Da war sie wohl bei Weitem nicht die einzige auf diesem Planeten. Ich selbst hatte zwar meistens nur wenig mit Schwindel oder gar Übelkeit zu kämpfen, wenn mir Blut abgezapft wurde - aus welchen Gründen auch immer -, aber auch Gegebenheiten, wie sie bei Cosma der Fall zu sein schienen, waren keine Seltenheit. Es reagierte nun mal jeder Körper anders auf den Blutverlust und während ich meistens eher nur ziemlich schläfrig geworden war gab es ganz auch andere, die wiederum beinahe in eine Ohnmacht abdrifteten oder sich gar die Seele aus dem Leib kotzten. Ich hoffte jetzt einfach mal, dass letzteres hier nicht der Fall sein würde, aber ich nickte Cosma leicht zu um zu signalisieren, dass ich verstanden hatte. Mein Blick wanderte nur nochmal kurz zu Hunter und im Anschluss wieder zu der Rothaarigen selbst, die mir das endgültige Startsignal gab und dann zögerte ich auch nicht mehr. Tauren wäre uns im Nachhinein nämlich sehr dankbar dafür, wenn wir uns hiermit nicht mehr Zeit als nötig ließen. Also musterte ich die Armbeuge nur noch ein weiteres Mal, bevor ich die Nadel vorsichtig, aber gezielt unter die Haut der jungen Frau schob. Es dauerte kaum eine Sekunde, als die Nadel mal weit genug drin war, bis sichtbar war, dass ich die Vene offenbar erfolgreich getroffen hatte und damit fiel mir doch irgendwie ein Stein vom Herzen. Ich mochte nicht übermäßig eng mit Cosma befreundet sein, aber ich wollte ihr hier echt nicht unnötig Schmerzen zufügen. Die Nadel an sich war sicher unangenehm genug und außerdem hatte ich noch dazu wirklich wenig Nerven für einen dummen Kommentar von Hunter, der ja prädestiniert für jene war. Ich schnappte mir kurzum wieder das Desinfektionsmittel und nahm mir dieses Mal Taurens Armbeuge vor, wobei der bewusstlose junge Mann glücklicherweise gar keinen Widerstand leisten konnte. Bei ihm war das mit der Nadel dann doch irgendwie schwieriger, weil sie kaum sichtbar war. Die durchweg schwarzen Tattoos machten es da auch wirklich so gar nicht einfacher, weshalb ich seine Vene leider Gottes beim ersten Mal nicht traf. Als hätte er noch nicht genug Schmerzen oder Verletzungen. Ich fluchte leise vor mich hin und versuchte es nach einem tiefen, hörbar angestrengten Durchatmen ein weiteres Mal - glücklicherweise mit Erfolg. Ich schnappte mir den ebenfalls noch verpackten Schlauch aus der Verpackung und verband weiterhin mit aller Vorsicht beide Nadeln miteinander. Nur noch die Zugänge öffnen, dann konnte das Blut fließen. Einen Augenblick lang begutachtete ich mein Werk noch, aber weder schrie irgendwer plötzlich auf, noch spritzte mir Blut entgegen, also war vermutlich Alles in Ordnung. Vorerst zumindest. Ich zog mein Smartphone aus der hinteren, rechten Hosentasche, um auf die Uhr zu sehen. Aber gut, spätestens wenn Cosma stärkere Schwächeanzeichen aufzeigte, war die Geschichte in jedem Fall beendet. Was sollte da schon schiefgehen...
Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal an einer Nadel gehangen hatte. Ich war schon so oft verletzt oder angeschossen gewesen, dass ich die zeitliche Reihenfolge absolut nicht mehr richtig zusammensetzen konnte. Neidisch war ich in diesem Moment aber weder auf Cosma, noch auf Tauren und so lauschte ich den letzten Worten der jungen Frau aufmerksam. Mir war nicht ganz wohl dabei, dass sie uns hier quasi schon im Voraus prophezeien wollte, wie sich die Blutspende sehr wahrscheinlich auf sie auswirken würde. Wirklich eine andere Wahl hatten wir hier aber ohnehin nicht, würde es doch sicher noch ein paar Minuten dauern, bis Derek und der Abhängige hier ankamen. Selbst, wenn Ersterer zufällig ebenfalls eine passende Blutgruppe für Tauren parat hatte, sollten wir wirklich nicht länger als notwendig mit Alledem warten, also blieb Cosma die beste Option. Ich sah an die Wand gelehnt akribisch dabei zu, was Sabin tat. Zwar wäre es reichlich... merkwrüdig, wenn ich ihm an die Gurgel springen würde, falls er die Vene der Rothaarigen nicht gleich traf, aber ich wollte es ihm zumindest gedanklich vorhalten können. Er schien seinen Job jedoch ganz gut zu meistern, auch wenn unser Patient hier unter einem Fehlstich leiden musste. Das machte den Kohl in meinen Augen aber auch nicht mehr fett, er sah ja - gelinde gesagt - sowieso schon absolut beschissen aus. Der Italiener sollte bald mit dem Herumdoktern fertig sein und behielt die Blutübergabe aber weiterhin mit skeptischen Augen, wobei sein Hauptaugenmerk in den folgenden Minuten eindeutig auf Tauren lag. Sollte es auch nur den leisesten Verdacht dazu geben, dass sein Körper das Blut aus welchen Gründen auch immer nicht haben wollte, war er schließlich noch schlimmer dran als vorher und sollte bei Cosma etwas nicht stimmen, konnte sie das im Gegensatz zu ihm auch sagen. Ich trat nach zwei Minuten schließlich von der Wand weg und an die junge Frau heran, um mich unweit neben ihr so halb an den Holztisch zu lehnen und gleichzeitig halb zu setzen. Meine Beine blieben gestreckt und die Füße fest auf dem Boden, sollte ich sie plötzlich festhalten müssen wollte ich lieber einen festen Stand mitbringen. "Lehn' dich ruhig an.", ließ ich ihr ein paar wenige, eher gemurmelte Worte zukommen. War nicht zu auffällig, oder? Sabin sah mich zwar kurz ein bisschen verwundert an, widmete sich dann aber gleich wieder Tauren und fühlte ein zweites Mal seinen Puls. Mir war schon klar, dass ich normalerweise eher nicht der Typ Mensch dafür war, der sich tunlichst nach körperlicher Nähe sehnte oder gar übermäßig viel Mitgefühl zeigte, aber wenn sie uns hier vom Tisch kippte könnte das beiden involvierten Personen unschönen Schaden zufügen. Es fing in Momenten wie diesem hier ein bisschen an zu nerven, dass wir unsere Beziehung noch tunlichst geheim hielten, aber es sollte nun mal gut überlegt sein, wann wir damit an die Öffentlichkeit vorrückten. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass das überschwängliche Begeisterung bei den Anderen wecken würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sabin zögerte glücklicherweise dann auch gar nicht mehr lange, bis er mir die Nadel endlich in die Vene jagte. Zu meiner Überraschung sollte er diese auch auf Anhieb treffen, was mich trotz des unangenehmen Einstichs kurzzeitig staunen ließ. Als er dann allerdings an der Kanüle rumhantierte, um den Schlauch am dafür vorgesehenen Ende zu befestigen, hätte ich meinen Arm am liebsten weggezogen. Um das zu vermeiden, schloss ich einen Augenblick lang die Augen und atmete einmal tief durch. Sich Schmerzmittel zu spritzen war die eine Sache, da brauchte eine Injektion in der Regel nicht länger, als ein paar Sekunden, aber das transfundieren würde wohl ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Und das wiederum ließ mich etwas unruhig werden. Einzig und alleine der Gedanke, dass ich dadurch gerade vermutlich ein Leben rettete, holte mich wieder runter und verhinderte, dass ich anfing, zu zittern. Ich seufzte leise, als Sabin schließlich den Zugang öffnete und ich merkte, wie mir wenig später das Blut förmlich aus dem Arm gesogen wurde. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Empfänger definitiv viel zu wenig von seinem eigenen lebenserhaltenden Saft hatte. In den ersten Sekunden spürte ich von dem Blutverlust tatsächlich auch noch gar nichts, aber als es langsam auf mehrere Minuten zuging, verschwamm meine Sicht zunehmend und ich merkte, wie meine Hand, welche die Tischplatte festgehalten hatte, langsam schwächer wurde und der Griff sich löste. Es kam mir also nur gelegen, dass Hunter über seinen absolut offensichtlichen Schatten sprang, um mir beizustehen. Ich wusste, dass ihm menschliche Nähe in den seltensten Fällen zusagte und es mochte daher vielleicht etwas merkwürdig rüber kommen, dass er mir das Angebot unterbreitete, aber im Prinzip war ja nun überhaupt nichts weiter dabei. Vermutlich hätte auch Sabin mir zur Seite gestanden, bevor ich einen Abflug vom Tisch gemacht hätte. Der Amerikaner kam ihm in dem Punkt einfach zuvor und für mich war auch klar, wieso er das tat. Auch wenn mir in dem Augenblick nach einem Lächeln war, unterdrückte ich dieses ganz bewusst und nickte stattdessen nur schwach. Die Zeiger der Uhr tickten unaufhörlich und bei etwa sechs Minuten musste ich mir langsam aber sicher eingestehen, dass ich immer müder wurde und mir auch Hunters Arm als Stütze nicht mehr fiel brachte. Ich hatte meinen Kopf bei etwa drei Minuten gegen seine muskulöse Schulter gelehnt und seither waren die tickenden Geräusche der Wanduhr immer lauter, dafür zunehmend langsamer geworden. Es brauchte mich in diesem Augenblick verhältnismäßig viel Kraft, um die freie Hand als ein Zeichen zu heben, dass man mir die Kanüle doch bitte recht bald abnehmen sollte, weil es sonst zwei Patienten gab, die versorgt werden wollten. Da wir leider keinen Beutel hatten, wusste ich auch überhaupt nicht, ob wir uns noch im Rahmen einer gesunden Spende befanden oder ob ich gerade weitaus mehr als den normalerweise üblichen halben Liter an Tauren abgetreten hatte. Besagter junger Mann schien aber nach einem flüchtigen, sehr verschwommenen Blick aber tatsächlich wieder etwas Farbe zu bekommen, was man von mir jetzt nicht unbedingt behaupten konnte. Mein Teint war ohnehin schon relativ hell. Verwunderlich, dass es mit weniger Blut noch eine Nuance heller zu gehen schien.
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So weit, so gut. Es schien alles in Ordnung zu sein und nach ein paar Minuten wurde Taurens Gezitter tatsächlich auch schon ein bisschen weniger. Ganz aufhören würde es wohl ohne Wärme von Außen nicht, aber das war an sich schon mal ein ganz gutes Zeichen. Auch sonst blieben seine Atemzüge zwar etwas flach, aber sie waren gleichmäßig und auch der Puls schien mir wieder ein klein wenig stärker zu werden. So atmete ich doch nach einer Weile recht entspannt durch und war zufrieden mit meinem Werk, auch wenn ich sicher ein wenig Glück auf meiner Seite gehabt hatte. Das war mir vorher an diesem Tag ja reichlich erspart geblieben, also war das in meinen Augen nur fair. Es überraschtem ich zugegeben aber etwas, dass Hunter tatsächlich sowas wie seine Hilfe anbot und das auch noch menschlicher Nähe inbegriffen. Untypisch für den Amerikaner, aber mir war schon neulich beim Gespräch am Tisch in der Bar aufgefallen, dass er irgendwie ein wenig gefasster gewesen war. Er war zwar sicherlich weiterhin meilenweit davon entfernt die Geduld und Ruhe in Person zu sein, aber er schien Fortschritte zu machen. Ich konnte mir nicht erklären warum und wie, aber es war mir auch ziemlich egal, wenn ich ehrlich war. Alles, was die Zündschnur zu seinem Temperament verlängerte, war mir recht - dachte ich jedenfalls. Tauren ging es weiterhin den Umständen entsprechend gut, aber die rothaarige junge Frau auf der Tischkante verlor wohl zunehmend an Kraft. Spätestens das Heben ihrer Hand war ein ziemlich eindeutiges Zeichen dafür, dass sie genug davon hatte ihr Blut abzugeben, weshalb ich relativ zügig einen weiteren Abstecher zu dem Verbandskit machte, um zwei Tupfer zum Abdrücken der winzigen Stichwunden zu holen. Ich warf noch einen kurzen Blick in Cosmas ermüdetes Gesicht, um ihr zu bedeuten, dass sie still halten sollte, was in ihrem Zustand kein zu großes Problem mehr sein sollte. Ich legte den Tupfer über die Nadel und zog letztere dann behutsam wieder aus der Haut, bevor ich kurzzeitig Druck mit den Fingern auf den Einstich ausübte. Mit der anderen Hand derweil noch den Schlauch nach oben hielt, damit Tauren das Blut nicht direkt wieder weg floss. Als Cosma dann selbst an ihrem Arm übernahm widmete ich voll und ganz dem eigentlichen Patienten, der nur zu gern auch noch das letzte bisschen Blut in sich aufnahm. Ein bisschen Blut ging zwangsweise verloren, weil ich den Schlau kurz vor dem raus ziehen der Nadel sinken lassen musste, aber ich bemühte mich dabei keine Zeit zu verlieren und so war auch der gefolterte Norweger auf dem Tisch bald die Nadel los. Zwangsweise übernahm ich das Abdrücken seinen Stichkanals für etwa zwei Minuten, damit er das Blut nicht gleich wieder eifrig verlor. Danach hob ich den Tupfer testweise an, aber die Wunde schien soweit verschlossen zu sein. "Ich vermute mal, dass Taurens Arm dann auch noch an mir hängen bleibt?", stellte ich seufzend im Grunde genommen nur Hunter eine Frage, weil Cosma kaum mehr in der Lage dazu sein dürfte.
Auch, wenn Sabins ehemalige Belegschaft mich zur Zeit sämtliche vorhandenen - oder auch nicht vorhandenen - Nerven kostete, war ich in diesem Augenblick dankbar dafür, dass er hier war. Natürlich war das Alles hier auch irgendwo seine Schuld, gar keine Frage, aber ohne ihn hätte ich hier jetzt doch ziemlich alt ausgesehen. Natürlich hätte ich Jemanden anrufen können, aber das hätte sich dann auch wieder in die Länge gezogen und Zeit gekostet, die Tauren womöglich nicht hatte. Es blieb auch so noch zu hoffen, dass er die paar Stunden durchhielt. Die Wunde an seinem Arm blutete schließlich nach wie vor ein bisschen, wenn sicher auch deutlich weniger als zum Zeitpunkt, als Sydney und Sabin ihn ausgesammelt hatten. Ich legte meinen Arm ein wenig um Cosmas Rücken, als sie merklich schwächer wurde. Nicht so, als würde ich sie kuscheln wollen - was ich doch irgendwie ein bisschen wollte, weil sie mir leid tat, aber das war hier und jetzt nicht drin -, aber doch als leichte Stütze. Jedenfalls sollte die ganze aufwendige Blutspendeaktion dann zum Glück bald ihr Ende finden, weil ich Cosma nicht ebenfalls bewusstlos hier liegen sehen wollte. Der meistens recht penible Italiener vollendete seinen Job nach bestem Wissen und Gewissen. Mein Blick wanderte von der Rothaarigen zu ihm, als er sein Wort an mich richtete. "Ja... ich bring Cosma rüber", damit meinte ich den Wohnbereich. "und mach den Ofen an.", ließ ich ihn wissen, dass er das jetzt bitte auch noch erledigen sollte, während ich mich um den Rest kümmerte. Der Ofen spendete schlicht wohligere Wärme als die Heizkörper, die normalerweise allein eigentlich vollkommen reichten. War aber in Momenten wie diesem trotzdem gut, dass der Ofen noch da und funktionsfähig war. "Kannst du laufen oder soll ich dich tragen?", fragte ich Cosma gleich ich Anschluss, als ich mich selbst zum Stehen aufrichtete ohne sie aber loszulassen. So oder so würde ich sie begleiten, ich wollte ihr das nur nicht vorweg nehmen. Wenn sie glaubte laufen zu können, dann sollte sie das ruhig und ich stützte sie nur dabei. Andernfalls hatte ich aber auch kein Problem damit sie rüber zu tragen, auch wenn mich dass ein wenig an unsere Zeit direkt nach dem gemeinsamen Ausbruch erinnerte.
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Auch beim Entfernen der Nadel ließ Sabin nicht mehr Zeit verstreichen, als unbedingt nötig war. Dafür war ich ihm sehr dankbar, denn auch nur eine Minute länger hätte mich vermutlich schwarz sehen lassen. Ich war mir mittlerweile sicher, dass ich weit mehr als nur einen halben Liter Blut verloren hatte, anders konnte ich mir nämlich nicht erklären, warum mein allgemeines Wohlbefinden gerade derart tief in den Keller rasselte. Bei meiner Einweisung von vor ein paar Jahren waren einmal mehrere Ampullen meines Blutes in ein Labor geschickt worden, um dort auf Rauschmittel aller Art getestet zu werden und ich meinte mich zu erinnern, dass es damals ebenfalls die eine oder andere Komplikation beim Blut abnehmen an sich gab - Flüssigkeitsaufnahme stand bei mir damals nun mal nicht auf der Tagesordnung, deswegen war mein Blut verhältnismäßig dick -, ich jedoch mit leichtem Schwindel trotzdem noch eigenständig in mein Zimmer zurückkehren konnte. Heute war das anders. Keine Ahnung, ob es am Stress lag, der zusätzlich noch einen weiteren Ballast in der jetzigen Situation darstellte, aber normal war die Reaktion jedenfalls nicht. Nun gut, es blieb mir wohl jetzt nichts anderes übrig, als das gekonnt auszusitzen, denn das Blut war weg und regenerierte sich bei mir ohne eine Transfusion mindestens genau so langsam, wie es bei Tauren der Fall gewesen wäre. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich keine offene Wunde hatte, die mir minütlich einen der Teil kostbaren Energie wieder aus dem Körper spülte. Seine Schnittwunden waren einfach zu tief, zu großflächig, als das die körpereigene Wundheilung es fertig brachte, sie binnen kürzester Zeit zu verschließen, wie es beispielsweise bei einer Schnittwunde durch ein Blatt Papier der Fall war. Demnach war das Abbinden richtig und wichtig gewesen, aber das war das Desinfizieren auch. Und eigentlich hatte ich diesen Teil übernehmen wollen, jetzt blieb der Mist ebenfalls an Sabin hängen, der mir in diesem Moment tatsächlich ein wenig Leid tat. Er konnte für seine Freiheit immerhin auch mal etwas mehr leisten, als sich den Arsch hier mit seiner Perle auf Drogen platt zu sitzen. Und zack, schon war mein schlechtes Gewissen ihm gegenüber auch schon wie weggeblasen und ich nickte auf seine Feststellung hin lediglich kurz. "Schmerzmittel aller Art und Verbände habe ich mitgebracht.", redete ich angestrengt vor mich hin und deutete mit der Hand, die eben noch um den Abbruch der Transfusion bat, auf das kleine Täschchen, in dem ich alles, was Zuhause noch übrig gewesen war, achtlos hineingeworfen hatte. Dann widmete ich mich bereits Hunter, dem es augenscheinlich direkt aufgefallen war, wie schlecht es mir eigentlich ging und daher weiterhin tatkräftige Unterstützung anbot. Auf die musste ich wohl oder über auch zurück greifen, denn als ich versuchte, meinen Fuß auf dem Boden abzusetzen, spürte ich meine Beine kaum noch. Und der kläglichen Rest, den ich noch spürte, fühlte sich an, wie Pudding, der sich einen Mixer von innen angesehen hatte. Ich versuchte deshalb auch nicht weiter, mich auf die Beine zu raffen und sah lediglich etwas hilfesuchend zu dem jungen Mann an meiner Seite auf. Dabei merkte ich überhaupt nicht, dass mein Blick fast schon ein wenig verliebt wirkte. Aber was sollte ich sagen... Seit neustem sah ich den Amerikaner einfach zu gerne an und ich müsste lügen, würde ich behauptete, dass mir die Berührung trotz der ganzen Umstände nicht gefiel.
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Na schön, dann eben das auch noch. Wenn ich sowieso schon drüber war, dann konnte ich gleich weiter machen. Ich folgte Cosmas Hand mit den Augen bis hin zu besagter Tasche, woraufhin mein Blick wieder zu der Rothaarigen glitt und ich ein leichtes Nicken folgen ließ. Trotzdem nahm ich mir zuerst die blutigen Nadeln und den Schlauch, um Alles in den Mülleimer wandern zu lassen. Immerhin wurde hier dann wegen den Blutstropfen auf dem Boden zwangsweise mal wieder gewischt, was doch irgendwie zu selten vorkam. Natürlich hätte ich massig Zeit dazu, aber ich sah es irgendwie nicht mehr ein den Idioten hinterm Arsch her zu putzen, nur weil sie deutlich weniger Zuhause waren. Hier und da machte ich was, aber ich sah es wirklich nicht ein das komplett allein mit Sydney zu übernehmen. Jedenfalls widmete ich mich im Anschluss wieder Tauren, nachdem ich mir die Tasche geschnappt und auf dem freien Platz neben seiner eher schmalen Hüfte abgelegt hatte. Mir das wichtigste schon mal raussuchte, mir dann erneut die Hände wusch und desinfizierte und schließlich den Stofffetzen wieder von seinem Arm runter schnitt. Mir kam mehr Blut entgegen, als mir lieb war, weshalb ich mich alles in allem sehr zu beeilen versuchte. Erst schraubte ich den Sprühkopf vom Desinfektionsspray und kippte stattdessen etwas mehr davon über die Wunde, was den jungen Mann wegen der Schmerzen offenbar erneut wach rüttelte. Ihn aufstöhnen und blinzeln ließ, kurz bevor ich mit dem übrigen Desinfektionsmittel versuchte das getrocknete, teils dreckige Blut um die Wunde herum zu entfernen. Auch dabei jammerte er vor sich hin und es wäre mir echt lieber gewesen, wenn er noch weiter vor sich hin geschlummert hätte. "Penn' lieber weiter, es wird nicht wesentlich besser...", murmelte ich ein wenig ironisch zu ihm runter, wobei er mich dann einen kurzen Moment lang ansah und ich im Anschluss aber schleunigst damit weitermachte ihm über Kompressen einen neuen, möglichst engen Verband am Arm zu verpassen. Er sog die Luft scharf ein und wieder tat mir allein der Anblick unheimlich weh, aber es half ja nichts. Er musste da jetzt noch durch, sein Bein war als nächstes an der Reihe. Ich schnappte mir also noch das Desinfektionsmittel aus Cosmas Tasche, weil das andere leer war und säuberte die im Vergleich zum Oberarm wesentlich kleineren Einstiche. Sie waren nicht so tief, mussten aber zweifelsfrei genäht werden und so nahm ich mich dieser Hürde auch noch an. Einen Schönheitspreis würden die Nähte vermutlich nicht gewinnen, aber sie erfüllten ihren Zweck und sorgten dafür, dass Tauren zumindest an dieser Stelle ab sofort kein Blut mehr verlor, weil die Wunden nicht immer wieder von Neuem aufrissen.
Erst dachte ich schon, dass Cosma die Situation richtig einschätzen und womöglich selber gehen konnte, nur war dem dann doch nicht so. Sie konnte ja kaum stehen, da war an Gehen gar nicht zu denken. Also ging ich ein klein wenig in die Knie, legte einen Arm an ihren Rücken und den anderen an ihre Oberschenkel, ehe ich sie mir quasi einfach vom Boden weg klaute. War nicht besonders schwer, weil ihre Beine schon dem winzigsten Druck meines Armes nachgaben und sie mir wie von allein in die Arme kippte. Mit der jungen Frau in den Armen ging ich dann ohne große Umschweife von der Küche rüber ins Wohnzimmer, immer darauf bedacht ihr weder den Kopf, noch die Füße an einem der beiden Türrahmen anzuschlagen. Jedoch musste der kleine Teufel wohl oder übel mit einem der beiden breiten, bequemen Sessel Vorlieb nehmen, weil Tauren das Sofa brauchen würde. Also setzte ich sie langsam auf dem Sitzpolster ab und wendete mich danach kurz von ihr ab, um eine der beiden Decken vom Sofa zu nehmen und sie anschließend dann damit zuzudecken. "Willst du was trinken?", stellte ich ihr schon im Weggehen noch eine Frage. Sollte sie Durst oder das Gefühl haben, dass ihr Körper das jetzt gut brauchen konnte, würde ich ihr gleich noch was bringen, wenn der Ofen an war. Um letzteren kümmerte ich mich jetzt trotzdem zuerst, weshalb ich kurz in den Keller ging, in dem ein bisschen Holz lagerte. Viel war da schon lang nicht mehr, aber für ein paar Stunden Feuer sollte das noch reichen. Also ging ich mit schmalen Anmachhölzern, richtigem Feuerholz und Anzünder wieder zurück nach oben, wobei ich vermutlich von Glück reden konnte, dass mir nichts runterfiel. Sämtliche Utensilien wanderten erstmal unweit des Kamins auf dem Boden, bevor ich alles entsprechend im Ofen stapelte und letztlich auch anzündete. Zwei oder drei Minuten behielt ich die Flamme noch im Auge und half hier und da ein wenig nach, bevor sie langsam aber sicher Form annahm und ich die Kamintür vorerst schloss. Dann sah ich wieder zu Cosma, musterte sie ein wenig. Es gefiel mir nicht, wie schwächelnd sie da saß und um ehrlich zu sein hätte ich sie liebend gern einfach nochmal hoch gehoben und auf meinem Schoß wieder runter gelassen. Dann hätte sie noch ein zusätzliches Wärmepolster, aber Sabin würde spätestens dann sicher fragen und das wollte ich wiederum nicht riskieren.
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Für überraschte Laute aller Art fehlte mir im Moment wirklich die Kraft. Demnach hatte ich es einfach schweigend hingenommen, dass mich Hunter recht spontan packte, um mich mühelos ein Zimmer weiter in einem der zwei überaus bequemen Sessel zu platzieren. Mir fielen schon auf dem Weg in den Wohnbereich das ein oder andere Mal die Augen zu und jetzt, wo ich zunehmend tiefer ins Polster sank, wurde das auch irgendwie nicht besser. Ich bemühte mich jedoch, die Augen noch so lange offen zu halten, wie der Amerikaner um mich herum werkelte. Mit müden Blicken beobachtete ich dabei sein Handeln und lauschte mit dem halben Ohr seiner Frage. Mhm, etwas zu trinken wäre in der jetzigen Situation vermutlich angebracht, weshalb ich dahingehend wieder nur sehr schwach mit dem Kopf nickte. „Ja, Wasser wäre gut.“ Zwar hätte ein zuckerhaltiges Getränk meinem Kreislauf sicher ebenfalls gut getan, aber zur Bildung neuer Blutkörperchen war stilles Nass dann doch die bessere Alternative – in meinen Augen zumindest. Dass Hunter mich noch zudeckte, bevor er das Wohnzimmer verließ, um weiß Gott was zu besorgen, war ebenfalls sehr lobenswert. Andererseits hätte mich die Kälte wohl genauso überrollt, wie es bei Tauren der Fall gewesen war und darauf konnte ich getrost verzichten. Würde mir nämlich keinen sonderlich erholsamen Schlaf bescheren und den hatte ich gerade dringend nötig. Binnen weniger Minuten war der junge Mann auch schon wieder zurückgekehrt und als ich ihn mit dem Holz in der Hand erblickte, war mir auch klar, was er als nächsten tun würde. Sehr schön, perfekt. Ein bisschen zusätzliche Wärme war definitiv nicht verkehrt, wobei mir ein bisschen Kuscheln sicher auch zügig in einen traumlosen Schlaf verholfen hätte. Jedoch war ich der festen Überzeugung, dass wir dahingehend gerade beide das gleiche dachten. Ging halt der gegebenen Umstände wegen einfach nicht, ohne dass wir die Aufmerksamkeit aller aktuell Anwesenden auf uns lenken würden ich hatte weder die Kraft, noch die Lust, mich groß erklären zu müssen. Hunter vermutlich genau so wenig. Also musste ich wohl damit leben, dass einzig und alleine das vor sich hin knisternde Holz mir Wärme spendete. Es vergingen weitere Minuten, bis ich schließlich mein Glas Wasser bekam und nachdem ich davon einen großzügigen Schluck genommen und im Anschluss daran vor mir auf den Wohnzimmertisch abgestellt hatte, murmelte ich mich noch ein bisschen mehr in die Decke ein und schloss so langsam aber sicher meine Augen. Ich würde nicht viel Zeit brauchen. Eine Stunde, vielleicht anderthalb und ich konnte zumindest schon mal wieder eigenständig laufen, musste nicht getragen werden. Anders sah es dahingehend wohl bei dem Norweger aus, der aktuell noch durch Sabin betreut und verarztet wurde. Dieser wurde nach einer gewissen Zeit, in der ich bereits tief und fest geschlafen hatte, durch die Hände der zwei kräftigen Männer auf der freigehaltenen Couch platziert.
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Nur ungern hatte ich Cosma am vorherigen Abend mit Tauren und dem restlichen Haufen allein gelassen. Mir war einfach nicht wohl dabei die Rothaarigen zwischen zwei Junkies und Sabin allein zu lassen, auch wenn letzterer meistens vernünftig war und ich schon der Meinung war, dass er die Nacht geschaukelt bekommen würde. Sich auch gerne an der Operation beteiligte, falls der Arzt einen Helfer brauchte, wovon ich mal stark ausging. Aber trotzdem ließ ich die Rothaarige nur ungern allein, weil sie die Blutabnahme offenbar recht fertig gemacht hatte. Andererseits konnte ich ihr ohnehin nicht direkt beistehen, weil ich ihr nicht nahe kommen konnte, also war es schlichtweg sinnvoller einfach meiner Arbeit nachzugehen. Im Zeitplan hinkte ich jetzt sowieso schon hinterher und das hielt genug Stress für mich bereit, um mir verhältnismäßig wenige Gedanken um Cosma und auch um Tauren zu machen. Ich hatte mir bis hierhin noch nicht überlegt, wie ich ihn für die ziemlich selbstlose Aktion eigentlich belohnen wollte und jetzt war es doch langsam Zeit dafür. Jedoch war ich mir dahingehend noch immer nicht ganz schlüssig, als ich am tendenziell eher späten Vormittag - es dürfte kurz vor 10 Uhr sein - wieder beim Ort des Geschehens aufschlug. Ich parkte den Wagen ein paar Meter abseits die Straße runter und lief die letzten paar hundert Meter, auch wenn das kaum helfen dürfte, wenn die Mafiosi jetzt wirklich das ganze Viertel unter die Lupe nahmen, wovon ich zum jetzigen Zeitpunkt stark ausging. Ich hatte mir also schon so weit einen Plan zurecht gelegt, dass ich Sabin und Sydney woanders unterbringen würde, weil ich das hier nicht mehr für sicher genug hielt. Tauren musste dann zwangsweise auch verlegt werden, weil er sich im Falle eines Angriffs wenig bis gar nicht wehren können würde, aber das war mir auch immer noch lieber, als dass dieser ganze Mist letztlich umsonst gewesen wäre. Ich hatte mit Risiken zwar kein Problem, aber mit möglichen unglücklichen Zufällen durchaus. Jedenfalls klingelte ich kurz an der Tür, ehe Sabin mir aufmachte und mich rein ließ. Ich hatte bis dato noch keine fünf Minuten geschlafen und war entsprechend bereits leicht gereizt, weil ich ganz einfach erschöpft war. Der Italiener und viel mehr noch die ehemalige FBI-Agentin hatten also besser eine gute Entschuldigung dafür parat, dass ihre Ärsche den Weg auf die Straße gefunden hatten. Sabin erzählte mir, dass die OP soweit ganz in Ordnung verlaufen, der junge Mann aber bisher nicht aufgewacht war. Dann bedeutete er mir weiterhin, dass Sydney noch oben war und er sich ebenfalls schon mal dahin auf den Weg machte, was ich schweigend abnickte. Ich hatte vor erst noch einen kleinen Abstecher zu Cosma zu machen, die sich scheinbar weiter mit Tauren im Wohnzimmer aufhielt. Der Ofen versprühten bis jetzt noch etwas Restwärme, würde aber augenscheinlich bald ausgebrannt sein. Erst fiel mein Blick flüchtig auf den sich nicht rührenden, recht eng in einer Decke eingepackten Verletzten, bevor meine Augen aber gleich weiter zu Cosma wanderten und ich letztlich bei ihr zum Stehen kam. "Wie geht's dir?", beschloss ich erst einmal dahingehend nachzuhaken und hob ein paar Sekunden später die Hand an, um ihr flüchtig über die Wange zu streichen, bevor ich mich dem unliebsameren Teil des Besuchs widmen würde.
Das erste, was mein Bewusstsein empfing, als ich langsam aber sicher aus der einschläfernden Schwärze heraus kam, war Schmerz. Dabei würde vermutlich eine endlos lange Liste entstehen, wenn ich versuchen würde, alle Ursachen dafür aufzuschreiben. Ich wollte vermutlich nicht einmal wissen, wie ich aussah, weil ich erschrocken wäre, wenn man mir einen Spiegel vorgehalten hätte. Mein Schädel dröhnte und mein gesamtes Gesicht fühlte sich irgendwie geschwollen an, was bei den zahlreichen Faustschlägen an den Kopf kein Wunder war. Weil sich mein rechtes Augenlid weit unangenehmer anheben ließ als das linke, ging ich an dieser Stelle auch von einem satten Veilchen aus. Meine Lippen waren furchtbar spröde und trocken, aber immerhin war der Blutgeschmack inzwischen weg. Mein Bewusstsein kam langsam aber sicher zurück und ich spürte die Schlinge, in der sich mein rechter Arm befand, der ebenso wie der Rest von mir trocken zu sein schien - ich war scheinbar doch nicht mehr verblutet, wofür ich Irgendwem hier meinen Dank aussprechen musste. Hunters und auch Cosmas Stimme drang noch etwas dumpf an meine Ohren, weshalb ich dann erstmals den Blick von der Decke abwendete und den Kopf langsam ein wenig drehte, was mir unsagbare Nackenschmerzen bescherte. Der Amerikaner stand neben der Rothaarigen am Sessel und strich ihr kurz über die Wange, wobei ich in diesem Moment tatsächlich nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendete, was das zu bedeuten hatte. Der Schmerz in meinem Körper war viel zu penetrant, als dass ich gezielt an irgendwas Anderes hätte denken können, also war das so ziemlich die letzte Sache, über die ich gerade nachdachte. Ich wollte zum Reden ansetzen und sobald sich meine Stimmbänder minimal in Bewegung setzten, erfolgte erstmal ein sehr ausgiebiges, für meinen gesamten Oberkörper extrem schmerzhaftes Husten. Ich verzog im Anschluss daran das Gesicht, fiel mir jetzt doch gleich doppelt und dreifach auf, wie trocken mein gesamter Hals war. "Hat Jemand...", ich unterbrach ein weiteres Mal, weil meine Stimme doch sehr dünn klang, weshalb ich mich wiederum räusperte. "...was zu trinken für mich?", bat ich an die anwesende Allgemeinheit gerichtet um ein paar Tropfen Wasser oder was für ein Getränk auch immer. Ich hätte auch ein Bier genommen, solange mir nur zeitnah irgendeine trinkbare Flüssigkeit den Rachen ölte. Das Kratzen im Hals war wirklich unangenehm und nachdem ich mich von den Italienern so gut wie hatte umbringen lassen, war das sicher nicht zu viel verlangt... nicht mal Hunter gegenüber, an den ich normalerweise weder Ansprüche, noch Wünsche stellte, aber besagter Kerl schuldete mir jetzt so einiges. Mindestens so viel wie Sabin. Ich war vielleicht ein kleines bisschen treudoof und ließ mich in mancher Hinsicht ein Stück weit ausnutzen, aber ich war nicht komplett bescheuert.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Entgegen meinen Erwartungen, nur für wenige Minuten oder maximal wenige Stunden die Augen zu schließen, hatte ich dann doch die ganze Nacht durch geschlafen und war erst gegen acht Uhr früh wieder einigermaßen lebensfähig gewesen. Hunter hatte mich ganz offensichtlich zurück gelassen und auch wenn ich dahingehend doch manchmal bissig werden konnte - wenn man mich vergaß -, war ich ihm absolut nicht böse. Ganz im Gegenteil. Ich war dankbar, dass er mich in Ruhe meinen Akku hatte aufladen lassen und es war ja nicht so, als wäre ich bei Sabin nicht in guten Händen. Der Italiener hatte hier und da vielleicht seine Macken, aber ich schätzte ihn jetzt nicht so ein, dass er in der Nacht wahllos Leute abmurkste oder untätig daneben stand, wenn mich einer der zwei weiteren, männlichen Mitbewohner blöd angemacht hätte. Demnach hatte ich vollstes Verständnis dafür, dass der Amerikaner sich dazu entschieden hatte, mich hier zulassen um sich, sehr wahrscheinlich, seiner Arbeit widmen zu können. Jedenfalls war es etwa viertel nach acht gewesen, als ich mich vorsichtig aus dem Sessel getraut hatte, weil die Blase drückte und auch der Magen langsam das Knurren anfing. Mir signalisierte, dass die Ruhe und das Wasser zwar geholfen hatten, den lebenserhaltenden Stoff zu reproduzieren, aber wenn ich weiterleben wollte, ich langsam zusehen sollte, ein paar Vitamine und Nährstoffe zu mir zu nehmen. Ich schob die Decke von meinem Schoß und legte sie vorerst über die Lehne des Sessels, dann machte ich die ersten Versuche, aufzustehen. Klappte nach der langen Ruhephase tatsächlich auch einwandfrei und ohne Probleme. Allgemein fühlte ich mich wieder sehr viel fitter, als am gestrigen Abend. Meine Beine trugen mich also in Richtung Flur und weil im Haus allgemein eine Totenstille herrschte, wäre ich fast an einem Herzinfarkt verendet, als ich im Augenwinkel jemand auf mich zulaufen sah. Ein junger Mann, den ich weder an Taurens Fundort, noch im Anschluss hier im Haus gesehen hatte, kreuzte meinen Weg. Ich musste wohl ordentlich zusammengezuckt sein, denn er entschuldigte sich mehrfach bei mir, bevor er wenig später etwas weiter hinten in einem für mich uneinsichtigen Zimmer verschwand. Für ein paar Sekunden stand ich noch etwas regungslos im Türrahmen, um den Puls wieder zu normalisieren, dann lief ich weiter in Richtung Küche. Es schien, als hätte Sabin nach Taurens Verarztung hier zumindest etwas sauber gemacht, denn der gestern noch unübersehbare, unappetitliche Blutfleck auf dem Esstisch war verschwunden, ebenso war kaum noch etwas von den vielen Nadeln, Schläuchen und sterilen Verpackungen zu sehen. Nichtsdestotrotz wollte ich mich nicht unbedingt an den Tisch setzen, weshalb ich nach erfolgreicher Suche nach etwas Essbarem - einer Banane, ein Apfel und ein paar Scheiben Knäckebrot - ins Wohnzimmer zurück kehrte. Tauren schien nach wie vor tief und fest zu schlafen, sah alles in allem aber schon wieder etwas gesünder aus, als zu dem Zeitpunkt, wo wir ihn von der Straße aufgelesen hatten. Klar, die unzähligen Blutergüsse, Prellungen und nicht zuletzt die aufgeplatzte Lippe waren noch immer deutlich sichtbar, aber er machte immerhin nicht mehr den Anschein, als würde er jeden Moment wegsterben. Ich versuchte so leise wie möglich, das buchstäblich gefundene Fressen zu verdrücken, dann legte ich die Beine erneut hoch, wickelte sie in die Decke ein und döste für die nächsten anderthalb, zwei Stunden nur so vor mich hin. In den nächsten Minuten sollte auch in die Bewohner des Hauses wieder Leben einkehren und es wurde alles in allem etwas unruhig. Weil der Sessel mit der Lehne zur Tür stand und ich nicht vor hatte, mich dafür extra umzudrehen oder mich gar bemerkbar zu machen, konnte ich lediglich den Stimmen lauschen. Sabin war inzwischen wach, Sydney schien auch noch am Leben zu sein und gegen zehn Uhr traf eine weitere, mir bekannte Stimme ein. Unter dem schrillen Läuten der Türklingel war ich kurz zusammen gezuckt, hatte mich dann aber doch in Richtung Flur gedreht, um den unerwarteten Gast mit einem zufriedenen Lächeln zu begrüßen. "Hey... danke, mir geht es wieder besser. Fast so, als wäre nichts gewesen.", antwortete ich wahrheitsgemäß, als Hunter neben mir zum Stehen gekommen war, weil sich mein Bluthaushalt tatsächlich wieder auf einem normalen und gesunden Level befand. "Und wie geht es dir? Du siehst müde aus.. Hast du überhaupt geschlafen?", stellte ich flüsternd ein paar Gegenfragen, weil ich nicht unbedingt wollte, dass Tauren wegen eines lauten Gesprächs aufwachte. Wobei er rein theoretisch schon von der Klingel hätte wach werden müssen oder aber den lauten Konversationen aus der Küche ... na ja. Besagter junger Mann schien dann kurz darauf auch tatsächlich die Augen aufzuschlagen und im Geiste verfluchte ich Hunter und mich dafür, ihn scheinbar doch aus dem Schlaf gerissen zu haben. Auf der anderen Seite waren auch für ihn mehrere Stunden vergangen, in denen er Kräfte gesammelt hatte. Vielleicht hatte er von selbst das Land der Träume verlassen. Mich persönlich brauchte es ja einen Augenblick, um zu entziffern, was Tauren uns mit seinen nachfolgenden Worten sagen wollte, denn er war ziemlich leise und vor den Hintergrundgeräuschen in Form von Gesprächen aus der Küche, kam bei mir so gut wie gar nichts mehr an. Ich war ihm in dem Sinne also wirklich dankbar, dass er seine Stimme anhob und sich dann noch einmal wiederholte. Etwas zu trinken? Konnte er kriegen. Und weil ich dem ohnehin schon sichtlich entnervten Hunter nicht noch antun wollte, das Hausmädchen zu spielen, stand ich selbst auf, um unserem armen Patienten ein Glas Wasser zu besorgen. Außerdem brachte ich eine der wenigen Packungen an Schmerzmitteln mit. Ich wusste nicht, ob und wenn ja wann er etwas von dem Arzt bekommen hatte. Für den Fall der Fälle musste niemand noch einmal aufstehen und er konnte, nachdem er sich den Rachen geölt hatte, direkt zu einer Tablette greifen.
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Es freute mich aufrichtig, das zu hören. Es ließ mich ein klein wenig lächeln, als ich die Hand langsam wieder sinken ließ. Cosma sah auch wesentlich besser als gestern aus, weshalb ich etwas in dieser Richtung ganz einfach schon gehofft hatte. Ihre Gegenfrage ließ mich hingegen leise seufzen, weil mich der elende Schlafmangel, der seit der Einreise der Italiener ziemlich chronisch war, inzwischen wirklich extrem nervte. Es war eher ziemlich untypisch für mich, dass ich Kaffee konsumierte, aber ohne kam ich mittlerweile nur noch schwer wieder aus dem Bett oder zumindest im Anschluss daran nicht wirklich in die Gänge. "Noch nicht.", antwortete ich wahrheitsgemäß. Wie lang war ich jetzt wach? Irgendwas um die zweiundzwanzig Stunden, weil ich für gewöhnlich zur oder kurz nach der offiziellen Tages-Halbzeit aufstand. Normalerweise ging ich dann aber auch eher zwischen sechs und sieben Uhr morgens ins Bett und nicht erst irgendwann nach Zehn. So wie ich das aktuell sah würde es auch noch später werden, bis ich dann endlich die Matratze im Rücken hatte, aber die Pflicht rief mich vorher eben noch. "Mach ich dann, wenn ich mit Sabin geredet hab.", ließ ich die Rothaarige wissen, warum ich immer noch auf den Beinen war. Ich könnte ohnehin nicht ruhig schlafen, wenn ich sie hier noch länger lassen würde und der Italiener musste schleunigst aus diesem Haus raus und woanders hin verfrachtet werden. Eher unerwartet meldete Tauren sich zu Wort und ich drehte unmittelbar den Kopf in seine Richtung, als sich das Gehuste im Raum breit machte. Ich wendete den Blick nicht von ihm ab, auch nicht als er zu Ende gesprochen hatte, was wohlgemerkt sehr kläglich von statten ging. Cosma war so nett und kümmerte sich um das Wasser, wofür ich ganz dankbar war. Ich hatte nicht wirklich die Motivation dazu, heute auch nur noch einen einzigen Schritt zu viel zu machen. Stattdessen hielt ich seinen geschlagenen, müden Blick mit meinem und nickte ihm nach ein paar Sekunden schließlich anerkennend zu. Als simples, aber durchaus ernst gemeintes Zeichen dafür, dass ich ihm das hoch anrechnete und mein Wort halten würde, so wie ich es immer tat. Dann kam Cosma auch schon wieder zurück, aber ich zog es ohnehin vor mit jenem Gespräch zu warten, bis Tauren wieder etwas besser beisammen war. Er konnte kaum reden, da sollte er sich ruhig erst schonen. Mein Blick wanderte also noch einmal zu Cosma und ich meldete mich vorerst mit den knappen Worten "Ich geh mal hoch." ab. Schlug den Weg in das zwangsweise gemeinsame Zimmer der beiden Auserwählten an, wo ich sie vermutlich erst einmal reden lassen würde. Mir ihre Version der Dinge schildern ließ, bevor ich zum Donnerwetter ansetzte. Mein Gesichtsausdruck war entsprechend der schlechten Wetterprognose auch recht finster.
Der Blickwechsel mit Hunter war zugegeben ungewohnt. Ich hätte nicht sagen können, wann er mich das letzte Mal so verhältnismäßig ruhig, ja für seine Verhältnisse schon fast sanft angesehen hatte. Zwar erwiderte ich das Nicken nur mit einem recht eindeutigen zu- und wieder aufschlagen meiner Augenlider, aber die Botschaft war wohl klar. Ich konnte schlecht bis gar nicht einschätzen, ob er wirklich begeistert davon war, dass ich die Misere wider Erwarten lebend hinter mich gebracht hatte, oder ob es ihm lieber gewesen wäre, wenn ich einfach unter der Erde gelandet wäre. Aber im Grunde war mir das in diesem Moment auch vollkommen gleich, weil ich schon vollkommen damit zufrieden sein würde, dass er sein Versprechen vor der Aktion einlöste, auch wenn er die Bezahlung nicht ganz definiert hatte. Natürlich war ein Teil der Belohnung das Wiedererlangen seines Respekts, aber was den Schotter anging hatte er keine Zahlen genannt. Sollte ich die Operation selbst bezahlen müssen, würde ich mindestens einen Aufschlag in genau dieser Summe verlangen, weil es schließlich nicht meine Idee gewesen war mit dem Sensenmann zu tanzen. Ich war heilfroh um das Wasser, das Cosma wenig später aus der Küche mitbrachte und kam damit an den Punkt, an dem ich mich zwangsweise zumindest ein kleines bisschen aufrichten musste. Im Liegen ließ es sich mehr schlecht als recht trinken, also kam ich nicht wirklich drum herum. Ich bewegte den linken Arm langsam und mit Bedacht, als ich die Hand auf das Polster legte und mich schließlich auf Biegen und Brechen etwas schräg zumindest so halb zum Sitzen aufrichtete. Auch das war nicht ohne sichtlich angestrengten Gesichtsausdruck und ein von Schmerzen unterlegtes Einziehen der Luft zu bewerkstelligen, weshalb ich im Anschluss auf den einarmigen Kraftakt einmal tief durchatmete. Hunter verschwand indessen aus dem Raum und ich sah ihm kurz nach, bevor ich das Glas mit noch etwas zittriger, schwacher linker Hand entgegen nahm. "Danke.", ließ ich der Rothaarigen leise gemurmelt meinen Dank zukommen und schluckte noch einmal leise, bevor ich das Glas an meine Lippen hob und erstmal das halbe Glas leer trank. Im Anschluss daran räusperte ich ein weiteres Mal, was das trockene Gefühl im Hals noch weiter linderte. Dann wanderte mein Blick auf die andere Hand der jungen Frau, die mit Pillen gespickt war. Was auf der Packung drauf stand konnte ich wegen ihrer Finger und der noch minimal schwummrigen Sicht nicht lesen, weshalb meine Augen den Weg zu ihren fanden. "Wenn das Schmerzmittel ist, dann gib' mir bitte gleich die ganze Packung.", wollte ich eigentlich eine ziemlich ironische Bemerkung machen, aber der ironische Unterton ging irgendwo in meinem noch immer leicht kratzigen Rachen ein bisschen verloren, als meine Stimme wieder dünner wurde. Dass ich mich nicht umbringen wollte, indem ich mir jetzt eine Milliarden Anti-Schmerz-Pillen zwischen die Kiemen knallte, dürfte aber auch so eigentlich klar sein. Ganz hatte ich meinen Verstand bei den Schlägen des Italieners glücklicherweise nicht verloren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja, das dachte ich mir bereits. Eine Antwort in diese Richtung war abzusehen gewesen, denn ohne ihm zu nahe treten zu wollen, sah Hunter wirklich fertig aus. Die tiefschwarzen Schatten unter seinen Augen sprachen dahingehend ihre ganze eigene Sprache und auch allgemein machte der junge Mann einen recht angeschlagenen Eindruck. Ich hoffte also inständig, dass er seine Aussage ernst meinte und nach dem Gespräch mit Sabin und Sydney tatsächlich ins Bett gehen würde. Zwar wusste ich nicht, was es jetzt genau mit den beiden zu besprechen gab - die Geschichte mit Syd hatte ich ja nur beiläufig und längst nicht in ihrem vollen Umfang mitbekommen -, aber im Grunde genommen ging mich das ja auch überhaupt nichts an. Sollte es wichtig sein, dass ich darüber ebenfalls ins Kenntnis gesetzt war, würde Hunter früher oder später auf mich zukommen und wenn nicht, bekam ich es auf andere Art und Weise mit, so einfach war das. Ich nickte ihm deshalb nur schwach zu, als er sich schließlich nach oben verabschiedete und gerne hätte ich ihm für seine Mühen und seinen Einsatz einen Kuss auf die Lippen gedrückt, aber ja, das Thema hatten wir ja jetzt bereits mehrfach durchgekaut. Ging halt nicht, weil Tauren mittlerweile wieder aufnahmefähig genug war. "Bis später.", verabschiedete ich den Amerikaner daher lediglich verbal und sah ihm noch einen Augenblick hinterher, bis er gänzlich aus dem Wohnzimmer verschwunden war. Dann widmete ich mich unserem Sorgenkind, welches sich mit Müh und Not in eine halbwegs sitzende Position aufgerafft hatte. Ihm dabei zuzusehen, wie ein Krüppel alles mit nur einem Arm meistern zu müssen, tat mir schon ein bisschen Leid, aber ich wäre auch keine große Hilfe gewesen, deswegen hatte ich es direkt sein gelassen. Er hatte es gegen Ende dann doch mehr oder weniger unproblematisch, lediglich mit Schmerzen verbunden geschafft und sich sein Glas voll Wasser geschnappt. Die Medikamente hatte ich bis dato in der Hand gehalten, im Gespräch mit Hunter beinahe vergessen, dass ich sie überhaupt mitgenommen hatte, bis mich Tauren letztlich darauf ansprach. "Eh ja... das sind Schmerzmittel.", bestätigte ich erst einmal das Offensichtliche, während ich mich wieder ins Sitzpolster des Sessels fallen ließ. Indessen hatte ich angefangen, die kleine Verpackung zu öffnen, um ihm wenig später erst eine Tablette zu überreichen. Zwar bestand der Norweger scheinbar auf den gesamten Inhalt, aber solange ich das zu unterbinden wusste, würde ich ihn ganz gezielt nur mit dem Nötigsten versorgen. Mochte sein, dass er unsagbare Schmerzen hatte. Nichtsdestotrotz sollte man sich nicht übermäßig viel auf einmal an Medikamenten einschmeißen. Er sollte lieber mit einer anfangen, wenn das nicht half, gab ich ihm gerne noch eine zweite. "Nichts da, du bekommst erst mal eine und wir schauen, wie sie anschlägt.", sprach ich meine Gedanken laut aus und streckte ihm noch während dem Sprechen meine Hand entgegen, um ihm die ovale Kapsel zu überreichen. Wenn er es darauf anlegen wollte, würde er mich vermutlich anlügen und behaupten, dass die schmerzstillende Wirkung nicht ausreichte, aber ich lebte ja nicht hinter dem Mond. Schon zweieinhalb Pillen dieser Medizin konnten beinahe ein ganzes Pferd ausknocken. Da konnte er mir erzählen, was er wollte. Mehr gab es da definitiv nicht.
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Ernüchternd. Natürlich war es gut, dass Cosma nicht beabsichtigte mich mit den Tabletten doch noch ins Jenseits zu befördern, aber bei aktuellem Stand stellte ich noch stark in Frage, inwiefern eine einzige der Pillen ausreichen würde. Wobei ich andererseits nicht mal eine Ahnung davon hatte, was genau sie mir da gerade für eine Pille entgegen brachte. Ich wusste von unserem kleinen Opiat-Trip auf ihrem Sofa noch bestens, dass sie durchaus auch ein paar härtere Schmerzkiller im Schrank hatte und deswegen dachte ich kurzzeitig tatsächlich noch darüber nach, als ich die Kapsel dann in der Hand hielt. Sah sie einen Moment lang an, zuckte kaum sichtbar mit den Schultern und nahm sie dann einfach, dicht gefolgt von der zweiten Hälfte des Inhalts in dem schlichten Glas in meiner linken Hand. Cosma würde schon wissen was sie mir gab, so weit vertraute ich ihr dann doch. "Unter welche Drogen setzt du mich diesmal?", hakte ich dann trotzdem der Neugier wegen nach, als ich mich mit zusammengebissenen Zähnen zum Couchtisch lehnte und das durchsichtige Glas darauf abstellte. Danach kippte ich des Kräftemangels wegen ein wenig unsanft zurück an die Sofalehne, was mir ein leises Grummeln entlockte. Tat wieder ordentlich weh, aber half ja nichts. Ich würde auf die Wirkung des Schmerzmittels warten müssen, was das anging. Dann kam mir aber noch ein anderer Gedanke. Warum war die Rothaarige eigentlich hier? So langsam lichtete sich der neblige Schleier in meinen Gehirnwindungen und ich fand zumindest nicht auf Anhieb eine plausible Erklärung dafür, warum sie hier war. Hunter hatte hier augenscheinlich etwas zu tun und hätte theoretisch auch einfach so mal nach mir sehen können, auch wenn ihm das eher weniger ähnlich sehen würde. Vielleicht einfach nur, weil er hoffte, dass ich den Löffel doch noch abgab und er seine Kohle behalten konnte, was wusste ich schon. Es stand gefühlt noch mehr zwischen uns beiden, als es vor meiner inoffiziellen Mission der Fall gewesen war, zumindest von meiner Seite aus. Nicken hin oder her, irgendwie traute ich dem Amerikaner nach wie vor nicht über den Weg was das anging. Das würde sich bestimmt erst ändern, wenn wir uns dahingehend unterhalten hatten. Warum Cosma aber hier war, leuchtete mir nicht ein. Er fuhr die junge Frau nur unwahrscheinlich seit neuestem immer mit sich herum, nur weil ich nicht mehr vor der Bar stand. Ob sie mit Sabin hatte reden wollen? Keine Ahnung, ich wusste ja auch nicht inwiefern die beiden wirklich befreundet waren, aber er hatte eine halbe Ewigkeit in der Bar gearbeitet und das so gut wie jeden Tag. War potenziell möglich, hielt ich aber auch für sehr unwahrscheinlich. "Warum bist du überhaupt hier?", schob ich also nach einigen Sekunden noch eine zweite Frage hinterher, erneut der Neugierde wegen. Die war bei mir eben sehr präsent, auch wenn ich halbtot auf dem Sofa saß.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ganz schön ambitioniert, nach einer ganzen Packung Schmerzmittel zu fragen, wenn man noch nicht einmal wusste, was genau einem da jetzt angedreht wurde. Mal ganz abgesehen davon, dass so ziemliches jedes Medikament in zu hohen Dosen tödlich war, hätte ihm das Buprenorphin das Ableben noch einmal richtig zur Hölle gemacht. Bevor ihm die Atemdepression das letzte Bisschen Luft aus den Lungen quetschte, würden ihn Krämpfe, Halluzinationen und ein anstrengender Tinnitus plagen. An der Stelle formulierte ich es mal nett und freundlich, dass es deutlich schönere Arten gab, im Leben abzudanken. Aber das war, wie immer, nur meine Meinung. Vielleicht sah mein Gegenüber das ja ganz anders. "Buprenorphin. Das sind die letzten, also gewöhn' dich besser nicht dran.", scherzte ich mit einem hörbar ironischen Unterton, während er die Pille erst einmal misstrauisch beäugte und sie dann wortlos mit einem Schluck Wasser und einem Schulterzucken herunter schluckte. Kurz darauf folgten ein paar schmerzverzerrte Geräusche, weil das Wegstellen des Behältnisses einen Umstand darzustellen schien. Gut, da hätte ich vielleicht helfen können, aber er wirkte plötzlich recht agil für die Menge an Verletzungen. Ich staunte also nicht schlecht und vergaß dabei ganz offensichtlich, dass er hier und da vermutlich doch ein wenig mehr Hilfe gebrauchen könnte. Für's nächste Mal wusste ich das dann. Hinsichtlich seiner zweiten Frage musste ich erst einmal in mich gehen. Denn ihm die Wahrheit zu sagen, erschien mir an der Stelle etwas... na ja, ungünstig eben. Es gab nämlich keinen plausiblen Grund dafür, der erklären würde, warum ich mal eben bei Hunter mitgefahren war. Aber irgendwas musste ich ihm ja als Antwort geben. Also überlegte ich, hatte dabei vollkommen die Zeit aus den Augen verloren und setzte erst eine halbe Minute später - absolut unauffällig, ja ja - zu ein paar Worten an, die zwar nicht unbedingt glaubwürdig klangen, aber immerhin ein Stück weit der Wahrheit entsprachen: "Na ja, du hast ziemlich viel Blut verloren und brauchtest eine Transfusion. Nur hat hier im Haus leider niemand deine Blutgruppe, also hat Sabin mich angerufen und sich erkundigt, ob ich eventuell passen könnte und ta da.", ich zeigte ihm zum Unterstreichen der Aussage den Einstich in meiner linken Armbeuge. "Und nach der Blutspende war ich ziemlich K. O., deswegen bin ich dann hier geblieben.", hängte ich weitere Worten hinten dran, um zumindest noch so gut es ging an der Glaubwürdigkeit zu schrauben. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass Hunter und ich uns in letzter Zeit öfter mal in meiner Wohnung trafen und ich nur deshalb den Anruf von Derek mitbekommen hatte. Diese ganze Geheimniskrämerei ging mir langsam nur noch auf die Nerven. Ständig mussten wir irgendwen belügen, konnten uns im Beisein anderer nicht nahe kommen. Das war doch Scheiße so. Beizeiten würde ich mir Hunter deswegen wohl mal zur Seite nehmen und ihn fragen, wann er denn gedachte, dass Ganze so langsam aber sicher an die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Immerhin waren wir uns mittlerweile eigentlich beide ziemlich sicher, dass das zwischen uns durchaus ernst war. Und in Gefahr war ich aufgrund meiner Bekanntschaft zu ihm ohnehin. Allerdings auch nicht mehr, als es Sabin, Sydney oder Richard waren. Wenn es nach mir ginge, könnte das Versteckspiel also so langsam ein Ende finden.
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Ah, es waren also auch dieses Mal wieder Opiate. Nicht etwas sowas simples wie Ibuprofen, wobei ich ohnehin stark bezweifelte, dass letztere eine ausreichend schmerzlindernde Wirkung erzielt hätten. Sowas war ja für Entzündungshemmung und leichtere Schmerzen ganz nett, aber nicht, wenn einen der Schmerz gefühlt nur noch gerade so vom Sterben abhielt. Fast genauso sehr störte mich eben die Tatsache, dass ich heute wohl in jedem Fall noch auf ein wenig Hilfe angewiesen war und ich hasste das. Um zu wissen, dass ich keinen Fuß vor den anderen setzen können würde, brauchte ich es nicht einmal zu versuchen. Mir zitterten auch so schon bei jeder Bewegung die Arme, da sah es mit den Beinen sicher kaum anders aus. Noch dazu müsste ich da eigentlich auch nach wie vor die Stichwunden haben, auch wenn ich die kaum spürte, solange ich die Beine nicht bewegte. Es schwemmte wegen all der Prellungen so ein allgemeiner Schmerz durch meinen gesamten Körper, das einzelne schlimmere Verletzungen schlecht auszumachen waren. "Ich würde auch eher nur ungern abhängig werden, also...", erwiderte ich so sarkastisch, wie es mir in diesem Augenblick möglich war. Wollte ich wirklich nicht, ich hatte - sehr offensichtlich - auch so schon genug körperliche Probleme. Würde die Schmerzmittel frühestmöglich wieder absetzen und gegen mildere ersetzen, damit ich dahingehend nicht zu sehr in Bedrängnis geraten würde. Für die nächste Antwort brauchte die Rothaarige tatsächlich ein wenig länger. War an sich aber auch nicht besonders schlimm, weil ich ihr kaum weglaufen würde. Es war zwar irgendwie ein bisschen komisch, dass sie so lange brauchte, um sich an die Ursache entsinnen zu können und natürlich konnte ich nicht wissen, ob Cosma mir hier jetzt wirklich die Wahrheit sagte, aber das war auch nicht so wichtig in dem Moment. Zumindest am Kern der Blutspende-Geschichte war augenscheinlich etwas dran, weil ich nicht wüsste, wieso sie sonst einen Nadelstich in der Armbeuge haben sollte. Ich glaubte jetzt mal nicht, dass sie sich seit neuestem irgendwelche härteren Drogen in den Arm spritzte, weil sie eigentlich ganz fit aussah und das nicht unbedingt ins Bild einer Drogenabhängigen passen würde. "Danke... schätze, ich wäre ohne wohl wirklich abgekratzt.", bedankte ich mich auch in dieser Hinsicht bei der jungen Frau, weil ich es für mehr als angebracht hielt. Ich hatte leider mit eigenen Augen gesehen, wie sich nach Beginn des eher erst gegen Ende der Folter einsetzenden Messerspiels immer mehr Blut auf meinen Klamotten und auch auf dem Boden gesammelt hatte. Kein schöner Anblick und spätestens an diesem Punkt hatte ich auch wirklich fest mit meinem Ableben gerechnet. "Wie lang war ich überhaupt weg?", brachte ich die nächste Frage hervor, weil ich mir nicht mehr sicher war. Zwei oder doch drei Tage? Mein Magen sagte auf jeden Fall drei, aber mein Kopf war sich da nicht so sicher. Ich war fast immer in einem fensterlosen Raum gewesen, da ließ sich die Zeit wirklich verflucht schlecht kalkulieren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das war Musik in meinen Ohren, wenn ich ehrlich sein sollte. Ich war froh um jede Seele, die sich nicht dauerhaft mit irgendwelchen harten Drogen das Leben ... na ja, lebenswerter gestalten musste. Ich konnte aus Erfahrung sprechen, dass das auf lange Sicht nämlich gar nicht so viel brachte. Klar, hin und wieder kokste ich auch heute noch, aber das war früher noch sehr viel extremer gewesen und zumindest Richard - teilweise auch Hunter -, wussten, wie das ausgeartet war. Man schmiss endlos viel Geld aus dem Fenster, um kurz darauf scheintot in irgendeiner Ecke zu verwesen. Danke, aber nein danke, die Zeiten hatte ich hinter mir gelassen und bereute nicht einmal im Ansatz, diesen Schritt gemacht zu haben. Gut, der Schritt war Alles in Allem zwar der finanzielle Bankrott und die daraus resultierenden Tatsache, dass ich mir den Stoff schlichtweg nicht mehr leisten konnte. Um meinen Körper zu verkaufen, war ich damals wie heute einfach viel zu stolz gewesen, andernfalls hätte ich wohl noch eine Weile weiter konsumiert, aber das spielte heute nun wirklich keine Rolle mehr. Wichtig war, dass ich den Absprung geschafft hatte und mittlerweile eigentlich nur noch Marihuana konsumierte. War nicht ganz so teuer, ließ einen in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren und machte lediglich psychisch abhängig. Sich davon zu lösen, hatte also nur wenig bis überhaupt keine Auswirkungen auf den Körper. Das konnte man von Heroin oder Kokain zum Beispiel nicht so leicht behaupten. "Dann wäre das ja geklärt..", stellte ich unnötigerweise auch noch einmal für Tauren gut hörbar fest, dass ich fast ein wenig froh war, ihn nicht potenziell an irgendeine Droge zu verlieren. Dafür hatte er noch viel zu viele Jahre vor sich, die er weitaus besser gestalten konnte, als mit irgendwelchen - im wahrsten Sinne des Wortes - vercrackten Drogentrips. Er hatte sicher schon einiges erlebt, keine Frage, aber die Zeiten einer Abhängigkeit, egal welcher Art, waren irgendwie ... scheiße. Auf ihre eigene, verkackte Arte und Weise. Überscheiße einfach. Was dann die Sache mit dem Blut spenden anging, winkte ich lediglich mit der Hand ab. Er brauchte sich dafür nicht zu bedanken. Ich war mir zwar nicht unbedingt sicher, ob er das Gleiche für mich getan hätte, aber selbst wenn nicht, würde ich es wohl immer und immer wieder tun. Nicht zuletzt, um mein eigenes Gewissen zu beruhigen, denn jemanden meine Hilfe zu verweigern, mit dem ich eigentlich ganz gut war, würde mich früher oder später von innen auffressen, wenn dieser Jemand blöderweise ins Gras biss deswegen. Und diese Last wollte ich mir selbst einfach nicht aufbürden, wo mein Leben zum aktuellen Zeitpunkt eigentlich ganz lebenswert war. Mal von den nervigen Italienern ganz abgesehen. "Brauchst dich nicht bedanken. Hab ich gern gemacht und würde ich wohl auch wieder tun. Ich würde dich nur bitten, mit weiteren Blutungen noch ein bisschen zu warten. Ich glaube, mein Körper hat sich noch nicht vollständig vom gestrigen Eingriff erholt.", stellte ich nachdenklich, wenn allerdings auch ziemlich ironisch fest, verdrehte dabei grinsend meine Augen. Ich ging jetzt einfach mal nicht davon aus, dass Tauren sich in der nächsten Zeit großherrlich vor die Tür begeben würde und wenn, dann würde er Prügeleien wohl so gut es ging meiden. Das wollte ich zumindest hoffen. Auf seine letzte Frage konnte ich ihm dann allerdings keine konkrete Antwort geben. Zumindest hing es stark davon ab, wie er weg jetzt interpretierte. "Mhm, also wie lange du in Tagen weg warst, keine Ahnung... wie lange du bewusstlos warst: vielleicht um die zehn bis zwölf Stunden, würde ich schätzen.", beantwortete ich daher gleich beide Interpretationsmöglichkeiten, gefolgt von einem schwachen Schulterzucken. "Sah jedenfalls nicht gut aus und ich bin froh, dass ich jetzt hier sitzen und mit dir reden kann." Und das meinte ich ernst. Tauren und ich mochten uns nicht gut kennen, stritten uns sogar manchmal, wenn er sich beim Aushelfen ein bisschen zu blöd anstellte, aber im Grunde genommen war er ein netter Kerl und ich wusste seine Präsenz zu schätzen. Ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, um zu sagen, dass ich bei seinem Tod Tränen vergossen hätte, aber getroffen hätte er mich allemal.
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Gut, dann war die Sache mit dem Drogenkonsum hier ja vorerst abgehakt. Opiat hin oder her, so weit es ging würde ich es meiden und gut war. Es tat irgendwie doch auch gut zu hören, dass Cosma das mit dem Blut weder bereute, noch sich andernfalls in irgendeiner Form deshalb bei mir bescheren wollte. Zwar würde ich ihr dann vermutlich schon ins Gesicht sagen, dass sie es ja nicht tun hätte müssen, aber das wäre für uns beide unangenehm geworden. So hatten wir beide mehr von ihrer Aktion und kurzzeitig zuckten meine Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben, aber das verschwand dann doch sehr schnell wieder. Mein schmerzendes Gesicht wollte das nicht so recht mitmachen, auch wenn die schmerzlindernde Wirkung des Medikaments langsam angekrochen kam. Für meinen Geschmack nach wie vor viel zu langsam, aber zaubern konnten die Medikamente halt nicht und Cosma genauso wenig. "Nein, keine Sorge... von Fäusten und Messern hab ich glaub' ich erstmal genug. Aber ich sag Bescheid, wenn sich's ändert.", erwiderte ich wenig ernst gemeint, weil ich schlichtweg kein Masochist war. Ich verkraftete Schmerzen ganz gut - sonst hätte ich dem Metier oder gar meinem Leben sicher längst den Rücken gekehrt -, aber ich brauchte sie weiß Gott nicht. Erst recht nicht in diesem Ausmaß und ich hoffte inständig, dass Hunter mich eine ganze Weile Pause machen lassen würde. Eben so lange bis ich schmerzfrei gehen und zumindest wieder Sport machen konnte. Als halber Krüppel wollte ich wirklich noch nicht wieder zurück auf die Straße, egal wie sehr er gerade not am Mann hatte. Der Amerikaner hatte mich da schließlich reingeschickt, sollte er also auch mit den Folgen leben. Cosma schien leider nicht auf dem Schirm zu haben, wann ich von den Arschlöchern eingesammelt wurde und konnte mir dahingehend keine brauchbare Antwort geben. Stattdessen nannte sie mir aber die ebenfalls recht informative Zeitspanne für meine Bewusstlosigkeit. Offenbar war ich wirklich einige Stunden lang weg gewesen, was mir gar nicht so vor kam. Aber wie sollte es das auch, wenn ich einen halben Tag lang absolut gar nichts mitgeschnitten hatte? "Fühlt sich an wie höchstens zwölf Minuten.", stellte ich ernüchternd fest, weil ich nun mal einfach richtig kaputt war. Voraussichtlich würde es sicher auch noch ein wenig dauern, bis ich eine merkliche Verbesserung spürte. Immerhin war das Schmerzmittel auf einem guten Weg dazu, mir den Sinn fürs Schmerzempfinden abhanden kommen zu lassen und das war in meinen Augen zweifelsfrei eine maßgebliche Steigerung meines Wohlbefindens. "Bleibst du länger oder werden Sabin und Sydney meine Krankenschwestern?", stellte ich Cosma auch schon die nächste Frage, die mir in den Sinn kam. Sie hatte jedoch die Bar, die es in meinen Augen schon recht unwahrscheinlich machte, dass sie mir wieder ein bisschen das gesund werden erleichtern würde. Hatte sie letztes Mal aber gut gemacht, war schade. Ich hatte ja keinen Dunst davon, dass ich auf dem Sofa hier gar nicht mehr sonderlich lang liegen bleiben konnte, weil schon mein nächster Umzug geplant wurde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hoffentlich nicht. Ich hoffte wirklich inständig, dass er sich mit etwaigen Auseinandersetzungen erst einmal für eine Weile zurück hielt. Dabei ging es mir nicht einmal spezifisch darum, wann wir wieder an einem gemeinsamen Schlauch hingen, sondern viel mehr darum, dass noch ein Übergriff dieser Art ziemlich sicher tödlich für ihn endete. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Körper binnen kürzester Zeit wieder zu Höchstleistungen im Regenerations- und Heilungsprozess zurück kehrte. In Anbetracht dessen wäre die nächste, kleinere Verletzung vielleicht sogar schlimmer, als die aktuellen es waren. Der menschliche Körper barg so seine Phänomene, aber als Äquivalent dazu eben auch seine Tücken. Wir beließen es also am besten dabei, dass er die Füße lange genug still hielt, bis auch der letzte Rest an Wunden verheilt war. Erst dann würde ich ihm wieder erlauben, auf die Straße zu gehen - weil ich dahingehend ja auch so viel zu sagen hatte, ha ha. Nachdem ich mich mit der Decke erneut gegen die Kälte gewappnet hatte, schenkte ich Taurens nachfolgenden Worten wieder meine volle Aufmerksamkeit. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich gerade in der aktuellen Situation noch ziemlich matt und kaputt fühlte. Das lag nicht zuletzt daran, dass er vermutlich auch bei der OP wieder einiges an Blut verloren hatte und trotz einer Infusion, die der Doc sicher mitgebracht hatte, erst einmal wieder zu Kräften kommen musste. Augenscheinlich war er aber auf dem besten Weg dorthin, wirkte er Alles in Allem zumindest ein klein wenig entspannter. Würde das Schmerzmittel erst einmal seine volle Wirkung entfaltet haben, würde er sich wie auf Wolken fliegend fühlen. Ich kannte das Zeug, war kein schlechtes, aber benutzen tat ich es auch nur im absoluten Notfall. Nicht, dass es großes Suchtpotenzial barg, ganz im Gegenteil. In der Medizin wurde es sehr viel eher zur Subvention eingesetzt, aber psychisch wurde man dennoch recht schnell mal von etwas abhängig, was einem das gewisse wie-in-Watte-gepackt-Gefühl gab. Auch hier sprach ich aus Erfahrung. "Gib dem Buprenorphin noch ein bisschen Zeit, dann fühlst du dich nicht mehr so kaputt, glaub mir. Das Zeug haut dich echt aus den Socken und wenn du danach nicht zumindest etwas erholter bist, dann weiß ich auch nicht. Die nächsten vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden solltest du eigentlich keine großen oder zumindest nicht ganz so penetrante Schmerzen haben.", antwortete ich schief grinsend, weil es schlicht unmöglich war, sich nach der Dosierung nicht besser zu fühlen. Wieder ein kurzer Flashback in alte Zeiten. Damals hatte mir der Mist geholfen, vom Kokain wegzukommen und das hatte, wie man heute sehen konnte, ziemlich gut geklappt. Hatte also schon was drauf, dieses kleine Wundermittelchen. Wo ich bei den letzten, teilweise nicht ganz nachvollziehbaren Fragen nur ein wenig geschmunzelt, hier und da maximal gegrinst hatte, musste ich bei Taurens letzter Frage, die er scheinbar ernst meinte, doch leise auflachen. "Ich muss dich leider enttäuschen. Das Krankenschwester-Tutu geht in dem Fall wohl an Sabin oder Syd, wobei letztere momentan selber Hilfe zu brauchen scheint. Also ja...", antwortete ich ehrlich, wieder gefolgt von einem schwachen Schulterzucken. Ich hatte nämlich, um ehrlich zu sein, nicht sehr viel Lust, mich neben der regulären Arbeit in der Bar auch noch um den kranken Norweger zu kümmern. Außerdem hätte da ein etwas temperamentvoller Hunter wohl etwas gegen einzuwenden.
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Das klang absolut hervorragend. Vielleicht brauchten das Medikament noch zwei oder drei Minuten, aber danach hatte ich wohl eine lange Zeit zumindest was die Schmerzen anging meine Ruhe. Cosmas Worte diesbezüglich waren wie Musik in meinen Ohren und ich hätte glatt selig vor mich hingelächelt, wenn das Zeug schon besser wirken würde. Aber allzu lange würde es sicher nicht mehr brauchen, dämpfte es den Schmerz doch von Minute zu Minute immer weiter und setzte mich damit körperlich gefühlt in den angenehmen Schleier zurück, den ich vorhin mit dem Geiste verlassen hatte. Ich würde immer tiefer hineingehen, bis der Schmerz gänzlich vorüber zu sein schien, obwohl er eigentlich nur unterdrückt wurde. War mir aber egal, die Illusion reichte mir in diesem Fall wirklich aus. Die verletzungsbedingte körperliche Schwäche konnte das Schmerzmittel mir zwar nicht nehmen, aber ich fing dennoch an mich besser zu fühlen. "Du erzählst mir da gerade eine wahre Symphonie...", kommentierte ich ihre Worte wieder ein wenig sarkastisch, aber durchaus ernst gemeint. Nichts klang in meinen Ohren in diesem Augenblick besser, als die Schmerzen für einige Stunden los zu werden. Die Antwort auf meine letzte Frage gefiel mir hingegen weniger gut. War zwar nicht notwendig, dass Cosma die Stelle als Teilzeit-Krankenschwester annahm, aber mit ihr konnte ich wenigstens hin und wieder ein bisschen reden. Natürlich rauschten wir was ihre Geschäfte anging manchmal aneinander, weil ich dabei einfach nie sonderlich motiviert zur Sache ging - weil es ganz einfach nicht meine eigentliche Arbeit war -, aber wir verstanden uns trotzdem ganz gut was die Freizeit anging. Konnten uns hier und da mal auf den Arm nehmen, ohne dass einer gleich beleidigt war. Gut, vielleicht hatten wir das Witze machen an dem einen Abend etwas zu ernst genommen, aber das hieß nun wirklich nicht, dass wir uns nicht weiterhin gut verstehen konnten. Ich konnte mich fast schon nicht mehr dran erinnern, wann Sex das letzte mal irgendwie mehr als nur Sex gewesen war. Man fand nicht so leicht Frauen, die mit einem Mörder klar kamen und gleichzeitig aber selber nicht komplett wirr im Kopf waren. Wir waren uns denke ich also sehr einig damit, dass das nicht viel mehr als ein sehr angenehmer Ausrutscher gewesen war, sonst hätte Cosma sich in der Zwischenzeit sehr sicher mal dahingehend bemerkbar gemacht. Auf den Mund gefallen war sie schließlich nicht. "Pff... da spielt man schon den Helden für Alle und das ist dein Dank, ja? Ich bin mir sehr sicher, dass es dir aber am besten steht. Von Sabin krieg ich höchstens Alpträume.", seufzte ich theatralisch angehaucht, was ziemlich deutlich machen würde, dass das nicht ernst gemeint war. Lediglich ein Witz, weil ich mir die Stimmung anders nicht aufzuhellen wusste. Ironie und Sarkasmus waren nun mal mein Zweit- und Drittname, da konnte ich ruhig oft auf beide zurückgreifen. Ich rutschte jetzt - absolut niedergeschlagen von Cosmas Veto, wie ich halt war - wieder deutlich tiefer auf dem Sofa, machte es mir wieder eher im Liegen bequem. Tat auch kaum mehr weh, wie mir dabei auffiel, auch wenn ich mangels Kraft trotzdem ein wenig umständlich zurück auf den Rücken fand. Mich schließlich vorsichtig auf den unverletzten Arm drehte, um nicht permanent den Kopf drehen und die Rothaarige so besser ansehen zu können.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Konnte ich absolut nachvollziehen. Ich wollte mir wirklich nicht ausmalen, was für schreckliche Schmerzen Tauren gehabt haben musste, beziehungsweise immer noch hatte, da sehnte er sich ganz sicher nach einer kleinen Auszeit, ohne dabei bewusstlos sein zu müssen. Die Bluttransfusion hatte ohne Medikamentengabe funktioniert und ich ging zum jetzigen Zeitpunkt fest davon aus, dass Sabin auf beim Verarzten der Schnittwunden darauf verzichtet hatte und dennoch bekam der Norweger während des Eingriffs nicht viel davon mit. Wieder ein durchaus interessanter Punkt, dass der Körper ab einem gewissen Grad an Schmerzen von selbst abschaltete. Nur leider konnte man so nur bedingt eigenständig atmen oder und schon gar nicht alleine leben. Nicht umsonst hingen Komapatienten, was im Prinzip die nächste Stufe nach vollkommener Bewusstlosigkeit war, für gewöhnlich an Beatmungsgeräten. War also schon nicht schlecht, dass irgendein schlaues Köpfchen vor etlichen Jahren mal darüber nachgedacht hatte, irgendeinen Mohn zu kompostieren und im Anschluss daran zu destillieren. Zwar erschloss sich mir der Sinn hinter diesem Gedankengang nicht, aber grundlegend war das auch vollkommen belanglos. Die Hauptsache war doch, dass es den Menschen damit besser ging. Die Wissenschaft hatte dahingehend natürlich auch einiges vereinfacht, angepasst und perfektioniert, das musste man dazu sagen. Daher wurden Opiate natürlich auch gerne missbraucht und in dem Zusammenhang fanden wohl reichlich Straftaten statt, aber die würde es auch ohne Schmerzmittel geben. Dann kloppten sich die Idioten eben um die letzte Rolle Klopapier oder was, keine Ahnung. Jedenfalls erheiterte die sedierende Wirkung scheinbar Taurens Laune, denn ich erkannte einige Muster wieder, die ich an ihm bereits kennen lernen durfte. Zu dem Zeitpunkt war ich zwar auch ziemlich breit gewesen, aber auch nüchtern betrachtet, konnte er einen mit seinen absolut wirren Aussagen zum Lachen bringen. Wie zum Beispiel in diesem Fall. Ich musste mir im direkten Anschluss an seine Worte vorstellen, wie Sabin wohl in einem Krankenschwester Outfit aussehen würde ... und das Ergebnis war definitiv nicht zufriedenstellend. Ich schüttelte mich lachend ein wenig, wollte damit die Gänsehaut abschütteln, die sich durch die Vorstellung über meine Haut ausgebreitet hatte. "Okay, okay, touché. Ich meine, mit einem brasilianischem Waxing kann man da bestimmt noch ein bisschen was retten, aber alles in allem muss ich dir wohl zustimmen. Was die Sache mit dem Dank angeht, Freundchen...", - ich hob erneut den Arm mit dem Einstich, um meine darauffolgenden Worte zu unterstreichen - "wir sind jetzt temporär sowas wie verwandt. Blutsverwandte oder so. Ist der Gedanke nicht ein Stück zu pervers, sich seine Blutsschwester über acht Ecken in einem Krankenschwester Outfit vorzustellen?", stellte ich lachend eine absolut nicht ernst gemeinte Gegenfrage, bei der ich meine Lautstärke kaum in Griff hatte. Zum Einen nervte mich die Beschallung aus der Küche dermaßen, dass ich aus Prinzip schon etwas lauter reden musste und zum Anderen musste ich meine Stimme erheben, damit auch alles bei dem jungen Mann ankam. Das Sofa und der Sessel standen zwar relativ nah beieinander, aber sowohl Tauren, als auch ich waren tief ins Polster versunken. Da konnte auf dem Kommunikationskanal durchaus mal etwas verloren gehen, wenn man nicht laut genug redete. Und selbst wenn es die Anwesenden um uns herum mitbekamen... wir beide wussten, dass wir nur Spaß machten und das war ja wohl die Hauptsache. Es mochte sich vermutlich fies anhören, aber ich hatte meinen Lebtag nicht darüber nachgedacht, mit Tauren etwas Ernsteres anzufangen. Dazu war er mir einfach zu naiv und unberührt. So... ach, keine Ahnung, ich konnte es nicht genau beschreiben, was mich an ihm als Beziehungspartner so störte, wirklich nicht. Faktisch war er für mich wohl einfach nicht kaputt genug.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Dafür hatte ich zwei sehr simple, aber dafür aussagekräftige Worte übrig - bitte nicht. Ich war sehr weit davon entfernt schwul oder bisexuell zu sein, da brachte auch ein bisschen Waxing absolut Nichts mehr. Zumal ich mir auch fast sicher dabei war, dass der Italiener das nicht freiwillig über sich ergehen lassen würde. Weder im Intimbereich, noch sonst irgendwo. Er war kein Stripper und ich wusste zwar nicht, wie das bei anderen Männern war, aber ich fühlte mich ohne Haare an den Beinen schon irgendwie ziemlich unmännlich. Das hatte ich wegen einer Wette in meiner Jugend leider schon herausfinden müssen, als ich an beiden Beinen bis zu den Knien mit irgendwelchen Wachsstreifen die Haare lassen musste. Ein Wetteinsatz, den ich so ganz sicher nie wieder tätigen würde. War zum einen furchtbar unangenehm und schmerzhaft, wenn einem die Haare aus der Haut gerissen wurden und zum anderen fühlte man sich im Anschluss irgendwie einfach nackt. Ich war eine gefühlte Ewigkeit nur mit langer Hose raus gegangen, was hier oben in Norwegen zum Glück sogar im Sommer erträglich war. Das Thermometer knackte nur eher selten mal die 25 Grad, war also absolut kein Weltuntergang. Der Blick in den langen Spiegel im Flur hingegen war an den Beinen unbekleidet sehr unschön gewesen. Ich hatte einen Moment lang daran zurückgedacht und mein Blick war deswegen auch kurzzeitig etwas leer geworden, dann jedoch schüttelte ich mit geschlossenen Augen ein klein wenig den sich nicht mehr so schmerzlich schwer anfühlenden Kopf, soweit es in der liegenden Position eben möglich war, um die vorangegangenen Bilder loszuwerden. Tatsächlich war der Schmerz inzwischen so gut wie weggeblasen. "Frauen, die sich völlig egal an welcher Stelle waxen lassen, müssen echt 'nen Hang zum Masochismus haben.", stellte ich nochmal ganz offiziell fest, als die Augen wieder offen und der Blick erneut auf Cosma gerichtet war. Genug Waxing für heute, die bildliche Vorstellung und die Erinnerung an den Schmerz an den Beinen reichte mir wirklich vollkommen. Die Geschichte mit der vorübergehenden Blutsverwandtschaft ließ mich nur leise prusten, weil das nun wirklich kein so gutes Argument war. Wir teilten uns ja nicht die Mutter und den Vater, sondern nur ein bisschen Blut und auch das nur vorübergehend, bis ihres irgendwann wieder aus meinem Körper verschwunden war. In ein paar Monaten dürften sämtliche ihrer Blutzellen spätestens wieder aus meinem Körper raus sein und dann hatte sich das gänzlich erledigt. "Ich will nur, dass du halbnackt in Weiß rumläufst... 'nen Braten in die Röhre schieben wollt ich dir eigentlich nicht, Schwesterherz.", rollte ich leicht grinsend mit den Augen. "Ich weiß gar nicht, warum du dich so zierst. Du bist schon nackt vor mir Bad rumgelaufen, da kannten wir uns nicht mal.", rief ich uns beiden eine kleine, aber feine Erinnerung zurück ins Gedächtnis, die ganz am Anfang unserer Bekanntschaft lag. Hach ja, die erste Nacht, die ich damals ursprünglich vor der Bar hatte verbringen wollen. Irgendwie war mir eine Leiche, ein kleines Blutbad und eine nackte Cosma dazwischen gekommen. Ein ziemlich eindeutiges, breites Grinsen schlich ich in meine Gesichtszüge, als ich an jenen Moment in ihrem Badezimmer zurückdachte. Allerdings sollte das sehr schnell wieder Geschichte sein, weil mir eine nur allzu bekannte, zornige Stimme förmlich in die Ohren sprang und mich ruckartig in Richtung Zimmertür sehen ließ.
Es schien soweit Alles geklärt zu sein. Ich war nach wie vor nicht begeistert von Sydneys Ausrutscher und das sollte zu ihren Gunsten zukünftig lieber nicht mehr vorkommen, weil sie mich dann anders kennen lernen musste oder als Abfall auf die Straße gesetzt wurde. Abfall für die Italiener, versteht sich. Dann konnten sie von mir aus mit der Brünetten machen, was sie wollten, weil sie dann nicht mehr mein Problem wäre. Kein Krimineller auf diesem Planeten konnte die Polizei besonders gut leiden, ihnen würden ganz bestimmt ein paar Dinge einfallen, die ihr das sehr gut veranschaulichen würden. Hatte ich ihr auch ziemlich genau so gesagt - noch eine Aktion wie diese und sie konnte selbst zusehen, wie sie aus der Sache heraus kam. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie zu den Bullen gehen würde, weil sie dann selbst im Knast landen würde, aber wie dem auch sein. Es sollte Sydney eine Warnung sein und sie würden sich gleich daran machen ihren Kram zusammen zu packen, damit wir hier weg konnten. Ich hatte Ashton schon angerufen, damit er die drei in einem der größeren Lieferwagen gemeinsam mit Desmond eskortierte und im neuen, wieder nur vorübergehenden Heim absetzte. Das Viertel lag auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt und war eigentlich eine recht ruhige Wohnsiedlung, in der man Kriminelle eher wenig bis gar nicht vermuten würde. Ashton hatte sich nämlich spontan dazu bereit erklärt die beiden bei sich aufzunehmen, sofern sie parallel eine Wache bekamen, weil ich ihn ja selbst an der Front brauchte. Er lebte gut, hatte sich vor etwa einem halben Jahr ein eigenes, wenn auch nur kleines Bungalow in Bar gegönnt. Inklusive kleinem Gästezimmer, das er nach eigenen Angaben gar nicht gebraucht hätte und uns jetzt aber ganz gelegen kam. Sabin und Sydney konnten sich also über ein kleines Upgrade freuen, was die Wohnsituation anging, aber hoffentlich nicht für lange. Ich würde den Italienern schon bald die Hölle heiß machen, sofern Richard sich denn dann endlich mal dazu bequemte etwas offensiver vorzugehen. Mir reichte dieses Herumgetänzel. Jedenfalls war für den Moment alles unter Dach und Fach und dementsprechend ging ich eigentlich relativ entspannt, wenn auch müde die Treppe nach unten. Ahnte dort noch nichts Böses, blieb letztlich im Türrahmen zum Wohnzimmer aber einmal kurz stehen, weil Cosma Irgendwas von einem Krankenschwester-Outfit vor sich hin redete. Sie saß wie gestern auch schon im Sessel mit dem Rücken zur Tür und Taurens Sichtfeld war auch geradeaus auf die Rothaarige beschränkt, weshalb ich ganz unverhofft einfach mal weiter lauschte. Mir kurzzeitig in den Türrahmen lehnte, wobei das gar nicht lange anhalten sollte. Der Dunkelblonde faselte noch irgendwas von Waxing und danach klappte mir beinahe die Kinnlade runter. Ich hatte ihn mehrfach gefragt, ob er auch wirklich die Finger von Cosma gelassen hatte, als ich Wind davon bekommen hatte, wie oft er statt unten weiter vor der Bar zu stehen mit zu ihr nach oben gegangen war, um stattdessen dort auf der Couch zu schlafen. Er hatte immer verneint und in diesem Augenblick fiel es mir extrem schwer, ihm das noch zu glauben. Also auch mal davon abgesehen, dass er sich meine Freundin nicht knapp bekleidet neben seinem imaginären Krankenbett auf und ab gehend vorzustellen hatte. Zwar wusste ich, dass die junge Frau jetzt streng genommen lange nicht mehr zu meinen Geschäften gehörte, seit sie den Security-Service gekündigt hatte und sie damit irgendwie Freiwild war, aber hier ging es ums Prinzip. Tauren mochte nicht wissen, dass wir eine Beziehung führten, aber bei dem leisesten Verdacht auf den Bruch der Loyalität mir gegenüber schrillten in meinem Schädel sämtliche Alarmglocken - gerade bei ihm. Dementsprechend spannten sich meine eigentlich müden Schultern mit neu gewonnener, emotionsgeladener Energie von Neuem auf die maximale Breite an, als ich den Raum schließlich mit den drohenden Worten "Ach ja, ist das so?", betrat und auf die beiden zuging. Mein wütend funkelnder Blick lag dabei einzig auf dem Invaliden, der in diesem Moment wirklich von Glück reden konnte, dass ich ungern auf komplett wehrlose, sowieso schon halbtote Menschen einschlug. "Du nennst mir jetzt besser einen verdammt guten Grund dafür, warum ich dir immer noch glauben sollte, dass da nie was gelaufen ist, weil ich dir sonst beide Arme und Beine eigenhändig brechen werde.", forderte ich ihn indirekt dazu auf, mir besser sämtliche pikante Details aufzulisten, die irgendwann irgendwie mal in Cosmas Wohnung stattgefunden hatten. Ich kam nahe dem Sofa schließlich zum Stehen, die Hände unbewusst zu Fäusten geballt. Dabei war es wirklich ungewohnt, dass sich das erste Mal nicht nur Wut wegen irgendeiner Frau breit machte, sondern auch noch die hell auflodernde Eifersucht. Ein Gefühl, das mir bis jetzt noch vollkommen fremd gewesen war, mir dafür aber umso mehr Benzin ins innere Feuer kippte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da konnte ich ihm tatsächlich nur zustimmen. So wirklich Verstand ich den Hype ums Waxing auch nicht. Ich konnte zwar nachvollziehen, dass es auf großen, weniger empfindlichen Stellen wie den Armen und Beinen eine schnellere und etwas längerfristige Alternative bot, aber sobald es in wesentlich intimere und damit sensiblere Zonen ging, würde ich wohl nach wie vor auf den klassischen Damenrasierer zurückgreifen. Kostete zwar deutlich mehr Zeit, dafür blieb einem der Schmerz erspart. Der im Übrigen sehr viel ausgeprägter war, je mehr Haare einem herausgerissen wurden. Männer litten unter waxing also tendenziell eher, als Frauen. „Dem ist so nichts mehr hinzuzufügen.“, antwortete ich breit grinsend und mit dem Kopf schüttelnd. Ich teilte mir in diesem Fall ganz sicher den Gedankengang mit Tauren, denn auch ich war der Meinung, dass ein Mann mit weniger Haaren nun mal trotzdem noch ein Mann war. Und selbst mit glattrasierten Armen und Beinen würde ein Krankenschwester Outfit an einem solchen nur bedingt gut aussehen. Also nein, ich würde den Gedanken ganz gerne verwerfen wollen, falls möglich. Ich beließ es also bei meiner letzten Aussage und beendete das Thema damit gedanklich bereits, als der Norweger den Vogel noch ein allerletztes Mal abschießen sollte. Mehr als ein lautes Prusten konnte ich darauf erst einmal nicht erwidern, weil ich mit der Art von Aussage überhaupt nicht gerechnet hatte und sie daher einen kurzen Moment lang sacken lassen musste. Und als ich gerade zu einer Antwort ansetzen und ihm beipflichten wollte, dass zumindest der letzte Teil durchaus der Wahrheit entsprach, hörte ich auch schon jemanden hinter uns das Wohnzimmer betreten. Und das nicht gerade leise, weshalb ich mich doch ein wenig überrascht in die Richtung drehte, aus der uns die knurrende Stimme entgegenkam, welche die eigentlich ausgelassene Stimmung in den nächsten Minuten wohl drastisch kippen würde. Hunter, der ganz offensichtlich kurz vor der Explosion stand, kam unweit von Tauren und mir zum Stehen, wobei sich die fragenden und zum Teil drohenden Worte ausschließlich an letzteren richteten. Ich war zugegebenermaßen etwas verwirrt, weil ich mir auf die Schnelle nicht erklären konnte, weshalb Hunters Stimmung auf einmal so umgeschlagen war. Dass er eine Zeit lang auf der anderen Seite der Wohnzimmertür gestanden und gelauscht, somit die ein oder anderen pikante Stichelei mitbekommen hatte, war mir bis dato noch überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Es brauchte mich daher einige Sekunden der Überlegung, ehe mir einleuchtete, was der Grund für den – in meinen Augen etwas übertriebenen – Aufstand sein konnte. Dann aber fiel der Groschen und ich wischte mir beinahe angestrengt über das Gesicht, versuchte, mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen, dass ich in diesem Augenblick am liebsten losgelacht hätte. Käme bestimmt nicht gut an, weder bei dem einen, noch bei dem anderen jungen Mann. So, ich schaltete also erst eine ganze Weile später, dass Hunter es scheinbar ganz und gar nicht guthieß, wenn Tauren sich mich halbnackt in einem knappen Schwestern-Outfit vorstellte, weil er scheinbar … na ja, eifersüchtig war? Gut, vielleicht lag es auch daran, dass der Norweger sich in seinen Augen sowieso schon viel zu viel herausgenommen hatte und da wäre ein erneuter Vertrauensbruch in Form einer Lüge – auch wenn sie älter war – natürlich semiproduktiv. Nur wäre das die Wahrheit auch gewesen und ich wusste nicht, inwieweit Tauren jetzt auf die Androhung seines Chefs reagieren würde. Eigentlich war es auch nicht in meinem Interesse, Hunter auf die Nase zu binden, dass da tatsächlich einmal mehr gewesen war. An jenem Tag, als wir die klar gesetzten Grenzen des Neckens überschritten hatten… Aber seitdem war nichts weiter vorgefallen und daher war der Ausrutscher in meinen Augen auch absolut nicht nennenswert. Konnte ruhig unter den Teppich gekehrt werden, wenn man mich fragte. Nun, ich versuchte jedenfalls, die etwas miese Stimmung ein wenig zu lockern, indem ich mein Grinsen von vor wenigen Augenblicken beibehielt, als ich zu folgender Antwort ansetzte: „Hey, ganz ruhig. Ich glaube, dir fehlt einfach ein bisschen der Kontext, Hunter.“, setzte ich vorsichtig an und überlegte parallel dazu, wie ich meinen Freund jetzt nicht unbedingt anlog, aber ihm eben auch nicht die Wahrheit aufs Auge drückte. Ich versuchte also, das Gespräch einfach ein wenig umzudrehen. Ihm zu verklickern, dass gerade Taurens vorletzte Aussage ein bisschen unglücklich war, der Rest aber tatsächlich so stimmte. Und da das noch weit vor unserer Zeit war und Hunter wusste, wie spontan ich drauf war, konnte ich dahingehend tatsächlich offen reden, musste nicht lügen und würde auch den Invaliden nicht mit negativen Fakten belasten. „Wir haben gerade über Sabin im Krankenschwester Outfit geredet und Taurens Zunge war da ein bisschen vorschnell, aber wir necken uns nun mal gerne ein wenig. Ist doch nichts dabei. Und dass er mich schon einmal nackt gesehen hat, stimmt schon. Du kennst mich ja mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ich in manchen Entscheidungen sehr spontan und ebenso ignorant sein kann.“, redete ich also weiter, wobei ich ganz gezielt darauf achtete, eben nirgendwo zu versprechen, dass da nie was gelaufen war oder dergleichen. Stattdessen schob ich es lieber auf meine Spontanität, dass mich Tauren bereits nackt gesehen hatte, was in meinen Augen auch vollkommen in Ordnung gewesen war. Klar, jetzt waren die Umstände andere und es würde ganz sicher nicht mehr vorkommen, aber mein Gott, der Vorfall war mittlerweile wie lange her? Bestimmt schon mehrere Monate… Da musste man nicht noch unnötig drauf rumreiten. Ich hatte einfach das Gefühl, dass Hunters Eifersucht im Zusammenspiel mit seiner Müdigkeit und dem fehlenden Kontext gerade einfach die extrem kurze Lunte gezündet hatte.
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