Er war aber auch schrecklich empfindlich. In meinen Augen wäre es gut für alle Beteiligten, wenn Richard sich dieses schnippische Getue schnellstmöglich abgewöhnte und nicht jedes Mal so ein dummes Theater machte. Das machte nur Alles ganz unnötig anstrengend und ich glaubte zu wissen, dass wir alle ohne sehr viel besser auskamen. Aber gut, dahingehend erfüllte er wohl ziemlich gut das Klischee des Schwulen, das von der unwissenden Allgemeinheit gerne verbreitet wurde - quasi eine zickige Frau im Körper eines Kerls, um es übertrieben zu veranschaulichen. Eine Diva, jemand Hochnäsiges. Wurde vermutlich einfach nur Zeit, dass ihm das mal Jemand gehörig austrieb, weil das auf Dauer - auch, wenn ich ehrlich nicht hoffte, mich hier noch lange aufhalten zu müssen - unheimlich nervig war. Dass ich dazu aktiv Zeit hatte wagte ich jetzt aber mal zu bezweifeln, weil ich für solche Dinge eher nicht hierher gekommen war. Spaßig wäre es trotzdem, wo Oslo doch sonst so unsagbar uninteressant für mich war. Okay, bevorzugt hätte ich ihn mir noch ohne die fette Narbe im Gesicht vorgenommen, aber was solls. Mein nicht vorhandenes Repertoire an Schwulen in diesem Land war nicht unbedingt nennenswert. "Du bist echt extrem wehleidig.", stellte ich amüsiert fest, dass dem jungen Mann das bisschen an rauem Umgang schon nicht bekommen war, obwohl das für jeden anderen in diesem Wagen Peanuts wären. Ich startete den Motor und machte mich nach einem kurzen Blick in den Rückspiegel dann auch auf den Weg zurück zu Richards Wohnhaus. Es wurde ein gemütliches Tempo voln mir angeschlagen sobald wir aus dem Industriegebiet raus waren, weil ich es von da an nicht mehr wirklich eilig hatte. Außerdem fuhr ich ganz gern Auto, wenn es nicht in Verfolgungsjagden ausartete oder anderweitigen Stress bedeutete. Die zahlreichen Ampeln in der norwegischen Stadt waren für ungehinderten, schnellen Fahrspaß sowieso viel zu hinderlich, also begnügte ich mich damit möglichst immer die grünen Wellen abzupassen und so gut wie nicht anhalten zu müssen. Ständig neues Anfahren war nicht unbedingt nach meinem Geschmack. Einige Minuten später hielt ich die Limousine dann am Straßenrand vor dem Apartment des jungen Mannes, warf ihm über meine Schulter hinweg noch einen kurzen Blick zu. "Ich fürchte den Kaffeekranz müssen wir aber leider verschieben.", ergänzte ich ein paar wenig ernst gemeinte Worte zu der vorherigen Materie, weil ich für sowas jetzt keine Zeit hatte. Rücksprache mit den anderen beiden Köpfen des sich momentan in Oslo befindenden Anteils der Mafia halten musste, ob ich nun wollte oder nicht. Sie verlangten nach Berichten, was ich in ihrer Position sicher auch tun würde - deswegen musste ich aber keine Lust dazu haben. Dann eigentlich doch lieber Kaffeepause, weil die Nacht für mich sowieso noch nicht vorbei war und Koffein jetzt gar nicht so verkehrt klang.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na und? Ich wusste nicht, wann ich ihn jemals nach seiner Meinung diesbezüglich gefragt habe, noch hatten ihn meine Launen in irgendeiner Form etwas anzugehen. Meine Antwort auf diese Aussage blieb also vorerst nur das schnippische Schnauben, während ich seinen Blick für ein paar Sekunden über den Rückspiegel erwiderte. Dann wandte ich mich von ihm ab, um meinen Fokus wieder auf die Landschaft außerhalb des Wagens zu lenken. Dabei schwieg ich weiterhin, weil ich keinen Grund darin sah, jetzt noch einen netten Plausch mit ihm zu halten. Ihn zu fragen, wie es denn gelaufen war oder so sowas. Auch hatte ich gerade weniger das Bedürfnis, ihm mit den typischen Aussagen á la 'Ich hab dir doch gesagt, dass ...' auf der Nase herum zu tanzen. Ich war müde und erschöpft. Wollte nur noch ins Bett. Deswegen war ich ganz froh, dass die Fahrt bis nach Hause insgesamt nicht sehr lange dauerte und niemand der hier Anwesenden es für nötig hielt, mich noch einmal ansprechen zu müssen. Meiner Meinung nach wurde heute schon viel zu viel geredet, mein sozialer Akku war mittlerweile zu seiner Gänze entladen und würde nach der ganzen Aktion wohl überdurchschnittliche lange zum Regenerieren brauchen. Gut, dass ich mir für die nächsten Tage frei genommen hatte. Dadurch bot sich mir genug Zeit, eine ganze Weile lang rein gar nichts zu tun. Und einer Sache war ich mir sicher: Ein Schrittzähler würde maximal den Weg zum Bad und in die Küche verzeichnen, ehe es mich zurück zum Bett trug. Ich befürchtete allerdings, dass das Ganze gar nicht so einfach war, wie ich mit das im Tagtraum ausmalte. Zumindest nicht, solange die Sache mit Sabin und dem italienischen Gesindel noch brandaktuell war. Die Kommunikation zwischen Agnolo und mir forderte leider auch an meinen freien Tagen Einsatzbereitschaft. Wenn der junge Mann anrief, sich treffen wollte, um zu reden, musste ich wohl leider springen. Aber wenn das Ganze hier vorbei war... dann würde ich es mir auf den Malediven oder den kanarischen Insel so richtig gut gehen lassen. Vermutlich auf Sabins Kosten. Aufwandsentschädigung quasi. Aber bis dahin würde es wohl noch eine halbe Ewigkeit dauern. Deshalb verwarf ich den Gedanken an sonnengebräunte Haut wieder, als Agnolo den Wagen unweit meiner Wohnung am Straßenrand hielt. Kurz darauf drehte sich der Oberkörper des jungen Mannes in meine Richtung, nur damit er mir ein paar abschließende Worte mit auf den Weg geben konnte. "Wie bedauerlich. Dann trinke ich meinen San Mazarno bei Kerzenschein wohl alleine, während ich mir die verspannten Muskeln von meinem Jacuzzi bearbeiten lasse.", antwortete ich mit reichlich Ironie in der Stimme und untermalte das kühle Lächeln zusätzlich mit einem Augenrollen, ehe ich schließlich ausstieg. Entgegen meiner Erwartungen, schien Agnolo mich für den heutigen Abend tatsächlich ziehen zu lassen, was mir auf dem Weg zur unteren Haustür schon einiges an Last von den Schultern nahm. Denn spätestens als die massive Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, konnte ich mir sicher sein, dass mich heute nichts und niemand mehr daran hindern würde, ein entspanntes Bad zu nehmen und mich im direkten Anschluss mit noch leicht feuchter Haut in mein verboten bequemes Bett zu rollen.
~ sprung vong diese Zeit her ~
Es waren jetzt ... wie viele Tage vergangen? Ich hatte nach achtundvierzig Stunden Ruhe bereits vollkommen die Übersicht darüber verloren, bei welcher Uhrzeit und welchem Wochentag wir uns gerade befanden. Wie vorausgesagt, hatte ich mich die letzten zwei Tage nur selten aus dem Bett bequemt. Noch viel seltener aus der Wohnung als solches. Warum auch? Ich kaufte genug ein, sodass es ohne Probleme für eine Woche daheim ausreichte. Freunde wollte ich derzeit keine sehen und mit einer guten Dokumentation über Kunst und Geschichte konnte ich mich ewig lang in meinen heimischen Vier Wänden aufhalten. Wäre da nicht dieses nervtötende Klingeln an der Haustür, welches mich zum Aufstehen drängte, hätte ich auch den Rest der Woche noch so verbracht, nur um mich am Montag der Folgewoche zu ärgern, dass ich durch das viele Nichtstun eine kleine Plauze bekommen hatte. Diese war in der Regel zwar nach wenigen Stunden im Fitnessstudio schon wieder weg, aber es ging mir ums Prinzip. Erst meckern und kritisieren, dann konnte ich mich dem Problem annehmen. Hatte ich ja jetzt schon mehrfach zum Besten gegeben - diese Art von Probleme lösen. Es lief gerade ein unglaublich spannender Film über Sandro Botticelli, als das schrille Läuten mich aus dem Bett scheuchte. Meine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, bekleidet war ich nur mit einer Unterhose, als ich mich barfuß zur Haustür schleppte. Ein Nachteil daran, im Loft einer Wohnanlage zu wohnen war wohl, dass Besucher so unglaublich lange brauchten, bis sie endlich die Stufen bezwungen oder der Fahrstuhl sein Bestes getan hatte. So lange stand ich dann da ... wie bestellt und nicht abgeholt. Lehnte mit müden Augen im Türrahmen. Trotz - oder gerade wegen - des vielen Schlaf der letzten zwei Tage, war ich unsagbar kaputt. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich mich eigentlich zu etwas Aktion an der frischen Luft aufmachen sollte, aber ... ich wollte nicht. Mir gefiel das Dasein als Teilzeitpenner eigentlich ganz gut. Vielleicht konnte ich mit der Uni ja über weitere Urlaubstage verhandeln, wenn ich dafür auf etwas Geld verzichtete? Wert wäre es mir das allemal. Aber gut, zurück zum Hier und Jetzt. Es vergingen beinahe Jahre, bis der unangekündigte und absolut unterwartete Besucher schließlich aus dem Fahrstuhl stiefelte und mir damit quasi direkt in die Arme lief. Meine Augenbraue wanderte schon beim Aufschwingen der Schiebetüren unwillkürlich in die Höhe, während sich die Arme wie ein paar Tage zuvor noch auf der Rückbank der Limousine, ineinander verschränkten. "Was machst du denn hier?", waren meine ersten, eher neutral angehauchten Worte, wobei ich auf eine anfängliche Begrüßung ganz bewusst verzichtet hatte. Hielt die Mafia ja auch nicht für nötig, warum also freundlicher sein, als unbedingt nötig war? Noch bevor Agnolo zu einer Antwort ansetzen konnte, machte ich ein paar Schritte zurück in die Wohnung, um ihm so Einlass zu gewähren. Sollte er noch ein paar Informationen hinsichtlich Hunters Arbeit haben wollten, würde er das wohl kaum im Treppenhaus besprechen wollen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Schon wie sämtliche Wochen zuvor zog die Zeit in Oslo zügig ins Land. Die Jagd nach Sabin kostete mich weiterhin meine letzten Nerven und langsam wurde ich auch einfach sauer. Ich hatte mit der ganzen Geschichte absolut Nichts zu tun und dennoch blieb diese Drecksarbeit überwiegend an mir hängen, während die anderen beiden ihre Ärsche täglich im Spa-Bereich des noblen Hotels parkten. Dabei hatte ich das bei all der Hetzerei und schlechten Laune eindeutig nötiger, aber nach mir fragte ja keiner. Hauptsache ich lieferte noch Ergebnisse, was momentan nicht mehr wirklich der Fall war. Ergo die Strippenzieher waren zum jetzigen Zeitpunkt nicht in bester Laune und so mussten neue gute Taten meinerseits her, weil ich nur wenig bis gar keine Lust dazu hatte meinen hart erarbeiteten Posten aufgeben zu müssen und wieder in der Nahrungskette nach unten zu rutschen. Ich genoss meine Vorteile gerne und dabei sollte es bestenfalls bleiben. Ich machte mich ein paar Tage nach der spontanen Entführung Richards am frühen Nachmittag - nachdem ich ausgeschlafen hatte - auf den Weg zu ihm, weil er momentan mein einziger Erfolgsweg zu werden schien. Außerdem sollte die Aktion vor zwei Tagen ja auch nicht umsonst gewesen sein, war schließlich zu genau diesem Zweck durchgeführt worden. Ich hatte aber nur ungern gleich einen Tage später wieder bei dem Dunkelhaarigen auf der Matte stehen wollen, weil ich wenig Lust darauf hatte miese Laune von ihm abzukriegen. Jetzt aber hatte ich unten an der Haustür geklingelt und wartete kurz darauf im Aufzug darauf die richtige Etage zu erreichen. Allzu lange sollte das nicht dauern und kaum war ich hinter den stählernen Türen hervor getreten, fasste ich den Kunstfälscher ins Auge. Kam nicht umher seinen ungewohnten Aufzug kurz mit den Augen unter die Lupe zu nehmen, ihn zu mustern bis ich ihn schließlich am Türrahmen seiner Wohnung passiert hatte und dabei erstmal noch seine Frage ignorierte. Auch mit der Antwort noch wartete, bis er die Wohnungstür wieder geschlossen hatte und ich schon ein paar Meter weit in das Loft eingetreten war. "Fragen, wie's dir geht.", lieferte ich dem jungen Mann erst einmal wenig ernst gemeinte Worte, die an sich zwar relativ neutral klangen, aber durchaus mit ironischem Unterton versehen waren. Es war für mich eben nicht wirklich von Belang wie er sich fühlte und ob er zu diesem Gespräch überhaupt Lust hatte. Wirklich eine Wahl hatte er da nicht. "Kaffee wär diesmal aber wirklich nett, hatte heute noch keinen.", schob ich eine Bitte hinterher, die hingegen schon recht ernst gemeint war. Ich war zwar nach der Dusche vor circa einer Stunde etwas wacher geworden, aber ein kleiner Koffein-Kick wäre eine schöne Ergänzung. Ich sah mich ein wenig um - das war einfach eine aus Sicherheitsgründen antrainierte Gewohnheit -, ehe ich mich zu Richard umdrehte und mit meinem eigentlichen Anliegen anrückte. "Ich vermute mal schwer, dass du dir schon denken kannst, dass ich noch ein paar Antworten bezüglich unserem besten Freund brauche...", deutete ich dem Dunkelhaarigen schon einmal an, warum ich hier war, obwohl das eigentlich auf der Hand lag. Ich hätte trotzdem bitte erst gern den Kaffee, bevor wir ernsthaft übers Geschäft redeten und solange ich darauf wartete, konnte ich mir den spärlich bekleideten jungen Mann noch ein bisschen anschauen. Sinnvoller Zeitvertreib und so weiter.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ach, natürlich. Wieso war ich da nicht gleich drauf gekommen? Er, als mein bester Freund seit etwa zwei Tagen, wollte sich nur mal nach meinem Wohlergehen erkundigen. Wie fürsorglich von ihm. Ha ha. Die Ironie in Agnolos Stimme war nicht zu überhören gewesen, dennoch konnte er sich glücklich schätzen, dass ich heute gute Laune hatte. Viel zu müde war, einen blöden Spruch darauf zu erwidern, denn wir wussten beide, wie sensibel ich manchmal sein konnte. Das hatte er bereits zwei Tagen zuvor ganz gut auf den Punkt gebracht. Aber wie auch immer. Ich war ihm nicht mehr böse. Dieses Mal hatte er schließlich den Anstand alleine zu kommen und machte auch keine Anstalten, mich direkt wieder fesseln zu wollen, weshalb ich ihm ausnahmsweise ein schmales Lächeln schenkte, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, nur um kurz darauf seinen Blick schweifen zu lassen. „Keine Sorge, hier fängt dich keiner weg.“, hatte ich gewitzelt, ehe ich mich in Richtung der offenen Küche bewegte, um seiner verhältnismäßig freundlichen Bitte nachzukommen, die an seine wenig ernst gemeinten Worte anknüpfte. Ich ließ den Kaffeevollautomaten warmlaufen und schaltete in der Zwischenzeit den Fernseher im Schlafzimmer aus, welches lediglich durch zwei Wände vom Rest der Wohnung abgetrennt war. Nicht einmal eine Tür gab es, man blickte vom Wohnzimmer direkt auf das unordentliche Bett, dessen Beistelltisch mit Getränken und Snacks vollgestellt war. Auf dem Rückweg angelte ich mir eines meiner älteren Hemden von einem Stuhl, der unter der Woche gerne als Ablage missbraucht wurde. Meistens konnte ich mich erst an den Wochenenden dazu aufraffen, die Wohnung im Allgemeinen aufzuräumen. Das umfasste eben auch das Wäsche waschen. Weil eine halbnackte Konversation mit dem Italiener meine Ernsthaftigkeit in mancherlei Hinsicht bestimmt nicht untermauern konnte, hielt ich zumindest das Bisschen Kleidung für angebracht. Jedoch machte ich mir nicht die Mühe, alle Knöpfe zuzumachen. Ich zog mir noch ein paar Socken an, dann ging ich auch schon wieder zurück in die Küche. Dort stellte ich zwei Tassen unter die Ausläufe und wählte auf dem modernen Display den klassischen Café Crema aus. Es rödelte und in dem Moment, als die Kaffeebohnen die Station des Mahlens und Röstens passierten, wurde es ziemlich laut. Kurz darauf stieg mir schließlich der aromatische Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase und ein leises Piepen signalisierte mir, dass die Maschine binnen der nächsten Sekunden ihren Reinigungsprozess durchlaufen und sich dann abschalten würde. Ich nahm eine Tasse in jede Hand und schloss zu Agnolo auf, den ich in der Zwischenzeit gebeten hatte, sich seinen Platz auf der Wohnlandschaft zu suchen. „Wie kann ich dir helfen?“, fragte ich, als ich eine der Tassen vor ihm auf dem Wohnzimmertisch abstellte und ihm gegenüber Platz nahm. Dass er noch einmal über Hunter sprechen wollte, hatte er ja bereits angedeutet. Leider konnte ich nur keine Gedanken lesen. Und ehe ich mir wieder eine endlos lange Geschichte aus dem Ärmel schüttelte, wollte ich gerne wissen, welche Art von Information er konkret benötigte. Daraufhin würde ich dann alles Weitere anpassen. Während ich auf seine Antwort wartete, hatte ich mich im Sessel ein Stück zurückgelehnt, die Beine überschlagen und den ersten Schluck des herrlich aromatischen Kaffees zu mir genommen. Vielleicht würde mir dieser helfen, ein wenig in die Gänge zu kommen. Denn auch wenn mir allerlei Schmerzen – die Brandwunde in meinem Gesicht und auch die Fesselspuren der Kabelbinder tat nämlich noch gut weh -, tierisch auf die Nerven gingen und mich eigentlich zu genüge wach halten müssten, war ich unglaublich müde. Nicht zuletzt natürlich auch wegen entsprechenden Medikamenten zur Unterdrückung der Schmerzen. Wie dem auch sei. Ich richtete meinen Fokus fürs Erste jedenfalls gänzlich auf Agnolo, beobachtete ihn aus leicht verengten Augen. Auch wenn er schon ein weniger radikales Auftreten an den Tag legte, traute ich ihm in der Hinsicht immer noch nicht wirklich. Schließlich war er auch bei unserem ersten Treffen hier in meiner Wohnung sehr ruhig geblieben, aber das hatte sich dann schlagartig geändert. Ich blieb also noch etwas skeptisch.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Offenbar war dem so, ja. Ich hielt es auch für eher unwahrscheinlich, dass Richard plötzlich irgendwelche Leibwächter in seinem Loft postierte. Dennoch blieb eine grundlegende Skepsis meinerseits ganz einfach vorhanden, war mir das doch sehr exzessiv in den letzten Jahren antrainiert worden. Darüber war ich eigentlich auch ziemlich froh und auch dankbar dafür, weil mich das schon das eine oder andere Mal vor Schlimmerem bewahrt hatte. Glücklicherweise war die Wohnung des Dunkelhaarigen auch ohne gründlichen Rundgang ziemlich leicht einsehbar und selbst, wenn sich in seinem Kleiderschrank Jemand verstecken würde, könnte ich jene Person quasi schon sehen bevor auch nur Irgendwas passieren könnte. Es war also Alles im grünen Bereich und ich antwortete lediglich mit dem durchaus wahren Sprichwort "Vorsicht ist besser als Nachsicht.", bevor ich mich langsam in Richtung des Sofas begab, um nicht mehr wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Raum herum zu stehen. Außerdem würde ich heute noch oft genug von A nach B laufen oder fahren, vermutlich entweder mit der Zeit oder Hunters Männern im Nacken. Ein paar Minuten entspannt mit einem Kaffee auf der Couch zu sitzen schien mir da wie die notwendige Vorbereitung, auch wenn ich nebenher bereits meinem eigentlichen Geschäft nachkommen musste. Immerhin sitzend und mit einem nicht mehr miserabel gelaunten Richard, dem ich ein leichtes Nicken zum Dank für das Heißgetränk zukommen ließ. Bevor ich zum Reden ansetzte machte ich aber tatsächlich erst einmal noch die Winterjacke auf, um sie wenige Sekunden später neben mir auf dem Sitzpolster abzulegen. Da meine Hände schon wieder relativ kalt waren - was hier oben im Norden absolut zur Gewohnheit geworden war - griff ich erst einmal nach der Tasse und lehnte mich mit jener zwischen den Händen recht entspannt zurück, ehe mein Blick dann endgültig auf dem jungen Mann zum Liegen kam. "Kennst du Jemanden aus Hunters Reihen etwas besser? Also gut genug, damit es nicht merkwürdig rüberkommt, wenn du mit ihm redest?", schilderte ich dem Engländer dann mit ruhigen Worten mein Anliegen, weil ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Gründe dafür sah einen Gang hochzuschalten. Meine Mitstreiter und ich würden den streitlustigen Amerikaner nämlich gerne ein bisschen wütend machen. So, wie er das mit uns immer machte, nur im besten Fall schlimmer. Dazubrauchten wir idealerweise jedoch einen unauffälligen Draht zu einem seiner Handlanger, damit wir uns jenen vorknöpfen konnten. Es war beinahe unmöglich einfach so einen seiner Männer allein anzutreffen und dingfest zu machen, wenn man weder die Route, noch die geplante Aktivität an sich im Voraus wusste. Sie hatten einen leider ziemlich unschlagbaren Heimvorteil und Richard könnte - musste, wenn möglich - mir dahingehend einen Vorteil verschaffen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da hatte er wohl Recht. Nach seinem letzten Auftritt hatte ich immerhin gute Gründe, die dafür sprachen, etwaige Leibwächter zu engagieren und diese in meiner Wohnung zu postieren. Im für ihn schlechtesten Fall spielte ich gar nicht in seinem Team und wartete hier mit Hunters Männern auf seinen Besuch, um ihm einen Sack über den Kopf zu stülpen und ihn dem Boss persönlich vorzuwerfen. Leider brachte uns der bloße Tod Agnolos nicht sehr viel, bevor er nicht mit ein paar Informationen herausgerückt war. Der Italiener konnte sich also entspannen. Es würde ihm hier niemand außer mir auflauern. Ich schenkte ihm auf diese Aussage also nur ein schwaches Nicken mit dem Kopf, ehe ich seinen folgenden Worten lauschte. Zwischendrin hatte ich immer mal wieder an der Tasse genippt, weil er doch überdurchschnittlich lange brauchte, um nach Ablegen seiner Jacke auf den Punkt zu kommen. Sah ihm so gar nicht ähnlich, aber was wusste ich schon. Dann war es schließlich soweit und Agnolo äußerte mir gegenüber endlich seine Frage, für die ich tatsächlich einen Moment lang in mich gehen und nachdenken musste. Ob ich jemanden aus Hunters Reihe näher kannte? Das hing von dem Interpretationsspielraum und der Definition ab. Zählten Sydney und Cosma denn schon zu Hunters Reihen? Oder meinte er tatsächlich nur die Leute, welche aktiv für den Amerikaner die Drecksarbeit erledigten? Eine passende Antwort brauchte mich bestimmt ein paar Sekunden, in denen ich mit leerem Blick in meine Kaffeetasse stierte. Erst nach einer halben Ewigkeit fiel mir jemand ein, den ich tatsächlich gut genug kannte, um mich mit ihm zu unterhalten, ohne dass er Verdacht schöpfen würde. „Ja. Ich kenne da jemanden. Er wurde von Hunter vor der Smith and Wesson postiert. Was willst du wissen?“, sprach ich meine Gedanken laut aus und ergänzte das Ganze direkt um die Frage nach dem eigentlichen Sinn und Zweck dahinter. Ich wusste, dass der junge Mann nach Informationen lechzte und die sollte er auch kriegen. Nur musste er mir dafür erst einmal kommunizieren, um welches Anliegen es eigentlich ging. Tauren auszuquetschen sollte keine allzu große Herausforderung sein. Der junge Mann war zwar nicht auf den Kopf gefallen, aber in seinem jugendlichen Leichtsinn noch sehr viel beeinflussbarer als die nervige FBI Agentin oder der rothaarige kleine Teufel, den ich nach klarer Ansage Hunters ohnehin nicht mit einbeziehen sollte. Warum auch immer. Jedenfalls konnte ich Hunters Schützling mit ein paar weise gewählten Worten sicherlich die ein oder andere Information entlocken. Ob ich vorab noch mit Hunter sprechen würde? Wusste ich noch nicht genau. Das hing jetzt wohl ganz davon ab, wie ich das gesundheitliche Risiko für seinen Jungspund einschätzte. So oder so würde ich Tauren nicht persönlich warnen können, musste Hunter darum bitten, weil ich wusste, dass seine Männer nur wenig, bis überhaupt nichts von der ganzen Sache, dieser Operation hier als solches wussten. Und es war wohl im Interesse des Amerikaners, dass das vorerst auch so blieb und seine Jungs nicht durch mich erfuhren, dass sie zu Zielscheiben von Agnolos Anhang gemacht wurden. Ohne ihr Wissen, versteht sich. Aber gut, so weit waren wir ja noch nicht. Vielleicht wollte der junge Mann mir gegenüber ja bloß herausfinden, welche Blumen Hunter am meisten mochte – ha ha. Nein, natürlich nicht. Ich ging zum jetzigen Zeitpunkt schon davon aus, dass es für Tauren etwas ernstere Konsequenzen haben würde, sobald ich vertrauliche Informationen an unseren aufgeblasenen Vollarsch hier übermittelte, aber ich würde mich schnellstmöglich darum bemühen, Hunter zu kontaktieren, damit er sich gegebenenfalls um den Schutz des jungen Mannes kümmern konnte. Anders konnte ich ihm fürs Erste nämlich nicht helfen.
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Ah, wieder kam ich hier irgendwie auf die Bar zurück. Es war mir zwar kein Geheimnis mehr, dass sowohl Sabin, als auch Hunter dort bis vor ein paar Wochen noch sehr oft rein und raus gegangen waren, aber das hatte sich geändert. Ich schickte immer mal wieder Jemanden in diese Richtung, um nachzusehen, ob Sabin nicht vielleicht doch dumm genug war, sich mal wieder dort blicken zu lassen. Die Hoffnung hatte ich dahingehend zwar eigentlich aufgegeben, aber er war ja auch bescheuert genug, um sich mit seiner eigenen Familie - wenn man seinen Job richtig machte, konnte man die Mafia ja durchaus als solche bezeichnen - anzulegen. Hunter sah man da auch nur noch selten, was aber wohl hauptsächlich damit zu tun haben müsste, dass er ja damit beschäftigt war meine Männer einen Kopf kürzer zu machen. Allein war er sowieso gefühlt gar nirgends anzutreffen, also war das dahingehend dann auch nicht von Bedeutung. Im Grunde war mir persönlich auch egal, ob er sterben würde oder nicht, weil ich nicht wegen ihm hier war. Er stand mir lediglich dabei im Weg mir Sabin zu holen. "Ich brauche nicht viel. Nur einen eindeutig Anhaltspunkt dazu, wo ich eine möglichst winzige von Hunters Gruppierungen antreffen und sie mir so gefahrlos wie möglich zu Nutze machen kann. Noch besser eine Einzelperson, aber solange es nicht mehr als drei sind, bin ich schon zufrieden. Ein bisschen Öl ins Feuer gießen und so weiter.", ließ ich Richard mit nach wie vor recht entspannten, ruhigem Tonfall eher nur grob wissen, was ich vor hatte, weil er ganz einfach nicht in der Position war irgendwelche Details von mir zu erfahren. Der junge Mann brauchte nun weiß Gott nicht zu erfahren, was ich mit jener Person dann vor hatte, auch wenn er sich sicher das eine oder andere zusammenreimen konnte. Vielleicht würde mich ein bisschen Folter wieder aufheitern, war ich mir doch ziemlich sicher, dass auch das erneut an mir hängen bleiben würde. Wäre wenigstens eine kleine Abwechslung zu dem, was ich sonst jeden Tag tat. Erstmals hob ich jetzt die Tasse an meine Lippen und nahm einen vorsichtigen Schluck, um zu testen, wie heiß der Kaffee noch war. Richard ließ ich dabei jedoch nie aus den Augen, sah über den Rand hinweg weiter zu ihm hin. Ich nahm noch einen weiteren, dieses Mal etwas größeren Schluck und senkte die Tasse dann zurück auf meinen Oberschenkel, wo ich sie nur noch mit der rechten Hand festhielt. Den anderen Arm legte ich auf der Lehne neben mir ab. Erstaunlicherweise war der Kaffee auch gar keine Beleidigung für meine Geschmacksknospen, was hier in Oslo doch eher selten vorkam. Eine gute Kaffeemaschine und die richtige Bohne war da einfach viel wert und wenn der Dunkelhaarige weiterhin brav mitspielte, dann gab es vielleicht noch ein, zwei weitere Tassen für mich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm, klar doch. Würde ich Agnolo nicht mittlerweile gut genug kennen, um zu wissen, dass er das mit dem Einheizen durchaus im übertragenen Sinne meinen könnte, hätte ich mir an der Stelle keine weiteren Gedanken um Taurens Gesundheit gemacht. Aber ich wusste aus eigener Erfahrung und Sabins Erzählungen, dass der temperamentvolle Italiener gerne auch einen Gang, vielleicht sogar zwei hochfahren konnte, wenn ihm gerade der Sinn danach stand. Ich wollte mir also gar nicht ausmalen, was sie mit dem armen Jungen machen würden, wenn ich ihn einfach so in seine Arme laufen ließ. Gut, musste ich ja auch nicht. Ich ging nämlich fest davon aus, dass Hunter zum Schutz seiner Leute das ein oder andere Ass in petto hatte. Schnell reagierte, gerade weil er wusste, dass die Sippschaft seine Männer fortlaufend das Zeitliche segnen ließen. Es sollte also durchaus in seinem Interesse sein, den mickrigen Rest - der eigentlich gar nicht so mickrig war - vor Schlimmeren zu bewahren. Aber gut. Das oblag ganz alleine seiner Verantwortung, ich würde lediglich meiner Informationspflicht nachkommen, die an und für sich so natürlich nirgends dokumentiert war. Na ja... Jedenfalls hatte ich nach Agnolos Worten für ein paar Sekunden ziemlich abwesend in meine Tasse gestarrt, aus der ich nun aber wieder einen und wenig später noch einen weiteren Schluck nahm. Damit neigte sich der Inhalt auch langsam dem Ende zu und noch bevor ich zu weiteren Worten ansetzte, exte ich den kläglichen Rest herunter. Aber auch das Bisschen guter Kaffee fühlte sich an, als würde jemand mit Samthandschuhen meine Geschmacksknospen streicheln. "Aha...", war meine erste, neutrale Aussage. Währenddessen hatte ich das leere Behältnis vor mir auf dem Tisch abgestellt und nachdenklich angefangen zu summen. "Okay. Was springt für mich dabei raus? Ich meine, dass ihr mich am Leben lasst, schön und gut, aber von meinem mittlerweile ziemlich entstelltem Gesicht kann ich mir die Miete hier nicht leisten.", redete ich weiter und machte gegen Ende des Satzes eine ausschweifende Bewegung mit beiden Armen, die meine Wohnung als Ganzes zusammenfassen sollte. Es war nicht so, als verlangte ich viel. Im Prinzip brauchte ich auch - noch - keine Finanzspritze, aber sollte sich ein guter Deal mit dem jungen Mann aushandeln lassen, würde ich nicht nein sagen. Es musste ja auch nicht zwangsläufig etwas Materielles sein. Ich war da offen für Vieles. Wieder lehnte ich mich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und schenkte Agnolo einen fragenden, teils herausfordernden Blick. Die Aufgabe war nun wirklich machbar, ich versprach nicht zu viel, wenn ich ihm versicherte, dass ich ihm mehr Informationen besorgen konnte, als er eigentlich haben wollte. Wobei... ging das überhaupt? Wissen war Macht und somit wurde man nur mächtiger, je mehr man über die geplanten Machenschaften des Kontrahenten wusste.
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Für meinen Geschmack brauchte der Engländer schon wieder eindeutig zu lange, bis er den Mund wieder aufmachte. Warten - Geduld im Allgemeinen - war wohl auch einfach nicht so mein Ding, was sicher Niemandem in meinem nahen Umfeld unbekannt war. Weder sollte man mich in irgendeiner Art und Weise reizen, noch unnötig lange warten lassen. Zu spät kommen erst recht nicht, da platzte mir binnen weniger Minute die Hutschnur. Auch, als der junge Mann sich dann endlich mal dazu bequemte den Mund wieder aufzumachen, kam nur wenig bis Nichts dabei heraus, das ich hören wollte. Weder war seine Wohnungsmiete auch nur im entferntesten mein Problem, noch kam es ansatzweise in Frage ihm für sonst Irgendwas Geld in den Arsch zu schieben. Er hatte genug, sonst würde er hier nicht leben und um Geld zu verdienen brauchte er sein Gesicht auch nicht. Immerhin war das nicht relevant für das Verticken seiner gefälschten Gemälde, höchsten vermittelte das seinen Käufern den Anschein, dass sie besser ordentlich Respekt an den Tag legen sollten, weil er offenbar ja selbst mit einer großflächigen Narbe im Gesicht zurecht kam. "Du glaubst nicht im Ernst, dass ich dir freiwillig Geld in den Arsch schiebe, oder?", stellte ich ihm als Antwort zuerst eine absolut rhetorische, mit Ironie unterlegte Gegenfrage, bevor ich die Kaffeetasse erneut an meine Lippen hob. Und ja, ich war ein Genusstrinker - das galt sowohl für Kaffee, als auch für hochwertigen Alkohol. Ich ließ mir damit gerne Zeit, Richard hatte mich in jedem Fall also noch für ein paar Minuten an der Backe. "Erstens ist das, was du jetzt für mich tun wirst, nur das mindeste an einer Wiedergutmachung, weil man die italienische Mafia nicht versetzt...", begann ich einen weiteren Satz, wobei doch ein mahnender Unterton mitschwang und ich meinen funkelnden, von etwas tiefer ins Gesicht gezogenen Augenbrauen gezeichneten Blick in seine Augen richtete. Der Dunkelhaarige mochte vielleicht von Wert für unser jetziges Unterfangen sein, aber so hoch sollte er sein Gewicht bei dieser Angelegenheit dann besser auch nicht einschätzen. Immerhin war er danach dann gänzlich nutzlos für uns. War wieder dünnes Eis, auf dem er da Samba tanzte. Ich hegte auch keinen Zweifel mehr daran, dass er wusste, von welcher Organisation ich stammte, weil das in Oslos Untergrund ganz einfach kein Geheimnis mehr war. Ich merkte ja, wie mir manche Leute hier gezielt aus dem Weg gingen, wenn ich mich durch die düsteren Viertel der Stadt bewegte. War also nicht schlimm, wenn ich das mal wörtlich auf den Tisch legte. "und zweitens ist das aller-, aaallerhöchste an Gefühlen, was ich dir anbieten kann, vielleicht ein oder zwei Kontakte in Rom, die für deine... Kunstgeschäfte unter Umständen praktisch sein könnten. Aber auch nicht jetzt oder morgen, weil du dafür noch sehr viel mehr als nur ein bisschen Informationsbeschaffung leisten müsstest. Andernfalls ist wohl eher nur eine Tasse Kaffee als Dank für deine Gastfreundschaft drin.", zeigte ich ihm mit leicht grummeliger Stimmlage doch recht eindeutig die Grenze auf, die er nicht ausreizen oder gar darauf herumtrampeln sollte. Auch waren die Kontakte, von denen ich da redete, nicht mit der Mafia an sich verstrickt, sondern mehr nur aus meinem persönlichen Repertoire, weil ich Kunst nun mal mochte. Lieber ungefälscht, aber das war in dieser Hinsicht nicht von Belang. Er spielte da also mehr nur mit meiner Sympathie, weil die Mafia an Jemanden wie ihn sicherlich keine Informationen abtreten würde. Wozu auch? Er war nichts weiter als eine Spionage-Fliege, die einfach mit einer Klatsche an der Wand zerquetscht werden würde, falls sie zu nervig wurde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ach so, na klar. Wenn er keine Diskussion tauglichen Argumente mehr hatte, berief er sich also auf absolut belanglose Kleinigkeiten? So konnte man es natürlich auch machen. Wie weit man mit der Art letzten Endes kam, stand allerdings auf einem anderen Blatt geschrieben. Das sollte mich jetzt aber auch gar nicht weiter interessieren, um ehrlich zu sein. Zwar hatte ich meine Lippen inzwischen zu einem amüsierten Grinsen verzogen und ein leises Lachen verlauten lassen, aber das war es auch schon gewesen. Wenn er der Meinung war, dass die italienische Mafia auch für mich das Zentrum des Universums darstellte, sollte er diese Ansicht ruhig weiter vertreten. Ich wusste es in dem Fall schließlich besser. Die darauffolgenden Worte sollten aber nach der anfänglichen Lachnummer dann doch noch einmal mein Interesse wecken. Er zahlte kein Geld, aber Connections waren im Kunstgeschäft so viel wertvoller. Wenn ich mein nationales Angebot um internationale Exporte erweitern konnte, würde das Geld binnen kürzester Zeit nur so fließen. In meinen Augen sprang da also deutlich mehr raus, als eigentlich nötig war, aber es blieb abzuwarten, wie sich etwaige Kontakte auf lange Sich entwickelten. Jemand, der mir nur hier und da ein Bild abkaufte, brachte mir nicht viel. Also blieb ich vorerst misstrauisch, auch wenn ich mich auf den Deal einlassen würde. Eine andere Wahl hatte ich ja auch nicht. Es ging bei der ganzen Sache im Allgemeinen schließlich nicht um mich oder meine Interessen, sondern darum, Sabin so schnell wie möglich aus der Knie hohen Scheiße zu zerren, in die er uns alle irgendwie zu gleichen Teilen mit hineingezogen hatte. Na ja. "Für jemanden, der mich einst als wehleidig beschimpft hat, scheint es dich gerade ziemlich viel Überwindung gekostet zu haben, mir ein bisschen entgegen zu kommen.", stellte ich belustigt fest, während sich meine Miene und die ineinander verschränkten Arme wieder etwas entspannten. "Ich kannte da mal jemanden..", setzte ich zu einer Geschichte aus meiner Vergangenheit an. Es gab nicht viel Gutes, was mir in den letzten Jahren widerfahren war, aber hier und da gab es auch in meinem Leben Lichtblicke, so war das ja nicht. Und noch während ich die Erinnerung aus eine der etlichen Schubladen meines Gedächtnisses kramte, stand ich auf, lachte lauthals und fing an, neben dem Sessel auf und ab zu tigern. Ob ich nervös war oder mich wieder einer meiner euphorischen Anfälle packte ... keine Ahnung. Aber ich konnte nicht mehr still sitzen, musste mich bewegen. "Man, ihr hättet Brüder sein können. Wenn ihm etwas nicht gepasst hat oder man ihn in die Enge getrieben trieb, fing er an, vollkommenen Unsinn zu reden und wurde dabei zu einem grummeligen Teddybären, den man nur noch umarmen konnte." Zu dem Zeitpunkt hatte ich ja keinen Dunst davon, dass ich gerade Agnolos einzige Hoffnung war, wenn es um die Erhaltung seiner Position in der Mafia ging. Vermutlich hätte ich dann noch einiges mehr verlangt. Aber ich spürte, dass sich seine Toleranzgrenzen mittlerweile etwas zu dehnen schienen. Er mir nicht direkt eine Pistole an den Kopf hielt, nur weil ich ihm eine Antwort gab, die ihm nicht zu einhundert Prozent schmeckte. "Aber okay. Wie auch immer. Ich mach's. Ich bin dein Mann.", brachte ich final noch einmal das Offensichtliche auf den Punkt. Dabei lehnte ich mich von hinten gegen den Sessel, auf dessen Kopflehne ich meine Arme legte und ruhen ließ. Der junge Mann hatte immerhin schon eine klare Ansage gemacht, dass ich so oder so auf diesen Deal eingehen würde, gar keine andere Wahl hatte und es hier eigentlich keiner weiteren Zustimmung bedarf. Erst recht keine, die man so zweideutig verstehen konnte. Und trotzdem konnte und wollte ich mein vorlautes Mundwerk nicht geschlossen halten.
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Sah ich so aus, als wär ich derjenige, der hier die Regeln machte? Ich wünschte zwar, dass es so wäre, aber davon war ich noch Lichtjahre weit entfernt. Wenn hier Jemand wehleidig war, dann vielleicht sämtliche meiner Chefs in der oberen Etage, aber nicht ich, so viel wie ich mir von da oben aus gefallen lassen musste. Leider Gottes war ich selbst ja noch nicht viel mehr als ein hoch angerechneter, geschätzter Dienstbote. Andernfalls würde ich schließlich nicht die ganze Drecksarbeit machen, während sich die anderen beiden in der in Norwegen gefühlt nicht existenten Sonne räkelten und Cocktails tranken. Ich ließ den jungen Mann lediglich seine unsinnige Geschichte zuerst zu Ende erzählen, weil ich erzogen worden war. Ich fiel Menschen tatsächlich auch allgemein ungern ins Wort, weil ich das selbst genauso wenig wollte. Der Vergleich mit dem Teddy war allerdings so gar nicht nach meinem Geschmack, weshalb sich meine Augen ein wenig verengten und ich ihn merklich kritischer als vorher ansah. Wie gesagt, er schlug quasi schon wieder Saltos auf einem Drahtseil. Mit Einrad. Von der allerletzten Anmerkung mal ganz zu schweigen, die in dieser Formulierung nur sehr wenig in geschäftlichen Gesprächen zu suchen hatte, wenn wohl jedem Anwesenden bewusst war, dass wir beide nicht heterosexuell waren. Anders konnte ich für meinen Teil es mir zumindest nicht erklären, warum er das immer und immer wieder tat. "Ja, weil Niemand aus meinen Reihen dir jemals entgegen kommen wird, Richard. Das ist ein Angebot von mir, damit ich mich mit der ganzen Scheiße hier nicht länger rumärgern muss, als unbedingt notwendig ist. Die Kontakte sind meine, nicht die der Mafia. Also ja, ich bin es wirklich leid in dieser verschissen kalten Stadt festzusitzen und dabei jeden Tag irgendwelchen anderen Vollpfosten hinterher zu rennen. Es steht mir eigentlich nicht einmal zu dir dieses kleine Stück entgegen zu kommen. Säße hier nicht ich, sondern einer meiner direkten Vorgesetzten, wärst du allein für diese... Bitte schon fast oder gleich ganz geköpft worden. Du bist eine verhältnismäßig gute Option, aber nicht die einzige und ich hab die Pistole nach wie vor... Sympathie hin oder her, mein Geduldsfaden ist begrenzt und ich werde mich für deine Ermordung kaum rechtfertigen müssen. Hilf mir also am besten einfach dabei meinen nackten Arsch auf schnellstem Weg zurück in die italienische Sonne zu schieben und du bist meine Wehleidigkeit zeitnah los.", gab ich ihm mit einem sichtlich genervten Seufzen eine halbe Lüge mit auf den Weg, mahnte ihn jedoch im gleichen Atemzug ein weiteres Mal, weil er schlichtweg schon wieder wesentlich zu dreist für meinen Geschmack unterwegs war. Aktuell gab es hier nicht mehr wirklich gute Optionen, die nicht den Kunstfälscher beinhalteten. Die einzige andere war im Grunde noch mehr Leute hier rauf zu schaffen und Hunters Gefolgschaft einfach in hiesiger Überzahl zu überrollen, aber das war angesichts der aufzuwendenden Ressourcen eigentlich ein Unding. Deshalb sollten wir erst sämtliche andere Dinge ausschöpfen, bevor wir zu derartig harten Geschützen griffen. So oder so würden wir Sabin schon noch kriegen, aber wenn irgendwie möglich ganz gerne zeitnah. Jetzt erstmal widmete ich mich weiter der Kaffeetasse, auch wenn Koffein eher nicht dafür bekannt war Nerven zu beruhigen. Im Anschluss an die zwei großen Schlucke neigte ich mich ein wenig seitlich nach vorne, damit ich mir mit der freien, aber auf der Lehne gestützten Hand die angespannten Schläfen massieren und einen Moment lang die Augen zumachen konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Moment mal... kleinen Augenblick, bitte. Wo war denn gleich noch der Stift und mein Notizblock? Und seit wann redete Agnolo überhaupt so viel, dass man ohne Stichpunkte im Hinterkopf kaum mehr eine vernünftige Antwort formulieren konnte? Es war ein befremdliches Gefühl, das musste ich wohl zugeben, denn sonst hatte der junge Mann mir gegenüber immer sehr verhalten und distanziert, ja, unnahbar gewirkt. Sprach nie mehr, als unbedingt nötig war und hatte in meiner Anwesenheit schon gar nicht damit angefangen, sich direkt wie indirekt über seine Vorgesetzten und die Mafia zu beklagen. Wir betraten hier gerade also absolutes Neuland und einen Moment lang hatte ich ihn wohl vollkommen entgeistert angestarrt, bis ich meine Achterbahn fahrenden Gedanken sortiert hatte. Geordnet bekam, dass der Rest seiner Sippschaft mich noch sehr viel weniger mit dem durchkommen lassen würde, was ich mir hier von Zeit zu Zeit erlaubte. Außerdem waren die Kontakte nicht die der Mafia, sondern seine eigenen, ganz privaten, die er exklusiv mit mir teilen würde, wenn ich ihm hier und heute unter die Arme griff. Aber das hatte ich doch auch alles überhaupt nicht in Frage gestellt, oder? Meine Antwort hatte Agnolo bereits bekommen, warum fühlte er sich denn jetzt derart auf den Schlips getreten, dass er sich jetzt wie ein kleines Kind mit irgendwelchen billigen Ausreden herauswinden musste? Mhm... ganz offensichtlich wehleidig. Da konnte er mir noch so lange die Ohren volljammern, dass er überhaupt nicht in der Position sei, Geschäfte dieser Art abzuwickeln, bla bla bla. Trotzdem tat er es und wäre ich wirklich nicht die einzige, solide Lösung für seine aktuellen Probleme, hätte er mich doch schon längst erledigt, oder etwa nicht? Aber wie auch immer, ich hatte weder Lust mich zu streiten, noch die Vereinbarung aufs Spiel zu setzen, weshalb ich mit den Händen eine ruhige Geste simulierte, die ihm bedeuten sollte, dass ich über die Sache gar nicht weiter reden wollte oder musste. Die Standpunkte beider Parteien waren klar und ich hatte kein großes Interesse daran, all das, was er mir da gerade Punkt für Punkt aufgelistet hatte, zu hinterfragen. Gut, bis auf eine winzige Ausnahme eventuell, aber ich hielt mich zurück, weil ich mir ziemlich sicher war, dass noch ein weiterer unpassender Kommentar das Fass wohl zum Überlaufen bringen würde. "Hey, hey, hey. Ich sagte doch bereits, dass alles klar ist. Gibt kein Grund, dich hier unbedingt rechtfertigen zu müssen.", war das Erste was ich auf Agnolos teilweise verzweifelt wirkenden Worte erwiderte. Dann umrundete ich den Sessel, war mittlerweile wieder etwas ruhiger geworden und runter gekommen, sodass ich ohne Anfälle zurück ins Sitzpolster gleiten konnte. Dabei hielt ich den Blickkontakt mit meinem Gegenüber stets aufrecht. "Ich verstehe zwar nicht, was dir an einem Land aus Sand und Oliven so gut gefällt, wo es hier in Norwegen doch so viel mehr gibt, was es sich anzusehen lohnt, aber ich werde dir helfen. Und damit würde ich das Thema gerne abhaken. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, wenn Menschen in meinem Umfeld plötzlich sentimental werden, weißt du.", fügte ich schief grinsend hinzu und zuckte zeitgleich mit den schmalen Schultern. "Also... wie hast du dir das vorgestellt? Irgendeinen konkreten Plan oder soll ich einfach drauf los reden und schauen, was dabei rum kommt?", kehrte ich mit einer sehr viel ernsteren Frage zurück zum eigentlichen Thema. Auch wenn ich Spaß daran fand, Agnolo zu necken, wo der psychische Verteidigungswall doch momentan etwas bröcklig zu sein schien, aber wie bereits erwähnt, hatte ich noch eine Mission, die es zu verfolgen galt. Es war also von Vorteil, je schneller der Italiener mir gegenüber Dinge äußerte, die auf den Verbleib der beiden Oberhäupter hinwiesen.
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Nein, womöglich hätte die Rechtfertigung nicht sein müssen, aber er ging mir ganz einfach schrecklich auf die Nerven mit seinen ewig dämlichen Kommentaren, die hier Niemandem etwas brachten. Alles, was ich im Grunde von Richard wollte, war ein einfaches "Ja" oder "Amen", alles andere war unnötiges um den heißen Brei herum reden oder gar sticheln, was hier erst recht unangebracht war. Er brauchte sich also nicht zu wundern, wenn ich dann auch genervt von ihm war und ihn das spüren ließ, weil es mir sonst ganz einfach zu bunt wurde. Einwilligung hin oder her, er hatte langsam aber sicher endlich mal an seinem Tonfall zu arbeiten. Wir konnten vermutlich also beide sehr froh darüber sein, dass der Dunkelhaarige sich dazu entschied, dass es ihm vorerst mit all den deutlich zu neckischen Kommentaren reichte und er sich stattdessen endlich wieder dem eigentlichen Kernpunkt dieses Gesprächs hier widmen wollte. Bevor er darauf eine Antwort bekam machte ich aber erst einmal noch gemütlich den Kaffee leer und begann letztlich zu reden, als ich die Tasse vor mir auf dem Tisch abstellte. Alles in Allem wirkte ich dabei aber wohl nach wie vor noch etwas genervt war und mein angespannter Gesichtsausdruck unterstrich das mit Sicherheit auch ziemlich unmissverständlich. "Nein, kein konkreter Plan.", waren meine ersten Worte, bevor ich mich wieder zurück ans Sofa lehnte. Wie sollte ich auch einen konkreten Plan ausarbeiten, wenn ich keinen blassen Schimmer davon hatte, mit wem er reden würde? Wie derjenige tickte? Ob er extrem aufpassen musste, was er von sich gab, oder ob das nicht allzu relevant war, weil er eine entspannte Persönlichkeit vor sich hatte? Letzteres war in diesem Metier zwar eher selten, aber was wusste ich schon. Vielleicht tickten die Norweger da zu einem gewissen Teil ja doch ganz anders, als es bei uns Italienern der Fall war. Im Grunde war das aber auch gar nicht weiter von Bedeutung, solange ich eine brauchbare Information bekam - auf welchem Weg im Endeffekt auch immer. "Ich brauche nur eine Zeitangabe, die mindestens auf die Stunde genau ist und eine möglichst exakte Ortsangabe. Wie du das anstellst ist deine Sache, aber ich bin mir ziemlich sicher du findest einen Weg.", gab ich dahingehend also lediglich noch mit einem leichten Schulterzucken ein paar wenige Worte von mir, die Richard verdeutlichen sollten, dass er mir nicht mit einer zu wagen Antwort zurückkommen sollte. Ich hatte wirklich keine Lust darauf dahingehend zu pokern, sondern wollte vorwärts kommen. Wenn er mir das nicht liefern konnte oder wollte, dann musste er halt doch noch dran glauben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich war zwar immer noch der Meinung, dass die Italiener allesamt einen ziemlich dicken Stock im Arsch hatten, aber Agnolo schien, solange wir unter uns waren, zumindest ein klein wenig erträglicher zu werden. Sprang mir nicht bei jeder Kleinigkeit direkt an die Gurgel, sondern wirkte - wie in jenem Fall - einfach nur genervt. Aber das war okay für mich. Er zeigte mir zunehmend einige Fortschritte auf und war sich dessen nicht einmal bewusst. Schön, schön. Freute mich persönlich sehr. Aus diesem Grund war es besonders schwer, mir meine momentan ziemlich gute Laune madig zu machen. Da musste schon mehr passieren, als dass die Mundwinkel des Italieners nach unten hingen. "Sollte kein Problem sein.", antwortete ich knapp und warf indessen einen Blick auf die Wanduhr mittig des Raumes. Dabei wählte ich meine Worte mit Bedacht, denn ich konnte nicht garantieren, dass Tauren heute Dienst hatte und tatsächlich seinen Posten vor der Smith and Wesson bezogen hatte. Die Bar hatte auf, es war kein Ruhetag, aber das musste ja nicht zwangsläufig heißen, dass der schmale Norweger heute auch dem Etablissement zugeteilt war. Dienstpläne gab es sicher keine und wenn, dann wäre ich wohl einer der letzten, die diese zu Gesicht bekam. Ich konnte also nichts weiter tun, als abzuwarten und zu hoffen, dass ich Tauren antreffen würde. "Wenn du mich dann entschuldigen würdest. Ich müsste mich dann jetzt etwas zivilisieren. Sobald ich etwas hab, melde ich mich bei dir. Hinterlasse mir einfach deine Nummer, bevor du gehst.", bat ich indirekt um eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, während ich mich erneut aus dem Sessel quälte. Das Aufstehen fiel mir durch das Gespräch und dem Koffein zwar schon etwas leichter, aber ein paar Minuten länger hätte ich es in dem bequemen Sitzpolster auch noch aushalten können. Na ja. Ich streckte die müden Knochen und machte dann ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz Kehrt, um das Badezimmer anzusteuern. Schon auf dem Weg in den einzigen wirklich geschlossenen Raum dieser Wohnung, hatte ich das Hemd von meinen Schultern gleiten lassen. Der Unterhose entledigte ich mich allerdings erst, als ich nach einen letzten prüfenden Blick in Richtung Agnolo, der noch eine kurze Zeit lang auf dem Sofa sitzen geblieben war, die Tür ins Schloss fallen ließ. Ich hatte jetzt noch gute zwei bis drei Stunden Zeit, in der ich mich fertig und anschließend auf den Weg zur Bar machen konnte. Dann würde Cosma den Schuppen aufschließen und den offiziellen Arbeitsbeginn von weiß Gott wem - hoffentlich jedoch Tauren - einläuten. Nachdem ich schließlich frisch geduscht war und etwas anderes, als nur ein paar Chips in mich hineingestopft hatte, angelte ich mir schließlich die Hausschlüssel von ihrem gewohnten Platz. Anders als die letzten Tage, brauchte ich heute allerdings auch den Schlüssel für die dunkelblaue Limousine, den ich wohl verlegt haben musste. Es brauchte mich bestimmt eine halbe Stunde, bis ich ihn endlich zwischen alten Klamotten und ein paar leeren Einkaufstüten gefunden hatte. Gut, ein Teil der Zeit war auch dafür drauf gegangen, Hosen und Hemden der besagten Wäsche in den dafür vorgesehenen Wäschekorb zu verfrachten, damit ich beim nächsten Mal, wenn ich etwas suchte, nicht darüber stolpern musste. Schließlich zeigte meine Armbanduhr, dass es mittlerweile kurz nach halb sieben war und ich langsam aber sicher wirklich los musste. Ich schnappte mir noch mein Portemonnaie und verließ im direkten Anschluss das Apartment, um mich kurze Zeit später in den Fahrersitz meines Wagens fallen zu lassen. Die Fahrt bis zur Bar brauchte nicht viel Zeit und so parkte ich nach gut fünfzehn Minuten Fahrt in einer der vielen Seitengassen unweit des Eingangs, an dem ich mir Hunters Schönling erhoffte. Noch ein paar Meter, die ich zu Fuß zurück legte und schon erblickte ich auch schon den Menschen meiner aktuellen Begierde. Es schien, als stünde er schon etwas länger an der Tür und Cosma, die ich anhand der Haarpracht auch im schummrigen Licht der Straßenlaternen ausmachen konnte, leistete ihm Gesellschaft. Besagter kleiner Teufel verschwand jedoch recht schnell nach drinnen, als ich aus dem Schatten in den Lichtkegel trat und mit einer Hand anfing, zu winken.
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Irgendwie hatte ich gefühlt jeden Tag immer noch weniger Lust dazu, mich aus dem Bett zu quälen, wo in den meisten Fällen doch ohnehin nur nervtötende Arbeit für mich auf der Agenda stand. Natürlich war ich keinesfalls froh darüber, dass schon einige Männer aus Hunters Reihen ihr Leben hatten lassen müssen oder schwer verletzt vollkommen unbrauchbar auf dem Weg der Genesung waren, aber das war hin und wieder tatsächlich eine der wenigen Möglichkeiten für mich mal was Anderes zu tun. Mal nicht nur vor oder in der Bar herum zu stehen, mal nicht nur irgendwelche Kinkerlitzchen-Jobs irgendwo im Nirgendwo in der letzten Ecke der Stadt auszuführen, sondern mal wieder an die Front zu kommen. Mir war wirklich nicht nach sterben, aber momentan fehlten mir tatsächlich die Kicks. Der Adrenalinrausch, wenn es irgendwo brenzlig wurde oder man auf der Flucht war. Ich tat fast nichts mehr, außer Cosma hier und da unter die Arme zu greifen oder irgendwo anders mal Wache zu stehen. Hunter musste schon arg an der Grenze kratzen, was seine Belegschaft anging, damit er mich wieder mit einem der anderen Jungs auf Patrouillen schickte. Vielleicht war es also ein wenig gemein oder egoistisch, dass ich mich darüber freute, dass einer der Männer einen gebrochenen und einen angeschossenen Arm davongetragen hatte, aber so konnte ich morgen wenigstens mal wieder mit auf die Piste. Voraussichtlich eben, wenn Hunter bis dahin keine andere Lösung mehr fand, was ihm sicher lieber wäre. Er traute mir noch immer kein Stück über den Weg, was irgendwie ziemlich gegensätzlich dazu war, dass ihm scheinbar recht viel an Cosma lag. Ich hatte mit der Rothaarigen nicht mehr über die merkwürdige Sache zwischen ihnen geredet, aber ich für meinen Teil war mir doch irgendwie fast sicher, dass da inzwischen Irgendwas lief. Zumindest konnte ich mir nicht erklären, warum der Amerikaner mich sonst hier stationierte, wie die junge Frau ihn doch längst von seinen offiziellen Pflichten entbunden hatte. Aber wie auch immer, ging mich nichts an und im Grunde interessierte es mich auch nicht sonderlich. Ich fristete mein Dasein mal wieder mit einer Kippe in der Hand vor der Eingangstür der Smith and Wesson, unterhielt mich ein wenig mit Cosma, die dann jedoch ziemlich abrupt die Biege machte, als mir ein anderes bekanntes Gesicht ins Sichtfeld rückte. Ich war mit der Zigarette jedoch noch nicht fertig, weshalb ich ihr nur einen Augenblick lang nachsah und dann ganz in Ruhe einen weiteren Zug vom Glimmstängel nahm. "Na, was führt dich hierher?", begrüßte ich den Kunstprofessor indirekt, den ich mit der Narbe tatsächlich bisher nicht zu Gesicht bekommen hatte. Deshalb musterte ich jene wohl auch für einen Moment lang recht auffällig - was mir kurz darauf irgendwie leid tat, weil ihm das sicher ständig passierte und das bestimmt unheimlich nervig war -, bevor mein Blick zurück auf den gepflasterten Boden vor meinen Füßen fiel, als ich nach wie vor an die Wand gelehnt die Asche abschnippte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Als ich bei Tauren ankam, war die rothaarige junge Frau schon lange im hinteren Teil der Räumlichkeiten verschwunden, schien immer noch an der Diskussion von vor ein paar Tagen zu knabbern. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum Cosma mir immer noch aus dem Weg ging, war ich doch normalerweise derjenige, über den sie sich mit Abstand am meisten freute, wenn er zu Besuch kam. Aber das hatte irgendwie nachgelassen. Ich konnte nicht genau benennen, seit wann sie sich mir gegenüber so seltsam verhielt, aber eigentlich interessierte es mich auch nicht wirklich. Ja, sie war vielleicht ein wichtiger Teil meines Lebens, aber das sagte man von Eltern auch sehr oft und selbst diesen Verlust hatte ich irgendwann überwunden. Es würde mir also keinen großen Abbruch tun, wenn wir plötzlich keinerlei Kontakt mehr pflegten. Was natürlich nicht hieß, dass ich es gezielt darauf anlegen würde. Aber gut, wie auch immer. Das war jetzt nun wirklich nicht weiter von Bedeutung. Irgendwann würde sich Cosma sicher wieder einkriegen, entschuldigen würde ich mich auf keinen Fall. Für was auch? Noch zwei, drei weitere Schritte und ich kam Tauren gegenüber zum Stehen. Der kalte Zigarettenqualm schlug mir ins Gesicht und in Anbetracht der Tatsache, dass ich gerade doch ein klein wenig nervös war, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als meine Lippen ebenfalls um den Filter von einem der tödlichen Glimmstängel zu schließen. Vielleicht hatte er ja einen für mich übrig, wenn ich ihn lieb fragte. Fürs Erste wollte ich jedoch nicht mit der Tür ins Haus fallen, weshalb eine Begrüßung nur angebracht war, um damit den Einstieg in ein Gespräch zu erleichtern. Es hieß also, den Ärmel für ein paar Lügengeschichten zu schütteln. Bedauerlicherweise war das in den letzten Tagen ja beinahe zur Normalität geworden, aber Ehrlichkeit brachte einen in dieser Situation auch überhaupt nicht weiter. "Hey. Ich bin eigentlich nur auf dem Sprung... Die Bar liegt auf dem Weg zur Apotheke. Bei mir in der Ecke gibt es leider keine, die einen Notdienst hat und mir sind die Schmerzmittel ausgegangen.", antwortete ich also, ohne das auch nur ein Fünkchen Wahrheit in der Aussage steckte. Der verwüstete Teil meines Gesichtes hatte sich die Heilung betreffend eigentlich ganz gut gemacht, Schmerzmittel waren nur noch gegen Abend von Nöten, wenn ich mich auf den Weg ins Bett machte. Sobald nämlich die sensible Brandwunde berührt wurde - was beim Schlafen nun mal unabdingbar war, wenn man nicht gerade im Sitzen oder Stehen schlief -, tat sie dann doch noch gut weh. Aber Schmerz stillende Medikamente hatte ich derzeit reichlich im Haus, jedoch wollte mir auf die Schnelle nicht sehr viel Realistischeres einfallen. Außer vielleicht eine Kleinigkeit ... "Und da dachte ich mir, dass ein kleiner Plausch mit Cosma vielleicht noch drin wäre, aber sie scheint wohl momentan nicht mit mir reden zu wollen.", fügte ich also noch eine Halbwahrheit hinzu. Ich war natürlich nicht gekommen, um mit meiner besten Freundin zu quatschen und Tee zu trinken, der letzte Part allerdings war gar nicht mal so weit her geholt. Es war ganz offensichtlich, dass mich die junge Frau mied. "Na ja. Aber wenn ich schon mal hier bin ... hast du vielleicht eine Zigarette für mich übrig?" Und das waren die vorerst letzten Worte, die ich Tauren entgegen brachte, bevor ich mich entspannt neben ihn an der Wand anlehnte und auf eine Antwort wartete. Für mich war es wichtig, herauszufinden, wie gut oder schlecht er heute drauf war. Erst mit dieser Information konnte ich dann alles Weiteres in die Wege leiten. Ich musste nur wissen, mit welcher Sensibilität ich den jungen Mann heute anpacken musste.
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Die Schmerzmittel trieben ihn also scheinbar aus seiner Wohnung, beziehungsweise eben die nicht mehr existenten. Konnte mir auch gut vorstellen, dass die Pillen wegen der Brandnarbe noch eindeutig notwendig waren, war sie doch schon sehr unschön großflächig. Weniger tief als die Schnittwunden, die ich im Nacken davongetragen hatte und sicher auch weniger leicht entzündlich, wo doch eine ziemliche Hitze auf seiner Haut geherrscht haben musste, die sämtliche Keime förmlich weggeätzt haben dürfte, aber bei weitem nicht angenehmer. Sein halbes Gesicht müsste bei dieser Art von Wunde komplett unter Spannung sein und immer wieder hier und da ordentlich ziepen, weil die Haut noch gänzlich im Heilungsprozess war. Da wollte ich tatsächlich absolut nicht mit ihm tauschen, sah Hunters Handschrift in meinem Nacken dann doch irgendwie deutlich weniger schlimm aus. Natürlich wuchsen nach wie vor keine Haare über der Narbe und das würde wohl für den Rest meines Lebens so bleiben, aber lieber ein paar fehlende Haare im Nacken als ein verunstaltetes Gesicht. Hut ab an Richard, dass er das irgendwie einfach so... zu ertragen schien, zumindest auf den allerersten Blick. Oft zu sehen bekam ich ihn ja nicht, unterhielt mich an und für sich auch nur eher selten mit ihm. "Würde ja sagen frag einfach Cosma, weil sie da oben gefühlt eine eigene Apotheke aufmachen kann, aber...", gab ich dahingehend recht sarkastisch meinen Senf dazu, weil wohl offensichtlich für Jedermann war, dass der Dunkelhaarige den kleinen Teufel lieber erstmal um nichts bitten sollte. Ich wusste nicht bis ins Detail, was genau jetzt in Hinsicht auf die Brandnarbe Alles vorgefallen war, nur dass es irgendeine dämliche Dreiecksgeschichte war. Das wusste ich natürlich aber weder von Hunter, noch von Cosma und ich sollte auch nicht darüber reden. Ashton würde mich anderweitig nämlich eigenhändig köpfen, bevor Hunter ihn köpfte - an beidem bestand kein Zweifel. Was die Kippe anging konnte ich dem jungen Mann aber tatsächlich behilflich sein, war ich dahingehend doch ausnahmslos gut ausgestattet. Ernährte mich gefühlt zur Hälfte ja von den Dingern und sollte eigentlich mal langsam damit aufhören, wenn ich nicht mit 30 an Lungenkrebs sterben wollte. Ich nickte also ein klein wenig, dicht gefolgt von einem knappen "Klar." und griff mit der freien Hand in meine Jackentasche, um die Schachtel heraus zu ziehen und sie mit zwei Fingern geöffnet Richard entgegen zu halten. Das Feuerzeug steckte auch drin, weil die Packung schon wieder zur Hälfte leer war und es ganz einfach praktisch war, immer gleich beides auf einmal zücken zu können. "Seit wann rauchst du?", hakte ich dann aber doch meiner Neugierde wegen nach, weil ich ihn vorher noch nie an einer Zigarette hatte ziehen sehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da konnte ich Tauren nur zustimmen. Was die Lagerung von Medikamenten anging, konnte ein Otto-Normal-Verbraucher der Rothaarigen wohl kaum das Wasser reichen. Dass sie noch derart gut aufgestellt zu sein schien, wunderte mich allerdings. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie die Opiate förmlich weggeatmet. Mittlerweile reichte ihr das Gras wohl aus. Gut, das Leben verlief langsam aber sicher auch wieder in halbwegs geordneten Bahnen, ließ sich nicht nur auf irgendwelchen Pillen ertragen. War ja eigentlich ganz schön, sie konnte stolz auf sich sein. Und ich war, beziehungsweise wäre es auch. Nur eben nicht jetzt und auch nicht heute im Allgemeinen. Ich schenkte dem jungen Mann zu meiner Rechten auf seine Antwort nur ein schiefes Grinsen, dicht gefolgt von einem schwachen Schulterzucken, ehe ich die Hand nach der Zigarettenschachtel ausstreckte. Wie zu erwarten gewesen war, hatte Tauren absolut keine Einwände, die verhältnismäßig teuren, dafür legalen Drogen mit mir zu teilen und so angelte ich mir einen der Glimmstängel samt Feuerzeug aus der Schachtel. Noch bevor ich eine Antwort auf die durchaus berechtigte Frage formulierte, wanderte der Filter zwischen meine Lippen. Kurz darauf glühte auch bei mir der Tabak. Ich nahm einen tiefen Zug des schädlichen Qualms in meine Lungen auf und richtete beim Ausatmen folgende Worte an den Norweger: „Noch gar nicht so lange. Lass meine erste Zigarette vielleicht anderthalb Jahre her sein.“ Und das war dann für den heutigen Abend wohl das erste und auch letzte Mal, dass er von mir die Wahrheit erfuhr. Rauchen tat ich tatsächlich noch nicht sehr lange, griff auch nur in Situationen darauf zurück, wo ich mir von dem Nikotin einfach ein bisschen Ruhe erhoffte. Daher würde ich mich auch nicht als direkt Abhängig bezeichnen. Ich konnte auch gut und gerne mal ein paar Tage ohne auskommen. Im Prinzip war ich also eher ein Gelegenheitsraucher. Ja, diese Titulierung war wohl mit Abstand am treffendsten. Es folgte ein erneuter Zug am Glimmstängel. Die Frage, wie lange Tauren schon rauchte, erschien mir an der Stelle etwas deplatziert. Schließlich hatte ich ihn schon des Öfteren qualmen sehen. Es machte also nur Sinn, dass er es auch regelmäßig und wohl mehr aus Gewohnheit tat, als das es ihm irgendetwas, auch nur im Ansatz Effektives brachte. Mich interessierte da eine ganz andere Geschichte sehr viel mehr. Um geschickt und möglichst unauffällig auf das Thema zu sprechen zu kommen, schwieg ich nach der ersten Antwort einen Augenblick lang, konzentrierte mich auf zwei weitere Atemzüge voll gasförmigen Teer, um das vorangegangene Gespräch sacken zu lassen. „Und bei dir? Wie läuft’s denn hier? Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass du nicht viel mehr machst, als die Leute böse anzugucken, wenn sie die Bar betreten, oder? Ist schon lange nichts mehr groß passiert.“, stellte ich fest und musste tatsächlich kurz überlegen, wann das Einschreiten einer dritten Person in letzter Zeit von Nöten gewesen war. Spontan fiel mir da allerdings nur Daiths Auftreten und Hunters Unannehmlichkeiten ein. Viel mehr war in der Zwischenzeit nicht passiert und ich wunderte mich ehrlich gesagt, dass sowohl Cosma, als auch besagter Amerikaner es nach wie vor für nötig hielten, den jungen Burschen hier vor der Bar zu postieren. Alles in allem hatte ich wohl wirklich ziemliches Glück, ihn hier überhaupt noch anzutreffen. Andernfalls hätte es womöglich schwarz ausgesehen. Für mich und die weitere Kommunikation mit dem Trio der italienischen Mafia.
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Nur etwas länger als ein Jahr also. War noch nicht sonderlich lang, wenn man daran dachte, dass bei mir schon die Jugend von dem Qualm geprägt worden war. Aber ich war froh um jede Seele, bei der das anders war. Die keine Jahrzehnte damit vergeudete sich die Lunge zu teeren und am Ende noch krank davon zu werden. Besonders oft konnte der junge Mann an sich wohl auch nicht qualmen, sonst hätte ich ihn sicher schon das eine oder andere Mal mit hier draußen stehen sehen, als er die Bar noch wesentlich regelmäßiger besucht hatte. War aber auch nicht wirklich von Bedeutung und so steckte ich mit einem schwachen Nicken die Schachtel zurück in meine Jackentasche, in die sie recht bequem reinpasste. Der Parker hatte den Vorteil von recht viel Stauraum, was in meinem Job meistens ganz gut war. Ich schenkte Richards nächsten Worten mein Gehör und schnaubte kurz darauf leise, als ich den Rauch des letzten Zuges wieder ausgeatmet hatte. Für einen Moment lang war mein Blick dann noch weiterhin auf den nassen Boden gerichtet, ehe ich wieder zu dem jungen Mann aufsah. Es frustrierte mich wirklich, wie sehr er mit seinen Worten recht hatte. "Ich schätze Hunter will mich einfach nur aus dem Weg haben... er vertraut mir nicht mehr, also kehr ich allerhöchstens den Dreck unter den Tisch, den er fabriziert, weil ich sonst Nichts darf. Was genau ich vor der Bar mache weiß ich nicht mal, immerhin gibt's hier eigentlich Nichts zu tun. Alles, was ich mache, ist dumm in der Gegend rumglotzen, Bier trinken und hier und da mal Streithähne auseinander ziehen. Ewig so weitermachen kann ich nicht, mir geht sonst die Kohle aus.", stellte ich leise vor mich hin grummelnd fest, weil es mich schlicht und ergreifend nervte. Natürlich hatte ich die letzten Jahre über auch Geld bei Seite gelegt und war deswegen weit entfernt von richtigem blank sein, aber ich wollte nun wirklich nicht an mein mühsam erspartes Geld ran, nur weil der Amerikaner sich nicht dazu überreden lassen wollte mir wieder wichtigere Aufgaben zu geben. Solche, mit denen sich das kriminell sein eben auch lohnte. Mit dem Hungerlohn hier konnte ich genauso gut hinter der Theke der nächstbesten Tankstelle jobben gehen, es rentierte sich absolut nicht. Ich rauchte die Zigarette zu Ende und verkniff mir dabei den Kommentar hinsichtlich meiner Vermutung, dass ihm eben doch etwas an Cosma liegen könnte und er sie wegen der ganzen Mafiageschichte lieber nicht allein lassen wollte, weil ich mir das hier nicht anders erklären konnte. Sollte das so zu Hunter durchdringen war ich aber doch nur wieder der Buhmann und ich konnte mir wirklich keine schlechte Promo mehr leisten, weshalb ich stattdessen nur die Zigarette auf dem Boden austrat.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm. Okay. Taurens allgemeiner Gemütszustand bewegte sich also irgendwo zwischen frustriert sein und Ratlosigkeit. Damit konnte ich arbeiten. Mehr oder weniger zumindest. Ich nickte auf die hörbar angesäuerten Worte des jungen Mannes ein wenig und signalisierte damit, dass die Message ganz klar angekommen war. Hunter schien Tauren nicht wirklich viel zuzutrauen, ließ ihn einfach auf der Ersatzbank versauern und das fand der Norweger - verständlicherweise - überhaupt nicht gut. Fühlte sich wohl ... wie konnte man das am besten beschreiben? Vernachlässigt, vielleicht? Ja. Auf der einen Seite tat mir das fast ein bisschen Leid, weil ich der festen Überzeugung war, dass der junge Mann deutlich mehr Potenzial hatte. Man musste es eben nur auszuschöpfen wissen. Und vielleicht hier und da ein bisschen nachsichtig und geduldig sein. Er war schließlich noch jung. Da war es ganz normal, Fehler zu machen... Aber wir beiden wussten nur zu gut, wie wenig Einsicht Hunter zeigte und geduldig war er schon mal überhaupt nicht. Jedenfalls hätte ich gerne ein gutes Wort für ihn eingelegt, wirklich, aber das wäre für ihn wohl genau so erfolgsversprechend, wie wenn ich den Amerikaner um eine Stange Geld bat. Oder, sehr viel simpler noch... ihn darum bat, hier und da weniger cholerisch zu sein. Deshalb hielt ich es schon von vorn herein für eine absolut schwachsinnige Idee, dahingehend irgendwas zu versuchen. Außerdem war das auch überhaupt nicht meine Aufgabe, die ganze Geschichte mit den Rängen innerhalb einer Organisation ging mich nichts an, reizte mich auch überhaupt nicht. Ich merkte es ja gerade ganz aktuell, wie nervig es war, nicht schalten und walten zu können, wie einem gerade der Sinn stand. Man musste sich ständig nach anderen Leuten richten, Deadlines einhalten und den ganzen Mist. Auf Dauer war das einfach nicht der Lebensstil, nach dem ich leben wollte. Ich war also ganz froh, wenn der ganze Scheiß hier sein Ende fand und ich endlich wieder mein eigener Herr war. Mich nicht mehr für irgendein Gesocks verbiegen und ihnen in den Arsch kriechen musste. Aber genug von meinem Leid und zurück zu den Problemen des Norwegers, der just in dem Moment seinen Zigarettenstummel auf dem nassen Gehweg austrat. "Ich würde ja ein gutes Wort für dich einlegen, aber du weißt, dass Hunters und meine ... Freundschaft nicht ganz so innig ist. Wir haben da so unsere Differenzen. Dafür kann ich dir etwas anderes anbieten. Wenn das Geld zu knapp werden sollte, kann ich dich an einen meiner Kunden vermitteln. Der sucht immer gute Männer und zahlt anständig, das versichere ich dir.", bot ich eine alternative Lösung an, die mir gerade wie ein Geistesblitz durch den Kopf geschossen war. Das Nikotin brachte wohl das Blut zum zirkulieren, ha ha. "Wenn du die nächsten Tage nichts vor hast, kann ich euch beide ja mal bekannt machen. Vorausgesetzt, es besteht Interesse?", hakte ich vorsichtig weiter nach und zielte darauf ab, Taurens Plan für die kommenden Tage zumindest ein Stück weit in Erfahrung bringen zu können. Die Geschichte mit dem Kunden war wieder nur eine der vielen Halbwahrheiten, die sehr viel mehr in Richtung einer Lüge tendierten, aber ... entweder Hunters Jüngling verriet mir, dass er in der nächsten Zeit noch etwas vor hatte und ich konnte gezielt weiter bohren oder aber ich konnte ihn in eine Art Falle locken. Beides wäre mir nur ganz recht.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #