der Rostlaube da draußen, zehn Minuten sind wohl schon rum... also sollten wir in zwanzig Minuten los.", gab ich der Amerikanerin eine brauchbare Antwort, die vielleicht etwas umständlich ausgedrückt war. Es hätte sicher auch gereicht, wenn ich einfach nur gesagt hätte, dass wir ins zwanzig Minuten los mussten. Aber gut, egal.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Okay, mir war zwar schleierhaft, wieso er nicht einfach direkt sagte, dass wir in zwanzig Minuten losmussten, aber war ja auch egal. Jedenfalls blieb mir noch genug Zeit, in Ruhe mein Glas zu leeren und mich zumindest im Ansatz etwas zu zivilisieren. Eine Dusche hatte ich heute noch nicht genossen, würde das binnen der verhältnismäßig kurzen Zeit aber noch schaffen, ehe wir dann in die Schrottkiste stiegen, um zum vereinbarten Treffpunkt zu düsen. Mit einem schwachen Nicken drückte ich Sabin mein Verständnis aus und hob dann das Glas mit dem Whiskey zu den letzten zwei Schlucken an. Beim Letzten war ich allerdings schon aufgestanden, um das mittlerweile leere Glas in der Spüle abzustellen. Normalerweise war ich, was das anging, sehr akribisch, spülte das Geschirr sobald wir gegessen hatten, aber dazu hatte ich jetzt schlicht und ergreifend keine Lust. Zudem verhielt ich mich eh nicht, wie Sabin es sonst von mir gewohnt war, da kam es auf diesen winzigen Aspekt jetzt auch nicht mehr an. „Dann werde ich mich jetzt noch etwas frisch machen…“, wandte ich noch ein paar letzte Worte an meinen Mitbewohner, ehe ich mich gänzlich von ihm abwendete, um mein privates Schlafzimmer anzusteuern. Ich suchte mir aus dem Schrank ein paar frische Klamotten inklusive Unterwäsche heraus und verschwand wenig später für etwa fünfzehn Minuten im Badezimmer. Die meiste Zeit - etwa zehn Minuten, um genau zu sein – nahm das Duschen in Anspruch. Die restlichen fünf Minuten hatte ich mich angezogen und war kurzzeitig in ein paar unliebsame Gedanken abgerutscht. Machten wir uns nichts vor: Mir ging das Alles logischerweise ziemlich nah und auch wenn ich stark um die Beziehung zu meinem Noch-Ehemann trauerte, ging mir die Angelegenheit mit meinem Sohn noch sehr viel näher, als alles andere. Vermutlich lag das daran, dass Eltern im Allgemeinen sehr viel mehr für ihr Fleisch und Blut gaben, als für vergleichbare Beziehungen, wie etwa zu ihren eigenen Eltern oder, wie in meinem Fall, zu ihren Partnern. Fakt war jedenfalls, dass mir die Sache schwer im Magen lag und ich nicht darum herumkam, ein paar wenige Tränen über meine Wange purzeln zu lassen, noch während ich mich selbst im Spiegel betrachtete. Weil die Zeit drückte, fasste ich mich in der Trauer aber relativ kurz, legte, nachdem ich meine Haare geföhnt hatte, noch ein bisschen Make-Up auf und verließ das Badezimmer dann auch schon wieder. Ich schlüpfte noch auf den Weg zurück zu Sabin in meine Schuhe, die vor meinem Schlafzimmer im Flur gestanden hatten. Mit einer Hand meine Haare raufend, schloss ich zu dem Italiener auf. „Also ich wäre dann soweit.“, gab ich zu verstehen und weil der junge Mann ebenfalls zum Aufbruch bereit war, schlenderten wir gemeinsam nach draußen. Nachdem ich mir das Portemonnaie und die Autoschlüssel geschnappt hatte, warf ich mir flüchtig meinen Schal um den Hals und schlüpfte nur notdürftig in meine Jacke, die ich, am Auto angekommen, bereits wieder auszog und auf dem Rücksitz verstaute. Mit einer dicken Winterjacke fuhr es sich nicht sonderlich gut und vor allem aber auch nicht unbedingt sicher Auto. Die Gurtstraffer bei der Rostlaube waren ohnehin eine Sache für sich… Jedenfalls ließ ich mich, das erst einmal erledigt, auf den Fahrersitz fallen. Ganz gleich was Sabin dagegen einzuwenden hatte, würde ich heute fahren. Sollte er also vorgehabt haben, mir die Augen auf dem Weg zu unserem Date zu verbinden, musste ich ihn leider enttäuschen. In meiner jetzigen Verfassung traute ich es mir einfach nicht zu, im Beifahrersitz zu versinken und meine Gedanken schweifen zu lassen. Ich wollte mich lieber auf etwas konzentrieren können, damit ich abgelenkt war. Natürlich nicht vom Straßenverkehr, sondern vielmehr von den Problemen, die bei mir momentan so allgegenwärtig waren. Ich würde da also auch nicht lange drüber diskutieren. Stattdessen widmete ich mich ein paar auffordernden Worten an ihn. Und so lange ich noch ganz offiziell beim FBI arbeitete und mich noch in keine kriminelle Scheiße hatte reinziehen lassen, sollte er mir gegenüber besser kooperieren. Sonst würde ich mir noch einmal überlegen, ob er den Abend heute überlebte. „Du machst das Navi, einverstanden?“, fragte ich rein rhetorisch und forderte ihn damit indirekt auf, mir Fahrtanweisungen zu geben. Die letzte Floskel war eher aus Höflichkeit. Eine Antwort darauf erwartete ich nicht unbedingt und wenn nur eine, die positiv für mich ausfiel. Nichts anderes.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Okay, sollte sie das machen. Mir persönlich war ja vollkommen gleich, ob sie nun geduscht oder so, wie sie hier gerade vor mir gesessen hatte, mit mir aufbrach. Den Rest juckte es vermutlich auch nur wenig bis gar nicht, aber sollte sie nur machen. Wir hatten ja noch Zeit und solange sie im Bad verschwand, genehmigte ich mir noch einen weiteren kleinen Schluck Whiskey. Wieder nicht viel, aber er schmeckte nunmal gut und ich war ja trinkfest. Er würde mich also nur unwahrscheinlich merklich beeinträchtigen und während dem Leeren des zweiten Glases sah ich mir dann das Papier-Wirrwarr auf dem Tisch noch einmal etwas genauer an. Hätte meine Frau mir damals irgendetwas Derartiges unter die Nase gehalten, wüsste ich ehrlich nicht wie ich darauf reagiert hätte. Einfach deshalb, weil das bei uns beiden furchtbar abwegig gewesen war. Ich verfiel unweigerlich wieder in Gedanken an damals, konnte mit leerem Blick meine Tochter für einen kurzen Moment lang förmlich auf meinem Schoß sitzen spüren, während mein zweiter blonder Engel das Essen auf den Tisch stellte... allerdings war das dann auch der Punkt, wo ich jegliche Gedanken an meine vergangene Familie kappte und das letzte bisschen Alkohol runterspülte, ehe ich aufstand und das Glas ebenso spärlich wie die Brünette vor mir verräumte. Danach ging ich zur Garderobe und stieg schon einmal in die Stiefel, wartete die letzten paar Minuten neben jener an die Wand gelehnt mit dem Handy in der Hand auf Sydney. Sollte nicht mehr lange dauern, da konnte ich ihr zum Aufbruch auch schon zunicken und sendete noch im gleichen Atemzug eine Nachricht an Hunter, dass wir uns auf den Weg machten. In die Winterjacke eingepackt machte ich es mir auf dem Beifahrersitz bequem, wogegen ich Nichts hatte. Solange es nicht mein eigener und ein teurer Wagen war, interessierte es mich ehrlich gesagt nicht die Bohne ob ich selbst hinter dem Steuer saß, oder das jemand Anderem überließ. Also bestätigte ich lediglich mit einem knappen "Klar.", dass ich einverstanden war und dirigierte sie dann eine knappe halbe Stunde lang aus der Stadt heraus zum Ort des Geschehens. Zu dem Bunker, in dem Hunter und Cosma nun schon eine Weile dabei waren sich auszukurieren. War eigentlich sowieso nötig die beiden Mal wieder zu Gesicht zu kriegen und die Lage zu checken, also konnte ich jetzt getrost zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der Wagen wurde also von der Amerikanerin in der Auffahrt gehalten und ich hätte ihn nur allzu gerne sofort gegen Hunters deutschen Sportwagen getauscht, dessen Schnauze unter der halb offenen Garage zu erahnen war. Aber ruhig Blut, Sabin, das Gold war schon zum greifen nahe. "Geh' vor.", forderte ich Sydney dazu auf, vor mir die kurze Auffahrt entlang zur Haustür zu gehen. Das hier war nicht mehr ihr Revier und von uns beiden war jetzt sie diejenige, die sich auf dünnem Eis bewegte. Darauf achten sollte, welchen Schritt sie als nächstes ging. Mit mir in ihrem Rücken waren dann schon etwaige erste Fluchtversuche leicht von meiner Person zu vereiteln.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die ganze Autofahrt über hatte ich meine Klappe gehalten. Wie verbissen auf die Straßen gestarrt, vielleicht hier und da mal ein wenig zu hart auf dem Gas gestanden, als Sabin mir die Fahrtrichtung durchgegeben hatte. Dies hatte im Umkehrschluss zur Folge, dass wir manche Kurven etwas zu sportlich nahmen, aber das bisschen abgefahrenes Gummi mehr oder weniger machte bei der Karre hier wirklich keinen Unterschied. Meine Erwartungen, die Kiste noch mal durch den TÜV zu kriegen waren ohnehin gering bis nicht existent. Aber gut, zum von A nach B fahren reichte es allemal und deshalb beschwerte ich mich nicht weiter. Ich holte einfach raus, was möglich war. Vielleicht auch auf den Strecken, wo so schnelles Fahren gar nicht mal erlaubt war. Interessierte mir am heutigen Abend nur absolut nicht. Einzig und alleine die Ampeln hatten mich zwischenzeitlich aufgehalten und das auch nur, weil Fußgänger die Straße überqueren wollten. Andernfalls hätte ich die Lichtzeichen womöglich auch ignoriert. Jedenfalls hielt ich den PKW nach einer etwa dreißig minütigen Fahrt durch bewaldetes und geschottertes Gebiet in der Auffahrt eines recht unscheinbar wirkenden Hauses inmitten von... Nichts eigentlich. Es lag relativ abgelegen, für den Rest der Zivilisation eher unzugänglich gelegen, wenn man nicht ein konkretes Ziel auf der Route hatte, an der dieses Haus stand. Ich stellte den Motor ab, öffnete die Fahrertür und fischte mir erst einmal die Jacke vom Rücksitz. Die Luft war angenehm zum durchatmen, aber es war arschkalt. Und auch wenn uns vom Inneren des Hauses nur wenige Meter trennten, hielt ich es für sinnvoll, die Daunenjacke so notdürftig über die Arme zu legen, wie ich es schon beim Verlassen unserer Wohnung getan hatte. Sabin schloss schon bald zu mir auf und bat mich, die nächsten Schritte vor ihm zu laufen. Schwach nickend schob ich mich ohne weitere Worte an ihm vorbei. Unter normalen Umständen wäre ich etwas stutzig geworden, hätte meine Hand an die Dienstwaffe gelegt, aber ich befand mich heute schlicht im Ausnahmezustand. Die Schritte bis zur Haustür schlurfte ich also dem Italiener voraus, wo ich die Chance nutzte, noch ein letztes Mal zu überdenken, ob ich das hier alles auch wirklich wollte. Sabin hatte bereits angedeutet, dass die Geschichte nicht ganz legal sein würde und spätestens wenn ich mich auch nur im Ansatz dazu bereit erklärte, mitzumachen, konnte ich den Job beim FBI an den Nagel hängen. Dass ich wenig später ein wenig verdutzt vor der Tür stand und nicht wusste, ob ich lieber klingeln oder doch eher klopfen sollte, sollte als Antwort auf meine eigene, eher rhetorische Frage reichen. Andernfalls hätte ich schon auf dem Absatz Kehrt gemacht und wäre wieder ins Auto gestiegen, wo ich wenig später dann doch meinen Chef kontaktiert hätte, damit er mir Verstärkung schickte. Aber gut, das war damit vom Tisch. Wie so ziemlich alles andere, was mein Privatleben anging, auch. Letzten Endes hatte ich mich für die Klingel entschieden, die man auch draußen sehr gut hören konnte. Weniger allerdings die Schritte im Inneren, als auf meine Bitte um Einlass reagiert wurde. Wer uns dann allerdings die Tür öffnete, trieb mir beide Augenbrauen unumstößlich in die Höhe. Ich hatte es ja wirklich schon für einen überraschenden Zufall gehalten, dass wir uns am Tag meines Kontrollbesuches in der Bar getroffen hatten, mittlerweile taten sich mir da ein paar Zusammenhänge auf. Er begrüßte uns nur knapp und bat uns dann mit einer einladenden Geste nach drinnen. Noch immer sichtlich verwirrt, weil ich damit wirklich nicht gerechnet hatte, folgte ich den verbalen Anweisungen meines ehemaligen Klassenkameraden, der uns geradewegs ins Wohnzimmer der etwas herunter gekommenen Hütte führte. Und ab da sollten mir meine Gesichtszüge das erste Mal an diesem Abend endgültig entgleiten. Ich hatte mit vielen gerechnet, aber nicht damit, dass Sabin mit Hunter Geschäfte machte, was im Umkehrschluss hieß, dass Letzterer ganz offensichtlich Dreck am Stecken hatte. Auch hatte ich nicht erwartet, den verrückten Vogel, der mir dazumal in der Bar auf die Pelle gerückt war hier anzutreffen. Er lehnte ganz entspannt, den Blick abschätzend auf mich gerichtet, die Arme vor der Brust verschränkt, an der Wand neben einem Sofa, auf dem die rothaarige Barchefin ihr Dasein fristete. Auf den ersten Blick konnte ich mir nicht erklären, warum sie wie ein Schluck Wasser in der Kurve da hockte, die Decke eng um ihre Beine geschlungen, aber das sollte ich wohl noch früh genug erfahren. Wir waren ja gerade erst angekommen, der Abend hatte also erst begonnen. Sichtlich verwirrt und eventuell auch etwas überfordert drehte ich mich zu Hunter, der ein paar knappe Worte mit Sabin ausgetauscht hatte und besah auch ihn noch einmal etwas genauer. Bis auf ein paar Kratzer im Gesicht hatte er sich seit unserem letzten Zusammentreffen nicht wirklich verändert. Wäre er in einer kurzen Hose herum gelaufen, hätte ich das wohl anders gesehen und ihn gefragt, warum er denn bitte so schrecklich aussah. Aber für mich waren lediglich die Platzwunde am Kopf und ein paar Schnittverletzungen am Arm sichtbar...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich war ja wirklich gespannt darauf, was jetzt passieren würde. Ob Sabin die junge Frau nicht vielleicht voreilig ein wenig falsch eingeschätzt und jetzt umsonst her gebracht hatte. Eigentlich war Sydney nämlich nicht so, zumindest früher eben nicht. Aber womöglich forderten besondere Umstände eben einfach auch besondere... Reaktionen, was wusste ich schon. Ich reagierte sowieso auf Alles, was passierte, spontan und nach Gefühl. Hatte ich schon immer und das würde sich wohl auch nicht mehr ändern. Ich hatte ja bereits mit den Anderen gerechnet und Richard war der erste, der hier eingetroffen war. War seit ein paar wenigen Minuten schon da, weil er scheinbar gerne überpünktlich war. War mir an sich aber ziemlich egal, weil er mir nicht auf den Sack ging, sondern sich eher nur nach Cosmas Wohlbefinden erkundigte. Die beiden waren ja Freunde, was ich für meinen Teil irgendwie schon wieder komplett vergessen hatte, weil es sonst nie relevant für mich war. War es jetzt ja eigentlich auch nicht. Schließlich klingelte es ein zweites Mal an der Tür und so ging ich erneut in den Flur zurück, um die Haustür kurz daraufhin aufzuziehen. Zuerst erblickte ich die Agentin und unweit dahinter dann Sabin, der sie ohnehin überragte, weil er in etwa mit mir auf Augenhöhe war. Ich ließ nach knappem, wortkargen Gruß beide eintreten und hielt Sabin aber im Türrahmen zum Wohnbereich gleich wieder an, währen die junge Frau schon weiter ins Wohnzimmer ging. Fragte ihn leise, was genau ihn darauf schließen ließ, dass sie wirklich am Ende genug war, um jetzt plötzlich die Seiten zu wechseln. Eigentlich reichte mir das, was er zur Antwort gab, nicht wirklich aus und ich blieb hochgradig skeptisch. Mehr würde ich aber wohl nicht kriegen, weshalb ich gefolgt von dem Italiener zum Rest der Mannschaft aufschloss. Im Gegensatz zu ihm stellte ich mich aber direkt vor Sydney und tastete sie auf mögliche Waffen ab - Vorsicht war besser als Nachsicht und ich war gerade nicht in der Verfassung irgendwelche Risiken einzugehen. Einmal knapp dem Tod zu entrinnen reichte für ein paar Monate erstmal aus. Jedenfalls schien die junge Frau keinerlei Schusswaffen oder Messer bei sich zu tragen, weshalb ich wieder von ihr abließ und danach - wieder mit zwei, drei Schritten Abstand zu ihr - anfing ihr Gesicht unter die Lupe zu nehmen. "Also schön... so wie ich das sehe, hat Sabin mit der Mafia am Arsch ein riesen Problem. Keines, das sich nicht beseitigen oder eindämmen lässt, aber einfach wird's wohl nicht.", fing ich erst einmal an zu reden und stellte damit mehr nur eine Tatsache klar, bildete eine Einleitung daraus. "Und genau da kommst wohl du ins Spiel, Sydney... ich schieße euch die Idioten hier so lange vom Arsch weg, wie es irgendwie geht und du wirst mir Informationen dafür liefern. So lange, bis eine dauerhafte Lösung in Sicht ist.", lieferte ich mit meinen nächsten Worten eine weitere Feststellung, keine Frage. Die junge Frau hatte sich schon für diese Seite entschieden, als ich die Tür aufgemacht und sie mein Gesicht gesehen hatte. Sie kannte einen meiner Bunker, hing also bis ich mich dazu entschied die Lager einzureißen unweigerlich schon ganz tief in jeglicher Scheiße mit drin.
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Mhm, ich hatte mir das Zusammentreffen irgendwie ein wenig anders vorgestellt. Weniger mit Gesichtern, die ich bereits kannte und über die ich mich bis zu einem gewissen Grad schon informiert hatte - da musste ich einfach ehrlich sein. Außerdem hätte ich jedem, der mich mir nichts, dir nichts einfach so filzte wohl postwendend die Knarre an den Schädel gehalten und freundlich gefragt, ob sie noch ganz bei Trost waren. Aber gut, ich hatte mich dazu entschieden, von meinen gewohnten Wegen abzuweichen und musste mich somit auf neue Prozeduren und Abläufe einstellen. Ich knirschte also lediglich leicht mit den Zähnen, als Hunters Händen an meinen Arm und Beinen nach versteckten Waffen suchte, so wie ich es normalerweise bei Tatverdächtigen machte. Noch bevor ich mich dann überhaupt irgendwie zu diesem Thema hier äußern konnte, fiel mir mein ehemaliger Klassenkamerad in das noch nicht ergriffene Wort. Wieder wanderten meine Augenbrauen misstrauisch nach oben. Zum einen, weil ich es nicht gewohnt war, von oben herab behandelt zu werden, zum anderen, weil ich Hunter mittlerweile so gar nicht wieder erkannte. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass er einmal so enden würde. Natürlich hatte ich damals auch Gedanken in diese Richtung gepflegt, aber wenn überhaupt war er für mich ein Kleinkrimineller gewesen und niemand, der es mit der ganzen italienischen Mafia aufnehmen konnte, wenn er wollte. Ich brauchte also einen Augenblick, um die Sache zu verdauen, bis mir schließlich die rothaarige junge Frau ein paar Worte an den Kopf warf. "Was gibt es da lange zu überlegen? Wenn du nicht möchtest, dass man deinen Körper aus zig Einzelteilen rekonstruieren muss, nachdem wir...", sie unterbrach und gestikulierte mit ihrer Hand einen Kreis, der alle Anwesenden in sich einschloss "... dich durch den Fleischwolf gedreht haben, dann kooperierst du besser.", redete sie mit heiserer Stimme weiter und ließ mich damit innerlich schnauben. Nach außen hin mimte ich allerdings ein mittlerweile wieder relativ gefestigtes Gesicht, nickte nur leicht, ohne auf diese beißende Drohung einzugehen. Zu einhundert Prozent sicher war ich mir nicht wirklich, aber ich hatte mein Schicksal schon mit Betreten des Hauses besiegelt. Zurück rudern war also nicht, solange ich noch an meinem Leben hing. "In Ordnung.", erwiderte ich knapp und zuckte leicht mit den Schultern. Was sollte ich auch groß anderes antworten? "Was für Informationen braucht ihr? Ich habe meinen Laptop jetzt nicht mitgenommen...", äußerte ich nachdenklich und raufte mir etwas ratlos die Haare. Dann ergriff Richard das Wort, der bis dato nur wortlos an die Wand gelehnt dagestanden und uns beobachtet hatte. "Nicht nötig, wir haben ein Backup von ausreichend vielen Informationen. Du kannst uns daraus die Filtern, die relevant sind.", es erschreckte mich, wie ruhig er dabei blieb, mir so etwas unter die Nase zu reiben. Augenblicklich zog ich die Augenbrauen zusammen, war zu gleichen Teilen verwirrt, aber auch geschockt, dass ich scheinbar schon sehr viel früher in diese ganze Scheiße mit rein gezogen worden war, ohne mein Wissen. Verstand sich ja wohl von selbst. Außerdem konnte ich nicht glauben, dass er sich dahingehend schon so weit präpariert hatte, als das er zu diesem Treffen wirklich eine Festplatte eingesteckt hatte. So in weiser Voraussicht oder so ein Müll. Jedenfalls fühlte ich mich entsprechend vor den Kopf gestoßen, hätte ihm das selbstgefällige Grinsen, welches ihm mein Gesichtsausdruck bescherte, am liebsten aus dem Gesicht gewischt, aber gut. War hier jetzt halt nicht möglich, merken würde ich mir die Aktion aber trotzdem. Nun konnte ich auch das Schnauben nicht mehr zurück halten, weil sich so langsam aber sicher immer mehr Puzzleteile zusammen setzten. Über Richard hatte ich mich bereits belesen, ich konnte mir also nur zu gut vorstellen, wie er in Zusammenarbeit mit Sabin an die Daten gekommen war. Zwar blieb die Frage, wie sie es geschafft hatten, die Sicherung zu knacken, immer noch offen, aber im Untergrund gab es sicher so einige helle Köpfchen, die ihr Wissen... na ja, eben für die andere Seite nutzten. Weil es in vielerlei Hinsicht durchaus lukrativer war, konnte man nicht abstreiten.
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Hach ja, Cosma wurde mir immer sympathischer. Ich wartete nie gerne lange auf Antworten und das war ganz allgemein auch kein besonders großes Geheimnis. Das galt eben auch für den jetzigen Augenblick, in dem Sydney gefühlt eine Ewigkeit lang über was auch immer nachdachte. Vielleicht über mich, vielleicht über die ganze Sache hier an sich, vielleicht über einen zum Scheitern verurteilten Rückzieher oder was auch immer. Es gab da sicher einige Möglichkeiten. Der rothaarige kleine Teufel forderte die Brünette sehr zu meinem Entzücken dazu auf, sich gefälligst zu äußern, was mir persönlich ein leichtes Grinsen auf die Lippen trieb. Sie hatte schon wirklich was für sich, wenn wir mal ganz ehrlich waren. Mir war egal in wie vielerlei Hinsicht ihre Worte respektlos und forsch waren, es gefiel mir, sofern sie diesen Ton nicht bei mir anschlug. Allgemein fing ich wohl irgendwie ein kleines bisschen an, Cosma zu mögen. Je mehr Zeit wir hier zwangsweise miteinander verbrachten, desto besser verstand ich mich mit der jungen Frau. Dass das mitunter hauptsächlich daran lag, dass ich mich ihr gegenüber ganz anders verhielt als sonst und wir uns allein deshalb schon gar nicht in die Haare kriegten, fiel mir persönlich ja nicht einmal auf. Jedenfalls äußerte Sydney sich dann doch endlich mal mit sich einverstanden erklärenden Worten, was mich leicht für mich selbst nicken ließ. Na ging doch, warum nicht einfach gleich? Richard meldete sich dann bei ihrer alsbald folgenden Frage zu Wort und mein Grinsen wurde breiter, weil ihr Gesichtsausdruck ganz einfach Bände sprach. Ich fragte mich noch immer, weshalb sie Sabin nicht mehr überwacht hatte. Sie hätte so vieles bemerken und ihn einknasten können, hatte es aber aus welchen Gründen auch immer nicht getan. Vielleicht war es guter Wille, vielleicht aber auch nur dumme Naivität, die dem Italiener den nötigen Freiraum gewährt hatte. "Und mich selbstverständlich auf dem Laufenden halten, wenn du neue hilfreiche Informationen rein kriegst... außerdem wirst du mir dein Handy geben, weil ich dir nicht vertraue.", wie gesagt, Vorsicht war besser als Nachsicht. Außerdem brauchte sie, solange ich sie als unkalkulierbares Risiko einschätzte, ganz einfach keins. Es gäbe genug andere Leute um sie herum, die eins hatten, das sie unter Aufsicht nutzen konnte. "Wenn Sabin nicht in der Nähe ist, ist es Jemand anders - mit Telefon. Du wirst also selber keins brauchen.", stellte ich klar, dass sie nicht grundsätzlich Niemanden anrufen durfte, nur halt nicht ohne Überwachung und mit eigenem Smartphone war mir das Risiko zu groß. Also streckte ich die Hand in ihre Richtung aus. Wartete darauf, dass sie mir das Ding, das ich vorhin in ihrer Hosentasche gespürt hatte, von selbst gab. Andernfalls nahm ich es mir halt.
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Wieder diese kurze Zeit der Stille, in der ich darüber nachdachte, worauf ich mich hier eigentlich eingelassen hatte. Im Grunde hatte ich ja bereits geahnt, dass Sabin wieder auf die schiefe Bahn geraten war. Mittlerweile ärgerte ich mich allerdings ein wenig, nicht doch rigoros hinter ihm her spioniert zu haben, denn ganz offensichtlich hatte er die Freiräume, die ich ihm gelassen hatte, schamlos ausgenutzt - ja, mich sogar richtig hintergangen. Der Vorfall war, genau wie die Geschichte mit Richard, in meinem Hinterkopf abgespeichert und früher oder später würden beide ihre Retoure dafür kassieren, da gab ich Brief und Siegel drauf. Nicht unbedingt heute, denn da nahm ich die Rolle des Opfers ein, aber es kamen auch wieder bessere Zeiten. Ferner waren die dann zwar nicht mehr ganz legal, wie eigentlich die Hälfte meines Lebens es gewesen war, aber irgendwie würde ich es schon schaffen, Fuß zu fassen. Noch hatte ich mich nicht orientiert, aber wie auch die hier Anwesenden wussten, hatte ich durchaus brauchbare Informationen, die ich, solange ich noch offiziell im Dienst war, stetig abrufen konnte. Und eine Kooperation mit Sabin und Hunter schloss ja nicht direkt aus, dass ich diese Infos nicht auch zu privaten Zwecken verwenden konnte. Musste keiner von wissen, so einfach war das. Jedenfalls hatte ich gerade zu ein paar Worten ansetzen wollen, als die Rothaarige ihre Decke von den Beinen schob, augenscheinlich Anstalten machte, aufstehen zu wollen. Und zum ersten Mal erblickte ich den Grund dafür, dass sie die ganze Zeit über nur dagesessen hatte, im Allgemeinen eher... na ja, schlecht aussah. Ein breiter Verband, der um ihren Bauch geschnürt war, ließ genug Spielraum für einige Vermutungen. War sie angeschossen worden oder hatte gerade ein Organ gespendet? Wie auch immer, jedenfalls schien sie mir wieder ein paar bissige Worte an den Kopf werfen zu wollen, aber ich unterbrach sie mit dem Heben meiner Hand. Damit signalisierte ich ihr ebenfalls, dass sie nicht weiter versuchen sollte, sich von dem Sofa zu erheben. Augenscheinlich hatte sie nämlich starke Schmerzen, sobald sie sich zu bewegen versuchte. Und mir jetzt wütend an die Kehle zu springen, weil ich für meine Antwort wieder einmal etwas länger brauchte, wirkte sich sicher nicht positiv auf die Wundheilung aus. Ein hoher Blutdruck im Übrigen noch weniger. "Ganz ruhig.", bat ich sie höflich, aber bestimmt, ehe ich meinen Kopf wieder in Richtung Hunter drehte, der darauf wartete, dass ich mein Handy an ihn abtrat. Mein Blick fokussierte den seinen, als ich mit der Hand in meine Hosentasche lange, um das Smartphone zu zücken. Vielleicht mit etwas zu viel Nachdruck hatte ich ihm das Teil in die Pranke gedrückt, bevor ich von Richard förmlich von den Füßen gerissen wurde. Sein Arm hatte sich um meine Hüfte geschlungen und wäre ich nicht so perplex gewesen, hätte er dafür glatt einen meiner Polizeigriffe kassiert, aber so ließ ich mich von ihm ein paar Meter weiter mit überschwänglicher Freude an einen Tisch zerren, auf dem bereits eine Laptoptasche abgelegt war, deren Inhalt sicher ein Blinder hätte ausmachen können. "Dann ist ja gut, dass wir das Wichtigste geklärt haben. Wie wäre es, wenn wir gleich loslegen?", flötete er gut gelaunt und von seiner anfänglich eher misstrauischen Stimmung war nichts mehr zu spüren. Wie der Ton seiner Worte erahnen ließ, schien er richtig gut gelaunt, hatte sich mit einem breiten und sehr charmanten Lächeln der Gruppe zugewandt, während er mich bestimmt mit beiden Händen auf einen Stuhl gedrückt hatte. Ich schüttelte nur mit dem Kopf, begleitet von einem leisen Schnauben, aber ich tat, wie mir geheißen und bereitete den tragbaren PC schon mal für seinen Einsatz vor.
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Ob ich noch einen Hund brauchte, wenn Cosma hier weiterhin den ungeduldigen Terrier spielte? Die Zähne fletschte und sie beinahe ansprang, wenn Sydney sich nicht schnell genug wieder zu Wort meldete? Nein, wohl nicht. Auch, wenn es mir nicht gefiel, dass die Rothaarige sich schon wieder fast zu viel bewegte, war es ein lustig zu beobachtendes Spektakel. Sydney drückte mir dann - wenn auch etwas unsanft, aber das störte mich weniger, weil ich nicht aus Zucker war - das Mobiltelefon in die Hand und ich ließ es mit einem zufriedenen Nicken in meine eigene, noch freie Hosentasche fallen. Dann wandte sich Sydney zwangsweise mit Richard ab und sie war für die nächsten Minuten erst einmal nicht mehr mein Problem. Bis die Agentin mit der Filterei fertig war, würden wohl einige Stunden ins Land ziehen. Aber Sabin hatte eine ganze Woche Zeit - ich also auch -, in der wir uns überlegen konnten, wie wir die Sache am besten angehen würden. Der Italiener konnte mir sicher noch einige nützliche Details aus erster Hand geben, die mir noch weiter bei der Planung helfen würden. Der junge Mann, der inzwischen wieder seinen Barkeeper-Job hinter dem Tresen erledigte, blieb wohl noch ebenso lange hier wie unser neuer Maulwurf bei den Cops, weshalb ich auch gleich ein wenig Zeit mit ihm in ein derartiges Gespräch umwandeln konnte. Bis Alle wieder ausgeflogen waren und ich mit Cosma alleine Zuhause war, war es letzten Endes fast 24 Uhr. Das Ganze hatte sich viel mehr in die Länge gezogen, als ich angenommen hatte und ich fand es auch unnötig anstrengend, so viele Leute um mich herum zu haben. Hatte leichte Kopfschmerzen, als ich mit meiner Dauer-Patientin dann wieder allein war. Zu Abend gegessen hatten wir schon zwischendurch, demnach knurrte der Magen nicht mehr, als ich die Haustür hinter Richard schloss, der als Letzter ging. Dann atmete ich erst einmal eine Minute lang durch und lehnte mich an die Wand. Menschen waren und blieben einfach die mit Abstand anstrengendste Spezies auf dem Planeten. Nachdem ich meine innere Ruhe dann halbwegs wieder gefunden hatte ging ich zurück ins Wohnzimmer zu Cosma, wo ich mir mit der Hand über die kurzen Haare fuhr, die für meine Verhältnisse aber schon wieder recht lang waren. "Brauchst du noch Irgendwas? Wenn nicht, hau ich mich hin...", ließ ich die junge Frau wissen, dass sie etwaige Wünsche jetzt noch äußern müsste, sofern vorhanden. So gut wir uns auch die letzten Tage über verstanden hatten, ich braucht ganz einfach eine Mütze voll Schlaf und Einsamkeit. Sollte es noch etwas zu erledigen geben war es mir aber lieber, wenn sie das jetzt noch an mich abtrat, statt sie in der Nacht selbst auf die noch immer etwas wackeligen Beine treten zu lassen. Zwar hatte ich für die Zeit, in der ich so gut es ging wieder meiner Arbeit nachging und zwangsweise ein, zwei Mal am Tag außer Haus war, Krücken für sie besorgt, aber ihr Körper war trotzdem noch geschwächt und sollte von unnötiger Belastung verschont werden.
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Alleine der Aspekt, das meine Bar tagtäglich bis unters Dach gefüllt war sprach schon dafür, dass ich mit Menschenmassen eigentlich sehr gut umgehen konnte. Wenn es einem aber körperlich nicht gut ging und Ruhe alles war, was man haben wollte, waren Treffen in solchem Umfang wirklich eine Herausforderung. Zwar genoss ich die Nähe zu bekannten Gesichtern, seitdem Hunter fast zwei Wochen der Einzige war, den ich abgesehen von Tauren zwischendrin zu sehen bekam, aber der Umstand war einfach ... anstregend. Alleine die Tatsache, dass ich Sydney aufgrund ihres Berufes schon grundlegend nicht über den Weg traute, hatte sie auch eine unglaublich anstrengende Art. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass die paar Tage - abgeschnitten von jeglicher Zivilisation - irgendwas in mir ausgelöst hatten oder daran, das ich noch immer unglaubliche Schmerzen hatte, wenn ich mich aufsetzte, aber mein Geduldsfaden war momentan so dünn wie nur ein einziges Haar. Dass ich nicht schon viel eher an die Decke gegangen war, erst gegenüber Syd bissig geworden war, lag wohl daran, dass Hunter in letzter Zeit wirklich gar nichts anstellte, auf was ich ihn hätte negativ ansprechen können. Er las mir förmlich meine Wünsche von den Lippen ab, was rückblickend immer noch so unglaublich surreal klang. Ich ging davon aus, dass es noch ein paar Tage dauern würde, bis er diese Attitüde wieder ablegen und zu seinem alten Ich zurück kehren würde. Aber das war okay für mich. Immerhin konnte ich mich mittlerweile von selbst aufsetzen, mit den Krücken, die der Amerikaner mir besorgt hatte, war sogar alleiniges Aufstehen möglich. Natürlich noch immer unter unsagbaren Schmerzen, aber wir machten Fortschritte - langsam, aber stetig. Jedenfalls brachte das Verhalten der FBI Agentin schließlich das Fass zum überlaufen und ich konnte mir ein paar drohende Worte nicht verkneifen, als sie dastand und so lange überlegte. Sie hatte sich für diesen Weg entschieden, mehr als genug Zeit gehabt, alle Pro und Contras abzuwägen, also sollte die Antwort meiner Meinung nach wie aus der Pistole geschossen kommen. Andernfalls konnte zumindest ich mir nicht einhundert Prozent sicher sein, dass sie sich uns gänzlich hingab. Nach den paar heiseren Worten sputete sie sich schließlich und fügte sich ihrem selbst gewählten Schicksal, indem sie erst den Anweisungen von Hunter und anschließend von Richard Folge leistete. Für den Rest des Abends hatte ich mich dann im Hintergrund gehalten, lediglich mit Sabin und Hunter ein paar Worte gewechselt, bevor ich zwischenzeitlich auf dem Sofa weg genickt war, weil mir das ganze Tohuwabohu zu viel wurde und ich schlichtweg keine Kraft mehr hatte, wach zu bleiben. Erst als Richie mich zum Abschied weckte, schlug ich die Augen wieder auf und verabschiedete sowohl meinen besten Freund, als auch Sabin und Sydney. Noch während die ganze Sippschaft das Haus verließ, hatte ich mich wieder aufgesetzt und als endlich wieder etwas Ruhe eingekehrt war, schloss Hunter zu mir auf, den es noch bis zur Haustür verschlagen hatte. Mit einer simplen Frage lenkte er meine Aufmerksamkeit auf sich und ich dachte kurz darüber nach, ob ich noch alle nötigen Dinge für die Nacht hatte. Ein leichtes Drehen des Kopfes verriet mir, dass sowohl Schmerztabletten, als auch Wasser noch zu genüge vorhanden waren und zur Toilette musste ich auch nicht. Es war also alles okay, ich brauchte nichts und so schüttelte ich kurzum den Kopf mit den roten Haare. "Ich hab' alles, danke. Schlaf gut.", unterstrich ich meine Antwort auch noch verbal und hatte mich währenddessen schon wieder in Schräglage begeben. Dem Amerikaner schien meine Aussage sehr willkommen gewesen zu sein, denn nachdem auch er sich zu Bett verabschiedet hatte, machte er auf dem Absatz Kehrt und verschwand damit aus meinem Sichtfeld. Dann wurde es zum ersten Mal an dem heutigen Tag so ruhig, dass ich fast mein Blut rauschen hören konnte und ich hätte mir wirklich gewünscht, einfach wieder in den Schlaf abzudriften, aber plötzlich war ich wach. Egal, wie ich mich hinlegte oder drehte und egal, wie oft ich gähnte und mir die Augen beinahe zufielen, mein Kopf wollte irgendwie nicht abschalten. Etwa eine Stunde lang hatte ich das Spiel mitgespielt, bis ich zu dem Entschluss gekommen war, dass das einfach keinen Sinn machte. Also schob ich die Decke von meinen Beinen, setzte mich erneut auf und tastete dann blind durch die Dunkelheit nach meinen Krücken, die am Ende des Sofas gelehnt hatten. Mit aller Vorsicht und unter starken Schmerzen raffte ich mich schließlich auf die Beine, hinkte ein wenig hin und her. Den ganzen Tag nur zu liegen oder zu sitzen tat dem Rest vom Körper nicht sonderlich gut und so war es, trotz der Schmerzen, unglaublich angenehm, zwei oder drei Schritte zu machen, ausnahmsweise mal nicht getragen zu werden. Allerdings verließ mich die Kraft auch relativ bald wieder und so ließ ich mich fürs Erste auf den Stuhl fallen, an dessen Tisch Sydney vorhin vor Richards Laptop gehockt hatte, der noch immer aufgebaut gewesen war. Das blinkende Lämpchen am unteren Teil des Gerätes verriet mir, dass es sich aktuell im Ruhemodus befand und auch wenn ich eigentlich nicht interessiert an etwaigen Informationen war, klappte ich den Desktop auf, auf dem sich mir prompt nachdem ich das Touchpad berührt hatte, die Kopie der Datenbank auftat, welche in etlichen Ordnern kategorisiert war. Mein Blick wanderte ohne ein bestimmtes Ziel über die verschiedenen Buchstaben und blieb an den Mappen hängen, die mit unseren Namen tituliert waren. Meine Augenbraue wanderte unwillkürlich in die Höhe und nun wurde ich doch neugierig. Leise lehnte ich Krücken an den Holztisch an, um die Hände frei zu haben. Ich führte den Cursor erst einmal über den Namen Sabin Mazzanti, las ein paar Informationen über den abtrünnigen Mafiosi, was mich sicher schon eine halbe Stunde kostete. Dann hatte ich interessehalber nach meiner eigenen Mappe gesucht, hier und da gelacht, aber mich auch gewundert, wie der Staat an so manche Informationen gekommen war. Letztlich sah ich aber auch die Chance, etwas über meinen Mitbewohner heraus zu finden, wo er, was seine Vergangenheit anging, doch immer so wortkarg war. Bevor ich den Doppelklick auf den Ordner ausführte, drehte ich mich noch einmal in Richtung der Tür, nur um sicher zu gehen, dass Hunter nicht hinter mir stand und sich fragte, was ich um diese Uhrzeit noch am PC zu erledigen hatte. War zwar unwahrscheinlich, weil er doch sehr müde gewirkt hatte, als er sich ins Bett verabschiedet hatte, aber definitiv nicht unmöglich. Erst als ich mir sicher war, alleine und ungestört zu sein, öffnete ich die Dokumentation zu seiner Person und wurde förmlich von Informationen, etlichen Zeitungsartikeln und Fahndungsfotos erschlagen. Im Grunde genommen wunderte mich das zwar nicht, aber nicht einmal Sabin war mit so vielen Delikten in Verbindung gebracht worden und das war wohl oder übel nicht einmal der aktuellste Stand, was sich mir gerade auftat. Es hätte mich sicher einiges an Zeit gekostet, jede Eintragung unter die Lupe zu nehmen und so klickte ich einfach ein paar der unzähligen Fallakten an, unter denen sich sowohl der Vorfall mit dem Drogendealer befand, als auch irgendwas aus Hunters jungen Jahren... Weil ich ersteres ja aus erster Hand berichten konnte, hatte ich den Tab schnell wieder geschlossen und mich dem nächsten gewidmete. Ein Foto von Hunter, wo er noch ein Teenager gewesen sein musste, lachte in die Kamera und ließ mich beinahe nach hinten vom Stuhl kippen, weil ich mich so erschrocken hatte. Der junge Mann auf dem Bild war deutlich schmaler, als Hunter es heute war, die Haare waren etwas länger und ein Teil der Tattoos fehlte, was mir persönlich als erstes aufgefallen war. Jedoch war es ganz unverkennbar mein Mitbewohner, der damals noch so unbesorgt ausgesehen hatte. Fast schon gruselig, wenn man mich fragte und der Text dazu sollte es nicht besser machen. Eine schier endlos lange Geschichte bildete - aus aktueller Zeit betrachtet - die Anamnese hinter der Geisteskrankheit des Amerikaners, der im Nebenzimmer so ruhig vor sich hin schlummerte, als hätte er das, was in dem Bericht stand, niemals erlebt. Leben auf der Straße, Drogen und Misshandlung zeichneten die wesentlichen Bestandteile seiner Vergangenheit aus, was mich während dem Lesen immer mehr in mich zusammen sinken ließ. Nur so weit, bis meine Wunde mich wieder daran erinnerte, mich richtig hinzusetzen. Bei Gott, ich war kein sozialer Mensch, zeigte nicht sehr viel Mitgefühl und war auch nicht der erste Ansprechpartner, wenn es um Probleme ging, aber so groß mein Stolz und Ego auch war - der Mann tat mir richtig Leid. Rückblickend hatte er seit Anbeginn seiner geistigen Auffassungsgabe nichts außer Gewalt erfahren, kaum Liebe gespürt, wenn ich das richtig interpretiert hatte und zu guter Letzt hatte er einen Teil seines Lebens bis vor Kurzem hinter Gittern verbringen müssen, was ihn sicherlich nicht wenig geprägt hatte. Unter den Umständen konnte man ihm ja kaum noch böse sein, dass er so war... na ja, wie er eben war. Ich seufzte leise und raufte mir nachdenklich die Haare, als ich den letzten Satz der ganzen Geschichte las: ... der tote Körper des Kindermädchens wurden ohne verwertbare Spuren aufgefunden und der Hauptverdächtige konnte in keinem der fünfzig US Bundesstaaten ausfindig gemacht werden. Da von keiner internationalen Bedrohung auszugehen ist, beschränkt sich der Haftbefehl ausschließlich auf die United States of America. Und dann saß ich da. Und saß noch länger... bis der Bildschirm irgendwann schwarz wurde und mich damit aus meinen ausschweifenden Gedanken riss. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es inzwischen halb vier war und so langsam war es wirklich Zeit, ins Bett zu gehen. Aber ich war mir sicher, dass ich nach dem Input definitiv nicht zur Ruhe kommen konnte. Es waren noch zu viele Fragen offen, als das ich jetzt in aller Seelenruhe wegdösen konnte. Ich brauchte Antworten! Also griff ich wieder nach den Krücken, klappte den Laptop zu und schlug dann den direkten Weg in den Flur ein. Ganz langsam, leise, versteht sich. Als ich vor der Schlafzimmertür angekommen war, hielt ich noch einmal inne, weil mir spontan die Frage in den Kopf schoss, was ich jetzt eigentlich genau von Hunter wollte und wie ich ihm möglichst schonend beibrachte, dass ich in seinem Privatleben herum geschnüffelt hatte, ohne das er davon etwas wusste. So ganz ohne einen Plan da rein zu gehen und ihn zu wecken, wäre sicher lebensgefährlich. Nichts desto trotz war mein Körper im Reagieren mal wieder schneller, als mein Kopf denken konnte und so schob ich die Tür vorsichtig mit dem Ende der Gehhilfe auf. Vorsichtig peilte ich die Lage, lugte erst mit einem Auge, dann mit dem ganzen Kopf ins dunkle Schlafzimmer. "Hunter?", fragte ich leise, flüsternd und verzog im nächsten Moment vor Schmerzen das Gesicht. Ich hatte mich deutlich zu viel zur Seite gelehnt und meine Wunde damit unnötig belastet. Postwendend zahlte sie es mir mit stechenden Schmerzen heim und fing außerdem wieder an, leicht vor sich hin zu siffen. War mir in dem Augenblick allerdings egal. Nachdem der erste Versuch, Hunter aus dem Schlaf zu reißen, gescheitert war, schob ich die Tür gänzlich auf, trat ins Zimmer ein und näherte mich dann mit behutsamen Schritten dem Bett. "Sorry, ich weiß, es ist spät, aber ich muss dich ganz dringend etwas fragen...", murmelte ich. Dieses Mal schon etwas lauter, bestimmter. Etwa auf der Hälfte des Weges hielt ich an, wollte nicht noch näher treten. Hinterher hielt er mich in geistiger Umnachtung noch für einen Einbrecher, der ihn abmurksen wollte und plötzlich steckte ein Messer in meiner Kehle. Ne ne, darauf konnte ich gut und gerne verzichten.
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Cosma schien Nichts mehr zu brauchen, was mir wirklich gelegen kam. Wie gesagt war ich müde und hatte dementsprechend eigentlich wenig Lust, ihr noch unter die Arme zu greifen. Zu unser beider Glück war das auch nicht nötig und so nickte ich lediglich leicht, bevor ich einen kurzen "Gute Nacht." -Wunsch bei ihr zurückließ und mich endgültig abwendete. Ich ging noch für wenige Minuten ins Badezimmer um die üblichen Dinge vor dem Schlafen gehen abzuhaken, bevor ich mich ohne weitere Umwege in das kleine Schlafzimmer verzog. Die Holztür lehnte ich jedoch nur an - eben für den Fall, dass Cosma auf dumme Gedanken kam und hinfiel, daraufhin Hilfe brauchen würde. Ich kannte mein sensibles Gehör inzwischen gut genug um zu wissen, das ich ganz sicher wach werden würde, auch wenn die Tür nicht sperrangelweit offen stand. Im Anschluss schälte ich mich bis auf die Boxershorts aus meinen Klamotten - im Dunkeln, kannte ich die Bude hier doch wie im Schlaf - und legte vor dem Ausziehen der lockeren Hose noch beide Handys auf den alten Nachttisch. Sydneys Handy war nicht ausgeschaltet, lediglich auf stumm geschaltet. Sollten die Cops versuchen sie anzurufen, musste der Anruf schließlich auch durchkommen und früher oder später zurückgehen. Mir selbst stellte ich nur für den ungewöhnlichen Fall, dass ich jetzt lange schlief, einen Wecker, der mich früh genug vor meinem ersten Termin am nächsten Tag aufwachen ließ. Das wäre dann um kurz nach 13 Uhr, bis dahin sollte ich aber längst von allein aufgewacht sein. Im Anschluss ließ ich mich unelegant auf die dünne Matratze fallen und verkroch mich ohne Umschweife unter die Decke, die schon bald eine angenehme Wärme um mich herum angestaut hatte. Jene ließ mich dann zeitnah einnicken und es dauerte nicht lange, bis ich in einen richtigen Schlaf fiel. Nicht ohne die Pistole unter dem Kopfkissen, die angesichts Sydneys Seitenwechsel erst recht angebracht war. Ich war vermutlich paranoid, aber die Paranoia hatte mich schon vor vielen Dingen und hauptsächlich dem Tod bewahrt, weshalb ich eine enge Freundschaft mit ihr geschlossen hatte. Der Erschöpfung und der tagelangen Folter, die mir noch immer ein wenig in den Knochen steckte, sei Dank war ich müde genug, um eine ganze Weile lang für meine Verhältnisse ruhig durch zu schlafen. Da war wie so oft der eine oder andere Traum, der mich unfreundlich heim suchte, aber ich wachte nicht ein einziges Mal deshalb auf. Bis in den späten Morgen hinein schlafen konnte ich aber trotzdem nicht. Ich hatte keine Ahnung wie viel Uhr es war, als Cosma sich den Weg in mein Schlafgemach bahnte und mich aufweckte. Im ersten Moment, als ich noch nicht wach genug war um bewusst zu erkennen, wer mich gerade aufweckte, umschloss ich die Schusswaffe instinktiv fester mit den Fingern. Lockerte jene aber wieder, als mein Bewusstsein sich verstärkte und ich die Stimme zuordnen konnte. Leise grummelnd drehte ich mich auf den Rücken, war der Rothaarigen bis dahin mit jenem zugewandt gewesen. Dann griff ich noch vollkommen schlaftrunken nach dem viel zu kleinen Lichtschalter der Nachttischlampe, um kurz darauf gegen das eher schwache, warme Licht anzublinzeln und mich ein klein wenig aufzurichten, sodass ich weder richtig lag, noch eindeutig saß. Irgendwas dazwischen eben. "Was ist denn?", fragte ich die junge Frau dann schließlich, sprach dabei noch ein wenig undeutlich, murmelnd. War einfach so gar nicht wach. "Du sollst doch nicht aufstehen.. Setz dich hin..", folgte schon wenige Sekunden später mit einem Blick auf die Bettkante leise seufzend der Tadel meinerseits, weil Cosma eigentlich Nichts außer auf dem Sofa liegen oder sitzen sollte.
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Er war also wach, okay. Da die Gefahr, versehentlich erschossen oder abgestochen zu werden gebannt schien, trat ich näher an das Bett heran, wo ich mich wenig später auf der Bettkante nieder ließ, nachdem Hunter mich darum gebeten hatte. Ohnehin war mir nach dem Spaziergang die Puste ausgegangen und ich musste eine kurze Pause einlegen, bevor ich ihn mit meinen Fragen konfrontierte. Die Gehhilfe hatte ich an die Wand neben dem Bett gelehnt, dann zog ich mein rechtes Bein unter das linke. Seufzend drehte ich meinen Kopf zu Hunter, der so verschlafen fast schon niedlich aussah. "Ich... also...", stammelte ich ein wenig ratlos. "Sei mir nicht böse" - und ob er das sein würde - "aber ich hab... also, ich hab da eine Akte über dich gelesen. Ich konnte nicht schlafen und... ich habe echt nicht direkt danach gesucht. Bin mehr zufällig drauf gestoßen.", klärte ich ihn erst einmal auf, weshalb ich um diese Uhrzeit zu ihm ins Zimmer gestürmt kam und Antworten haben wollte. Normalerweise nahm ich ja kein Blatt vor den Mund und fiel direkt mit der Tür ins Haus, aber die Beziehung zwischen Hunter hatte sich binnen der letzten Woche irgendwie verändert. Ich hatte nicht mehr das Bedürfnis, ihm für jede Kleinigkeit ans Bein pissen zu müssen, Harmonie war mir ein Stück weit wichtiger geworden. Gut, mal ganz abgesehen davon, dass ich körperlich gar nicht in der Lage war, so hoch zu fahren, wie er es normalerweise von mir gewohnt war, verspürte ich auch vom Kopf her keinerlei Befriedigung, wenn ich daran dachte, ihm so richtig auf den Keks zu gehen. Also verlief die letzte Woche ohne Diskussionen, Auseinandersetzungen oder Rangeleien. Und wenn man sich tagelang auf der Pelle hockte, lernte man, gegenseitig ein wenig Rücksicht aufeinander zu nehmen, vertraute einander vielleicht sogar ein bisschen und vermied es, dem jeweils anderen weh zu tun. So war es auch jetzt nicht meine Absicht, ihn mit meinen Worten zu verletzen, aber ich sah ein, dass durch diese Aktion das wenige Vertrauen, was er zu mir aufgebaut hatte durchaus gefährdet war. Aus diesem Grund druckste ich um den eigentlichen heißen Brei herum. "Jedenfalls warst du, ganz offensichtlich, im Gefängnis. Und ich hab mir da ein paar Gedanken zu gemacht, aber ich wollte dich einfach fragen, wie es für dich so war. Denkst du, der Knast ist der Grund, warum du jetzt hier bist?", redete ich nachdenklich weiter. Meinen Blick hatte ich indessen von ihm abgewandt und starrte auf meine Hände, die ich in meinen Schoß gefaltet hatte. Man konnte viel reden, wenn der Tag lang war. Auch ich hatte schon öfter Witze darüber gemacht, dass mich die Cops irgendwann holen kamen und einbuchten würden, aber bis jetzt war ich immer glimpflich davon gekommen. Dennoch fragte ich mich, inwieweit einen die Gefängnisse verändern konnten. Es gab sicher einige Unterschiede zwischen den amerikanischen und norwegischen Zellen, aber der psychische Druck würde sicher überall gleich sein. Vor allem, wenn man sich erst einmal einen Rang und Namen machen musste, was sicher nicht immer ganz einfach war...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das fing ja schon gut an.. sei mir nicht böse. Das allein war bereits der Inbegriff dafür, dass der kleine Teufel wieder Irgendwas ausgefressen hatte, das mir gar nicht schmecken würde. Sie ließ sich im Gegensatz zu sonst aber fast ein wenig Zeit dabei mir dann auch mal zu sagen, warum ich ihr nicht böse sein sollte. Zugegeben kam es ihr, als sie dann mit der Sprache rausrückte, wahrscheinlich wirklich extrem zu gute, dass ich noch so müde war. Andernfalls wusste ich wirklich nicht, wie ich letztendlich reagiert hätte, ob ich nicht komplett ausgerastet wäre und das ganze Haus angezündet hätte. Es gab Vieles, über das ich nicht gerne redete, aber meine Vergangenheit stand mit Abstand auf Platz 1 auf dieser unliebsamen Liste. Entsprechend ließ es sich auch gar nicht vermeiden, dass ich die Augenbrauen tiefer ins Gesicht zog, dabei die Stirn in Falten legte und meine Augen zu funkeln anfingen. "Ach, und weil du zufällig drauf gestoßen bist", was ich ihr nebenbei bemerkt nicht wirklich glaubte. "liest du natürlich ewig weiter, bevor du den Laptop zumachst?", gab ich doch merklich gereizt, ein Stück weit knurrend von mir und richtete mich endgültig zum Sitzen auf, wobei sich meine Schultern unbewusst verspannten. "Ich hoffe, dass du den Scheiß wenigstens für dich behältst. Es hat einen verdammten Grund, warum ich es Niemandem erzähle.", wetterte ich weiter vor mich hin und hatte für den Hauch einer Sekunde das Bedürfnis, sie einfach mit ordentlich Schwung aus dem Bett zu treten, weil das ganz einfach genauso respektlos wie ihre beschissene Aktion wäre. Aber das war es jetzt noch nicht einmal gewesen. Statt mir nur diese Beichte anzuvertrauen, wofür allein sie schon wieder gewissermaßen lebensmüde sein musste - schien irgendwie genauso wie bei mir eine der dominantesten Eigenschaften von ihr zu werden - , redete sie auch noch weiter. Fing an, mir Fragen dazu zu stellen. Was war das hier? Eine nächtliche Therapiestunde, bei der wir unsere Jugendgeschichten auspackten und über unsere Probleme redeten? Statt ihr gleich eine Antwort darauf zu geben griff ich nach der Glasflasche mit dem beißenden Vodka, die in der kleinen Rinne lag, die zwischen Matratze und Wand durch den Bettkasten entstand. Ich war ganz einfach zu nüchtern für diesen Mist und müsste lügen, um zu sagen, dass ich nicht in den ganzen letzten Tagen schon immer mal wieder genippt hatte. Es betäubte eben so schön und ich war ja nie sturzbetrunken gewesen. Morgens einen großzügigen Schluck für den Tag, abends vielleicht noch einen zum Einschlafen... aber das war es dann auch gewesen. Jetzt fiel der eine Schluck halt etwas länger aus und es war nur das bittere Brennen in meiner Speiseröhre, das mich nach dem Absetzen der Flasche hörbar tief durchatmen ließ. Dann schloss ich für zwei oder drei Minuten einfach die Augen, die noch offene Flasche am Hals festhaltend neben mir im Bett abgestellt. Sollte ich antworten oder es doch lieber einfach bleiben lasen? Ich empfand kein richtiges Bedürfnis dazu, mir all die vergangenen Jahre von der Seele zu reden... andererseits redete ich aber nie mit Irgendjemandem darüber und es war nun mal, wie es war - es wirkte sich in keinem Fall positiv auf mich aus, es weiter hinter Schloss und Riegel in meinem Kopf festzuhalten. Vielleicht war es die Tatsache, dass es sich ausnahmsweise mal nicht so anfühlte als wollte Cosma mir mit ihren Fragen zu nahe treten und mich gezielt reizen, die mich umstimmte. "Der Knast hat das Alles bestimmt ein wenig... beschleunigt und weiter ausgereizt. Macht halt echt wenig Spaß, wenn du kein Schrank bist und du dich mit Mördern, Vergewaltigern und Co. nicht messen kannst... Aber wenn du dir meine Akte genehmigt hast wirst du auch wissen, dass das nicht der eigentliche Grund für das Alles hier ist.", gab ich der jungen Frau schlussendlich also doch eine Antwort auf die nicht gerade unpersönliche Frage, was Nichts als pures Unbehagen in mir auslöste. Ich klang dabei nicht mehr laut oder so wütend wie vorher, höchstens vielleicht noch klein wenig gereizt. Das lag wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass ich mit meinem Kopf gerade mehr damit beschäftigt war, in der Vergangenheit zu wühlen, als damit, sauer auf sie zu sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es war zu erwarten gewesen, dass Hunter nicht unbedingt positiv auf meine Ansprache reagierte. Dennoch wollte ich keinen Rückzieher machen, hatte mir fest vorgenommen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ausnahmsweise war ich unter seinem schroffen Tonfall ein wenig zusammen gesunken und hatte den Blick stur von ihm abgewandt, was ich normalerweise nie tat, aber sonst hatte ich ihn immer sehr bestimmt mit gewissen Dingen provozieren wollen. Das war heute aber nicht der Fall. Man konnte nicht davon reden, dass ich mir Sorgen um ihn machte. Dafür kannte ich ihn schlichtweg immer noch zu wenig und auch unsere Beziehungsebene reichte bei Weitem nicht aus, aber Gedanken machte ich mir schon. So konnte man es vielleicht nennen, ja. Lag wohl an der angeborenen Neugier und meinem Faible für kriminelles Verhalten beziehungsweise kriminelle Entwicklungen, das ich da so hinterher war. Nicht zuletzt wollte ich natürlich ein bisschen mehr über meinen Mitbewohner heraus finden, wo ich bis jetzt doch sehr erfolgreich zu einigen Dokumentationen Zugriff erhalten hatte. Zum jetzigen Zeitpunkt ging ich zwar noch immer nicht davon aus, dass wir beste Freunde werden würden, denn spätestens wenn Hunters temporäre Verhaltensänderung wieder verschwunden war, wäre alles wieder beim Alten, aber Informationen haben oder nicht haben. Im Endeffekt saß ich seinen kurzzeitigen Wutausbruch einfach aus und erst als er wieder etwas ruhiger wurde, weil er gerade einen großzügigen Schluck von dem Wodka nahm - den er weiß Gott woher hatte -, drehte ich mich wieder zu ihm, vernahm erst jetzt das Funkeln in seinen Augen und wie er im Allgemeinen ziemlich angespannt aussah. Schien, verständlicherweise, nicht unbedingt sein Lieblingsthema zu sein. Aber durch die Therapiestunde musste er jetzt durch. Oder aber er drehte sich wortlos wieder um und schlief weiter. "Du kannst darüber denken, was du willst, es war zufällig.", rechtfertigte ich mich mit einem leichten Schulterzucken. Daraufhin nickte ich leicht. "Na ja, es ist schwierig, etwas wegzuklicken, was dich in seinem Verlauf plötzlich so fesselt." Indirekt sollte das schon so etwas wie eine Entschuldigung sein, denn auch in meinem jetzigen Zustand war ich mir dafür einfach zu stolz. In meinen Augen hatte ich schließlich nichts falsch gemacht, aber ich wusste, dass das gar nicht gut kam, wenn man ohne Hunters Wissen Dinge über ihn heraus fand, die er - nach eigener Aussage - mit gutem Grund nicht ansprach. Umso dankbarer war ich ihm, dass er nach seinem Beruhigungstropfen wirklich zu einer brauchbaren Antwort ausholte. Zugegeben hatte ich etwas in der Art bereits erwartet, es aber aus seinem Mund zu hören war irgendwie... anders. Alleine die Vorstellung, wie er als junger Mann noch ziemlich unbeholfen ins Gefängnis abgeschoben wurde, nachdem er Zuhause schon öfter als Sandsack hatte herhalten müssen brach mir beinahe das tiefgefrorende Organ, was man einst als mein Herz tituliert hatte. Ja, ich hatte Mitleid mit ihm, niemand hatte es verdient, als Kind so behandelt zu werden, egal wie wenig ich denjenigen leiden konnte. Bis zu einem gewissen Punkt sollte das Treffen von Entscheidungen noch keine Rolle spielen. Tollpatschig durchs Kiesbett schlittern und sich das Knie aufschlagen, mit der letzten Mark Süßigkeiten am Kiosk kaufen... das waren Dinge, die eine Kindheit ausmachte. Und wenn man Ärger hatte, sollte man das Recht haben seiner Mama und seinem Papa unter Tränen darüber berichten dürfen. Schon alleine die Tatsache, dass Hunter keine so solide Beziehung zu seinen Eltern haben konnte, dafür ein bezahltes Kindermädchen einspringen musste, ließ es mir schon kalt den Rücken runter laufen. Und ja, auf seine weiteren Worte konnte ich nur zustimmend nicken. "Mhm, das Kindermädchen.", bestätigte ich seine Aussage leise, dieses Mal ohne den Blick von ihm abzuwenden. Vermutlich war sie wirklich der ausschlaggebende Punkt allen Übels gewesen. Ich an seiner Stelle wäre sicher auch immens angepisst, wohl noch verbitterter, als ich es ohnehin schon war, aber ich konnte mich Gott sei Dank dem schmalen Grad der Bevölkerung zuweisen, die eine angenehme Kindheit genossen hatten. Mit beiden Elternteilen, vielen Freiheiten und einer Menge Unsinn im Kopf. Irgendwann kam dann zwar der Punkt, an dem ich mir nicht mehr viel sagen ließ, aber ja. Am End ist zumindest eine bodenständige Frau aus mir geworden, da konnte man nichts sagen. Jedenfalls entging mir nicht, dass es Hunter ganz offensichtlich unangenehm war, dass ich dieses Thema angeschnitten hatte und ich gab ihm auch noch einmal verbal mein Versprechen, dass das unter uns bleiben würde. Was brachte es mir auch, wenn ich diese Informationen an jemanden weiter trug? Im Grunde nicht viel. "Und ja, das bleibt natürlich unter uns. Ich versuche einfach nur... alles ein bisschen besser zu verstehen." Und das lag nun mal in meiner Natur. "Außerdem denke ich, dass es auch dir mal gut tun würde, wenn du dir ein paar Dinge von der Seele redest. Das musst du natürlich nicht mir gegenüber machen, wenn du das nicht möchtest, aber so wie ich das sehe, gibt es da ein bisschen etwas aufzuarbeiten, Hunter.", fuhr ich fort und musste nach dem langen Satz dann doch einmal tief Luft holen, die durch das flache Atmen meinerseits ohnehin schon ziemlich knapp war. Er sollte das ja nicht falsch verstehen. Ich wäre schon interessiert daran, mehr oder weniger die Rolle des Therapeuten einzunehmen, konnte ich jetzt ohnehin nicht einschlafen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Mochte schon sein, dass es durchaus interessant sein konnte, meine Akte zu lesen. Jedenfalls für Jemanden, der sich ebenso für kriminelle Geschichten interessierte wie ich selbst auch. War sicher lustig zu merken, dass zwischendrin oft Lücken waren, die die Zusammenhänge nicht erschließen ließen, weil eine riesige Anzahl an Morden und auch anderen Geschäften meinerseits ganz einfach nicht bei der Polizei bekannt waren. War zwar vermutlich keine gute Lektüre zum Einschlafen, enthielt der eine oder andere Artikel ganz sicher auch unschöne Fotos, aber gut, das war nicht mein Problem. "Jaja, spannender als jeder Film, ich weiß schon.", meinte ich dazu nur ein wenig trocken. Mein Lebensstil war nunmal extrem, das würde ich gar nicht abstreiten wollen. Ich mochte es ja so, wie es war, auch wenn das für den Kopf langfristig genauso ungesund sein dürfte, wie die ursprüngliche Baustelle. Immerhin erwähnte Cosma dann, dass sie die ganzen Geschichten über meine Wenigkeit für sich behalten und nicht gleich in die Welt hinaus schreien würde. "Gut.", war aber Alles, was ich dazu noch zu sagen vermochte. Wenn sie ihre Meinung änderte, dieses Versprechen brach, wäre ich nämlich zum Handeln gezwungen. Ich konnte es weiterhin nicht riskieren, dem Gegner zu viel über meine eigene Person preis zu geben. Das war einer der wichtigsten Punkte beim kriminell sein - niemals Irgendwem vertrauen und erst recht Nichts erzählen. Nachdem ich der jungen Frau aber vor kurzem erst das Leben gerettet hatte würde sie kaum so dumm sein und es sich durch solch eine Aktion wieder nehmen, oder? Vermutlich nicht, ich konnte Nichts als darauf zu hoffen. Eigentlich wollte ich sie nämlich nicht killen müssen. Auf ihre folgenden Worte hin seufzte ich leise. Es mochte ja sein, dass ich ein bisschen... kaputt im Kopf war. Dass ich deshalb anders tickte und anders gestrickt war, als die meisten Menschen. Auch, dass ich es wahrscheinlich nicht ewig weiter in mich hinein fressen konnte, ohne letzten Endes an einer Überdosis oder einer Alkoholvergiftung zu sterben. Aber es war so unfassbar schwer für mich das Alles mal loszulassen, weil es mich verletzlich machte. Ich bot damit Angriffsfläche, die ich nicht haben wollte. Die man gegen mich verwenden konnte. Dass es vielleicht auch Leute gab wo das nicht so war, die mir womöglich wirklich nur helfen wollten, das sah ich in der Angst davor gar nicht. Niemandem wirklich vertrauen zu können machte auf Dauer jedoch auch unfassbar müde... wie so oft, wenn ich gedanklich mit meiner eigenen Person stritt, ließ ich erst einmal noch einen weiteren Schluck des klaren Alkohols meine Kehle runterfließen, auch wenn es dieses mal nur ein gemäßigter, kleinerer war als zuvor. Alkohol war zwar eigentlich keine gute Lösung, aber er entspannte mich zumindest ein wenig. Ebnete vielleicht ein Stück weit den Weg für ein Gespräch wie dieses. "Ich kann nicht einfach... Irgendwem aus dem Nichts meine Probleme stecken. Erst recht nicht irgendeinem Psychologen oder so.", stellte ich leise vor mich hin gemurmelt fest und lehnte den Hinterkopf mit geschlossenen Augen an die nicht mehr ganz weiße Wand hinter mir. Waren alle Idioten, wenn man mich fragte. Behandelten jeden ihrer Patienten nach dem gleichen Schema und hatten meistens selbst ordentlich einen an der Klatsche. "Es fällt mir sowieso so schwer, überhaupt Irgendjemandem zu vertrauen..", fügte ich noch etwas leiser ein paar weitere Worte an, die wohl ein weiteres meiner größten psychisch belastenden Probleme offenbarten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Und das konnte ich bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehen. Ich selbst vertraute nur einer Hand voll Personen, aber das reichte ja auch schon. Niemand erwartete, dass Hunter sich mit der ganzen Welt anfreundete, aber sehnte er sich nicht auch manchmal nach jemanden, wo er einfach mal los lassen konnte? Es musste ja nicht einmal eine Beziehung oder etwas derartiges sein. Richie und ich schafften es auch, für einander da zu sein, ohne gemeinsam ins Bett zu steigen. Möglichkeiten gab es da viele. Es lag jetzt einzig und alleine an ihm, sich für die, in seinen Augen, richtige zu entscheiden. Vorausgesetzt er legte Wert darauf, noch etwas länger als vier oder fünf Jahre zu leben, denn viel mehr Zeit gab ich ihm nicht, wenn er diese Probleme schon so lange mit sich herum trug und keinen Eingeweihten hatte, der ihm einen Teil der Last abnahm. Denn so wie ich das sah, griff er, sobald es um dieses Thema ging, ganz gerne zum Schnaps oder aber Härterem - nahm er doch auch jetzt wieder einen Schluck vom Vodka, um sich weiter zu betäuben - und auf kurz oder lang würde seine Leber die Grätsche machen. Nicht auszudenken, welchen anderen Gefahren er unter Drogen- oder Alkoholeinfluss ausgesetzt war. Vielleicht nicht unbedingt, wenn er nur ein paar wenige Schlucke nahm, aber wenn er allein war und sich eingehend mit sich selbst beschäftigte, würde es wohl nicht lange dabei bleiben. Und dann war er zumindest schon mal leichtere Beute für all diejenigen, die ihm nach seinem Leben trachteten. Warum ich mir darüber Gedanken machte? Keine Ahnung, aber irgendwie schweiften meine Gedanken kurzzeitig einfach in diese Richtung ab. Erst als Hunter zu reden aufgehört hatte, war ich wieder im hier und jetzt, weil es nun an der Zeit war, auf seine Aussage etwas zu erwidern. "Es muss ja kein Psychologe sein.", äußerte ich mit einem leichten Schulterzucken. Ich war auch kein großer Freund von Leuten, die der Meinung waren, anderen die schöne heile Welt vorzuspielen, während sie selbst bis zum Hals in der Scheiße steckten. Diese Art von Doppelmoral würde wohl auch bei mir eine immerwährende Blockade gegenüber dieser Person hegen und entsprechend wenig würde so jemand Informationen aus mir heraus bekommen. Aber wie ich bereits erwähnt hatte, gab es ja auch noch andere Türen, die ihm auch in seiner jetzigen Situation - was Polizei und Co. anging - offen standen. Nur wusste ich nicht, wie ich ihm diese aufzeigen konnte. Denn eigentlich musste er selbst darauf kommen, so richtig helfen konnte ich ihm in der Hinsicht wirklich nicht. "Dass es schwer ist, jemanden zu vertrauen, weiß ich, Hunter. Aber du gehst früher oder später dabei drauf, diese Geschichte weiter in dich hinein zu fressen. Ich meine, ich kann dich zu nichts zwingen, aber ich kenne jetzt schon einen Teil vom großen Ganzen. Und ich bin auch bereit, alles, was nicht in den Akten steht, für mich zu behalten." Ich war kein Samariter, kein Sozialarbeiter und kein Psychologe, hatte streng genommen nicht einmal ein Grund, ihm dieses Angebot zu unterbreiten. Erst recht nicht nach den etlichen gemeinen Worten, die er mir an den Kopf geschmissen hatte, von den körperlichen Übergriffen mal ganz abgesehen, aber es fühlte sich trotzdem irgendwie... richtig an. Nicht nur, dass meine Neugier gestillt werden würde, vielleicht wäre der Amerikaner dann auch weniger launisch, wenn es wenigstens einen Menschen in seinem Leben gab, der seine Handlungen und Taten auf einen Grund zurück führen konnte. Und wenn ich jetzt schon mal hier war, nicht schlafen konnte und definitiv wach und klar genug für solche Gespräche war... warum nicht? "Und wenn es dir etwas die... Angst oder die Sorge nimmt, bin ich auch gerne bereit, dir etwas über mich zu erzählen.", fügte ich hinzu. Viel gab es da zwar nicht zu wissen, weshalb ich auch wirklich kein Problem damit hatte, über Familie und verflossene Beziehungen zu reden, aber sollte er Interesse an einem fairen Tausch haben, dann wusste er, dass es an mir nicht scheitern sollte.
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