Nein, dass er selbst zu Hunter ebenso wenig einen besonders guten Draht hatte wie ich selbst, das brauchte Richard eher nicht zu erwähnen. War ja selbst für mich ziemlich offensichtlich, wo ich doch schon das eine oder andere Mal die Anwesenheit beider gleichzeitig genossen hatte. Konnte man nicht wirklich so nennen, war das von einer lockeren oder netten Unterhaltung doch meist sehr weit entfernt gewesen. Was das anging musste ich mich wohl oder übel also damit abfinden, dass das komplizierte Verhältnis zu Hunter weiter bestehen bleiben und meine Jobsituation erst einmal scheiße bleiben würde. Ich wusste es wirklich zu schätzen, dass der Dunkelhaarige mir im Anschluss noch ein Angebot zu einer anderen Verdienstmöglichkeit machte, aber auch das würde Hunter ganz sicher nicht in den Kram passen. Er wollte normalerweise nur ungern, dass man sich zusätzlich andere Arbeit ranholte, weil man dann nicht immer auf Abruf war. Nicht immer sofort einsatzbereit, was in diesem Metier schlicht unabdingbar war - gerade in der jetzigen Situation. Also schüttelte ich fast umgehend den Kopf, nachdem ich doch für einen kurzen Moment lang darüber nachgedacht hatte, ob ich mir das nicht einfach erlauben sollte. Der Verstand war von einem Bier aber dann doch bei Weitem nicht benebelt genug, um schon wieder gegen Hunters Auflagen verstoßen zu wollen. "Danke, aber da muss ich wohl leider passen... der alte Hitzkopf kanns nicht leiden, wenn man nicht allzeit bereit ist.", gab ich ihm erstmal zur Antwort, bevor ich kurz darüber nachdachte, ob ich dem Ganzen noch eine zusätzliche Erklärung liefern sollte, oder eben nicht. Aber eigentlich war daran ja nicht wirklich was auszusetzen, Richard war indirekt sowieso in Hunters Geschäfte verwickelt und durch den Kontakt zu Sabin auch in das ganze italienische... Ärgernis. "Ich soll morgen Abend tatsächlich mal wieder raus auf die Straße, weil Jemand anders seit heute früh halb hinüber ist. Ist sicher auch nicht witzig, so mit zwei verkrüppelten Armen... aber ich würd's trotzdem nicht in Stein maiseln. Falls Hunter sich noch Jemand anderen aus dem Arsch ziehen kann verdonnert er mich sicher wieder hierher.", redete ich also weiter ein bisschen vor mich hin, dicht gefolgt von einem leichten Gähnen. Vielleicht hätte ich Energy statt Alkohol meine Kehle runterkippen sollen, aber gut, konnte ich theoretisch immernoch machen, wenn ich gleich wieder rein ging. Erstmal lehnte ich den Hinterkopf an die kalte Steinmauer, machte auch kurzzeitig zum Entspannen die Augen zu, bevor ich gleich mal für ein paar Minuten reingehen würde. Nochmal ein bisschen aufwärmen, wenn auch vorerst nur von außen. Allerdings sprach auch nicht wirklich was gegen mehr Alkohol, falls der Abend durchgehend ruhig verlief.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wieso war mir nur klar gewesen, dass eine Antwort in diese Richtung kommen würde? Im Geiste schlug ich mir mit der Hand vor die Stirn, weil ich einfach nicht fassen konnte, wie loyal und gutmütig dieser Junge war. Und das, obwohl auch er von Hunter bereits einiges hatte einstecken müssen, wie ich immer mal wieder am Rande durch Cosma erfahren hatte. "Das Angebot steht trotzdem. Für den Fall, dass du es dir anders überlegst, kannst du dich jederzeit bei mir melden.", stellte ich fest, während ich den finalen Zug von meiner Zigarette machte und den Filter nun ebenfalls zwischen dem nassen Stein und meiner Schuhsohle austrat. Indessen hatte ich angefangen, die Gesichtszüge des jungen Mannes an meiner Seite zu mustern, als dieser seinen Kopf für einen kurzen Augenblick mit geschlossenen Augen gegen die Hauswand lehnte. Ich wusste an der Stelle nicht genau, was mir mehr Leid tun sollte: Die Tatsache, dass Hunter die Geduld und die Zielstrebigkeit des Norwegers schamlos ausnutzte oder ... das ich das Vertrauen des jungen Mannes missbrauchen würde, sobald er mir auf die folgende Frage eine wahrheitsgetreue Antwort geben würde. Was für eine schwierige Entscheidung. Tauren war wohl das mit Abstand freundlichste und am wenigstens kaputte Mitglied unserer kleinen Vereinigung, auch wenn er bei Gesprächen aufgrund Hunters Anordnung nicht sehr oft dabei war. In den Augen des Amerikaners war sein Handlanger ja auch kein wirkliches Mitglied von überhaupt irgendwas, aber ich hatte ihn auf einer mehr oder weniger freundschaftlichen Eben doch ein bisschen ins Herz geschlossen. Für mich gehörte er einfach dazu. Trotzdem musste ich mich in diesem ganz speziellen Fall doch tatsächlich daran halten, etwaige Kommunikation nur über Sabin oder Hunter abzuwickeln, weil die Gefahr, dass Tauren - oder von mir aus auch ein anderer der etlichen Lackaffen - uns durch zu auffälliges Verhalten mangels ausreichender Information verraten könnte, einfach viel zu groß war. Hunter hatte da leider Gottes dann doch einen besseren Einfluss auf seine Untertanen, als ich es je haben würde. Es folgte ein Augenblick der absoluten Stille, dann seufzte ich. Leise, kaum hörbar... freudig. "Na ja, das mit dem Einsatz hört sich ja schon mal nicht schlecht an. So, wie es momentan aussieht, glaube ich nicht, dass dir jemand die Stelle morgen streitig machen wird. Hab schon mitbekommen, dass einige ihr Leben gelassen haben oder nur schwer verletzt davon gekommen sind. So schnell wird Hunter sicher keine neuen Männer finden und dann kannst du dich beweisen.", versuchte ich also, dem niedergeschlagen wirkenden jungen Mann ein wenig aufzuheitern. Dabei blieb mein aufmunterndes Lächeln jedoch recht schmal. Um jetzt noch herauszufinden, wo sich Tauren morgen aufhalten würde, versuchte ich die gleiche Taktik von eben einfach noch einmal. In der Hoffnung, dass er bereit war, mir weitere Informationen zu geben. "Ich nehme an, dass du dann einen der beiden Männer ersetzen sollst, den die Italiener in der Nähe des Bahnhofes an einer Laterne aufgeknöpft haben? Hunter hatte bei unserem letzten Gespräch etwas in die Richtung verlauten lassen. Pass besser auf. Wenn es dunkel ist, siehst du da in der Ecke kaum etwas. Am Tag ist es schon schwer, sich nicht in den Gassen zu verlaufen." Lüge, lüge, das gibt eine Rüge. Natürlich hatte ich dahingehend mit keinem anderen außer mir selbst gesprochen und aufgehangen wurde da auch schon lange keiner mehr. Aber das spielte ja jetzt absolut keine Rolle. So konnte ich, wenn er brav mitspielte, immerhin schon einmal herausfinden, wo in etwa er sich morgen durch die Stadt schleichen würde. Blieb letzten Endes dann nur noch eine ungefähre Uhrzeit. Und das war mit Abstand der schwierigste Part. Wie fragte man denn auch jemanden, wann er wo auftauchen würde, ohne dabei auffällig zu wirken?
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Es war wirklich nett, dass Richard sein Angebot noch einmal unterstrich und es damit wohl ernst zu meinen schien, aber mehr als ein leichtes Nicken, begleitet von einem schwachen Lächeln, war nicht mehr drin. Es wäre schlicht und ergreifend gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich darauf noch zurückkommen würde. Solange Hunter nicht in irgendeiner geistigen Umnachtung beschloss, dass er plötzlich sämtliche Regeln seiner kleinen, aber feinen Mafia ein wenig lockern wollte oder zumindest diese eine, ziemlich entscheidende Regel, würde es nicht dazu kommen. Nicht, weil ich weiterhin besonders viel Lust dazu hatte dem Kerl auch nur irgendwie zu helfen oder zur Seite zu stehen, sondern weil ich ihm das damals nun einmal hatte schwören müssen. Mich ihm verpflichtet hatte, damit er mich dafür aus der Scheiße zog, die mich andernfalls damals mit großer Sicherheit noch das Leben gekostet hätte. Das war seine Masche, so rekrutierte er die meisten seiner Schläger und hielt sie sich treu. Eigentlich hatte ich dem impulsiven Amerikaner schon oft genug bewiesen, dass ich ihm dankbar dafür war, auch wenn ich mir vielleicht zwei oder drei kleinere, absolut nicht maßgebliche Fehltritte geleistet hatte, für die ich teilweise nicht einmal etwas konnte. Aber wer war ich schon, mich zu erdreisten, darüber zu urteilen? Ich hoffte aufrichtig, dass Richard mit seinen noch folgenden Worten im Recht blieb. Dass es wirklich mal wieder so weit kam, dass ich mir etwas Geld verdienen konnte, auch wenn das deutlich mehr Gefahren als hier vor der Bar für mich bereithielt. Lieber das, als in naher Zukunft ständig die Münzen zählen zu müssen. Außerdem wollte mein Gehirn auch mal wieder etwas gefordert werden, die Sinne aus gutem Grund schärfen und die gesamte Umgebung aktiv fokussieren, unter die Lupe zu nehmen... im Notfall sofort zu handeln und vielleicht ein paar Italiener abzuschießen, wenn notwendig. Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten in der Branche schoss ich jedoch nur, wenn es nicht anders ging und nicht, weil ich Spaß daran hatte. Gehörte dazu, brauchte ich aber nicht unbedingt. "Keine Sorge, ich find' mich bei Nacht meistens besser zurecht als tagsüber und ich kenn' das Bahnhofsviertel vermutlich noch besser als meine Zigarettenschachtel.", versicherte ich Richard, dass er sich da eher keine Sorgen zu machen brauchte. Natürlich sähe ich alt aus, wenn plötzlich eine ganze Bande Italiener bei uns dreien auftauchen würde, aber das hielt ich mal für eher unwahrscheinlich. Schließlich war der Bahnhof an sich selten interessant für sie. Michael und Kjell kannten sich dort ebenso wie ich gut aus, wir würden uns also wohl kaum verlaufen. "Allein bin ich ja auch nicht... die übliche Dreierpatrouille in dieser Ecke eben, ausnahmsweise glorreich ergänzt mit meiner Persönlichkeit.", redete ich ein klein wenig sarkastisch weiter und richtete mich dann wieder etwas mehr auf, um mir den verspannten Nacken aktiv zu dehnen. Müsste sie nicht arbeiten hätte ich Cosma glatt nach einer simplen Nackenmassage gefragt - ohne Hintergedanken, ich war einfach nur kaputt vom vielen Nichtstun -, aber wenn das bisschen Nackentätschlerei zu Hunters Ohren fand, dann war ich sehr bald kein lebender Mann mehr. Sofern meine Theorie stimmte, versteht sich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh. Die Berufswahl würde in meinem nächsten Leben wohl auf Hellseher fallen. Immerhin hatte ich kein Sterbenswörtchen mit Hunter darüber verloren, welcher seiner Männer wo Patrouille laufen würde, aber mit der Gegend um einen Bahnhof herum war man beinahe immer auf der richtigen Seite. Da passierte gerne mal etwas, wenn Kunden und oder Kontrahenten einreisten. Schließlich konnte sich nicht jede Mafia ihre ganz eigenen Flugzeuge oder Helikopter samt Hangar leisten und zu Fuß von Italien bis nach Norwegen war wohl doch ein kleines bisschen zu weit. Machte also nur Sinn, die Seitengassen ab und an mal abzulaufen, um unschöne Überraschungen zeitnah an Hunter melden zu können. Außerdem konnte man so auch den Bestand an unerwünschtem Besuch gut überblicken und sich entsprechend rüsten. Aber gut, wie auch immer. Im Prinzip hatte ich nun alle Informationen, die ich brauchte. Na ja, fast alle. Was die Uhrzeit anging, hatte ich mir spontan etwas anderes überlegt, jetzt wo ich wusste, dass Tauren morgen, voraussichtlich gegen Abend, eigentlich fest eingeplant war. Die Frage nach der Uhrzeit würde ich dann ganz einfach seinem Boss stellen, in der Hoffnung, dass dieser mich nicht noch einen Kopf kürzer machte und genau so kooperativ war, wie sein Handlanger. Ansonsten musste ich wohl auf dem Rückweg von der Apotheke noch einmal Halt machen und die Frage doch dem Norweger direkt stellen. Möglichst unauffällig, versteht sich. "Na dann bin ich ja beruhigt.", antwortete ich auf den Umstand, dass er scheinbar mit zwei weiteren Mitgliedern aus Hunters kleinen Gangsterfamilie unterwegs sein würde, dann stieß ich mich von der Wand ab, seufzte. "Sorry, ich muss dann auch los. Mein Gesicht bringt mich sonst noch um. Ich wünsche dir viel Spaß morgen und ...", ein kurzes Stocken, ich hatte mich bereits wenige Schritte von Tauren entfernt, den Blick abgewandt. "Pass auf dich auf.", beendete ich schließlich das Gespräch und hob zum finalen Abschied noch die Hand, ehe ich mich langsam in Bewegung setzte, um den vermeintlichen Weg zur Apotheke einzuschlagen. Als ich ein paar Meter weiter um die Ecke gebogen war, angelte ich aus der rechten Jackentasche das Smartphone, um nur wenige Sekunden später die Nummer von Hunter zu wählen. Bis zum morgigen Abend hatte ich zwar noch ausreichend Zeit, aber bevor ich diese wichtige Kleinigkeit vergaß, erledigte ich es lieber gleich. Aus dem Grund hatte ich mich beinahe geärgert, dass Hunter eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um meinen Anruf entgegen zu nehmen, aber letzten Endes hörte ich die reichlich genervte und zusätzlich mich nervende Stimme am anderen Ende der Leitung. Ohne eine Begrüßung - hielt ich bei Hunter schlicht und ergreifend für vergeudete Atemluft - schilderte ich dem Amerikaner mit ein paar knappen Worten, was sich in den letzten paar Minuten getan hatte. Dabei sah ich mich immer mal wieder mit einem prüfenden Blick um. Außerdem redete ich recht leise, nicht, dass hinter der nächsten Ecke plötzlich einer der unzähligen Italiener lauerte.
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Ich nickte nur noch einmal leicht, bevor Richard auch schon zum Abschied anzusetzen schien. Sich von der Wand abstieß und kurz darauf dann auch verlauten ließ, dass ihn die Schmerzen im Gesicht langsam aber sicher in den Wahnsinn trieben und er sich deswegen jetzt auf den Weg machte. War vollkommen in Ordnung, war ich schon über die paar wenigen Minuten Plausch irgendwie froh. War dankbar dafür, überhaupt mal mit Irgendwem anders zu reden. Natürlich unterhielt ich mich auch hier und da mal flüchtig mit Cosma, aber irgendwie verhielt ich mich da doch lieber ein wenig distanzierter. Zwar glaubte ich nicht, dass Hunter jemals von ihr erfahren würde, dass ich mit ihr geschlafen hatte, aber ich wollte mich vor einem zu engen Freundschaftsverhältnis doch lieber fernhalten. Nicht, dass er doch irgendwann auf dumme Gedanken kam und Cosma es nicht schaffte, ihn dahingehend anzulügen. Sei es nun, weil sie ihn einfach nicht anlügen wollte - was ja in einer potenziellen Beziehung eigentlich etwas Gutes wäre -, oder weil er sie mit dem Antworten unter Druck setzte. Lieber kein Risiko eingehen, weshalb ich mich meistens nur mit flüchtigen Flirts hier vor der Tür oder in der Bar zufrieden gab. War langfristig aber nicht sehr... erfüllend. "Klar, versteh ich. Man sieht sich.", ließ ich dem Dunkelhaarigen also zum Abschied ebenfalls noch ein paar Worte zukommen und erwiderte die Handgeste, bevor ich mich vollkommen unwissend meines künftigen Verderbend ebenfalls von der kalten Mauer abstieß, um stattdessen nach drinnen zu gehen. Mal nachzusehen, ob Cosma noch bei Irgendwas Hilfe brauchte und mich primär aufzuwärmen. Ich würde in dieser Nacht schließlich noch lange genug draußen herumstehen und wollte ungern schon vollkommen durchgefroren mit meiner Security-Arbeit anfangen. Außerdem hatte ich sonst auch noch nicht wirklich etwas Bessere zu tun, also verschlug es mich wieder ins Innere der Bar.
Richards Timing war wirklich hervorragend und um ehrlich zu sein hatte ich im ersten Moment auch gar nicht vor überhaupt abzuheben. Ich befand mich mit ein paar meiner Männern in einer Lagebesprechung, um die wichtigsten Glieder meiner Organisation auf den neuesten Stand zu bringen und weiter effektiv gegen die Italiener vorgehen zu können. Nur wegen letzteren hob ich am Ende dann doch ab, nachdem ich mit ein paar Schritten und einem genervten Grummeln den kleinen Lagerraum verlassen hatte. Ich stand im Flur unter dem Licht einer eher nur sporadisch angebrachten Glühbirne an der Decke, während ich den Worten des Engländers Stück für Stück zuhörte. Er hatte im Grunde mit seinen Taten nur den Wunsch des Italieners befolgt, was er ja auch sollte... nur halt nicht unbedingt, wenn es einer oder gar mehrere meiner Männer waren, denen der Arsch dann morgen auf Grundeis gehen sollte. Ich hatte schließlich schon unzählige meiner Leute verloren oder im Krankenbett herumliegen, weshalb der junge Mann wohl von Glück reden konnte, dass er nicht Alles aus Tauren heraus bekommen hatte, was er brauchte. So oder so erst noch einmal zu mir mit der Angelegenheit kommen musste, bevor er Irgendwas an die gegnerische Seite weitergab. Ich traute es Richard nämlich durchaus zu, dass er andernfalls auch einfach ohne meine Einwilligung oder Meinung zu dem Ganzen weitergemacht hatte. Das erste, was er von mir hörte, nachdem er mit seinen Schilderungen am Ende angelangt war, war ein recht tiefes Seufzen und dann folgte einige Sekunden lang ein Schweigen meinerseits, weil ich nachdachte und mir dabei durch die kurzen Haare nach hinten über die verspannte Kopfhaut strich. Einerseits wollte ich eigentlich nicht einmal Tauren an die Italiener verlieren - nicht, weil er mir wichtig war, sondern weil ich ihn eben theoretisch für Alarmstufe Rot doch noch gebrauchen könnte -, andererseits glaubte ich aber kaum, dass Agnolo Einsicht oder Geduld zeigen würde, wenn Richard ohne brauchbare Informationen zu ihm zurückkam. Erstens brauchte ich den Idioten aber noch und zweitens fände Cosma es ganz sicher auch nur wenig amüsant, wenn ich ihr sagte, dass ich ihn ins Messer laufen ließ. Agnolo selbst dabei unerkannt aufzulauern kam aber auch nicht in Frage, dazu wussten wir noch viel zu wenig. Er würde sich niemals lebend einsammeln lassen und selbst, wenn es uns durch irgendein Wunder doch gelingen sollte, würde er kein Sterbenswort sagen. Er war schließlich nicht Sabin und wollte bei der Mafia bleiben, die ihn umbringen würde, wenn er auspackte. Meine Optionen waren also extrem begrenzt und so schwieg ich den Kerl am anderen Ende der Leitung wohl etwa eineinhalb Minuten lang an, wobei ich nichts tat, außer hin und wieder sehr leise vor mich hin zu fluchen. Irgendwann hin und her zu gehen, weil mich die Situation nervte. "Denen meine Leute einfach so zum Fraß vorwerfen also...", redete ich erst einmal so vor mich hin, bevor mir dann die mehr oder weniger zündende Idee kam. "Ich werd' sie aber alle drei einweihen. Sollen sie Tauren in die Finger kriegen, er hat sowieso noch was grade zu biegen... vielleicht können wir's zu unserem Vorteil nutzen, wenn er ein paar Sachen gezielt verrät... sie wechseln um 21 Uhr die Schicht, also lass lass ihn am besten erst ca. eine halbe Stunde später auf den Bahnhof los.", dachte ich weiter laut nach, weil es die einzige Sache war, die mir einfiel, mit der ich noch irgendwie einen positiven Aspekt aus der Sache ziehen konnte. Wenn wir die Mafiosi weiter in eine ganz bestimmte Richtung lenken konnten, dann wäre das ausgezeichnet und falls der naive Norweger das Ganze auch noch überleben sollte, könnte er sich über einen wesentlich besseren Status freuen. Mehr als nur zu alter Glorie zurückkehren, weil er mindestens halb bis fast ganz tot geprügelt werden würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das Telefonat verlief ... irgendwie seltsam. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Hunter mir den Kopf abreißen würde, weil ich, ohne es - vorher - mit ihm abzusprechen, einen seiner Männer auf die Planke geschickt hatte und begeistert klang der Amerikaner auch nicht wirklich. Jedoch blieb er ruhiger, als ich es mir ausgemalt hatte, was mich wiederum doch etwas wunderte. Sonst zündete er doch immer direkt wie ein HB Männchen, wenn ich mir zu viele Rechte raus nahm. Es schien allerdings, als hätte er endlich eingesehen, dass ich momentan die einzige, möglichst stressfreie und sichere Lösung des italienischen Problems war. Vielleicht war er deshalb nachsichtiger? War ja so gar nicht seine Art... Aber, wie auch immer. Im Prinzip spielte es keine große Rolle und interessieren tat es mich auch nicht besonders. Er sollte die Sache mit Sabin ausfechten, wenn es ihm zu blöd wurde. Ich sah bis dahin zu, dass ich sich mir bietende Chancen nicht ungenutzt ließ. Andernfalls hätten wir uns die Mühen von Anfang an nämlich sparen können, wenn wir nicht bereit waren, so ziemlich alles zu riskieren. Ich machte noch ein paar weitere Schritte in Richtung einer Gasse, die mit etwa vier Querstraßen zur Bar weit genug weg sein dürfte, dass mich der Norweger auf die Schnelle nicht erhaschen würde, wenn ich nun den Rückweg zum Auto antrat. In der Zwischenzeit wurde es am anderen Ende der Leitung ziemlich ruhig und ich checkte mehrfach die Verbindung, weil Hunter für eine halbe Ewigkeit keinen Laut von sich gegeben hatte. Dann aber vernahm ich hier und da ein paar Flüche und wusste, dass der temperamentvolle Amerikaner doch noch am Telefon war. Nur war er offensichtlich abgelenkt. Abgelenkt von Überlegungen, wie er aus dem riesigen Haufen Scheiße jetzt noch etwas Brauchbares machen konnte. Die Idee, welche er nach etwa anderthalb Minuten verlauten ließ, hätte dabei glatt von mir kommen können. "Mhm, hört sich nicht schlecht an. Dann mach das. Richte ihm aus, dass es mir Leid tut. Er ist 'n Guter und wird uns sicher weiterhelfen...", murmelte ich mit einem unguten Gefühl in die Sprechmuschel und legte parallel dazu direkt noch das gute Wort ein, was vermutlich überhaupt nichts bringen würde. Aber so war mein Gewissen beruhigt und ich würde wohl friedlich in den Schlaf finden. "Ich werde dann Agnolo informieren und mache mich jetzt auf den Weg nach Hause.", fügte ich noch ein paar Worte hinzu und läutete damit auch bei Hunter den Abschied ein. Ich hatte den Amerikaner noch bis zur Ankunft am Wagen an der Strippe, dann verabschiedete ich mich mit gewohnten Floskeln und legte auf. Im nächsten Schritt ließ ich mich in das bequeme Polster des Fahrersitzes sinken und verzog noch im gleichen Atemzug etwas das Gesicht. Der Temperaturwechsel von der relativ kalten Außentemperatur zu verhältnismäßig mildem Klima hier im Wagen, ließ die Brandnarbe arbeiten. Sie ziepte und fing nun doch etwas an zu schmerzen. Nichtsdestotrotz wollte ich das Telefonat mit Agnolo hinter mich bringen, auch wenn die Laune dabei schon wieder reichlich angeschlagen war. Er kannte ja mittlerweile meine wehleidige Seite, also kam er damit sicherlich zurecht. Kritisch würde es werden, wenn wir uns heute Abend noch einmal persönlich sprachen. Und das schien Agnolo in Hinsicht auf solch wichtige Informationen ja meistens vorzuziehen. Blieb wohl abzuwarten, ob er sich mit einem Telefonat zufrieden geben würde oder doch noch einmal auf der Matte stand. Aus meinem Portemonnaie fischte ich jetzt erst einmal das kleine Zettelchen, auf dem mir der Italiener seine Nummer hinterlassen hatte, um sie Zahl für Zahl in mein Smartphone zu übertragen. Mit geschlossenen Augen lehnte ich meinen Kopf gegen die dafür vorgesehene Kopfstütze des Autos und lauschte im Anschluss dem mehr als nur nervtötenden Wahlton des Handys.
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Tatsächlich verbrachte ich den Tag bisher überwiegend nur mit langweiligen Ausfahrten - es war ja noch nicht spät, dementsprechend ging es auch noch nicht heiß her - und dem Koordinieren des einfachen, italienischen Fußvolks, damit wir nicht den groben Überblick über Hunters Mannschaft verloren. Das war an sich auch anstrengend genug, waren doch manche meiner Untergebenen hin und wieder etwas schwer von Begriff oder einfach müde von dem nervenaufreibenden Aufenthalt hier oben im Norden. Wirklich übel nehmen konnte man ihnen letzteres natürlich nicht, weil ich das selbst ebenso zu spüren bekam. Jedoch gab mir die alleinige Stille im Wagen unangenehm viel Zeit um darüber nachzudenken, inwiefern Richard mir wirklich die Wahrheit sagte und wann er sich melden würde. Ich hing nicht an ihm, aber ich wurde schlicht und ergreifend ungern verarscht. - vor allem eben dann, wenn mein eigener Kopf dabei am seidenen Faden hing. Meine Intuition täuschte mich dahingehend eigentlich nur sehr selten, jedoch machte er bis jetzt auch nicht zwingend den Eindruck, als würde er Etwas im Schilde führen. Womöglich konnte er Hunter wirklich nur einfach nicht leiden und gab dem Druck seitens der Mafia dann eben nach. Ein kleiner Rest an Skepsis wollte sich scheinbar einfach nicht vertreiben vertreiben lassen und ich saß zum jetzigen Zeitpunkt fast ein kleines bisschen auf heißen Kohlen, während ich in einem Mietwagen in gemäßigtem, unauffälligem Tempo zurück in Richtung des Hotels fuhr, um mich noch ein paar Minuten vor der langen Nacht auszuruhen. Immerhin zehrte es schon ordentlich an den Energiereserven, wenn man sich als eigentlich nicht nachtaktive Spezies permanent in der Dunkelheit draußen herumschlug und das auch noch bei ekelhaft kalten Temperaturen, die man nicht gewohnt war. Vielleicht würde es zu meiner kleinen Entspannungsphase aber gar nicht mehr kommen, weil eine nicht in meinem Telefon gespeicherte Nummer auf dem Display der Armatur erschien. Ich hielt den Wagen jedoch nicht an, betätigte lediglich die Funktion auf dem Touchscreen des Interieurs des Wagens, um den Anruf anzunehmen. "Du hast gute Nachrichten für mich, nehme ich an?", übersprang ich eine Begrüßung, weil wir uns ganz einfach heute schon gesehen hatten und ich es für nicht notwendig hielt. Natürlich konnte ich nicht mit Sicherheit wissen, ob es wirklich Richard war, der mich da gerade anrief, aber ich wüsste auch nicht wer es sonst hätte sein sollen. Alle Personen, von denen ich normalerweise Anrufe erhielt, waren selbstverständlich eingespeichert. Nicht mit Namen, sondern mit Zahlen. Es fiel mir erstaunlicherweise auch gar nicht schwer mir jene zu merken, begleiteten mich viele davon doch jetzt auch schon ein paar Jahre und hatten sich förmlich in mein Gedächtnis gebrannt. War auch besser so, weil man eher nicht einen der Chefs mit irgendeinem Dealer oder Fahrer verwechseln sollte. Könnte einen schon mal ein blaues Auge oder doch gleich einen ganzen Finger kosten, kam immer sehr stark auf die Laune der jeweiligen Person an. Lieber Nichts riskieren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Anders als Hunter reagierte Agnolo weitaus schneller auf meinen Anruf, was mich im ersten Augenblick erst einmal verwirrt blinzeln ließ. Ich hatte die Augen wieder aufgeschlagen und den Motor des Wagens bereits gestartet, nachdem die raue Stimme des Italieners am anderen Ende der Leitung zu hören war. Ohne eine Begrüßung, lediglich begleitet von Hintergrundgeräuschen. So als stünde ich auf Lautsprecher oder dergleichen. Nervig - dieser Hall, wenn er sprach, aber was soll's. "Ich schätze schon. Willst du vorbei kommen oder reicht es dir kurz und bündig am Telefon?", stellte ich ihn vor die Wahl, während ich den Wagen parallel zu unserem Gespräch aus der Parkbucht auf die Hauptstraße lenkte. Zum Schalten hatte ich das Handy kurzzeitig zwischen meinen Kopf und der Schulter eingeklemmt, aber jetzt, wo es beinahe nur noch geradeaus ging, steuerte ich lediglich mit einer Hand. Den anderen Arm hatte ich entspannt im Rahmen der Fahrertür abgelegt, wo er angewinkelt das Telefon an mein linkes Ohr drückte. Noch bevor ich eine Antwort von Agnolo erhalten hatte, fügte ich noch ein paar informative Worte hinzu. "Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Gib mir ...", ein kurzer Blick auf die im Display integrierte Uhr. "Mhm, vielleicht fünfzehn Minuten." Indirekt legte ich ihm damit wohl schon eine Antwort in den Mund, aber ich musste kein Magier oder Hellseher sein, um zu wissen, dass er nicht so oder so darauf bestanden hätte, das erneute - persönliche - Gespräch mit mir zu suchen. Ich wusste nicht genau, warum so ziemlich jeder Kriminelle, den ich kennen lernen durfte, dermaßen Angst davor hatte, abgehört zu werden. Aber wer war ich schon, um darüber urteilen zu können. Vielleicht stimmte es ja und das FBI, Interpol, ortsansässige Polizeidienststellen waren den unzähligen Mafias nur durch Abhörung auf die Schliche gekommen - ich persönlich hielt das ja für vollkommen unrealistisch, ein reines Hirngespinst. Aber gut. Dann ließ ich die paar Minuten soziale Interaktion noch über mich ergehen und hatte dann hoffentlich wieder meine Ruhe. Fürs Erste zumindest. Ich ging zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht davon aus, dass das Gespräch sonderlich lange dauern würde und zum anderen wären er und seine Jungs morgen dann erst einmal beschäftigt. Hieß, ich konnte spätestens in zwei Tagen wieder damit rechnen, dass Agnolo mir auf die Nerven gehen würde. Das war zumindest die Milchbuben Rechnung, die mir gerade am besten passen würde. Wenn unvorhersehbare Variablen dazwischen grätschten, war das natürlich vollkommen hinfällig, aber bis dahin...
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Wie bereits angenommen war es eine mir bekannte Stimme, die mir wenig später aus den Lautsprechern des Wagens entgegen kam. Allerdings wäre mir ein kleiner Hint eigentlich ganz lieb gewesen, worauf der junge Mann gänzlich verzichtete. Sollte aber nicht allzu tragisch sein, weil Richard mich inzwischen gut genug zu kennen schien, um sich meine Antwort auf seine simple Frage ziemlich zeitnah schon mehr oder weniger selbst zu liefern. Es war mir nun mal grundsätzlich lieber, wenn ich meinem Gegenüber beim Reden ins Gesicht sehen konnte - gerade dann, wenn diese unnötige, leise Paranoia partout nicht die Schnauze halten wollte. Außerdem hatte ich dann unter Umständen eine Ausrede dafür, mich für eine Weile nicht ums eigentliche Geschäft zu kümmern. Sollte der werte Herr Professor mir Informationen liefern, die in meinen Augen ausreichend oder sogar noch ein bisschen mehr als das waren, dann könnte ich mich wohl leicht zu einer weiteren Tasse Kaffee überreden lassen... oder mich eben selbst dazu einladen, wie es in der Regel eher meine Art war. Zumindest eben bei Leuten, die nicht meinem eigenen Clan angehörten und sich demnach in den meisten Fällen recht leicht meinen Wünschen beugten. Gegen fünf Minuten Spaß an einer Unterhaltung - oder ein winziges, kleines bisschen mehr - war nichts einzuwenden, solange mich Niemand dabei erwischte. Ich war auch nur ein Mensch und ein chronisch gestresster momentan noch dazu, ich brauchte das. Es war Nichts verwerfliches dabei sich mit Menschen unterhalten zu wollen, die nicht jeden Tag über Mord und Drogen philosophierten. "Bis gleich.", willigte ich dementsprechend also nur noch ein, bevor ich an der nächsten Kreuzung auf ziemlich verbotene Art und Weise das Fahrzeug wendete und den Weg zu Richards Loft einschlug. Ich hetzte mich dabei nicht, würde auch so nicht wesentlich länger brauchen als der Dunkelhaarige und musste ohnehin Wert auf unauffälliges Auftreten legen. Erst recht dann, wenn ich so wie jetzt alleine unterwegs war und bei einer potenziellen Verfolgungsjagd inklusive Schießerei echt alt aussehen würde. Ich war zwar ein geübter Schütze und Autofahrer, aber das wäre trotzdem ziemlich sicher mein Todesurteil. Jedenfalls konnte ich Richard schon aus einigen Metern Entfernung aus seinem Wagen steigen sehen, ehe ich unweit seines Autoss auch den Mietwagen am Straßenrand parkte und nicht lang fackelte, bevor ich die Fahrertür aufschob und mich aus dem Fahrzeug bequemte. Im Weggehen verriegelte ich noch mittels Knopfdruck die Türen ab und schloss relativ gut gelaunt zu dem jungen Mann auf, um ihm nach drinnen zu folgen. "Wenn das so weitergeht, musst du mich irgendwann zum Inventar zählen.", begrüßte ich ihn mit ein paar reichlich sarkastischen Worten, weil ich tatsächlich eher weniger damit gerechnet hatte, dass er sich so früh schon zurückmelden würde. Aber ich war ja froh drüber - je eher ich dieses Land verlassen konnte, desto besser.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nach den besagten fünfzehn Minuten, aus denen am Ende doch irgendwie zwanzig geworden waren, weil ich es hatte gemütlich angehen lassen, lenkte ich den Wagen schließlich in meine Straße ein. Ein Stück weit entfernt von der Haustür schaltete ich den Motor ab und erhaschte schon beim Aussteigen meinen erwarteten Besuch, der ebenfalls unweit meiner Wohnung geparkt hatte. Ich schob die Hände zur Hälfte in meine Hosentaschen, als ich mich mit Agnolo an der Eingangstür traf, die ich nur wenige Sekunden später aufschloss, um uns Eintritt ins Innere zu ermöglichen. Meine Füßen trugen mich bereits aus Gewohnheit in Richtung des Aufzuges und während wir die wenigen Meter Flur hinter uns ließen, ließ ich die Worte des Italieners kurz sacken. Im direkten Anschluss daran schnaubte ich belustigt und schüttelte mit dem Kopf. "Ich merke es schon. Soll ich dir schon mal ein eigenes Bett organisieren? Einkaufen müsstest du allerdings alleine.", erwiderte ich mit reichlich Ironie ein paar absolut nicht ernst gemeinte Aussagen. Alleine der Gedanke, mir mein Apartment mit jemanden teilen zu müssen, ließ mir einen leichten Schauer über den Rücken wandern. Nein, ich war wirklich froh, alleine zu leben und ich hatte auch nicht vor, das in naher Zukunft zu ändern. Mir waren meine Freiheiten wichtig, außerdem liebte ich meine Privatsphäre und die Ruhe, weil einem niemanden auf den Zeiger gehen konnte. Na ja, außer wenn man sich dazu entschloss, die italienische Mafia in seine Vier Wände zu lassen, so wie ich es eben tat... Aber gut, ich wollte mich nicht beschweren. Ich hatte schließlich ein paar brauchbare Informationen für Agnolo und dementsprechend brauchte ich eigentlich keine Angst davor zu haben, dass mich am heutigen Abend noch eine Kugel oder dergleichen traf. Anders hätte es da sicher ausgehen, wenn ich mit rein gar nichts zurück gekommen wäre. Es brauchte die üblichen paar Minuten, bis der Fahrstuhl es bis ins oberste Stockwerk geschafft hatte und uns mit leisen Geräuschen aus seiner Kabine treten ließ. Im nächsten Schritt öffnete ich die Haustür zum Loft und ließ sie direkt nach Eintreten des jungen Mannes wieder in ihren Rahmen zurück gleiten. Meine Schlüssel wanderten gebündelt in ihr Schälchen zurück und ich bewegte mich leise seufzend in Richtung Wohnlandschaft, wo die Tassen von heute Mittag noch darauf warteten verräumt zu werden. Ich war faul gewesen und hatte mich bis jetzt nicht dazu aufraffen können. Weil ich jedoch ohnehin in die Küche musste, nahm ich das Geschirr direkt mit und stellte ich mit dem gewohnt leisen Klirren ins Spülbecken. "Willst du was trinken?", bot ich, gastfreundlich wie ich immer war, etwas Versorgung an und lehnte mich indessen mit der Hüfte gegen das Holz der Theke. Die Arme verschränkte ich dabei vor der Brust und schenkte dem Italiener einen sehr ruhig, neutralen Blick, während ich auf seine Antwort wartete.
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Da musste ich wohl leider passen. Mir war nun wirklich nicht danach von einer Villa in Italien in ein Loft irgendwo in den Wolken in Oslo umzuziehen. Man könnte mir vermutlich die halbe Welt versprechen und ich würde trotzdem nicht meinen Wohnsitz in dieses nordeuropäische Land verlagern, weil mir ganz einfach der Wohlfühlfaktor fehlte. Es gab absolut Nichts hier oben, das mich wirklich zum Bleiben bewegen könnte. Da half auch guter Kaffee und ein Jacuzzi nichts, Norwegen war ganz einfach wesentlich zu kalt für mein Empfinden. "Klar, wenn du Wert auf die Matratzenqualität legst.", erwiderte ich also ein paar nicht minder ironische Worte, die deutlich unterstrichen, dass ich das absolut nicht ernst meinte. Eben ungefähr so wie der Dunkelhaarige auch, damit schienen wir uns einig zu sein. Hier und da ein bisschen unsinniges Gerede tat mir aber auch einfach gut, weil sich der Rest meines Alltags doch ziemlich strikt sehr ernst gestaltete. Im Fahrstuhl lehnte ich mich leicht an die Wand, bis wir letztlich oben ankamen und den Aufzug verließen. Ich ging zum einen hinter Richard, weil ich ihn gerne im Auge behielt und zum anderen natürlich, weil er sowieso voraus musste, um die Wohnung aufzuschließen. Zwar gab es auch andere Mittel und Wege eine Tür auf zu bekommen, aber mir stand der Sinn gerade wenig nach Sachbeschädigung, also ließ ich dem jungen Mann dabei gerne den Vortritt. Ich durchschritt die Wohnungstür mit gewohnt bedachten Schritten, ließ auch dieses Mal erst den Blick durch die Räumlichkeiten gleiten, bevor sich die anfängliche Argwohn dahingehend auflöste und ich mich einer Antwort auf die Frage des Engländers widmen konnte. "Rotwein, sofern du einen da hast... sonst Nichts.", richtete ich meinen Wunsch und ebenso meinen wachsamen Blick auf Richard, der bis dato noch in der Küche stand. Dann jedoch löste ich meine Augen wieder von ihm und begab mich zu der Wohnlandschaft, die mir inzwischen fast schon sowas wie vertraut war. Ich bevorzugte es den selben Platz einzunehmen wie schon das letzte Mal, hatte ich von da aus doch eine relativ gute Sicht auf das gesamte Loft, wenn man den einen kleinen, toten Winkel außen vorließ. Auch löste sich meine Jacke wieder von meinen Schultern, wobei ich sie dieses Mal aber auf der Lehne neben mir ablegte und dann den Unterarm darauf stützte. Ausnahmsweise wartete ich geduldig mit meinen Fragen darauf, bis der junge Mann zu mir aufschloss - ich hatte es wie gesagt gerade nicht so eilig.
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Rotwein also. Aha. Das waren ja ganz neue Töne - gab es etwas zu feiern? Ich stand wohl einen Moment lang mit hochgezogener Augenbraue da und wartete, ob das nicht vielleicht ein Witz gewesen sein sollte, aber Agnolo hatte sich indessen schon damit beschäftigt, seinen mittlerweile gewohnten Sitzplatz einzunehmen. Er schien also tatsächlich auf das Angebot zurückzukommen, was ich ihm vor nicht allzu langer Zeit unterbreitet hatte. Zwar hatte ich das nicht unbedingt ernst gemeint, aber es war mir allemal lieber, als mich mit einer Waffe am Kopf mit ihm zu unterhalten. Außerdem hatte ich ja den ein oder anderen guten Wein im Haus, so war das ja nicht. Besagter San Marzano, von dem die Rede gewesen war, lagerte in einem kühlen und schattigen Eckchen in einem der vielen Küchenschränke und wartete schon seit etlichen Tagen darauf, endlich angebrochen zu werden. Dass ich ihn ausgerechnet mit einem Mitglied der italienischen Mafia verzehren würde - damit hatte ich nicht gerechnet. Aber besonders stören tat mich das jetzt nicht unbedingt. Ich zauberte also die dunkelgrüne Glasflasche mit edlem Etikett aus dem integrierten Weinregal und stellte sie erst einmal auf der Theke ab. Nachdem ich aus einer weiter links platzierten Glasvitrine zwei Weingläser besorgt hatte, griff ich auch schon wieder nach dem Flaschenhals und schloss zu Agnolo auf. An der Wohnlandschaft angekommen, ließ ich mich wie gewohnt ihm gegenüber ins Polster fallen und positionierte beide Gläser direkt vor mir auf dem Wohnzimmertisch. Der Korkenzieher lag Gott sei Dank in Reichweite und so konnte ich binnen weniger Sekunden den Wein öffnen und uns beiden einen guten Schluck eingießen. Dass ich dabei die am Glasrand empfohlene Füllanzeige gekonnt ignorierte, würde wohl niemanden etwas ausmachen. Eines der Gläser rückte ich schließlich in Richtung des Italieners, dann stellte ich die angebrochene Flasche außer Reichweite, um mich meinem eigenen Glas zu widmen. Ich hob es an, prostete Agnolo zu und nahm anschließend direkt einen großzügigen Schluck der fermentierten und gepressten Weintrauben zu mir. "Das Gespräch mit Tauren war durchaus informativ.", setzte ich nach einer verhältnismäßig langen Zeit der Stille zum Reden an, wobei ich noch nicht allzu viel vorweg griff. Zwar wollte ich das Gespräch nicht unnötig in die Länge ziehen, aber mich vom Genießen des teuren Weines abzubringen, war auch nicht das Wahre. Und der vollmundige Geschmack war einfach überwältigend. Ich liebte diesen Wein... Nicht umsonst ließ ich ihn extra aus Italien hier nach Norwegen verschiffen. Leider kam das viel zu selten vor, weil ich es meistens mit weitaus größeren Waffentransporten verband, denn die Gebühren, die man für den illegalen Frachtverkehr zahlte, waren auch nicht gerade ohne.
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Es schien den jungen Mann doch ein wenig zu wundern, dass ich tatsächlich nach Alkohol wünschte, weil er eine kleine Weile brauchte, bis er bei mir angekommen war. Seinen Gesichtsausdruck sah ich dabei nicht, weil ich mich längst von ihm abgewendet hatte, aber der war auch nicht sonderlich von Bedeutung. Viel wichtiger war, dass Richard tatsächlich mit einer Flasche Wein zurück kam - nur fürs Protokoll hatte ich nicht vor, die ganz leer zu machen - und ich kurz darauf auch schon nach dem Glas greifen konnte, dass er mir über den Tisch hinweg entgegen brachte. Vielleicht entspannte mich das rötliche Getränk von innen heraus und die hoffentlich guten Nachrichten noch zusätzlich von außen. Vorerst erwiderte ich jedoch die schwache, das Glas anhebende Handgeste und nahm dann einen Schluck von dem teuren Tropfen, der mir angenehm den Hals wärmte. Ich ließ ihn mir in ganz vorbildlicher Manier auch zuerst ein wenig auf der Zunge zergehen, ließ den Geschmack auf mich wirken, bevor ich ich den Wein letztlich herunter schluckte und den Worten des jungen Mannes gegenüber lauschte. Den Blick dabei wie gewohnt auf ihn richtete, um seine Gesichtszüge zu mustern. Besonders viel ließ er mich allerdings gar nicht wissen, was eigentlich nicht unbedingt nach meinem Geschmack war und das wusste er denke ich auch. Ich war aber nicht hergekommen, um dem Dunkelhaarige oder mir selbst die Laune zu verderben. Der Rotwein war schließlich ein guter Einstieg in ein paar angenehme Minuten und das wollte ich Niemanden hier vermiesen. "Soll heißen, dass du für mich hast, was ich wollte..?", stellte ich Richard eine indirekte Halbfrage, bevor ich das Glas erneut an meine Lippen hob. Ein guter Wein machte potenziell ziemlich schnell süchtig - bei mir jedenfalls, wie ich in der Vergangenheit schon häufig festgestellt hatte. Da wollte man nur ganz in Ruhe ein Gläschen zum entspannten ausklingen lassen des Tages genießen und ganz unverhofft war es irgendwie schon wieder voll, kaum dass es überhaupt leer gewesen war.
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Es brauchte einen Moment, bis Agnolo mit ein paar fragenden Worten auf meine Aussage reagierte. Der vorherrschenden Stille unterstellte ich einfach mal, dass er noch zu beschäftigt damit war, den edlen Tropfen zu genießen, was ich absolut verstehen konnte. Für einen guten Wein nahm ich mir auch gerne ein bisschen mehr Zeit, aber ich wusste mittlerweile einfach, dass der San Marzano wohl einer der besten Rotweine überhaupt war. In der Hinsicht war ich den Geschmack also schon mehr oder weniger gewohnt, nahm entsprechend zu Anfang schon einen etwas größeren Schluck, als es jene tun würden, die den Wein zum ersten Mal probierten. Wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass der Italiener diesen Wein heute zum ersten Mal trat. Er kam schließlich aus dem Hauptanbaugebiet von erlesenen Weintrauben und sollte wissen, welche Qualität italienische Weine mit sich brachten. Aber gut, das war wohl ein anderes Thema. Zurück zum eigentlich Content. "So könnte man es sagen.", antwortete ich knapp und unterbrach für einen weiteren großzügigen Schluck, ehe ich nach einer guten halben Minute dann endlich mit den Informationen heraus rückte, die ich hatte beschaffen können. "Tauren wird sich morgen mit zwei weiteren von Hunters Schläger in der Nähe des Bahnhofes aufhalten. Ziemlich genau um 21:30 Uhr.", ließ ich also schon einmal das Wesentliche verlauten. Dann aber setzte ich noch zu ein paar persönlichen Ratschlägen an, weil mir einer der Schläger durchaus bekannt war. "Einen der beiden habe ich tatsächlich schon kennen gelernt. Nicht, dass wir uns viel unterhalten hätten, aber ich würde vorsichtig sein. Der Typ ist nicht gerade schmal und hat bestimmt einiges an Durchschlagskraft, wenn es um den Nahkampf geht." Damit gab ich Agnolo mehr oder weniger einen Wink mit dem Zaunpfahl, bei etwaiger Planung eines Überfalls lieber einen Mann mehr einzuplanen. Ansonsten stünden sie unter Umständen doch noch ziemlich alt dar und das brachte dann niemanden etwas. Immerhin hatten wir bis dato noch nicht Ansatzweise die Informationen erhalten können, auf die wir so sehnlichst warteten und auch wenn der junge Mann mir zunehmend etwas mehr vertraute, beziehungsweise mir immer weniger misstraute, bräuchte ich bestimmt noch ein paar Tage, ihn weich genug geklopft zu haben, dass er mir gegenüber Brauchbares verlauten ließ. Wenn es überhaupt jemals so weit kommen würde. Ich traute mir wirklich viel zu und redegewandt war ich allemal, aber ich schätzte Agnolo leider so ein, dass ihn auch nur das kleinste Bisschen Unstimmigkeit seine Schotten von Neuem hochfahren lassen würde und dann würde es sicher nicht mehr so einfach sein, das Vertrauen zurück zu erlangen.
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Wieder war Richard der Meinung, noch einmal kurzzeitig um den heißen Brei herum reden zu müssen, was mir ein klein wenig sauer aufstieß. Zum Glück war der Wein ja weiterhin dicht bei mir und machte mir die eher nervige Warterei damit deutlich erträglicher. Alkohol war zwar keine Lösung, aber zumindest eine kleine Hilfsbrücke zur anderen Seite. In gemäßigter Menge jedenfalls. Der junge Mann schien endlich mal auf den Punkt kommen zu wollen und lieferte mir, was ich gebraucht hatte - sowohl eine Orts-, als auch eine Zeitangabe und beides eindeutig exakt genug, um relativ gezielt planen zu können. Wider erwarten sollte es das aber noch gar nicht gewesen sein, als der Dunkelhaarige zu in paar weiteren, weit detaillierteren Worten ansetzte. Mir einen Tipp dazu gab, dass man auf einen der beiden Schläger lieber Acht geben sollte, weil er doch gefährlich werden konnte falls er einem direkt gegenüber stand. Letzteres würde ich persönlich sowieso grundlegend vermeiden, aber für meine Vorläufer war das schon ein ganz guter Hinweis. Lieber auf Distanz bleiben, solange er noch nicht ausgeschaltet war und wir sollten auf der sicheren Seite sein. "Sollte mein geringstes Problem sein.", erwiderte ich dahingehend ein paar Worte, wobei ich aber doch kurz ein bisschen nachdenklich ins Weinglas blickte. Zwei der drei Männer schien Richard also mehr oder weniger zu kennen, wenn auch teils nur flüchtig. Unter Umständen könnte er mir dennoch einen weiteren Hinweis darauf geben, bei wem ich es mit der Folter und etwaigen brauchbaren Antworten am leichtesten hatte. Vielleicht auch nicht und meine folgende Frage verlief ins Leere, aber der Versuch an sich schadete ja sicher nicht. Der Dunkelhaarige hatte bis hierhin schon seinen Dienst erfüllt, aber ich nahm dankbar auch noch alles weitere entgegen, das ich kriegen konnte. "Einen Tipp, welcher am schnellsten psychisch nachgibt, hast du nicht auch noch zufällig?", hakte ich also weiter nach und hob die Augen nach einem weiteren Schluck wieder zu dem jungen Mann an, weil ich dann nicht unnötigerweise den falschen oder mehr als einen mitschleppen musste. Die Kategorie Schrank ließ sich ohnehin nur selten knacken, ich ging also mal davon aus, dass dieser Mann heraus fiel, aber was wusste ich schon - vielleicht auch nur harte Schale und ein eigentlich ganz weicher Kern, alles schon erlebt. War zwar eher selten, konnte mitunter aber vorkommen.
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An und für sich schien Agnolo mit der Antwort ganz zufrieden zu sein, auch wenn er sich meiner Meinung nach deutlich zu früh darauf verließ, dass Michael sein geringstes Problem darstellen würde. Ich kannte ihn nicht gut, hatte ihn lediglich das ein oder andere Mal vor der Bar vorfahren sehen. Oft hatte er Hunter oder Taurens Ablöse zum Schichtwechsel vorbei gebracht. Geredet hatten wir - zumindest, soweit ich mich zurückerinnern konnte - bis jetzt noch kein Wort, aber er wirkte auf mich wie einer der reifsten, erfahrensten Männer des Amerikaners und ich würde mich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, würde ich behaupten, dass Michael mitunter die meisten Privilegien genoss. Mehr als Tauren in jedem Fall, aber das war wohl auch keine hohe Kunst, so Leid mir das auch tat. Bezüglich des jungen Mannes sollte Agnolo direkt eine weitere Frage parat halten, wobei er gar nicht wusste, dass die Antwort darauf mir gerade schon aufgrund des vorangegangenen Themas durch den Kopf geschossen war. Dennoch schüttelte ich erst einmal leicht den Kopf und antwortete tatsächlich vor einem weiteren Schluck Rotwein. So langsam schien das Bisschen, welches sich bereits in meinem Blutkreislauf befand nach und nach eine beruhigende Wirkung auf meinen gesamten Körper zu haben, ließ mich noch einen Gang weiter runter fahren und somit stand ich kurz vor der Müdigkeit. Es hieß an der Stelle für mich entweder aufhören und ins Bett gehen oder weiter trinken, bis der schmale Grad überwunden war und die gute Laune einsetzte. Ich entschied mich im aktuellen Fall vorerst für letzteres. "Na ja. Also zwei der drei Typen kenne ich wirklich nicht gut genug, um dir darauf eine ehrliche Antwort geben zu können. Was Tauren angeht... er ist halt noch jung, ich würde schätzen, dass er sich irgendwo in meiner Altersklasse aufhält und wenn man sich erst einmal etwas länger mit ihm unterhält, wird man feststellen, dass er für den Job als Gangster eigentlich viel zu gutherzig ist. Ihn hätte man lieber irgendwo im Verkauf unter gebracht, mit seinem Schwiegersohn-Lächeln wäre der Umsatz binnen weniger Tage in die Höhe geschossen. Trotzdem habe ich nicht die geringste Ahnung, wie sein Verhältnis zu Hunter ist. Ob er auspacken würde oder nicht... schwierig.", murmelte ich vor mich hin, weil ich noch während dem Reden meine Wortwahl durchdachte, brauchte ich auch hierfür wieder ein paar Sekunden. Nicht ganz so lange, wie davor, aber der nachdenkliche Blick ins Weinglas würde wohl zu genüge unterstreichen, dass ich mit mir haderte. Schlicht, weil ich Norweger dahingehend wirklich überhaupt nicht einschätzen konnte. Ich wusste, dass er loyal war, andernfalls würde er schon lange nicht mehr für Hunter arbeiten und hätte die Chance eines Komplott, welcher durch Einwanderung der Italiener bloß leichter geworden war, sicher nicht ungenutzt gelassen. Aber wie viel er an Folter einstecken konnte und ob er dann etwas ausplaudern würde ... keine Ahnung. Konnte ich wirklich nicht einschätzen.
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In diesem Fall hingegen hatte ich doch schon damit gerechnet, dass der Kunstliebhaber mit seiner nächsten Antwort ein wenig brauchte, sie auch alles in allem nur sehr langsam vortrug. Genau deswegen nippte ich ein weiteres Mal an dem Weinglas, dieses Mal auch ein wenig großzügiger. Ich vertrug ohnehin viel von dieser Sorte Alkohol, weil es die war, die ich mit Abstand im häufigsten konsumierte. Ich hielt nicht sonderlich viel von extrem hochprozentigem Schnaps, der einem nur zügig die Birne wegknallte und dabei noch gefühlt die ganze Speiseröhre mit weg brannte. Ich genoss ihn lieber ganz gemütlich und hatte dafür länger etwas davon. So auch jetzt, während ich Stück für Stück Richards Worte im Geiste zu analysieren versuchte, ohne, dass ich ihn aus meinem Blick ließ. Er schien Alles in Allem Tauren als den Schwachpunkt der Gruppierung zu sehen, auch wenn er - zu seiner eigenen Sicherheit, nehme ich an - dahingehend lieber nichts in Stein meißeln wollte und am Ende damit vielleicht falsche Angaben machen würde. Wenn man Etwas nicht sicher wusste, dann hielt man in den meisten Fällen auch besser die Klappe oder machte es mehr oder weniger elegant so wie der junge Mann hier: Äußerte sich zwar schon dazu und gab eine Vermutung ab, betonte aber gleich im Voraus schon einmal, dass er Nichts davon so unterschreiben würde und er auch gar nicht genug Informationen hatte, um eine sichere Angabe diesbezüglich machen zu können. So nickte ich nur noch einmal kurz, bevor ich den Blick schließlich senkte und dann erst noch mal über seine Worte nachdachte, mich letzten Endes eine knappe Minute später dazu äußerte. "Naja, mal sehen ob die Jungs das Spiel überhaupt mitmachen... werd' ich wohl erst morgen erfahren.", erwiderte ich schließlich mit einem schwachen Schulterzucken noch ein paar wenige Worte und war damit für den Augenblick zufrieden. Der junge Mann hatte mir gebracht, was ich gewollt hatte und hatte sich damit ein bisschen Gunst bei mir erschlichen, auch wenn ich weiterhin skeptisch bleiben würde. Er brachte mir nützliche Informationen und sehr guten Wein, ich konnte mich zum aktuellen Zeitpunkt also eigentlich nicht beschweren. Nur, dass die Sache, wegen der ich hergekommen war, jetzt im Prinzip erledigt war und ich theoretisch gesehen gehen konnte, schmeckte mir so gar nicht. Ich hatte ja keineswegs vor mir die ganze Nacht hier zu vertreiben, weil das doch sehr auffällig wäre, aber ein bisschen Entspannung kam mir eben ganz gelegen. Auch hatte ich keine Handlanger bei mir, die Irgendwas an die oberen Etagen ausplaudern könnten, weshalb ich mir selbst ganz inoffiziell grünes Licht gab. "Und der Jacuzzi? Nur Köder oder so existent wie der Wein?", spielte ich nach einem weiteren Schluck Rotwein auf eine von Richards neckischen, vorherigen Aussagen an. Zögerte auch nicht ihn dabei erneut direkt anzusehen, weil ich von schüchternem Verhalten nun mal meilenweit entfernt war. Das hatte ich schon in der Grundschule irgendwo abgelegt, denke ich.
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Das würden sie, da musste er sich überhaupt keine Gedanken machen. Ich bezweifelte zwar, dass das auf freiwilliger Basis geschehen würde, aber das spielte im Prinzip ja auch überhaupt keine Rolle. Wenn Hunter seinen Männern Anweisungen gab, dann hatten sie diese zu befolgen. Andernfalls würden sie vermutlich durch seine eigene Hand sterben und ich bezweifelte stark, dass den Dreien der Sinn danach stand. Also machte ich mir um den Ablauf am morgigen Abend absolut keine Gedanken - würde schon schief gehen. Stattdessen widmete ich mich lieber Agnolos darauffolgenden Worten, die weiter vom eigentlichen Thema nicht hätten abweichen können. Eigentlich war die Besprechung an der Stelle für heute abgehakt, er konnte also nach Hause gehen oder sich wichtigeren Dingen widmen, entschied sich aber lieber dazu, mich nach meinem Jacuzzi zu fragen? Ich sah den jungen Mann wohl mindestens genau so lange an, wie er gebraucht hatte, um meine vorangegangen Worte zu verarbeiten, bis ich nach einer halben Ewigkeit endlich wieder zu ein paar Worten fand. Ich war nicht peinlich berührt oder gar schüchtern, nur wollte mir nicht ganz einleuchten, was er damit bezwecken wollte. Ja, das Angebot hatte gestanden und bestand auch weiterhin fort, aber Agnolo hatte bis dato immer sehr akkurat auf mich gewirkt. Nicht so, als würde er sich durch einen simplen Wein und ein paar Blubberblasen im Whirlpool um den Finger wickeln lassen, aber ich beschwerte mich nicht. Umso besser, je mehr er sich mir öffnete und je vertrauter wir miteinander umgingen. Die vorherrschende Verwirrung über die charakterliche Vielfältigkeit und Spontanität des jungen Mannes war wohl einfach chronischer Natur und verlor sich schon recht bald in einem schwachen Schulterzucken und einem amüsierten Grinsen. "Auf der Terrasse. Kein Köder... kannst du dich gerne mit eigenen Augen von überzeugen.", antwortete ich locker und nickte mit dem Kopf in Richtung der geflügelten Glastüren, durch die man auf meine verhältnismäßig riesige Dachterrasse steigen konnte. Diese beherbergte neben dem sagenumwobenen Whirlpool zudem eine Hängematte und eine Sitzecke aus recycelten Europaletten, die mit ein paar Sitzkissen erweitert worden sind. Und weil ich mir mittlerweile sicher war, dass der junge Mann es mit seiner Frage tatsächlich ernst meinte - war beim Wein schließlich auch der Fall gewesen -, erhob ich mich wenig später mit dem mittlerweile beinahe vollständig geleerten Glas in der Hand, um besagten Durchgang anzusteuern. Schon wenn man am Fenster stand, konnte man den mehrere tausend Euro teuren Jacuzzi erblicken. Er gehörte zwar nicht mehr zur aktuellen Serie, alt oder gar schlecht war er deswegen noch lange nicht. Immerhin benutzte ich ihn sehr oft, gerade wenn es draußen mal wieder zweistellige Minusgrade hatte. Es war einfach schön, diese unsagbar frische Luft atmen zu können, während einem trotzdem wohlig warm war. Und dementsprechend hielt ich das Teil auch gut in Schuss. "Willst du ihn ausprobieren?", richtete ich eine durchaus ernst gemeinte Frage an Agnolo. Dabei traf mein Blick auch wieder den seinen und ich meinte, seine Antwort bereits zu kennen. Warum sonst sollte man sich nach etwas erkundigen, wenn man kein Interesse daran hatte?
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Es schien also nicht nur einfach so von ihm dahergesagt worden sein, dass er sich von seinem Geld ein wenig Luxus gegönnt hatte. Ich konnte mir an sich auch gut vorstellen, dass er mit den falschen Gemälden nicht schlecht verdiente - zumindest dann, wenn er keine Fehler dabei machte und sich statt Geld eine Brandnarbe einhandelte. Das war ihm ganz sicher aber auch eine Lehre und einen solchen Fauxpas machte er kein zweites Mal. Ich ließ mich mit einem leichten Nicken und den Worten "Sicher doch." darauf ein einen Blick auf besagten Jacuzzi zu werfen, stand auch sogleich auf. Andererseits war mir mein Glas eindeutig schon zu leer und ich bestand darauf es wieder etwa halbvoll zu machen, bevor ich dem Dunkelhaarigen dann zur Terrassentür folgte. Ich brauchte den Alkohol nun keineswegs dazu mir Selbstbewusstsein anzutrinken, aber ich mochte ihn und sah gerade im Moment nur wenig Grund dafür auf weitere Schlucke zu verzichten. Außer die Arbeit vielleicht, die später noch auf mich wartete, aber die ließ sich auch leicht beschwipst noch gut erledigen. Auf eine Antwort hinsichtlich seiner zweiten Frage ließ ich ihn allerdings noch einen Augenblick lang warten, während ich im warmen Inneren des Lofts stand und durch die gläserne Tür hinweg zum Whirlpool sah. Zum einen einfach nur deshalb, weil er mich auch viel zu oft auf eine Antwort hatte warten lassen und zum anderen, weil nochmal für kurze Zeit das schlechte Gewissen hinsichtlich meiner eigentlichen Aufgaben aufflackerte. Allerdings ließen diese Gedanken sich mit einem weiteren Schluck Rotwein ganz gut wegspülen und so zuckte ich noch einmal mit den muskulösen Schultern, bevor ich schon die Hand an einen der beiden Türgriffe legte. "Wieso nicht, die Arbeit kann auch mal warten.", begleitete ich meine Tat mit ein paar nicht ganz so wahren Worten, weil ich ganz bestimmt der einzige in meinem Team war, der das in diesem Augenblick so sah. Es empfing mich prompt die kalte Abendluft und der Italiener in mir wollte eindeutig ganz schnell Kehrt machen. Bestünde nicht die Aussicht auf angenehm warmes Wasser hätte ich das sehr sicher auch getan. Zwar wurde es langsam ein wenig wärmer und weniger verschneit als noch vor ein paar Wochen, aber kalt war es nach wie vor, um nicht zu sagen eisig. Mein Glas wanderte erst einmal auf die schmale Ablagefläche am Rand des Pools, bevor ich mich von jenem noch einmal entfernte und stattdessen die Sitzecke ansteuerte, um meine Klamotten vor eventuellem nass werden zu schützen. Es war ein wenig nervig, dass ich erst den Waffengurt ablegen musste, weiterhin Pullover und Tshirt - meine Nippel waren von der Kälte merklich wenig begeistert, wobei ich mir allgemein wohl nur wenig von meinem Unbehagen diesbezüglich anmerken ließ -, im Anschluss noch Stiefel und Hose. Dann auch noch den Gurt mit Messer am Unterschenkel, es schien gefühlt gar kein Ende mehr zu nehmen. Danach fiel mir auf, dass ich logischerweise weder eine zweite Boxershort, noch eine Badehose mit hatte und ich nun wirklich nicht vorhatte, mich dahingehend bei Richard zu bedienen, selbst wenn mir sein Kram passen würde. Ich zog allgemein sehr ungern fremde Klamotten an, war so gar nicht mein Ding. Es musste schon entweder mein Leben davon abhängen oder ich musste richtig frieren, um meine Abneigung abzulegen. Es war eigentlich gar nicht meine Intention gewesen hier blank zu ziehen, aber andererseits kümmerte es mich auch reichlich wenig, weil ich schlichtweg Nichts zu verstecken hatte. Ich glaubte auch kaum, dass Richard etwas dagegen hatte... und wenn doch sah ich ihm gerne dabei zu, wie er versuchte mich davon abzuhalten oder er sich allein wieder nach drinnen verzog, während ich mich an seinem kleinen, persönlichen Spa-Bereich ergötzte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dieses Mal war es Agnolo, der sich für diese simple Frage überdurchschnittlich viel Zeit zum Antworten nahm. Jedoch reagierte ich nicht ganz so empfindlich auf das lange Warten, wie er es tat. Wurde nicht direkt hibbelig oder miesepetrig. Ganz im Gegenteil. Ich hatte hier momentan doch absolut nichts auszustehen. Ich war Zuhause, bis auf die Knochen entspannt und ließ den Abend mit einem attraktiven Mann und vorzüglichem Rotwein ausklingen. Es gab in meinen Augen also keinen Grund, den Italiener unter Druck zu setzen, ihn zu stressen, nur weil er für ein paar zustimmende Worte etwas länger brauchte. Ich nutzte die Zeit ganz einfach dafür, mir die Frage zu stellen, ob die Veränderung seines Verhaltens so etwas wie eine Falle sein sollte, weil er mir in Sachen Hunter auf den Schliche gekommen war oder er sich aber tatsächlich über einige, mit Sicherheit bestehenden Vorschriften seiner Bosse hinweg setzte, indem er ohne - mit Mord gespickten - Hintergedanken für eine Weile einfach mal abschaltete. Ich war mir nicht ganz sicher, doch bevor ich die ganze Geschichte überdenken und die Risiken abwiegen konnte, war der junge Mann schon an mir vorbei gezogen und auf die Terrasse verschwunden. Die schwache Außenbeleuchtung formte den gut aussehenden jungen Mann binnen weniger Sekunden von dreidimensional und in Farbe zu einer zweidimensionalen, schwarzen Silhouette, die jedoch nicht weniger schön anzusehen war. Ich stand sicher noch eine halbe Minute etwas verwirrt auf der anderen Seite der Glastür, bis ich mich schließlich leise lachend in Bewegung setzte. Allerdings folgte ich Agnolo nicht direkt, sondern kehrte erst einmal zum Wohnzimmertisch zurück, um dort den guten San Marzano am Flaschenhals zu packen. Weil mein Glas ziemlich bald leer sein würde und ich mich dann nicht noch einmal aus dem Pool bequemen wollte, kam er ganz einfach mit und wurde in greifbarer Nähe des Jacuzzi platziert. Als ich zurück kam, hatte mein Besuch sich schon einigen seiner Kleidungsstücke - die allesamt mit irgendeiner Art von Waffe gespickt waren - entledigt, was mich verwundert eine Augenbraue in die Höhe wandern ließ. Ich wusste ja, dass er bis unters Kinn bewaffnet gewesen war, umso verwunderlicher fand ich es nun, dass Agnolo scheinbar überhaupt kein Problem damit hatte, sämtliche Waffengurte und Messer einfach so beiseite zu legen. Hatte er denn überhaupt keine Angst, dass das nicht alles bloß ein Hinterhalt war? Immerhin hätte sich weiß Gott wer hier auf der Terrasse verstecken und einen günstigen Augenblick abwarten können, um seinen Kopf schließlich so lange unter Wasser zu drücken, bis die letzten Bläschen signalisierten, dass sämtliche Luft aus seinen Lungen entwichen war. Aber gut, wieder so eine Situation, die ich am besten gar nicht in Frage stellte und einfach so hinnahm. Vermutlich hätte ich spätestens zum Zeitpunkt, an dem die Boxershorts meines Gegenüber den Abflug machte, sämtliche Operationen abgebrochen und zur Vorsicht angehalten. Denn das hätte ich mir vor einem Zugriff definitiv nicht entgehen lassen wollen. Ich hatte mittlerweile zu dem Italiener aufgeschlossen und konnte nun auch durch das gedimmte Licht alles erkennen, was nötig gewesen war, um mich für einen winzigen Augenblick die Luft anhalten zu lassen. Weniger, weil ich mit der Offenheit nicht gerechnet hatte und viel mehr aufgrund der Angst, dass ich mir hier aktuell Dinge einbildete und ... vielleicht sogar erträumte, die so weder zutrafen noch jemals zutreffen würden. Allerdings hielten sich die Gedanken nicht lange und ich verwarf meine Ängste und Sorgen, denn es war nicht weniger normal, wenn sich Männer ein Bad teilten. In der Sauna war es schließlich auch nicht anders und da dachte auch niemand darüber nach, ob der Gegenüber nicht nur wegen der heilenden Wirkung von nahezu hundert prozentiger Luftfeuchtigkeit das Dampfbad aufsuchte. Also... selbst wenn Agnolo nicht homosexuell war, sollte es eigentlich keine Probleme geben und auch zu keiner Konfrontation kommen. Ich tat es ihm also recht bald gleich und legte meine - weniger mit Waffen behafteten - Klamotten neben seinen auf die Ablage. Es war ja außerdem auch nicht so, als hätte er mich nicht bereits halb nackt gesehen. Zu verbergen hatte ich nichts, bis auf das entstellte Gesicht vielleicht, aber davon hatte er sich bis jetzt ja auch nicht abschrecken lassen. Ich machte ein paar Schritte an dem jungen Mann vorbei, um die Wassertemperatur zu checken, die noch ein wenig wärmer hätte sein können, aber das war schnell erledigt, sobald erst einmal die Blubberblasen aktiv waren. Eine kleine Fernbedienung, die trotz wasserdichter Verarbeitung ihren Platz auf einer Wind und Wetter geschützten Ablage gefunden hatte, verwandelte das einst so stille Gewässer schließlich in einen reißenden Wasserfall. Von der Lautstärke kam das zwar nicht ganz hin, aber es kam langsam Bewegung in die ganze Sache. "Bitte, nach dir.", wandte ich mich mit wenigen, dennoch einladenden Worten an den Italiener, der bis zum jetzigen Zeitpunkt hinter mir gestanden hatte.
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