Ich ließ mich Cosma gegenüber auf den Stuhl fallen, nachdem ich die Lederjacke über die Lehne gehängt hatte. Weil es hier drin doch recht angenehm, aber nicht stickig warm war, war meine erste Amtshandlung auf dem Stuhl sitzend die Knöpfe an den Enden der Ärmel aufzumachen und Letztere bis kurz unterhalb der Ellenbogen hochzukrempeln. Noch währenddessen stellte ich fest, dass mir der standardmäßige, schwarze Hoodie lieber war. Ärmel hochschieben und die Sache war erledigt, das Hemd brachte dahingehend nur unnötigen Aufwand. Aber gut, ich würde mich wohl den einen Abend lang damit zu arrangieren wissen. Die oberen beiden Knöpfe am Kragen würden trotzdem offen bleiben müssen, weil ich das einfach nicht haben konnte. Unterbewusst vielleicht wegen der Würgegeschichte... Cosma lenkte mich mit ihrer Stimme glücklicherweise von dem Gedanken ab, bevor ich ihn hatte vertiefen können. Ja, Price... ich wünschte man könnte irgendwo die Ablegung des Nachnamens beantragen. Dass man Nachnamen nicht irgendwie immer irgendwo angeben musste, weil nicht jeder einen hatte. Ich hätte den Namen meiner Familie einfach gerne los. Er war so ein winziger Anteil der Dinge, die mich immer an meine Wurzeln ketten würden und ich hasste das. "Ja... wenn's nach mir ginge hätte ich keinen Nachnamen, aber den werd' ich wohl nie los.", stellte ich ein wenig sarkastisch fest, sah dann dem Kellner einen Augenblick lang nach, bis er aus unserem Sichtfeld verschwand und folgte stattdessen dem Blick der jungen Frau, der sich in der Dämmerung verlor. Dauerte wohl nicht mehr lange, bis es dunkel wurde und dahingehend war es doch gut, dass wir zeitig hier angekommen waren. So sah man auf der einen Seite noch das Meer, auf der anderen die zahlreichen Lichter der Stadt. "Oft würde ich nicht sagen... hin und wieder mal. Normalerweise aber auf geschäftlicher Basis.", lieferte ich Cosma eine kurze Erklärung dazu, warum mich der Laufbursche unverblümt mit dem Namen ansprach. Nunja, ich hatte mich auch ein oder zwei Mal ein paar Minuten lang mit Tobias unterhalten, wenn ich länger als mein Gegenüber geblieben und noch zwei, drei edle Tropfen runtergespült hatte. Es war also auch möglich, dass er sich deswegen meinen Namen gemerkt hatte. Andererseits hatte ich aber auch einfach kein unauffälliges Erscheinungsbild und meinem tätowierten Gesicht wieder einen Namen zuzuordnen war dementsprechend nicht so schwer, weil er einfach hängen blieb. War aber eigentlich auch egal. "Und ich hatte noch nie eine Frau dabei... wenn er dich irgendwie bescheuert angrinst, ist das ziemlich sicher der Grund dafür.", ließ ich sie noch ein paar mehr Worte von mir hören, während ich meinen Blick von der Welt hinter der Glasfront abwendete und stattdessen die Karte aufschlug. Es dauerte tatsächlich zwei, drei Minuten lang, bis mir richtig bewusst wurde, wie teuer der Laden eigentlich war. Normalerweise schaute ich da gar nicht drauf, weil mir ein Essen hier alle paar Monate kein Loch in die Brieftasche fraß. "Lass dich von den Preisen nicht beeinflussen, hm..? Nimm' einfach, was du magst.", ließ ich meine weibliche Begleitung wissen, dass sie sich darüber nicht wirklich Gedanken machen sollte oder gar musste. War einfach nicht notwendig, sie sollte sich davon weder den Appetit verderben, noch die Entscheidungsfreiheit nehmen lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, machte nur Sinn, dass man sich mit einigen hochrangigen Köpfen der Stadt lieber auf neutralem Boden traf. Andererseits bestünde wohl die Chance, mal so ganz beiläufig in einer der unzähligen Seitengassen von Oslo einfach nieder geschossen und unauffindbar verscharrt zu werden. Ich wusste nicht genau, wie radikal die ganzen Banden und Clans hier agierten, aber wenn ein Deal nach hinten los ging, konnte ich mir gut vorstellen, dass einige Leute nicht davor zurück schrecken würden, anstelle von ein paar leeren Worten doch lieber Taten sprechen zu lassen. Einer der besten Beispiele dafür saß mir gerade gegenüber. Und das ganz friedlich - richtig handzahm, wenn man mich fragte. War schon irgendwie ungewohnt. Damit meinte ich nicht nur den Umstand, dass Hunter und ich uns ohne große Auseinandersetzungen unterhalten konnten, sondern auch, dass wir, entgegen unserer beiden Erwartungen - das wir jemals bei einem gemeinsamen Essen über die Skyline von Oslo blicken würden, meinte ich -, hier tatsächlich so etwas wie ... ein Date hatten. Fast genau so, wie sich normale Menschen in der Regel auch näher kennen lernten. Und irgendwie war das richtig schön, fühlte sich, obwohl ich mir den ganzen Weg bis hierher nicht ganz im Klaren darüber gewesen war, ob oder ob nicht, richtig gut an. So ein Stück weit Normalität tat hier und da auch mal gut, wobei ich mich vermutlich immer wieder für den kriminellen Weg entscheiden würde. Anders verdiente man sein Leben lang halt selten mehr als wirklich nötig war. Gefiel mir nicht der Gedanke, deshalb schüttelte ich ihn recht schnell wieder ab und konzentrierte mich erneut auf das Hier und Jetzt. So, mit seinem Nachnamen war er also nicht zufrieden, hätte ihn, wenn es irgendwie möglich gewesen wäre, gerne abgelegt. Zumindest ließen das seine Worte nur so erahnen. "Na ja, nie wieder ist ein wenig übertrieben, oder? Ich meine, wenn du früher oder später doch noch mal heiraten solltest, kannst du doch auch einfach den Namen deiner künftigen Frau annehmen, oder?", hatte ich geantwortet, während ich meinen Blick schweren Herzens von diesem schönen Anblick außerhalb des Restaurants abwendete und mich stattdessen in die so fesselnden, hellblauen Augen meiner Begleitung verlor. Nur kurz, bis er die nächsten Worte, dieses Mal die Preise auf der Karte betreffend, an mich richtete. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich mir darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht und nahm diese Erwähnung zum Anlass, die, wie alles andere hier auch, so schön verzierte Karte aufzunehmen und die erste Seite aufzuschlagen. Alleine die Preise der Appetizer hauten mich beinahe vom Stuhl und das Gefühl, schon für das Atmen hier drinnen Geld bezahlen zu müssen, verstärkte sich nur noch weiter, als ich bei den Haupt- und Nachspeisen angelangt war. Noch während ich die Karte studierte, hatte ich die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen. Hier gab es schon das ein oder andere Menü, bei dem mir das Wasser im Munde zusammen lief, aber die Preise waren nur noch ein Schritt von nahezu unbezahlbar entfernt. "Es fällt mir schwer, mich von dem Preis nicht beeinflussen zu lassen. Ich stelle mir nämlich unweigerlich die Frage, wie sich diese horrenden Kosten erklären lassen. Wird das Gemüse in 24 karätigen Gold gedünstet, oder wie darf ich mir das vorstellen?", fragte ich mehr an mich selbst gerichtet, leise gemurmelt, während die Nase noch tief in der Karte steckte, die ich beinahe mit einem lauten Knall, weil das ja schon beinahe an Dreistigkeit nicht zu übertreffen war, auf den Tisch geschlagen hätte. Aber ich wollte nicht unhöflich sein, mir nicht so viele Gedanken machen, weshalb ich den Kellner, der uns bereits an unseren Tisch geleitet hatte, erst einmal freundlich um ein Glas Wasser bat. Das lag nicht etwa daran, dass für Süßgetränke wie für den Rest auch eine saftige Pauschale verlangt wurde, sondern hatte viel mehr damit zutun, dass ich Zucker zu ohnehin schon fettigem Essen einfach nicht trinken konnte. Da wurde mir binnen weniger Minuten dermaßen schlecht, dass es mir den Spaß am Essen verschlug. Als Hauptspeise hatte ich mich nach einiger Zeit der Überlegung für einen Hamburger entschieden. Mit ganz viel Schnickschnack natürlich. 08/15 war ja bekanntermaßen nicht mein Ding. Da probierte ich doch gerne das Vollkorn-Brioche Brötchen mit Sojakeimen und Chiasamen Patty und einer Menge Gemüse, dessen Bezeichnungen ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört hatte, aus. Dazu Süßkartoffelecken mit hausgemachten Dip. In dem Sinne... auf einen gelungenen Abend.
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Doch, nie wieder. Wenn das etwaige Formalitäten zulassen würden, dann hätte ich auch nach einer Heirat keinen Nachnamen. Also auch mal ganz davon abgesehen, dass ich irgendwie nicht besonders viel davon hielt, überhaupt zu heiraten. Mir auch noch nie wirklich ernsthafte Gedanken dazu gemacht hatte, weil es ganz einfach nicht notwendig war. Keine Frau, keine Heirat und damit auch kein dich auf ewig im selben Bett festkettender Ehering am Finger. Alleine schon wegen der theoretisch möglichen Scheidung im Anschluss war mir dieser ganze Aufwand wirklich viel zu groß und er war auch einfach unnötig. Keine Heirat, kein Nachname, Basta. Bevor ich also zu einer wörtlichen Antwort ansetzte schnaubte ich leise, fing danach aber leicht an zu grinsen. "Sind wir jetzt schon so weit, dass wir über's heiraten reden, ja? ... Das ging schnell.", stellte ich ihr statt einer richtigen Antwort lieber eine ironische Gegenfrage, bei der deutlich heraus zu hören war, dass ich sie nicht wirklich ernst meinte. Ich glaubte nicht, dass sie damit wirklich auf uns beide anspielte. Denn, sein wir ehrlich - wir waren beide der unabhängige Typ und es bräuchte schon wirklich viel, um uns freiwillig das Ja-Wort zu geben. Zumindest sah das in meinen Augen so aus und würde sicher auch so bleiben. Es war Cosma deutlich anzusehen, dass sie sich mit dem Ignorieren von ein paar Zahlen nicht so leicht tat, wie das bei mir der Fall war. Ich hatte mich eben einfach schon daran gewöhnt und wusste ja, dass mich das nicht im Geringsten bei der Wahl beeinflussen musste, weil es mir am Ende des Tages nicht einmal großartig auffiel, wenn ein paar Hunderter oder gar ein Tausender weniger in bar herumlagen. War schlicht nicht relevant, aber zum einen kannte Cosma meinen Kontostand nicht und zum anderen hatte sie dahingehend vielleicht einfach etwas Skrupel, was an sich ja auch keine schlechte Eigenschaft war. Nur eben in diesem Fall nicht von Nöten. Ihre Worte ließen mich aber leise auflachen. Hach ja, essbares Gold... teilweise wortwörtlich. Das Zeug fand sich immer häufiger zur finalen Dekoration auf Speisen oder für das gewisse Aussehen in alkoholischen Getränken wieder. Das erklärte vielleicht den Preis bei jenen Dingen, aber nicht direkt für alle anderen Speisen. "Ich glaube sehr gut bezahlte Fünf-Sterne-Köche und ein sehr geiziger Hotelbesitzer reichen dafür vielleicht schon aus.", meinte ich mit einem leichten Schulterzucken. Außerdem musste er ja etliche Millionen in den Bau des Hotels gesteckt haben. Er wollte das Geld sicher noch vor seinem Tod in den eigenen Taschen wieder finden. Zumal das Ambiente hier auch schlichtweg einzigartig war und man - normalerweise - für die Reservierung an sich nicht zahlte. Das kam bei mir jetzt eben noch mit drauf, aber der Regelfall war das nicht. Der Kellner bekam von mir einen für mich wohl typischen Auftrag. Inzwischen hatte ich schon mehrere Speisen der Karte durch probiert, aber ich blieb ja doch am öftesten bei den absolut hochwertigen Steaks hängen, deshalb sollte es auch heute eines geben. Mit mehreren Beilagen, weil ich ordentlich Hunger mitgebracht und heute auch noch nicht wirklich was gegessen hatte. Dazu allerdings wie immer nicht nur ein Wasser zum runterspülen, sondern auch ein Glas der zahlreichen angebotenen Whiskeysorten. Zum Überbrücken und Genießen zwischendurch, nicht um mich zu betrinken. Dafür war ich nicht hier und sollte Cosma sich noch umentscheiden und wieder gehen hatte ich dann genug Zeit für sowas. Die Getränke waren auch zeitnah da, das Essen würde wahrscheinlich wie immer circa eine halbe Stunde brauchen. "Dann... auf einen schönen Abend.", prostete ich der Rothaarigen mit einem schwachen Lächeln zu, weil man das wohl auch so machte. Tischmanieren waren auch nicht so mein Fachgebiet, ganz allgemein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na ja, so war das ja jetzt wirklich nicht gemeint. Aber das Hunter diese Steilvorlage nicht ungenutzt ließ, lag wohl auf der Hand. War wohl eine der relativ vielen Gemeinsamkeiten, die wir hatten. Wohlgemerkt eine derjenigen, die man sich unter keinen Umständen im Doppelpack wünschte, noch nicht mal seinem schlimmsten Feind. Reichte doch einer auf etwa hundert, der seine Mitmenschen auf die fieseste Art und Weise triezte, vollkommen aus. Aber gut, jetzt schon im Plural von Hunter und mir zu reden, fand ich etwas gewagt. Wir befanden uns immerhin noch auf Schnupperkurs, weshalb ich es auch für absolut unsinnig hielt, was er da redete. Mal ganz abgesehen davon, dass er das auch bei Weitem nicht ernst gemeint hatte, glaubte ich nicht daran, dass selbst wenn eine Beziehung zustande kommen würde, wir uns irgendwann das Ja-Wort geben würden. Dafür schätzte ich sowohl den temperamentvollen Amerikaner, wie auch mich selbst als viel zu Freiheitsliebend ein. Einfach mal eine Nacht untertauchen, wenn mir danach war, ohne mich gegenüber irgendwem verpflichtet zu fühlen, Bescheid geben zu müssen oder vielleicht doch eine lockere Bettgeschichte auf der anderen Seite, ohne durch eine Scheidung direkt Haus und Hof zu verlieren. Ne ne, danke, in der Hinsicht war ich sehr gerne mein eigener Chef. Denn auch wenn ich wirklich gewillt war, langsam wieder einige der, in einer Ecke verscharrten, Gefühle zuzulassen, gab es irgendwo auch seine Grenzen. Jetzt schon über eine Hochzeit nachzudenken war zum Beispiel eine davon. Verunsicherte mich direkt wieder, was man mir postwendend ansah, weil ich Hunter wohl eine ganze Weile fassungslos mit dieser gewissen Röte im Gesicht angestarrt haben musste. Erst als wir unsere Bestellung aufgegeben hatten, konnte ich mich langsam wieder aus der Starre lösen und mich in Worte fassen. "Ich red' doch gar nicht von uns.", verteidigte ich mich und wich seinem Blick noch währenddessen wieder in Richtung der mittlerweile zum größten Teil untergegangen Sonne aus. Und so schnippisch sich das anhörte, war es gar nicht mal böse gemeint. Ich konnte mir nur einfach nicht vorstellen, dass eine Kombination aus zwei Sturköpfen, die wir nun mal waren, wirklich eine langlebige Beziehung versprach. Selbst wenn wir uns für die nächsten Wochen, ja, vielleicht Monate gut verstehen würden, befürchtete ich, dass wir irgendwann wieder an dem Punkt ankamen, wo wir uns gegenseitig Nichts lieber wünschten, als das der jeweils andere eines qualvollen Todes dahingerafft wurde. Vermutlich hätte eine deutlich unterwürfigere, weniger dominante Frau eher Chancen darauf, länger mit diesem Mann hier auszuhalten. Jemand der nur Ja und Amen sagte, wenn er mal wieder einen seiner Wutausbrüche bekam, den er herum schubsen konnte, wie er lustig war ... das war doch viel eher nach seinem Geschmack, oder? Ich konnte ihn dahingehend wirklich nur schwer einschätzen, eventuell reizte ihn ja auch die Herausforderung, sich mit Jemanden in seiner Liga zu messen, mal Konter zu bekommen, wo doch alle Anderen schon den Schwanz vor ihm einzogen. Keine Ahnung... das Alles war einfach fürchterlich verwirrend. Auf der einen Seite waren wir uns so ähnlich, was eigentlich versprach, dass man sich in vielerlei Hinsicht sicher schneller einigen konnte, als so manch andere Paare, auf der anderen Seite wurde auch genau das manchmal zum Problem, wenn zum Beispiel wieder niemand nachgeben wollte, weil er auf sein Recht bestand und so einen Quatsch eben. War mir für den Moment schon wieder viel zu viel heiße Luft um Nichts in meinem Kopf. Ich war ganz froh, dass der Kellner mich da prompt wieder aus den Gedanken riss, als er zumindest schon mal die Getränke an unseren Tisch trug. Das Essen brauchte wohl noch, aber Anstoßen konnten wir immerhin schon mal. Ich erwiderte Hunters Prost also ebenfalls mit einem schwachen, unsicheren Lächeln auf den Lippen, als ich das Wasserglas, wie es nun mal üblich war, leicht anhob. Während wir im Anschluss daran dann auf die Hauptspeisen warteten, war es wohl zwischenzeitlich wieder recht still um uns geworden, bis erneut die Bedienung aufschlug. Dieses Mal in Begleitung einer adrett gekleideten jungen Dame, die mit dafür verantwortlich war, dass Hunter und ich zeitgleich unser Essen serviert bekamen und ich musste ehrlich sagen ... für den Preis sah das Ganze schon ziemlich ordentlich, sehr appetitlich aus und irgendwie hatte ich jetzt die letzten paar Stunden wirklich einen riesen Kohldampf entwickelt. Ich wartete also nur noch darauf, das die beiden Angestellten wieder das Weite gesucht hatte, nachdem sie sich noch ein letzten Mal versichert hatten, dass wir auch ja nichts weiter brauchten, ehe ich meinem Gegenüber noch einmal ausgiebig für die Einladung dankte und ihm einen guten Appetit wünschte. Im direkten Anschluss daran, hatte ich angefangen, den Veggieburger mit Messer und Gabel auseinander zu pulen, musste aber ziemlich schnell feststellen, dass das zu Nichts führen würde. Einen Burger mit Messer und Gabel zu verdrücken, war einfach eine Todsünde und es fiel mir sichtlich schwer, das so elegant wir möglich zu versuchen, aber es wollte einfach nicht funktionieren. Hier ein Stück vom Brötchen aufgabeln und im Nachgang das Salatblatt hinterher schieben war doch kein befriedigendes Gefühl. Ich wollte alles auf einmal schmecken, was mich letztlich resigniert seufzen ließ. Prüfend warf ich einen Blick über meine Schulter, der mir zufrieden versicherte, dass uns niemand weiter in diesem Abteil hier belästigen würde - hatte er wirklich den ganzen, relativ großen Raum nur für uns reserviert? -, weshalb ich spontan das Besteck zur Seite legte und anfing, das verhältnismäßig gesunde Fast Food mit den Fingern zu essen. Machte sicher kein sonderlich schönes Bild, aber bis auf Hunter sah mich hier ja keiner. Und gerade er wusste am besten, dass ich dieses Ladylike einfach gar nicht drauf hatte. Sollte er sich sowas hier des Öfteren von mir erhoffen - in Kleid und High Heels schick Essen gehen -, dann musste ich ihn leider enttäuschen. Heute war wirklich eine absolute Ausnahmesituation.
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Seit wann war Cosma so empfindlich? Sie schien sich neuerdings irgendwie jedes Wort, das ich von mir gab, zu Herzen zu nehmen. Egal, ob es nun ein Witz war, oder eben nicht. Aber das würde sie wieder ablegen, oder? War sicher nur der merkwürdigen Situation geschuldet, dass wir beide momentan kaum mehr zu wissen schienen, wo oben und wo unten war. Denn wenn sie sich nicht wieder fing... tja, dann war wohl bald abzusehen, dass ich entweder mit forschen Worten einen Streit anzettelte oder sie wegen eines Scherzes Etwas komplett in den falschen Hals bekam und anfing mit Gegenständen nach mir zu schmeißen... oder so ähnlich. Ich sah nicht oft fern und sicher wurde in den meisten Filmen extrem übertrieben, aber das viele Frauen manchmal sehr leicht... reizbar waren, gelinde gesagt, war irgendwie kein großes Geheimnis. Ob es nun um Ärger oder Enttäuschung ging war manchmal nicht mal wirklich ersichtlich und ich war einfach weit davon entfernt, ein Frauenversteher zu sein - die sexuelle Ebene vielleicht mal ausgeschlossen, aber darum ging es hier ja auch gar nicht. Gedanklich seufzte ich ein wenig in mich hinein und ließ die Sache dann wohl einfach mal so stehen, was ein nicht ganz angenehmes Schweigen zur Folge hatte. Aber das hatte ich mir wohl irgendwie selber eingebrockt. Jedenfalls war ich ganz dankbar darum, als das Essen endlich kam und wir beide damit ein Stück weit beschäftigt waren. Es war ein klein wenig amüsant, wie die Rothaarige sich da mit Messer und Gabel abmühte. Bei einem Burger. Das waren eben schon zwei so Dinge, die quasi gar nicht zusammen passen konnten. Aber ich verstand, warum sie das tat - hier galt nunmal eigentlich die gewisse Etikette, im Grunde wäre es also schon angebracht und vielleicht irgendwie machbar. Aber es war unnötig umständlich und ich war selber jetzt kein Pioneer auf dem Gebiet von Benimmregeln oder gar dem Knigge-Konzept, weil es mich schlicht nicht juckte. Schließlich gab die junge Frau den Kampf jedoch auf und gefiel mir damit auch tatsächlich besser. Ich konnte ja ohnehin nicht viel mit diesem ganzen geschniegelten und gestriegelten Auftreten anfangen - mir als Schwerverbrecher der ersten Klasse gegenüber war es eben auch einfach nicht notwendig. "So gefällst du mir sowieso besser.", stellte ich auch noch einmal laut für sie hörbar fest, dass das so passte und lächelte unbewusst kurzzeitig ein wenig vor mich hin, bevor ich mich wieder ganz dem Essen widmete. Ich hatte mich hier ja nicht in eine Ecke mit Alleinlage mit ihr verzogen, damit sie sich irgendwie verstellte. Zumindest in diesem Bereich des Restaurants konnte sie einfach sie selbst sein. Gut, einen Joint anzünden sollte sie vielleicht nicht, aber darauf würde sie auch von allein kommen. So genoss ich einfach das unbeschreiblich saftige Steak und räumte auch den zweiten Teller mit den Beilagen ziemlich leer, bevor mein Magen eindeutig ein Veto einlegte. Nicht mehr konnte, absolut voll war. Da half der absackende Schluck Whiskey danach immerhin ein kleines bisschen. Ich aß selten dermaßen viel, einfach aus Zeitgründen. Das erklärte ziemlich eindeutig, warum ich ansonsten nicht viel auf meine Ernährung achten musste, um kaum Fett anzusetzen. Mein Körper lief überwiegend im Kaloriendefizit vor sich hin. Ich lehnte mich ein klein wenig mehr zurück, gönnte meinem Bauch damit ein wenig mehr Freiraum. Dazu nahm ich noch das ohnehin schon fast leere Wasserglas in die Hand, ließ immer wieder etwas vom Inhalt meine Kehle nach unten sickern. "Hast du... was dagegen, wenn ich nachher noch ein bisschen bei dir bleibe?", hakte ich ganz vorsichtig mit einem kurzzeitigen Zögern nach. Natürlich würde ich es ein Stück weit verstehen, wenn sie nach dem ganzen Aufriss hier einfach nur ihre Ruhe wollte. Es wäre jedoch wahrscheinlich schon irgendwie produktiver für einen Fortschritt zur eventuellen Erkennung unserer Was-Auch-Immer-Beziehung, wenn wir uns vielleicht einfach nur irgendwo ruhig hinsetzen und ein bisschen reden würden. So ganz auf gewohntem Territorium. War mir auch egal, ob sie dann in Jogginghose und viel zu großen Tshirt neben mir auf dem Sofa saß, Hauptsache eben sie tat es. "Nur ein bisschen Zusammensitzen, nichts Wildes.", versicherte ich ihr, dass ich mir darunter Nichts weiter vorstellte, als einfach nur ein wenig Ruhe zwischen uns einkehren zu lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es hätte mich schwer verwundert, wenn gerade Hunter mich auf meine fehlende Manieren angesprochen hätte, wo er zeitweise selber nur sehr wenig davon an den Tag legte. Natürlich hätte ich es unter diesen Umständen irgendwo verstanden, denn wenn er einmal öfter hier war, wollte er sicher nicht allzu negativ auffallen. Aber wir waren ja alleine, ich hatte mich ausreichend abgesichert, dass nur er sehen konnte, wie ich das überteuerte Luxusessen in Fingerfood verwandelte. In meinen Augen war also alles in Ordnung und seinen Worten nach zu urteilen, ging das auch für ihn klar. Besagte Ansprache brach dann auch endlich das zeitweise unangenehme Schweigen wieder, welches zum größtem Teil wohl meine Schuld gewesen war. Vermutlich hatte ich mich durch das verstärkte Hungergefühl einfach auf den Schlips getreten gefühlt, jetzt war die Sache aber schon wieder vollkommen vergessen gewesen. Ich hatte mir gerade eine der Kartoffelecken mit reichlich Dip in den Mund geschoben, noch während ich ein Stück meines Burgers kaute, als Hunter mir ein weiteres, eher indirektes Kompliment machte. Mhm, was sollte ich darauf jetzt erwidern? Danke, dass du mich so magst, wie ich bin? Wohl eher nicht, denn wenn er wirklich Interesse an mir hatte, musste er mich wohl so nehmen, wie ich war. Und dazu gehörten nun Mal auch meine Macken, von denen ich leider nicht gerade wenige hatte. Aber da nahmen Hunter und ich uns ja nicht viel. Mussten wir uns also beide mit arrangieren. Gleiches Recht für alle, oder so. Jedenfalls ließ ich das jetzt erst einmal so stehen, erwiderte lediglich ein verstohlenes Lächeln, ehe ich mit dem Essen fort fuhr. Jedoch sollte ich schon lange vor Hunter die Segel streichen müssen. Für meine Verhältnisse hatte ich zwar ziemlich viel verdrückt, aber ein gutes Viertel musste ich dennoch stehen lassen. Verschwendet war es aber keinesfalls, wäre der Kellner doch bestimmt so freundlich, mir den Rest für Zuhause einzupacken. Bis dahin beobachtete ich erst noch meine Begleitung, die noch eine relativ lange Zeit brauchte, bis beide Teller, die vor ihm gestanden hatten, nahezu leer gefegt waren. Als er sich schließlich zurück lehnte und zufrieden drein blickte, schlich sich auch auf meine Lippen ein liebevolles Lächeln. Das Wasserglas mit dem restlichen, eher kläglichen Inhalt vor mich hin schwenkend, schenkte ich Hunters Worten schließlich wieder mein Gehör, legte den Kopf dabei etwas schief. Ob ich ein Problem damit hatte, wenn er später noch einmal mit rauf kam? Im Prinzip eigentlich nicht, aber irgendwie brauchte ich trotzdem einen Augenblick, bevor ich schließlich nachdenklich mit den schmalen Schultern zuckte. Bis jetzt zählte der heutige Abend, neben dem Ausflug mit Tauren, zu einer der seit Langem positivsten Erfahrungen der letzten Jahre und eigentlich sollte man ja bekanntermaßen aufhören, wenn es am Schönsten wurde. Aber das konnte ich wiederum nicht, denn auch ich hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, ihn abschließend noch zu fragen, zumindest für eine weitere Stunde noch gemütlich fern zu sehen oder sowas in der Art. Also haderte ich zwar einen Moment mit mir, stimmte dann aber, ebenfalls das Lächeln auf den Lippen tragend, zu. "Es würde mich freuen, wenn du noch etwas bleiben würdest.", gab ich meinen Gedanken schließlich noch eine Stimme. Dass er noch einmal betonte, wirklich nur zusammen sitzen zu wollen, ließ mich wiederum schief grinsen. Eigentlich hatte ich in diese Richtung noch gar nicht weiter überlegt, wollte das ehrlich gesagt auch noch nicht, bevor die Sache zwischen uns nicht endgültig geklärt war.
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Ich wusste gar nicht, wie ich reagiert hätte, wenn die junge Frau meine Frage abgelehnt hätte. Wenn sie einfach nur ihre Ruhe hätte haben und allein sein wollen. Immerhin war ich es nicht gewohnt, dass sich Jemand meinen Forderungen - auch, wenn es in diesem Fall eher eine freundliche Bitte gewesen war - widersetzte und wenn das doch mal vorkam, dann hagelte es eben spürbaren Protest meinerseits und die Sache war erfolgreich umgelenkt. So einfach wäre das hier aber jetzt nicht zu handhaben. Vielleicht hätte es mich auch ein Stück weit sauer gemacht, war auf jeden Fall eindeutig im Bereich des Möglichen. Aber womöglich hätte ich mich trotzdem zusammenreißen können. Zum einen wegen dem gerade langsam einsetzenden Fresskoma und zum anderen, weil es halt doch Cosma war, die hier vor mir saß. Ich hatte jetzt sehr lange Zeit gehabt, um Revue passieren zu lassen, wie sehr ich mich in letzter Zeit wirklich anders ihr gegenüber verhalten hatte und ich war doch deutlich weniger anfällig für ihre mauligen Kommentare und Antworten gewesen. Natürlich hatten sie mir auch zu dieser Zeit nicht sonderlich geschmeckt, aber ich war eigentlich nie ausgerastet. Kein einziges Mal. Mal kurzzeitig genervt zu sein, ja, das war vorgekommen, aber mehr eben auch nicht und das allein war schon sehr verdächtig dafür, dass eben irgendwas nicht in der selben Schiene wie sonst in meinem Kopf ablief, wenn ich mich in Gegenwart der eigenwilligen Frau befand. "Sehr schön.", gab ich also auch nochmal indirekt die Bestätigung dafür, dass mich das freute, in Worten ab und nickte dabei ein klein wenig, wobei Cosmas Lächeln unweigerlich ein wenig auf mich überging. Kurz darauf kippte ich den letzten Schluck Wasser runter, weshalb ich von ihrem Grinsen an sich nicht wirklich viel mitbekam, bevor ich das leere Glas zurück auf den Tisch stellte und stattdessen den Whiskey, der ebenfalls fast leer war, um den Teller herum zu mir hin zog. Ich fragte mich dabei kurzzeitig, was für ein Genre der Rothaarigen bei Filmen wohl am liebsten war, verwarf diese Gedanken jedoch schon bald wieder. Solange es kein kitschiger Liebesfilm oder ein sich ewig lang hinziehendes Drama war, das wir nachher sahen, war mir die Wahl ziemlich egal. Ich würde mich wohl ohnehin mehr auf Cosma und weniger auf den Fernseher konzentrieren. Der Kellner hatte wie so oft zeitlich den richtigen Riecher und kam, um unsere Teller mitzunehmen. Fragte noch einmal, ob Alles zu unserer Zufriedenheit war und ob wir noch Etwas brauchten. Ich verneinte, war ich mir doch alles in allem sehr sicher, dass die zierliche junge Frau mir gegenüber ohnehin keinen weiteren Bissen mehr runter bekam und wir beide eher zum Auto rollten als gingen. Also bat ich stattdessen um die Rechnung, die er uns nach dem Verräumen der Teller bringen wollte. Indessen trank ich den teuren Alkohol mit einem letzten Schluck leer, ehe er zurückkam und mir die gewohnt hohe Rechnung präsentierte. Den Geldbeutel hatte ich in der Zwischenzeit schon aus der Seitentasche der Lederjacke gefischt und bezahlte dem jungen Mann wie immer auch ein großzügiges Trinkgeld, weil er mir einfach ein Stück weit leid tat. Befand sich in diesem Unternehmen einfach in einer absolut schlechten Position und außerdem machte er seine Arbeit tadellos, er hatte sich das also redlich verdient. Im Anschluss wünschte Tobias uns noch einen schönen Abend und verschwand, ehe ich mich langsam zum Aufstehen und Anziehen meiner Jacke aufraffte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich wusste nicht genau, ob ich da jetzt wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Verabredung für den heutigen Tag einfach auf sich beruhen zu lassen. Man musste es ja nicht direkt übertreiben und Hunter sollte im Verlauf des Abends mitbekommen haben, dass ich ihm ganz offensichtlich verziehen hatte. Seine Entschuldigung dafür, dass er mich so eiskalt im Regen hatte stehen lassen, geglückt war. Es gab, meiner Meinung nach, also nichts mehr, worum er sich groß Sorgen machen musste, solange er sich ab heute zumindest in regelmäßigen Abständen bei mir melden würde. Wäre absolut kein Problem gewesen, wir wären auch so über kurz oder lang zu einem Ergebnis gekommen, aber okay. Es war ja jetzt nicht so, dass er mich nervte oder zu aufdringlich wurde. Ganz im Gegenteil. Seine Fragen stellte er seit Neuestem verhältnismäßig zurückhaltend, weit nicht so forsch, wie er es sonst immer tat. Mal ganz abgesehen davon, dass er für gewöhnlich gar nicht erst fragte, sondern einfach einforderte, was er haben wollte. War also dahingehend schon mal eine nicht zu unterschätzende Veränderung seitens Hunter gewesen, die man ihm zugute halten konnte. Alles in allem wollte ich jetzt auch gar nicht weiter darüber nachdenken, ob meine Entscheidung richtig oder falsch gewesen war. Es konnte schließlich nicht weiter schaden, wenn wir noch ein wenig Zeit miteinander verbrachten. Hieß ja auch nicht direkt, dass er über Nacht bleiben musste. Aber das würden wir wohl ganz spontan entscheiden. Wenn wir daheim auf dem Sofa wegnickten, ja, dann war das eben so. Ich würde mitten in der Nacht ganz sicher einen Teufel tun und darauf bestehen, dass er sich wieder anzog und Heim fuhr. Wäre ja vollkommener Quatsch und das wusste Hunter wohl genau so gut, wie ich. Nur mussten wir da - auf die Couch - erst einmal hinkommen, was in einem derart präkomatösen Zustand gar nicht mal so einfach war. Bis wir es letzten Endes in die Tiefgarage geschafft hatten, verging sicher auch noch mal eine halbe Stunde. Nicht zuletzt hatte Hunter natürlich auf die Rechnung warten und diese bezahlen müssen. Im direkten Anschluss waren wir zwar schon in unsere Jacken geschlüpft, aber ich musste dann doch noch mal für ein paar Minuten vor der weiten Fensterfront verharren. Weil es mittlerweile wirklich dunkel geworden war, stachen die Lichter der Stadt jetzt umso heller hervor, was Alles in Allem und unglaublich schönes Bild abgab. Bis ich mich daran satt gesehen hatte, würde es wohl sicher noch ein oder zwei Besuche brauchen. Für's Erste wand ich mich dann aber von der Aussicht ab, um dem Amerikaner erneut durch den langen Flur bis zum Fahrstuhl zu folgen. Der Fahrstuhl beförderte uns schließlich wieder in den Untergrund, wo die schwarze Limousine bereits auf uns wartete. In der Zeit, die wir im Restaurant gesessen hatten, war sie doch wieder ziemlich runtergekühlt und meine erste Amtshandlung, nachdem Hunter den Motor gestartet hatte, war wieder einmal, die Sitzheizung einzuschalten. Anders wäre die Gänsehaut wohl bis zur Wohnungstür präsent geblieben und das musste meiner Ansicht nach echt nicht sein. Die fast zwanzig Minuten Fahrt ließen sich im Beifahrersitz dann eigentlich ganz gut aushalten, aber ich merkte, wie ich zunehmend müder zu werden schien. Zwar fielen mir, anders als bei der Hinfahrt, nicht die Augen zu, aber alt werden würde ich heute wohl trotzdem nicht. Als der Wagen nach einer gefühlten Ewigkeit dann endlich wieder in der herunter gekommenen Gegend der Stadt zum Halten kam, blieb ich noch einen Moment im Auto sitzen. Auf der Fahrt hierher hatte es angefangen, wie aus Eimern zu regnen. Also wollte ich zumindest ein paar Minuten lang abwarten, ob es vielleicht gleich wieder aufhörte oder zumindest weniger wurde. Jetzt aus zusteigen, würde auch auf die kurze Distanz bis zur Haustür heißen, einmal komplett geduscht zu werden. Also nutze ich die Zeit einfach noch für einen kleinen Smalltalk. "Das war bis jetzt... ein wirklich sehr schöner Abend.", bedankte ich mich noch einmal indirekt bei dem jungen Mann für seine großzügige Einladung. Dabei hatte ich mich bereits abgeschnallt und mich auf dem Beifahrersitz so herum gedreht, dass ich ihn wieder direkt ansehen konnte. "Für die Zukunft muss ich dir aber sicher nicht sagen, dass es eine Chickenbox am Flussufer auch tut, ja?" Wieder formten sich meine Lippen zu einem schiefen Grinsen. Wie gesagt, Geld bedeutete mir relativ wenig. Natürlich gönnte ich mir hier und da auch mal gerne etwas, aber man musste es nun wirklich nicht übertreiben. Außerdem war mein Vorschlag deutlich bequemer, ohne große Organisation und mit weniger Menschen umzusetzen. Gut, bis auf den Kellner und seine Unterstützung waren wir heute ja auch ganz unter uns gewesen. Aber auch die hätte man einsparen können. Aber ich wollte mich ja gar nicht beschweren. War nur einfach meine Meinung.
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Es war doch immer wieder faszinierend, wie sehr der Körper mit dem Verdauen von Essen beschäftigt war, vor Allem in dieser Menge. Es war jetzt nicht so als würde ich jeden Augenblick hinter dem Lenkrad einschlafen, denn das tat ich tatsächlich einfach deshalb nie, weil ich wahnsinnig gerne mit meinem Auto fuhr. Aber ich merkte doch, dass mir das ausgezeichnete Steak jetzt ein wenig schwer im Magen lag und sich dadurch die restlichen Körperfunktionen gerne ein wenig ausruhen wollten. Da wurde der Arm dann nur gerade so weit genug ausgestreckt, um an den Schaltknüppel zu kommen und ja keinen Zentimeter weiter am Lenkrad gedreht, als in den Kurven notwendig war. Das ständige neu anfahren müssen an den Ampeln, als wir von der Hauptstraße mit grüner Welle runter fuhren, war auch unheimlich nervig, aber ich wollte mich eben doch ausnahmsweise ein bisschen an die Regeln halten. Jetzt die Cops auf mich zu lenken, die in den abgelegeneren Vierteln der Stadt nur zu gerne ihre Runden drehten, und eine Verfolgungsjagd hinlegen zu müssen war ganz sicher nicht in meinem Sinn. Weder angesichts des schweren Magens, noch mit Cosma auf dem Beifahrersitz. Ich hatte sie schon mehr als genug Gefahren ausgesetzt, würde es - sofern der Kontakt denn nun wirklich anhielt - zwangsweise wahrscheinlich auch zukünftig noch tun... es reichte schon mich etwas zu gut zu kennen und irgendwo mit mir gesehen zu werden, um ins Fadenkreuz zu rutschen. Da brauchte ich sie jetzt nicht unnötig mit Sowas in Gefahr zu bringen. Wir kamen schließlich auch mit dem Normaltempo irgendwann bei Cosma Zuhause an und ich parkte den Wagen ziemlich genau dort, wo er auch vorhin schon gestanden hatte. Allerdings war das Wetter uns jetzt weniger glücklich gesinnt, was mich mit einem Seitenblick durch die getönte Scheibe leise seufzen ließ. Ich hatte hier wahrscheinlich auch keine Wechselklamotten mehr, hatte ich Desmond doch Alles von hier wegholen lassen, als ich lädiert in ein paar wenigen meiner eigenen vier Wände gehaust hatte. Nebenbei hatte ich noch das Pflegepersonal für die Rothaarige gespielt, aber ich war doch auch wegen meinem eigenen, entkräfteten Körper zwangsweise eine Weile Zuhause geblieben. Die junge Frau richtete nun auch wieder ihre Worte an mich, was mich den Blick von den Regentropfen an der Fahrertürscheibe ab- und stattdessen ihr zuwenden ließ. Es tat irgendwie gut, das von ihr zu hören. Natürlich war nicht zu übersehen gewesen, dass ihr das Essen geschmeckt hatte, aber ein bisschen Bestätigung dahingehend war jetzt trotzdem sehr angenehm. "Das freut mich.", ließ ich Cosma an meinen Gedanken teilhaben und fing wieder schwach zu lächeln an. Meine Lippen gaben sich dann aber doch bald einem etwas breiteren Grinsen hin, weil sie noch ein paar mehr Worte dran hängte. "Keine Panik, das wird sicher nicht der Regelfall. Dir ist ganz sicher schon aufgefallen, dass ich selber eher weniger der... Schickimicki-Typ bin. Ich dachte nur... es gab einiges wieder gut zu machen und das wollte ich irgendwie... auch richtig machen.", erklärte ich ihr, warum das Ganze vielleicht etwas extravaganter ausgefallen war, als es das hätte tun müssen. Ich hatte eben sicher gehen wollen, dass sie auch wirklich glücklich war und dabei dann womöglich ein klein wenig übertrieben. Aber allzu schlimm konnte das ja nicht sein, sonst hätte sie mir ja eben nicht gesagt, dass sie bisher zufrieden mit dem Hergang des Abends war. So weit, so gut. Das Eis schien allmählich wieder ein wenig dicker unter meinen Füßen zu werden. Es regnete wohl noch gut zwei Minuten, bis es deutlich weniger wurde und nur mehr ein leichtes Nieseln war. "Jetzt oder nie.", kommentierte ich die Wettersituation ironisch und schob dann langsam die Fahrertür auf um auszusteigen, konnte ich das kleine bisschen Wasser, das jetzt noch von oben kam, doch locker ertragen. Ich war auch schon im strömenden Regen oder Schneesturm draußen gewesen, wenn es die Arbeit verlangte. Ich war was das anging wirklich nicht empfindlich, aber wenn es ging, vermied ich es eben trotzdem ganz gern. War halt nicht angenehm bei Temperaturen knapp über dem Nullpunkt komplett durchnässt herum zu laufen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das wollte ich auch hoffen. Dieses eine Mal konnte ich vor mir selbst gerade noch vertreten, war ich in der Regel niemand, der anderen Leute gerne auf der Tasche lag oder ihnen etwas schuldete, aber sehr viel öfter sollte das jetzt auch nicht vorkommen. Hunter bestätigte mir auch verbal noch einmal, dass das heute eine - vielleicht nicht unbedingt einmalige - Ausnahme war, da er ebenfalls eher der legere Typ Mensch war. Und ja, soweit ich das beurteilen konnte, war er das tatsächlich. Bis auf ein paar ganz wenige Dinge, die nicht unbedingt jeder besaß, war Hunter eigentlich noch recht bodenständig geblieben. Dabei schätzte ich sein monatliches Einkommen auf einen Wert, der ohne Probleme zwei oder drei Familien hätte ernähren können. Aber gut, in meinen Augen machte er damit alles richtig. Würde er jetzt an die große Glocke hängen, wie reich er streng genommen eigentlich war, hätte er ganz sicher nicht nur mehr Feinde in seinem Metier, sondern auch mein Interesse an ihm wäre vermutlich etwas geringer - wenn überhaupt noch vorhanden. Ich konnte es einfach nicht leiden, wenn Jemand der Meinung war, dass man mit Geld absolut alles regeln konnte. Da hätte er noch so heiß aussehen können, wenn der Charakter hässlich war, brauchte ich nicht weiter darüber nachzudenken, ihm überhaupt die Möglichkeit zu geben, sich mir gegenüber zu beweisen. Ich meine, klar, den ein oder anderen Schein mehr zu haben war schon nicht schlecht. Wenn die Zeiten mal nicht so rosig aussahen, konnte man eben problemlos mit seinem Polster überwintern, aber ich war wohl einfach sehr sparsam erzogen worden. Eine dicke Villa am Stadtrand mit Pool im Garten war nichts, was mich auf Dauer glücklich machen konnte. Lieber hauste ich in meiner zwei Zimmer Wohnung und verprasste das Geld für Drogen und Alkohol. Hatte ich im Endeffekt so nach ganz persönlicher Meinung irgendwie mehr von gehabt, aber es stand ja absolut jedem frei, sein Geld in die Dinge zu investieren, für die er sich interessierte, die ihm wichtig waren. Hunters Prioritäten konnten schon wieder ganz andere sein, als es meine waren. Wichtig war mir nur, dass er eben kein Überflieger war, der versuchte, mich mit seinem Geld zu überzeugen. Was nicht heißen sollte, dass er nicht einmal öfter ein Hemd tragen durfte. Unabhängig davon, wie viel Geld er monatlich generierte, stand ihm das nämlich, wie mir vorhin im Restaurant auch schon aufgefallen war, unglaublich gut. Gerade mit den hochgekrempelten Ärmeln, die lange Zeit nur die unzähligen Tattoos auf seinem Arm verdeckt hatten, hatte er gleich eine ganz andere, aber durchaus positive Wirkung auf mich ausgeübt. Nun... jedenfalls schweifte er mit seiner Rechtfertigung, wieso und weshalb es heute etwas teurer geworden war, für meinen Geschmack ein wenig zu weit ab. Die Beweggründe waren mir ziemlich schnell klar gewesen und wie bereits mehrfach erwähnt, war es für den heutigen Tag ja auch okay. Nur in Zukunft musste er nicht mehr ganz so weit ausholen, wenn er sich für eine Sache entschuldigen wollte. Zwar war ich im Allgemeinen eher der kompliziertere Typ Mensch, aber in der Hinsicht dann doch sehr einfach gestrickt. Für einen kurzen Moment hatte ich ihn einfach nur angesehen, ihn aussprechen lassen und erst dann zögerlich meine Hand an seine Wange gehoben. Es musste schließlich nicht immer nur von ihm eine Eigeninitiative ausgehen, oder? Während den folgenden Worten hatte ich dann mit meinem Daumen vorsichtig, ganz sachte über seine Haut und das Tattoo an seinem Wangenknochen gestrichen, dabei stets ein verständnisvolle Lächeln auf den Lippen getragen. "Da hast du wohl Recht.", pflichtete ich ihm erst einmal bei, dass er wirklich Mist gebaut hatte. Er kannte mich ja jetzt mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ich, sobald er mir die Chance dazu gab, zu bestätigen, dass er etwas falsch gemacht hatte, dies auch tun würde. Aber in diesem Moment war das gar nicht mal böse gemeint. "Und ich bin dir auch fast schon nicht mehr böse. Nur noch ein gaaanz kleines Bisschen.", fügte ich dann etwas neckend hinzu und ließ meine Hand wieder nach unten sinken. Natürlich war das mal wieder vollkommener Quatsch, hatte ich ihm doch schon verziehen, als er wie ein getretener Hund vor meiner Tür aufgekreuzt war. Trotzdem wollte ihn gerade einfach nur ein wenig ... verunsichern und ihn sich noch nicht in Sicherheit wiegen lassen. Man musste es ihm ja nicht unbedingt einfacher machen, als es eigentlich sein sollte. Er durfte sich auch gerne noch einmal menschlich etwas anstrengen, ohne das Geld oder leckeres Essen mich beeinflussten. Für's Erste blieb diese Aussage aber unbeantwortet im Inneren des Wagens bestehen, weil das Wetter sich wieder etwas zu beruhigen schien. Nach wenigen Minuten Aufenthalt im Auto, wurde der Regen allmählich weniger und bot uns damit die Chance, zumindest halbwegs trocken in die Wohnung zu flüchten. Das ließen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen, weshalb ich schon relativ bald nach den letzen Worten des Amerikaners die Beifahrertür öffnete und aus dem Wagen ausstieg. Mit schnellen Schritten strebte ich kurz darauf dann auch schon die Haustür an, sodass Hunter nach erfolgreichem Verschließen der Limousine gar nicht mehr lange warten musste, mir durch das Treppenhaus die Stufen nach oben zu folgen. Die Wärme, teilweise noch immer angereichert mit dem Geruch von Marihuana, empfing uns, sobald ich die Tür zu meiner Wohnung geöffnet hatte und jagte mir sogleich einen angenehmen Schauer über den Rücken. Als erste Amtshandlung, nachdem die Haustür zurück ins Schloss gesprungen war, streifte ich die Schuhe von meinen Füßen, die anders als der Rest vom Körper wahnsinnig heiß geworden waren. Da war das kalte Laminat eine wirklich willkommene Abkühlung für die geschundenen Sohlen. Aber auch das Kleid würde ich, so schön es auch war, relativ bald ablegen, war mir ein weiter Hoodie und eine Jogginghose doch etliche Male lieber. Bevor ich allerdings einen Gedanken daran verschwendete, mich ins Bad zu verziehen, drehte ich mich im Flur noch einmal in Richtung meiner Begleitung. "Mach's dir ruhig bequem. Willst du etwas trinken ... oder rauchen?", fragte ich schief grinsend, während ich mit einer Hand die High Heels vom Boden angelte, um sie gleich wieder in den Schrank zurück zu tun, wo ich sie einst heraus gezaubert hatte.
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Machen wir uns Nichts vor - es war immer noch komisch. Es würde wohl eine halbe Ewigkeit dauern, bis ich mich daran gewöhnen würde, dass mich Irgendjemand sanft anfasste, der keine Hintergedanken im Sinne von Mord hatte oder im Voraus für etwaige Intimitäten bezahlt worden war. Die Paranoia ließ sich irgendwie einfach nur schwer ignorieren, klopfte sie doch auch dieses Mal in meinem Bewusstsein an und wollte mir vermitteln, dass ich damit Gefahr lief, Jemanden zu nah an mich heran zu lassen - körperlich, aber sicher auch psychisch. Lediglich die Worte, welche die Rothaarige dabei von sich gab, hielten mich davon ab die Hand gezielt wieder von meiner Wange weg zu schieben. Es war mir vermutlich auch deutlich anzusehen, dass mir die Sache noch immer nicht ganz geheuer war, als ich die Worte "Macht nichts, wir haben ja noch genug Zeit...", vor mich hin murmelte. Selbst, wenn sie mir wirklich noch böse sein sollte - was übrigens eigentlich gar nicht mehr so aussah -, würde ich das zweifelsfrei wieder hinkriegen, wenn ich mir Mühe gab. Genug Zeit dafür hatte ich ja. Theoretisch zumindest. Ich wusste nicht, was ich letztendlich davon halten sollte, dass ihre Finger sich schon bald wieder von meiner Wange distanzierten. Einerseits barg das eine gewisse Erleichterung in sich, aber andererseits war es irgendwie doch so ein bisschen angenehm gewesen. Schrecklich verwirrend. Ich war ganz froh, dass ich mich für den Moment nicht mehr mit dem zwiespältigen Problem befassen musste, sondern mich hinter der jungen Frau her in die Wärme der Wohnung flüchten konnte. Das Gras schien sich nach wie vor nicht ganz verdünnisiert zu haben, woran ich mich aber ja ohnehin in früheren Zeiten bereits gewöhnt hatte. War also gar nicht der Rede wert und noch während ich mir die ebenfalls einfarbig schwarzen Sneaker von den Füßen schob, lauschte ich der folgen Aufforderung, beziehungsweise der darauffolgenden Frage. Prinzipiell war mir immer so ein bisschen danach etwas zu rauchen oder zu trinken. Gerade jetzt, wo ich mich in einer so neuen Situation befand, die reichlich Unbehagen für mich barg. "Nur 'ne Cola oder so..", war meine wohl eher unerwartete Antwort auf Cosmas Frage. Ich hatte mir mit der Antwort ein paar Sekunden Zeit gelassen, darüber nachgedacht, aber schlussendlich wollte ich mir die Sinne jetzt einfach nicht betäuben. Sowohl Alkohol, als auch Gras verfälschten einem so viele Gefühlsregungen, was ich leider nur zu gut beurteilen konnte. Ich wollte jedoch später noch wissen und sicher sagen können, was von dem, was ich fühlte, auch wirklich... echt gewesen war und nicht nur irgendeinem Nervengift entsprang. Also dankte ich beidem mit wehmütigem Herzen ab, bevor ich mich langsam schon mal ins Wohnzimmer begab. Mir schon auf dem Weg dahin das Hemd aufknöpfte. Ich glaubte kaum, dass Cosma sich an meinem nackten Oberkörper stören würde, weil sie ihn in ihrer Patienten-Zeit zu Genüge gesehen hatte. Das Hemd war einfach auf Dauer nicht sonderlich bequem, war an den Schultern auch ein klein wenig zu eng... womöglich wäre eine Anfertigung nach Maß sinnvoller gewesen, aber der Zug war jetzt schon abgefahren. Also wanderte das schwarze Hemd auf die Armlehne des Sofas, bevor ich mich auf das Sitzpolster sinken ließ und es mir mit der Decke bequemer machte. War zwar nicht direkt kalt in der Wohnung, aber auf Dauer doch gemütlicher und es war trotzdem möglich, dass mir später sonst etwas frisch am Oberkörper wurde. Spätestens dann, wenn ich irgendwann müde wurde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gesichtsausdruck spiegelte wohl sehr deutlich wieder, wie verwirrt ich anfänglich über Hunters Antwort gewesen war. Dass gerade er etwas alkoholisches zu trinken oder einen Joint ausschlug, kam jetzt doch eher selten vor, war für mich aber natürlich auch okay. Ich wollte ihm ja nichts aufschwätzen oder ihn zu irgendwas drängen. Wenn er nur eine Cola haben wollte, sollte er diese auch bekommen ... oder halt auch nicht. Mir fiel nämlich erst reichlich spät ein, dass ich sowas wie Softgetränke in der Regel nur unten in der Bar lagerte. Nur sehr selten kam es da Mal vor, dass ich ein oder zwei Flaschen davon im nächstgelegenen Kühlschrank hier in der Wohnung aufbewahrte. Bevor mir dieser Gedanke gekommen war, hatte ich dem jungen Mann schon als Zeichen des Verständnis zugenickt und mich von ihm abgewandt um den direkten Weg ins Badezimmer einzuschlagen. Gut, er wurde wohl früh genug sehen, dass er eben nicht das bekommen würde, was er sich gewünscht hatte, wenn ich nur mit einer Flasche Wasser zu ihm ins Wohnzimmer aufschloss. Weil er bereits in jenes verschwunden war, als der Groschen bei mir gefallen war, entschloss ich mich dazu, mich erst einmal umzuziehen, das Kleid gegen einen Oversize Hoodie und eine bequeme Leggins zu tauschen. Also wanderte ich, nachdem ich sicher fast eine Minute lang vor der Küche inne gehalten hatte, noch ein paar Schritte weiter, um schließlich in das Badezimmer einzubiegen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass es heute eindeutig genug Aktion für einen Tag gewesen war. Mittlerweile stachen die Augenringe nämlich wieder deutlich durch das Make-up durch, welches ich mir kurzerhand mit ein paar entsprechenden Reinigungstüchern aus dem Gesicht wischte. Erst im Anschluss daran pellte ich mich aus dem roten Stoff, ließ das Kleid achtlos auf den Boden fallen, wo ich es wenig später aber auch schon wieder auf hob und fein säuberlich zusammen legte. Für's Erste blieb es auf der Wäschetonne, die ich beizeiten auch Mal wieder in den Waschsalon schleppen musste, liegen, neben der weniger schön zusammen gefaltet meine Gammelklamotten auf mich warteten. Alles in allem brauchte ich bestimmt zehn oder fünfzehn Minuten, bis ich das Bad wieder verließ und stattdessen die Küche aufsuchte, aus dessen Kühlschrank ich eine der besagten Wasserflaschen angelte. Ich versicherte mich zudem noch einmal, dass ich wirklich keine Cola oder Ähnliches gebunkert hatte, aber wie zu erwarten, befand sich nichts dergleichen im Inneren des ohnehin ziemlich leeren Kühlschranks. Also trottete ich mit dem, was ich hatte, ein weiteres Zimmer weiter, wo Hunter meiner Aufforderung ganz offensichtlich bereits nachgegangen war. Da ich jetzt nicht unbedingt damit gerechnet hatte, dass er so spontan blank ziehen würde, stand ich erst einmal eine ganze Weile ratlos im Türrahmen. Während ich mit den offenen Haaren - die, nachdem ich sie aus dem Zopf gepult hatte, in alle Himmelsrichtungen abstanden -, der ansonsten eher bequemen Klamotten und den Augenringen bis zum Knie eher aussah, wie ein arbeitsloser Drogenjunkie - der ich Alles in Allem fast schon war -, sah Hunter trotz der vielen Narben auf dem Oberkörper immer noch so unglaublich ... Heiß aus. Das fiel mir heute zwar nicht zum ersten Mal auf, hatte ich ihn jetzt schon des Öfteren ohne ein T-Shirt rumlaufen sehen, aber unter dem heutigen Umstand nahm ich das viel bewusster wahr. Hingegen eher unterbewusst hatte ich mir etwas verlegen auf die Unterlippe gebissen, als ich die Distanz zwischen dem Türrahmen und der Couch überbrückte, um mich schließlich neben ihm fallen zu lassen. "Sorry, ich habe ganz vergessen, dass ich süße Getränke nur in der Smith and Wesson habe. Für eine Cola müsste ich jetzt noch Mal runter laufen. Tut es ein Wasser auch?", entschuldigte ich mich leise und hängte zeitgleich die Frage an, ob er mit einem Wasser auch zufrieden war. Ansonsten... Ja, wäre ich wohl tatsächlich noch einmal auf gesprungen und runter in die Bar gestolpert. Andererseits hätte ich wohl nicht fragen sollen, ob ein Wasser genehm war, sondern die Flasche ohne ein weiteres Wort auf dem Tisch abgestellt, getreu dem Motto Das ist alles, was ich habe. Take it or leave it. Jedenfalls griff ich, auf seine Antwort wartend, schon einmal nach der Fernbedienung, um die olle Kiste zum Laufen zu bringen, damit wir gleich, entweder nachdem ich noch einmal aufgestanden war, oder eben auch nicht, gleich ganz gemütlich den Abend ausklingen lassen konnten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
In der Zwischenzeit, die Cosma in anderen Teilen der Wohnung verbrachte, schaltete ich den Fernseher schon einmal an, wählte aber nicht spezifisch ein Programm, sondern ließ ihn einfach da weiter laufen, wo er zuletzt ausgeschaltet worden war. Da lief wohl gerade irgendeine Doku über ein sonniges, warmes Urlaubsland in Europa - um zu wissen, welches es war, müsste ich aber erst einmal damit anfangen den Fernseher bewusst wahrzunehmen. Ich war mir nicht ganz sicher, warum Cosma denn jetzt stehen blieb. War ich doch falsch gewesen in der Annahme, dass das Ausziehen des Hemds okay war? Kurzzeitig verunsicherte mich das doch tatsächlich ein wenig, verleitete mich fast dazu nachzufragen, ob alles okay war oder ihr ein Geist begegnet war. Es war nicht wirklich zu übersehen, dass sie meinen Oberkörper ansah, der eben nur zu einem kleinen Teil unter der Decke verschwand. Aber die junge Frau kam mir dann noch zuvor und setzte sich in Bewegung, kam in meine Richtung. Biss sich dabei auf der Unterlippe herum, was auch ziemlich atypisch für sie war und es mir schwer machte, das irgendwie einzuordnen. Also ließ ich es einfach ganz bleiben und hörte ihr weiterhin leicht irritiert beim Reden zu, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Gut, Cola wäre mir zwar schon lieber gewesen, aber unbedingt notwendig war die jetzt auch nicht. Ich würde die Rothaarige also nicht noch einmal aufscheuchen, nur damit sie mir das koffeinhaltige Getränk von unten aus der Bar besorgte. War nicht so wichtig. "Passt schon, danke...", versicherte ich Cosma mit einem leichten Nicken, dass sie nicht noch einmal aufzustehen brauchte und sah ungeniert zu ihr rüber. "Kann höchstens sein, dass ich dir ohne das Koffein später irgendwann einpenn'...", hängte ich danach ein paar sarkastischere Worte hinten an und grinste ein klein wenig, legte auch den Kopf dabei etwas schief. Ich war zwar ein ziemlich nachtaktiver Mensch und schlief meistens eher bis zum Mittag, als dass ich früh schlafen ging, aber wenn man so gut wie Nichts tuend auf der Couch herum saß, dann konnte man eben doch relativ leicht mal einnicken. Zwar würde dieser Fall wohl nur eintreten, wenn wir eben aufhörten uns zu unterhalten und stattdessen schwiegen, aber nun ja, ich würde ja sehen was jetzt noch so kam. "Was das Programm angeht bin ich flexibel... nur bitte kein Kitsch.", gab ich meinen einzigen Wunsch bezüglich des TV-Programms preis und nahm die Fernbedienung wieder vom Hemd über der Armlehne, nur um sie Cosma hin zu halten. Sollte sie ruhig entscheiden, obwohl ich sonst immer so erpicht darauf war Alles selbst festzulegen. Das hier war einer der wenigen Fälle, in denen das nicht zutraf. Als die junge Frau mir die Fernbedienung abgenommen hatte griff ich im Anschluss nach der Flasche, um ein, zwei kleinere Schlucke zu nehmen, ehe ich das Wasser wieder bei Seite stellte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha. Das wollte ich ihm auch geraten haben, denn beim Fernsehen entschied ich ganz gerne selbst, durch was für einen gequirlten Mist ich mich denn beschallen lassen wollte. Wirklich etwas Gutes lief zwar schon seit mehreren Jahren nicht mehr wirklich, gab es doch mittlerweile kaum noch eine gute Serie auf einen der gängigsten Kanäle. Alles nur noch Wiederholungen oder ein vollkommen schwachsinniges TV-Format, wenn man mich fragte. Aber gut, das tat ja offensichtlich niemand, weshalb ich also mit dem arbeiten musste, was die Kiste eben so her gab. Nach einigen wenigen Sekunden, in denen ich durch die etlichen Sender gezappt war, blieb ich an einem recht neutral wirkenden Film hängen. Das Genre war auf die Schnelle zwar nicht greifbar, aber die toten Menschen und das viele Blut ließen zweifelsohne darauf schließen, dass es sich um keinen Kitsch - mit dem ich im Übrigen auch nur wenig bis gar nichts anfangen konnte - handelte und somit von uns beiden als akzeptiert quittiert wurde. Etwas besseres hatte ich nämlich jetzt nicht gefunden, aber nur bei etwas Musik oder in vollkommener Stille hier auf dem Sofa zu hausen, erschien mir dann doch etwas... na ja, seltsam eben. Gut, jedenfalls war der Aspekt für den heutigen Abend dann auch geklärt und ich konnte mich entspannt zurück lehnen. Hunters Worten lauschend, hatte ich die Fernbedienung auf der Lehne zu meiner Rechten abgelegt, kam dann, so unsicher wie ich gerade mal wieder war, um ein breites Grinsen dann doch nicht herum. "Wenn du dich damit abfinden kannst, hier auf der Couch zu pennen, ist mir das eigentlich echt egal. Aber meine Kraftreserven für heute sind definitiv aufgebraucht, ins Bett tragen kann ich dich also nicht.", antwortete ich mit einem ebenfalls sehr sarkastischen Unterton, schließlich wäre ich auch mit genügend Reserven nicht dazu in der Lage gewesen, den jungen Mann mal eben zu schultern und ihn durch die Gegend zu tragen. Das wusste er wohl genau so gut wie ich. Andersrum war das natürlich kein Problem, er hatte mir mittlerweile ja schon ein paar Mal bewiesen, dass ich für ihn ein Fliegengewicht war, welches er zur Not auch mit nur einem Arm transportieren konnte. Lag wohl einfach in der Anatomie und den Genen der Männer, dass sie dahingehend von Natur aus besser dran waren. Dabei fände ich es doch auch ganz praktisch, diese angeborene Kraft beim Kisten schleppen zu haben. Für den Moment sollte es um uns dann schließlich etwas stiller werden, rutschte ich doch gerade in die Phase, wo sich das ganze Adrenalin des heutigen Abends entlud und mich die geballte Kraft der Müdigkeit zu überrollen begann. Das war wohl auch der Grund, warum ich etwa fünf Minuten später dann doch wieder das Wort ergriff, immerhin wollte ich hier nicht gleich einschlafen, auch wenn es einen unter dieser kuschlig warmen Decke doch irgendwie dazu verleitete. Aber selbst wenn ich im Geiste abgesegnet hätte, dass es okay war, einfach einzunicken, hielten mich die Gedanken, über die ich mit Hunter sprechen wollte, ohnehin noch wach. Wieder einmal handelte es sich um ein Thema, das bei dem Amerikaner sicher nicht sonderlich gut ankommen würde, aber bekanntermaßen nahm ich darauf eher weniger Rücksicht, wollte nur meine Neugier stillen. "Du... ich hab da noch eine Frage.", setzte ich verheißungsvoll an, als ich dem Gesicht, welches ich zum Teil ebenfalls unter der Decke vergraben hatte, wieder ein wenig Luft zum Atmen gab und meinen Blick vom Bildschirm abwandte, um ihn stattdessen auf den jungen Mann zu meiner Linken zu richten. "Hast du... also ich meine..." Mhm, irgendwie wollten die mir zurechtgelegten Worte dann doch nicht mehr so, wie sie sollten. Ich seufzte, genervt über meine eigene Unfähigkeit, Unangenehmes in Worte zu fassen, wenn es etwas mit der ... Situation zwischen mir und Hunter zutun hatte. "Wie würdest du dir das vorstellen?", schaffte ich es dann nach einer Ewigkeit endlich, meinen Gedanken etwas wirr in Worte zu fassen und weil mir klar war, dass er daraus nur wenig schlau werden würde, setzte ich direkt noch ein "Wenn das mit ... uns ... na ja, du weißt schon.", hinten dran. Dabei war ich seinem Blick aber direkt wieder ausgewichen und fokussierte mich eher zur Tarnung wieder auf das, was im Fernsehen passierte. Natürlich ohne, dass ich davon etwas bewusst in mich aufnahm, galt meine volle Aufmerksamkeit doch dem attraktiven Mann neben mir.
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Nein, wie unerwartet. Konnte sie mich mit ihren schmalen Armen etwa nicht bis nach Timbuktu und wieder zurück tragen, ohne mit der Wimper zu zucken? Sehr bedauerlich. "Wär ja nicht das erste Mal.", stellte ich fest, dass ich mich auf diesem Sofa zwangsweise wohl ohnehin schon wie Zuhause fühlte. Ich wusste nicht, wie viele Nächte genau ich auf diesem Ding schon hinter mich gebracht hatte, aber es waren doch mehrere Wochen gewesen. Außerdem war es genauso bequem wie die meisten der Betten, in denen ich für gewöhnlich schlief. Ich war ja keinen 24/7 Luxus gewohnt, also sollte das nächtigen auf einem recht bequemen Sofa wohl wirklich mein geringstes Problem sein. War alles gut, solange sie mich nicht mit Ach und Krach vor die Tür zu rollen versuchen würde. Das erste Mal an diesem Abend genoss ich die Ruhe ein wenig, als für ein paar wenige Minuten etwas Stille einkehrte. Ich war ohnehin immer noch ziemlich platt vom Essen und es war kein so unangenehmes Schweigen wie noch vorhin. Trotzdem richtete ich meine Aufmerksamkeit gerne wieder von dem Film im Fernseher zurück auf Cosma, der ich zu Beginn nicht ganz folgen konnte. Sie schien sich schwer mit dem zu tun, was sie sagen wollte und es dauerte doch einige Sekunden, bis sie mit ihrem Gerede dann mal so weit auf einen grünen Zweig kam, dass ich auch nachvollziehen konnte, worauf sie hinaus wollte. Ich hatte bei ihren Worten zu ihr rüber gesehen, senkte jetzt aber doch nachdenklich den Blick auf die Decke, die unsere Körper weitgehend von der Außenwelt abschirmte. Wie ich mir das vorstellte? Woher sollte ich das denn wissen? Ich hatte ja nicht einmal wirklich einen Plan davon, wie normale Leute ihre Beziehungen erfolgreich führten, wie sollte ich da schon eine Vorstellung für etwas in dieser Richtung für uns beide ausgearbeitet haben? Die Rothaarige neben mir war von uns beiden doch diejenige, die schon eine Beziehung geführt hatte - nicht bis zum Schluss erfolgreich, aber laut eigener Aussage hatte es auch schöne Jahre zwischen den beiden gegeben. Sie hatte zweifelsfrei also eher einen Schimmer davon als ich. "Du stellst vielleicht Fragen...", stellte ich erst mal nur gemurmelt und recht undeutlich fest, zog die Augenbrauen unbewusst ein wenig nach unten und legte die Stirn in Falten. "Keine Ahnung, ich meine... so weit hab ich bisher noch nicht wirklich gedacht.", war meine erste, recht ernüchternde Aussage bezüglich dieses irgendwie schwierigen Themas. Vielleicht deshalb, weil ich unterbewusst davon ausging, dass die Sache ohnehin schon vorher den Bach runtergehen würde. Aber vielleicht eben auch nicht, war schwer zu sagen. "Ich glaube nicht, dass ich dir sagen muss... dass ich nicht immer rund um die Uhr Zeit habe oder erreichbar bin...", war ja nicht ganz irrelevant. Die Arbeit ließ das anders gar nicht erst zu. Bei manchen Deals oder Morden ein potenziell klingelndes Handy bei sich zu haben wäre selten dämlich. "..und dass ich in jedem Fall sicher hin und wieder trotzdem... meine Ruhe brauche. Von Allem und Jedem.", hach, ich malte hier ja gerade richtig schön die Idealbedingungen für eine Beziehung, Romanze, was auch immer aus. Nicht. "Aber ich wär trotzdem für dich da, so gut ich eben kann... das mit dem Helfen... beruht auf Gegenseitigkeit. Jetzt schon.", redete ich so vor mich hin, wobei es weiter eher nur einem leicht unruhigen Murmeln glich, ich bei den letzten Worten den Blick aber doch langsam wieder zu Cosma anhob. Mir war die ganze Geschichte einfach immer noch unangenehm und über so gefühlsduseligen Kram zu reden war doch auch einfach beschissen. Ob mir das jemals leichter fallen würde stand in den Sternen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Für meinen Geschmack waren das aber schon zu viele Aussagen dafür, dass er nach eigenen Angaben bis jetzt noch gar nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Aber gut, ich wollte mich nicht beschweren, immerhin hatte ich eine Antwort von ihm erwartet, die in etwa solche Ansprüche abdeckte. Schließlich wollte ich einfach nur wissen, ob ich ihm denn, wenn ich das wollen würde, auch das geben könnte, was er von seinem Lebensgefährten erwartete. Andernfalls hätte man sich den ganzen Käse hier auch schenken können. Hätte einen Cut gesetzt, noch bevor etwas wirklich Ernstes daraus geworden wäre, wo es am End nur noch umso stärker weh getan hätte, wieder los zu lassen. Da hatte man sich gerade mit Jemanden halbwegs eingelebt, sich ihm angepasst und nahm dann schon wieder Abschied, weil die Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen und es dann zu spät realisiert worden war. Sollte jetzt auch nicht unbedingt Sinn der Sache sein, aber was wusste ich schon. Während Hunter seine Antworten murmelte, hatte ich nur ab und an mal einen flüchtigen Blick in seine Richtung geworfen, einfach weil es ja doch nichts brachte, mich auf den Fernseher konzentrieren zu wollen. Nichts von dem, was im Film passierte, blieb auch ansatzweise in meinem Oberstübchen hängen. Einzig und alleine die aufklärenden Worte meines Sitznachbarns fanden ihren Weg in mein Ohr und mein Gehirn, wurden dort verarbeitet, analysiert und ausgewertet, nur damit ein paar passende Antworten parat gelegt werden konnten. Die waren im Übrigen schnell gefunden. Warum? Na ja, weil es für mich schlicht und ergreifend Attribute einer Beziehung waren, die ich für selbstverständlich hielt. Nicht nur er wollte ganz gerne mal seine Ruhe haben oder hatte den ganzen Tag so viel zu tun, dass er am Ende bloß froh war, es noch vor dem Schwächeanfall ins Bett geschafft zu haben. "Das ist ja jetzt alles nichts wirklich Weltbewegendes.", hatte ich deswegen nur kommentiert, während ich meine Arme auf den angezogenen Knien abgelegt hatte, nur um darauf dann den Kopf abzustützen. Entsprechend sah ich Hunter jetzt mit einem ziemlich schief an, wirkte Alles in Allem noch ziemlich nachdenklich, weil mich die ganzen Fragen, die sich über die letzten Wochen angestaut haben, zu erdrücken drohten. So jetzt, wo es ruhig war und derjenige, dem ich die Fragen hatte stellen wollen, in unmittelbarer Reichweite von mir war. Eigentlich war jetzt die Chance, alles loszuwerden, was sich so angestaut hatte, aber irgendwie hatte ich ... Angst davor. Angst, dass er wieder einfach aufstehen und gehen würde. Zwar wären dann all die Fragen hinfällig gewesen, mein Kopf um Einiges freier, weil der Grund, weshalb ich mir solche Gedanken machte, dann gar nicht mehr präsent war und es auch nie mehr sein würde, aber das war irgendwie nicht das, was ich wollte. Genau so wenig wollte ich aber auch noch weitere Chancen vergeben. Eine sollte wohl vollkommen ausreichen, wenn man es wirklich ernst meinte und bei dieser Einstellung würde ich wohl auch für den Rest meines Lebens bleiben. Dass man einmal einen Fehler beging war okay und vollkommen menschlich. Und solange man daraus lernte, brauchte man schlicht nicht mehr, als eben diese eine Möglichkeit, es wieder gut zu machen. Für den nächsten Ausrutscher dieser Art war der Welpenschutz meiner Meinung nach erloschen. Aber zurück in die Gegenwart, Hunter wartete sicher schon auf ein paar weitere Worte meinerseits, hatte ich doch die ganze Zeit über, die ich in Gedanken versunken war, in seine Richtung gestarrt. Schließlich seufzte ich, wandte den Blick aber erneut von ihm ab, wobei ich mir dieses Mal sogar eingestand, lediglich ins Leere zu blicken. Machten wir uns nichts vor, der TV sorgte hier lediglich für ein bisschen Licht im sonst so dunklen Wohnzimmer. Prinzipiell hätte man den Ton abstellen können und niemanden hätte es interessiert. Indessen hatte ich überlegt, ob ich das, was mir gerade als loser Schleier durch den Kopf schwebte, auch publik zu machen, konnte sie die Stimmung - sowohl Hunters, als auch meine - unter Umständen etwas kippen, aber wie so oft war mein Mund weitaus schneller im Reden, als es mein Gehirn im Denken war. Und deshalb schwätzte ich wohl einfach drauf los, ohne mich dabei in irgendeiner Art und Weise zu zügeln. "Willst du meine Meinung hören?" - selbst wenn er es nicht gewollt hätte, bekam er sie mit den folgenden Worten trotzdem - "Ich habe Angst. Angst vor irgendeiner Art von intimeren Beziehung mit dir, Hunter. Einfach ... ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll.", eine kurze Pause, in der ich mir angespannt über das müde Gesicht rieb. Es war eindeutig zu spät für solche Gespräche. Warum konnte mein Hirn nicht wenigstens einen schönen Abend lang ohne Hintergedanken ausklingen lassen? "Generell weiß ich gerade überhaupt nicht, wie ich überhaupt nur im Ansatz beschreiben könnte, was in mir vor geht. Ich meine ... dass du nicht weißt, wohin mit dir, kann ich verstehen, du kennst das Gefühl von lieben ja nicht wirklich." Das sollte keine Beleidigung sein, schlicht eine Feststellung, die er nicht leugnen konnte. "Aber ich hab das Ganze schon hinter mir. Nur das hier ist irgendwie ... anders. Und ich weiß nicht, ob es ein gutes Anders ist oder ein schlechtes. Die letzten Wochen habe ich genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Aber ich komme einfach auf keinen grünen Zweig. Ich weiß nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. Auf der einen Seite sind wir dermaßen gleich, dass es fast schon gruselig ist, auf der anderen Seite denke ich, dass dein Herz deutlich mehr Leid erfahren hat, als es meins jemals vertragen könnte. Und ich möchte nicht für eine weitere Narbe verantwortlich sein, wenn die Sache zwischen uns ernster werden sollte...", sprudelte es schließlich nur so aus mir heraus und zum Ende hin hatte ich wirklich mit den Tränen zu kämpfen gehabt. Meine Augen wurden bereits glasig, aber ich hatte mich zumindest noch unter Kontrolle. Fragte sich bloß, für wie lange.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ja, für sie mochte das nichts Weltbewegendes sein. Für mich war das aber ein verdammt großer Schritt. Klang in den Ohren jedes 0815-Bürgers in Oslo wahrscheinlich komplett bescheuert, aber gerade fiel mir erst so richtig auf, wie weit ich allein bis hier hin gekommen war. Dass bis vor ein paar Tagen nicht einmal wirklich für mich denkbar gewesen war, Jemanden irgendwie mehr als rein freundschaftlich zu mögen. Auch nicht, Jemandem offenkundig meine fast allzeit bereite Hilfe anzubieten. Oder Jemandem zu versichern, dass ich für ihn oder sie da war. Schließlich war ich selten da, wo ich gebraucht wurde und schickte in der Regel einfach einen meiner Laufburschen, um das zu erledigen, damit ich meine Ruhe hatte. Trotzdem schien ich jetzt an diesem Punkt angekommen zu sein und das war ein Stück weit echt mysteriös. Es dauerte ein wenig bis die junge Frau dann wieder zu reden anfing. Mit einer Frage begann, die ich kaum sichtbar abnickte. Wenn ich ihre Meinung nicht hören wollen würde, dann säße ich immerhin nicht gerade hier neben ihr. Allerdings war das, was dann bei ihrer Meinung herauskam, irgendwie ziemlich harter Tobak und ich brauchte einige Zeit, um das überhaupt erst einmal sacken zu lassen. Zum einen, weil sie einfach ziemlich viel sagte und zum anderen, weil der Inhalt unschön war. Wenn sie Angst vor einer Beziehung mit mir hatte, dann hatte sie irgendwie auch Angst vor mir, blöd gesagt. Oder zumindest Angst davor, dass sie nicht wusste, wie genau sich das Ganze letzten Endes auf mich auswirken würde. Ob das ins Positive oder eben ins Negative verlief... aber übel nehmen konnte ich ihr das nicht. Eigentlich war es angesichts der Tatsache, dass ich sie mehrfach hatte killen wollen, sowieso ziemlich grotesk, dass Cosma jetzt hier mit mir saß und über ausgerechnet so ein Thema sprach. Dass wir beide nicht ganz normal im Kopf waren, war zwar kein Geheimnis, aber das allein war irgendwie schon nicht wirklich rational erklärbar. Was sollte ich jetzt nur dazu sagen? Ich hatte keine Antwort darauf. "Was... was willst du denn jetzt von mir hören, Cosma?", setzte ich mit einem tiefen Seufzen zu reden an und kam nicht umher mich der Unruhe, die sie in mir mit all den Worten gerade auslöste, wegen zum Sitzen aufzurichten und mich leicht nach vorne zu beugen, die Unterarme auf den Knien abzustützen und die linke Faust in die rechte Hand zulegen. "Ich kann dir auch nicht sagen, was... passieren wird. Weder kann ich dir sagen ob das... was da zwischen uns ist, was Gutes oder was Schlechtes ist, noch kann ich dir sagen, ob es gut geht oder nicht. Ich hab doch selber... keine Ahnung.", äußerte ich mich sichtlich überfordert zu der ganzen Misere, vor die ich hier gerade gestellt wurde und legte dann für einen Moment lang den Kopf in die Hände, bevor ich mir wie so oft über die kurzen Haare rieb. In der stillen Hoffnung, dass es irgendwie den imaginären Druck von meinen Schläfen nahm. Erst einige Sekunden später drehte ich den Kopf nach einem ganz tiefen Atemzug wieder zu der Rothaarigen, die schon wieder sichtlich am Ende zu sein schien. Herrgott, wie sollte ich denn jetzt neben mir selbst auch noch sie irgendwie wieder zurück in die positive Gedankenschiene bringen? Mit einem etwas wehleidigen Blick drehte ich mich mehr zu ihr, hatte irgendwie das mir unerklärliche Bedürfnis dazu, sie vom Weinen abhalten zu wollen. Also streckte ich vorsichtig meine Finger nach ihr aus und strich ihr eine ins Gesicht gefallene Haarsträhne hinters Ohr. "Ich kann dir keine Sicherheit geben, dass es... funktioniert. Aber viel kaputter machen, als ich es sowieso schon bin, kannst du mich nicht... Ich kann nur versuchen... dir die Angst zu nehmen.", machte ich beim Reden immer wieder kurze Pausen, weil ich mir einfach unheimlich schwer mit den Worten tat. Gegen Ende hob ich vorsichtig ihr Kinn mit dem Zeigefinger an, weil ich wollte, dass sie mich ansah. Dass sie womöglich in meinem Blick sehen konnte, dass wohl auch in meinem Inneren ein Stück weit die Angst schlummerte und ich es aber ernst meinte, als ich sagte, dass ich gerne versuchen würde jene Angst gemeinsam zu vertreiben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich konnte mir wirklich nicht erklären, ab welchem Punkt der Abend eine derart dramatische Wendung genommen hatte. Eigentlich hatte das gute Essen und der wunderschöne Ausblick über die Stadt ein entspanntes Einschlafen in Aussicht gestellt und trotz all der ganzen Mühe, die Hunter sich gegeben hatte, saßen wir ja jetzt doch wieder mit bedrücktem Gemüt nebeneinander. Schuld daran waren zweifelsohne meine Grübeleien gewesen, die ich, wie so oft, nicht im Zaun hatte halten können. Und damit noch nicht genug. Anstatt sie für einen einzigen Tag einfach Mal auf Seite zu schieben, den Abend vor dem TV ausklingen zu lassen, schien ich es doch tatsächlich für eine gute Idee zu halten, mal wieder direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Es war ja nicht so, als gäbe es noch weitere Tage, an denen man sich da noch einmal in Ruhe hätte zusammen setzen können, ne ne. Aber wie ich bereits erwähnte, machte ich mir irgendwie Sorgen darum, dass dieser Abend entgegen aller Aussagen, die Hunter mir gegenüber gemacht hatte, der letzte gewesen sein könnte. Nur warum? Bis jetzt hatte der Amerikaner noch überhaupt gar keine Anstalten gemacht, mich so bald wie möglich wieder verlassen zu wollen. Ganz im Gegenteil, war doch Hunter derjenige, von dem der ursprüngliche Wunsch ausgegangen war, noch ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. Und so wie es bis vor Kurzem ausgesehen hatte, wäre er zweifelsfrei auch noch für den Rest der Nacht geblieben. Ob er darauf noch immer Lust hatte? Gott, es war von heute auf morgen alles so schrecklich kompliziert geworden. Wenn ich das jetzt gerade rückblickend betrachtete und neutral bewerten müsste, sehnte ich mich wirklich nach den Tagen, an denen ich kalt und herzlos meine Meinung kund getan hatte und dann gegangen war, egal um welches Thema es ging. Diese Gleichgültigkeit einfach... Ich vermisste sie in diesem Moment ein bisschen, wenn ich ehrlich sein sollte. So komplett desinteressiert vor der Glotze zu vegetieren hörte sich auf einmal gar nicht mehr so schlecht an. Dabei sehnte ich mich ganz offensichtlich nach dem genauen Gegenteil. Ein bisschen Lust und Liebe, anstatt der ewig anhaltenden schlechten Laune. Na ja, aber ich konnte im Prinzip auch nichts dafür, dass meine Gefühle gerade Achterbahn zu fahren schienen. Ändern könnte ich es auch nicht, also musste ich mich damit wohl zwangsläufig arrangieren. Egal, auf welche Art ich das nun tat, aber Hunter hatte mit seinen Worten womöglich Recht. Weder er, noch ich konnten wissen, was das Schicksal für uns geplant hatte und ehe wir uns darauf nicht einließen, würden wir es wohl auch niemals erfahren. Erneut ein leises Seufzen, als der stämmige Körper sich neben mir bewegte. Aber mein Blick folgte ihm stumm und ihn dann dort sitzen zu sehen... Machte mich gleich noch ein Stück weit deprimierter. Eigentlich war es nicht meine Intention gewesen, ihn jetzt auch noch so tief in mein Gedankenspiel mit herein zu ziehen, wie diese Sache zwischen uns letzten Endes ausging, aber es schien ihn mindestens genau so sehr zu beschäftigen. Das bestätigte mir immerhin, dass auch er damit zu kämpfen hatte und es ihm selbst schwer fiel, aus dem Chaos hier gerade schlau zu werden, weshalb ich seine Taten, die den Worten recht bald folgen sollten, unter die Kategorie Kurzschlussreaktion einordnet. Trotzdem verfehlten sie ihre Wirkung, die er damit hatte bezwecken wollen, keineswegs. Schon als Hunter mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht wischte, wurde mein Blick um Einiges weicher, nicht mehr ganz so verbissen darauf, in den Luftlöchern eine Antwort auf dieses Trauerspiel zu finden. Seine Worte gaben mir letzten Endes dann doch noch den Rest, weil sie einfach einen dermaßen empfindlichen Nerv getroffen hatten, dass mich die Tränen übermannten. Ich hatte Aussagen in diese Richtung bereits schon einmal gehört und was war mir davon geblieben? Richtig, bis auf die Bar nur noch ein Haufen Scherben, die ich offensichtlich immer noch nicht final zusammen gekehrt hatte. Und auch wenn die Worte des Amerikaners eine gewisse Unruhe - fast eine Art Deja Vu - in mir auslösten, hatten sie auf der anderen Seite eine fast schon heilende Wirkung. Vielleicht, weil sein Charakter meinem eigenen dermaßen ähnelte, dass ich mir weitaus sicherer sein konnte, dass er auch zu dem stehen würde, was er gerade gesagt hatte. Eine ganze Weile hatte Hunter wieder einmal wortlos angesehen, bis ich es endlich schaffte, mich aus der Schockstarre zu befreien. "Okay.", hauchte ich leise, kaum hörbar, aber dennoch mit einem verzweifelten Lächeln auf den Lippen. "Ich schätze, anders werden wir es ja doch nicht heraus finden, oder?", fuhr ich schließlich fort und wischte mir beinahe panisch die einzelnen Tränen aus dem Gesicht. Ich traute mir zwar immer noch nicht zu, sein Herz in meine Obhut zu nehmen, aber hey, zu einer solchen Entscheidung gehörten doch immer zwei, oder? War im Endeffekt also nicht nur meine Schuld, wenn das alles hier nach hinten los ging. Dennoch blieb ich skeptisch und ein Stück weit ängstlich. Wäre da nicht die wärmende Hand an meinem Kinn gewesen, die sich paradoxerweise ziemlich vertraut anfühlte, hätte ich den Blick wieder in die Leere gerichtet. Aus der Position heraus hatte ich allerdings keinerlei andere Möglichkeiten, als Hunter direkt in die hellblauen Augen zu sehen, die mich bereits zum zweiten Mal am heutigen Abend in ihren Bann zogen. "Es ... tut mir schrecklich Leid. Ich wollte den tollen Abend jetzt nicht mit so einer ... Diskrepanz zuende gehen lassen.", fiel es mir plötzlich überhaupt nicht mehr schwer, mich für einen meiner Fehler zu entschuldigen. Aber ich hielt es für überaus angebracht, dass er wusste, wie nahe mir die Sache eigentlich ging. Und damit meinte ich alles. Ausnahmslos alles.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Immerhin schienen die Berührungen, die mir noch immer nicht ganz leicht fielen, eine gewisse Wirkung zu haben. Wenn ich auch sonst zwischenmenschlich nicht wirklich was auf die Reihe bekam - bekommen wollte -, schien ich zumindest was Cosma anging ein Stück weit einfach meinen Intentionen folgen zu können. Vielleicht würde das nicht immer richtig sein, aber mit Nachdenken kam man eben auch nicht zu einem hundertprozentig sicheren Ergebnis. Vielleicht sollte ich also einfach hin und wieder mehr auf mein Bauchgefühl hören, als ständig ausnahmslos Alles in Frage zu stellen. Würde vielleicht nicht immer zum Erfolg führen, aber es war ein Anfang. "Ja, sieht ganz so aus...", konnte ich der Rothaarigen bezüglich ihrer ersten Worte nur zustimmen, zuckte ein klein wenig mit den Schultern und ließ sowohl den Blick, als auch meine Hand daraufhin wieder absinken. Es brachte ja nichts, sich die Situation irgendwie schön zu reden - wir hatten beide eine schrecklich komplizierte Persönlichkeit, die sich in mancher Hinsicht vielleicht sogar ungut ähnlich war. Aber es konnte auch ein Vorteil sein. Wenn wir den Gedankengang oder zumindest die Reaktion des Anderen dadurch besser einzuschätzen lernten, dann war das etwas Gutes. Natürlich sollte man Konfrontationen nicht grundsätzlich aus dem Weg gehen, das nun auch nicht, ließ sich das bei uns doch sowieso gar nicht vermeiden, aber es ließen sich zumindest etwaige Wutausbrüche meinerseits ein wenig besser von ihr voraussehen und eindämmen. Vorausgesetzt sie hatte eben einen Moment in dem ihre Lippen nicht schneller waren als der Kopf. Aber gut, auch was das anging gaben wir beide uns wohl nicht viel. Die viel zu großen Klappen waren nicht zu überhören. Jedoch war Cosma jetzt stattdessen ungewohnt ruhig, fast kleinlaut... und entschuldigte sich sogar noch für das hoffentlich nur vorübergehende Tief, das sie eingeleitet hatte. Das waren wirklich ganz neue Züge von ihr, die ich so auch nicht kannte. Vielleicht kamen jene deswegen gerade jetzt zum Vorschein, weil die junge Frau sich einfach ein kleines bisschen zu öffnen schien. Gedanken, die sie belastet hatten, freien Lauf ließ und damit zumindest ganz vorsichtig mal über die Mauer hinweg sah, die sie sehr wahrscheinlich genauso wie ich selbst auch um sich herum errichtet hatte. Das war die simpelste und für viele Leute wohl effektivste Art von Selbstschutz, nachdem sie vorher verletzt worden waren, Schlimmes erlebt hatten. Wieder folgte ich mehr nur dem Gefühl die Rothaarige irgendwie weiter beruhigen zu müssen, als ich mich mit einem leisen Seufzen wieder bis ganz nach hinten an die Rückenlehne des Sofas schob. Allerdings noch ein Stück näher, als ich vorher schon bei Cosma gesessen hatte. Die Decke hatte jetzt keine ewig große Spannweite, aber ein klein wenig Luft war da vorher trotzdem gewesen... Sicherheitsabstand womöglich, wussten wir doch offenbar beide nach wie vor nicht wirklich, wie wir mit Alledem umgehen sollten oder gar an welchem Punkt wir jetzt genau standen. "Komm...", ich hielt nochmal inne, stockte leicht, weil ich mir doch nicht ganz sicher damit war, ob das jetzt eine gute Idee war. Aber wie war das eben gewesen? Ich würde es wohl, wie so vieles Andere auch, selbst herausfinden müssen. "Komm mal her.", wollte ich noch einen kleinen Schritt weiter gehen und streckte wieder den Arm nach dem kleinen Häufchen Elend aus, um sie vorsichtig, gar nicht hastig an mich heran zu ziehen. Hielt danach ihren Kopf ganz leicht, ohne jeglichen Druck an meiner Brust. "Es ist nicht schlimm, Cosma... du hast doch selbst zu mir gesagt, dass manche Dinge einfach... raus müssen.", nicht in demselben Wortlaut, aber eben so ähnlich, sinngemäß. "...es ist besser, wenn wir jetzt darüber reden, als wenn wir's gar nicht tun, denke ich.", fügte ich noch ein paar gemurmelte Worte an. Alles in Allem war meine Tonlage ziemlich ruhig, nicht besonders laut. Wäre schließlich kontraproduktiv dafür die zierliche junge Frau wieder auf einen akzeptablen Kurs zu kriegen, hatte sie inzwischen doch ganz angefangen zu weinen und das... wollte ich einfach nicht, auch wenn jetzt vereinzelt ein paar ihrer Tränen auf meiner eigenen Haut landeten. Allgemein fühlte ich mich selbst nicht ganz wohl mit diesem Gekuschel. Aber es war richtig so, oder? Ich brauchte wohl einfach nur ein wenig Zeit, mich daran zu gewöhnen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Womöglich sollte Hunter ein weiteres Mal Recht behalten. Es war vermutlich wirklich besser, direkt mit offenen Karten zu spielen, damit man sofort wusste, woran man war. Aber es fiel mir so unglaublich schwer, darüber zu reden, weil alles, worüber ich bis jetzt nachgedacht hatte, noch in den Kinderschuhen steckte. Kein einziger meiner ausgesprochenen Gedanken hatte ich bis dato wirklich zu Ende gedacht. Vielleicht wäre das Problem, um welches ich mich im Moment sorgte, in drei Tagen schon gar nicht mehr so weltbewegend, weil ich genug Zeit investiert hatte, alles gründlich abzuwägen... Aber wo würden wir denn hinkommen, wenn ich mir für absolut Alles auch wirklich die Zeit nahm, der Sache bis ins kleinste Detail auf den Grund zu gehen? Dann wäre ich vielleicht in zehn oder zwanzig Wochen so weit, dem Amerikaner endlich mitzuteilen, ob ich für diese Beziehung wirklich eine Zukunft sah, oder ob er sich nicht doch besser nach jemand anderen umschauen sollte. War ja auch Quatsch. In gewissen Maßen war auf sein Bauchgefühl zu hören ja auch gesund, trug einen wesentlichen Teil zu einer positiven Lebensqualität bei, aber in Sachen Liebe war ich ganz gerne etwas strukturierter. Und es gefiel mir einfach nicht, dass mir die Fäden zunehmend aus den Händen zu gleiten schien. Seit Daith hatte ich genau das nämlich verhindern wollen. Hatte die Kontrolle deutlich über dem Bauchgefühl klassifiziert und es verunsicherte mich einfach, jene Kontrolle langsam aber sicher zu verlieren. Und das nur, weil die menschlichen Hormone und Gefühle sich nur schwer von einem selbst manipulieren ließen. Also ja, mental steckte ich gerade wirklich tief in der Scheiße, aber im Endeffekt musste ich jetzt zeigen, was ich mir über die letzten Jahre immer mehr angeeignet hatte: Stärke. Auch wenn der Umstand momentan ein ziemlich unglücklicher sein sollte, war es schließlich nicht das Ende der Welt, oder? Wie Hunter es schon so treffend formuliert hatte, gab es bei ihm nicht mehr sonderlich viel kaputt zu machen und auch mein Herz konnte einen Rückschlag durchaus verkraften. Nur hatte ich scheinbar zu große Angst vor dem Schmerz, der mich beim letzten Mal schon in die Knie gezwungen hatte, wollte eben dieses Übel präventiv abwehren, nur war das wirklich weniger schmerzhaft? Gefühle zu leugnen und versuchen, so zu tun, als wäre rein gar nichts gewesen oder zwischen uns nie etwas passiert, würde auf Dauer doch mindestens genau so weh tun. Die Wunden würden wohl nur sehr viel schleichender unter die Haut gehen, aber am Ende trug man genau so tiefe Narben davon, als wenn das ganze Elend gebündelt auf einen nieder prasselte. Entsprechend hatte dieses Gespräch, so Nerven raubend es auch war, unter Umständen doch etwas Gutes. So hatte er zumindest schon einmal einen groben Überblick darüber, was in mir vor ging und worum ich mich sorgte, konnte für sich seine Schlüsse ziehen, während ich versuchte, das aus seinen Worten ebenfalls für mich zu tun. Als Hunter sich schließlich ein Stück weit auf dem Sofa zurück lehnte, dachte ich wirklich, dass diese Unterhaltung fürs Erste abgehakt war. Er die Worte so hinnahm, ohne etwas darauf zu erwidern. Stattdessen überraschte er mich mit einer Geste, mit der ich zum Ersten absolut nicht gerechnet hatte und zum Zweiten auch gar nicht mit umzugehen wusste. Dass er die Hand nach mir ausgestreckt hatte, um eine Haarsträhne beiseite zu schieben war die eine Sache, aber das gerade er mich näher an sich zog, als es eigentlich nötig gewesen wäre, eine ganz andere. Vorhin im Auto hatte er sich bereits sichtlich schwer damit getan, unter meinen Berührungen halbwegs ruhig zu bleiben und jetzt ging er auf Kuschelkurs? Vermutlich sah man es mir nicht an, weil das Gesicht sich unter dem Geheule bereits etwas verzogen hatte - rote Wangen, schniefende Nase und geschwollene Augen -, aber ich war gerade doch etwas überrumpelt. Dabei hatte ich mit Berührungen an sich jetzt kein so großes Problem, nur kam das einfach ... unerwartet. Ja, ich denke, so konnte man das sagen. Entsprechend wirkte ich noch etwas steif, als die von den Tränen benetzte Haut die warme Brust des ansonsten eher kalt wirkenden Mannes berührte, aber es dauerte gar nicht so lange, bis sich die Verspannungen legten. Nicht zuletzt trugen seine beruhigenden Worte erheblich dazu bei, dass ich wieder etwas runter kam. Zumindest schon mal mit dem Schniefen aufhörte und stattdessen nur noch leise vor mich hin winselte. "Wag' es ja nicht, meine eigenen Waffen auf mich zu richten.", versuchte ich nach schließlich einen etwas verzweifelte Versuch, die ganze Situation mit etwas Sarkasmus wieder zu entspannen. Dabei hatte ich die Hand, welche vorhin schon an Hunters Wange gelegen hatte, vorsichtig auf der Höhe seines Bauchnabels abgelegt. In erster Linie nur, um ein Gegengewicht zu haben und nicht immer weiter in die Ritze des Sofas zu rutschen. Aber sie diente auch der Ablenkung, als ich anfing, mit den Fingern jener Hand die Umrisse der Tattoos nachzuzeichnen. Eher beiläufig, weil sich die Gedanken in meinem Kopf weiterhin in einem rasanten Tempo immer und immer wieder überschlugen. Aber früher oder später würde die Müdigkeit sie zum Stoppen zwingen. Wie lange es noch dauerte, bis ich aus purer Erschöpfung einfach einschlief, konnte ich allerdings nicht abschätzen.
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