Auf Sydneys Worte hin nickte ich erst einmal nur noch. Je früher wir hier weg kamen und eine neue Bleibe gefunden hatten, desto besser. Jetzt schon einmal anzufangen ein paar Sachen zusammen zu packen konnte demnach also kaum verkehrt sein und dazu stand sie mir dabei weder im Weg, noch ging sie mir auf die stark strapazierten Nerven, während ich Hunters Nummer wählte. Ich zögerte gar nicht ihn nach knapper Beschreibung der Situation auch danach zu fragen, ob er vielleicht für ein paar Tage, bis etwas Anderes verfügbar und ausfindig gemacht worden war, auch ein Dach über dem Kopf für uns hatte. Zwar fiel seine Antwort ernüchternd aus, aber es war sicher besser mit ein paar seiner Schlägern zusammen zu wohnen, als draußen in der Kälte oder in einem Drogenlabor nächtigen zu müssen. Sofern wir beim Schlafen unsere Ruhe hatten und eine Dusche vorhanden war, würde das sicher halb so schlimm werden. Ich glaubte nicht, dass sie es wagen würden mir auf der Nase herum zu tanzen, wo ich sie doch schonmal für ein paar Wochen von oben herab dirigiert hatte. Wenn doch, dann würden sie schon sehen, was sie davon hatten. Als Sydney dann zurück in den Küchenbereich kam schien für unseren Kollegen auf dem Boden die Stunde der Wahrheit gekommen zu sein. Denn sehr zum allgemeinen Missfallen wurde Michael langsam wieder wach und das war wohl sein endgültiges Todesurteil. Ehrlich gesagt war ich froh darum, dass Sydney das gerne selbst erledigen wollte. Es war nicht so, als wäre ich mir inzwischen zu fein dafür, mir Blut an die eigenen Hände zu schmieren, ich wollte es nur schlicht so weit wie möglich umgehen. Gerade bei Leuten, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Ohne etwas dazu zu sagen nahm ich die Waffe des Polizisten mit der linken Hand wieder von der Tischkante und drückte sie im Vorbeigehen der Brünetten in die Hand, hielt dabei kurz inne. "Hunter hat was für uns.", setzte ich sie lediglich kurz ins Bild, bevor ich sie mit dem Problem am Boden allein ließ. Sie würde es ganz sicher auf die Reihe kriegen, einen halb toten Mann gezielt zu erschießen und in der Zwischenzeit ging ich ebenfalls in meinen privaten Bereich, um doch ein paar Sachen zusammen zu kramen. Ich hatte seit ich mein Heimatland verlassen hatte ohnehin nicht mehr viel Zeug, das alles in eine Sporttasche zu quetschen war nicht allzu schwer. Während ich die Regale und meinen Nachttisch noch nach versteckten Messern abgraste, war zwischenzeitlich dann der erwartete Knall der Pistole zu hören. Aber er ließ mich nicht einmal zucken, war er doch nur zu vorhersehbar gewesen und ich hatte Derartiges nun wirklich schon zu genüge gehört. Ich hatte mich auch noch schnell umgezogen und als ich schließlich mit meinem Kram aus dem Schlafzimmer kam, klingelte es postwendend an der Haustür. Dieses Mal wusste ich allerdings wer da stehen würde und kontrollierte das nur mit einem kurzen Blick durch den Türspion, bevor ich Hunters Handlanger rein ließ, der zuvor die umliegenden Straßen im Auge behalten hatte. Er hatte den Wagen dicht am Eingang geparkt, würde sich der Leiche annehmen. Sein Gesicht hatte ich erst ein oder zwei Mal gesehen, aber er würde schon wissen, was er tat, andernfalls hätte Hunter ihn sicher schon aussortiert. Er hieß Jason, wenn mich nicht alles täuschte. Ich bedeutete dem Kerl mit glatt rasiertem Kopf die Richtung zur Küche, die er kurz darauf auch schon mit Plane unter dem Arm einschlug, während ich meine eigene, gepackte Tasche unverzüglich nach draußen auf den Rücksitz brachte - der Kofferraum würde ja anderweitig belegt sein. Allerdings würde er den Typen wohl kaum allein tragen können, weshalb ich danach auch gleich wieder rein ging.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dass sich Sabin direkt aus der Küche zurück zog, nachdem er mir Michaels Dienstwaffe in die Hand gedrückt hatte, machte mir die folgenden zehn Minuten zumindest ein wenig leichter. Immerhin guckte mir dabei dann niemand auf die Finger oder verurteilte mich dafür, dass ich mich noch einmal neben den langsam wieder zu sich kommenden Körper kniete und inständig um Vergebung bat. Ferner bedankte ich mich bei meinem Arbeitskollegen für die schöne Zeit, wünschte seiner Familie alles Gute und verabschiedete ihn schließlich, bevor ich den Lauf der Pistole an seinen Kopf drückte. Ich war froh, dass er noch insoweit betäubt war, dass weder Sprechen, noch das Drehen des Kopfes möglich war. Andernfalls hätte ich vielleicht doch noch die ein oder andere Träne vergossen, die ich im Moment noch ganz gut zurück halten konnte. Leicht fiel es mir zwar nicht, einen Unschuldigen zu erschießen, weshalb ich beim Abdrücken auch die Augen geschlossen hatte, damit ich ihn dabei nicht ansehen musste, aber ich weinte nicht. Die einzige Flüssigkeit, die schimmernd von meiner Haut und meinen Wimpern perlte, war Michaels Blut, welches mir beim Einschuss in die Schädeldecke entgegen gespritzt war. Ich ließ mir mehr Zeit, als nötig war, um die Lider wieder aufzuschlagen und auf den mittlerweile leblosen Körper herab zu sehen. Leise seufzend richtete ich mich wieder auf, rieb mir mit dem Ärmel des rechten Arms über das mit Blut besudelte Gesicht. Damit verwischte ich zwar nur die einzelnen Tropfen zu einem großen Ganzen, aber das war mir reichlich egal. Genau so, wie mir ... alles andere ebenfalls egal war. Mich interessierte es schlichtweg nicht, was jetzt passierte. Schlimmer werden, als einen ehemaligen guten Freund erschießen zu müssen, konnte es nicht werden. Vollkommen ausdruckslos hatte ich die Tasche vom Stuhl gefischt, sie geschultert und war, die Waffe noch immer mit einer Hand fest umklammert, in den Flur gelaufen, wo Sabin nur wenige Sekunden nach dem Klingeln der Haustür Hunters Handlanger herein gelassen hatte. Dieser schob sich auch prompt mit einer Plane unter den Arm geklemmt an mir vorbei, um sich der Leiche anzunehmen. Nachdem Sabin vor der Haustür seine Sachen auf der Rückbank verstaut hatte, tat ich es ihm gleich. Allerdings setzte ich mich danach direkt zu unserem Gepäck ins Auto, folgte ihm nicht noch einmal nach drinnen. Weil ich ohnehin nur im Weg gestanden hätte, konnte ich mir den erneuten Anblick meines Opfers auch sparen. Ich kauerte mich also neben den Taschen auf die Rückbank, legte die Waffe auf meinem Schoß ab und zog nach dem Einsteigen mit etwas zu viel Schwung die Tür zurück in ihre Fassung. Und dann saß ich da. Schweigend, nur geradeaus nach draußen starrend, dazu kurzzeitig in absoluter Stille, was mir gar nicht gut bekam. Ich fing augenblicklich an, darüber nachzudenken, wie sich Michaels Frau Sorgen machte und seine Tochter sich zu fragen begann, warum ihr Papa nicht mehr wieder kommen würde. Herz zerreißend dieser Gedanke, aber Gott sei Dank sollte ich ja nicht allzu lange alleine bleiben. Sabin und Hunters Schoßhund verloren nämlich keine Zeit, den leblosen Körper in die Plane zu wickeln und sie im Anschluss daran im Kofferraum der relativ geräumigen Limousine zu verstauen. Nur wenige Minuten später startete auch schon der Motor und der Wagen entfernte sich zunehmend weiter von unserer einstigen Bleibe. Anstatt einen wehleidigen Blick nach hinten aus dem Fenster zu werfen und der Vergangenheit hinterher zu trauern, hatte ich die Arme nachdenklich vor der Brust verschränkt. Den Blick stur aus dem Fenster zu meiner Rechten gerichtet. Ohne ein wirkliches Ziel zu verfolgen, beobachtete ich die vorbeiziehenden Gebäude und Bäume, die Passanten, als wir eine kurze Strecke durch die Innenstadt passierten. Wortlos, wohlgemerkt. Ich hatte weder Lust, mich groß darüber zu unterhalten, noch war es mir egal, wo es denn jetzt für uns hin ging. Mir war nur wichtig, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben und laut Sabins vorheriger Aussage hatte sich mein ehemaliger Klassenkamerad schon etwas einfallen lassen. Es bedurfte daher keine weitere Konversation, bis wir unser angepeiltes Ziel schließlich erreicht hatten. Keine Ahnung, wo wir uns hier befanden, aber ich hoffte, dass unsere Absteige mal mindestens über eine Badewanne oder zumindest eine Dusche verfügte. So langsam begann nämlich das Blut in meinem Gesicht zu trocknen und das war, gelinde gesagt, kein schönes Gefühl.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich sah mir die Leiche nicht einmal richtig an, während Jason dabei war die Plane zu platzieren. Michael war eben leider nicht der erste Cop, den ich im übertragenen Sinne begraben musste. Wortwörtlich begraben wurde nur selten mal Jemand, waren Leichen dahingehend doch von Hunden nicht schwer aufzuspüren, wenn sie gezielt darauf angesetzt wurden. Der reglose Körper war bald auf und in der Plane abgeladen, ordnungsgemäß verpackt und wurde schon kurz darauf von mir an der einen Seite getragen, um erfolgreich ohne unschöne Blicke von außen in den Kofferraum verfrachtet zu werden. Selbst, wenn uns Jemand sah, war mir das relativ gleichgültig. So oder so hatten Zeugen den Schuss gehört, die Bullen tauchten hier also ohnehin zeitnah auf und wenn dann keine Sau mehr hier war, lag der Verdacht bei circa einhundert Prozent. Also machten wir uns mit der Leiche im Kofferraum ohne Umschweife auf den Weg. Ich fragte Jason ob Hunter ihm gesagt hatte, wo er uns absetzen sollte, bevor er sich um den toten Kerl im Kofferraum kümmerte und er nickte bestätigend, unterstrich die Geste noch mit einem knappen "Ja.". Ich konnte den Rest der Fahrt also schweigsam verbringen, wo mir doch ohnehin wenig nach Reden zu Mute war. In meinem Kopf spielten sich derweil alle möglichen Folgeszenarien des Mordes ab und ich versuchte schon jetzt für jegliche Variablen mögliche Lösungen zu finden, obwohl das im Voraus kaum möglich war. Ich ärgerte mich so unheimlich, weil es ganz einfach nicht notwendig gewesen war. Aber klar, wenn man sich zu sehr auf der sicheren Seite fühlte, wurde man oft leichtsinnig. Ein zweites Mal passieren würde mir das jetzt ganz sicher nicht mehr. Wir kamen schließlich an der von außen nicht besonders neuwertig aussehenden Immobilie an, die eher am Rand der Stadt lag. Jason war nach dem Ausladen unseres Gepäcks nach einem letzten Kontrollblick in meine Richtung auch schon weg und ich besah mir das zweistöckige Einfamilienhaus genauer. Der Putz an den Wänden blätterte langsam ab und der Lack an den Fenstern ebenso. Aber gut, wählerisch sein war wohl nicht drin. Als ich letzten Endes gefolgt vom weiblichen Anhängsel den kurzen Weg zur Haustür hoch ging und klingeln wollte, ging die Tür schon auf - Hunter hatte augenscheinlich auch hier Bescheid gesagt. Björn zog die Tür auf und bat uns herein. Erstaunlicherweise wirkte die Bude im Inneren nicht halb so runter gekommen wie von außen. Wider Erwarten schien vor nicht allzu langer Zeit mal renoviert worden zu sein und es war jetzt zwar nicht hochgradig ordentlich oder penibel sauber - Verbrecher hatten im Gegensatz zu mir in den meisten Fällen wenig Lust darauf das Haus sauber zu halten -, aber von einer Bruchbude war es trotzdem weit entfernt. Der junge Mann, der gerade erst die 20 geknackt haben dürfte, zeigte uns im Eilverfahren Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss, auch die Toilette und das Badezimmer unten, wobei sich oben wohl weitere sanitäre Anlagen befanden. Er wohnte hier nach eigener Aussage noch mit drei anderen von Hunters Handlangern, die aber zum jetzigen Zeitpunkt alle unterwegs zu sein schienen. Zwei kleinere Schlafzimmer, eines davon Björns, lagen noch im geräumigen Erdgeschoss und drei weitere oben. Allerdings klingelte da dann auch der Haken an der eigentlich ganz passablen Behausung - fünf Schlafzimmer, abzüglich vier Bewohnern, machten nur ein übriges aus. Das Sofa im Wohnzimmer war zwar jetzt nicht klein, aber ich hatte trotzdem reichlich wenig Lust darauf mir derart wenig Privatsphäre anzutun. Sydney vermutlich genauso wenig. Ich ließ meinen Krempel erst einmal im Flur stehen und folgte dem jungen Mann nach einem kurzen Blick zu der Brünetten nach oben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch die winzige Hoffnung auf ein Zweibettzimmer. Obgleich der Raum, den der Blonde uns dann präsentierte, auch recht geräumig sein mochte - Bett hatte er trotzdem nur eins. Ein großes, aber eben nur eins, weshalb ich tief seufzte. Ein einziger Lichtblick an diesem beschissenen Nachmittag war vermutlich zu viel verlangt. Andererseits war es eben auch nicht meine Art die junge Frau einfach so, weil ich in diesem Metier nun mal zweifelsfrei über ihr stand, auf die Couch ins öffentliche Wohnzimmer zu verdonnern. Das war in einer mit Männern vollgestopften Bude einfach nicht die feine, englische - oder eben italienische - Art. "Also schön... wie regeln wir das jetzt?", stellte ich der ehemaligen Polizistin also möglichst neutral klingend die anstehende Frage, obwohl meine Laune weiterhin angekratzt blieb. Dennoch sah ich sie relativ ruhig an, während Björn den Raum verließ und uns allein ließ. Sie traf an der ganzen Sache hier ja nicht allein Schuld, es wäre also ganz einfach nicht fair meine schlechte Laune gänzlich an ihr auszulassen.
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Noch während der Fahrt zu unserer neuen Bleibe, sandte ich einen stummen Dank an den Herren, dass ganz offensichtlich auch kein anderer in diesem Auto hier Interesse daran hatte, eine Konversation zu starten. Nach einem knappen Wortwechsel ganz zu Anfang unserer Reise war dann auch Sense gewesen, was mich auf der einen Seite verwunderte, auf der anderen dann aber wieder doch nicht. Grundlegend konnte man sagen, dass ich von Hunters Laufburschen hinsichtlich zwischenmenschlicher Kommunikation echt nicht viel erwartete. Diejenigen, die ich bis jetzt hatte kennen lernen dürfen, setzten alleine schon mit ihrem Optischen ein Statement. Die überwiegend schwarzen Jeans und weiten Hoodies schienen bei den Jungs wirklich im Trend zu liegen und vermittelten vor allem in den Abendstunden das unmissverständliche Signal, von niemanden angesprochen werden zu wollen. Zudem überlegte man sich zwei Mal, ob die Abkürzung durch den Park wirklich eine gute Idee war, wenn man einen der Handlanger mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze an den Fersen hängen hatte. Long story short wirkte Hunters Gefolge nie sonderlich gesprächig, ich hatte also nicht erwartet, dass gerade Jason sich auf der Fahrt an den Rand der Stadt zu Wort meldete. Viel eher war ich davon ausgegangen, dass Sabin seinem Frust und Ärger noch weiter Luft machen wollte und mit Anschuldigungen und Vorwürfen nur so um sich schmiss. Aber überraschenderweise hielt auch er die Füße still. Zumindest so lange, bis wir vor einem etwas marode wirkenden Gebäude anhielten und der Motor abgeschaltet wurde. Wir waren also am Ziel angekommen. Noch bevor ich die hintere Beifahrertür öffnete, prüfte ich mit einem knappen Rundum Blick, ob wir denn auch wirklich alleine - oder zumindest ungestört - waren. Nicht, dass es in der Gegend wirklich aufgefallen wäre, wenn jemand mit Blut verschmierten Gesicht durch die Gassen zog, aber man musste ja nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als nötig. Außerdem waren wir gerade zu Stoßzeiten unterwegs, sowohl was legale Arbeiter anbelangte, als auch Kleinkriminelle und Schwerverbrecher. Die einen machten gerade Feierabend und waren auf dem Weg nach Hause, während die anderen im Schutze der Dämmerung zu ihrer Schicht aufbrachen. Glücklicherweise lag die Bruchbude aber so weit abgelegen, dass die Gässchen in keine Hauptzufahrtsstraße einmündeten und somit entsprechend nur sehr wenig los war. Ich konnte also ganz beruhigt aussteigen, meinen Rucksack über die Schulter werfen und die Knarre, an der ich die Fahrt über immer mal wieder geistesabwesend herum gefummelt hatte, in meinem Hosenbund verstauen. Der Höflichkeit halber - ich war schließlich gut erzogen - hatte ich Jason noch mit ein paar knappen Worten verabschiedet, ehe ich zu Sabin an der Eingangstür aufschloss. Weil ich der Limousine noch einen Augenblick nachsah, zuckte ich vor Schreck beinahe zusammen, als ohne Weiteres die Tür vor unserer Nase aufschlug und uns ein junger Mann mit aschblondem Haar nach drinnen bat. Auch ihn begrüßte ich nur relativ knapp, war gedanklich noch immer ganz woanders, als er nach kurzer Selbstfindungsphase anfing, uns über den Schnitt der Wohnung aufzuklären, wo wir Küche und Bad fanden und welche der gefühlt tausend Zimmer belegt waren... An dem Punkt musste ich ja gestehen, dass die Einrichtung, so knapp ich sie mir angesehen hatte, gar nicht mal schlecht war. Von einer WG bestehend aus mehreren kriminellen Männern hatte ich Einrichtungstechnisch echt etwas ganz anderes erwartet. Dennoch konnte Björn nicht mehr als ein Ahh oder Mhm als meine Reaktion erwarten, denn so nett die Roomtour auch gemeint war, fand ich sie schlicht unnötig. Wenn ich etwas gezielt suchte, dann würde ich es früher oder später auch finden und wenn nicht, hatte mir Gott einen Mund zum Reden gegeben. Ergo, konnte ich einfach nachfragen. Aber gut, wenn er Spaß daran hatte, wegen mir. Sollte er den Drang, seinem jugendlichen Elan freien Lauf zu lassen ruhig nachgeben, ich nahm den Input sowieso nur beiläufig, eher halbherzig auf. Erst als wir ein paar Treppenstufen erklommen hatten, um uns wenig später in einem geräumigen, unbewohnt aussehenden Zimmer wiederzufinden, wurde ich langsam etwas ... wacher. Mein Blick, mit dem ich das Zimmer, welches für die nächste Zeit ganz offensichtlich unseres sein würde, in Augenschein nahm, war deutlich klarer als noch vor einigen Minuten und auch meine Auffassungsgabe schien wieder etwas besser zu funktionieren. Es entging mir nämlich keineswegs, dass dieses Zimmer irgendwie nicht so aussah, als wäre es ursprünglich für zwei Personen eingerichtet wurden. Ein leises Seufzen, sowohl von mir, als auch von dem Italiener, sollten Björn ganz deutlich signalisieren, dass uns ein Zweibettzimmer definitiv lieber gewesen wäre, aber wir befanden uns gerade nicht einmal im Ansatz in der Position, Anforderungen zu stellen. Zudem gab es wirklich Schlimmeres und ich war einfach nur dankbar, dass Hunter auf die Schnelle überhaupt etwas organisiert bekommen hatte. Wir würden also schon eine Lösung finden, sich mit dem Umstand irgendwie zu arrangieren. Fürs Erste stellte ich jedenfalls meine Tasche, die ich unterbewusst die Treppe mit nach oben geschleppt hatte, auf dem Bett ab, um beide Arme problemlos in die Hüfte stützen und Sabin direkt ansehen zu können, als er sein Wort an mich richtete. Ja, wie regelten wir das denn? Gute Frage eigentlich. Wobei diese sich zumindest von meiner Seite aus sehr leicht beantworten lassen sollte. "Ich lasse mich lieber von deinem unsagbar lauten Schnarchen in den Schlaf wiegen, als auf dem Boden oder inmitten von vier, mir völlig Fremden, Männern auf der Couch zu pennen. Wenn's dir also nichts ausmacht, schlafe ich an der Wand.", antwortete ich mit einem leicht ironischen Unterton. Zudem zierte seit Langem mal wieder ein schwaches Grinsen meine Lippen, als ich mich schließlich etwas nachdenklich am Kopf kratzte. Wo genau war noch mal das Badezimmer gewesen? Eventuell hätte ich zumindest die sanitären Anlagen betreffend zuhören sollen.
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Warte... was? Also ich hatte tatsächlich mit Vielem gerechnet. Auch mit einem fürchterlichen Aufstand bezüglich der Schlafplatzverteilung. Aber nicht wirklich damit, dass Sydney freiwillig mit mir in einem Bett schlief. Ich meine, ja, es war locker genug Platz für zwei Personen auf der Matratze und im Grunde war ja auch nicht wirklich was dabei. Wir kannten uns nun zwangsweise schon eine ganze Weile und wenn ich sie belästigen oder ihr gar an die Wäsche wollen würde, dann hätte sie davon ganz sicher schon etwas gemerkt. Was jetzt nicht heißen sollte, dass sie irgendwie abstoßend war, nur auf den ersten Blick auf jeden Fall nicht so ganz mein Typ. Trotzdem war es doch ein wenig ungewohnt, sie jetzt einfach mit einem derartigen Vorschlag um die Ecke kommen zu sehen, wo sie doch so lange das hochgradig spießige, amerikanische Weibsbild mit Bullenmarke verkörpert hatte. Es war ganz einfach ungewohnt und ich kannte das so nicht von ihr. Dementsprechend musste ich die Brünette wohl auch einen kurzen Moment lang ziemlich verdutzt angesehen haben. Hatte unbewusst wieder die rechte Augenbraue leicht angehoben und musterte sie eine halbe Minute lang, als wollte ich damit sicher gehen, dass sie mich hier nicht verarschen wollte. Dann aber zuckte ich ein wenig mit den leicht verspannten Schultern und sah noch einmal in Richtung des Betts. "Okay, von mir aus.", gab ich dann, obwohl das inzwischen sicher ziemlich überflüssig war, noch ein paar einwilligende Worte von mir und raufte mir die Haare, versuchte die angespannte Kopfhaut dadurch ein wenig zu beruhigen. Ich vermisste des Massagesessel aus meiner Villa, der mir unproblematisch den ganzen Rücken und Nacken regelmäßig durchgeknetet hatte, genauso wie die hauseigene Saune mit Glaswand, die mir einen herrlichen Ausblick über die bewaldeten Hügel gegeben hatte. Spätestens jetzt, wo innerhalb kürzester Zeit die Bullen wieder aktiv auf der Suche nach mir - uns - sein würden, konnte ich mir einen Spa-Besuch aber wohl komplett abschminken. Luxusprobleme, aber hin und wieder brauchte ich das einfach, war es eigentlich gewohnt und ohne fühlte ich mich nach einer Weile wie ungefähr 40... oder doch eher schon 50. Nachdem die Schlafsituation nun geklärt schien wandte ich mich noch einmal von Sydney ab und holte innerhalb kurzer Zeit meinen Kram ins Zimmer. Zwar war momentan Niemand Zuhause, aber wenn doch wer kam traute ich es den Idioten ja doch zu, dass sie auf die dumme Idee kämen mir irgendwas zu klauen. Auch, wenn es nüchtern betrachtet nicht viel zu klauen gab. Die Kopfhörer und das selten notwendige Zweithandy vielleicht, aber ansonsten war da Nichts. Ich besah mir erst einmal den nicht allzu groß geratenen Kleiderschrank, weil ich es ganz einfach hasste aus der Tasche zu leben und noch dazu entwickelte man als Kerl mit Kind irgendwann einfach einen leichten... Ordnungsfimmel. Also verstaute ich in der einen Hälfte des Schranks grob sortiert meine Klamotten, was allerdings nicht wirklich viel Zeit in Anspruch nahm. Wie gesagt, viel hatte ich nicht mehr.
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Wäre der Umstand, unter dem wir hier untertauchen mussten, nicht ganz so ernst, hätte ich jetzt wohl amüsiert losgelacht. Sabins Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte ich nämlich gerade versucht, ihm die Relativitätstheorie zu erklären und zwar auf chinesisch rückwärts. Ganz offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich überraschend wenig dagegen sträubte, mir mit ihm ein Bett teilen zu müssen. Nun, was sollte ich dazu sagen. Offiziell war ich nicht mehr verheiratet, musste mich dahingehend also schon mal nicht schlecht fühlen. Außerdem meinte ich das, was ich gesagt hatte, durchaus ernst. Es war mir zehn Mal lieber, mir ein Zimmer mit nur einem Bett mit jemanden zu teilen, den ich jetzt schon etwas länger kannte, als vollkommen schutzlos etlichen Fremden ausgeliefert zu sein. Mochten trotz ihrer kriminellen Hintergrundgeschichten vielleicht nette Typen sein, trauen tat ich ihnen trotzdem keinen Meter. Ich hatte sie ja noch nicht einmal kennengelernt! Und selbst wenn, hätte das wohl wenig bis gar nichts an dem Umstand geändert, dass ich lieber eine Tür hatte, die ich hinter mir zumachen konnte, so mit Schlüssel und allem. Vielleicht war ich da etwas zu paranoid, aber bevor man sich nicht etwas beschnuppert hatte, wollte ich niemanden mehr als nötig an meiner Privatsphäre teilhaben lassen. Und damit hatte sich das Thema für mich auch erledigt. Sabin gab dazu auch noch mal sein verbales Einverständnis, nachdem er sich aus seiner Schockstarre gelöst hatte und wandte sich dann ab, um seine Klamotten in einem der wenigen, zudem relativ kleinen Schränken zu verstauen. Ich tat es ihm gleich, nachdem ich Björn dann doch noch einmal gefragt hatte, wo sich denn das Bad befand. Er trat auf den Flur, aus dem wir gekommen waren und deutete an das andere Ende des Ganges, was ich mit einem leichten Nicken und einem Danke quittierte. Den Weg dahin würde ich wohl gerade noch so alleine bewältigen können. Ganz der freundliche Gastgeber fragte der junge Mann, als wir wieder im Zimmer angekommen waren, ob wir noch irgendwas Bestimmtes benötigten, was ich persönlich nur mit dem Kopf schüttelnd verneinte. Klamotten hatte ich genug einstecken, auch das ein oder andere Duschgel war mit in die Tasche gewandert, fürs Erste war ich somit bedient. Dass es Sabin im Moment auch nicht nach mehr als dem Nötigsten dürstete, nahm Björn schließlich zum Anlass, uns fürs Erste alleine zu lassen - uns ein wenig Ruhe zu gönnen. Als der Blonde das Zimmer verlassen hatte, krallte ich mir direkt ein paar meiner frischen Klamotten und verzog mich nach einer kurzen Information an meinen Mitbewohner dann ins Badezimmer. Ausruhen würde ich mich danach, aber ich wollte mich nicht mit Blut besudelt ins Bett legen. Stand mir eher weniger der Sinn danach. Nun ... die angepeilte Sanitäranlage war auch nicht unbedingt der neueste Standard, sah aber zum aktuellen Zeitpunkt trotzdem deutlich besser und aufgeräumter aus, als es das Bad in meinem ehemaligen Zuhause tat, wo neben den ganzen Hygieneartikel auch Spielzeuge immer wieder ihren Weg auf den Rand der Badewanne gefunden hatten. Mal eine Quietscheente, die beim Baden unbedingt dabei sein musste, an anderen Tagen dann der Teddy, der vom Toilettendeckel aus nach dem Rechten schaute. Alles in Allem konnte ich mich hier gerade nicht beschweren und wenn die restlichen Bewohner der WG nur halb so freundlich waren, wie Björn, dann sollte der Aufenthalt gar nicht so unangenehm werden, wie ich es mir auf der Fahrt hierher ausgemalt hatte. Vermutlich würde es aber noch eine ganze Weile dauern, bis man auch den Rest von Hunters Sippschaft zu Gesicht bekam. Schienen alle schwer beschäftigt zu sein. Bis dahin schüttelte ich den Gedanken erst einmal gänzlich ab und konzentrierte mich einzig und alleine darauf, mir die Klamotten vom Körper zu schälen und mich dann unter dem warmen Wasserstrahl der Dusche gründlichst von sämtlichen Blutspuren zu befreien. Ich ließ mich noch eine ganze Weile, ohne das es einen Sinn und Zweck gehabt hatte, von oben herab berieseln, bis ich die Körperpflege schließlich für abgeschlossen erklärte. Aus einem Schrank unter dem Waschbecken hatte ich mir ein Handtuch genommen, mit dem ich mich flüchtig abtrocknete und es schließlich dazu verwendete, meine Haare in eine Art Turban zu wickeln. Dann schlüpfte ich in die sauberen Klamotten und sammelte beim Verlassen des Badezimmers das teilweise mit Blut bespritzte T-Shirt und die Hose vom Boden auf. "Ich schätze, dass ich das irgendwo loswerden muss. Denke nicht, dass man das Blut da noch raus kriegt.", äußerte ich eine nachdenkliche Überlegung, als ich, das Handtuch immer noch auf dem Kopf tragend, zurück ins Schlafzimmer gestiefelt kam. Es war jetzt schon eine zu lange Zeit vergangen, in denen die Blutflecken nicht in kaltes Wasser eingelegt worden und vor sich hingetrocknet waren. Die Chancen, die Beweise einfach wegwaschen zu können, standen eher schlecht. Die Hose, sowie Unterwäsche und die Socken schmiss ich dafür in meinen ausgeräumten Rucksack, der fürs Erste meine eigene, kleine Wäschetonne darstellen würde. Apropos... besaßen die Jungs hier eine Waschmaschine oder musste sich hier jeder selber darum kümmern, dass man saubere Klamotten hatte, indem man einen regelmäßigen Besuch im Waschsalon antrat?
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Es verging eine halbe Ewigkeit, bis ich es schaffte mich halbwegs an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich Cosma inzwischen vielleicht ein wenig anders sah. Wahrscheinlich weil ich es nicht wahrhaben wollte. Ich nicht wusste, was ich davon halten sollte, dass sich mein Inneres doch nach all den Jahren in purer Einsamkeit vielleicht ein wenig nach Nähe sehnte. Nach Jemanden, mit dem ich mehr als nur den Fluchtwagen teilen konnte. Jeder Mensch kam vermutlich irgendwann an den Punkt, an dem er einsah, dass eine bessere Hälfte vielleicht gar nicht so verkehrt war. Dass eine One-Man-Show auf Dauer gesehen womöglich nicht die einzige oder gar beste Lösung war. Ich tat mir unheimlich schwer damit zu akzeptieren, dass Cosma es mit ihrer unfassbar sturen Art und Weise irgendwie zu schaffen schien Knöpfe in meinem Hirn zu drücken, von denen ich ehrlich gesagt nicht mal gedacht hatte, dass sie überhaupt vorhanden waren. Ob ich mich nun wirklich schon in sie verliebt hatte oder für sie schwärmte als wäre ich ein hormongesteuerter Teenager in der zehnten Klasse, das konnte ich selbst irgendwie nicht einschätzen. Einfach weil ich gar nicht wusste, wie sich sowas anfühlte, immerhin war mir sowas wie Liebe bis zu diesem Punkt vollkommen fremd. Aber ich wusste, dass ich sie mochte. Egal wie verkorkst und kalt sie manchmal war, sie hatte einfach diese... herrlich ehrliche Art. Natürlich trat sie damit dem einen oder anderen - auch mir - auf den Schlips, aber das war gut. Besser, als Lügen oder das Zurückhalten der eigentlichen Gedanken. Ich wusste gerne woran ich war und bei der jungen Frau war das zweifelsohne der Fall. Auch in der mir ach so wichtigen Loyalität punktete die Rothaarige, schien sie doch wirklich Niemandem Irgendwas von meiner Vergangenheit erzählt zu haben, obwohl ich dabei so skeptisch geblieben war. Vielleicht hatte sie auch ganz einfach recht damit, dass ich mich nicht immer so verkrampft an meinen Traumata festhalten konnte, ohne mir damit selbst im Weg zu stehen. Dass ich zumindest langsam damit anfangen sollte nicht mehr nur über meine Schultern, sondern auch geradeaus zu sehen. Da war ich nun also. Es konnten knapp vier Wochen gewesen sein, dass ich Cosma gesagt hatte, dass wir noch darüber reden würden. Seitdem hatte ich sie gemieden. Mich nicht bei ihr gemeldet oder vorbeigeschaut, Nichts. Vielleicht war es jetzt sowieso schon zu spät, um sie noch davon zu überzeugen, dass ich Interesse daran hatte sie vielleicht ein bisschen besser kennen zu lernen. Aber kampflos aufzugeben war bekanntlich nicht mein Ding, weshalb ich nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad herum tippend bald mit dem Wagen zum Stehen kam. Einen kurzen Moment lang blieb ich noch sitzen, atmete ein wenig tiefer durch. Warum machte ich mich eigentlich so verrückt? Viel mehr als ein Nein konnte ich doch nicht zu hören kriegen und dann würde ich eben so weiter machen wie vorher. Das hatte bisher auch funktioniert. Zu verlieren gab es im Grunde also nicht viel, oder? Fühlte sich irgendwie trotzdem so an. Ich nahm die etwas größere, schlicht weiße Papiertasche vom Beifahrersitz der schwarzen Limousine und stieg aus, drückte die Verriegelung am Schlüssel erst im Weggehen. Steuerte dann den Eingang zu ihrer Wohnung an, der wie so oft nicht abgeschlossen war. War ja auch noch nicht mitten in der Nacht, sondern lediglich gegen 17 Uhr. Da ich aus meiner eigenen Zeit in der Bar bestens wusste, wann der Ruhetag war, machte ich mir diesen heute zu Nutzen. Stand merkwürdig hibbelig vor der Wohnungstür der jungen Frau und drückte zögerlich auf die Klingel, bevor ich den nicht ganz zugeknöpften Kragen des schwarzen Hemds unter der Lederjacke ein wenig richtete. Und ja, ein Hemd. Wo ich doch ohnehin schon in der Stadt gewesen war, um das Kleid in der Tasche zu organisieren, das nach einer möglichst detaillierten Beschreibung Cosmas' der Verkäuferin gegenüber hoffentlich passte, hatte ich mich auch zu etwas anderem als Shirt und Hoodie überreden können. Zwar würde man mich wahrscheinlich in zwanzig Jahren noch nicht in einen richtigen Anzug kriegen, aber ein Hemd zu Jeans und schlicht schwarzen Sneakern war schonmal ein großer Fortschritt. Auch das allgemeine Schwarz war wohl schwer aus meinem Stil raus zu kriegen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Chernobyl, Satori oder doch lieber Neville? Nachdenklich griff ich nach dem ersten, etwa zehn mal zehn Zentimeter großen Päckchen mit den kostbaren Blüten. Neville. Eine halbe Minute lang begutachtete ich den Inhalt mit der verwaschen grünen Farbe, ehe ich es wieder zur Seite legte und mich stattdessen doch für ein anderes Behältnis entschied. Das deutlich gelber schimmernde Chernobyl Haze hatte mich ein Stück weit mehr angesprochen und so verräumte ich den Rest, der heute nicht mehr geraucht werden würde, wieder fein säuberlich in der kleinen Pappbox, die ihr Dasein für gewöhnlich am Kopfende unter meinem Bett fristete. Normalerweise hortete ich den Stoff eigentlich gar nicht in so großen Mengen, aber seitdem ich die letzten drei Wochen wieder etwas aktiver zum Joint griff und es auch nicht mehr bei nur einem am Tag beließ, sah ich es einfach nicht mehr ein, alle zwei Tage einkaufen gehen zu müssen. Da hatte ich lieber einen kleinen Vorrat und musste neben der Arbeit nur noch einmal die Woche los stiefeln, um aufzustocken. Dazu nutzte ich in der Regel den Ruhetag der Smith and Wesson. So also auch den heutigen. Ich trug die Schuhe noch an den Füßen und hatte die Jacke lediglich aufgeknöpft, als ich meine eingekauften Waren sicher verstaute, lediglich das auserwählte Päckchen noch bis in die Küche mit mir herum schleppte. Weil es sich dort sehr viel bequemer drehen bauen ließ, blieb ich gewöhnlicherweise auch einfach sitzen, rauchte dann eben in der Küche. Seitdem Hunter vor etwa vier Wochen aus meiner Wohnung getürmt war, kam das im Übrigen sehr oft vor. Grund dafür war nicht unbedingt das Gespräch, sondern viel eher sein - für mich gebrochenes - Versprechen, das wir darüber noch einmal reden würden. In der ersten Woche hatte ich ihm das, naiv wie ich war, natürlich abgekauft und daran geglaubt, dass er wirklich nur ein paar Tage Zeit brauchte, um sich zu sortieren. Ich hatte seine Entscheidung akzeptiert und angenommen, die Zeit ebenfalls genutzt, um etwas klarer im Kopf zu werden. Aber als er sich gen Ende der Woche immer noch nicht gemeldet hatte, verwarf ich den Gedanken an eine Aussprache schließlich wieder und konzentriere mich vermehrt auf meine eigenen Geschäfte. Ich sah es schlicht nicht ein, ihm hinter zu dackeln. Immerhin war er ein erwachsender Mann, der seine eigenen Entscheidungen immer noch am besten traf. Und wenn er der Meinung war, einfach gar nichts mehr von sich hören zu lassen, dann war das eben so. Musste ich mit leben, auch wenn es mir nicht wirklich schmeckte. Denn in der Zeit, wo zwischen uns Funkstille herrschte, hatte auch ich langsam aber sicher eingesehen, dass der Amerikaner doch den ein oder anderen Platz in meinem Herzen eingenommen hatte. Wie genau die sich jetzt definierten, konnte ich zwar noch nicht genau sagen, aber so viel war sicher: Einfach so im Regen stehen gelassen zu werden, hatte mir ein ziemlich schmerzhaftes Messer in den Rücken gerammt und mich für die kommenden Tage, Woche nur noch frustrierter und kälter werden lassen. Ganz die alten Muster sozusagen. Dass ich in Summe zwei meiner langjährigen Stammgäste vor die Tür gesetzt hatte, weil sie mir zwischenzeitlich nur noch auf die ohnehin schon strapazierten Nerven gegangen waren, war für mich ein weiteres Indiz, dass da von den Gefühlen her noch nicht alles geklärt war. Außerdem signalisierte es mir deutlich, dass ich definitiv wieder etwas ruhiger werden musste, wo sich schließlich das Marihuana wieder aktiv am Spiel beteiligte. Abhängig davon, wie der Tag so lief und wie oft ich Zeit hatte, in Gedanken zu versinken, rauchte ich an manchen Tagen nur zwei Joints - morgens und abends -, an anderen, an dem so ziemlich alles schief ging, was nur schief gehen konnte, dann auch schon mal drei oder vier. Davon einen morgens und abends und zwei jeweils während meiner Arbeitszeit. Gerade in der Zeit, als Sabin plötzlich nicht mehr in der Bar aufgetaucht war, lange ohne ein Wort verlauten zu lassen wohlgemerkt, kam ich aus dem high sein schon fast nicht mehr raus. Ich stand einfach unter Strom, auch wenn Tauren, nett wie er war, hier und da mal ausgeholfen hatte. Brachte mir nur leider nicht sehr viel, wenn es konstant so rappel voll war und ich gar nicht mehr zur Ruhe kam, weil ich weit mehr als nur diese eine Stunde Vorbereitungszeit brauchte. Die Schusswunde war weiterhin gut verheilt, schränkte mich aber nach wie vor an manch schweren Kisten ein und so musste ich die Flaschen einzeln nach vorne tragen. Da war ich am End wirklich froh, wenigstens einen Tag vollständig ausspannen zu können. Natürlich nicht, ohne mich wieder einmal in den Drogen zu verlieren, aber die Laune war schon eine ganz andere, wenn man wusste, dass man am Abend nicht noch einmal arbeiten gehen musste. Und da saß ich nun. Müde und ausgelaugt, weil gerade die letzten zwei Tage wirklich harter Tobak gewesen waren, mit schwarzen Augenringen bis zu den Knien. Zwar hatte ich die Nacht ausnahmsweise mal wieder recht gut geschlafen und auch verhältnismäßig lang, aber eine Nacht kompensierte nicht mehrere Wochen Dauerstress und Gefühlschaos. Noch nicht einmal Make-Up schaffte es da, die Anzeichen eines frühzeitigen Burn-Outs zu kaschieren. Jedenfalls hatte ich gerade die Tüte zwischen meine Lippen geklemmt und angesteckt, als es plötzlich an der Tür klingelte. Weil ich niemanden erwartete und mir auch spontan keiner einfiel, der etwas von mir wollen könnte, zog ich erst einmal misstrauisch die rechte Augenbraue nach oben. Dann nahm ich einen Zug von dem Zigaretten ähnlichen Glimmstängel und raffte mich auf die Beine. Eher zögerlich näherte ich mich der Eingangstür, für die ich mir schon so oft einen Spion gewünscht hatte, um ungebetene Gäste durch Früherkennung gar nicht erst in meine Bude zu lassen. Für das Klinke herunter drücken brauchte ich dann allerdings gar nicht mehr so lange, nur noch einen tiefen Atemzug und schon war es vollbracht. Und dann saß ich nicht mehr da, sondern stand. Noch immer müde, ausgelaugt und nicht zuletzt auch noch hochgradig verwirrt. Von all den Menschen, denen ich zugetraut hätte, mich jetzt besuchen zu kommen, war Hunter mit Abstand der letzte gewesen, den ich erwartet hatte. Noch eher hätte ich sogar damit gerechnet meine Mutter zu sehen, die sich in einer Kurzschlussreaktion mal wieder dazu entschlossen hatte, ohne ein Sterbenswörtchen in den Flieger zu steigen, um ihre Tochter zu besuchen. Aber nein... Entgegen aller Erwartungen besaß doch tatsächlich Hunter den Mut, mir unter die Augen zu treten. In den wenigen Sekunden, die ich ihn wortlos anstarrte, hatte ich überlegt, ob ich mich freuen oder ihm die Tür direkt wieder vor der Nase zuschlagen sollte, weil es in meinen Augen an Dreistigkeit gar nicht zu übertreffen gewesen war, dass er jetzt einfach so hier auftauchte, nachdem er es scheinbar die ganzen letzten Wochen nicht für nötig gehalten hatte, sich bei mir zu melden. Weil ich, anders als der junge Mann, allerdings dieses Sagen umwobende dazwischen beherrschte, tat ich einfach gar nichts von beidem. Ich schlug weder die Tür zurück ins Schloss, noch zeigte ich übermäßig Freude über seinen Besuch. Viel eher musterte ich ihn kurz etwas nachdenklich, abschätzend, wobei mir auffiel, dass er irgendwie ... anders aussah. Ob das jetzt nur an dem Hemd lag, welches er bis dato zumindest in meiner Gegenwart noch nie getragen hatte, oder ob es da noch etwas anderes gab, was sein Auftreten mir gegenüber ungewohnt machte, konnte ich allerdings nicht sagen. "Hey.", begrüßte ich ihn nach einer langen Zeit des Schweigens. Dabei war meine Stimme ruhig und neutral, nicht vorwurfsvoll oder dergleichen, obwohl ich dazu wohl jedes Recht gehabt hätte. "Komm' ruhig rein.", hängte ich noch ein paar Worte hinten dran und wandte währenddessen schon von der Tür ab. Sollte er nämlich aus dem einzig rationalen Grund, der mir spontan in den Kopf schoss, gekommen sein, dann mussten das nicht auch noch die Nachbarn mitbekommen. Außerdem glimmte in der linken Hand noch immer meine Tüte vor sich hin, die auch nicht unbedingt jeder sehen musste, zudem verflüchtigte sich der penetrante Geruch von Gras ins Treppenhaus und lenkte nicht weniger Aufmerksamkeit darauf, dass hier im Haus jemand ganz offensichtlich nicht besonders legale Drogen konsumierte. Es war mir also nur lieb, dass er rein kam und die Tür hinter sich schloss. Auch wenn Hunters Gegenwart mir jetzt schon Unwohlsein bereitete...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es verging schon eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Tür überhaupt öffnete und kurzzeitig war ich versucht einfach auf dem Absatz Kehrt zu machen und wieder zu gehen. Vielleicht war das hier einfach eine komplett bescheuerte Idee und ich machte mir nur selbst etwas vor. Dass Cosma die Tür zwar auf machte, aber ziemlich lang einfach gar nichts sagte, bestätigte mich im ersten Moment nur darin und ich sah sie fast ein wenig unsicher an. Zugehen tat die Tür aber trotzdem nicht wieder, die junge Frau schien sich nur furchtbar unschlüssig darüber zu sein, was sie nun tun sollte. Es glich purer Folter, bis sie dann endlich eine Begrüßung aussprach und mir damit zumindest ein kleiner Teil des Gewichts von den angespannten Schultern genommen wurde. Jedoch blieben mir tatsächlich irgendwie jegliche Worte im Hals stecken, bis sie sich auch schon wieder umdrehte und mich kurz zuvor herein bat. Einen kurzen Moment lang stand ich da noch wie angewurzelt, dann kam aber langsam wieder Leben in mich und ich trat ein, nur um die Tür kurz darauf hinter mir zuzuschieben. Was wollte ich eigentlich genau sagen? Alles, was ich mir vorher grob im Kopf zurecht gelegt hatte, schien in diesem Augenblick wie weggeblasen, als ich der Rothaarigen bis in die Küche folgte. Der Geruch des Marihuanas entging mich nicht, wunderte mich aber auch nicht sonderlich. Einfach weil ich wusste, dass Cosma nicht selten geraucht hatte bevor wir in die andere Art von Knast gewandert waren und jetzt wahrscheinlich einfach alles ziemlich beim alten war. Weil ich nicht wie ein verlorenes Lamm mitten in der Küche herumstehen wollte, ließ ich mich langsam auf einen der wenigen Stühle sinken, stellte die Tasche am Boden ab und rieb mir mit der Hand etwas nervös über die kurzen Haare, bevor ich die junge Frau direkt anzusehen versuchte. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll..", stellte ich erstmal für die Allgemeinheit leise gemurmelt fest. Kurzzeitig dachte ich an die Therapiestunde mit Sabin zurück und dachte deshalb auch daran, dass eine Entschuldigung sicher gleich zu Anfang angebracht war. Sie mir sonst vielleicht gar nicht erst richtig zuhören würde, wenn ich nicht zumindest einen Teil meiner Fehler eingestand. "Es tut mir leid, dass ich dich... einfach so hab stehen lassen. Auch, dass ich dich angeschrien hab', obwohl wohl eher ich selbst der Grund dafür war..", gab ich die ersten paar ungewöhnlich ruhigen Worte von mir, seufzte dann leise und wandte den Blick für eine Weile nach unten auf die Tischplatte ab. "Ich hab' dich nur so lange warten lassen, weil ich dachte, ich könnte dir vielleicht eine richtige Antwort geben... aber ich hab' keine, Cosma. Ich weiß einfach nicht, wie sich... sowas eben anfühlt.", gab ich der Rothaarigen eine vielleicht nur wenig zufrieden stellende Antwort, aber es war immerhin die Wahrheit. Ich wollte sie nicht anlügen, nur um mir einen Vorteil dadurch zu verschaffen, wo ich Lügen doch selbst so sehr verabscheute. Es folgte dann eine kurze Pause, gegen Ende hob ich die Augen aber noch etwas zögerlich wieder zu ihren an. "Aber ich mag dich... eben gerade weil du nicht so bist wie alle Anderen. Und du hast Recht damit, dass ich zumindest hin und wieder über den einen oder anderen Schatten springen sollte.", wieder folgte ein kurzer, stiller Moment. Ich tat mir mit all dem Gerede einfach weiterhin unheimlich schwer. "Deswegen würde ich gerne rausfinden, ob es vielleicht... wirklich so ist. Natürlich nur, wenn du dazu bereit bist, mir noch eine Chance zu geben, nachdem ich dich so... enttäuscht hab.", kam ich dann endlich zum Ende mit all den Dingen, die mir bis gerade eben noch im Kopf herum geschwirrt und auf der Zunge gelegen hatten. Ich konnte Cosma einfach ansehen, dass sie ganz und gar nicht begeistert davon war, dass ich so lange absolut gar nichts von mir hatte hören lassen und das konnte man ihr wohl auch kaum verübeln.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Meine Füße trugen mich ohne weitere Umwege zurück in die Küche, wo ich mich bis vor wenigen Minuten noch aufgehalten hatte. Wortlos ließ ich mich wieder auf den Stuhl zurück fallen, den ich in den letzten Wochen wohl sehr viel öfter und durchschnittlich auch länger benutzt hatte, als das Bett in meinem Schlafzimmer. Mit einem wenig begeisterten Gesichtsausdruck, weil ich noch immer noch so recht wusste, was ich von dem spontanen Besuch jetzt halten sollte, beobachtete ich Hunter dabei, wie er eine Tasche mit mir unbekanntem Inhalt auf dem Boden abstellte, um sich kurze Zeit später zu mir an den Tisch zu setzen. Für gewöhnlich war ich von Haus aus neugierig genug gewesen, nachzuhaken, was er da mitgebracht hatte, aber das THC hatte das Arsenal meines Gehirns, welches sich normalerweise für solche Kleinigkeiten interessierte, bereits lahmgelegt. Damit hatte es in meinen Augen seine Arbeit im Großen und Ganzen schon zufriedenstellend erfüllt, war nichts Anderes als genau das, was erreicht werden sollte: sich nicht mehr wegen jedem unwichtigen und absolut nebensächlichem Mist aufzuregen, weil es schlicht ausgeblendet wurde. Aber gut, Hunter war bestimmt nicht mit der Intention hierher gekommen, sich mit mir über die Pro und Kontras der möglichen Legalisierung von Cannabis auszutauschen, also beiseite mit dem Thema. Weil der Besuch zugegebenermaßen doch sehr überraschend kam, hatte ich nur so spontan einfach keine Worte, die ich ihm entgegen bringen konnte, sah mich auf der anderen Seite aber ehrlich gesagt auch nicht in der Verantwortung, eine Konversation zu beginnen. Schließlich lag der Ursprung unserer Differenz ganz klar bei ihm - und das meinte ich dieses Mal nicht nur aus Trotz. Warum sollte ich ihm dann den Gefallen tun, ihn zu fragen, wie es denn in der letzten Zeit so gelaufen war? Pff. Aber weil es, wie ich bereits vermutet hatte, einen triftigen Grund zu haben schien, dass der Amerikaner meine Nähe suchte, musste ich auch gar nicht lange darauf warten, dass er das Wort ergriff und damit der fast schon unangenehmen Stille zwischen uns endlich ein Ende setzte. Während ich zwischendurch immer wieder einen Zug vom Glimmstängel nahm, folgte ich seinen Worten aufmerksam und je länger er redete, je mehr giftige Dämpfe ich in mich auf nahm, desto weniger war ich wütend auf ihn. Schon alleine seine Entschuldigung versetzte in meinem Inneren förmlich berge und erheiterte meine eigentlich ziemlich gedrückte Stimmung ein wenig. Es tat ihm also Leid, dass er sich so lange nicht bei mir gemeldet hatte, hm? Ob ich das so glauben konnte, wusste ich noch nicht so genau, aber ich versuchte es immerhin. Nicht zuletzt wegen der darauffolgenden Erklärung, warum er den Kontakt so lange unterbrochen hatte. Mit einem leichten Nicken signalisierte ich ihm, dass ich die Entschuldigung annahm, wenngleich ich mich weiterhin eher bedeckt hielt. Erst als er seinen Blick von mir abwandte, weil es ihm augenscheinlich wirklich schwer fiel, mit der Sprache heraus zu rücken, hatte ich mich auf dem Stuhl etwas aufgerichtet und die Muskeln in meinem Gesicht regten sich seit Langem mal wieder zu einem schwachen Lächeln. Besagten Gesichtsausdruck behielt ich so lange bei, bis der junge Mann mich wieder direkt ansah und mir ein Angebot unterbreitete, welches nun trotz des THC in meinem Blut meine Neugier weckte. Noch bevor ich nach seiner langen Ansprache zu einer Antwort ansetzte, drückte ich den Filter des Joints in einem Aschenbecher, den ich beizeiten mal wieder entleeren musste, aus, dann seufzte ich schwer. Dieser Seufzer sollte mir noch etwas Zeit erkaufen, in der ich überlegen konnte, was ich jetzt genau erwidern sollte. Auf der einen Seite war ich nach wie vor sauer auf ihn, weil er mich schlichtweg einfach stehen gelassen hatte, auf der anderen Seite war da die Entschuldigung und die Tatsache, dass ich wusste, wie schwer dieses Thema für ihn war. Dass er nicht wusste, wie sich jemanden lieben sich anfühlte, kaufte ich ihm ohne weiteres ab. Seit der Sache mit Daith war ich ja mehr oder weniger auch wieder dabei, dieses Gefühl neu zu entdecken. Dass er dafür genau so Zeit brauchte, wie ich auch, sollte deshalb kein Geheimnis sein. Und trotzdem war ich irgendwie ... zwiegespalten. Nichts desto trotz schien es so, als läge der Ausgang der jetzigen Situation in meiner Hand, was mich ehrlich gesagt ein wenig unter Druck setzte. "Ich... weiß auch nicht so recht, was ich sagen soll..", setzte ich also zu einer leise gemurmelten Antwort an. "Mir tut es auch leid. Vermutlich hätte ich dich nicht so sehr zu einer Antwort drängen sollen. Eventuell hättest du mich dann ja auch gar nicht angeschrien. Ich habe die letzten Wochen auch ... nachgedacht.", fuhr ich fort und lehnte mich dabei ein wenig über den Esstisch, wo ich die Ellenbogen auf dem Holz abstützte und die Finger meiner Hände ineinander verkeilte. "Und ich schätze, dass wir beide auf das gleiche Ergebnis gekommen sind. Ich mag dich auch... vielleicht sogar etwas mehr, aber so genau weiß ich das wohl auch noch nicht. Dein Vorschlag hört sich sehr interessant an und ich bin gerne gewillt, dir noch eine Chance zu geben.", setzte ich schließlich meinen Strich unter die Rechnung. Eigentlich wollte ich noch erwähnen, dass mehr als eine zweite Chance dann nicht mehr drin war und er sich gut überlegen sollte, aber ich entschied mich bewusst dagegen. Jetzt noch ironisch oder ausfallend zu werden, würde der ganzen Konversation nur das nehmen, was es eigentlich sein sollte: Eine offene Aussprache zweier Erwachsener. Da hatten Blödeleien und dumme Sprüche ausnahmsweise mal nichts zu suchen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich wusste nicht recht, ob es mich nun erleichtern sollte, dass Cosma offenbar ebenso verwirrt über die ganze Geschichte war, wie ich selbst, oder ob mich das nur weiter frustrieren sollte. Wenn keiner von beiden auch nur den Hauch einer Ahnung davon hatte, wo es hingehen sollte, konnte das dann überhaupt irgendwie funktionieren? Oder war die Geschichte schon von vornherein zum Scheitern verurteilt? Schwer zu sagen und weil ich mich mit diesem ganzen Mist nicht auskannte, würde ich wohl auch dahingehend zu keinem Ergebnis kommen. Ich hasste es, wie sich alles meiner Wirkungskraft zu entziehen vermochte und mir jegliche Kontrolle nahm. Gehörte wohl auch zu diesem... Liebesmist. Dennoch war ich sichtlich erleichtert darüber, dass Cosma mich nicht von sich stieß. Dass sie genauso wie ich ein Stück weit einlenkte und einsah, dass die Angelegenheit irgendwie viel komplizierter war. Nicht nur aus einer einzigen Frage, sondern viel mehr einem ganzen, riesigen Haufen davon bestand. Dass wir vielleicht beide anfangen mussten, ein wenig mehr auf den anderen einzugehen, um die Ursache für das ganze Chaos ergründen zu können... und tatsächlich sagte sie auch, dass sie mich mochte. Ich hatte hier keine Einbahnstraße vor mir, sondern es schien wirklich die Chance darauf zu bestehen, dass wir der Sache gemeinsam auf den Grund gingen. Meine Augen weiteten sich bei ihren letzten Worten unbewusst ein klein wenig und ich musste sichtlich erleichtert aussehen. Ließ einen Moment lang den Kopf in den Nacken kippen und atmete ein wenig durch. Die Anspannung war endlich weg. Als hätte man sie einfach mit einem Besen bei Seite geschoben oder von der Tafel gewischt. Weg, als wäre sie nie da gewesen. Kurzzeitig hatte ich die Augen geschlossen, ließ den Kopf jetzt aber wieder sinken und sah die Rothaarige an. "Danke... ich werd' wirklich versuchen, es nicht zu vermasseln.", meinte ich ehrlich, dass ich mir Mühe mit alledem geben würde. Eigentlich hatte ich nicht einmal wirklich Zeit für sowas wie eine Beziehung - noch weniger, seit Sabin zusätzlich die Bullen an den Fersen klebten. Sydney plötzliches Verschwinden ging laut meinem Informanten zur Zeit nämlich auch auf seine Kappe. Aber das war egal. Für manche Dinge musste man sich einfach Zeit nehmen. Glaubte ich zumindest. "Ich weiß nicht, ob du jetzt so spontan Zeit hast... aber ich würd' gern noch was mit dir unternehmen, falls du Lust dazu hast.", setzte ich zu meiner Art von kleinem Extra an Entschuldigung an, griff dann nach der Papiertasche und schob sie ihr über den Tisch hinweg zu. "Ich hab' natürlich keine Ahnung von deiner Größe, aber die Verkäuferin meinte, dass dir das ganz gut passen könnte... und ich würde mich freuen, wenn du's anziehst. Steht dir sicher gut und die sind da mit dem... Dresscode ein bisschen penibel.", lieferte ich eine kleine Erklärung zu der Tüte und dem Kleid darin, das alleine vom Kaufpreis her wohl am Monatseinkommen des durchschnittlichen Norwegers kratzte. Es war dunkelrot, die Farbe nicht zu kräftig, eher schlicht und elegant. Der Ausschnitt nicht zu groß, konnte durch die schmeichelnde Form aber doch den einen oder anderen Blick auf sich ziehen. Es war recht enganliegend und lang, der Stoff fließend, hatte aber relativ hohe Einschnitte in der Beinlänge, die ihr mehr als genug Bewegungsfreiheit und dezente Einblicke auf die schlanken Beine geben würden. Zwar würde sie sich beim Essen über den Dächern Oslos kaum viel bewegen müssen, sofern ihr der Sinn nicht spontan nach Tanzen stand, wären wir doch mehr oder weniger unter uns dabei, aber ich glaubte nicht, dass Cosma eine Freundin von zu eng sitzendem Stoff war, der beim Sitzen schon nur nervte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Irgendwie nahm die Geschichte hier ziemlich rasant an Fahrt auf, wenn man mich fragte. Gerade noch steckte ich bis zum Hals in tiefer Frustration und war zutiefst verärgert darüber, dass Hunter mich einfach hatte stehen lassen und dann tauchte er hier auf und die Wut war einfach wie weggeblasen? Lächerlich, aber in meinen Augen definitiv ein weiteres Indiz dafür, dass er sich so rein was mein Interesse an ihm anging mehr erlauben konnte, als zur Zeit jeder andere in meinem Umfeld. Hätte Richard sich erlaubt, nach einer solchen Aktion fürs Erste unterzutauchen... na ja, wäre ich ihm sicher auch nicht lange böse gewesen, weil er vermutlich nur wieder irgendetwas Dummes angestellt hatte und somit gar nicht wegen mir verschwunden war. Gut, im Prinzip war das aber auch egal. Fakt war einfach, dass ich dem Amerikaner seitdem wir uns kennen gelernt hatten von Zeit zu Zeit eher unterbewusst mehr Rechte zugesprochen hatte, sodass er sich mit einer Entschuldigung und dem Blick eines getretenen Hundes doch tatsächlich für die vier Wochen voller Ignoranz noch eine zweite Chance verdient hatte. Kaum zu glauben und doch hatte ich sie ihm zugesprochen. War für gewöhnlich nicht meine Art, reichte es hin, einmal verarscht zu werden, aber bei Hunter war das einfach ... anders. Genau so wie ich nach unserem letzten Gespräch geglaubt hatte, dass er noch einmal auf mich zukommen würde, kaufte ich es ihm auch jetzt ohne mit der Wimper zu zucken ab, dass er den nächsten Anlauf nicht noch einmal in den Sand setzen würde. Und wenn es doch so war, na ja, dann konnte ich ihm auch nicht mehr helfen. Wenn meine Gefühle es zuließen, dann war ich manchmal gutmütig, aber als dumm würde ich mich deshalb noch lange nicht titulieren. Wenn er der Meinung war, sich entgegen seines Versprechens noch einmal so einen Patzer erlauben zu können, dann hatte er sich geschnitten. Gefühle hin oder hin, ich war hier nicht die Wohlfahrt, bei der man immer wieder aufkreuzen konnte, um sich nach einem treudoofen mit den Wimpern klimpern sein warmes Essen abzuholen. Ne ne, irgendwann hörte der Spaß dann auch auf. Jetzt jedenfalls kam ich um ein leises, kaum hörbares, aber durchaus gut gelauntes Lachen nicht mehr drum herum. Hunters Reaktion auf meine Antwort hatte ich mir so nämlich nicht vorgestellt, mimte er doch sonst immer den unantastbaren, starken jungen Mann, dem nur sich selbst wichtig war. Hatte er etwa wirklich vor, sich langsam aber sicher mit dem dazwischen zu befassen? Etwa für mich? Eindruck schinden konnte er ja, das musste man ihm lassen, aber damit noch nicht genug. Hunter wäre schließlich nicht Hunter, wenn da nicht immer noch dieses ... extreme war. Auch seine Entschuldigungen präsentierte er getreu dem Motto Alles oder Nichts. Gerade, als ich zu der Frage ansetzen sollte, wie sehr ihn das jetzt beschäftigt hatte, sodass ihm nach meinen zustimmenden Worten augenscheinlich eine Tonnen schwere Last von den Schultern genommen worden war, setzte er dem Ganzen zum Abschluss noch das Körnchen auf. Die Tüte, welche er eingangs an das Tischbein gelehnt auf dem Boden abgestellt hatte, wurde von ihm wieder aufgenommen, nur um wenig später in meine Hände zu wandern. Weil ich durch das Gespräch jetzt doch ein wenig neugierig geworden war, was den Inhalt anbelangte, lugte ich schon mit einem Auge ins Innere, noch während er seine Einladung auf den Punkt brachte. "Ich habe heute frei und mir bis jetzt auch noch nichts weiter vorgenommen. Die Chancen stehen also sehr gut für dich.", antwortete ich ehrlich und mit einem belustigten Grinsen auf den Lippen, als mein Blick das dunkelrote Kleid im inneren der Tüte ins Auge fasste. Dass der Ort, an den er mich entführen wollte, ein Dresscode hatte, ließ meine Augenbraue jedoch ein Stück weit misstrauisch nach oben wandern. Für gewöhnlich war das nur bei hochpreisigen oder exklusiven Etablissements der Fall, was eigentlich so gar nicht zu meinem Lebensstil passte. Zwar hatte ich schon den ein oder anderen Schein mehr, als ein durchschnittliche Norweger, aber ich verprasste diesen in der Regel nicht in irgendwelchen teuren Restaurants, sondern kaufte mir davon Drogen oder investierte ihn in die Smith and Wesson. Entsprechend hatte ich auch keine tollen Kleider oder schicke Accessoires. Mir reichten meine Hoodies und die kaputt gelaufenen Sneaker vollkommen aus. War also vielleicht gar nicht schlecht, dass Hunter dahingehend mitgedacht hatte und vorab schon ein paar Besorgungen getätigt hatte. Mit mir in Modegeschäfte zu gehen, wäre nämlich relativ aussichtslos gewesen. Vor allem wenn es um Kleider ging, konnte ich die Teile im Allgemeinen schon nicht sonderlich gut leiden. Aber heute würde ich wohl auch über einen meiner Schatten springen, weshalb ich direkt im Anschluss an unser Gespräch vom Stuhl auf sprang, um als nächstes Ziel das Badezimmer an zu visieren. Dass er mich natürlich an einem Tag ausführen wollte, an dem auch mit Schminke nicht mehr viel zu retten gewesen war, passte ja auch wieder, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Aber gut. "Das... sieht gut aus, mir gefällt die Farbe.", bedankte ich mich schwach vor mich hin lächelnd für das Geschenk, welches sicher den ein oder anderen Euro teurer gewesen war. Alleine der Stoff, den ich flüchtig in den Händen gehalten hatte, machte schon den Eindruck von guter Qualität. Weil es sicher in Hunters Interesse war, dass wir nicht mehr Zeit als nötig verloren, verschwand ich nach ein paar knappen, aber informativen Worten auch schon ins Badezimmer. Geduscht hatte ich heute morgen schon, das fiel also weg. Somit blieben nur noch die Haare und das Gesicht übrig, was mich Alles in Allem bestimmt zwanzig Minuten gekostet hatte. Neben den zusammengebunden Haaren hatte ich dezentes Make-Up um die Augen herum aufgetragen, welches die Augenringe zwar nicht gänzlich abdeckte, aber zumindest so weit kaschierte, dass es nicht mehr das Erste war, was einem auffiel, wenn man mich ansah. Dann kam schließlich das Kleid, was schon beim aus der Tüte ziehen für einen Wow-Effekt meinerseits sorgte. Zwar bezweifelte ich, wie so ziemlich jede Frau - war wohl eine Volkskrankheit -, dass es mir auch nur im Ansatz stehen würde, aber ich fühlte mich entgegen aller Erwartungen recht wohl darin. Es war zwar eng anliegend, aber nicht einengend, machte alles in allem einen sehr stimmigen Eindruck für mich, was die Farbe, die Form und den Schnitt anging. Weil ich sowas wie einen Ganzkörperspiegel leider nicht besaß, musste mir wohl Hunter die Frage beantworten, ob mir das Teil jetzt nun stand oder nicht. Nachdem ich im Bad fertig war, schloss ich auch ohne große Umschweife wieder zu besagtem jungen Mann in die Küche auf. Es fehlten nur noch Schuhe, die ich sicher aus einer der hintersten Ecken meines Kleiderschranks auftreiben konnte, aber für's Erste sollte es das wohl gewesen sein. Mit einem entsprechend fragenden Blick hatte ich mich in den Türrahmen gelehnt, den rechten Arm in die Hüfte gestützt. "Und? Steht es mir denn genau so gut, wie du es dir vorgestellt hast?", fragte ich schmunzelnd, aber durchaus ernst gemeint. Dabei setzte ich mich dann aber auch schon wieder in Bewegung, um direkt vor ihm stehen zu bleiben. Dann sah ich an mir selbst herunter, drehte mich einmal nach links, dann nach rechts, als würde es mir damit gelingen, das Bild als Ganzes zu betrachten
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Sehr schön, Cosma schien also Nichts weiter vor zu haben. Eigentlich war das wohl nicht verwunderlich, weil die junge Frau sich ja selbst an ihren komplett freien Tagen nur selten mal Etwas vornahm. Um das zu wissen kannte ich sie inzwischen lange genug, weswegen ich auch gezielt ihren Nicht-Arbeitstag der Woche gewählt hatte, obwohl ich schon vor zwei oder drei Tagen ziemlich sicher gewesen war, dass ich der ganzen Sache gerne noch eine Chance geben würde. Mehr oder weniger sicher eben, ob das letzten Endes die richtige oder falsche Entscheidung war würde sich immerhin erst noch zeigen, aber für den Moment schien sich irgendwie Alles ganz gut zu fügen. So ließ ich der Rothaarigen mit einem schwachen Lächeln auf den sonst oft so neutral bis eher schlecht gelaunt geformten Lippen ein leichtes Nicken zukommen, als sie sich für ein paar Minuten lang ins Badezimmer verabschiedete. Das war auch zeitlich einkalkuliert bezüglich der Reservierung, wobei es ohnehin nichts machen würde, wenn wir ein paar Minuten zu spät kamen. Ich kannte den wohl reichsten Hotelbesitzer der Stadt ganz gut, was mir den ach so beliebten, einzelnen Tisch an der Fensterfront im Restaurant im Dachgeschoss des Wolkenkratzers überhaupt erst so kurzfristig ermöglicht hatte. Das und natürlich eine Stange Geld, er war nun mal ein Geschäftsmann wie ich auch - ohne Schotter lief gar nichts, gute Bekanntschaft hin oder her. Die Zeit an sich sollte also eigentlich weniger unser Problem sein, hatte ich doch ohnehin ursprünglich eingeplant, dass das Gespräch sich irgendwie... länger hinziehen würde. Ich hatte nicht geglaubt, dass Cosma, so stur und engstirnig wie sie sonst immer war, so schnell einlenkte, einwilligte. Vielleicht kam mir das Gras dabei ein klein wenig zu Gute, aber beschweren wollte ich mich darüber nicht. Besser so als anders, ersparte das mir selbst doch auch eine Menge Stress. Die paar Minuten, in denen sie weg war, beschäftigte ich mich überwiegend mit meinem Handy, empfing auch zwei eher weniger erfreuliche, mit Schlagworten versehene Nachrichten, die mich normalerweise in Alarmbereitschaft setzen und sofort los sprinten lassen würden. Aber ich hielt mich auf dem Stuhl. Ich war nicht her gekommen, um die junge Frau mit all dem geplanten Aufwand schon wieder zu versetzen, zu enttäuschen. Also rief ich lediglich Desmond kurz an, schilderte ihm die Vorgehensweise und schaltete das Mobiltelefon von da an auf lautlos. Wenn das hier einen Sinn haben sollte, musste ich mir die Zeit ganz einfach nehmen, daran gab es Nichts zu rütteln. Als ich eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm sah ich automatisch Richtung Türrahmen, wo Cosma auftauchte. Das war dann auch schon der nächste Moment, in dem es mir ungeachtet ihrer Frage ein wenig die Sprache verschlug und ich sie unweigerlich etwas anstarrte. Ich wusste nicht, ob es letztendlich so war, weil sie in dem Kleid einfach ein vollkommen anderes Bild abgab als sonst, oder einfach, weil es ihr wahnsinnig schmeichelte. Ich war ja eigentlich selbst nicht der Typ Mensch, der auf einen außergewöhnlich luxuriösen Kleidungsstil wirklich was gab - für mich machte der Charakter eine Person aus, nicht die Klamotten. Aber es sah wirklich gut aus, setzte die junge Frau perfekt in Szene und jeder, der dahingehend etwas Anderes behaupten würde, log ganz einfach. Als sie langsam aber sicher auf mich zukam löste ich mich dann doch aus der kurzzeitigen Schockstarre und stand langsam auf, schob dabei das Handy zurück in die Hosentasche meiner Jeans. Als müsste ich das Ganze noch genauer beurteilen griff ich ein wenig zögerlich nach ihrer Hand, nur um sie einmal um die eigene Achse zu drehen und biss mir dabei leicht grinsend auf die Unterlippe. "Doch... steht dir. Siehst... wirklich gut aus.", ließ ich sie im Anschluss an die Drehung dann meine Meinung wissen, während ich ihre Gesichtszüge ein klein wenig musterte. Hach ja, auch mit den Komplimenten tat ich mir irgendwie schwer, aber es war ja doch noch etwas halbwegs Passables dabei rum gekommen. "Du hast passende Schuhe, oder?", fragte ich sie mit leicht schief gelegtem Kopf. Im Grunde hatte ich sie bisher nie mit etwas Anderem als abgetretenen Sneakern gesehen, was ja auch nicht schlimm war, nur eben so gar nicht zu dem Kleid passen würde, wie mir gerade schmerzlich bewusst wurde. Es musste nicht zwingend ein hoher Absatz sein, nur etwas schlicht eleganteres als kaputte Chucks. Tja, an Alles dachte ich dann eben doch nicht. War einfach so gar nicht mein Gebiet, die ganze Geschichte hier.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Zugegebenermaßen hatte ich auf der kurzen Distanz noch einen flüchtigen Gedanken daran verschwendet, ob das hier wirklich eine so gute Idee war. Derartige Stimmungsumschwünge waren nämlich eigentlich kein gutes Zeichen und signalisierten mir in den meisten Fällen, dass es allerhöchste Zeit wurde, die Schotten nach oben zu fahren. Über die Jahre hinweg war das einfach ein natürlicher Schutzmechanismus gewesen, der mich jetzt schon das ein oder andere Mal vor vermutlich Schlimmeren bewahrt hatte. Sich in der Hinsicht wieder auf einen Menschen einzulassen, war eigentlich nicht von mir gewollt und trotzdem schaffte es Hunter, dass der Damm in meinem Oberstübchen langsam aber sicher Risse bekam, an manchen Stellen schon etwas gebröckelt war und undicht wurde. Anders konnte ich mir all das hier nämlich nicht erklären. Wie bereits erwähnt, hätte ich jeden anderen Mann, der mich nach einer solchen Aktion um eine zweite Chance bat, gnadenlos abserviert, schlicht weil ich es nicht nötig hatte, auf eine Beziehung im Allgemeinen eigentlich nicht aus war. Aber in diesem Fall war das anders. Ob es am Ende auf eine Beziehung hinaus laufen würde, stand zwar noch auf einem anderen Blatt geschrieben, aber der Amerikaner weckte mit seiner herrlich anstrengenden Art irgendwie mein Interesse. Schien, als war das so ein Faible von mir, sich den Schwierigsten von allen heraus zu suchen. Ich war quasi das liebenswerte Ömchen im Supermarkt, die auch dem etwas angedatschten Apfel eine Chance gab, seine natürliche Süße zu entfalten, wo er vom Rest der Gesellschaft aufgrund seiner kaputten Stelle nicht mal mehr beachtet wurde. Ich sah das jedoch anders. Das Schlechte an einem Apfel konnte man wegschneiden - oder anderweitig verwerten, wie zum Beispiel in einem leckeren Kompott -, die Ecken und Kanten eines Menschen vielleicht nicht unbedingt, aber man konnte immerhin versuchen, sie rund zu feilen, damit sie sich selbst und ihre Mitmenschen nicht weiter verletzten. Letzten Endes gab es keine hundert prozentige Erfolgsgarantie, aber der Versuch war es allemal wert. Vor allem, weil mir Hunter noch vor den vier Wochen ohne jeglichen Kontakt gezeigt hatte, wie er sein konnte, wenn er das auch wirklich wollte. Wenn man sich ihm ernsthaft annahm, konnte man da sicher auch noch mehr raus holen. Nicht nur für mich, sondern auch für sein restliches Umfeld. Es brauchte halt eine gewisse Portion Ehrgeiz und noch sehr viel eher den Mut, sich ihm entgegen zu stellen, wenn er mal wieder Scheiße gebaut hatte und sich daneben verhielt. Aber das sollte ja zumindest bei mir nicht das Problem sein, denn Angst hatte ich vor ihm bis jetzt noch nie gehabt. Und das konnte ich auch sagen, nachdem er mir schon des Öfteren mal nach dem Leben getrachtet hatte. Zeugte also von meiner Standhaftigkeit und eventuell auch dem Umstand, dass mir mein Leben scheinbar nicht sehr viel Wert war, aber gut, wie auch immer. Meine Gedanken schweiften für meinen Geschmack gerade etwas zu weit ins teilweise Negative ab, was ich tunlichst unterbinden wollte. Im Moment gab es keinen Grund, sein Auftreten schlecht zu reden. Jetzt noch einen Rückzieher über den Tisch zu bringen, war ohnehin nicht drin. Dafür hatte ich mich schon viel zu sehr auf den heutigen Abend eingelassen und wie ich bereits erwähnt hatte, war ich ja auch irgendwo ... neugierig, wohin das Ganze noch führen sollte. Und hey, ich war schließlich noch jung. Selbst wenn das hier nichts werden würde, hieß das noch lange nicht, dass ich einsam und alleine sterben würde. Die Wahrscheinlich war zwar sehr hoch, aber noch lange nicht in Stein gemeißelt. Außerdem lag es wohl doch irgendwo in meiner Natur, es immer und immer wieder versuchen zu müssen. Zwar brauchte ich zwischen den Niederschlägen ein paar Wochen, Monate, offensichtlich Jahre, bis ich mich davon halbwegs erholt hatte und mich bereit fühlte, noch einmal von vorne anzufangen, aber so war das nun mal. Lag wohl einfach an der menschlichen Evolution, dass man nach einer Weile das Bedürfnis verspürte, doch irgendwie mal sesshaft zu werden. Vielleicht nicht unbedingt mit Familie und dem ganzen Mist, konnte ich Kinder schlichtweg nicht ausstehen, aber einfach mal ... angekommen sein. Das Gefühl hatte ich ja schon einmal verspürt, wusste, wie schön es war und auch wenn ich es mir immer wieder auszureden versuchte, sehnte ich mich auch ein Stück weit wieder danach, dass jemand nach der Arbeit auf mich wartete. Es einen Grund gab, sich auf den freien Tag in der Woche zu freuen, weil man dann gemeinsam etwas unternehmen konnte. Und ja ... vielleicht führte mich dieses Bedürfnis geradewegs in Hunters Arme. Alleine dieses angenehme Kribbeln, als er nach meiner Hand griff, um mich einmal im Kreis drehen zu lassen, bestärkte mich in dieser Vermutung zunehmend mehr. Bei seinen darauffolgenden Worten schoss mir wieder unweigerlich die rote Farbe ins Gesicht. Kein Make-Up der Welt hätte es da noch geschafft, die Warnleuchten - im Volksmund auch Wangenknochen genannt - weniger rot schimmern zu lassen. Vermutlich hätte in dem Moment nur noch eine kalte Dusche geholfen, meine Temperatur wieder herunter zu kühlen. "Danke...", murmelte ich mit einem aufrichtigen Lächeln auf den vollen Lippen, dann nickte ich etwas abwesend. "Eh ja, ich habe sicher noch irgendwo in meinem Schrank welche versteckt. Lass' uns nachgucken gehen.", schlug ich vor und setzte mich noch beim Reden in Bewegung. Dabei hatte ich Hunters Hand bereits so fest mit meiner umschlossen, dass ein Entkommen fast nicht mehr möglich gewesen war. Das selbstverständlich übertrieben, er hätte sich leichter aus dem Griff winden können, als jeder andere, aber mit dem Überraschungsmoment auf meiner Seite, hatten wir es zumindest schon mal bis in den Flur geschafft, das Schlafzimmer war also gar nicht mehr so weit weg. Noch bevor wir dann diese Tür passiert hatten, ließ ich seine Hand auch schon wieder los, sodass jetzt er derjenige war, der im Türrahmen verweilte. Währenddessen tat ich noch ein paar Schritte in Richtung Kleiderschrank, aus dessen hinterste Ecke ich tatsächlich noch zwei Paar schwarze High Heels zauberte. Ich hatte lange kramen müssen und war bei der Suche beinahe nach vorne in den Schrank rein gekippt. Aber alles für ein gelungenes Outfit, hm? Eine Paar davon waren jedenfalls klassische Pumps mit schmalen Absatz, während die anderen schon etwas außergewöhnlicher waren. Eine Mischung aus Plateau Schuhen und High Heels, die sich mit ihrem Verschluss noch etwas um den Knöchel schmiegten. Die schwarze Lackoptik setzte dem Ganzen noch das Krönchen auf, mir gefielen sie, nüchtern - oder auch nicht, haha - betrachtet, echt gut. Nur würde sich diese Art von Schuh wohl trotzdem nicht in meinem Alltag etablieren. Dafür lief es sich mit ihnen einfach viel zu unbequem und das konnte ich in der Bar echt nicht gebrauchen. Heute bildete da eine absolute Ausnahme. "Mhmm...", murrte ich nachdenklich, während mein Blick immer wieder zwischen den beiden Schuhen hin und her wanderte. "Welche soll ich nehmen?", überließ ich das Nachdenken schließlich Hunter, der da so ein wenig verloren im Zimmer stand. Bloß nicht selber Nachdenken müssen. Das war hier die Devise.
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Es war ja schon irgendwie süß, obwohl Cosma sonst eher immer der Inbegriff des absoluten Gegenteils davon war. Aber so verkehrt hatte mein eher probeweise ausgesprochenes Kompliment nicht sein können, wenn ihr Gesicht rein von der Farbe her doch kurz darauf eher einer Tomate glich. Ihr Dank und das dazugehörige Lächeln signalisierte mir im Anschluss auch deutlich, dass sie nicht wie die meisten anderen Frauen in meiner gegenwart rot anlief, weil ich sie auf welche Art und Weise auch immer peinlich berührte oder bloß stellte. Das war nämlich auch eine Sache, die ich sehr gut konnte, nur um alle weiblichen Wesen auf dem Planeten gezielt von mir weg zu scheuchen und gar nicht erst sowas wie... das hier passieren zu lassen. Außer bei Cosma, offensichtlich. Jeder normale Mensch würde mich wahrscheinlich für bescheuert erklären, weil ich nun ausgerechnet an der Rothaarigen, die komplizierter meist nicht sein könnte, Gefallen fand. Aber gut, für verrückt erklären tat mich auch ungeachtet dessen Jeder, nüchtern betrachtet. War also gar nicht mal der Rede wert, ganz objektiv betrachtet. Ich konnte nicht leugnen, dass es sich wieder sehr... gewöhnungsbedürftig anfühlte, als die junge Frau mich kurzerhand einfach mit sich aus der Küche zog. Mein Kopf wollte mir nur zu gerne wieder einreden, dass sowas wie Händchen halten irgendwie nicht in Ordnung war, während ich auf unsere Hände runter sah. Dass ich mich nicht gut dabei fühlen sollte, weil das ja potenzielle Gefahren barg. Zu viel Nähe und Zuneigung, oder so. Kurzzeitig war ich auf dem Weg zum Schlafzimmer dann doch schon fast soweit, ihr die Hand zu entziehen, aber andererseits hielt Cosma meine Finger recht fest in den ihren. Also warum sollte Irgendwas daran dann nicht in Ordnung sein? Es war schrecklich verwirrend. Noch bevor ich mir richtig schlüssig darüber war hatte sich die Sache auch schon erledigt, ließ sie wieder von meiner Hand ab und verabschiedete sich zum Schrank. Einen Moment lang sah ich ihr wohl sichtlich verwirrt nach, was sie Dank dem mir zugewandten Rücken nicht sah. Es dauerte eine kleine Weile, in der sich mein Gesichtsausdruck wieder neutralisierte, bis sie zwei Paar Schuhe aus dem Kleiderschrank zog, die sie wohl schon sehr lang nicht mehr angefasst hatte. Vermutlich auch nur selten getragen hatte, wenn überhaupt, so wie ich sie bisher einschätzen konnte. Als Cosma sich mir dann schließlich mit den Schuhen zu wandte und nach meiner Meinung fragte, musste ich allerdings gar nicht sonderlich lange überlegen. Vielleicht deswegen, weil ich mir als Kerl einfach weit weniger Gedanken über die Auswirkungen der getätigten Wahl machte. Nicht wusste, wo ihr die Füße vielleicht früher weh taten - ich hatte mir irgendwann mal vollkommen besoffen von irgendeiner Nutte sagen lassen, dass Absätze doch eigentlich nur gut aussehende Folter war - oder was letzten Endes modetechnisch wirklich die bessere Wahl sein sollte. Ich wusste nur, was mir eben besser gefiel. "Nimm die.", deutete ich letztlich mit ein paar Worten auf das auffälligere Paar Schuhe, fing ein kleines bisschen an zu grinsen. Ich wäre eben nicht ich, wenn ich mich nicht fast ausschließlich immer für die gewisse Extrawürze entscheiden würde. Die Rothaarige willigte schon bald ein war dabei in die Schuhe zu schlüpfen, was sich ohne Stütze scheinbar schwierig gestaltete. Wieder so eine Sache, bei der ich so gar nicht neidisch auf den weiblichen Anteil der Bevölkerung war. Erneut zögerte ich noch einen Moment, schloss dann aber die paar wenigen Schritte zu Cosma auf und hielt ihr den leicht angewinkelten, noch immer in der Lederjacke verpackten Arm hin, damit sie mir hier nicht umfiel. Ein gebrochener Knöchel wäre ein unschönes, frühzeitiges Ende des Abends und wenn sich das mit noch ein klein wenig mehr Körperkontakt leicht unterbinden ließ, war ich gewillt Abhilfe zu schaffen. Ausnahmsweise. Als die Schuhe angezogen waren sah ich sie noch einen Moment lang direkt an. "Brauchst du noch Irgendwas? Oder können wir los?", fragte ich sie nach dem Stand der Dinge. Zwar glaubte ich irgendwie nicht wirklich, dass die Rothaarige der Typ Frau war, der erst noch drei riesige Handtaschen voll Zeug einpacken musste, damit auch ja alle möglichen Eventualitäten von Zwischenfällen abgedeckt waren, aber ich hatte im Endeffekt keine Ahnung davon. Ich stand sowieso schon die ganze Zeit in den Startlöchern, es hing also ganz an ihr.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Okay, die Plateau Schuhe sollten es also sein. Gerne doch. Mit einem zustimmenden Nicken hatte ich seine Entscheidung letztlich noch einmal abgesegnet, ehe ich die Pumps kurzerhand mit etwas Schwung zurück in den Schrank beförderte. Unwahrscheinlich, dass sie dadurch direkt kaputt gehen würden, hätten sie doch entsprechend unglücklich aufkommen müssen und selbst wenn, wäre es mir wohl ziemlich egal gewesen. So selten, wie ich die Teile trug, würde ich schon nächste Woche wieder vergessen haben, dass ich sie kaputt gemacht und einfach im Schrank hatte verrotten lassen. Also ja, kein Grund zur Panik, ich wusste, was ich tat. Ausnahmsweise mal. Was das andere paar Schuhe anging, hatte ich Schwierigkeiten damit, sie so mir nichts, dir nichts im Stehen anzuziehen. Das Gleichgewicht zu halten, wenn man nur einen Schuh trug und das jeweils andere Bein anhob, war gar nicht mal so leicht und ich stand schon kurz davor, mich einfach aufs Bett zu setzen. Überraschenderweise bekam ich aber just in dem Moment, wo ich frustriert aufgeben wollte, weil mir ein nicht gebrochener Fuß irgendwie wichtiger war, als es so aussehen lassen zu wollen, als würde ich das hier einmal öfter machen - was ganz offensichtlich eben nicht so war -, Unterstützung von der Seite. In Form seines Armes, an dem ich mich zur Findung meines Gleichgewichtes festhalten konnte, eilte mir Hunter zur Hilfe, was ich mit einem belustigten Grinsen und einem Schnauben quittierte. Ja, in der Hinsicht war ich ein absolut hoffnungsloser Fall, was sich in naher Zukunft wohl auch nicht so schnell ändern würde. "Ich bin für solche Dinger echt nicht gemacht.", stellte ich also beiläufig fest, als ich auch den zweiten Reißverschluss verzurrt hatte. Mit etwas wackeligen Beinen war ich schließlich in etwa auf Augenhöhe mit Hunter, wobei er doch noch ein nennenswertes Stück größer war als ich, selbst mit den gefühlt zehn Zentimeter hohen Absätzen. Was seine Frage anging, brauchte ich für die Antwort noch einen kurzen Augenblick, in dem ich mich einzig und alleine darauf konzentrierte, hier nicht gleich wie der sterbende Schwan über das Parkett zu rutschen, wenn ich den ersten Schritt in Richtung Tür machte. Und für ungefähr die Hälfte des Weges sollte meine Konzentration auch ausreichen, bis ich mich von Hunters Arm gelöst hatte, um meine Jacke von dem Kleiderhaken hinter der Tür zu angeln. Ein kurzer Moment der geistigen Abwesenheit reichte vollkommen aus, dass ich stehend, lediglich durch die Bewegung meiner Arme beinahe ausrutschte, konnte einen Absturz nur verhindern, weil ich es noch rechtzeitig schaffte, mich an der Türklinke festzuhalten. Hätte ich fünf bis zehn Kilo mehr auf den Rippen gehabt, wäre das Teil wohl gnadenlos abgerissen und mit mir zu Boden gegangen, aber dem war ja Gott sei Dank nicht so. So blieb es nur bei einem kurzen Schockmoment, den ich leise vor mich hin grummelnd in der Ecke zwischen der Tür und der Wand verbrachte. Als ich mich schließlich wieder gefangen hatte, drehte ich mich schweigend und mit dem Objekt der Begierde in Richtung meiner Begleitung. "Ja, ich denke wir können los. Mir geht's gut, nichts gebrochen. Nur möchte ich mit diesen Schuhen heute eher weniger eine Bank überfallen. Nur für den Fall, dass du sowas in die Richtung geplant hattest.", scherzte ich unsicher vor mich hin und fühlte mich plötzlich irgendwie... peinlich berührt. Nicht das es dazu einen Grund gab, Hunter wusste mindestens genau so gut wie ich, dass ich High Heels für gewöhnlich eher mied. Es brauchte mir also gar nicht unangenehm sein, dass die ersten Schritte noch etwas wacklig waren und trotzdem konnte ich es jetzt schon kaum erwarten, die Teile später wieder von meinen Füßen streifen zu können. Aber gut, für's Erste musste ich da irgendwie durch. Zu diesem wirklich schönen Kleid heruntergekommene Sneaker anzuziehen, nur weil sie bequemer waren, kam mir nicht einmal dann in den Sinn, wenn ich mir wirklich den Knöchel gebrochen hätte. Weil meine Schritte nach draußen jetzt deutlich vorsichtiger und überlegter waren, als jene, die ich probeweise im Schlafzimmer gemacht hatte, brauchte es eine verhältnismäßig lange Zeit, bis wir es endlich nach unten vor die Tür geschafft hatten. Dort hielt ich dann auch noch einmal kurz inne, um die Lederjacke samt Inhalt - Portemonnaie, Handy und Hausschlüssel - über meine Arme zu ziehen. Nur im Kleid, wo die Beine sowieso schon vom kalten Wind geküsst wurden, musste ich mir jetzt echt keine Erkältung einfangen, nur weil es ohne das Jäckchen vielleicht ein schöneres Gesamtbild gab. Kam gar nicht in die Tüte. Nur brauchte es deswegen sicher noch einmal fünf Minuten, bis wir schließlich an Hunters Wagen angekommen waren, wo ich mich letztlich dann aber ohne große Umschweife in den Beifahrersitz rutschen ließ. Natürlich stets darauf bedacht, dass das Kleid nicht an den ungünstigsten Stellen verrutschte. Noch so ein Punkt, warum die Klamotten im Alltag eher unpraktisch waren. Man musste einfach höllisch aufpassen, wie man sich bewegte. Ansonsten gab es für Fremde schnell mal Einblicke, die so gar nicht gewollt waren.
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Ja, es war wohl nicht zu übersehen, dass Cosma für solche Dinger nicht gemacht war. Dass sie sich zumindest im ersten Moment ein wenig schwer damit tat, zu ruhigem Stand zu finden. Aber das war nicht schlimm, hatten wir doch beide so unsere Macken und in Anbetracht dessen, dass auf Absätzen stur geradeaus laufen nicht gerade zu den essentiellen Dingen des Lebens gehörte, war es auch nicht einmal wirklich der Rede wert. "Dann gehen wir nächstes Mal", falls es das denn überhaupt geben sollte und ich nicht heute schon wie so oft erfolgreich die nächste Frau in den Sand setzte. "wohl lieber woanders hin.", erwiderte ich sarkastisch, während wir erstmal noch gemeinsam die ersten paar Schritte gen Tür machten. Es sollte sich auch herausstellen, dass eine Stabilisierung beim Gang der jungen Frau irgendwie ein bisschen angebracht war. Ich würde sie nicht als untalentiert einstufen, nur war der glatte Boden auch ganz sicher der absolut falsche Untergrund, um nach einer halben Ewigkeit wieder in hohe Absätze zu steigen. Allerdings hatte sie in dieser Wohnung ansonsten auch nur Fliesen zur Auswahl, die genauso ungünstig waren, eine Wahl bestand also ohnehin nicht wirklich. Sobald sich die Rothaarige dann von mir löste, lieferte sie mir auch schon den nächsten bühnenreifen Auftritt. Legte beinahe eine Bruchlandung hin, die sie gerade noch so abwenden konnte. Ich wollte wirklich nicht lachen, weil ich Cosma eigentlich nicht unnötig verunsichern oder den Anschein erwecken wollte, dass ich mich über sie lustig machte. Demnach schluckte ich das Lachen noch gerade so kurz vor knapp wieder runter, aber das breite, amüsierte Grinsen ließ sich einfach nicht vermeiden. Ihr einziger Kommentar dazu machte es nur noch besser. Ich und Banken ausrauben... nein, solche Lappalien hatte ich längst hinter mir gelassen. "Keine Angst... aus dem Alter zum Banken platt machen bin ich raus.", versicherte ich ihr leise lachend, dass ich keinerlei kriminelle Aktivitäten für den heutigen Abend geplant hatte. Oder zumindest eben keinen Raubüberfall. Mit Sowas hatte ich mich tatsächlich noch nie wirklich aufgehalten, da hatte der Geldbeutel schon sehr leer sein müssen. Von Banken hatte ich sowieso die Finger gelassen und jetzt hatte ich das schon lang nicht mehr nötig. Stand also in keinem Fall zur Debatte. Der Weg zum Auto barg noch so seine Tücken, aber letzten Endes bekamen wir auch das noch irgendwie hin. Nicht besonders schnell, aber die Zeit drängte wie gesagt auch nicht wirklich. Als Cosma ohne weitere Zwischenfälle sicher auf dem Beifahrersitz angekommen war, startete ich ohne lange zu zögern den Motor und fuhr los. Ohne mich anzuschnallen, weil ich diese ungute Angewohnheit einfach über die Jahre hinweg entwickelt hatte. Ich wusste ja, dass ich Auto fahren konnte. "Falls dir zu kalt ist, musst du's sagen.", versuchte ich weiter ein wenig mehr Rücksicht auf die junge Frau zu nehmen, als wohl auf irgendjemand anderen sonst, warf ihr dabei noch einen kurzen Seitenblick zu. Der Innenraum des Wagens wurde immer schnell warm, war im Winter wie Sommer auf 20 Grad eingestellt. Aber zum Einen waren die meisten Frauen wohl etwas weniger kälteresistent als ich und außerdem waren ihre Beine durch das Kleid eben doch nur luftig verpackt. Ich fragte mich, ob es wohl angebracht war den Bleifuß heute Abend ein wenig im Zaum zu halten. Ganz ablegen konnte ich ihn wohl nicht, aber zumindest die meisten roten Ampeln nicht zu ignorieren war wahrscheinlich nicht verkehrt. Ich überschritt das Tempolimit auf dem Weg zu dem mehrstöckigen Hotel also doch des öfteren, hielt mich aber ansonsten an so ziemlich alle Verkehrsregeln. Wirklich viel sagen tat ich nicht, weil ich irgendwie nicht wusste, was ich sagen sollte, weil die ganze Situation so furchtbar grotesk war. So vollkommen gegensätzlich zu allem, was ich sonst tat. Zu all den Prinzipien, die sich in den letzten Jahren in mein Fleisch gebohrt hatten. Es war kein gänzliches Schweigen über die knapp fünfzehn Minuten in die Nähe des Hafens hinweg, aber es waren mehr nur oberflächliche Worte, die flossen... sowas wie Smalltalk, könnte man sagen. Bis ich dann schließlich nach kurzem Wortwechsel mit dem Personal am überwachten Eingang der Tiefgarage in jene abbog und es eine Etage tiefer ging. Angesichts ihrer hohen Hacken konnte die junge Frau auf jeden Fall froh sein, die zwanzig Stockwerke nach oben keine Treppe benutzen zu müssen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das kalte Leder des Beifahrersitzes jagte mir im ersten Moment einen unangenehmen Schauer über den Rücken der dafür sorgte, dass sich die feinen Härchen an den Armen und im Nacken aufstellten. Und auch wenn die Luft außerhalb des Autos deutlich kälter war, fror ich im Innenraum der Limousine irgendwie sehr viel schneller. Weil Hunter scheinbar wusste, dass Frauen im Allgemeinen schon leichte Frostbeulen waren und ein Kleid bei den Temperaturen nicht unbedingt etwas Positives dazu beitrug, richtete er seine fürsorglichen Worte schon sehr bald, nachdem er den Motor angeschmissen hatte, wieder an mich. Dass ich Bescheid geben sollte, wenn mir zu kalt wurde, war ja lieb und nett gemeint, aber bevor die Heizung hier mit Hochdruck den Innenraum aufheizte, entschied ich mich lieber erst einmal dafür, die Sitzheizung einzuschalten. Eines der besten Features in einem Neuwagen, wenn man mich fragte. Man wurde angenehm gewärmt, hatte aber trotzdem nicht das Gefühl, dass die Luft um einen herum das Stehen anfing, weil es einfach immer wärmer und wärmer wurde. „Kalt ist mir schon ein bisschen, aber ich probiere es erst einmal damit.“, gab ich zu verstehen und drückte im selben Moment auf das eingelassene Sitzheizungssymbol in der Armatur, was postwendend auf höchster Stufe zu leuchten anfing. Dann konnte ich mich für den Rest der Fahrt ganz entspannt zurücklehnen und wäre ich unterbewusst nicht so unfassbar aufgeregt gewesen, hätte ich glatt die Augen schließen und weg dösen können. Daran gehindert hätte mich noch nicht einmal die Fahrweise, die Hunter auf dem Weg zum Hotel einschlug. Hier mal eine rote Ampel, die er mitnahm, dann eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf gerader Strecke und zudem hatte er sich die ganze Fahrt über nicht angeschnallt. Aber gut, dazu wollte ich mich nicht weiter äußern, er wusste selbst wohl am besten, wie wichtig ihm seine Sicherheit war. Jedenfalls dauerte es dann auch nicht mehr allzu lange, bis wir nach kurzer Zeit der absoluten Stille am Ziel angekommen zu sein schien und bis Hunter das Fenster herunter gelassen hatte, um sich vom Personal des Hotels ins Parkhaus einweisen zu lassen, hatte ich gar nicht mitgeschnitten, dass wir gerade im Begriff waren, in der Tiefgarage des wohl teuersten und nicht zuletzt höchsten Hotel der Stadt zu parken. Denn tatsächlich hatte ich meine Augen zwischenzeitlich geschlossen gehabt, weil die Müdigkeit mich für den Bruchteil einer Sekunde in ihren Bann zog. Erst während dem knappen Gespräch hatte ich die Lider wieder aufgeschlagen und bekam daher noch beiläufig mit, wie wir eine Etage tiefer in den Untergrund verschwanden.. Gerade so hatte ich noch einen Blick auf das Äußere dieses ... Palastes werfen können. "Was zur...", murmelte ich sichtlich perplex. Okay, aufgrund des Dresscodes hatte ich bereits erwartet, dass er mich nicht in irgendeine 08/15 Kneipe hatte ausführen wollen - schließlich hätten wir uns da auch einfach mit einem Whiskey in die Smith and Wesson setzen können -, aber das konnte er doch nicht ernst meinen, oder? Gut, auf der anderen Seite hätte es mir ja irgendwo einleuchten können, dass er keine halben Sachen machte. Tat er ja sonst auch nicht, wieso dann gerade jetzt, wo ihm so unsagbar viel daran zu liegen schien, dass ich ihm noch eine Chance gab? Trotzdem war ich sichtlich überrascht und wurde gleich ein Stück weit wacher, als er den Wagen in eine passende Parklücke eingelenkt hatte und den Motor abstellte. Bis jetzt konnte ich mir zwar immer noch nicht ganz erklären, was wir hier wollten, weil die Möglichkeiten in einem Hotel dieser Klasse wirklich vielfältig sein konnten, aber man sah mir wohl deutlich an, dass ich zu gleichen Teilen sehr erfreut, aber auch verunsichert war. Meinen Lebtag hatte ich keinen Fuß in ein solches Ambiente gesetzt, weil dafür lange Zeit schlicht kein Geld da war. Noch weniger ein Grund dazu, warum man so viel Kohle für eine einzige Übernachtung raus schmeißen sollte, wenn man im Urlaub - wozu man in der Regel das Hotel buchte - eher draußen unterwegs war um sich die Stadt anzusehen. Ne, war ich einfach zu geizig für, musste ich mir eingestehen. "Was machen wir hier?", fragte ich weiterhin sichtlich überrascht. Dabei war ich mittlerweile aus dem Auto ausgestiegen und sah Hunter über das Dach hinweg neugierig an. Wo ich mich auf der einen Seite doch wahnsinnig freute, fühlte ich mich auf der anderen mittlerweile irgendwie... doof. Ich wusste zwar, dass es bei dem Amerikaner auf den einen Euro mehr oder weniger echt nicht ankam, aber das bedeutete für mich noch lange nicht, dass er seine Kohle für ... na ja solche Dinge aus dem Fenster warf. Natürlich verstand ich, dass er Eindruck schinden wollte, immerhin hatte er es sich wirklich irgendwo verbockt gehabt, aber auch er dürfte mich mittlerweile gut genug kennen, um zu wissen, dass mir Geld verhältnismäßig wenig bedeutete. Ein Winterpicknick an einem Fluss oder auf der Insel außerhalb oder Stadt hätte vollkommen ausgereicht, meiner Meinung nach.
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Gut, war mir auch recht, weshalb ich leicht nickte. Im Grunde war es ja egal, was sie nun gegen die Kälte im Innenraum des Wagens zuerst oder am liebsten unternahm. Hauptsache war nur, dass sie mir nicht zur Eisskulptur gefroren war, wenn wir ankamen. Die Sitzheizung schien dem Ganzen auch erfolgreich vorgebeugt zu haben, als ich den Wagen schließlich anhielt. Mir war nicht entgangen, dass Cosma bereits während der Einfahrt recht überrascht, ja beinahe schon etwas verwirrt war. Einerseits signalisierte mir das, dass die Überraschung in jedem Fall geglückt war, andererseits... war ich mir nicht sicher, ob sie nicht schon zu überrumpelt von der Geschichte war. Aber weil ich für Sowas auch irgendwie kein richtiges Gefühl hatte, nahm ich es jetzt einfach so hin, wie es war und wie es kam. Das Verlassen des Wagens war schnell getan und wie immer hörte ich die Verriegelung zuschnappen, sah kurz über das schwarze Autodach hinweg, als Cosma ihr Wort erstmalig wieder richtig an mich richtete. Ihre Frage ließ mich schwach lächeln und zum Heck des Wagens auf ihre Seite gehen, wo ich ihr nach kurzem Nachdenken den angewinkelten Arm leicht entgegen streckte. Nicht, weil ich sowas immer tat, wenn ich denn mal seltenerweise mit einer Frau unterwegs war, sondern weil man das angeblich so machte. Taten zumindest sonst immer alle Paare, wenn sie in das teure Restaurant einkehrten. Ich war hier ja nicht zum ersten Mal, traf mich hin und wieder mal mit hochrangigen Geschäftspartnern auf neutralem, öffentlichen Boden zur Verhandlung. Das waren aber nie Frauen, ich hatte derartiges lediglich bei Anderen ab und an mal gesehen. "Wirst du gleich sehen...", war Alles, was ich Cosma an einer Antwort zur Verfügung stellte, wobei ich mich schon langsam mit ihr in Richtung Ausgang, beziehungsweise Aufzug in Bewegung setzte. Der war auch gar nicht weit weg, weshalb ich schon bald den Knopf drückte. "Aber nein, kein Hotelzimmer... es sei denn, du willst das.", versuchte ich mit einem leichten Scherz die irgendwie nicht ganz so entspannte Stimmung etwas aufzulockern und legte den Kopf grinsend ein wenig schief. Der Aufzug war dann auch da und im Inneren drückte ich den Knopf für das oberste Stockwerk, woraufhin er sich zügig in Bewegung setzte. Sehr zu meiner Freude waren wir darin auch allein, konnte ich es doch irgendwie nicht leiden, wenn man sich auf derart engem Raum mit fremden Menschen aufhalten musste. Zwar mussten wir auf halber Strecke einen Anzugträger mitnehmen, aber der hielt aus eigenem Interesse einen guten Abstand ein. Manchmal war ich mir fast sicher, dass das an den Tattoos in meinem Gesicht und am Hals lag, was mich nur wieder darin bestätigte, dass jene eine sehr gute Investition gewesen waren. Oben angekommen ging der Schnösel noch vor uns aus dem Aufzug und ich geleitete im Anschluss die Rothaarige hinaus. Erstmal gingen wir einen nicht allzu langen, nicht unbedingt dezent gehaltenen Gang entlang. Der moderne Luxus sprang einem förmlich ins Gesicht, aber ich hatte mich daran ja längst gewöhnt. Teuer aussehende Bilder an der Wand, exotische, teils riesige Topfpflanzen und an der Flügeltür zum eigentlichen Restaurant links und rechts ein kleiner, leise vor sich hin plätschernden Brunnen. Kaum hatten wir den Türrahmen passiert kam uns ein freundlich lächelnder, junger Mann entgegen, der vornehm in weißes Hemd mit Fliege und schwarze, dezente Schürze gekleidet war. "Willkommen zurück, Mister Price. Wenn ich sie und ihre reizende Begleitung nun zu ihrem Tisch begleiten darf...", begrüßte er uns überschwänglich mit einem indirekten, dezenten Kompliment an Cosma und ich erwiderte nichts weiter als ein knappes "Sicher.", wortkarg wie ich nun einmal war. Er ließ noch ein leichtes Nicken und die Worte "Folgen sie mir bitte.", verlauten, ehe er uns in mir altbekannter, guter Manier zu dem abseits gelegenen, durch eine schmale Wand vom Rest des relativ weitläufigen Restaurants abgeschirmten Zwei-Mann-Tisches mit dem herrlichen Ausblick.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm, hätte ich mir ja denken können, dass ich keine konkrete beziehungsweise aussagekräftige Antwort von ihm bekommen würde. Ansonsten wäre es ja keine Überraschung mehr gewesen. Ich seufzte leise, wenn auch mit dem Kopf schüttelnd und leicht grinsend. Als Hunter so halb um das Auto herum gelaufen war, trafen wir uns am Heck des Wagens, wo er mir ganz vornehm wieder seinen Arm entgegen streckte. Ob er damit jetzt nur sicher gehen wollte, dass ich auf dem Weg ins Restaurant nicht doch noch einen Abflug machte oder weil er ein Stück weit wirklich versuchte, sich mit absolut Allem die größte Mühe zu geben, war zwar nicht ganz ersichtlich, aber so oder so hätten mich seine Beweggründe nicht sonderlich interessiert. Für mich zählte nur, dass er sich so verhielt und nicht das Warum. Mit entsprechend zufriedenem Gesichtsausdruck hakte ich mich also ohne ein weiteres Wort zu verlieren in seinen Arm ein und folgte ihm mit mittlerweile deutlich sicheren Schritten in Richtung Aufzug. Was den weniger ernst gemeinten Kommentar seinerseits anging, reagierte ich auch nicht mit viel mehr als einem breit grinsenden Kopfschütteln. "Der Abend ist ja noch jung.", entschloss ich mich dann schließlich doch noch dazu, sein Spielchen mitzuspielen um mich etwas zu entspannen. Zumindest solange wir noch alleine im Aufzug waren. Es gab schließlich nichts, weswegen ich mich fürchten oder ein schlechtes Gewissen haben musste, oder? Wenn es mir im Verlauf des Abends dann wider erwarten doch zu blöd werden sollte, konnte ich doch einfach gehen. Hunter zwang mich ja schließlich zu nichts und ein schlechtes Gewissen wegen der hochpreisigen Location zu haben war auch vollkommener Schwachsinn. Immerhin hatte er sich dieses Hotel hier ausgesucht, wusste also genau, was hinsichtlich der Preise auf ihn zukommen könnte. Natürlich würde ich es nicht weiter ausreizen, als unbedingt nötig war, um an diesem Abend satt zu werden. Vermutlich hatte er trotzdem eine Stange Geld blechen müssen, um mich letzten Endes hinter dem absolut spießig wirkenden Anzugträger - der irgendwann auf der Hälfte unserer Reise zugestiegen war - durch diesen, an purer Dekadenz grenzenden, Gang führen zu können, der nach einer schieren Ewigkeit an einer ebenfalls wunderschön zugerichteten Tür sein abruptes Ende fand. Was sich schließlich hinter den hiesigen Flügeltür befand, machte meine Enttäuschung darüber allerdings gleich wieder wett. Noch während wir im Türrahmen empfangen wurden, ließ ich meinen Blick ein wenig geistesabwesend über die teure Inneneinrichtung schweifen. Definitiv Material, welches ich mir sicherlich hätte leisten können, wenn ich das gewollt - und vielleicht noch ein ganz kleines Bisschen gespart - hätte, aber in einer Kneipe wäre das nicht mehr, als herausgeworfenes Geld. So viel Bier und Schnaps, wie da tagtäglich durch die Gegend schwappte, konnten die teuren Designer Teppiche gar nicht absorbieren und der riesige Kronleuchter wäre mit ziemlicher Sicherheit schon nach dem ersten Abend durch irgendwelche besoffene Proleten herunter gerissen wurden, also nein... Auch wenn es wirklich schön anzusehen gewesen war, machte das in der Smith and Wesson nur wenig Sinn. Und gerade weil der Anblick solch eines teuren Interieurs doch relativ selten war, genoss ich es umso mehr, mit interessierten Blicken hinter Hunter in Richtung unseres Tisches zu tigern. An jenem angekommen, verschlug es mir jetzt schon zum wie vielten Mal die Sprache? Es musste jetzt sicher das dritte oder vierte Mal gewesen sein, seitdem der Amerikaner in meiner Wohnung aufgeschlagen war. "Price also, hm?", sprach ich ihn auf seinen Nachnamen an, hatte dabei dabei eine Augenbraue nach oben gezogen, als wir uns an dem Tisch mit der atemberaubenden Aussicht niedergelassen und die Speisekarten von dem liebenswerten Kellner entgegen genommen hatten, der uns kurze Zeit später dann für's Erste wieder alleine ließ. Vermutlich klang Hunters Nachname in meinen Augen so ungewohnt, weil ich ihn bis dato noch überhaupt nicht gehört hatte. Hunter Price. Mhm. "Bist du öfter hier oder bist du mit der Bedienung befreundet?", hängte ich gleich ein paar weitere fragende Worte hinten dran. Dabei sah ich ihn aber gar nicht mehr direkt an. Viel mehr fesselte mich der Ausblick über die Stadt, welche mit ihren vielen Lichtern gerade in der Abenddämmerung ihren ganz eigenen Charme offenbarte. Ich würde den Ausblick wohl noch eine ganze Weile genießen, ehe ich mich aufgrund der horrenden Preise auf der Speisekarte wieder schlecht fühlen würde.
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