Ironie. Ich für meinen Teil mochte sie eigentlich sehr gerne, nutzte sie selbst auch nicht gerade selten, was genauso wie Sarkasmus bei niederen, selbst drogenabhängigen Dealern nicht selten für reichlich Verwirrung sorgte. Natürlich musste ich meinen Tonfall den über mir agierenden Mafia-Mitgliedern gegenüber anpassen, weshalb der Urlaub hier für mich auch alles in allem wenig spaßig war. Aber angesichts der Tatsache, dass die junge Frau hier relativ sicher wusste, dass wir Geld mitbrachten, sollte sie eigentlich schon einen angemesseneren Tonfall anschlagen. Vorerst ließ ich ihr das dennoch durchgehen, wechselte lediglich über meine Schulter hinweg mit den beiden Italienern einen Blick, bevor ich dem roten Schopf zu folgen begann. Dicht gefolgt von meinen beiden Mentoren durchschritt ich den Gang nach hinten, dabei immer ein Auge auf die seitlichen Türen habend, für den Fall, dass doch ein Attentat geplant war. Aber tatsächlich schien die Luft zumindest an diesem Punkt noch weiterhin rein zu sein und wir kamen schließlich im Raum der Begierde an, was mir der nicht übersehbare Pokertisch vermittelte. Allerdings endete mein Job als menschliches Abwehrsystem hier keineswegs. Ich begann den Raum bereits ein wenig zu mustern als Emanuel und Stefano an mir vorbeigingen, um sich nach eigenen, prüfenden Blicken langsam die dicken Jacken auszuziehen und sich auf zwei der Stühlen niederließen. Allerdings nicht nebeneinander, sondern so weit es ging auseinander, um ein möglichst großes Sichtfeld für auftretende Komplikationen abzudecken. Ich würde selber nicht spielen. Einerseits war ich schlichtweg nicht gut im Pokern und zweitens war es besser, wenn einer von uns stehen blieb und die Sache auf ausreichende Distanz im Blick hielt. Erst einmal nahm ich aber den ganzen Raum etwas genauer unter die Lupe. Die beiden Frauen, die wohl für etwaigen Frustabbau bei den Verlierern eine gute Einnahmemöglichkeit boten, hatten dabei wohl am wenigsten meine Aufmerksamkeit. Ich war zwar bisexuell, aber zum einen nicht für Sex hier und zum anderen waren Nutten - weiblich wie männlich - auch nur selten mein Fall. Ich mochte die Jagd davor, die beim Tausch gegen Geld ja komplett wegfiel. Also scannte ich mit bedächtigen Schritten quer durch den Raum mehr nur die Umgebung, aber auf den ersten und zweiten Blick waren da keine versteckten Türen, keine schwierig einschätzbaren Konsequenzen bei einem möglichen Angriff. Also bezog ich schon sehr bald eine Position, in der ich einen guten Blick auf den ganzen Raum hatte. Schmiss meine Jacke unachtsam auf die schmale Kommode, an die ich mich wenig später mit der Hüfte lehnte. Obwohl ich die Arme abwehrend vor der Brust verschränkte, waren die beiden seitlichen Pistolenholster, die sich mit einem Gurt über dem einfarbig schwarzen Shirt um meinen Oberkörper legten, deutlich sichtbar. Es fanden sich nach und nach noch weitere Teilnehmer des Spiels ein, die allesamt reichlich überrascht zu sein schienen, weil sie eigentlich ein 0815-Pokerspiel - abgesehen wohl von der vielen Kohle im Pott - erwartet hatten und nicht die augenscheinlich gesteigerte Waffenpräsenz im Raum. Ich beäugte jeden Einzelnen kritisch, aber sie wirkten nicht wie eingeschleuste Attentäter. So viel Verwirrung in den Augen konnte man kaum vorspielen. Also begannen sie irgendwann zu spielen und erst dann fiel mein Blick das erste Mal aktiv auf das schicke Gemälde und den Typen daneben, den ich vorher ebenfalls nur flüchtig unter die Lupe genommen hatte. Gefallen tat mir prinzipiell beides, aber meine Augen blieben deutlich länger auf dem Bild, als auf dem Dunkelhaarigen daneben liegen. Es dauerte eine Weile, bis ich darauf kam, warum es mir bekannt vorkam. Ich mochte Kunst, auch wenn ich nur selten richtig aktiv Zeit dazu hatte, mich ausgiebig mit ihr zu beschäftigen. Das hier war aber ein sehr bekanntes Gemälde, daran hegte ich keine Zweifel. Ich hatte es schon mal gesehen, kam nur ums Verrecken nicht mehr drauf, von wem es war. Deshalb starrte ich es wohl auch grimmig mit leicht zusammen verengten Augen an, als würde es mir das dann von selbst verraten. Es ärgerte mich einfach, dass mein Hirn schon so mit meiner Arbeit vollgestopft war, dass ich gefühlt alles Andere Stück für Stück vergaß. Außerdem war gemein schauen eben auch mein Job, weshalb ich das schon ziemlich stark verinnerlicht hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Anblick musste an einen dieser verrückten Wissenschaftler erinnern. Aus der sicheren Entfernung meine Probanden beobachtend, nippte ich hier und da an meinem Glas, während ich die Konfrontation zwischen Hunter und Cosma mit einem zufriedenen Grinsen verfolgte. Schon bei der Ankunft des vollblütigen Amerikaner hatte die Luft zu knistern angefangen und nachdem er Cosma wider erwarten in den doch recht knappen Klamotten entdeckte, schien der Ofen aus zu sein. Akustisch kam bei mir an der Bar natürlich nichts an, aber alles, was ich wissen musste und wissen wollte, ließ sich der aufgebrachten Gestikulation entnehmen. Zu meiner Enttäuschung dauerte es nicht lange, bis sich die Wege der beiden wieder trennten und Hunter sich stattdessen seinem eigentlichen Vorhaben widmete - nämlich die Kohle im Pott zu platzieren. Und das tat er auch, wortlos. Vorerst zumindest. Erst auf dem Rückweg hatte er doch noch einmal bei mir angehalten, vermutlich weil ihm das triumphierende Funkeln in meinen Augen so provoziert hatte. Die Worte, unterstrichen durch das durch und durch sanfte Schulterklopfen, führten mir einmal mehr vor Augen, wie wenig ich manche meiner Pläne eigentlich durchdachte. Natürlich war mir von Anfang an klar gewesen, dass diese Aktion hier nicht ohne Folge bleiben würde, aber nüchtern betrachtet hatte ich mir damit wohl mein eigenes Grab geschaufelt. Jeder geistig halbwegs fitte Mensch, der auch nur im winzigsten Detail noch an seinem Leben hing, wäre jetzt also zusammengesackt, kleinlaut geworden und hätte zugesehen, seine Beine so schnell wie möglich in die Hände zu nehmen. Aber ich ... saß da einfach. Nickte, schmunzelte und prostete ihm zu, nachdem er seine Ansprache verkündet und sich aus der Smith and Wesson zurück gezogen hatte. Der, der normalerweise am lautesten schrie, dass bei etwaigen Plänen niemand verletzt werden oder ums Leben kommen sollte, hatte sein eigenes soeben weggeschmissen. Und wenn ich ehrlich sein sollte... störte es mich nicht mal. Ja, ich hing an meinem Leben, aber es tat mir sicher keinen Abbruch, wenn der ganze Scheiß einfach zu Ende ging. Ein richtiger Fausthieb den Gong läuten ließ, der die Tore zum Himmel - oder der Hölle - öffnete. Also nein, Gedanken um Konsequenzen machte ich mir im Moment keinesfalls. Stattdessen leerte ich mein Glas, stellte es auf der Theke ab und erhob mich wenig später vom Hocker, um den Raum der Begierde anzusteuern. Auch mein Blick war noch einmal über das Geld gehuscht, ehe ich an einer Ecke des Pokertisches Platz nahm und wartete. Hier hinten war die Musik deutlich leiser, kaum noch zu hören, sodass der Besuch, den Cosma circa fünfzehn Minuten nach meinem Verschwinden aus dem vorderen Bereich der Bar, ins Pokerzimmer lotste, nicht unbemerkt blieb. Ich hatte mir unterdessen überlegt, ob ich heute Abend mitspielen oder doch lieber aus der Ferne agieren würde, hielt es dann aber für angebracht, einfach sitzen zu bleiben, als eine Augenweide, gefolgt von zwei massiv gebauten, etwas älteren Kerlen, den Raum betrat. Unwillkürlich hob sich meine rechte Augenbraue, aber ich blieb still, nickte nur einmal zur Begrüßung und versuchte schon an dem Punkt nach auffälligen Merkmalen eines Kunstliebhabers zu suchen. Welche das waren, konnte ich so spontan nicht sagen, aber ganz gleich, wie schlecht meine Menschenkenntnisse manchmal waren: jemand, der Kunst mochte, entging mir nicht. Leider dauerte es eine ganze Weile, etwa zwei kläglich verlorene Runden Poker, bis sich mir offenbaren sollte, dass sich tatsächlich einer der drei für das Gemälde in meinem Rücken begeisterte. Dass es sich dabei ausgerechnet um den jungen Burschen handelte, der natürlich nicht mit am Tisch saß und somit weitaus schwieriger in ein Gespräch zu verwickeln war, schien mir ein unglücklicher Zufall. Ich hatte ihn nur beiläufig im Augenwinkel beobachtet, wie er das Gemälde in meinem Rücken anstarrte, weil meine Konzentration doch eher den etwas älteren Herrschaften galt. So verhältnismäßig junge Kunstliebhaber waren einfach selten, sah ich doch in meinen Vorlesungen immer wieder, dass sich das Verständnis für Van Gogh und da Vinci erst spät festigte. Aber gut, dann musste ich eben umdenken. Das absolut nutzlose Blatt, welches ich in den Händen hielt, sollte mir dabei sprichwörtlich in die Karten spielen. Denn auch in der Mitte des Tisches lag nichts mehr, was einen Sieg für mich versprach und so war es wenig auffällig, dass ich mich leise seufzend vom Stuhl erhob. Die Pik-Drei und Herz-Zwei legte ich offen vor mich hin, grinste schief und zuckte mit den Schultern. "Heute ist wohl nicht mein Tag.", kommentierte ich die erneute Niederlage, ehe ich mich von den anderen Mitspielern abwendete, um mich stattdessen dem jungen Mann zu widmen, der mit seinem grimmigen Gesichtsausdruck so aussah, als würde er das Gemälde gleich einer Befragung unterziehen wollen. Weil ich nicht direkt auf ihn zugehen wollte, angelte ich erst einmal nach meiner Jacke und tat so, als würde ich aufbrechen wollen. Erst als ich auf seiner Höhe angekommen und die Tür nur noch unweit von uns entfernt war, hielt ich inne, folgte seinem Blick in Richtung Leonardo da Vincis Meisterwerk. "Stimmt etwas nicht?", fragte ich leise, kaum hörbar in seine Richtung - möglichst bedacht darauf, dass uns niemand anderes hörte. Wie er das jetzt interpretierte - ob mit ihm oder etwa dem Gemälde etwas nicht stimmte -, das oblag ihm selbst, bis er mir eine Antwort gab. Oder, wenn ihm gar nicht der Sinn nach Reden stand, eben nicht.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich warf zwar immer mal wieder beiläufig einen Blick auf die Pokerrunde, aber es schien Alles in bester Ordnung zu sein. Niemand machte irgendwelche Mucken oder fing an mit einer Waffe herum zu fuchteln, wobei ich auf den ersten Blick sowieso keine Schusswaffen hatte ausmachen können. Wäre allerdings auch reichlich verdächtig, wenn dem doch so wäre. Entsprechend entspannt war ich jetzt auch, wenn man von der Sache absah, dass mir eben der Titel des Gemäldes nicht mehr einfallen wollte. Weder das, noch wo genau ich es schon mal gesehen hatte. Ob das nur in irgendeiner Kunstzeitschrift - las ich selten, aber wenn ich mal die Zeit und Ruhe dafür hatte, dann schon - mal gesehen hatte oder der Ursprung doch irgendwo anders lag. Im Grunde war das nicht wirklich relevant, aber es fuchste mich einfach. Ich war erst 25, da sollte es mit dem Gedächtnis eigentlich noch nicht so steil bergab gehen, zumal es sonst eigentlich auch recht gut war. Nur jetzt gerade halt nicht. Ich wurde erst so richtig aus diesem absolut nicht zufriedenstellenden Gedankenzug gerissen, als sich am Tisch doch etwas mehr Bewegung auftat. Letztlich nur, weil Jemand jetzt schon das Spiel aufgab und sich dementsprechend von der grün bezogenen Tischplatte weg bewegte. Nur deshalb blieb mein Blick dann auch für ein paar Sekunden auf dem Dunkelhaarigen liegen, auch wenn ich kaum glaubte, dass er irgendwelche Dummheiten nach dem verbockten Pokerspiel geplant hatte. Er sah schlichtweg nicht wie Jemand aus, der jederzeit gewaltbereit war oder spontan einen Anschlag verüben wollte. Dahingehend täuschte mich meine Menschenkenntnis nur außerordentlich selten, arbeitete ich jetzt doch wirklich schon lange genug in diesem Metier. Er richtete dann im Vorbeigehen auch sein Wort an mich und ich überlegte einen Moment lang, ob ich mich überhaupt unterhalten wollte. Ich war nicht wirklich der gesprächige Typ Mensch, aber ich hatte hier sonst absolut Nichts zu tun. Zumindest im Augenblick nicht, also entschied ich mich dafür in die Unterhaltung einzusteigen, auch wenn seine Worte etwas unglücklich gewählt waren. Der junge Mann musste sich von mir jedoch vorher noch einer ausgiebigen Musterung von oben nach unten unterziehen lassen, bevor ich ihn direkt ansah - der Blick jedoch nicht weniger finster als vorher. "Ich komm nur nicht drauf, wie's heißt.", lieferte ich ihm dann eine relativ knappe, aber recht ruhige Antwort, dicht gefolgt von einem leichten Nicken in Richtung des teuer aussehenden Gemäldes, womit unmissverständlich klar sein sollte, wovon ich redete.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Angesichts meiner etwas zusammenhangslosen und sehr direkten Frage, war ich wirklich froh, dass der junge Mann mir tatsächlich eine Antwort zu geben schien, anstatt mich mit einem seiner grimmigen Blicke abzufertigen. Im Nachhinein hätte ich mir für den unbeholfenen Versuch, eine Konversation zu provozieren, wirklich eine reinhauen können, gab es doch deutlich unauffälligere Wege, jemanden anzusprechen, aber er schien das Ganze verhältnismäßig locker zu sehen. Ging gar nicht weiter darauf ein, warum ein vollkommen Fremder sich – augenscheinlich – nach seinem Wohlergehen erkundigte. Gut, im Endeffekt war das weniger meine Absicht gewesen und mehr der unglücklichen Wortwahl zu verschulden, die das vermuten ließ, aber was auch immer. Der Italiener hatte den Köder bis dahin schon mal geschluckt und spätestens als er mir offenbarte, was ihm in diesem Moment auf der Seele brannte, warf ich all meine Bedenken, dass das Ganze nach hinten losgehen könnte, über Bord. Denn seine Antwort bezog sich tatsächlich auf das Gemälde, was ihm gegenüber so prunkvoll die ansonsten eher mäßig geschmückte Wand zierte. Wo ich gerade noch den Anschein erweckt hatte, den Raum gleich zu verlassen, legte ich meine Jacke jetzt doch noch einmal auf der schmalen Kommode ab, an die der junge Mann gelehnt stand. Im Anschluss daran drehte mich ein Stück und legte dann, mit ebenfalls vor der Brust verschränkten Armen, einen nachdenklichen Blick auf das Abbild Jesu. „Salvator mundi, gezeichnet von Leonardo da Vinci… Schätzungen nach im Jahre 1500.“, gab ich des Rätsels Lösung, ganz im gewohnten Ton des Kunstprofessors. „Mir ist es auch gleich aufgefallen, als ich reingekommen bin.“, soufflierte ich weiter und stieß dabei ein leises Seufzen aus. „Ich dachte, es sei gänzlich von der Bildoberfläche“ – ha ha – „verschwunden, nachdem es dem Saudi abgeknöpft worden ist.“ Sollte Agnolo tatsächlich so tief in der Materie drinstecken, wie ich es mir letztlich nur erhoffen konnte, mussten wir keinen Hehl daraus machen, was dem Original dieser Zeichnung zugestoßen war. Noch weniger, wie es letzten Endes – wenn auch als Fälschung – hier in diese Räumlichkeiten gelangt war. Der vollkommen absurde Gedanke, dass Cosma so viel Geld in die Hand nehmen würde, um sich derart teure Kunst in diesem schäbigen Kabuff aufzuhängen, entlockte mir fast ein trockenes Lachen. Dahingehend hielt ich mich aber ein Stück weit zurück, schnaubte nur leise. Weder hatte sie genug Kohle, noch besaß sie das Interesse an Gemälden dieser Art, beziehungsweise Kunst im Allgemeinen. Und hätte ich nicht darauf bestanden, dass zumindest in dem Raum, in dem zum Teil wirklich viel Geld floss, zumindest ein, zwei etwas weniger wertvolle Werke von eher namenlosen Künstler hingen, wäre das Klischee eines Amateur Bordells doch tatsächlich bedient.
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Jetzt klingelte es ganz langsam wieder ein bisschen, ja. Mein Gegenüber schien doch ein wenig mehr Ahnung von Kunst zu haben und machte auch keinen Hehl daraus. Der Dunkelhaarige redete quasi fast schon fröhlich weiter vor sich hin und erwähnte neben dem ungefähren Entstehungsjahr des alten Gemäldes auch noch die Tatsache, dass es sich um ein gestohlenes Gemälde handelte. Erst zu dem Zeitpunkt machte es dann endgültig Klick und ich erinnerte mich an den Artikel zurück, dessen Überschrift herrlich zu dieser Aussage hier passte. Es fiel mir jetzt wie Schuppen von den Augen und führte mich prompt zu dem Gedanken, was zum Teufel ein solches Gemälde hier zu suchen haben sollte. Nach außen hin weiterhin das undurchsichtige, grimmige Pokerface wahrend grübelte ich ein paar wenige schweigsame Sekunden darüber, wie wahrscheinlich es in etwa war, dass es sich hierbei um das Original des Bildes handelte. In meinen Augen war die Chance dahingehend gleich Null, egal wie täuschend echt es auf den ersten Blick auch wirken mochte. Es machte schlichtweg keinen Sinn, dass es hier war. In einer schäbigen Spelunke in irgendeinem dunklen Hinterzimmer, das für illegales Glücksspiel und Prostitution genutzt wurde. Dann dachte ich noch einen Moment darüber nach, ob ich mir die weitere Konversation überhaupt erlauben sollte. Ich war überwiegend zum Wache stehen hier, nicht zu einem netten Plausch und dahingehend hatte ich auch in den meisten Fällen keine Wahl. Immerhin war ich hier mit den anderen beiden, mir übergeordneten Italienern nicht in der Position, eigene Entscheidungen zu treffen, die für den Verlauf relevant waren. Wenn ich jedoch ehrlich zu mir selbst war wäre eine Konversation auf etwas höherem Niveau mal wieder eine ganz nette Abwechslung. Mal ein anderes Gesprächsthema als Waffen, Drogen oder tote Dealer zu haben wäre schlichtweg schön und sicher auch gut für meinen aktuell eher miserablen Gemütszustand. Also warf ich nochmal einen bedächtigen Blick in Richtung des Pokertisches, an dem weiterhin alles im Reinen zu sein schien und sah erst dann den dunkelhaarigen Kunstkenner wieder an. "Kann nicht das Original sein, sonst wär's nicht hier.", stellte ich also auch noch einmal für mein Gegenüber hörbar fest und schnaubte ein klein wenig. Ich hielt das einfach für vollkommen unmöglich und mit dieser Meinung stünde ich wohl auch kaum allein da. Niemand, der noch ganz bei Trost und Verstand war, ließ ein derartiges Gemälde einfach so vollkommen ungeschützt herumstehen. Da konnte man noch so unwissend sein, man kannte als Besitzer in jedem Fall den Wert. "...was mich wiederum zu der Frage bringt, warum Jemand wie du hier unsinniges Glücksspiel betreibt.", folgte ich meinem Gedankengang wörtlich, musterte Richards Gesichtszüge ein weiteres Mal. Er wusste augenscheinlich einiges über Kunst und lief hier gut gekleidet herum, was einfach ziemlich wenig zum Rest hier passte. Klar, als höheres Mitglied der Mafia gönnte man sich auch nette Outfits, mich selbst ja inbegriffen, aber der Rest der hier Anwesenden wirkte doch eher etwas durchschnittlicher, schien eher nur auf das potenziell große Geld aus zu sein. Wären wir nicht hier, dann würde er also kaum bis gar nicht ins Bild passen. Er redete ja auch nicht wie Jemand, der direkt aus dem Ghetto kam und anderweitig kriminell war. Pokern zu können schien er außerdem auch nicht. War nicht so ganz stimmig, wenn man mich fragte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Würde ich Cosma nicht kennen und somit als vollkommen Fremder diese Räumlichkeiten betreten, wäre das vermutlich auch mein erster Gedankengang gewesen. Denn in meinen Augen war es vollkommen frei von Sinn und Verstand, derart horrende Summen für ein Gemälde auszugeben, nur um es dann inmitten von Zigarettenqualm und pöbelnden Alkoholikern verrotten zu lassen. Da konnte man genau so gut auf Moderne Kunst zurückgreifen. Die tat sich nämlich keinen Abbruch daran, unter den gegebenen Um- beziehungsweise Zuständen ihren Charme zu versprühen und war zudem deutlich erschwinglicher als... na ja, das bis dato teuerste Gemälde der Welt eben. Blöd nur, dass ich Agnolo in dem Punkt nicht so offensichtlich zustimmen konnte, wie ich es gerne getan hätte. Ein bisschen wollte ich ihn schon noch bearbeiten, hatte ich den Italiener noch lange nicht da, wo ich ihn haben wollte. Also zuckte ich auf seine erste Aussage hin erst einmal wortlos mit den Schultern, während ich parallel dazu überlegte, wie ich das Gespräch über Salvator mundi weiterhin am Laufen halten konnte. Viel gab es nämlich eigentlich nicht zu erzählen. Alle wichtigen Daten waren gesagt worden und Interpretationen zur Wahl der Farbe wie etwa in den weiterführenden Schulen waren unter Kunstkennern Fehl am Platz. Grün ist und war die Farbe grün. Was der Künstler sich seiner Zeit dabei gedacht hatte, interessierte nur die mäßig gebildeten Lehrkräfte, die stur nach ihrem Lehrplan referierten. Und sonst? Klar, hätte ich anmerken können, dass ich mich bereits mit der Besitzerin ausgetauscht und das Bild selber unter die Lupe genommen hatte, er mir ruhig vertrauen konnte, dass es sich hierbei um das Original handelte, weil mein Fachwissen und die Kunst der Täuschung einfach Rekordverdächtig war, aber ehrlich gesagt wollte ich nicht, dass der junge Mafiosi irgendwelche Verbindungen zwischen Cosma und mir - und damit zwangsläufig auch Sabin - vermutete. Deshalb war ich ganz froh, dass die paar Worte nicht seine letzten gewesen sein sollten und prompt auch dem Rest seiner Gedanken eine Stimme gab. Allerdings hatte ich nicht mit einer derartigen Frage gerechnet, was mich schmunzelnd eine Augenbraue heben und erneut mit den Schultern zucken ließ. Die Aussage bezüglich der Echtheit des Gemäldes unkommentiert lassend, setzte ich stattdessen zu einer halbwegs ehrlichen Antwort auf seine Frage an. "Ab und an schneie ich hier mal rein, wenn sich im Pott ein reizendes Sümmchen befindet. Ich bin momentan dabei, meine Galerie auszubauen und freue mich daher über jede Finanzspritze, die ich kriegen kann, damit es schneller geht, aber heute scheine ich einfach kein Glück zu haben." Meine Galerie befand sich momentan tatsächlich im Umbau, ja, aber der Stillstand lag nicht an den liquiden Mitteln sondern schlicht daran, dass ich momentan mit Sabins Drogenküche und meiner Hauptberuflichen Tätigkeit als Dozent einfach viel zu viel um die Ohren hatte, als das ich an den wenigen freien Tagen noch Lust dazu aufbringen konnte, zu tapezieren. Natürlich hätten entsprechende Handwerker es binnen weniger Tage zu einem Hungerlohn fertig bringen können, aber ich bevorzugte es, so wenig fremdes Personal wie möglich über einen längeren Zeitraum in diesen sensiblen Räumlichkeiten zu unterhalten. Außerdem hetzte mich ja niemand und es handelte sich um einen Abschnitt, der von außen nicht einzusehen war. Es verschreckte also auch keine potenziellen Kunden. Bezugnehmend auf meinen letzten Satz, nahm ich das Gespräch nach einem kurzen Augenblick der Stille wieder auf. "Scheint mir ein Zeichen Gottes zu sein, am Ende wäre ich noch erschossen worden, wenn ich was gewonnen hätte.", witzelte ich und spielte damit auf den Umstand an, dass wohl nicht nur Agnolo bis unter das Kinn bewaffnet zu sein schien. Natürlich schwang in meiner Aussage reichlich Ironie mit, sodass er gar nicht erst Rätseln musste, ob es sich hierbei um eine ernst gemeinte Aussage meinerseits handelte - denn dem war definitiv nicht so. "Was mich wiederum zu der Frage bringt, warum man derart schwer bewaffnet solch unsinniges Glücksspiel betreibt.", rezitierte ich schließlich seine eigenen Worte. Im Nachhinein war ich mir gar nicht mal so sicher, ob ich eine Antwort auf diese Frage überhaupt erwarten konnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Der werte Herr besaß also scheinbar eine Galerie, für die er ein paar nette neue Scheine gebrauchen könnte. Augenscheinlich waren entweder ein paar Renovierungsarbeiten daran fällig, oder aber er hatte sie womöglich noch gar nicht ganz abbezahlt. Oder tat sich schwer mit der Miete, wollte in ein neues teures Gemälde investieren... es gab dahingehend wohl einige Möglichkeiten, weshalb er das Geld auf dem Tisch gut hätte gebrauchen können. Es schien mir auf den ersten Blick, weil er eben wirklich Ahnung von Kunst zu haben schien, aber eine recht plausible Erklärung dafür zu sein, warum er hier eher overdressed zu Gange war. Ich nickte das also mit einem relativ gleichgültigen Gesichtsausdruck ab, weil ich keinen Verdacht nach einer Lüge schöpfte und damit war diese Angelegenheit für mich auch abgehakt. Etwas weniger unterhaltsam fand ich seine folgende Aussage. Ironie hin oder her, der Gedanke war nicht berechtigt. Wir waren zwar wegen dem Geld - aber hauptsächlich in Kombination mit der Örtlichkeit - her gekommen, aber wir hatten es jetzt nicht unbedingt nötig. Ich zog eine Augenbraue nach oben und musterte den Dunkelhaarigen erneut für einen Augenblick, ehe mein Blick zum Pokertisch schweifte. "Keine Sorge... zwielichtige Kunsthändler erschieße ich normalerweise nur, wenn sie mich über den Tisch ziehen wollen.", erwiderte ich wohl ein wenig trocken, ebenfalls mit Ironie gespickt, obwohl das durchaus der Wahrheit entsprach. Die Mafia holte sich nur das Geld, das ihr zustand - wenn man beim Poker verlor, dann verlor man eben. Wir hatten Manieren und schossen für gewöhnlich nicht wahllos Leute über den Haufen. Es sei denn sie unterstützen einen flüchtigen Ex-Mafioso und wollten ihm den Rücken freihalten, standen generell auf der falschen Seite. Da war man dann halt leider selbst Schuld. Auch die nächste indirekte Frage des jungen Mannes ließ mich ihn wieder ansehen, meine Augen direkt in seine richten. "Eine gewisse Vorsicht ist nie unangebracht, wenn man Rang und Namen hat... und ich würde dir stark anraten nicht weiter nachzufragen, weil ich mir das mit dem Erschießen sonst doch nochmal überlege.", gab ich eine relativ patzige Antwort darauf, die ihm ziemlich unmissverständlich klar machen sollte, dass es ihn einen Scheißdreck anging, warum meine Mannschaft hier mit Pistolen und - weitgehend nicht sichtbaren - Messern bewaffnet rein spazierte. Allerdings war ich eigentlich nicht erpicht darauf den Dunkelhaarigen wirklich zu verscheuchen. Er war in diesem hässlichen Raum leider Gottes der Einzige, mit dem ich mit aktuell unterhalten konnte und schweigsam herumstehen war endlos ätzend, zumal sich das Spiel noch eine ungute Weile in die Länge ziehen durfte. "Kann man sich die Galerie mal anschauen? ... bewaffnet, versteht sich.", lenkte ich das Thema also wieder zügig auf ihn und seine Kunst um., ohne ihn aus dem Blick zu lassen. Hin und wieder hatte ich mal ein paar wenige freie Minuten und es gab in Oslo kaum Etwas, das sich in meinen Augen lohnte besucht oder angeschaut zu werden. Außerdem ging ich allgemein bei dem Scheißwetter nur ungern raus, wenn ich nicht zeitnah wieder Aussicht auf ein warmes Drinnen hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Huch, fühlte sich da etwa jemand auf den Schlips getreten? Es mochte wohl an der Zusammenarbeit mit Sabin liegen, dass ich mir die italienische Mafia ein Stück weit akkurater und weniger launisch vorgestellt hatte, aber Agnolos ironische, ja fast schon biestige Antwort schob ich jetzt einfach mal auf den Altersunterschied zwischen ihm und meinen Geschäftspartner. Zwar war ich im Schätzen von Menschenjahren wirklich miserabel, aber seine Funktion als wandelndes Schutzschild der alteingesessenen Mitglieder verriet mir, dass seine Position in der Familie noch weiter unter dem Posten stand, den Sabin seinerzeit bezogen hatte. Folglich musste der Mann zu meiner Rechten also ein paar Jahre jünger sein oder aber er war einfach unheimlich schlecht in Allem was er tat. Konnte natürlich auch sein, dann wiederum wollte er mit seinem zickigen Gehabe einfach nur von der Tatsache ablenken, dass er ein absoluter Taugenichts war, welcher der Mafia als Kanonenfutter diente. Aber wie auch immer. Sein Rang war - in meinen Augen - jetzt auch nicht weiter von Bedeutung. Selbst wenn er wider Erwarten der König von China war, wäre mir das wohl reichlich egal. Er hätte trotzdem das schnippische und kaum zu überhörende Schnauben von mir als Reaktion auf seine patzigen Antworten gekriegt. Und beim Stichwort Sabin erinnerte ich mich schlagartig wieder daran, worum es in dem Gespräch hier ursprünglich gehen sollte. Eigentlich war es weniger gut, den Zorn des potenziell einzigen Kunstliebhabers des Trios auf mich zu ziehen, weshalb ich mich nur wenige Augenblicke später auch schon wieder gänzlich entspannt und gelockert hatte. Mein Augen eben nicht mehr verengt waren und auch die Lippen sich wieder zu einem schmalen Grinsen formten. Ganz offensichtlich war ich aber nicht der Einzige, dem der plötzliche Tiefpunkt der Konversation aufs Gemüt schlug. Denn entgegen meiner Erwartungen, war es der Italiener, der mit ein paar weniger ironischen Worten einlenkte. Und das beruhigte mich ungemein, denn so ganz spontan gekippte Launen zu retten war bekanntlich nicht mein Fachgebiet. Erst wenn es um Salz in die Wunde streuen ging - dann war ich wieder ganz vorne mit dabei. Aber gut, whatever. Seiner Aussage nach zu urteilen hatten Kunstfanatiker in der Regel nichts zu befürchten, aber wenn ich weiter nachhaken würde, galt dieser Welpenschutz für mich nicht mehr - war einleuchtend und bedurfte keiner weiteren Erläuterung. Im Grunde war das aber auch gar nicht nötig, immerhin wusste ich alles, was nötig war, um das Gespräch jetzt einfach so stehen lassen und mich seiner letzten, einlenkenden Frage widmen zu können, ohne das ich mich dabei unwohl fühlte. Also räusperte ich mich leise, während ich mit meinem Blick, der während seiner forschen Worte dem Pokertisch gegolten hatte, den seinen erwiderte. "Meine Türen stehen dir immer offen, wenn ich nicht gerade auf jämmerliche Art und Weise mein Geld hier verzocke.", versuchte ich die Stimmung auch von meiner Seite aus wieder ein wenig aufzulockern. Durch die zwischenzeitlichen Flachsereien mit Sabin war ich es einfach gewohnt, dass man meine Worte nicht immer für bare Münze nahm, aber Agnolo schien der Hunter des Trios zu sein und war dadurch mit Vorsicht zu genießen. Und das wusste ich jetzt auch. Meine rechte Hand fuhr langsam, bedacht darauf, dass keiner aus Panik an seine Waffe greifen würde, zu der aufgenähten Brusttasche des Baumwollhemdes, um eine wenig auffällige Visitenkarte zum Vorschein zu zaubern. Die linke Hand hatte derweil in der, auf dem kleinen Schränkchen abgelegten Tasche nach einem Stift gekramt. "Ich hätte nicht gedacht, dass diese schäbigen Teile doch irgendwann mal nützlich sein würden...", kommentierte ich das nahezu weiße Stück Papier, welches einzig und alleine mit dem Logo der Universität Oslo und meinem Namen in dicken Lettern geschmückt war. Im Kleingeschriebenen stand noch meine Tätigkeit als Kunstprofessor und der Festnetzanschluss, der in Zeiten von mobilen Telefonen nur noch selten benutzt wurde. Jedenfalls notierte ich auf der Rückseite meine private Handynummer, machte um Anonymität keinen großen Hehl. Schließlich war ich durch meinen Beruf - sowohl als Dozent, als auch als Kunstfälscher - bekannt wie ein bunter Hund. Jeder wusste, wer Richard O'Lorean war. Und kannte man mich nicht, war man entweder zugezogen oder kam nicht von hier. "Mein Name ist Richard und es würde mich freuen, dich in meiner Galerie begrüßen zu dürfen. Solange die Waffen am Bund der Hose bleiben, ist mir ihre Präsenz ehrlich gesagt ziemlich egal.", redete ich weiter und überreichte dem Italiener noch im selben Atemzug die vollgekritzelte Visitenkarte. Dabei musste ich sicher nicht noch extra erwähnen, dass mir Letzeres gar nicht mal so egal war, wie ich es gerade darstellte, aber das Kind würde ich auch noch schaukeln.
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Relativ trockene Witze schienen wohl irgendwie sein Ding zu sein. Der neue war wenigstens auch halbwegs angebracht der Situation gegenüber und wurde ihm im Gegensatz zum vorherigen auch nicht gefährlich. Der Dunkelhaarige schien inzwischen selbst gemerkt zu haben, dass er mit seiner Neugier besser etwas vorsichtiger war und lieber zwei mal darüber nachdachte, was er sagte. Wenn auch leider nur nach einem schnippischen Schnauben, was ihn umgehend einen kritischen Blick von mir ernten ließ. Wir einigten uns scheinbar aber ohne Worte dazu, das Thema besser gleich wieder zu begraben und stattdessen an meinem zukünftigen Besuch in der Galerie festzuhalten. Das schien für Richard - wie ich kurz darauf der Karte entnehmen konnte, welche der junge Mann mir zusteckte, wobei er sich ohnehin auch noch einmal wörtlich vorstellte - nämlich gar kein Problem, wenn nicht gar eine Freude zu sein. Genauso wenig ließ er sich offenbar davon beunruhigen, dass ich hier in Oslo niemals unbewaffnet aus dem Hotel ging, in dem ich momentan residierte. Ein gut von Securitys bewachtes, recht nobles Hotel wohlgemerkt. Dort waren unsere italienischen Ärsche mit Barzahlung sehr sicher und ich konnte mich wenigstens für die paar Stunden meines Auslandeinsatzes, die ich frei hatte und dort verbrachte - wenn auch überwiegend mit Schlafen - wohlfühlen. Musste mich nicht mit einer schäbigen Flohdecke in irgendeinem blöden Bunker zudecken, sondern wiegte mich in der Seidenbettwäsche. Aber genug von meinen hohen Ansprüchen an Räumlichkeiten und Betten, lieber wieder zurück zu der jetzigen Situation. "Freut mich, Richard...", sagte ich schließlich bedächtig, als meine Augen sich nach einigen Sekunden des musterns von Vorder- und Rückseite der Visitenkarte wieder in seine richteten. Die Karte wanderte kurzum in meine rechte Hosentasche. Jedoch hielt ich es absolut nicht für notwendig mich ebenfalls vorzustellen. Solange ich noch nicht wusste, mit wem ich es hier gerade eben eigentlich zu tun hatte, brauchte er meinen Namen nämlich im Grunde nicht zu wissen. Sowas wie Vertrauen ihm gegenüber war zum jetzigen Zeitpunkt schlichtweg nicht angebracht - völlig gleich ob er sich ebenso wie ich für Kunst interessierte oder rein optisch relativ gut in mein Beuteschema passte. "Dann werde ich mich bei dir melden, sobald ich Zeit finde... ist aber gut möglich, dass das relativ kurzfristig sein wird.", ließ ich den Dunkelhaarigen wissen, dass mein Besuch wohl ziemlich spontan sein würde. Zum einen als reine Vorsichtsmaßnahme, damit Niemand wirklich gezielt etwas gegen mich auf bestimmter Route planen konnte und zum anderen, weil ich einfach nie wirklich genau wusste, was ein Tag alles für mich bereithielt. Eine gewisse Paranoia eignete man sich in diesem Metier einfach an und nachdem schon unzählige unserer Männer über den Haufen geschossen worden waren, weil irgendwie ein gestörter Ex-Knacki aus Amerika sich als Sabins Rückendeckung ausgab, war ich auch nicht unbedingt in der Position dahingehend ein Risiko einzugehen. Also hieß es den Namen Richard O'Lorean erst einmal zu prüfen, herauszufinden was hinter den scheinheiligen blauen Augen und seinen Worten steckte. Erst dann konnte ich ihm womöglich nochmal über den Weg laufen, um über Kunst zu reden. Oder halt auch nicht, wenn er ein potenzielles Risiko darstellte. Dass er zu der Kategorie gehörte, die ich nur unter einem Vorwand traf, um ihnen das Licht auszuknipsen, hielt ich bis dato für eher unwahrscheinlich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tja. Schien, als hätte ich mir selbst ein weiteres Mal bewiesen, dass ich mir zwischenzeitlich einfach viel zu viele Gedanken um gewisse Dinge machte. Ich meine... wie lange hatte es mich jetzt gebraucht, Agnolo in eine halbwegs vernünftige Konversation zu verwickeln? Zwei Runden Poker und eine der absolut billigsten Floskeln der Menschheit. In Summe kamen wir da auf vielleicht zwanzig Minuten effektives Reden, vierzig bis sechzig Minuten fürs Geld verzocken. Und wegen dieser einen Stunde hatte ich mir die Tage davor dermaßen ins Hemd geschissen? Wäre ich mir nicht immer noch selbst der Nächste, wäre ich vor Scham am Liebsten im Erdboden versunken. Ein solches Fass aufzumachen war doch selten dämlich. Aber bekanntlich war man auch erst im Nachhinein schlauer, was die ganze Sache für mich deutlich weniger unangenehm machte, wenn ich mal ehrlich war. Aber gut, wie auch immer. Ich hatte mal wieder dazu gelernt. Vermutlich nur, um es in ein paar Tagen eh wieder vergessen zu haben und dann ging die ganze Scheiße mit einem neuen Umstand von vorne los. War doch immer so. In diesem Moment war die Freude jedenfalls ganz meinerseits. Zwar hätte ich mir von Agnolo ein kleines bisschen mehr Anstand erhofft, ging mir das ganze Mafiosi-Gehabe doch ein Stück weit auf den Keks, aber gut. War jetzt nicht so, als hatte ich es nötig, ihn nach seinem Namen zu fragen, wo Sabin ihn mir doch schon auf dem Silbertablett serviert hatte. Nur zu gerne hätte ich mein Wissen an dieser Stelle mit einem triumphierenden Grinsen wie die +4-Karte bei Uno gespielt, aber dann wäre doch noch alles für die Katz gewesen und das war ja nun wirklich nicht mein Ziel. "Kein Problem. Meld' dich einfach, sobald du weißt, wann es passt. Wenn man mich einmal nicht erreicht, hält mich die Uni vermutlich gefangen. Es lohnt sich, auch da mal vorbei zu kommen. Wir haben erst vor Kurzem eine Spende bekommen, die das Herz von Kunstliebhabern höher schlagen lässt. Nun, von Kunststudenten kann man da leider nicht viel erwarten, aber wie auch immer. Ich rede schon wieder zu viel. Wir hören uns.", beendete ich das Gespräch dann doch relativ abrupt, während ich im selben Atemzug nach meiner Jacke griff, um sie mir über die Schulter zu werfen. Dann hob ich meine Hand zu einem Abschiedsgruß und zwinkerte dem gut aussehenden jungen Mann noch einmal zu, bevor ich keine Minute später auch schon aus den hinteren Räumlichkeiten der Smith and Wesson verschwunden war. Nachdem ich sicher war, dass mir der Italiener bis dato nicht weiter gefolgt war, erstattete ich Cosma noch einen kurzen Lagebericht und gab ihr somit zu verstehen, dass sie sich auch gerne wieder umziehen gehen konnte. In ihren aktuellen Klamotten sah sie nämlich wirklich scheußlich aus und gebraucht wurden ihre weiblichen Reize hier nicht mehr. Ganz offensichtlich hatten Agnolo und ich nämlich so etwas wie ... eine Verabredung. Zwar stand noch nicht fest, wann genau, aber es war immerhin schon mal besser als Nichts. Ich genehmigte mir im vorderen Bereich der Bar noch einen letzten Absacker, um den Frust über das verzockte Geld final zu ersticken, dann schlug ich für den heutigen Tag auch schon den Heimweg an. Dass die Bruchbude hier jetzt nicht gleich in Schutt und Asche zerfiel, oblag jetzt den anderen Jungs, die das Gebäude noch bis zum Verlassen des Trios im behalten würden.
~ le zeitsprüng ~
Es waren jetzt knapp zwei Tage vergangen, seitdem das Treffen in der Bar stattgefunden hatte und meine Hoffnung, dass es jemals zu einem Wiedersehen zwischen mir um dem Jüngling der Mafia kommen würde, schrumpfte minütlich. Seit der Geschichte waren wir allesamt getrennte Wege gegangen. Es war alles gesagt worden und somit war es um die Gruppierung in den letzten Tagen ruhig geworden. Cosma redete seitdem ohnehin kein Wort mehr mit mir, Sabin hatte ich nach einem ebenfalls recht knappen Lagebericht nicht mehr gesehen, weil mich die Uni eingespannt hatte und Hunter...? Mit dem sprach ich ja maximal zwei Worte, und das auch nur, wenn ich wirklich dazu gezwungen war. Also ja, im Prinzip fühlte es sich an wie Urlaub, als ich auf dem Weg zum Ausgang der Universität war. Auf dem Parkplatz angekommen, erreichte mich dann tatsächlich doch noch der ersehnte Anruf Agnolos, was mich doch ein wenig verwundert schnauben ließ. Dass er ein wirklich sehr spontanes Treffen vorschlug, erwischte mich schließlich genau so kalt, wie es seinerseits wohl geplant war. Jetzt noch schnell Sabin oder jemand Anderes zu kontaktieren, um etwaiges Backup Aufzustellen, war kaum realisierbar. Allerdings ging ich nicht davon aus, dass der Italiener einen begründeten Verdacht schöpfte, weswegen er mich umlegen konnte. Seit Sabin wusste ich ja, dass man ganz gerne mal durchleuchtet wurde, aber wenn man mit den wirklich wichtigen Dingen weit unter dem Radar fuhr, konnte einem daraus kein Strick geknöpft werden. Und das er mich wegen Kunstfälschung und Hehlerei umnieten würde, hielt ich für sehr unwahrscheinlich. Demnach fühlte ich mich nicht einmal unwohl dabei, die Sache für den heutigen Tag ganz alleine durchziehen zu müssen. Weil es von der Uni bis zur Galerie fast schon schneller war, zu Fuß zu laufen, ließ ich das Auto kurzerhand stehen und schlug nach einer kurzen Unterbrechung durch einen Kollegen dann den Weg in Richtung Querstraßen ein. Inmitten des Straßen Wirrwarrs hatte ich angefangen, nach dem Handy in der klassischen Lehrer-Leder-Tasche zu kramen, um Sabin zumindest eine kurze Textnachricht zukommen zu lassen, die ihn über den aktuellen Stand der Dinge informieren sollte. Was er letztlich daraus machte, blieb ihm überlassen. Ich für meinen Teil hätte mit Zugriffen jeglicher Art definitiv noch abgewartet. Vielleicht noch ein, zwei weitere Treffen, bis ich ein wenig sein Vertrauen gewinnen konnte. Natürlich war das nicht gerade leicht, aber ein gutes Gespräch über Kunst hat schon vor Jahren Kriege beendet. Zumindest redete ich mir das gerne ein. Vielleicht, um mir nicht wieder ins Hemd zu machen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das Treffen mit den Italienern in der Bar war, wie eigentlich im Voraus bereits vermutet und abgesprochen, sehr reibungslos verlaufen. Einer der Idioten interessierte sich für Kunst - wenn auch der, von dem ich es zugegeben am wenigsten vermutet hatte, aber wirklich eine Rolle spielte das glücklicherweise nicht, um die Bande zu infiltrieren - und wir konnten damit weiter machen heraus zu finden, wo der Haufen sich denn nun aufhielt. Natürlich brauchte das Alles noch ein wenig Zeit, daran bestand kein Zweifel, aber die Sache mit Cosmas Auftritt in der Bar konnte ich trotz des positiven Ausgangs der Dinge nicht vergessen. Weder das, noch suchte ich wie sonst in den Tagen davor ihre Nähe. Auch trank ich wieder etwas mehr, obwohl ich das eigentlich weiter hatte reduzieren wollen. Gedankt wurde mir das auch postwendend bei einer Auseinandersetzung mit einer der italienischen Schläger, der mich mit seinem Messer am Unterarm streifte, bevor ich ihm das Genick brach und mir damit ein nettes Andenken in Form der nächsten Narbe hinterließ. Obwohl das allgemeine Stresslevel keineswegs sank hatte ich noch zu viel Zeit mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was eine ansatzweise gerechte Strafe für Richard wäre. Immerhin war das Alles ausschließlich seine Schuld. Er hatte Cosma manipuliert - was nichts daran änderte, dass ich auch auf die Rothaarige noch sauer war, aber weit weniger - und er hatte genau gewusst, was er damit tat, sofern man die Sache mit der geheimen Beziehung außen vor ließ. Ich glaubte andererseits auch nicht, dass das irgendwas an seiner Entscheidung geändert hätte. Was interessierte es ihn, ob Cosma und ich miteinander im Reinen waren? Vermutlich wäre das künstlerisch veranlagte Arschloch eher froh darüber, wenn er der einzige Kerl in ihrem Leben blieb. Aus Prinzip und vor allem dann, wenn es dabei um mich ging. Je länger ich über all das nachdachte, desto unausweichlicher wurde die Tatsache, dass er nicht mehr lange auf seine Strafe warten müssen sollte. Er hatte es verdient. Genauso wie jede andere Person, die versuchte mich über den Tisch zu ziehen. Normalerweise starben solche Leute wirklich schnell und der Dunkelhaarige konnte von riesigem Glück reden, dass Cosma ihn mochte. So musste er nicht ganz abkratzen, sondern eben nur fast. Wenn ich erstmal mit ihm fertig war würde er für den Rest seines erbärmlichen Lebens schief angesehen werden und er würde niemals vergessen, was der Grund dafür war. Das war Strafe genug. Auch ein wenig aus Eigennutz, weil Sabin ihn für die Drogen brauchte und der Ex-Mafioso mir nunmal noch eine Stange Geld schuldete, Richard außerdem noch mit dem ebenfalls von schwachsinniger Kunst begeisterten Italiener kommunizieren musste bis wir genug Informationen hatten, um die Rattenplage endgültig auszuräuchern. Zumindest diesen kleinen, sehr nervigen Teil der Sippschaft. Der Augenblick jetzt war absolut günstig. Sabin reichte die Information an mich weiter, dass Agnolo sich wohl auf ein Treffen mit Richard geeinigt hatte. Zu dem Zeitpunkt saß ich schon fernab, aber in Sichtweite der Uni in einem der schwarzen Transporter, die ich mein Eigen nannte. Ashton saß hinterm Steuer, folgte mit seinem Blick dem Dunkelhaarigen, der gerade nach kurzer Intervention mit weiß Gott wem den Weg zur Galerie einzuschlagen schien. Zu Fuß, womit er es mir leichter gar nicht hätte machen können. Mein Fahrer wandte seinen Blick zu mir und ich ließ ihm nur die knappen Worte "Warte nicht auf mich." zukommen, bevor ich die Kapuze des Hoodies unter der Lederjacke noch einmal etwas tiefer ins Gesicht zog und ausstieg. Richard war zu diesem Zeitpunkt schon aus meinem Sichtfeld verschwunden, aber ich kannte sämtliche von Oslos Gassen besser als jeder andere. Es dauerte demnach also auch nicht lang, bis ich ihn auf leisen Sohlen und mit den Händen in den Hosentaschen wieder im Blickfeld hatte. Jedoch beschleunigte ich mein Tempo und ging einen kleinen Umweg, um stattdessen an der nächsten Abzweigung an der Hausmauer auf ihn zu warten. Währenddessen zog ich schon mal das Taschenmesser als eines der beiden sehr nützlichen Werkzeuge, die mir gleich behilflich sein würden, aus meiner Hosentasche. Lauschte den Schritten des Dozenten, während er auf den nassen Pflastersteinen immer näher kam und besah mir dabei die glänzend scharfe Klinge. Schon dabei bildete sich ein leichtes Grinsen voller Vorfreude auf meinen Lippen, kurz bevor ich dann hinter der Wand hervor trat und ihm die letzten zehn Schritte schwungvoll entgegen kam. "Na, hast du mich vermisst?", war meine übertrieben fröhlich klingende Begrüßung an den jungen Mann, kurz bevor ich ihm die freie Hand mit ordentlich viel Schwung ins Gesicht knallte. Seine Nase erwischte und er wie von mir erwartet - immerhin war er gegen mich nur ein halbes Hemd, das brauchte ich Niemandem zu erzählen - erstmal rückwärts Bekanntschaft mit dem Boden schloss. Ein saftiger Schlag an den Kopf war immer eine wirkungsvolle Methode, um die Gehirnzellen des Opfers ordentlich durcheinander zu wirbeln und für einen kurzzeitigen Aussetzer zu sorgen. Wenn damit Nasenbluten einherging war das natürlich doppelt schön. In aller Seelenruhe ging ich in die Hocke, sah zu ihm runter. "Irgendwelche Wünsche, welche Gesichtshälfte ich dir schlimmer ruinieren soll?", stellte ich ihm breit vor mich hin grinsend eine Frage, während ich das aufgeklappte Messer zwischen meinen Fingern drehte. Ich würde ohnehin dafür sorgen, dass man ihn aus allen Richtungen komisch ansehen würde... nur aus einer von beiden eben penetranter. Welche das war, war mir persönlich scheißegal und ob ich seinem Wunsch nachkommen würde, wenn er denn wirklich einen äußerte, wusste ich auch noch nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Für gewöhnlich lachte ich gläubige Menschen aus, sobald sie mir weiß machen wollten, dass Gott uns Zeichen sendete und für jeden von uns ein eigenes, ganz persönliches Schicksal bereit hielt. Faktisch konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie ein bärtiger Mann in mehreren Kilometern Höhe auf seiner Wolke sitzend Kaffee schlürfte und dessen tägliches Brot es war, Jumanji mit seiner eigenen Schöpfung zu spielen. Nur wenigen Ausnahmen küsste er dabei die Stirn, indem er ihnen den Weg durchs Labyrinth wies. Wäre ich durch meine Sünden und den ganzen anderen Quatsch nicht so verblendet gewesen, wie es mir durch fleißige Kirchengänger des Öfteren schon unterstellt worden war, hätte ich vielleicht die Zeichen deuten können, die mir Francesco - wie ich dieses italienische Gesindel mittlerweile hasste - geben wollte. Er bat mich, noch einen Augenblick mit ihm in der Universität zu verbringen und ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen, doch ich lehnte ab. In den nächsten Minuten sollte ich schließlich die gerechte Strafe für meine eigene Dummheit einstecken müssen. Gott gefiel es augenscheinlich nämlich nicht, wenn man seine Warnungen und Hinweise unbeachtet ließ. Es brauchte noch ein paar Minuten, in denen ich ins Display meines Smartphones vertieft durch die Gasse spazierte, bis sich am anderen Ende das Unglück offenbarte. Ich hörte ein paar schnelle Schritte auf den nassen Pflastersteinen, die mich den Kopf anheben ließen und postwendend wünschte ich mir, es nicht getan zu haben. Denn prompt erwischte mich die Faust meines Angreifers an der so ziemlich empfindlichsten Stelle des menschlichen Körpers - neben den Weichteilen, versteht sich. Da Hunter das Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte, sank ich kurze Zeit später wie ein nasser Sack in mich zusammen und schlug mit einem dumpfen Schlag auf dem harten Beton auf. Das Blut floss bereits, sowohl aus der Platzwunde an meinem Hinterkopf, als auch aus der, zu sehr hoher Wahrscheinlichkeit gebrochenen Nase. Mir wurde schlagartig übel und die Sicht vor meinen Augen verschwamm, sodass ich erst ein, zwei Lidschläge brauchte, um endlich identifizieren zu können, wer mich da eigentlich zu Boden befördert hatte. Aus dem Schatten heraus hatte ich nur eine ziemlich große, recht muskulöse Silhouette ausmachen können, aber entgegen meiner Erwartung, dass Agnolo eventuell doch noch einen Grund gefunden hatte, mich kalt zu machen, offenbarte sich mir das Gesicht unseres Michelinmännchens Hunter, als ich wieder einigermaßen klare Sicht hatte. Murrend, weil mit der Übelkeit auch Kopfschmerzen einher gegangen waren, rieb ich mir den dröhenden Schädel, während ich mich mit dem anderen Arm, dessen Handgelenk durch den Sturz ebenfalls etwas abgekriegt zu haben schien, in eine halbwegs sitzende Position aufraffte. Zwar lag ich noch immer mehr, als das ich wirklich saß, aber so war die Platzwunde fürs Erste keinem Dreck mehr ausgesetzt. "Hi Kumpel. Ich dachte schon, sie hätten dich erwischt, die Ruhe war herrlich...", begrüßte ich ihn mit ein paar gemurmelten, etwas undeutlichen Worten, weil das Blut der Nase über den Rachen leider auch ein Stück weit meinen Mund ausfüllte. Es waren weder die Worte, die er erwartet hatte, noch Worte, die er hatte hören wollen, aber noch ging es mir ausgesprochen gut, auch wenn sich das in den nächsten paar Minuten schlagartig ändern würde, das verriet mir unter Anderem das Messer in seinen Händen. Ich wusste ja, dass da noch etwas auf mich zugekommen wäre, aber musste es denn ausgerechnet heute sein? Ich hatte eine Verabredung und somit eigentlich wenig Lust, hier noch meine Zeit zu verschwenden. Hunters Frage, die direkt an seine Begrüßung angeknüpft war, ließ mich nur leise seufzen. "Links ist, glaube ich, meine Schokoladenseite... oder war es rechts?", rätselte ich und machte dabei eine möglichst nachdenkliche Miene. Zumindest, so weit das mit der kaputten Nase noch zu vereinbaren war. Das Blut, welches mit seinem penetranten Eisengeschmack mittlerweile meine Geschmacksknopsen lähmte, spuckte ich nur wenig später als eine dickflüssige Masse neben mich auf den Boden.
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Es wunderte mich wirklich immer wieder aufs Neue, dass Richard wirklich der Meinung war, dass seine schnippisch überheblichen Worte immer und überall angebracht waren. Entweder war er wirklich so dumm, oder er versuchte sich damit nur selbst seine Angst auszureden. Zumindest jetzt in diesem Moment, wo jedem Menschen auf der ganzen Erde - auch den Blinden und Taubstummen - klar wäre, dass es wirklich besser wäre mich nicht unnötig zu reizen. Ich meine, das war nicht direkt mein Problem und war mir im Augenblick dementsprechend reichlich egal, es milderte seinen Denkzettel nur ganz sicher nicht ab. Aber bitte, wenn er sich noch weiter in die Scheiße reiten wollte, dann sollte er das tun. "Ach Richard... du musst wirklich dringend lernen, wann und wie du deinen Tonfall anpassen solltest.", grinste ich mit einem bedächtigen, langsamen Schütteln meines Kopfes vor mich hin, kurz bevor ich ihm ruckartig die Faust auf den Brustkorb schlug und ihn damit wieder zurück in den Dreck beförderte. Er würde sowieso nicht still halten, wenn ich gleich anfing, der harte Boden war also ein gutes Hilfsmittel. Ich veränderte meine Position noch ein weiteres Mal, stützte mich mit einem Knie auf seinen Ellbogen, was gelinde gesagt sicher unangenehm war. "Wir wissen beide, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich aus fremder Hand vor dir sterbe, sehr unwahrscheinlich ist und auf Selbstmord steh ich nicht so. Mach dir lieber keine falschen Hoffnungen.", flötete ich förmlich vor mich hin, während ich das stählerne Feuerzeug aus meiner Hosentasche holte. Kurz darauf hielt ich die Klinge des Messers über die kleine Flamme, erhitzte das Metall in aller Seelenruhe in gleichmäßigen Bewegungen. Hielt das züngelnde Feuer mit meinem funkelnden Blick fest, bis ich der Ansicht war, dass die Klinge eine angemessene Hitze erlangt hatte. Natürlich gab er mir keine wirkliche Antwort auf meine Frage hinsichtlich einer bevorzugt verschandelten Stelle in seinem Gesicht, aber wie sollte es auch anders sein? Er war immer noch der gleiche Hurensohn wie vorher. "Ich würde echt gern Tic Tac Toe auf deinem Gesicht spielen... schade, dass das allein keinen Spaß macht.", redete ich unbekümmert weiter vor mich hin, fügte dem ganzen noch ein fast theatralisches Seufzen an, bevor ich die Hand mit dem Feuerzeug nutzte, um das Kinn des Dunkelhaarigen fest zu packen und sein Gesicht ein Stück weit auf die Seite zu drehen. Dann wartete ich auch gar nicht mehr lange und drückte ihm das Messer mit der flachen Seite hochkant kurz unterhalb seines Auges förmlich in die Wange. Versengte seine Haut und hinterließ damit den ersten kleinen Teil der vorgesehenen Brandnarbe in seinem vorher viel zu makellosen Gesicht. Er war mit seinem 'nicht mehr Leute als unbedingt notwendig umbringen' und seiner dummen Kunstfälscherei in meinen Augen zwar ohnehin nur ein Pseudo-Krimineller, aber um irgendwie - wider Willen - in meinen Kreis zu gehören sah er eindeutig zu normal aus. Fast noch unschuldiger als Tauren, was schon fast gar nicht mehr möglich war. Ob die Universität ihn weiter beschäftigen würde, wenn er aussah, als hätte er sich mit den falschen Leuten angelegt? Hoffentlich nicht. Wäre ein netter Bonus für mich, würde ich nicht nein sagen. Kaum hatte ich das Messer wieder von seiner Haut genommen ließ ich auch sein Gesicht wieder los, um die Klinge erneut heiß zu machen. Musste ja ordentlich aussehen, das Ganze. "Keine Sorge... bis zu deinem Date bin ich mit dir fertig. Vielleicht solltest du dich bei Agnolo über mich auskotzen, das verbindet euch ganz bestimmt.", philosophierte ich weiterhin breit grinsend vor mich hin, kurz bevor ich mir sein Kinn erneut packte und das Messer ein zweites Mal in seine Haut drückte, mir der Geruch von verbranntem Fleisch wieder in die Nase stieg. Der zweite Streifen schloss nahtlos in wahrer Präzisionsarbeit an den ersten an, war weiter seitlich. Ich würde mich ganz akribisch damit bis zu seinem Ohr vorarbeiten... ob die Stirn auf dieser - der linken, er hatte ja keine Wünsche - Gesichtshälfte auch noch dran glauben musste hing wohl davon ab, wie lose sein Mundwerk blieb.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich gestand mir das ja nur ungern ein, aber Hunter hatte in diesem Punkt ausnahmsweise Recht. Es war und wäre durchaus angebracht, über den ein oder anderen Kommentar erst einmal nachzudenken, bevor man ihn dann laut aussprach, aber gerade das machte mich doch aus, oder etwa nicht? Immer etwas absolut Unpassendes in den mit Abstand beschissensten Situationen, so kannte man mich eben. Aus dem Grund war es nur wahrscheinlich, dass ich an dieser großen Klappe früher oder später noch elendig zu Grunde gehen würde. Vielleicht nicht unbedingt heute, aber eben irgendwann anders. Dass Hunter mir heute die Lichter ausknipsen würde, hielt ich für sehr unwahrscheinlich. Mochte sein, dass die Dumpfbacke ein Testosteron gesteuertes Arschloch war, der gerne seine Fäuste sprechen ließ, aber er war nicht dumm. Zumindest nicht, wenn es um die geschäftlichen Aspekte in unserer Beziehung ging. Im Augenblick war ich einfach noch zu wichtig für ihn, als das er mich einfach so umlegen konnte. Ob er das wollte oder nicht, aber ohne mich würde er auf einer ganzen Stange Geld sitzen bleiben und das wäre dem Profitorientierten Amerikaner ganz sicher ein Dorn im Auge. Um mein Leben bangte ich fürs Erste also nicht, aber das änderte trotzdem nichts an der Tatsache, dass ich mich zunehmend unwohler fühlte, je näher er mir kam. Der Schlag auf den Brustkorb, der mich aus der halb sitzenden Position wieder auf den harten Boden beförderte, ließ mich mit einem Schmerz verzerrten Keuchen nach Luft ringen. Auch die angetrocknete Platzwunde wurde wieder wärmer und verriet mir damit, dass die kurzzeitig gestoppte Blutung erneut einsetzte. Dieses Mal war Hunter allerdings schlauer und hinderte mich direkt daran, einen neuen Versuch zu starten, mich aufraffen zu wollen. Mit dem Knie drückte er meinen Ellenbogen gegen das Pflasterstein, welcher als Gegenstück einen wirklich unangenehmen Druck im Gelenk auslöste. Erneut verzog ich mein Gesicht, hatte mittlerweile eigentlich kaum mehr eine Möglichkeit, mich unter seinem Gewicht zu drehen oder zu wenden. Den noch freien Arm konnte ich zur Verteidigung allerdings nicht heran ziehen und es schien, als wüsste er das. Hunter machte zumindest keine Anstalten, auch diesen noch fixieren zu wollen, als er das Feuerzeug aus seiner Hosentasche kramte, um damit wenig später die Klinge des Messers damit zu erhitzen. Spätestens jetzt wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, mit dem Glauben an Gott anzufangen, denn einzig und alleine er konnte mir in dieser Situation noch beistehen. Bis zu dem Zeitpunkt, als das heiße Blatt meine bis dato unversehrte Haut direkt unter dem Auge versengte, war ich ziemlich ruhig gewesen, hatte keinen bissigen Kommentar mehr abgelassen, obwohl ich mehr als genug Antworten auf Hunters dämliches Geschwätz gehabt hätte. Aber gut, das lag wohl ganz einfach daran, dass die Kopfschmerzen sich mittlerweile derart penetrant ausgebreitet hatten, dass sich kaum mehr ein klarer Gedanke fassen ließ. Hier und da hatte ich zumindest mal versucht, das Gewicht des bulligen Körpers ein wenig zu verschieben, weil Atmen unter dem Gewicht zu einer Herausforderung geworden war und der Arm ganz gerne entlastet werden wollte, aber da tat sich absolut gar nichts. Ich musste mir in diesem Moment einfach eingestehen, dass ich rein körperlich gegenüber dem Amerikaner überhaupt nichts zu melden hatte. Kurzzeitig fühlte ich mich in der Zeit zurück versetzt, irgendwo auf dem Gymnasium hatte ich so eine Geschichte schon einmal durchgespielt. Und damals hatte ich mir geschworen, etwas dafür zu tun, mich beim nächsten Mal angemessen verteidigen zu können. Tja. Und da lag ich nun. Mittlerweile vor Schmerzen schreiend, zwischen den Beinen eines komplett irren Psychopathen, der mir nach und nach Teile meines Gesichts entstellte. Der Geruch ... nein ... Gestank nach verbrannten Menschenfleisch stieg mir in die lädierte Nase und trieb mir damit auf sehr unangenehme Art und Weise den Mageninhalt die Speiseröhre hinauf. "Verfickte Scheiße, du spinnst doch.", fauchte ich inmitten einer der Pausen, in denen Hunter die Klinge von Neuem erhitzte. Leider fielen mir noch immer nicht sehr viele Worte ein, die in diesem Augenblick auch nur im Ansatz angebracht wären, schlicht weil ich wusste, dass es Hunter keinen Deut interessieren würde, als was ich ihn beschimpfte. Und die Luft war ohnehin knapp. Vielleicht war es in dem Moment also gar nicht mal schlecht, einfach die Klappe zu halten. Hin und wieder hatte ich zwar noch versucht, ihn mit den Beinen von mir runter zu hebeln, aber eben auch nur während der besagten Pausen. Andererseits hätte das Ganze buchstäblich ins Auge gehen können.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Das merkte er aber wirklich extrem früh. Hätte Richard in diese Richtung mal eher ein paar Gedanken verschwendet, dann würde er jetzt ganz sicher nicht derart machtlos die ganze Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Vielleicht lernte er dann jetzt endlich mal, dass er in mancher Hinsicht lieber hin und wieder zurückstecken sollte, weil er in der Nahrungskette nunmal nicht ganz oben stand. Es in meiner Gegenwart auch nie tun würde, so viel war sicher. Seine gequälten Laute waren angesichts der ganzen Scheiße, die er sich mir gegenüber geleistet hatte, zweifelsohne eine wahre Sinfonie in meinen Ohren. Ich könnte auch nicht leugnen, dass es mir Spaß machte, ihn jetzt so leiden zu sehen. Dass er immer wieder verzweifelt versuchte, sich irgendwie aus meinem Griff zu winden, was kläglich scheiterte. Nur allzu gern nahm ich das Karma hier selbst in die Hand und beschleunigte die Geschichte eben ein wenig. "Ja, das tu ich wohl... ist gut, dass dir das endlich auffällt, vielleicht verhältst du dich dann zukünftig richtig. Psychopathen lassen nur selten mit sich verhandeln.", waren die einzigen Worte, mit denen ich schnaubend seine Aussage kommentierte, während ich das Messer ein weiteres Mal heiß machte und dann wieder in seiner Haut versengte. So ging das weiter, bis selbst sein Haaransatz und ein Teil seines Bartes direkt vor seinem Ohr unter den Flammen verschwunden waren. Wenn er Pech hatte würden da auch nie wieder Haare wachsen. Ich drückte ihm wirklich die Daumen dafür, das wäre für mich nämlich ein sehr netter Zusatz zu der ohnehin schon ekligen Brandnarbe, die mit Nichts außer einer sehr aufwendigen Hauttransplantation wieder verschwinden würde. Auch war es unfassbar angenehm ihn endlich mal schweigend zu sehen, war seine Stimme sonst doch immer so penetrant nervtötend - inhaltlich wie auch von der Stimmlage her. "So, jetzt hast du's fast geschafft, mein Bester...", flötete ich förmlich vor mich hin und begutachtete mein Werk noch einmal akribisch, bevor das Feuerzeug endgültig zurück in meine Hosentasche wanderte. Dann nahm ich das Messer in die andere Hand und nahm sein Kinn erneut zwischen meine Finger, drehte sein Gesicht auf die andere Seite. Ich wäre schließlich nicht ich, wenn das schon Alles gewesen wäre. Wenn ich nicht irgendwas hinterlassen würde, das ganz eindeutig meine Handschrift war. Also setzte ich mit der Spitze der Klinge auf der dünnen Haut seiner Schläfe an, um auch ihm mein Logo zu verpassen. Es war natürlich wegen Platzmangel entsprechend wesentlich kleiner als die dicken Narben, die Tauren jetzt in seinem Nacken mit sich herumschleppte, aber wenn man nah genug an ihn heran kam, war es unverkennbar. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er mit mir in welcher Verbindung auch immer stand. Ein durchweg zufriedenes Grinsen bildete sich auf meinen Lippen, als ich den Dunkelhaarigen losließ und ihm noch einmal sehr unsanft mit den Worten "Guter Hund." auf die Schulter klopfte, bevor ich mich final aufrichtete und wieder auf die Beine stellte. Dann das altbewährte, schwarze Tuch aus meiner Hosentasche zog und die Klinge vorsichtig abwischte. Das Messer würde vermutlich sowieso durch ein anderes ersetzt werden, war es jetzt doch ziemlich verkohlt, aber das Blut sollte mir einfach nicht die Hose versauen. "Vielleicht solltest du zukünftig lieber zwei Mal über deine Schulter schauen, wenn du dich in Gassen wie diesen hier rumtreibst. Könnte sein, dass dich hin und wieder Jemand abstechen will, wo du doch jetzt das nette Souvenir von mir hast... oder du trägst nur noch Stirnbänder, überlass' ich dir.", faselte ich so vor mich hin, bevor ich das Messer zuklappte und zurück in meine Tasche wandern ließ. Vielleicht hatte ich Glück und mein Problem mit ihm löste sich irgendwann einfach in Luft auf, weil Jemand dachte, er könnte mir mit seinem Tod eins auswischen. Ich hätte in keinem Fall etwas dagegen, solange er lange genug lebte, um die Sache mit der Mafia zu beenden. Es gab da eben zwei Sorten von Menschen - die, die über Gebrandmarkte meine Gunst oder den Kontakt zu mir zu erschwingen versuchten und dann eben die, die dachten sie könnten mir auf den Sack gehen, weil sie eben eine solche Person umlegten. So oder so würde Richard sicher zwangsläufig in nicht allzu ferner Zukunft neue Bekanntschaften schließen, wenn er nicht auf eine tiefe Kopfbedeckung zurückgriff.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Davon ging ich jetzt eher nicht aus. Aber ließen wir ihn dahingehend einfach mal in dem Glauben. Dass man eine Eigenschaft, die man jahrelang mit sich herum geschleppt hatte, mal so eben auf die Schnelle ablegte, war doch eher ungewöhnlich. Natürlich gab es sicher Leute, die es sich nach einem solchen Denkzettel noch einmal überlegten und zugegeben, auch ich verschwendete einen kurzen Gedanken daran, mich in Zukunft ihm gegenüber zusammen zu reißen. Aber dann fiel mir wieder ein, wie wenig ich eigentlich daran interessiert war, es anderen Leuten recht zu machen. Und wenn das hieß, doch noch durch eine fremde Hand zu sterben - na, dann war das wohl so. Fürs Erste hielt ich schlicht der Schmerzen wegen meine Klappe, denn ich hatte bei den paar wenigen Worten, die mich das letzte Bisschen Luft aus meinen Lungen gekostet hatte, bereits gemerkt, dass auch nur die kleinste Bewegung der versengten Wangenmuskulatur höllische Schmerzen verursachte. Und das würde es wohl auch noch eine ganze Weile lang. Vor allem, wenn ich die Wunde nicht schleunigst desinfizierte, nachdem der Hurensohn endlich von mir abgelassen hatte. Allzu lange sollte das tatsächlich auch nicht mehr dauern. Ein paar provokante, absolut überhebliche Worte und zwei, drei weitere Schnitte später, die mir aufgrund ihrer Positionierung an der Schläfe ebenfalls den ein oder anderen schmerzverzerrten Laut entlockten, war es dann auch endlich so weit und Hunter gab nach einer halben Ewigkeit endlich wieder meinen Arm zur Bewegung frei. Ich war heilfroh, dass nebst meiner Nase nicht noch andere Knochen gebrochen waren. Ein Gips am Arm machte sich beim Arbeiten nicht sehr gut, ich war ihm in gewisser Hinsicht also doch ein Stück weit dankbar, dass es nur bei diesen hässlichen Narben bleiben würde. Ich hatte ja an sich nichts gegen originellen Körperschmuck, aber die Tatsache, dass ich mich eben nicht aus freien Stücken dazu entschieden hatte, kratzte doch ein wenig an meinem Ego. Ich mochte mein Gesicht eigentlich. Es war immer so schön makellos und auf der Jagd immer ein echter Hingucker. Tja. Daran hatte sich soweit auch nichts geändert, nur würden mich die Leute jetzt wohl aus einem anderen Grund angucken, beziehungsweise anstarren. Das ganze Ausmaß von Hunters Arbeit würde ich wohl erst daheim bestaunen können, aber so rein vom Gefühl - und bis auf Schmerzen war da kein anderes Gefühl mehr - ließe sich da nichts mehr retten. Die Haut war pfutsch und mit ihr ein Stück meines so großen Ego. Dass ich mich aus diesem Grund gleich vor den nächsten Zug schmeißen würde, hielt ich dennoch für sehr unwahrscheinlich. Dafür war der Wille zu leben doch noch etwas zu groß, aber ich würde mich zeitnah wohl mal nach geeigneten Mützen umschauen. Zumindest um das hässliche Kleingedruckte zu vertuschen. Ich hatte nämlich wenig Lust, so wie es der Amerikaner hier bereits ankündigte, den falschen Leuten ins Messer zu laufen, nur weil sie ein Problem mit ihm hatten. Die größere Brandwunde hingegen... die musste ich wohl so hinnehmen, wie sie war. Mein Lebtag nur mit einem Verband mitten im Gesicht rum zu laufen, würde sicher nur noch unangenehmere Blicke auf mich ziehen. Aber gut, da würde ich mir erst später weitere Gedanken drum machen. Wenn der Schädel nicht mehr so dröhnte und ich wieder etwas klarer war. Dabei fiel mir ganz spontan die Frage ein, wie ich das Date mit Agnolo jetzt eigentlich noch über den Tisch bringen wollte... War mir Sabin so viel wert, dass ich mich trotz meines Scheintods noch zur Galerie schleppen würde? Vermutlich ja. Denn es ging dabei ja nicht nur um den Italiener per se. Auch mein Kopf steckte da mit in der Schlinge. Ich konnte mir also schon einmal eine kurze und knappe, vielleicht nicht allzu ehrliche Erklärung einfallen lassen, was denn da mit mir passiert war. Als Hunter gerade damit beschäftigt war, sein Messer von meinem Blut zu befreien, starrte ich noch eine ganze Weile gen Himmel. Es hatte mittlerweile angefangen zu regnen und hätte mich die Scheiße wirklich dahin gerafft, wäre der Anfang einer Krimiserie perfekt. Die mysteriöse Leiche inmitten der City und alle Beweise waren durch den Regen fort gespült worden oder so. Jedenfalls brauchte es mich eine ganze Weile - war Hunter schon fort? - bis ich mich endlich dazu aufraffen konnte, das letzte Bisschen Energie in meinem Körper zu sammeln, um mich mit dem verhältnismäßig heilen Arm wieder in eine sitzende Position aufzurichten. Die nassen Haare klebten unangenehm auf den frischen Wunden, aber sie mit meinen dreckigen Händen beiseite zu schieben, hielt ich für keine sonderlich gute Idee. Also blieben sie einfach da, wo sie waren, während ich mich erschöpft auf die Beine kämpfte, um ein paar Meter weiter taumelnd an eine Hauswand zu lehnen. Dann überkam mich die Übelkeit so richtig und mein Mageninhalt entleerte sich mitsamt dem Blut in meinem Mund vor meinen Füßen. Alles drehte sich oder tat weh, alleine das Stehen verlangte schon überdurchschnittlich viel Kraft, wie sollte ich es da bitte bis zur Galerie schaffen? Und wie spät war es eigentlich? Wo befand ich mich derzeit und was zur Hölle war hier eigentlich gerade passiert? Mit einem gequälten Seufzen stieß ich mich nach gut zwei Minuten wieder von der Hauswand ab, um vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dabei schwemmte bei jedem Auftreten eine neue Welle von Schmerz durch meinen Körper. Ich war wirklich froh, dass mir auf dem Weg zum Treffpunkt keiner über den Weg lief. Vermutlich wären sonst noch die Männer mit den weißen Jacken angerückt, um den Zombie, der da durch die Seitengassen streunte, aufzulesen. Vermutlich hätte ein Zombie sogar lebendiger ausgesehen, als ich zum aktuellen Zeitpunkt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es war eine herrliche angenehme Abwechslung, dass das selbstverliebte Arschloch - ich glaubte inzwischen zu wissen, dass wir für eine gesunde Geschäftsbeziehung zu viele davon in unserem Gespann hatten, die Erkenntnis dahingehend kam nur leider viel zu spät - ausnahmsweise mal die Klappe hielt. Mich nicht mit irgendeiner irrelevanten Scheiße zutextete, die sowieso Niemanden außer ihn selbst interessierte. Es gab wohl Nichts, das ich Richard gerade mehr gewünscht hätte, als diese Stille des besiegt worden seins. Leider hielt die vermutlich nur so lange an, wie das Reden ihm noch weh tun würde und mit genügend Schmerzmittel war er dieses Gefühl vielleicht schon bald los, also kostete ich eben einfach diesen Moment voll aus. Ging ganz gemütlich im leichten Regen, der für mich nicht unangenehm war, ein oder zwei Schritte weit von ihm weg. "Hab noch 'nen schönen Tag.", redete ich beschwingt weiter, als ich mich nach Verstauen von Tuch und Messer langsam zum Gehen wandte. Mit sehr gemütlichen, durchweg entspannt wirkenden Schritten und in den Taschen der Lederjacke verstauten Händen machte ich mich auf den Weg, um mein tägliches Geschäft weiter zu führen. Als ich schon ein paar Meter weit weg war hörte ich den übel zugerichteten, jungen Mann wieder in Bewegung kommen und sah noch einmal über meine Schulter hinweg. Sah mit einem zufriedenen Grinsen, dass es ihm scheiße ging und rief mit beschwingtem Gemüt Tauren an, damit er mich einsammelte und von A nach B brachte. Mit Sabin sollte ich vermutlich auch noch reden, bevor er durch Richard Wind von der Sache bekam, damit er meine Beweggründe verinnerlichen und es mir nicht vorhalten konnte. Er brauchte mir nämlich nicht zu erzählen, dass er derartige Dinge in der Mafia früher geduldet hatte. Er war wegen zahlreicher Morde angeklagt, er würde das also - nach kurzem darüber nachdenken - sicher verstehen und ich hatte den Vollidioten ja nicht einmal umgebracht. Er konnte weiter die Drogenküche schaukeln - nach kurzer Regenerationszeit - und ein verunstaltetes Gesicht würde ihn in der Mafia-Geschichte auch nicht zurückwerfen. Sabin war also wahrscheinlich nur ein geringes oder gar kein Problem. Wie es da mit Cosma aussah... naja, sie würde vermutlich durchdrehen. Mir wieder sonst was an den Kopf werfen, wie immer, wenn ihr irgendwas nicht passte. Aber gerade schien das in so herrlich unerreichbarer Ferne, dass es mir egal war. Ich hatte sowieso nicht vor ihr zeitnah einen Besuch abzustatten, weil ich anderes zu tun hatte. Vielleicht auch ein bisschen, weil es nach wie vor etwas im Herzen piekte, weil sie sich lieber auf Richards Seite gestellt hatte. Das war aber natürlich nur inoffiziell so.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Liebe war anstrengend, verwirrend und zudem unglaublich sensibel. Und wenn ich gerade ehrlich zu mir selbst seinen sollte, hasste ich es schon jetzt wie die Pest, tatsächlich so etwas wie Gefühle für Hunter entwickelt zu haben. Es machte einen nur weich und verletzlich. Zu dieser Erkenntnis waren wir bereits gekommen, als die ganze Geschichte zwischen uns angefangen hatte, aber dann war sie irgendwie in den Hintergrund geraten. Zumindest für die ein, zwei Tage, bis das Treffen mit den Italienern anstand. Ab da schien zumindest seitens Hunter wieder dieses gewisse Misstrauen vorhanden zu sein, was ich mittlerweile absolut nachvollziehen konnte. Ich war ihm in den Rücken gefallen, hatte nicht einmal mehr mit ihm darüber gesprochen und er war zurecht enttäuscht von mir. Dass er daraufhin den Kontakt zu mir mied, mich nicht besuchen kam und jegliche Kontaktversuche meinerseits abblockte, ließ dann auch mich langsam an diesem Experiment zweifeln. Wir hatten von Anfang an darüber geredet, dass Hunter hier und da seine Freiräume brauchte - wie ich eben auch -, aber er konnte mir nicht erzählen, dass er sich vor diesem Hintergrund einfach ein paar Tage Auszeit nehmen wollte, als wäre nichts gewesen. Also ja, alles in allem war ich schon frustriert und irgendwie auch ... traurig. Er fehlte mir mit seiner schrecklich anstrengenden Art einfach und an diesem Punkt hatte ich angefangen, diese ganze Liebelei aufs Neue zu verfluchen. Ich hatte mir geschworen, mich nie wieder von einem Mann oder irgendwem anderen derart abhängig zu machen, aber das Herz hörte selten auf das, was der Kopf predigte. Da sich auch Richard die letzten Tage nicht mehr hatte blicken lassen, war ich schließlich wieder bei den Drogen gelandet, um die Einsamkeit etwas erträglicher zu gestalten und ich bildete mir ein, dass sich meine Mauer, die Stück für Stück eingerissen war, so langsam aber sicher wieder rekonstruierte. Ich wieder etwas kälter wurde und mir einiges endlich wieder am Arsch vorbei ging. Als mein bester Freund - die Sache mit dem Treffen würde ich ihm noch ewig nachtragen, so viel stand fest - dann nach einer halben Ewigkeit mal wieder in der Smith and Wesson auftauchte, wäre ich vor Schreck beinahe vom Barhocker gesegelt. Richies Gesicht hätte glatt einem 70er Jahre Horrorfilm entsprungen sein können, so fürchterlich sah er aus und auch wenn ich nach wie vor sauer auf ihn war, stellte ich trotzdem die Frage aller Fragen: Was war passiert und wer hatte ihm das angetan? Weil ich in diesem Augenblick überhaupt nicht damit gerechnet hatte, dass Hunter etwas mit der Sache zutun haben könnte, saß der Schock bei der Nennung seines Namens doch ziemlich tief. Wir redeten noch eine ganze Weile, bestimmt noch gute anderthalb bis zwei Stunden, bis der geschundene junge Mann, dessen Gesicht zur Hälfte in ein Verband gehüllt war, den Heimweg antrat und mich trotz des langen Gesprächs mit endlos vielen Fragen zurück ließ. Weitere dreißig Minuten vergingen, in denen ich meine Gedanken mittels eines Drinks zu sortieren versuchte, dann griff ich nach meinem Handy. Solltest du auch weiterhin der Meinung sein, mich wie bei den 799 Nachrichten vor dieser hier ignorieren zu müssen, obwohl ich mich mit jeder davon bei dir entschuldigt habe, reicht es mir mit dem Kindergarten dann auch wieder. Wir müssen reden. Entweder heute oder gar nicht mehr. Um acht bei mir, tippte ich ins Display und donnerte das Smartphone daraufhin enttäuscht auf den lädierten Tresen. Ich hatte mit vielen gerechnet, wusste, dass Hunter eine solche Aktion nicht einfach unter den Teppich kehren würde, aber das ... das ging einfach zu weit.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ehrlich gesagt verdrängte ich die chronischen Gedanken an Cosma inzwischen ganz gut. Es versuchten ja sehr oft irgendwelche Leute mich anzurufen und selbst den nervtötenden Klingelton konnte ich in der Regel sehr gut ignorieren, da fiel es mir mit ihren Anrufen und auch den unzähligen Nachrichten nicht unbedingt schwerer. Nur selten schlich sich das schlechte Gewissen an die Oberfläche und viel öfter ließ ich Gedanken an die Rothaarige gar nicht erst zu, weil ich entweder wieder alle Hände voll mit der italienischen Mafia zu tun hatte, oder mit meinem besten Freund - das war und blieb wohl der Alkohol - auf dem Sofa saß. Dass in diesen Phasen meistens Nichts und Niemand zu mir durchdrang war kein Geheimnis, das wusste wohl jeder, der öfter mal mit mir zu tun hatte. Nur wurde mir das sonst auch nie zum Verhängnis. Ich las ja alle Nachrichten, die Cosma mir hinterließ, ich reagierte nur nie darauf, weil weder mein sturer Schädel, noch das verkrüppelte Ding von Herz richtig bereit dazu waren, sich damit auseinander zu setzen. Mailbox hatte ich keine, also wenigstens blieben mir weniger leicht zu ignorierende Sprachnachrichten erspart, bei denen ich zwangsweise auch ihre Stimme gehört hätte... und ich müsste lügen, um zu sagen, dass ich jetzt gerade vollkommen nüchtern war. Es hatte sich wieder so ein gewisser Grundpegel eingependelt und jetzt, als ich gegen 17 Uhr Cosmas recht endgültig klingende Nachricht auf dem Display las, hielt ich doch einmal kurz inne. Saß auf dem Beifahrersitz, während Ashton den Wagen lenkte und Michael mit Tauren auf dem Rücksitz saß. Ich starrte sicher für gut zwei Minuten wortlos aufs Display, ließ meine Augen immer wieder über die Buchstaben wandern. Wollte ich denn, dass es weiter ging? Es war schon jetzt unfassbar anstrengend diese merkwürdige Beziehung am Leben zu halten und jetzt, wo sie mein Geschäft auch noch da mit rein zog, wurde es nur noch schwieriger. Es würde mich stark wundern, wenn sie Richard in der Zwischenzeit nicht gesehen hätte. Wieder müsste ich mir irgendeine Scheiße anhören, die sie mir an den Kopf knallte und ihrem ganzen Ärger Luft machte. Würde das immer so sein? Würden wir uns weiterhin alle paar Tage streiten? Wollte ich meine Zeit echt in Etwas investieren, das dermaßen kaputt war, obwohl er erst angefangen hatte? Auch, als ich dann in einem meiner vermeintlichen Wohnsitze ankam und komplette Ruhe um mich herum herrschte, zerbrach ich mir ohne wirkliches Ergebnis den Kopf darüber. Weder duschte ich - was nebenbei bemerkt schon sehr angebracht gewesen wäre -, noch kam ich zu einem Ergebnis. Deshalb brach ich schließlich etwa eine halbe Stunde vor Acht doch zur Bar auf. Setzte mich in den schwarzen BMW, machte die Musik bei eher gemütlichem Fahrstil einen Ticken zu laut, als es in meiner aktuellen Lage angebracht wäre. Ich sollte es eigentlich generell meiden, mein eigenes Auto zu nehmen, aber irgendwie schien mein Kopf auch seltsam leer und gleichzeitig unfassbar voll zu sein. So kam ich also genauso unschlüssig wie vorher letztlich an, parkte den Wagen nur zwei Straßen weiter und bewegte mich die restlichen paar Meter zu Fuß zur Bar. Heute müsste der Schuppen aber zu sein, sonst hätte die junge Frau kaum eine solche Uhrzeit gewählt. Also stolperte ich aus lauter geistiger Abwesenheit fluchend über die einzelne Stufe bei der Haustür in den Hausflur, bevor ich vor mich hin mosernd auch noch die Stufen zur Wohnungstür nach oben ging. Da stand ich dann. Klopfte nach Schießpulver stinkend und mit dem einen oder anderen Blutfleck auf den Klamotten - wenigstens Gesicht und Hände waren gewaschen, aber auch nur deshalb, weil getrocknetes Blut unangenehm auf der Haut war - an der Wohnungstür, der Blick so kalt wie sonst auch immer, obwohl sich in meinem Inneren ein unangenehmes Gefühl breit machte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Während ich mich in den nächsten Stunden um Organisatorisches kümmerte, blieb das Telefon still. Wie ich bereits erwartet hatte, schien Hunter auch dieses Mal nicht auf meine Nachricht reagieren zu wollen. Mit einem frustrierten Schnauben fischte ich das Handy von dem Tresen, als ich kurz vor sieben den Laden abschloss und mich mit ein paar wenigen Unterlagen die Treppenstufen bis zu meiner Wohnung hinauf schleppte. Die Haustür fiel zugegeben etwas unsanft hinter mir ins Schloss, aber bekanntlich scherte es mich einen Dreck, was etwaige Nachbarn von mir dachten, demnach war es gar nicht der Rede wert. Mal ganz abgesehen davon, dass ich schon seit Langem niemanden mehr über den Weg gelaufen war. Vielleicht waren sie derweil ausgezogen oder verendet. Was auch immer. Mein erster Weg führte jedenfalls ins Wohnzimmer, wo ich die Lieferanten- und Inventurlisten auf dem Tisch ablegte. Dann schlurfte ich rüber ins Schlafzimmer um mich umzuziehen, wobei mein Blick beiläufig auf die Stofffetzen fiel, welche unbedingt noch entsorgt werden mussten. Selbst wenn die Sache mit Hunter und mir jetzt doch für die Tonne gewesen war, wollte ich diese Art von Kleidung nie wieder sehen, nur hatte ich es bis heute nicht geschafft, sie platzsparend im nächsten Mülleimer zu entsorgen. So auch heute nicht, weil es für mich weitaus wichtigere Dinge gab, mit denen ich mich erst einmal beschäftigen würde. Zum Beispiel mit dem Gedanken, wie es nach der ganzen Geschichte eigentlich weiter gehen sollte. Auch war mir nicht ganz klar, ob ich mich bereits vollständig mit dem Gedanken angefreundet hatte, von nun an wieder getrennte Wege zu gehen. Natürlich gab es Zeiten, da hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als das Hunter mich mit seiner nervtötenden Art einfach in Ruhe ließ, aber mittlerweile ... hatte ich sie eigentlich ganz gern. Mochte es, ihn um mich herum zu haben, weshalb es mich vermutlich auch so fuchste, die letzten Tage überhaupt nichts von ihm gehört zu haben. Aber gut, dann sollte es wohl einfach nicht sein. Die Kraft, mich wirklich dahinter zu hängen, schwand von Tag zu Tag und mit jeder unbeantworteten Nachricht seinerseits. Ich hoffte einfach nur, dass mir der Abschied von Hunter nicht ganz so schwer fallen würde, wie es bei Daith der Fall gewesen war. So ein Drama konnte ich kein zweites Mal in meinem Leben gebrauchen, wirklich nicht. Um mich ein wenig abzulenken und runter zu kommen, hatte ich auf dem Rückweg ins Wohnzimmer die Bong von der Kommode meines Schlafzimmers geangelt, weil ich bezweifelte, dass ein einfacher Joint in meinem jetzigen Gefühlszustand wirklich eine Hilfe war. Ich präparierte die Pfeife in der Küche und nahm sie anschließend mit auf die Couch, wo ich mich noch für ein paar Minuten damit beschäftigte, neue Lieferanten ausfindig zu machen. Ich hatte mir die letzten Tage ein paar Wünsche von Kunden notiert und um diese umsetzen zu können, brauchte es einen Alkohol, den mein aktueller Lieferant leider nicht bieten konnte. Demnach beschäftigte ich mich etwa bis kurz vor acht damit, eine ABC Analyse durchzuführen, bis es plötzlich an der Haustür klopfte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es durchaus Hunter hätte sein können - dann hatte er sich aber wirklich in allerletzter Minute dazu entschieden -, aber damit gerechnet hatte ich ehrlich gesagt nicht mehr. Die Pfeife, welche in meinem Schoß fröhlich vor sich hin geblubbert hatte, stellte ich beiseite, um ungehindert aufstehen und mich zur Tür trollen zu können. Entgegen meinen Erwartungen war es tatsächlich der Amerikaner, welcher an meiner Tür geklopft hatte. Er sah schrecklich aus, stank nach Schießpulver und Alkohol und schien alles in allem einfach unterwegs gewesen zu sein. Anders konnte ich mir nicht erklären, wieso er ungeduscht und mit Blut befleckter Kleidung vor meiner Tür stand. Trotz der Tatsache, dass ich ihm scheinbar noch genug bedeutete, um sich meine finale Ansage ans Herz zu nehmen, war ich stinksauer. Es freute mich, ihn zu sehen, andererseits wusste ich, dass hier gleich ein Sturm losbrechen würde, was mich ihn wiederum nicht gerne sehen ließ. Die ganze Situation war einfach zum Kotzen seltsam, ich konnte sie überhaupt nicht in Worte fassen. Ohne ein weiteres Wort, lediglich mit einer aussagekräftigen Armbewegung, bat ich Hunter herein. Ich schloss hinter ihm sichtlich angespannt die Tür, während ich fieberhaft darüber nachdachte, wie ich das Gespräch anfangen würde. Eigentlich gab es so viel, worüber ich gerne mit ihm gesprochen hätte, aber womit startete ich taktisch am sinnvollsten? "Was hast du dir dabei gedacht?", waren meine ersten, recht neutral klingenden Worte, während ich mir das Nasenbein mit zwei Fingern massierte. Gerne hätte ich ihm auch mitgeteilt, dass ich ihn vermisst hatte und jetzt nicht unbedingt darauf aus war, einen Streit anzuzetteln, aber seinem Auftritt nach zu urteilen, schien er ja ohne mich auch ganz gut zurecht gekommen zu sein. "Und sag mir bitte nicht, dass du nicht weißt, wovon ich rede. Richard war heute bei mir.", wollte ich unwichtigen Smalltalk umgehen, indem ich direkt auf den Punkt brachte, was der eigentliche Grund des Gespräches war. Noch ging es mir gar nicht mal um die zum scheitern verurteilte Beziehung zwischen uns.
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