War es auch nicht. Schusswunden gehörten mit zu den Dingen, die ich an meinem Job am allerwenigsten leiden konnte. Auf die ich für gewöhnlich auch tunlichst verzichtete, wenn sich mir die Möglichkeiten dazu ergaben. War in diesem Fall aber nicht machbar gewesen, war die ehemalige Polizistin doch vollkommen aus dem Nichts erschienen. Als ich den Wagen ein Stück weit hinter der Einmündung mit der Hauswand, hinter der die Brünette hervor gekommen war, geparkt hatte, war da noch keine Spur von ihr gewesen. Umso mehr hatte mich die ganze Sache überrascht, hatte ich doch auch alles in allem kein Stück damit gerechnet, dass sie blöd genug war aus dem Haus zu gehen. War all die Wochen zuvor ja auch nie der Fall gewesen oder aber sie hatte es dermaßen geschickt mit weiß Gott was für einer Tarnung hingekriegt, dass wir es nicht mitbekommen hatten. Konnte ich mir eigentlich aber nicht vorstellen, weil ich meine Augen und Ohren wirklich fast überall in der Stadt hatte, unter anderem auch zu Fuß, aber gut... wie auch immer, war jetzt vorbei und für mich im jetzigen Moment nicht weiter relevant. "Ist es auch nicht.", war mein einziger und wohl letzter Kommentar dazu, bevor wir zum eigentlich wichtigen Thema übergingen. Allerdings hielt ich das, was Richard mir hinsichtlich Cosma und Hunter da weiß machen wollte, nicht für die Wahrheit. Irgendeine Beziehung mussten die beiden zueinander haben, man schob einem anderen Menschen nicht aus heiterem Himmel seine Zunge in den Hals. Genau deshalb musste ich auch kurzzeitig leise auflachen, was ich allerdings schnell wieder bleiben ließ, weil die Wunde mir mit einem unangenehmen Zwicken zu verstehen gab, dass sie das nicht in Ordnung fand. Demnach verzog ich das Gesicht auch gleich im Anschluss gezwungenermaßen ein bisschen, bis der Schmerz fast gänzlich abgeebbt war. "Okay, ich sehe hier in diesem Fall genau zwei Möglichkeiten... die erste ist, dass du mich anlügst, weil du einen von beiden schützen willst... und die zweite, dass du eigentlich gar keinen Schimmer davon hast, was die beiden auch immer für eine Art von Beziehung zueinander haben.", stellte ich fest, wobei mein Gesichtsausdruck doch wieder recht ernst war, der Tonfall aber vorerst noch ruhig. Eine andere Option sah ich nicht wirklich. Womöglich spielte er schon die ganze Zeit fürs feindliche Lager und für welche der beiden Personen war an dieser Stelle dann auch egal, weil die beiden sich offensichtlich sehr viel besser leiden konnten, als er dachte. Ohnehin schien er die Rothaarige ganz gut zu kennen, weil mir schleierhaft war warum er sonst wissen sollte, dass sie den Amerikaner angeblich nicht leiden konnte. Dieser Gedankengang an sich ließ mich schon recht skeptisch werden, hatte ich das letzte kleine Überbleibsel an Skepsis dem Dunkelhaarigen gegenüber doch ohnehin nie abgelegt. Andererseits wiederum war dann schon komisch, dass er nichts von den beiden wusste, weshalb die Beziehung zwischen ihm und der Barinhaberin vielleicht doch nicht mehr so gut oder aktuell war. Ich musterte jede noch so winzige Regung in Richards Gesichtszügen, um die kleinste Veränderung darin erkennen zu können, wenn ich jetzt noch ein paar weitere Worte hinten dran hängte. "Du kannst mir hier nicht erzählen, dass man Jemandem seine Zunge in den Hals schiebt, wenn man ihn so gar nicht leiden kann... sah auch absolut nicht danach aus, als würde er sie zu Irgendwas zwingen, sonst hätte Cosma", danke an dieser Stelle für das Erwähnen ihres Namens. "sich ihm kaum dermaßen an den Hals gehängt. Vermutlich hätten sie ewig damit weiter gemacht, wenn Hunter mich nicht gesehen hätte. Das sah schon ziemlich... vertraut aus.", redete ich also vor mich hin und legte ihm damit die Karten hinsichtlich meiner eigenen Recherchen auf den Tisch, zog dabei gegen Ende langsam die rechte Augenbraue nach oben. Na was jetzt, werter Herr Professor? Feindliches Lager oder nur viel zu voreiliges Kaschieren deiner eigentlichen Unwissenheit aus Angst davor, dass mich das nicht zufrieden gestellt hätte?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha... schön, dass Agnolo hier ganz genau zwei Möglichkeiten sah. Ich persönlich sah ja nur einzige und zwar, dass er vollkommen den Verstand verloren und eins an der Waffel haben musste. Aber das war ja inzwischen nichts neues mehr und wunderte mich daher auch in diesem Fall so überhaupt nicht. "Also, du willst mir verklickern ...", setzte ich an, unterbrach allerdings und stieß mich währenddessen von der Theke ab, um ein paar Schritte auf ihn zuzumachen. Mit der freien Hand war ich mir nachdenklich durchs Haar gefahren, weil die mir gegebenen Antwortmöglichkeiten ziemlich tricky waren. Mich angestrengter darüber nachdenken ließ, welche Worte ich als nächstes an ihn richten würde. Und das war schwierig, denn potenziell müsste ich mich bei beiden möglichen Antwortalternativen erklären und ich war mir sicher, dass das kein gutes Ende für mich nehmen würde. Wenn Agnolo wusste, dass ich mit Cosma engeren Kontakt hatte und sie und Hunter tatsächlich so etwas wie eine Beziehung führten - was für mich aktuell noch nicht einmal in der Theorie möglich war -, dann konnte man mir tatsächlich das Interesse einer Zerschlagung der italienischen Mafia unterstellen. Schließlich ließ man einen guten Freund nur ungern hängen und es wäre schon realistisch, dass sie mich darum gebeten hätten, dem jungen Mann hier auf den Zahn zu fühlen, um an Insiderinformationen zu gelangen, damit Hunter sich ausreichend gegen das Gesindel wappnen und zum Gegenangriff ausholen konnte. Und die zweite Möglichkeit? Ich hätte mich vermutlich um Kopf und Kragen geredet, wenn ich versucht hätte, ihm von Gegenteil zu überzeugen. Denn er hatte zugegebenermaßen Recht. Ich hatte mich wirklich lange nicht mehr mit meiner besten Freundin unterhalten. Andernfalls hätte sie mir dahingehend vielleicht einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben und mir vorsichtig nahe gelegt, dass sich da unter Umständen etwas anbahnte. Ich wäre absolut außer mir gewesen, keine Frage, denn ich hatte bis dato immer gehofft, dass Cosmas künftiger Lebenspartner - sollte sie jemals wieder in der Lage dazu sein, sich auf Beziehungen einzulassen - ihr den Rücken mit einer ruhigen Persönlichkeit stärken würde. Quasi das absolute Gegenteil von ihr war und sie somit in manchen Dingen einfach ein bisschen runterholen konnte. Ein Äquivalent zu Daith, der es auf sämtlichen Ebenen einfach nur verkackt hatte, ihr irgendwas Gutes zutun. Und dann sollte ihre Entscheidung bei rund drei Millionen Männern in Norwegen doch tatsächlich auf Hunter fallen? Im Leben nicht! Oder doch? Ich wusste gerade wirklich nicht, was ich denken, noch was ich sagen sollte und fühlte mich deshalb ziemlich in die Enge getrieben. Mein Gesichtsausdruck blieb zwar stetig angespannt, aber das nervöse auf und ab laufen vor Agnolos Nase war auffällig genug, dass ich ganz offensichtlich große Schwierigkeiten damit hatte, eine Antwort auf seine Frage zu formulieren, ohne mich dabei in die Scheiße zu reiten. So wie ich das sah, führte da nur leider kein Weg drum herum, zumindest wenn seine nachfolgenden Worte stimmen sollten. Noch wollte ich allerdings nicht aufgeben und versuchte, mit der einzigen, aktuell noch realistischen Option meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen: Leugnen. Das würde zwar nach wie vor den Anschein erwecken, dass ich mehr mit Cosmas zutun hatte, als ich ihn wissen ließ, aber die Information, wie sehr sie Hunter hasste, konnte sie mir in einer der unzähligen Nächte, die ich bis dahin in der Bar verbracht hatte, aufgetischt haben. Man unterhielt sich ja als Betrunkener ganz gerne und Barkeeper waren in der Regel auch ziemlich redselig. Warum sollte das bei dem rothaarigen Teufel anders sein? "Das ist ja alles schön und gut", setzte ich nach etlichen Sekunden, Minuten der Überlegung schließlich erneut zum Reden an. "Aber bist du dir denn auch zu einhundert Prozent sicher, dass es Cosma war, die du da mit Hunter gesehen haben willst?", unterstellte ich einfach mal ganz frech, dass er vielleicht derjenige war, der mich anlog. Vielleicht, um mich durch Bluffen in eine Falle zu locken? "Mein Stand von vor wenigen Tagen - da habe ich mich das letzte Mal am Tresen in der Smith and Wesson mit ihr unterhalten, genau ein Tag, nachdem du das letzte mal hier warst - ist, dass sie sich lautstark über Hunter beschwert hat, weil er ihr die Kunden aus dem Laden ekelt, wenn es Probleme mit der Bezahlung beispielsweise gibt. Dass er kein ruhiges Gespräch mit ihr sucht, sondern lieber volltrunken in ihren Laden einmarschierte und sich mit den Gästen anlegt, wenn sie ihm nicht schnell genug aus dem Weg gehen. Und weil ich schon einmal bei einer solchen Aktion daneben gesessen habe, glaube ich nicht, dass sie sich dem Kerl plötzlich um den Hals wirft. Du musst sie verwechseln.", beendete ich schließlich die ausschweifende Erklärung, die an manchen Ecken und kannten natürlich nicht ganz richtig war. Es war beispielsweise gelogen, dass wir erst vor kurzem das letzte mal miteinander gesprochen hatten, nicht jedoch, dass Hunter ein mieses Ekelpaket war, der sich mit absolut jedem anlegte, der ihm auch nur im Ansatz zu nahe kam. Während ich redete, war ich weiterhin durch das große Wohnzimmer getigert, hatte ab und an mal einen Schluck aus dem Glas genommen, bis es schließlich leer war. Und genau zu dem Zeitpunkt kam ich genau vor Agnolo zum Stehen, sah ihn abwartend an.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Er brauchte viel zu lange, wobei lang schon fast gar kein Ausdruck mehr dafür war. Worüber Richard in diesem Moment genau so fieberhaft nachdachte, das konnte ich natürlich nicht mit Sicherheit wissen, aber allein die Tatsache, dass er eben so intensiv über eine Antwort grübelte, ließ bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen und ich zog die Augenbrauen immer tiefer ins Gesicht. Als er dann endlich mal wirklich zu reden anfing - wohlgemerkt erst nach einer gefühlten halben Ewigkeit - brachte er mir nichts entgegen, als eine Ausrede. Genau danach klangen seine Worte für mich, versuchte er mir doch ernsthaft zu unterstellen, dass ich quasi zu dumm zum sehen war. Im weiteren Verlauf zweifelte ich noch dazu stark daran, dass das Gespräch mit der Rothaarigen, das er mir hier weiß machen wollte, wirklich so stattgefunden hatte. Mochte ja sein, dass sie sich womöglich irgendwann mal über den Amerikaner bei dem Dunkelhaarigen hier beschwert hatte, aber das konnte nicht vor Kurzem gewesen sein. "Ich wurde angeschossen, Säure in die Augen gekippt wurde mir nicht und ich erkenn' den Rotschopf inzwischen gefühlt aus einem halben Kilometer Entfernung. Es ist wirklich interessant, für wie abwegig du das Ganze hältst... man könnte fast meinen du willst nicht, dass zwischen den beiden was läuft. Kann dir doch egal sein, wenn sie nur irgendeine Barkeeperin ist, die dir hin und wieder den Alkohol auf den Tresen stellt...", stellte ich also erst einmal mit leicht verengten Augen fest, dass es meiner Meinung nach hochgradig verdächtig war, wie sehr Richard mir die Geschichte ausreden wollte und richtete mich noch dabei wieder zum Stehen auf. Öffnete ganz beiläufig meine Jacke, weil die Pistolen wie immer darunter lagen und ich zumindest eine davon eventuell zeitnah gebrauchen konnte. Für den künstlerisch interessierten Mann dürfte es eigentlich nicht von Belang sein, ob die beiden etwas am Laufen hatten oder nicht, sofern da nicht irgendeine andere Verbindung bestand. Da er Hunter nach eigener Aussage nicht leiden konnte - was seine recht offensichtliche Abneigung bezüglich eines Verhältnisses zwischen den beiden nur noch weiter unterstrich - musste der Knackpunkt also das rothaarige kleine Flittchen sein. Anders konnte ich mir in diesem Augenblick nicht erklären warum er mir die Sache so vehement ausreden wollte, als würde ich ihm hier gerade Märchen vom Weihnachtsmann oder Osterhasen auftischen. Ich war nicht blind und dumm auch nicht. Der junge Mann schien was seine Gesichtszüge anging noch recht beherrscht, aber die eigentliche Nervosität hatte er mir durch sein Herumgetiger quasi fett mit Textmarker angestrichen. Noch rote Pfeile außen herum gemalt und die Fakten eingekringelt. Ich suchte gedanklich nach ein paar gezielten Worten, die ihn vielleicht noch weiter aus der Haut fahren lassen würden, falls wirklich sowas wie eine Freundschaft zwischen ihm und Cosma bestehen sollte. Vielleicht sogar mehr, was wusste ich schon - vielleicht war er nicht schwul, sondern bisexuell, aber letzteres spielte in diesem Fall nicht wirklich eine Rolle. Eine potenziell positive Beziehung in welcher Form auch immer brachte ihn hier gerade wirklich in Bedrängnis. "So oder so geh' ich wohl lieber auf Nummer sicher, wenn du mir hier schon keine brauchbare Information geben kannst, weil du offensichtlich nicht weißt was Sache ist. Sollen meine Männer die Benzinkanister vollmachen und die Bar anzünden, wenn die Schlampe wieder Zuhause ist. Schaden kann's mir ja nicht.", versuchte ich ihn mit einem verhältnismäßig entspannten Schulterzucken aus der Reserve zu locken, als würde ich jeden Tag irgendwelche Gebäude in Brand stecken und zückte noch währenddessen mein Handy. Den Blick wandte ich dabei aber nicht von dem Dunkelhaarigen ab, senkte ihn dann nur einmal kurz um den richtigen Kontakt aus der Liste auf dem Display zu wählen und hob gleich im Anschluss das Mobiltelefon an mein Ohr. Mein inzwischen wieder leicht stechender Blick hatte zurück zu Richards Augen gefunden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na ja, hätte ja klappen können, oder? Agnolo hatte sich bis hierhin an der Nase herumführen lassen, war es da wirklich zu viel verlangt, dass er mir auch in diesem Moment einfach meine Lügengeschichten und Ausreden abkaufte? Ganz offensichtlich schon und daraus resultierend zog sich die Schlinge um meinem Hals immer weiter zu, nahm mir mehr und mehr die Luft zum Atmen. So langsam gingen mir nämlich die Ideen aus, mich hier halbwegs unbeschadet aus der Sache heraus zu reden und der Druck, den der Italiener indessen auf mich ausübte, machte das Nachdenken nicht wirklich leichter. Tja. Das schien es gewesen zu sein, hm? Ganz offensichtlich waren bei Agnolo nämlich sämtliche Alarmglocken angesprungen. Das signalisierte mir nicht nur die Zurschaustellung seiner Waffen, sondern auch das allgemein wieder etwas angespannte Verhalten, dieses Funkeln in seinen Augen. Und spätestens in diesem Moment war ich mir ziemlich sicher, dass es da nichts mehr zu retten gab. Er den Braten gerochen hatte und mir durch eine dumme Unachtsamkeit auf die Schliche gekommen war. Kein schönes Gefühl, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, denn ich konnte nur erahnen, was er mit mir anstellen würde. Wenn er mich nicht direkt erschoss, wartete auf mich vermutlich dieselbe Hölle, durch die auch Tauren gegangen war. Und wenn dieser es laut Aussage des Italieners nur knapp geschafft hatte, dem Tod zu entrinnen, dann sah ich für meine Zukunft ehrlich gesagt schwarz. Angesichts der Tatsache, dass er mit all seinen Worten Recht zu haben schien, raufte ich mir ein weiteres Mal das Haar. Aber es brachte alles nichts. Ich konnte nicht mehr klar denken und wusste nicht genau, was ich noch glauben konnte und sollte. Selbst wenn ich jetzt spontan eine Ausrede fand, die mein enges Verhältnis zu Cosma rechtfertigte, kamen wir wieder auf eben genannten Punkt mit dem Interessenkonflikt zu sprechen und spätestens da wäre es absolut egal gewesen, was ich sagen würde. Agnolo würde mir die Worte so lange im Mund herum drehen, bis sie ihm in den Kram passten und das wiederum war dann mein Todesurteil. Es verging bestimmt wieder eine halbe Minute, in der ich das Ganze sacken ließ und dann ... dann schien ich vollkommen die Fassung zu verlieren, weil ich zu realisieren begann, was mir der junge Mann da gerade überhaupt mitgeteilt hatte. Er hatte Hunter mit Cosma beim Rumknutschen beobachtet. Meine beste Freundin und der mit Abstand gemeingefährlichste Gangster dieser Stadt. "Das... das kann nicht sein.", stammelte ich geistesabwesend, als ich mir das Bild vor Augen rief. Nein, nein, nein. Das konnte und durfte einfach nicht sein! Mittlerweile waren mir die mühsam an mich gehaltenen Gesichtszüge vollkommen abhanden gekommen, als sich durch den Schleier von Frust all der ganze Scheiß vor meinen Augen manifestierte. Also erstens: Ich war am Arsch. Zweitens: Cosma schuldete mir eine richtig gute Erklärung und drittens: Ich war ganz definitiv am Arsch. Denn bei Agnolos letzten Worten konnte ich dann einfach nicht an mich halten. Ich mochte mit der jungen Frau meine Differenzen haben und würde ihre Entscheidung - wenn das wirklich stimmte, was mir mein Gegenüber weiß machen wollte und davon musste ich zum jetzigen Zeitpunkt leider ausgehen - absolut nicht gut heißen, aber irgendwo hörte es dann trotzdem auf. Ich wusste, wie wichtig der Rothaarigen ihre Bar war und würde einen Teufel tun, den Italienern bei der Zerstörung unter die Arme zu greifen. Ich war vielleicht skrupellos wenn es um Menschen ging, denen ich nicht nahe stand, aber ich wusste ganz genau, wie die Smith and Wesson über die letzten Jahre zu Cosmas Anker geworden war. Und ich wollte mir nicht vorwerfen müssen, dass ich derjenige gewesen war, der sie wieder in das tiefe Loch zurück geschubst hatte, aus dem ich ihr einst heraus geholfen hatte. Wenn die Sache mit Hunter stimmte, hätte ich danach auch kein sonderlich erfülltes Leben mehr. Er würde mich vermutlich persönlich bis an die Pforten der Hölle führen, wenn er sah, was ich seiner Freundin angetan hatte. Und deshalb entschied ich mich lieber dazu, die ohnehin schon zu neunzig Prozent aufgeflogene Tarnung endgültig abzustreifen, als ich einen weiteren Schritt auf den Mafiosi zu machte. Ich war noch immer kein Freund von Gewalt, konnte mich auch in den seltensten Fällen mit Männern meiner Größenordnung messen, aber es reichte zumindest für einen gehandicapten Agnolo. Ich griff schnell und sehr bestimmt nach der Hand, die das Handy hielt und drückte so lange zu, bis das Mobiltelefon schließlich auf den Boden krachte. Hätte er weiter daran festgehalten, wäre aller Voraussicht nach ein, vielleicht aber auch zwei Knochen zu Bruch gegangen und das schien er vermeiden zu wollen. Um zu verhindern, dass das gewählte Telefonat auf der anderen Seite der Leitung entgegengenommen wurde, trat ich im Anschluss auf das leise Poltern mit dem verhältnismäßig harten Absatz meiner Lederschuhe das Display kaputt und vergewisserte mich mit einem flüchtigen Blick nach unten, das der Akku auch ja separiert zum Rest der zerstörten Einzelteile lag. Ich trat den Müll unter meinen Füßen achtlos beiseite, ehe ich meinen Gegenüber schließlich anfunkelte. "Mag sein, dass ich nicht so aussehe, als könnte ich dir oder deiner dreckigen Sippschaft gefährlich werden, aber sollte das, was du mir da gerade gesagt hast, zutreffend sein, dann muss ich mir um dein Dasein keine großen Gedanken mehr machen. Sollte Cosma oder ihrer Bar etwas passieren, dann wird dich Hunter finden und bei Gott, er wird dir deine Haut bei lebendigen Leibe vom Körper reißen.", gab ich ein paar warnende Worte von mir, wobei mein Gesichtsausdruck Alles in Allem noch recht neutral wirkte. Überhaupt nicht mit dem drohenden Unterton in meiner Stimme zusammen passte, aber ich fand, dass die Worte ganz treffen waren. Vor mir hatte er keine Angst, das konnte ich verstehen. Viel entgegen zu setzen hatte ich ihm schließlich nicht, aber aus eigener Erfahrung konnte ich sagen, dass man Hunter besser nicht zu sehr provozierte...
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Ich hätte die Skepsis in meinem Hinterkopf nicht einfach ignorieren sollen. Schließlich wusste ich eigentlich, wie selten ich mich mit meiner Menschenkenntnis mal täuschte und es wäre auch irgendwie zu schön gewesen um wahr zu sein, dass mir einfach Irgendjemand, der offenbar doch irgendwie tiefer als angenommen in Hunters Reihen verstrickt war, wichtige Informationen steckte. Zumindest dann, wenn sie nicht irgendeinem längerfristigen Ziel für die eigene Seite dienten. Jetzt, wo es Richard allmählich aber wie Schuppen von den Augen zu fallen schien, dass ich ihm hier willkürliche keine Gute-Nacht-Geschichte, sondern Nichts als die Wahrheit erzählte, fügte sich auch sein Gesichtsausdruck noch ins ach so gut zum Verrat passende Bild ein. Ihm entglitten innerhalb weniger Sekunden sämtliche Gesichtszüge und spätestens da sah ich dann komplett rot. Seine Stammelei machte es kein Stück besser, war es um seine Fassung offenbar endgültig geschehen und das ließ mich leise Schnauben, fast schon amüsiert. Was ich hingegen deutlich weniger witzig fand, war seine folgende Aktion. Der materielle Wert des Handys kratzte mich nicht ansatzweise, aber er zerquetschte mir die Hand förmlich. Das kam zugegeben ziemlich unerwartet und ich fragte mich, woher er diesen Mut jetzt hatte. Ob er glaubte, damit wirklich noch Irgendwas retten zu können. Er machte es eher noch schlimmer, bestätigte mich nur in der Annahme, dass die Brandstifterei eine hervorragende Idee von mir gewesen war. Jetzt noch mehr, als ohnehin schon. Ich knurrte doch hörbar auf und knetete mir einen Moment lang den schmerzenden Handrücken, während Richard noch dabei war dem Smartphone den Rest zu geben. Von dem Lärm schien mein zweiter Schatten bereits hellhörig geworden zu sein, rief nach mir, aber ich wimmelte ihn noch ab. Auch, wenn der junge Mann hier den Mut jetzt scheinbar mit Löffeln gefressen zu haben schien, war er bis dato keine große Bedrohung für mich. Trotzdem funkelte ich ihn wütend an, als er erneut zum Reden ansetzte und zog schon dabei eine der beiden Pistolen aus ihrem Holster. Er konnte sich seine Drohung in den Arsch schieben, sie kümmerte mich nicht. Ich hatte keine Angst vor Hunter oder seiner offensichtlichen, sadistischen Ader. Es war schon unwahrscheinlich genug, dass er mir dafür überhaupt nah genug kam, bevor ihm Jemand eine Kugel durch den Schädel jagte. "Kann's kaum erwarten ihn zu sehen, Dornröschen.", war Alles, was ich ihm noch ins Gesicht knurrte, bevor ich ohne weitere Umschweife mit der Waffe ausholte und sie ihm über den ohnehin schon so demolierten Schädel zog. Gezielt nahe der Schläfe, damit er mindestens kurzzeitig ausgeknockt war. Ich bereute es zwar noch fast im selben Atemzug, weil es sich fast so anfühlte, als hätte die Schusswunde wieder zu bluten angefangen, aber das war mir die Genugtuung wert gewesen. Ebenso wie der weitere Schmerzen in meinem eigenen Körper auslösende Tritt, den ich Richard noch zusätzlich in die Rippen mitgab, weil er es ganz einfach nicht anders verdient hatte. Erst dann ging ich scharf die Luft einziehend über ihn hinweg und jetzt etwas stärker hinkend bis zur Wohnungstür, wo ich meinem Handlanger sein Telefon abknüpfte und ihn mit den knappen Worten "Mach ihn unschädlich und halt dich bloß nicht zurück. Er kommt mit.", dazu anwies, die elende Made in Gewahrsam zu nehmen. Von mir aus gern noch mit einem Schlag oder Tritt extra, da war ich absolut offen für kreative Vorschläge. Er würde noch sehen, was er davon hatte. Mit einem schnellen Kopfschuss abdanken würde er ganz sicher nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Schade, ich hatte gehofft, dass es Agnolo entgegen meinen Erwartungen kurz und schmerzlos machen und einfach den Abzug seiner Waffe betätigen würde. Aber danach schien ihm, wie zu erwarten gewesen war, überhaupt nicht der Sinn nach zu stehen. Er nahm mich lieber mit, um mir weiß Gott was anzutun, bis ich schließlich von ganz alleine das Zeitliche segnete. Na ja. Immerhin hatte ich es versucht und musste mich nun wohl oder übel mit den Konsequenzen arrangieren. Schöne Scheiße. Es war ja nicht so, als hätte ich von Anfang an Zweifel an der ganzen Sache gehegt, explizit darum gebeten, mich über das Wichtigste auf dem Laufenden zu halten, damit wenigstens so ein Mist nicht passierte und ich für etwaige Auseinandersetzungen vorbereitet war. Und nun? Jetzt durfte ich Hunters und Cosmas Blödheit ausbaden, nur weil sie sich zur absolut richtigen Zeit - ha ha - gefunden hatten und der Meinung waren, öffentlich und ganz offensichtlich an einem Ort miteinander rum zumachen, der den Italienern durchaus bekannt war und durch Patrouillen regelmäßig kontrolliert wurde. Sollte ich durch das größte Wunder dieser Erde überleben und aus den Fängen Agnolos fliehen können, konnten die zwei sich warm anziehen. Denn bis dahin würde ich das pazifistische Verhalten ganz sicher abgelegt haben und einen nach dem anderen eigenhändig erwürgen. Brief und Siegel drauf! Die Worte des jungen Mannes drangen indessen nur noch sehr vage und überhaupt nicht mehr bewusst an mein Ohr, weil ich das Griffstück der Waffe bereits auf mich zukommen sah und es für weitaus wichtiger erachtete, mich geistig schon einmal auf den stumpfen Schmerz einzustellen, der mich schließlich binnen weniger Sekunden dann auch ausknocken sollte. Ich hatte nichts mehr gesagt, auch überhaupt nicht mehr auf die letzten Worte meines Gegenübers reagiert, schlicht weil ich aufgegeben und vor allem keine Lust mehr hatte. Ich wusste, dass es mir nichts brachte, egal, was ich sagen oder wie ich reagieren würde. Mir war wichtig, dass ich ihm meinen Standpunkt noch klar gemacht hatte, bevor mich die eiserne Waffe ziemlich genau auf dem empfindlichsten Punkt der Schläfe traf. Und auch wenn Agnolo reichlich lädiert war, musste ich mir eingestehen, dass es der Schlag doch noch ganz schön in sich hatte. Mich schnell und relativ schmerzlos in die Bewusstlosigkeit schickte. Der schwarze Schleier blieb dann auch recht lange erhalten, sodass ich meinen unschönen Sturz auf den Boden überhaupt nicht mehr mitbekam, ebenso wenig die Reise, auf die mich der Italiener und sein Handlanger schickten.
Als ich heute morgen die Augen aufgeschlagen hatte, konnte ich ja überhaupt noch nicht ahnen, welche schrecklichen Dimensionen die nächsten vierundzwanzig Stunden annehmen würden. Vermutlich wäre ich einfach auf dem Sessel hocken geblieben und hätte es tunlichst vermieden, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. Das Schicksal sollte man schließlich nicht herausfordern, weil man meistens den Kürzen zog. Tja und was sollte ich sagen. Scheinbar hatte ich in jüngster Vergangenheit irgendwo einen kleinen Fehler gemacht, für den mich das Karma noch nicht eingeholt hatte. Bis heute eben. Die Sache mit der Flucht aus Hunters Unterkunft war nur der Anfang allen Übels gewesen, hatte aber schon derart an meinen Nerven gezerrt, dass ich noch die nächsten Wochen etwas davon haben würde. Zu dem Zeitpunkt stellte sich mir unwillkürlich die Frage, wie Hunter und seine Gefolgschaft Tag für Tag so leben konnten. Die Flucht in dem schwarzen Coupé hatte ausgereicht, um mich am anderen Ende der Stadt in der neuen Unterkunft von Sabin, Sydney und Tauren erst einmal ein Nickerchen halten zu lassen. Wobei das eher unfreiwillig passiert war, als ich mich für eine kurze Pause auf das recht moderne Sofa in Ashtons Wohnzimmer hatte fallen lassen. Hunter und er mussten scheinbar noch ein bisschen was besprechen und Sydney und Sabin kümmerten sich um unseren Invaliden. Demnach konnte ich ein wenig zur Ruhe kommen und war kurzzeitig dann auch tatsächlich eingenickt. Jedoch nicht für lange, weil mich das ziemlich schrille Geräusch eines eingehenden Telefonanrufes alsbald wieder ins Land der Lebenden zurückrief. Ohne vorher einen Blick auf das Display geworfen zu haben, nahm ich den Anruf an und hatte währenddessen den müden Kopf auf der Rückenlehne abgelegt, weil mir die Kraft fehlte, ihn für das Gespräch oben zu halten. Die Neuigkeiten, die mir der Anrufer - der sich nach einer kurzen Vorstellung und einem rückversichernden Blick auf die eingeblendete Nummer als die örtliche Feuerwehr heraus stellte - mitteilte, ließen mich jedoch sofort wieder wach werden und das Ausschütten von Adrenalin anlaufen. Innerhalb von Sekunden war ich vom Sofa aufgesprungen und in die Küche gerannt, noch während ich dem jungen Mann am Telefon versicherte, dass ich mich schnellstmöglich auf den Weg machen würde und vielleicht... zwanzig, maximal dreißig Minuten brauchen würde. Diese Information nickte er durch den Hörer hindurch ab und äußerte beiläufig wohl ein weiteres mal - er wiederholte sich? -, dass die Löscharbeiten ohnehin erst gleich beginnen können würden, weil, wegen, keine Ahnung. Ich hatte nicht genau hingehört, als er erörterte, weshalb seine Mannschaft bis jetzt noch nichts hatte unternehmen können, ihn nur angeschrien, dass er einen Zahn zulegen sollte und dann aufgelegt. Vollkommen außer mir kam ich schließlich im Türrahmen der Küche zum Stehen, die Augen waren bereits glasig, als ich zu ein paar zitternden Worten in Richtung der beiden jungen Männer ansetzte. "Könnte... könnte mich bitte einer zur Bar fahren?", fragte ich leise und sichtlich aufgewühlt. Dahingehend war es mir auch egal, ob ich mich zurück ins Fadenkreuz der Italiener begab. Ich musste einfach wissen, wie es um die Smith and Wesson stand.
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Die Überfahrt bis zu Ashtons kleinem Haus war noch relativ unproblematisch, wenn auch gehetzt verlaufen. Einen kleinen Abstecher abseits des direkten Weges hatte ich machen müssen, weil die Italiener zumindest mal kurzzeitig etwas zu nah an uns dran gewesen waren, aber sie waren fast ebenso schnell wie sie gekommen waren wieder aus meinem Rückspiegel verschwunden. Wenn man jede Gasse hier wie seine Westentaschen kannte, dann war es ein leichtes die Ausländer zügig abzuschütteln. Für mich hatte ihr Auftauchen also eigentlich lediglich zu einer kurzzeitigen, anfänglichen inneren Unruhe geführt, bevor sie auch schon wieder verflogen war. Das Trio, das so schnell hoffentlich Niemandem mehr ins Fadenkreuz rückte - ich hatte Ashton schon erlaubt Syd anketten zu dürfen, wenn sie es nochmal wagen wollte irgendeinen Mist zu bauen -, weil ich wusste wie tunlichst der Hausherr immer darauf achtete, dass er von Niemandem auf dem Heimweg verfolgt wurde, war dann auch endlich mal sicher untergebracht und zumindest für den heutigen Tag weniger mein Problem. Sabin würde auch noch ein Auge auf das Problemkind haben und die Sache war damit vorerst abgehakt, weshalb ich mit meinem Handlanger noch ein paar Dinge besprach, die sich voraussichtlich im Laufe der kommenden Nacht ereignen würden. Hier und da etwas detailliertere Pläne schmiedete, damit heute ansonsten im besten Fall nichts mehr weiter schiefging. Bis ich heute Abend dann wieder losfuhr müsste ich eigentlich dringend mal ins Bett, was im Grunde auch jetzt gegen Ende mein eigentlicher Plan wurde - ab nach Hause, mir zumindest noch ein paar wenige Stunden Schlaf bis maximal 23 Uhr genehmigen und dann schon wieder los. Die Italiener hatten mir ja schon einiges an Zeit geraubt, indem sie meine persönliche Überwachung bei der Überfahrt provoziert hatten. Allerdings sollten mir offenbar nicht einmal diese zwei, drei Stunden Schlaf vergönnt sein, weil es einen weiteren Zwischenfall in Form der rothaarigen, jungen Frau im Türrahmen gab. Ashton und ich waren soweit ohnehin fertig, weshalb es an sich nicht weiter schlimm war, dass Cosma sich mit ein paar Worten dazwischen schob und nach unserer Aufmerksamkeit verlangte. Die Worte an sich waren gar nicht so besorgniserregend, nur ihre Stimmlage und ihre Körperhaltung dabei. Es war schon grundlegend atypisch für die Rothaarige, dass sie einen derartigen Tonfall anschlug. Recht leise, fast schon ein wenig gedrückt. Ich nickte Ashton nur noch einmal zu, woraufhin er sich für ein Bier zum Kühlschrank abwendete und ich selbst auf die zierliche Person im Türrahmen zukam. "Was ist denn passiert?", fragte ich sie ruhig, als ich bei ihr ankam und machte noch dabei aber eine Handbewegung in Richtung Ende des Flurs, wo sich die Haustür befand. Ich würde Cosma von jetzt an wohl allgemein nur noch ungern aus den Augen lassen, erst recht wenn sie auch noch dahin wollte, wo die Italiener sie am ehesten vermuten würden. Irgendwas schien ihr gerade auch förmlich die Farbe aus dem Gesicht zu wischen, was ich für kein gutes Zeichen hielt. Ich angelte mir im Flur nur noch meine Lederjacke vom Haken der Garderobe und hielt Cosma dann - was für mich wiederum untypisch war - die Haustür auf, die Schuhe hatte ich hier drin gar nicht erst ausgezogen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunter reagierte Gott sei Dank recht schnell auf meine Hilfe ersuchenden Worte und wandte sich von seinem Handlanger ab. Wenige Sekunden später standen wir gemeinsam im Flur und ich konnte immer noch nicht so richtig glauben, was mir der Mann am Telefon eben erzählt hatte. Brauchte deshalb entsprechend lange, bis ich auf die Frage des Amerikaners antwortete. Vorher waren mir noch etliche Überlegungen durch den Kopf geschossen, weil ich mir auf die Schnelle nicht erklären konnte, warum und wieso die Bar auf einmal Feuer gefangen hatte. Die Ventile der Gasheizungen waren vor nicht allzu langer Zeit überprüft wurden und ich lagerte auch keinen Alkohol an Orten, wo die Durchschnittstemperatur über achtzehn Grad lag, also was bitte war da passiert? Wäre ich ein bisschen weniger durch den Wind gewesen, hätte ich die Schuld vermutlich schneller bei den Italienern gesehen, als diese Palermo sagen konnten. Im aktuellen Augenblick waren meine Gedanken allerdings ganz woanders und so kam es, dass ich Hunters Frage erst beantwortete, als wir wenig später ein weiteres Mal am heutigen Tag in seinen Wagen stiegen. Ich ersparte mir das Anschnallen und wartete darauf, dass der Amerikaner endlich den Motor anließ, um die leer gefegten Straßen in Richtung der Bar zu befahren. "Meine.. die Bar. Sie brennt.", gab ich ihm schließlich die wichtigste Information als Antwort. Es war außerdem die einzig, weil ich am Telefon nach jenen Worten bereits abgeschalten und nicht mehr zugehört hatte. Ich betete auf der etwa zwanzig minütigen Fahrt, dass das alles nur ein blöder Scherz war, weshalb ich noch einmal die angerufene Nummer checkte. Aber die war zweifelsfrei der ortsansässigen Feuerwehr zuzuordnen und auch die pechschwarzen Rauchwolken, die unweit unseres Standorts in den Himmel erstreckte, ließen auch die letzte Hoffnung auf einen dummen Jugendstreich im Keim ersticken. Hunter parkte den Wagen in einer der unzähligen Nebengassen und noch bevor der Motor gänzlich abgestellt war, hatte ich die Beifahrertür aufgeschoben und war in demselben Laufschritt wie vorhin dem Gestank nach brennendem Holz entgegen gehetzt. Es begrüßten mich laute Sirenen und eine Menge Blaulicht, aber die hätte ich in Anbetracht der Meter hohen Flammen zur Identifikation eines Brandes wirklich nicht gebraucht. Ich konnte gerade noch so einen Blick auf das Eingangsschild der Smith and Wesson werfen, als dieses unter den kaputt gebrannten Holzbalken einstürzte und mit einem lauten Knall Glut und Asche aufwirbelte. Mit einem Arm, den ich schützend vor mein Gesicht hielt, wollte ich gerade zu der verhältnismäßig großen Menschenmasse aufschließen, als mich ein freiwilliger Helfer der Feuerwehr auf halben Weg abfing und mich bat, hinter den Absperrungen zu bleiben. Welche Absperrungen denn? Ich sah mich um, vollkommen perplex, weil ich der Meinung war, das rot-weiße Band gerade noch nicht gesehen zu haben ... oder war ich einfach durch gelaufen? Ich konnte mir nicht helfen, aber es fühlte sich alles so ... so unwirklich an. Und es tat mir fast ein bisschen Leid, dass ich den netten Mann so anschnauzte, aber ich konnte mich jetzt ganz bestimmt nicht hinter irgendeiner Absperrung aufhalten, wenn mein Baby vor meinen Augen in Schutt und Asche zerfiel. Deswegen stieß ich den schlaksigen Spargel beiseite und lief weiter, bis ich schließlich frontal vor dem ehemaligen Eingang der Bar zum stehen kam. Bis hierhin hatte ich noch gehofft, dass man vielleicht noch irgendwas retten konnte. Hier oder da einen Balken ersetzen musste, so wie es mit den eingeschlagenen Fenstern der Fall gewesen war, aber da ... nein, da konnte man gar nichts mehr retten. Die Flammen krochen bereits an der Hauswand empor und umhüllten die umliegenden Wohnungen - darunter auch meine - mit ihrer alles vernichtenden Hitze. Erneut kam jemand auf mich zu. Dieses Mal war es eine etwas ältere Dame, die bis unter das Kinn mit Schutzausrüstung bekleidet war. Auch sie versuchte, mich vorsichtig, aber dennoch bestimmt ein paar Meter weiter nach hinten zu zerren und ich gehorchte ihr ohne ein weiteres Wort sofort. Das lag aber auch nur daran, dass ich im aktuellen Augenblick überhaupt nicht wusste, was ich denken sollte. Mein Kopf war so voll und so leer zur gleichen Zeit, es war unglaublich. Ich wollte gar nicht so richtig realisieren, was hier gerade eigentlich passierte, aber dann tat es plötzlich einen Schlag. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt fassungslos in die Flammen gestarrt und als im Inneren der Bar Flaschen samt ihres Inhalts zerplatzten, lediglich mit einem Augenlid gezuckt, dann brach so ziemlich alles über mir zusammen. Hätte mich die ebenfalls sehr nette Dame nicht aufgefangen, wäre ich wohl ungebremst auf meine Knie gestürzt, aber ich hatte momentan einfach keine Kraft mehr, aufrecht zu stehen. Es war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen und ich konnte absolut nichts dagegen tun, außer da zu sitzen und in Tränen auszubrechen. Alles, was ich mir über Jahre hinweg aufgebaut hatte, was mir Trost spendete. Weg. Alles, wofür ich stand ... einfach pfutsch. Für Außenstehende mochte ich vielleicht ein wenig verrückt aussehen, weil sich die meisten Immobilien Besitzer hier in der Gegend normalerweise freuten, wenn ihnen der Mist unter dem Arsch abbrannte, damit sie die Versicherungssumme einheimsen konnten, aber ich nicht. Nein, mit der Smith and Wesson brannte gerade auch ein ziemlich essenzieller Teil meines Herzens. Jener Teil, der gute, wie schlechte Erinnerungen beherbergte und es fühlte sich an, als hätte man mir geradewegs ein Messer über genau dieser Stelle in den Rücken gestoßen. Meine ganze Existenz, der Grund, warum ich überhaupt noch lebte, mein Fels in der Brandung. Der war jetzt einfach weg.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte eine ganze Weile, bis Cosma mir auf meine eigentlich sehr simple Frage antwortete. Aber ich gab ihr die Zeit, weil schlichtweg sehr eindeutig Irgendwas so gar nicht zu stimmen schien. Ich ahnte dementsprechend bereits Böses, was sich dann im Auto auch bestätigen sollte. Wenn die Bar wirklich in Flammen stand, dann konnte das in meinen Augen nur eine einzige Ursache haben. Es war absolut nicht weit hergeholt, dass Agnolo sein erst heute neu erlangtes Wissen sofort gegen mich und damit auch meine zweite Hälfte richten wollte. Ich konnte nur mutmaßen, ob er es dabei lediglich auf das Gebäude an sich oder auch auf Cosma angelegt hatte. Ob er sie, wenn sie Zuhause gewesen wäre, einfach so bei lebendigem Leib hätte verbrennen lassen. Aber es war ihm zuzutrauen, waren die Italiener doch kaum weniger skrupellos als ich selbst. Ich schwieg die Fahrt über, weil ich zum einen ehrlich gesagt nicht wusste, was ich überhaupt dazu sagen sollte und zum anderen mental schon damit beschäftigt war, dem Italiener den Teufel höchstpersönlich zu wünschen. Ging fieberhaft Möglichkeiten dafür durch, wie ich ihm das auch nur ansatzweise heimzahlen konnte, spätestens als dann die Rauchschwaden unverkennbar in Reichweite kamen. Das war kein dummer Scherz, sondern die nackte Realität und sie gefiel mir nicht. Von Cosma mal ganz zu schweigen. Ich konnte kaum so schnell schauen, da war sie aus dem Wagen gesprungen und auf dem direkten Weg zur Bar. Ich folgte ihr mit ein klein wenig Abstand, behielt je näher wir dem Feuer kamen immer mehr die Fenster der umliegenden Gebäude im Augen und hatte die Hand an der Pistole, weil ich der Sache noch nicht über den Weg traute. Nicht auch noch zulassen wollte, dass einer der Hurensöhne Cosma selbst oder gar mich erwischte, nur weil ich nicht aufpasste. Als ich alle der Fenster mit den Adleraugen gescannt hatte und mir ziemlich sicher war, dass die Italiener bereits das Weite gesucht hatten, nahm ich die Hand wieder vom Metall der Pistole und sah mich nach Cosma um. Ging näher an die unzähligen Menschen heran und entdeckte sie erst dahinter im eigentlich offiziell gar nicht zulässigen Bereich. Ich musste ein paar der Leute am Absperrband erst unfreundlich anschnauzen, damit sie mich überhaupt so weit vorstoßen ließen. Ich hasste Gaffer, hätte am liebsten einen Warnschuss in die Luft abgegeben, damit sie sich einfach verpissten oder zumindest einige Meter weit nach hinten traten. Stattdessen musste ich erneut kurz zur Diskussion ansetzen, dieses Mal jedoch mit einem der Feuerwehrmänner, der meinen Arm festhielt und mich nicht durch die Absperrung lassen wollte. Ich musste ihm zwei Mal förmlich ins Gesicht rotzen, dass er mich gefälligst vorbei zu lassen hatte, weil ich meine Freundin ganz gerne aus dem direkten Gefahrbereich rausholen wollte. Ich traute dem langsam in sich zusammen fallenden Gebäude kein Stück über den Weg, nach dem Knall erst recht nicht mehr. So durfte ich schließlich - ganz offiziell und ohne Jemandem eine Kugel verpassen zu müssen - passieren und hob das Absperrband, um drunter durch zu gehen, bevor ich zu Cosma und der sie noch im Auge behaltenden Dame stieß. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich kurz innehielt und gar nicht wusste, was ich hier jetzt eigentlich tun sollte. Cosma weiter vom Feuer weg kriegen, das war an sich schon klar, nur war ich nicht besonders bewandert darin Irgendjemanden zu trösten. Normalerweise war ein 'Das Leben geht weiter, heul nicht so rum.' alles, was man von mir zu hören bekam, aber das schien mir hier und jetzt so gar nicht angebracht. Ich wusste ja wie wichtig die Bar für das nervliche Wrack hier gewesen war, was sich zweifelsfrei auch in ihrem Verhalten wiederspiegelte... nur wusste ich halt nicht, wie man Jemanden nun am besten beruhigte. Was man in so einem Moment am idealsten sagte, um nicht noch mehr auf Gefühlen herumzutrampeln und alles nur noch schlimmer zu machen. Ich atmete kurz durch, trat dann aber auch noch die letzten zwei Schritte an die beiden Frauen heran und ging ein wenig in die Knie, um Cosma unter den Armen zu nehmen und sie mit Bedacht zurück auf die Beine zu ziehen. "Wir müssen hier weg, Cosma... ich weiß, wie sehr dich das grade mitnimmt, aber sie könnten zurück kommen.", versuchte ich an ihre Vernunft zu appellieren, war mir dabei aber keineswegs sicher, ob sie mir überhaupt zuhörte, weil sie vor sich hin weinte. Sie rührte sich auch sonst kaum, weshalb ich sie vorsichtig - und sie noch immer an der Hüfte festhalten - zu mir umzudrehen. "Du kannst die Bar nicht mehr retten...", als wüsste sie das nicht. War vielleicht keine so gute Wortwahl. "...also hilf' mir wenigstens dich selbst zu retten... Bitte.", versuchte ich es noch mit ein paar letzte Worten, wobei explizit das letzte wohl nur extrem selten bis nie von mir zu hören war. Sollte sie jetzt immer noch nicht reagieren, dann musste wohl die gute, alte vom-Boden-wegklau-Tragetechnik herhalten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Der heutige Tag würde in meinem persönlichen Ranking wohl auf Platz eins der bisher schlimmsten Ereignisse meines Lebens stehen. Weder die Trennung von Daith, noch die darauffolgende Zeit im Drogensumpf hatte meine Nerven derart strapaziert, dass die Tränen überhaupt nicht mehr aufhören wollten, zu fließen. Selbst wenn ich mich zur Vernunft ermahnen und aufstehen wollte - ich konnte einfach nicht. Meine Beine wollten mir partout nicht gehorchen und durch die aufgequollenen Augen sah ich so gut wie überhaupt nichts mehr. Nur noch Umrisse von den kläglichen Überresten der Smith and Wesson und natürlich die nach wie vor präsenten Flammen. Wäre ich klarer bei Verstand, hätte ich mir spätestens auch jetzt herleiten können, warum die Feuerwehr bis zum Ende der kleineren Explosionen noch nichts unternommen hatte. Machte natürlich Sinn, bei einer Bar - die von vornherein schon fest in den gierigen Griffeln des Feuers gefangen war - abzuwarten, bis der darin gelagerte Alkohol verbrannt überwiegend verbrannt war. Andernfalls hätte die chemische Reaktion mit dem Löschwasser wohl zu Verpuffungen und damit zu noch weitaus größeren Schäden führen können. Aber das konnte und wollte ich im aktuellen Augenblick nicht akzeptieren, war wütend, dass so lange niemand etwas gegen die sich ausbreitenden Flammen unternommen hatte und zugleich so unfassbar niedergeschlagen. Ich bekam ja noch nicht einmal mit, dass sich Hunter in der Zwischenzeit durch die Menschenmenge gezwängt hatte, um sich wenige Minuten später neben mich zu knien. Kurz und lediglich nur, um mich auf die Beine zu ziehen und von hier wegzubringen, aber ich weigerte mich. Zumindest in den ersten paar Sekunden, als ich ihn mit meinem verheulten Gesicht direkt ansah. Normalerweise war ich ja weniger der Typ Mensch, der wegen materieller Dinge das Weinen anfing, aber das hier war etwas ganz anderes. Mein ganzes Leben zog in Form von pechschwarzen Aschewolken gen Himmel. Da halfen mir auch die teils mahnenden, teils lieb gemeinten Worte des Amerikaners absolut nichts, auch wenn er es nur gut mit mir meinte. Zumal ich ein paar Sekunden brauchte, um zu realisieren, wen er mit sie meinte. Aber ja, dann fiel es auch mir wie Schuppen von den Augen und neben der tiefen Trauer, kroch in meinem Unterbewusstsein auch ein Stück weit die Wut hoch. Die würde aber vermutlich erst richtig existent werden, wenn ich über den Schock hinweg war und das brauchte noch eine ganze Weile. Momentan war ich ja nicht einmal in der Lage, mich eigenständig vom Fleck zu bewegen, weshalb ich Hunter ganz dankbar war, dass er mir bis hierhin gefolgt war, um nach dem Rechten zu sehen. Gut, andernfalls hätte mich bestimmt auch die gute Frau von der Feuerwehr aus dem Gefahrenbereich geborgen und mich in den nächsten Krankenwagen gesetzt, weil ich mich nicht mehr rührte. Vor Wut und Trauer einfach eingefroren und unzugänglich für äußere Einflüsse geworden war. Im Regelfall bekam man dann Beruhigungsmittel, mit denen der Blutdruck gesenkt und damit präventiv einem Herzinfarkt in Folge des Schocks vorgebeugt wurde. Und ja, in der Tat könnte ich ein paar Tabletten oder einen guten Joint gerade wirklich gebrauchen, wenn ich mal ganz ehrlich zu mir selbst sein sollte. Die Worte des Amerikaners drangen wie durch einen Schleier an mein Ohr, der Blick, den ich ihm schenkte, als er mich aufgelesen und zu sich herumgedreht hatte, war leer und lediglich voller Tränen. Eine Antwort konnte ich ihm nicht geben, weil mir die Worte zu so ziemlich allem fehlten, aber ich nickte. Schwach, aber man konnte es als ein Zeichen des Verständnis deutlich erkennen. Dann versuchte ich mit dem jungen Mann an meiner Seite einen Schritt vor den anderen zu machen. Ganz vorsichtig und auch nicht, ohne mich noch einmal mit einem prüfenden Blick zu versichern, dass die Bar nicht vielleicht doch noch stand und ich gerade einfach nur auf einem sehr schlechten Drogentrip war, aber auch, als ich mich zwei oder drei Male beim Verlassen des Unfallorts umgedreht hatte, waren die Flammen noch da. Es brauchte mit mir in diesem äußerst labilen Zustand bestimmt eine halbe Ewigkeit, bis wir uns aus der Menschenmenge heraus gequält hatten und nun Abseits des Geschehens in einer kleinen Einbuchtung standen. Die Sirenen waren mittlerweile abgeschaltet, weshalb es ziemlich ruhig geworden war. Aber in meinem Kopf wurde es dafür umso lauter. "Die Bar. Mein Leben... ich... das...", stammelte ich die ersten Wörter seit etlichen Minuten vor mich hin, raufte mir noch immer heulend wie ein Schlosshund das rote Haar. "So viel Zeit und Geld... meine Wohnung.", redete ich mindestens genau so wirr weiter und wandte mich indessen von dem Anblick dieser Katastrophe ab, versuchte tatsächlich ernsthaft, mich ein wenig zu beruhigen. Aber das war gar nicht mal so leicht, wenn sich seine ganze Existenz vor einem buchstäblich in Luft auflöste. Zeit zum Runterkommen war aktuell aber auch gar nicht, denn Hunter lenkte mich sehr bestimmt einfach weiter in Richtung des Wagens, damit wir alsbald vom Ort des Geschehens verschwinden konnten. Dabei hatte ich mit meinem Verlust noch lange nicht abgeschlossen und hätte gerne noch gewartet, bis die Bar gelöscht gewesen war. Auf der anderen Seite konnte er gerade weitaus rationaler Denken, als ich und erkannte potenzielle Gefahr dadurch früher. Ich ließ also ihn für mich denken, während ich wie ein Häufchen Elend im Beifahrersitz versank. Auch dieses Mal hielt ich es absolut nicht für nötig, mich anzuschnallen.
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Mir fiel wirklich ein Stein vom Herzen, als die Rothaarige endlich sowas wie ein geistiges Lebenszeichen von sich gab. Mir mit einem dezenten Nicken signalisierte, dass sie mich - zumindest vielleicht zum Teil - verstanden hatte und dich dann auch langsam in Bewegung setzte, wobei ich ihr dabei gerne weiterhin den richtigen Weg wies. Auch hielt ich die junge Frau ziemlich durchgehend am Oberarm fest, damit sie mir nicht aus geistiger Abwesenheit über eine Kante im Betonboden stolperte und doch noch einmal unsanft auf dem Boden aufschlug. Allgemein breitete sich ein mir ziemlich fremdes Gefühl immer weiter in meiner Brust aus, je länger ich sie weinen hörte und sah. Ein unangenehmer Druck in der Herzgegend, der mir vermutlich rein körperlich signalisieren sollte, dass mich die ganze Brandsache irgendwie mitnahm. Womöglich nur, weil die junge Frau so sehr darunter litt und ein Teil des Schmerzes, den sie nach außen trug, auf mich überging. Mir hatte an der Bar jetzt nicht sonderlich viel gelegen, auch wenn sie zeitweise irgendwie schon fast sowas wie mein zweites Zuhause geworden war. Jedoch nicht wegen der Örtlichkeit selbst oder weil mir der Whiskey hier besonders gut schmeckte, sondern weil Cosma dort gewesen war. Schon ironisch, dass es gerade sie gewesen war, die mich die Bar anfangs eher hatte meiden lassen, aber es hatte sich so unheimlich viel geändert seitdem. Früher hatte ich die Rothaarige weinen sehen wollen und jetzt zerriss mir der Anblick beinahe das sonst so eiserne, kalte Herz. "Ich weiß..", murmelte ich Cosma noch zu, während ich neben ihr herging und die letzten paar Meter bis zum Wagen meinen Arm um ihre Taille legte, das Umfeld dabei weiter im Blick habend. Das dirigierte sie zum einen leicht in die richtige Richtung und hielt sie gleichzeitig eng bei mir, wonach ich gerade einfach ein Bedürfnis hatte. Trotzdem mussten sich unsere Wege im Wagen erstmal trennen, was mir sauer aufstieß, aber es half ja nichts. Wir sollten uns hier nicht länger als notwendig aufhalten, also ließ ich den Wagen wieder an und schlug aber ein eher ruhiges Tempo an. Allein schon deshalb, weil Cosma es sich ebenso wie ich selbst langsam anzugewöhnen schien, sich einfach gar nicht erst anzuschnallen. Mein letzter Unfall war zwar lange her, aber in Stein meißeln würde ich dahingehend eben trotzdem nichts. Ich warf während der Fahrt immer wieder Blicke zu ihr rüber und legte ihr zwischendurch - wenn auch anfangs noch zögerlich - immer mal wieder meine Hand auf den Oberschenkel, wobei ich sie mit dem Daumen ein klein wenig streichelte. Eben dann, wenn ich gerade weder schalten, noch an mein Handy musste. Ich musste zu Beginn der Fahrt zumindest kurz mit Ashton telefonieren, damit er die Info, dass ich heute wohl nirgends mehr hingehen würde, außer in ein Bett oder auf ein Sofa, auch an die anderen durchgab. Dass sie auf sich gestellt sein würden... weil ich es mir nicht verzeihen könnte, wenn ich Cosma jetzt alleine ließ und dann irgendwas passierte. Sei es nun weil die Italiener sie fanden oder aber weil sie mit all ihrem Temperament auf dumme Ideen kam - keines von beidem wollte ich verantworten müssen, wo ich mir doch tatsächlich gerade schon eine Teilschuld an der in Flammen stehenden Bar zuschrieb. Dabei war das erst der Anfang. Was war, wenn Cosma sich ihr Leben wegen mir und all den anderen kriminellen Kontakte, die ich nun einmal hatte, noch weiter versauen lassen musste? Ich kam nicht dazu den Gedanken ausführlicher zu erweitern, weil wir an dem in die Jahre gekommenen Haus etwas außerhalb der Stadt ankamen, in dem ich die meisten meiner geschlafenen Stunden verbrachte. Ich parkte den BMW und stieg dann auch ohne lange zu warten wieder aus, nur um kurz darauf der in sich zusammen gesackten jungen Frau meine Hand entgegen zu strecken, ihr damit aus dem Wagen zu helfen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich nutzte bereits die Fahrt zu Hunters abgelegener Hütte, um mich geistig wieder ein bisschen zu sortieren. Den ersten Schock hatte ich nach wenigen Kilometern dann endlich überstanden und mein Körper hatte das Weinen inzwischen eingestellt. Stattdessen hatte ich meinen Arm rechts von mir auf dem Kunststoff abgelegt und angewinkelt, damit ich meinen Kopf gegen die Hand stützen konnte. Und so saß ich dann da. Starrte eine ganze Weile mit leeren Blicken in die hereinbrechende Dunkelheit, bis wir nach einigen Minuten der Autofahrt schließlich an einen von Hunters Rückzugsorten angekommen waren. Die Fahrt über hatte ich geschwiegen, weil ich nebst meinen Gedanken nicht auch noch unausgesprochene Worte sortieren konnte. Im Moment ging eben nur eins nach dem anderen und selbst das war schon verdammt schwierig, weil ich nicht wusste, wo ich überhaupt anfangen sollte. Die Bar war abgebrannt, okay. Warum? Vermutlich durch Brandstiftung. Und durch wen? Durch die Italiener. Und der Rest erübrigte sich wohl von selbst. Es war offensichtlich, dass Agnolo, nachdem er Hunter und mich vor der Tür des Unterschlupfes entdeckt hatte, irgendwas in diese Richtung in die Wege geleitet haben musste. Schön, na dann ergab jetzt wenigstens das schon mal etwas mehr Sinn. Brachte diese Erkenntnis meine geistige Gesundheit wieder auf ein tragbares Level? Nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich noch sehr viel kaputter, ausgelaugter mit dieser Information und natürlich kochte auch wieder die Wut in mir hoch, die sich vor wenigen Minuten lediglich kurz angekündigt hatte, aber von Fluten aus Tränen erst einmal beiseite gespült worden war. Nun war sie deutlich präsenter und spürbarer für mich. Ab sofort hatte also auch ich mein ganz eigenes, persönlichen Problem mit diesem Gesindel. Ich mochte vielleicht keine so große Bedrohung sein, wie Hunter es für Agnolos Männer und den Anführer höchstpersönlich war, aber sollte mir auch nur einer dieser italienischen Sippe über den Weg laufen, würde ich vieles - vielleicht alles - daran setzen, diesen Jemand dem Erdboden gleich zu machen. Gleich, nachdem ich mich etwas gesammelt und eine Mütze voll Schlaf bekommen hatte. Wobei ich bei letzterem stark davon ausging, dass das erst einmal nichts werden würde. Selbst wenn meine Augen unter der Müdigkeit nach gaben, würden mich die Flammen noch im Traum verfolgen und am Ende der Nacht war ich genau so ausgelaugt, wie vor dem Einschlafen. Für den Augenblick schob ich die Gedanken ans Schlafen gehen aber erst einmal beiseite und griff stattdessen nach der Hand, welche Hunter nach mir ausgestreckt hatte, als er den BMW unweit der Eingangstür zum Stehen gebracht und den Motor abgestellt hatte. Mit wackligen Beinen schleppte ich mich neben ihm her ins Innere des heruntergekommenen Hauses und als die Tür hinter uns zurück in ihr Schloss fiel, stieß ich ein laut hörbares, zwischen Verzweiflung und Frustration schwankendes Seufzen aus. Mittlerweile war auch die verschlagene Stimme zurückgekehrt und ich richtete nach einer weiteren Ewigkeit endlich wieder ein paar sortierte und Sinn ergebene Worte an den Amerikaner. "Sie haben mir mein Leben genommen...", murmelte ich und alle Versuche, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken, schlugen fehl. Natürlich war das, was ich da sagte, nur im übertragenen Sinne gemeint, denn leben tat ich ganz offensichtlich noch, aber sie hatten mich um so ziemlich alles gebracht. Meine Wohnung, meine Bar und damit sowohl meine Kunden, als auch meinen Lebensunterhalt. Einfach alles. "Ich... hab einfach gar nichts mehr." Und das fühlte sich wirklich beschissen an. Ich bezweifelte zwar stark, dass mich Hunter in der Situation jetzt alleine lassen würde - denn dann hätte er mich auch einfach bei den lodernden Flammen zurücklassen können - und machte mir um sowas wie ein Dach über dem Kopf die geringsten Sorgen, aber es ging einfach um den Fakt, dass das Leben sich als Selbstständige ausgelebt hatte. Natürlich hatte ich einige Rücklagen, aber die würden beim Kauf einer neuen Immobilie und dessen Einrichtung nur so dahin schrumpfen. Außerdem war ich ganz offensichtlich nun ebenfalls ins Fadenkreuz der Italiener geraten und es war fraglich, wie lange sich ein neues Unternehmen unter diesen Umständen hielt. Außerdem, und da musste ich jetzt leider so ehrlich zu mir selbst sein, bezweifelte ich stark, dass ich momentan die Kraft dafür aufbringen konnte, nach dem Verlust der Smith and Wesson direkt ein neues Lokal groß zuziehen. Ich brauchte wohl erst einmal Zeit, das Ganze zu verdauen.
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Als wir drinnen angekommen waren stieg ich als erstes aus den Stiefeln, die ich inzwischen schon viel zu lange an den erschöpften Füßen trug. Sicher wäre es langfristig gesünder für meine Füße, wenn ich in Sneakern mit richtig federnder Sohle unterwegs wäre, aber damit hatte man schlichtweg weniger Grip. In diesem Fall musste man dann halt entscheiden, was einem selbst wichtiger war - entweder man nahm ein größeres Risiko zum Ausrutschen durch weniger Profil in den Sohlen in Kauf, oder eben die Möglichkeit, dass einem irgendwann die Füße vom Laufen weh taten. Bei mir war an den meisten Tagen letzteres der Fall und so war ich doch ziemlich froh jetzt endlich aus den Schuhen zu kommen. Schmiss im Flur unachtsam meine Lederjacke auf die eher schmale Kommode im Flur. Meine Schlüssel legte ich auch noch auf jener ab, während Cosma das erste Mal seit einigen Minuten wieder zum Reden ansetzte. Mit Worten, die alles andere als positiv daher kamen, was absolut nachvollziehbar war. Ich mochte es nicht, dass ihre Stimme dabei noch immer so unruhig in sich klang, auch wenn sie zumindest ein klein wenig gefasster und geordneter als vorher klang. Der Inhalt des Satzes ließ mich wiederum leise Seufzen, weil sie damit leider Gottes Recht hatte. Ich konnte daran auch Nichts schön reden, weil es nun einmal genau so war, wie Cosma es sagte - im Grunde hatte sie jetzt gar nichts mehr. Ihr Zuhause und gleichzeitig auch ihre gesamte Existenz war quasi wie weggefegt. Daran konnte auch die Summe, die die Versicherung - sofern sie eine hatte - ihr hinterlassen würde, nichts mehr ändern. Geld konnte das, was sie gerade fühlte, nicht einfach auslöschen. Ich ließ die Distanz zwischen uns wieder schrumpfen, legte meine Arme recht eng um sie und bettete mit der rechten Hand dabei ihren Kopf an meine Brust. "Und jeder einzelne wird dafür bezahlen.", murmelte ich ihr eher leise ins Haar, den Kopf leicht zu ihr nach vorn geneigt. Natürlich machte Rache die Sache nicht wieder gut und sie konnte sich davon allein auch keine neue Bar herbei zaubern, aber es war ein Anfang. Einer, der den Schmerz womöglich zumindest ein kleines bisschen lindern konnte. "Wenn wir sie erstmal los sind geht's wieder aufwärts, hm? Ich werd' dir helfen... egal wobei.", versuchte ich gemurmelt ein paar Worte zu finden, die vielleicht zumindest ansatzweise helfen konnten. Ich wollte Cosma wissen lassen, dass sie auf mich zählen konnte. Dass ich hinter ihr stand und ihr unter die Arme greifen würde, wenn sie sich irgendwann etwas Neues aufbauen wollte - sofern sie das wollte. Ich wusste ja, dass die Rothaarige was Unterstützung anging manchmal ein wenig eigen sein konnte. Aber ihr meine Hilfe zu versprechen war das mindeste, das ich in diesem Augenblick tun wollte. Sei es nun mit finanzieller Unterstützung oder nur mit dem hin und her tragen neuer Einrichtung. Vielleicht wollte sie nach alledem hier auch gar keine Bar mehr, sondern Irgendwas ganz anderes - das tat meinem Angebot aber keinen Abbruch.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunter bestätigte mir mit seinen Worten noch einmal, was mir bereits durch den Kopf gegangen war und ich nickte sein Angebot dahingehend schweigend ab. Was die Sache mit dem aufwärts gehen betraf, war ich mir da im Moment nicht so wirklich sicher, aber das lag wohl schlicht und ergreifend an der momentan eher schlechten Laune. Recht hatte er jedenfalls, aber bis ich das einsehen und ihm zustimmen würde, musste mindestens Agnolo ins Gras gebissen haben. Erst dann sah ich für die Zukunft hier in Norwegen nicht mehr ganz so schwarz. Antworten tat ich ihm jedenfalls auch darauf nicht, weil ich ihm nur widersprochen hätte und weder die Kraft, noch wirklich die Lust hatte, mich hier und heute noch mit ihm zu streiten. Ich war froh, dass er hier war und akzeptierte seit einer Ewigkeit wortlos eine Meinung, die ich so - noch - nicht teilte. Wir machten Fortschritte. Zwar nur sehr kleine, aber ich wollte mich nicht beschweren. Man änderte sich nun mal nicht von heute auf morgen - das brauchte eben seine Zeit. Jedenfalls hatte ich mir gerade die Schuhe von den Füßen geschoben, als der Amerikaner ein paar Schritte auf mich zumachte, um mit einer bestimmten und recht innigen Umarmung auf meine zugegebenermaßen ziemlich niedergeschlagenen Worte zu reagieren und ich hätte lügen müssen, wenn ich behauptete, dass das in dem Augenblick nicht unglaublich gut tat. Die Nähe des jungen Mannes gab mir mehr Halt, als ich erwartet hatte und ließ mich innerlich noch einen Gang weiter zurück schalten. Wo ich doch sonst immer die starke und unabhängige Frau mimte, der niemand etwas anhaben konnte, weil sie ein Herz aus Eis hatte, war ich in diesem Augenblick wirklich froh, ihn bei mir zu haben. Meine Schultern, die ich bis dato unterbewusst angespannt und gestrafft hatte, lockerten sich wieder ein wenig und die kurzzeitig zu Fäusten geballten Hände entspannten sich ebenfalls. Ich schlang meine Arme um seinen Oberkörper und lauschte einer ganzen Weile einfach nur seinem Herzschlag, bis ich mich wieder ein wenig von ihm löste. "Hast du schon eigentlich mal wieder von Richard gehört?", fragte ich plötzlich und nach einigen Sekunden der Überlegung, weil ich inzwischen wieder klar genug im Kopf war, um mich daran zu entsinnen, dass es die Aufgabe des Engländers gewesen war, Informationen über dieses elende Dreckspack zu besorgen. Und bei mir hatte er sich seit Tagen nicht gemeldet. Alle Versuche, ihn telefonisch zu erreichen, waren ins Leere gelaufen. Nur gerade jetzt wüsste ich zu gerne, ob es nicht schon irgendwelche Hinweise auf den derzeitigen Aufenthaltsort des Trios gab. Immerhin lief die Aktion nicht erst seit gestern und es waren bereits mehrere Tagen, ja, Wochen vergangen, ohne das uns Richie wirklich brauchbare Informationen hatte zukommen lassen. Mal ganz abgesehen von der verkorksten Geschichte mit Tauren, aber die hatte uns bis jetzt auch nicht verraten, wo man die Arschlöcher finden konnte. Und gerade jetzt verspürte ich den unglaublichen Drang danach, genau das wissen zu müssen, damit ich deren Scheiß Unterschlupf eigenhändig in die Luft jagen konnte.
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Komischerweise war ich selbst gerade ganz dankbar für diesen ziemlich ruhigen Moment, wo ich Ruhe doch sonst oft eher verabscheute. Mir war vorher gar nicht wirklich aufgefallen, wie sehr ich unter Strom gestanden hatte. Wie sehr mich der letzte, extrem lange Tag eigentlich nach und nach immer mehr gestresst hatte und wie kaputt ich war. Die innige Umarmung zwang mich dazu selbst auch mal durchzuatmen, nur damit ich dann feststellen konnte, dass ich komplett am Arsch war. Das war wohl wirklich der einzige, winzig kleine positive Punkt an der ganzen Sache - ich konnte, oder musste viel mehr Zuhause bleiben. Andererseits war es zwar nicht gut, dass ich meine Jungs dahingehend quasi heute Nacht allein ließ, aber selbst, wenn ich einnicken sollte, würde ich zumindest vom Handy sehr sicher wach werden. Mein Körper dankte mir das Ganze in jedem Fall und ich genoss es, einfach für eine kleine Weile nur durchatmen und die Anspannung von meinen breiten Schultern sacken lassen zu können. Ich hatte unbewusst die Augen geschlossen und öffnete sie auch erst wieder, als die Rothaarige sich rührte und eine Frage an mich richtete. Ich sah zu ihr runter und musste tatsächlich überlegen, wann ich das letzte Mal mit dem dunkelhaarigen Vollidioten geredet hatte. Das müsste wohl das Telefonat gewesen sein, bei dem er mir mitgeteilt hatte, dass er sich mit Tauren unterhalten hatte und was Agnolo vor hatte. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört und eigentlich war es fast naheliegend, dass der Italiener irgendwann zeitnah wieder beim ihm antanzen würde, jetzt wo er die neu gewonnenen Informationen hinsichtlich Cosma und mir sicherlich gezielt gegen uns ausrichten wollte. Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Kunstfanatiker diesen Besuch schon hinter sich hatte. "Nein... er hat mich nur vor vier Tagen wegen der Sache mit Tauren angerufen, seitdem aber nicht mehr.", antwortete ich erst einmal wahrheitsgemäß und verfolgte den Gedanken von vorher aber nebenher noch weiter, weil mir ein ziemlich ungünstiger Haken daran auffiel. "Vielleicht solltest du ihn anrufen und ihm von uns erzählen. Wenn Agnolo ihn vorher noch trifft und er keine Ahnung hat könnte das sonst ungut ausgehen, fürchte ich.", redete ich leicht gemurmelt vor mich hin und hatte bis jetzt ja noch keinen Schimmer davon, wie sehr ich damit Recht hatte. Dass es was das anging jetzt sowieso schon zu spät war. Zwar mochte ich Richard wirklich nicht besonders gerne und ich müsste vermutlich lügen, um zu sagen, dass ich traurig um sein Ableben wäre, aber die italienische Mafia als Todesurteil hatte er dann eigentlich doch nicht verdient. Der Engländer hatte ihnen viel zu wenig entgegen zu setzen, als dass es auf irgendeiner Ebene fair hätte sein können. Wo wir dann beim nächsten Punkt ankamen - ich würde es ihm durchaus zutrauen, dass er das Maul aufmachte, nur damit er selbst nicht abkratzte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Okay, das war schon ein klein wenig seltsam. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass Richard seitdem gar nichts mehr von Agnolo gehört hatte und sonst hielt er uns doch auch immer sehr akribisch auf dem Laufenden, auch wenn mal etwas nicht nach Plan lief, wie beispielsweise die Geschichte mit Taurens Höllentrip. Auf der anderen Seite hatte er sich vielleicht einfach noch nicht wieder gemeldet, weil sich seit den letzten Tagen keine Neuigkeiten mehr ergeben hatten, aber auch darüber wäre eine kurze Info doch angebracht gewesen, oder nicht? Dann wussten wir immerhin, dass es ihm gut ging. Für Hunter mochte das nicht unbedingt eine Rolle spielen, aber trotz unserer Differenzen in der letzten Zeit war er immer noch mein bester Freund und ich machte mir Sorgen, wenn ich so lange nichts von ihm hörte. Mal ganz abgesehen davon, dass ich ihn bereits vor zwei Tagen versucht hatte anzurufen, aber er hatte mich weggedrückt. Aus Rache wahrscheinlich, weil ich ihm bei seinem plötzlichen Aufkreuzen vor der Bar aus dem Weg gegangen war. Nur war ich zu dem Zeitpunkt auch einfach sauer auf ihn gewesen, weil er sich so kindisch verhalten hatte und ... ach, keine Ahnung. Vermutlich hatte ich auch einfach mal wieder überreagiert, ich konnte es nicht genau sagen. Zumindest im jetzigen Moment nicht. Aber grundsätzlich war das auch egal, Fakt war jedenfalls, dass wir schon recht lange nichts mehr von Richard gehört hatten und ich mir zusätzlich zu der ohnehin schon schlechten Laune nun auch noch den Kopf darüber zerbrach, ob es ihm gut ging oder er einfach nur seine Ruhe haben wollte. Es war doch wirklich zum Kotzen. Warum kam denn eigentlich immer ein Scheiß nach dem nächsten? War es denn wirklich zu viel verlangt, dass mein Unterbewusstsein diesen Mist einfach um ein paar Stunden auf den nächsten Tag verschob, damit ich erst einmal den Verlust meiner Existenz verkraften konnte? Ich stieß erneut ein ziemlich tiefes, mittlerweile sogar reichlich genervtes Seufzen aus, weil ich einfach müde war. Kaputt, aber ich merkte, wie mich der Restbestand des Adrenalins noch wach genug hielt, damit ich mir über Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen lassen konnte. "Seltsam.", murmelte ich also nachdenklich vor mich hin und nickte darauffolgend ein klein wenig, weil er mit seinen nachfolgenden Worten vermutlich Recht hatte. Zwar war es jetzt ohnehin schon zu spät, aber das wusste weder er, noch ich. "Und ja, vermutlich hast du Recht. Das mache ich noch schnell und dann ... versuche ich wohl mal ein bisschen zu schlafen und das solltest du in jedem Fall auch. Es ... es tut mir Leid, dass ich dich so lange wach halte.", fügte ich kurz darauf ein paar durchweg ernst gemeinte Worten hinten dran. Ich war noch immer kein Profi, wenn es um Entschuldigungen ging und mied sie in den meisten Fällen nach wie vor, aber Hunter gegenüber fiel es mir mittlerweile gar nicht mehr so schwer, was nicht zuletzt daran lag, dass auch er sich in dem Punkt bereits deutlich gebessert hatte und Fortschritte machte. Wir lernten also miteinander und vor allem voneinander. Ich löste mich noch ein Stückchen von dem Amerikaner, nur um ihm kurz darauf meine Hand an die Wange zu legen. Mein müder Blick traf den seinen, bevor ich ihm einen kurzen und eher flüchtigen Kuss auf die Lippen hauchte, dann löste ich mich gänzlich von ihm und kramte in meiner Hosentasche nach meinem Handy. Die Benachrichtigungen zeigten weder einen entgangenen Anruf, noch eine neue Nachricht an - Richard hatte sich also immer noch nicht gemeldet. Also wählte ich kurzerhand seine Nummer und lauschte in den darauffolgenden zehn bis fünfzehn Sekunden dem Freizeichen.
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Ich tat Cosmas erste Worte noch während sie redete mit einem leichten Nicken ab, weil es dazu sonst nicht mehr viel zu sagen gab. Es blieb dahingehend nur zu hoffen, dass Richard ans Telefon ging und das würde sich ja bald zeigen. Ich empfand es im Folgenden gar nicht unbedingt für notwendig, dass Cosma sich dafür entschuldigte mich noch länger wach gehalten zu haben, als es ohnehin schon durch die Tauren-Sabin-Sydney-Aktion der Fall gewesen war. Nach einem flüchtigen Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass seitdem nochmal etwas mehr als zwei Stunden ins Land gezogen waren. Es war schon kurz nach 19 Uhr war und bis ich dann mal ins Bett kam - weil ich in jedem Fall noch duschen musste - würden noch weitere Minuten ins Land ziehen. Es wäre demnach so oder so extrem ungesund geworden schon so bald wieder aufzustehen und loszuziehen. Natürlich war der Schlaf weniger erholsam, wenn man womöglich mehrfach aus den Federn geklingelt wurde, aber ich gewöhnte mich gerade tatsächlich ganz gern an den Gedanken, einfach mal wieder 8 Stunden oder gar mehr am Stück zu schlafen. Das letzte Mal, dass das der Fall gewesen war, war etliche Wochen her. Irgendwann vor der inzwischen nur noch lästigen Italiener-Zeit. "Ehrlich gesagt find' ich das gerade gar nicht mehr so schlimm... klingt sogar ziemlich verlockend, jetzt mal mehr als 5 Stunden schlafen zu können.", stellte ich mit einem Hauch von Ironie fest. Denn ironisch war die ganze Geschichte durchaus, wenn man bedachte, dass die Italiener mich sonst den Schlaf kosteten und mir heute mit ihrer hochgradig beschissenen Idee, Cosmas Bar dem Erdboden gleich zu machen, hingegen eine sogar ziemlich lange Nacht voll Schlaf schenkten. "Ich geh' noch kurz unter die Dusche.", verabschiedete ich mich nach dem flüchtigen Kuss mit ein paar wenigen Worten ins Badezimmer, weil es sich frisch geduscht nach einem knappen 30-Stunden-Tag trotzdem nach wie vor am besten schlafen ließ.
~ Zeitsprüngelinchen
Ich hatte wirklich das Gefühl, dass mir die satten zehn Stunden Schlaf, die ich vorletzte Nacht hatte erlangen können, unheimlich gut getan hatten. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich danach schlichtweg endlich mal halbwegs wach und erholt fühlte, war es auch einfach schön seit einer gefühlten halben Ewigkeit mal wieder neben der Rothaarigen aufzuwachen. Noch dazu auch nicht sofort aufspringen und los zu müssen, sondern noch ein paar Minuten liegen zu bleiben und ihre Nähe zu genießen. Mich trübte es nur wenig, dass wir Richard am Vorabend nicht erreicht hatten. Weder da, noch gestern, noch am heutigen Tag. Inzwischen waren also zwei Tage ohne ein einziges Lebenszeichen von ihm verstrichen und ich hatte Cosma zu Liebe eingewilligt vor Beginn meiner heutigen, nächtlichen Rundfahrt mal bei ihm Zuhause vorbei zu schauen. Leider war er auch da nicht auffindbar, obwohl er gegen zehn Uhr abends eigentlich Zuhause sein sollte. Natürlich könnte er sich in weiß Gott was für eine Bar gesetzt haben, aber er hätte sich doch sicher bei meiner Freundin gemeldet, sobald er von den Medien mit Artikeln des Brandes erschlagen worden war. Alles in Allem hatte ich genug Grund zur Annahme, das da Etwas nicht stimmen konnte und war so dreist seine Wohnungstür aufzubrechen, als er nicht öffnete. Es gab zwar keine schlimmeren Anzeichen für einen Kampf und eine Leiche fand ich auch nicht, aber da waren ein paar kleinere Blutstropfen auf dem Boden nahe des Sofas. Jene hätten theoretisch auch nur von einer blutenden Schnittverletzung oder dergleichen stammen können, aber in Verbindung mit Richards kommentarlosem Verschwinden hielt ich das für - gelinde gesagt - ziemlich unwahrscheinlich. Hätte er dann sicher weggewischt, wo er doch sonst auch mit sehr vielen Dingen so unfassbar eigen und penibel war. Ich setzte Cosma über meine Vermutung und Schlussfolgerung ins Bild, bevor ich mich in die unendlich lang werdende Nacht zu stürzen begann. Bis Mitternacht blieb es noch verhältnismäßig ruhig, aber kurz danach brach im Grunde nicht weniger als die Hölle los. Ganze zwei Stunden lang spielte ich mit einem größeren Anteil des italienischen Packs Katz und Maus, wobei wir uns dabei ziemlich die Wiege hielten. Mal flogen mehr Schüsse in unsere Richtung, mal mehr in deren - Ortswechsel inbegriffen, weil wir zwischendurch mehrfach die Bullen loswerden oder ganz außer Gefecht setzen mussten, bevor die ganze Scheiße wieder von vorne losging. Dann aber sah es eigentlich ganz gut für meine Männer und mich selbst aus. Wir befanden uns relativ nah am Stadtrand in einer wenig beliebten, etwas herunter gekommenen Gegend und ich wischte mir über das inzwischen blutverschmierte Gesicht, weil sich ein Blutstropfen von meiner Augenbraue zu lösen drohte. Ich hielt mich hinter der rissigen Mauer eines Wohnhauses bedeckt, kam nur immer wieder aus der Deckung hervor um einen der Mafiosi mit einer oder mehr Kugeln das Leben aus dem Körper zu fegen. Es zogen ein paar Sekunden ins Land, weil ich das Magazin des Sturmgewehrs zum gefühlt tausendsten Mal in der heutigen Nacht wechseln musste, bevor ich mich wieder aus der Deckung wagte und die Position wechselte. Mich zum nächsten Haus vor arbeitete, um die Italiener weiter unter Druck zu setzen. Kurz darauf liefen mir zwei von ihnen vollkommen unverhofft mehr oder weniger direkt vor den Lauf der Waffe, was absolut keinen Sinn ergab. Es folgte auch noch ein dritter, der wie von der Tarantel gestochen aus der entgegengesetzten Richtung seine Deckung aufgab und los sprintete - ohne Erfolg, versteht sich, küssten sein Gesicht und sein zerschossener Bauch doch ziemlich schnell den Boden. Etwa zwei Minuten später sollte sich dann auch offenbaren weshalb, als eine weitere Truppe von der gegenüberliegenden Seite mehr und mehr in mein begrenztes Sichtfeld rückte. Noch mehr von den Italienern konnten das ja nicht sein, sonst würden letztere ja nicht flüchten. Deshalb hielt ich mich vorerst mit Schüssen auf die Unbekannten zurück, wies auch meine Männer mit ein paar knappen Worten und einem Handzeichen dazu an vorerst nur die Italiener weiter abzuknallen, die gefühlt von Sekunde zu Sekunde immer unvorsichtiger wurden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Alles lief genau nach Plan und die Nacht hätte für meine Männer und mich kaum besser laufen können. Es waren jetzt mehrere Wochen vergangen, seitdem wir das italienische Gesindel vom Hafen Palermos über Neapel bis hin nach Rom verfolgt hatten. Leider war Agnolo mitsamt des älteren Anhangs und einer Menge Handlanger an der Grenze zur Schweiz von unserem Radar verschwunden und tauchte erst eine ganze Weile später inmitten Deutschlands wieder auf. Von da an schien es weiter gen Norden zu gehen und ihr eigentliches Ziel hatte ich zu diesem Zeitpunkt nur erahnen können. Es vergingen weitere Tage, bis ich aus zuverlässiger Quelle die Bestätigung erhielt, dass die Italiener sich inzwischen im Herzen Norwegens eingenistet hatten und für eine Millisekunde erwischte ich mich dabei, mir die Frage zu stellen, was zur Hölle sie dort wollten. Im Prinzip ging es mich nichts an und interessieren tat es mich auch nicht, aber niemand würde das sonnig warme Italien freiwillig gegen Russlands Konkurrenz in Sachen Kälte tauschen. Es musste also einen Grund geben, warum gerade dieser kleine, beschissene und absolut nervige Zweig der Mafia sich bereits seit mehreren Tagen im Herzen des Landes aufhielt. Ich hatte mich nach einigen intensiveren Überlegungen schließlich dazu entschieden, diesen Umstand einfach zu unserem Vorteil auszunutzen. Die geplante Zerschlagung der Stabsstelle anderweitig zu organisieren, weil sich gerade Möglichkeiten eröffnet hatten, die mir - egal wie - nur in die Karten spielen konnte. Entweder wusste Agnolo und sein Scheißverein nicht, dass sie seit dem Überfall auf meinen Vater quasi unter Dauerbeobachtung standen oder aber er war blöd genug, mich nicht als eine ernsthafte Bedrohung anzusehen. Egal, welche Aussage nun zutraf, Fakt war, dass sie sich von ihrer großen und schützenden Herde getrennt hatten. Zwar hatte der kluge Kopf des Trios eine ganze Menge Männer mit auf seinen Weg genommen, aber war sein Repertoire erst einmal ausgedüngt, würde er Schwierigkeiten bekommen, zeitnah Verstärkung anzufordern. Und genau aus diesem Punkt würde ich meinen Vorteil ziehen. In Italien war es beinahe unmöglich, auch nur einem dieser Wichser nahe zu kommen und wenn man es wie durch ein Wunder doch schaffte, verhielt sich das Pack wie eine Hydra. Man schlug einen Kopf ab und an genau der gleichen Stelle wuchsen zwei neue nach. Man brauchte nicht zwangsläufig eine schnelle Auffassungsgabe, um zu realisieren, dass man sich auf ihrem Territorium besser nicht gegen sie auflehnte, weshalb meine Männer und ich bis dato unsere Füße stillgehalten hatten. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sie uns grundsätzlich in Ruhe gelassen hatten, aber seit geraumer Zeit pfuschte uns die Einheit des Kunstliebhabers zunehmend mehr ins Geschäft und wenn ich eines nicht leiden konnte, dann waren das rote Zahlen. Die Firma stand nach dem Tod meines Vaters - der im Übrigen auch auf Agnolos Kappe ging - kurz vor dem Bankrott und ich war heilfroh gewesen, die Katastrophe mit einem Großauftrag, der neben ordentlich Schotter auch einige gute Connections eingebracht hatte, noch einmal abgewendet haben zu können. Da verstand man doch sicher, dass ich Manipulationen bei den Transporten nicht billigen konnte und handeln musste. Seitdem waren nun einige Wochen vergangen, in der ich verschiedene Szenarien ausgearbeitet und im Geiste durchgespielt hatte. Allesamt hatte ich schwer frustriert dann auch wieder verworfen, weil ich einfach auf keinen grünen Zweig kam. Selbst mit etlichen Informanten und der Hilfe von verbündeten Organisationen war es unmöglich, die Strippenzieher aus der Reserve zu locken und so stand ich kurz davor, einfach aufzugeben. Aber jetzt ... wo ich wusste, dass sich die hohen Köpfe mir quasi auf dem Silbertablett präsentierten, saß ich im nächsten Flieger Richtung Norwegen. Es war circa 16 Uhr Ortszeit gewesen, als ich in Norwegen fernab jeglicher Zivilisation landete und mich kurz darauf auch schon in die Arbeit stürzte. Binnen weniger Tage koordinierte ich mehrere Flüge, die mir massenhaft Verstärkung nach Oslo brachten, um mit der gezielten Suche nach Agnolo zu beginnen. Es war uns bis zum heutigen Tag zwar noch nicht gelungen, den Unterschlupf des Trios ausfindig zu machen, aber dafür hatten wir einige, ebenfalls sehr interessante Informationen sammeln können. Ich wusste nun zum Beispiel, was der Grund ihrer Einreise nach Norwegen war und das die Italiener hier oben gegen reichlich Widerstand zu kämpfen hatten. Warum genau, das erschloss sich mir nicht ganz, war mir grundlegend aber auch egal. In den ersten Tagen hatte ich meine Männer darum gebeten, Konfrontationen mit beiden Parteien des Untergrund-Bürgerkriegs zu vermeiden und lediglich zu beobachten. Zu patrouillieren und mir Auskünfte über alles mögliche zu geben. Die Informationen hatte ich in meinem Unterschlupf am Stadtrand zusammengetragen und ausgewertet. Inzwischen wusste ich, dass der Widerstand zwar mit Vorsicht zu genießen war, uns bei der Zerschlagung aber durchaus behilflich sein konnte. In den darauffolgenden Tagen nach dieser Bekanntgabe, waren eine handvoll meiner italienisch-russischen Gefolgschaft durch die Gassen gezogen, stets darauf bedacht, die Truppen des Widerstandes zu meiden und stattdessen Jagd auf einen der höher gestellten Männer des Trios zu machen. Wenn man schon keinen von denen persönlich antraf, musste man eben nehmen, was man kriegen konnte und irgendwer würde mir ja wohl sagen können, um wen es sich bei dem Anführer der norwegischen Vereinigung handelte. Mit dieser Annahme sollte ich schließlich auch Recht behalten und schon bald hatte ich Akten hoch wie die Twin Tower auf meinem improvisierten Schreibtisch liegen. Hunter Price, 26 Jahre junger Amerikaner, dessen Strafakten sich gebunden sicher gut als Krimi verkaufen lassen würden. Alles in Allem also jemand, mit dem man sich nur ungerne anlegen wollte. Da ich hier oben in Norwegen jedoch nicht vor hatte, ihm seine Geschäfte zu vermiesen und der Grund meiner Einreise sowieso ein ganz anderer war, machte ich mir entsprechend wenig Sorgen, meine Männer durch die Straßen ziehen zu lassen. Einen hatte es in der Hitze des Gefechts zwar dennoch erwischt, aber es war nicht nachzuweisen gewesen, aus wessen Waffe der tödliche Schuss letztlich abgegeben wurde und jemanden, der dumm genug war, lachend in die Kreissäge - oder in dem Fall eine Schießerei - zu laufen, dem konnte man ohnehin nicht mehr helfen, da machte ich weder Agnolos, noch Hunters Männern einen Vorwurf draus. Jedenfalls waren wir mittlerweile mehrere Wochen hier oben und während sich ein Teil meiner Leute ins warme Italien zurück wünschten, ging es für mich gerade erst in die Hochphase. Ein paar der aktuell patrouillierenden Einheiten meldete mir soeben, dass sie am anderen Ende der Stadt eine Auseinandersetzung beobachtet hatten, die sich von Zeit zu Zeit immer weiter zugespitzt hatte. Erst einmal nicht weiter interessant für mich, war das inzwischen doch Gang und Gäbe zwischen den konkurrierenden Parteien. Von Belangen war das Ganze für mich erst, als man mir mitteilte, dass der Chef höchstpersönlich an der Schießerei beteiligt war und damit witterte ich unsere Chance auf eine mögliche Kontaktaufnahme. Ich wies die mich informierenden Männer dazu an, Hunter unterstützend beiseite zu stehen, bis ich am Ort des Geschehens angekommen war und neue Anweisungen geben würde. Wenig später machte ich mich in einem weißen Kleintransporter auf in Richtung der durchgegebenen Koordinaten - mehrere, bis unters Kinn bewaffnete Russen im Gepäck. Es brauchte mich tatsächlich an die dreißig bis fünfundvierzig Minuten, bis ich den Wagen unweit mehrerer Schüsse in einer Seitengasse parkte. Die Koordinaten hatten sich jetzt bestimmt schon zum dritten Mal geändert und ich war froh, mittlerweile auch ein paar lebende Mafiosi zu Gesicht zu bekommen, anstatt immer nur deren Leichen. Nachdem ich mich aus dem Fahrzeug bequemt hatte, ging dann alles verhältnismäßig schnell. Nach einem Status Update von Holovanov, der mir nach stundenlanger Beobachtung knapp schilderte, wie beide Seiten aufgestellt waren, teilte ich meine Männer in zwei Gruppen. Einer davon bedeutete ich mittels einer knappen Handbewegung, mit Hunter und seinen Leuten zu laufen - der Rest sollte mir in die entgegengesetzte Richtung folgen. Wir würden das Dreckspack einkessel und so auch dem letzten Hurensohn noch das Licht ausknipsen. Noch ein kurzer Abstecher an den Kofferraum, um mir nebst dem ohnehin prall gefüllten Waffengurt noch ein Maschinengewehr anzueignen, dann konnte es auch schon losgehen. Die darauffolgenden Minuten sollten schließlich einer der lustigsten meines bisherigen Lebens werden. Zwar verlor auch ich einen Teil meiner Mannschaft entweder tot oder schwer verletzt im Kugelhagel, aber das waren die verwirrten Gesichter der Italiener, als sie realisierten, dass es auch von der anderen Seite plötzlich jemand auf sie abgesehen hatte, wirklich wert gewesen. Vor uns fielen die toten Körper nur so zu Boden und ich hatte gerade Deckung hinter einem Kleinwagen gesucht, als ich beobachtete, dass mehrere der Mafiosi wie Hühner, denen der Kopf abgeschlagen wurde, unkoordiniert durch die Gegend rannten. Ein ganz offensichtliches Zeichen dafür, dass wir Hunter immer näher kamen und sie langsam nicht mehr wussten, wohin sie eigentlich laufen konnten, ohne sich direkt eine Kugel einzufangen. Die Antwort darauf war simpel: Nirgendwo hin. Es traf also ziemlich bald auch den letzten der bis hierhin übrig gebliebenen Meute und plötzlich wurde es still. Zur Sicherheit blieb ich trotzdem noch eine ganze Weile in Deckung, bis ich mir wirklich sicher war, dass sich nicht wider Erwarten doch noch irgendwo ein Italiener versteckt hatte. Dann wagte ich mich schließlich aus der Hocke ein Stück weit nach oben, um den Lauf der Waffe über die Motorhaube des Kleinwagens hinweg auf Hunters Männer zu richten. Zwar verfolgten der Amerikaner und ich ganz offensichtlich das gleiche Ziel, wenn es um die Eliminierung der Pastafresser ging, vertrauen tat ich ihm deswegen trotzdem noch kein Stück. Ich konnte schließlich nicht wissen, ob er mich nicht ebenfalls dem Erdboden gleichgemacht hätte, wenn ich ihm so bereitwillig ins Fadenkreuz lief. Also ging ich lieber auf Nummer sicher - mir lag an meinem Leben nämlich eindeutig noch zu viel, als es jetzt schon achtlos wegwerfen zu wollen. "Meine Männer werden nicht schießen.", gab ich die vorerst wichtigste Information auch für die Gegenseite bekannt. "Mein Name ist Vahagn Gniwek und ich ersuche ein Gespräch mit einem gewissen Hunter Price. Ich weiß, dass er sich hier aufhält.", folgten weitere, ziemlich laute Worte in Richtung der mit Leichen tapezierten Straße. Hunters Männer und er selbst war natürlich nicht zu sehen gewesen, aber ich war mir sicher, dass er sich hinter einer der unzähligen Ecken oder Hauswände versteckt hielt.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich genoss den Kugelhagel, der bis dato ebenfalls ausschließlich auf die Italiener abzuzielen schien, mit großer Vorsicht und auch Skepsis. Es erschloss sich mir in diesem Moment ganz einfach nicht, warum uns Jemand damit unterstützen sollte. Erstens hatte ich Niemanden um Hilfe gebeten - was ich im Grunde ohnehin nie tat, weil ich sie für gewöhnlich nicht brauchte - und zweitens war es ganz einfach auch riskant, sich in die ganze Geschichte einzumischen. Schließlich dürften sie damit ebenfalls ins Fadenkreuz der Italiener rücken, was absolut kein Spaß war, wie ich aus eigener Erfahrung sagen konnte. Ich zerbrach mir also parallel zu den Schüssen, die ich abgab, bereits den Kopf darüber wie ich damit jetzt umgehen sollte, weil ich eine derartige Situation bisher ganz einfach noch nicht erlebt hatte. Dass sich mir mal eine ortsansässige Bande aus freien Stücken anschloss und mir ihre Dienste anbot, weil sie mit meinen menschlichen Zielobjekten ebenfalls Zoff hatte, das kam schon mal vor, aber dann besprach man das in der Regel vorab. Eben ganz genau deshalb, weil dann potenzielle Missverständnisse wie dieses hier gar nicht erst entstehen konnten. Ich war durchaus froh darüber, dass sie uns dabei unterstützten das südländische Pack zumindest hier in diesen Gassen für heute auszumerzen, aber die auf das Gefecht folgende Stille ließ mich sofort alle möglichen Optionen durchgehen. Es wäre möglich, dass sie es wirklich einfach nur auf die Italiener abgesehen hatten, weil jene sicher auch noch viele andere Feinde hatten. Eine andere Option war, dass sie damit noch einen weiteren Hintergedanken verfolgten, der sich mir bis hierhin aber noch nicht erschließen konnte. Wenn sie es zusätzlich auf meinen Trupp abgesehen hätte, dann wäre der Kugelhagel aber vermutlich nicht abgebrochen, war jetzt doch schließlich eine verhältnismäßig gute Möglichkeit dazu - es machte selbst mich immer noch reichlich müde, wenn ich mich stundenlang mit einer Verfolgung und Schüssen abkämpfen musste. Also nutzte ich die Ruhe vorerst dazu die Position zu halten, einfach durchzuatmen und das Adrenalin in meinen Adern damit etwas zu beruhigen, bis schließlich eine Stimme aus der anderen Richtung zu vernehmen war. Eine Frau... eine Frau? Das allein ließ mich unbewusst eine Augenbraue hochziehen, weil es wirklich selten vorkam, dass es eine Frau war, die das Kommando über schießwütige Kerle hatte. Versteht mich nicht falsch, ich würde nie grundlegend in Frage stellen, dass nicht auch eine Frau die gewisse Authorität dafür mitbringen konnte, nur hielt das in den meisten Fällen eben nicht sonderlich lange an, weil irgendeiner der unterstellten Kerle übermütig wurde und jene anfocht. Mein Metier war und blieb eher was für bullige Kerle ohne Gefühle, das Regime einer Frau hielt selten mehr als ein paar Monate. Das war zumindest meine Erfahrung damit. Auch der Inhalt ihrer Sätze ließ mich weiter grübeln. Man konnte schließlich viel sagen, wenn der Tag lang war und wenn mich hier jetzt Jemand über den Haufen schoss, standen meine Männer mehr als ein bisschen blöd da. Gejagt von Italienern ohne Führungsperson wäre das sehr sicher zumindest für einen Teil von ihnen das Ende. Aber sie schien mich auf den ersten Blick wirklich bewusst aufgesucht zu haben, wenn sie nach eigener Angabe wusste, dass ich hier war, obwohl ich mich gerade vollkommen absichtlich nicht zeigte. Ich warf nochmal einen Blick in die Richtung, aus der die Stimme kam und sah nach wie vor hier und da erhobene Läufe, was mir nicht schmeckte. Ich pfiff also lautstark nach dem einzigen Scharfschützen, der - sofern er nicht erwischt wurde - auf einem der umliegenden Dächer sitzen sollte. Es dauerte einige Sekunden, bis er in mein nach oben ausgerichtetes Sichtfeld rückte und ich deute ihm mit einem Kopfnicken an, dass er sich möglichst leise eine neue Position verschaffen sollte, aus der er freies Schussfeld auf die Strippenzieherin hatte. Nur für den Fall, dass das Ganze eben doch eine Falle war, auch wenn die Situation bisher noch nicht danach roch. Dann winkte ich den Rest meiner Männer näher heran, ebenfalls für den Ernstfall. Ashton und Michael bekamen jeweils ein separates Handzeichen, um gänzlich zu mir aufzuschließen und mir so gut es ging den Rücken frei zu halten, sollte meine folgende Aktion schiefgehen. Ich räusperte mich und trat dann vorsichtig aus der Deckung heraus, meine beiden hier gerade wichtigsten Männer dicht auf meinen Fersen mit nach wie vor im Anschlag gehaltenen Waffen. Ich hingegen ließ den Lauf gesenkt, wollte damit signalisieren, dass ich an sich einer Cooperation nicht grundsätzlich abgeneigt war. "Wenn ihr nicht schießt, dann nehmt die verdammten Waffen runter - mein Revier, meine Regeln. Zielt ihr nicht auf uns, dann zielen wir nicht auf euch.", forderte ich die gegenüberliegende Seite eindringlich dazu auf mir ihren guten Willen mit einer eindeutigen Geste zu unterstreichen, während ich nur langsam in ihre Richtung ging und mich dabei nahe an potenziell Schutz bietenden Wänden hielt. Niemand richtete in meiner Stadt langfristig eine Waffe auf mich, ohne dass das irgendwelche Folgen hatte. Waffen hatten in meinen Augen nämlich leider ihre ganz eigene Sprache und die hatte in einem sachlichen, geschäftlichen Gespräch nicht wirklich etwas zu suchen. Also Waffen runter, sonst knallt's.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es dauerte für meinen Geschmack viel zu lange, bis endlich so etwas wie Bewegung in die ganze Sache kam. Seit meiner Bitte - eine Forderung konnte man es zumindest nicht direkt nennen - waren mindestens anderthalb bis zwei Minuten vergangen, die ich auf eine Reaktion gewartet hatte, dann aber schien mich der Amerikaner immerhin nicht enttäuschen zu wollen. Ich vernahm aus meiner Position heraus Bewegungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und reagierte darauf ebenfalls mit einer Repositionierung meiner Leute. Holovanov und Dmytro winkte ich zu mir und ließ sie sich hinter nahe gelegenen Fahrzeugen jeweils rechts und links von mir ducken, während der Rest meiner Mannschaft mit Handzeichen und Kopfnicken hinter uneinsichtigen Ecken oder Hauswänden navigiert wurde. Die Waffen dabei nach wie vor im Anschlag haltend, denn wieso sollte ich ihm mit weniger Misstrauen entgegen treten, als er es mir gegenüber tat? Ich hatte mal mindestens genau so viel zu verlieren, wenn er oder einer seiner Handlanger sich dazu entschloss, mir hier und jetzt eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Dann war es schließlich so weit und nachdem beide Mannschaften ihre neuen Posten bezogen hatten, trat der Amerikaner im Beisein von zwei weiteren Männern in das Licht einer der wenigen Straßenlaternen. Ich nahm mir ein paar Sekunden Zeit, um den Amerikaner zweifelsfrei als Hunter zu identifizieren und gab erst dann meine Deckung vollständig auf. Die AK-12, welche ich bis dato in beiden Händen gehalten hatte, baumelte nun führerlos an ihrem Tragegurt auf Höhe meines Bauchnabels. Meine Hände hielt ich, gut sichtbar für alle Beteiligten, neben meinem Gesicht, als ich die Motorhaube des Kleinwagens umrundete und ein paar Schritte auf den jungen Mann zuging. "Ganz ruhig, Cowboy. Dein Revier, deine Regeln - schon klar. Aber ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Solange die zwei Läufe deiner Jungs auf mich gerichtet sind, gilt gleiches Recht auch für mich. Allen anderen werde ich jetzt bedeuten, ihre Waffen zu senken.", informierte ich den Amerikaner darüber, dass nachfolgendes Handzeichen meinem Anhang - Holovanov und Dmytro ausgeschlossen - lediglich signalisieren würde, dass sie ihre Waffen vorerst runter zu nehmen hatten. Da es beim unkommentierten Rumfuchteln mit den Händen schon des Öfteren zu tödlichen Unfällen gekommen war, hatte ich mir bei Verhandlungen dieser Art angewöhnt, meinen Gegenüber immer vorab darüber zu informieren, welche Schritte ich mit einem Wink einleiten würde. Gesagt, getan. Während die Läufe meines Backups mittlerweile über den Motorhauben zu sehen waren, ging ein allgemeines Rascheln durch die hinteren Reihen. Nach und nach fanden die Pistolen ihren Weg zurück ins Holster und die Maschinengewehre wurden gesenkt. "Sofern wir beide ein ähnliches Interesse haben, niemanden willkürlich über den Haufen zu schießen, sollte dieser Kompromiss für dich kein Problem darstellen.", fügte ich sehr bestimmt und mit einem schwerwiegenden russischem Akzent noch ein paar Worte hinten dran, die seiner Geschichte mit den Regeln den Wind aus den Segeln nehmen sollte. Mochte sein, dass man als Gangster andere Ansichten vertrat, ich für meinen Teil bestand auf gleiches Recht für alle. Solange er seine Waffe nicht gegen mich erhob, tat ich das ebenso wenig. Blieben die Läufe seiner Schoßhunde weiterhin auf mich gerichtet, würde sich da auch von meiner Seite nichts dran ändern. Und wenn er damit ein Problem hatte, wäre die Sache hier binnen kürzester Zeit ohnehin beendet. Er sollte bloß nicht denken, dass er mir auf der Nase herumtanzen konnte, nur weil ich mich in seinem Revier aufhielt und er mir zumindest rein körperlich um ein Vielfaches überlegen war. Es war jetzt schon das ein oder andere Mal vorgekommen, dass einige Möchtegern-Gangster auf diese Art und Weise meine Autorität und meine Konsequenz angezweifelt hatten und tja, was sollte ich sagen... diese jämmerlichen Niemande waren seitdem nicht mehr wieder aufgetaucht. Ich war kein besonders großer Fan von roher Gewalt, aber sobald man mich genügend gereizt hatte, machte ich sehr gerne kurzen Prozess und unterband damit das missglückte Schubladendenken mancher Menschen, nach dessen Vorstellungen eine Frau in einer Führungsposition nichts zu suchen hatte. Mochte sein, dass es gerade in diesem Metier schwerer war, sich als weibliches Individuum durchzusetzen, aber mit den richtigen Methoden war nichts unmöglich.
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