Auch, wenn mir ihre Wortwahl kein Stück gefiel, war das kein zu verkehrter Anfang. Solange sie mir hier keinen richtigen Widerstand leistete und keine Schüsse fielen, sollte das so vorerst in Ordnung gehen, wobei der Hauptgrund dafür wohl war, dass hier keiner dem jeweils anderen auch nur einen Hauch zu viel Vertrauen schenken wollte. Verständlich angesichts der Tatsache, dass eben durchaus viel tödliches Potenzial in diesem Gespräch ruhte. Sobald also zumindest der Großteil der gegnerischen Waffen gesenkt war drehte ich den Kopf zur Seite und bedeute dem hinten gebliebenen Rest meiner Männer mit einem eindeutigen Nicken, dass sie es den Anderen gleich tun sollten. Was Ashton und Michael anging hingegen war es mir doch schlichtweg lieber, diese Sicherheit zu behalten. Gerade bei Leuten, die ich nicht kannte, ging ich nur im Notfall unnötige Risiken ein. Ich tat den Cowboy vorerst als dumme Redewendung ab, weil ich gerade tatsächlich zu erledigt dazu war mich daran aufzuhängen. Sollte sie allerdings zu weiteren in meinen Augen unangebrachten Spitznamen oder Formulierungen greifen, sah ich ganz klassisch ziemlich sicher rot. Es waren eben auch schon Leute für weniger gestorben, wenn ich einen schlechten Tag - oder eine anstrengende Nacht - hatte. Ich schloss also nach wie vor argwöhnisch bleibend weiter zum Gegner auf, wobei ich erst einmal schwieg und jede Hausecke, die ich passierte, mit Adleraugen scannte. Aber da schienen keine bösen Überraschungen zu sitzen, weshalb ich letztlich wohl ca. zehn Meter vor dem Lieferwagen stehen blieb. Ich wusste noch nicht ganz, wo ich ihren Akzent einordnen sollte, aber es klang mir doch sehr stark nach Russisch oder Polnisch. Tatsächlich hatte ich die beiden Sprachen noch nie wirklich voneinander unterscheiden können, aber die genaue Herkunft meines Gegenübers spielte für mich persönlich auch keine große Rolle - solange sie eben keine Italiener waren, die hatte ich echt gefressen. Sabin mal ausgenommen. Ich musterte sowohl die noch recht jung aussehende Frau, als auch ihre beiden umstehenden Männer noch einmal akribisch, bevor ich erstere letztlich direkt ansah. "Was willst du?", kam ich also mit relativ ruhigem Tonfall auf den Ursprung dieses ganzen Tohuwabohus zurück, auch wenn wohl ein leicht gereizter, gestresster Unterton mitschwang. Allerdings konnte man es mir denke ich auch keineswegs verübeln, dass ich geringfügig angepisst war, nachdem meine Ohren stundenlang einem derartigen Lärm ausgesetzt gewesen waren. Dennoch sollte Vahagn zumindest einmal die Chance kriegen mir zu sagen, weshalb sie letztendlich hergekommen war. Warum sie eben nicht auf mich schießen wollte, sondern lieber ein Gespräch ersuchte. Ob sie letzterem dann auch würdig war entschloss ich nach ihrer Erklärung.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Berichten zufolge war Hunter ein sehr impulsiver und hitzköpfiger junger Mann, weshalb ich eigentlich fest damit gerechnet hatte, dass der Drops bezüglich seiner eigens aufgestellten Regeln noch lange nicht gelutscht war. Aber entgegen meinen Erwartungen drangen mir in den folgenden Sekunden keinerlei negative Worte ans Ohr und am äußeren Rand meines Augenwinkels vernahm ich nach Hunters Kommando recht unauffällige Bewegungen. Seine Handlanger schienen dem Nicken ihres Bosses nicht zu trotzen. Gut, schön. Ich war vielleicht ein wenig überrascht, beschweren tat ich mich aber keinesfalls. Je weniger wir hier über Kleinigkeiten diskutieren mussten, desto schneller würde ich auf den eigentlichen Grund meines Besuches zu sprechen kommen können. Als die Geschichte mit dem mangelnden Vertrauen und den erhobenen Waffen von zwei Männern auf jeder Seite also geklärt war, setzte der junge Mann zu ein paar fragenden Worten an, die ich so oder so ähnlich bereits erwartet hatte. In einer solchen Situation würde wohl jeder gerne wissen, was der jeweils andere von einem wollte - mich schloss ich da keineswegs von aus. "Wir beobachten euch schon eine ganze Weile.", setzte ich zu einer Erklärung an und senkte dabei die erhobenen Hände wieder. Mittlerweile durfte klar sein, dass ich wenig Interesse daran hatte, der beendeten Schießerei direkt eine weitere folgen zu lassen. Zumindest so lange nicht, wie alle Anwesenden hier die Füße still hielten. "Keine Sorge, weder interessieren mich deine Geschäfte, noch hab ich vor, dir dein Revier streitig zu machen. Du und deine Männer sind eher beiläufig ins Visier unserer Ermittlungen geraten. Eigentlich sind wir auf der Suche nach Agnolo Di Vaio, samt den beiden älteren Herren, denen er in den Arsch kriecht. Wir haben - wie soll ich das sagen? - ein paar kleinere Differenzen und ich würde sehr gerne mit ihm sprechen, wenn du verstehst, was ich meine." Zwar stand mir nicht wirklich der Sinn danach, mich auch nur mit einem dieser Arschlöcher ruhig und gesittet zu unterhalten, aber die ein oder andere Information bekam man ja leider doch nur, wenn wenigstens noch ein Hauch von Leben in diesen menschlichen Vollversagern steckte. In dem Punkt war ich mir jedoch sicher, dass Hunter die Wahl meiner Worte zu deuten wusste, weshalb ich auf Erklärung dahingehend verzichtete. "Bedauerlicherweise konnten wir bis heute noch keine nennenswerten Erfolge verzeichnen. Agnolo ist leider nicht dumm genug, uns freiwillig in die Arme zu laufen und an der Stelle kommst du ins Spiel. Ich möchte dir eine zwanglose Kooperation anbieten, weil ich weiß, dass ihr ebenfalls Jagd auf ihn macht. Eure Beweggründe spielen für mich dabei keine große Rolle. Sobald ich weiß, dass der Italiener unter der Erde liegt, sind wir auch schon wieder weg. Zu bieten habe ich einen Arsch voll fähiger Männer, die ich aus Italien und Russland jederzeit einfliegen lassen kann, damit verbunden zudem eine Menge Waffen. Aus aktuellem Anlass dürfte dich eventuell noch eine Sache ganz besonders interessieren." Einen Augenblick ließ ich das Gesagte erst einmal sacken, bevor ich mich räusperte und zum letzten Teil des Angebotes ansetzte. "Erst einmal solltest du wissen, dass mir die Sache mit der Bar deiner Freundin wahnsinnig Leid tut..." Und das tat es echt. Musste wirklich ein beschissenes Gefühl sein, die gesamte Existenz zu verlieren, nur weil man sich einen Schwerverbrecher angelacht hat, auf den manche Leute nicht so gut zu sprechen waren. Wenn man das dann auch noch an die Öffentlichkeit trug und sich damit quasi eine Leuchtreklame um den Hals hängte, die besagte, dass man für etwaige Versuche, den Chef so richtig auf die Palme zu bringen, bestens geeignet war ... na ja, dann musste man mit sowas leider rechnen. Gut heißen tat ich es trotzdem nicht. "Das Teil stand leider schon lichterloh in Flammen, als wir dort ankamen, aber wir konnten die Brandstifter ein paar Straßen weiter auflesen. Für uns waren sie zweckdienlich ... ein paar Informationen haben wir aus ihnen heraus bekommen. Ich überlasse sie der Rothaarigen und dir für den letzten Gnadenschuss.", formvollendete ich also das Ende meines Angebotes und sah ihn daraufhin abwartend, aber durch und durch sehr ruhig an.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich folgte jedem ihrer Worte aufmerksam, verzog aber keine Miene. Ließ sie vorerst gänzlich im Unklaren darüber, was ich nun davon hielt. Ich wurde erstens schon mal nicht gerne beobachtet, um das mal klar zu stellen. Auch dann nicht, wenn das nicht wegen mir selbst, sondern nur einem Kontakt zu mir passierte. Aber sei's drum, bisher hatte mir weder die junge Frau, noch ihre Männer irgendwie dazwischen gegrätscht und es schien auch nicht ihr Anliegen gewesen zu sein, mich in irgendeiner Art und Weise auszuspähen. Was dann doch deutlich relevanter war, war die darauffolgende Sache, die sich um die Italiener drehte. Ganz offensichtlich konnte sie jene nämlich mindestens genauso wenig leiden wie ich und hätte noch dazu gerne ein paar weitere Informationen von ihnen, was für mich persönlich hingegen nicht weiter relevant war. Ich wollte einfach nur, dass diese Arschlöcher endlich ausradiert waren, damit ich wieder sowas wie ein Leben außerhalb dieser Fehde hatte. Zwar schenkte ich vollkommen fremden Personen hochgradig ungern auch nur einen Funken meines Vertrauens, aber unter Umständen konnte besagte Kooperation nach Freiheit riechen. Mein eigenes Heer schrumpfte immer weiter und selbst ich musste mir langsam eingestehen, dass die ganze Sache nicht mehr ewig gut gehen würde, wenn wir nicht langsam mal große Fortschritte machten. Ich konnte mir nicht mehr täglich neue Leute aus dem Ärmel schütteln, die menschlichen Ressourcen schrumpften. Bei den Italienern zwar auch, aber ich wollte auch nicht ewig so weiter machen, bis nichts von meinem Team mehr übrig war. Was die Sache mit der Smith and Wesson anging hingegen war ich wegen mangelnder Kenntnis ihres eigentlichen Charakters nicht wirklich bereit dazu ihr abzukaufen, dass ihr das leid tat. Wieso sollte es? Sie kannte mich nicht und Cosma noch viel weniger, mit Empathie konnte sie sich bei mir auch nichts kaufen. Ich nahm also auch das nur mit dem weiterhin eher finsteren Gesichtsausdruck hin, der nicht wirklich nach außen dringen ließ, was ich von alledem hier jetzt hielt. Allerdings war ich mir wiederum sicher damit, dass die Rothaarige Gefallen an diesem Deal finden würde, auch unabhängig davon, dass es mir sehr gut in den Kram passen würde, die Brandstifter unter die Erde zu bringen. Manipulation vom feinsten war das, was mein Gegenüber mir hier gerade auspackte. Ich schwieg wieder einige Sekunden nachdem Vahagn mit ihrem Vorschlag fertig war. Wollte gerade den Mund aufmachen, um etwas zu erwidern, als die mir nur allzu bekannten Polizeisirenen im Hintergrund immer lauter wurden und ich deshalb beschloss, mir wegen an dieser Stelle ohnehin mangelnder Zeit erst einmal Ruhe zu geben, um darüber nachzudenken. Dieses Gespräch zu vertagen, weil ich keine Lust auf die nächste Polizeiparty hatte. Allem voran nickte ich ein klein wenig, was aber eher nur ein Zeichen dafür war, dass ich verstanden hatte. "Ich werde drüber nachdenken... morgen um 15 Uhr im Hideout.", schob ich ihr vorerst nur einen neuen Termin für ein ausführlicheres Gespräch in neutralerer Umgebung zu, weil ich das ganz sicher nicht jetzt Hals über Kopf entscheiden würde. Zumal es mitunter auch Sabins Entscheidung war, wie wir mit seinen Landsleuten weiter verfuhren. "Und wir unterhalten uns allein. Bring von mir aus Leute mit, aber lass' sie draußen.", ließ ich die Brünette durchaus mit leicht patzigem, keine Widerrede duldenden Tonfall noch wissen, dass ich nichts anderes als ein Gespräch unter vier Augen zulassen würde und der noch nicht beschlossene Deal andernfalls gleich im Voraus platzen würde. Mir war egal, ob sie zu ihrer Sicherheit noch Leute mitbrachte und sie vor dem Eingang des Cafés parkte, aber das war dann das höchste der Gefühle. Ich bedachte sie auch lediglich noch mit einem kurzen Blick, bevor ich mich umdrehte und den Rückweg antrat. Ashton und Michael hingegen blieben wie gewohnt noch den Fremden zugewandt und gingen nur langsam rückwärts, bis ich aus dem Schussfeld raus war und sie ebenfalls den endgültigen Rückweg antraten. Vertrauen schön und gut, Kontrolle war immer noch besser.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na toll, das hatte gerade noch gefehlt. Das stroboskope Blaulicht, welches in der Dunkelheit bereits von Weitem sichtbar war, grätschte mir hier gerade auf massivste Art und Weise in das bis dato recht erfolgsversprechende Vorhaben. Zwar verzog Hunter über das Gespräch hinweg keine Miene, aber ich konnte spüren, wusste, dass er Unterstützung dringend gebrauchen konnte, auch wenn er sich das vermutlich nicht einmal in seinem nächsten Leben offen eingestanden hätte. Der Konflikt mit den Italienern hatte ihn mehrere Männer gekostet und Menschen wuchsen bekanntermaßen nicht auf Bäumen - Kriminelle oder solche, die es werden wollten schon mal gar nicht. In dem Sinne sollte es ihm eigentlich gelegen kommen, wenn er seine bestehenden Ressourcen schützen und aufstocken konnte, während wir einfach massenhaft Männer aus Russland oder der Ukraine an die Front schickten, um den Italienern einzuheizen. Ich war mir also ziemlich sicher gewesen, dass er dem Deal früher oder später schon alleine deswegen eingewilligt hätte, aber daraus wurde aufgrund der anrollenden Cops jetzt erst einmal nichts. Ich seufzte entnervt, weil mich der ganze Umstand allmählich echt ankotzte. Seit wir hier oben in Norwegen unsere Zelte aufgeschlagen hatten, verzeichneten wir keine nennenswerten Erfolge, konnten nur einen Arsch voll Informationen gewinnen, die uns als solches jedoch nur wenig bis absolut gar nichts brachten und so langsam konnte es meiner Meinung nach wirklich mal vorwärts gehen. Ich hatte nämlich keine sonderlich große Lust, meinen Lebtag hier oben in der Einöde zu verbringen, wenn weiter unten das sizilianische Meer auf mich wartete. Am Ende verließ das Trio Norwegen, noch bevor ich einmal nah genug an sie herangekommen war und das kratzte ganz eindeutig an meinem für gewöhnlich sehr großen Ego. Schließlich entkam mir niemand so ohne Weiteres... Aber ich konnte nachvollziehen, dass Rückzug an dieser Stelle vorerst absolut angebracht war und so nickte ich die wenigen Worte Hunters zum Abschluss kurz ab. "Gleiches gilt für dich.", kommentierte ich die Sache mit dem Personenschutz noch knapp, ehe auch ich ein paar Schritte rückwärts machte und bei den Kleinwagen angekommen auf dem Absatz Kehrt machte, in den Laufschritt überging, um zügig zurück zum Kleintransporter zu kommen. Auf eine Konfrontation mit den Bullen konnte ich nämlich getrost verzichten. Hinterher wollte man uns noch die getöteten Polizisten ein paar Straßen weiter anhängen.
~ le zeitsprüng ~
Der gestrige Abend verlief Gott sei Dank ohne weitere Komplikationen. Die Suche nach dem abgestellten Kleintransporter hatte sich in den fremden Straßen als ein wenig kompliziert heraus gestellt und beinahe war uns das Blaulicht nahe genug gekommen, um uns tatsächlich gefährlich zu werden, aber wir entkamen gerade noch einmal mit einem lediglich leichten Schrecken. Zurück im Unterschlupf hatte ich dann auch nichts weiter mehr getan, als die Füße hoch zu legen und den Tag, vor allem aber das Gespräch noch einmal Revue passieren zu lassen. Auch nach dem Durchgehen sämtlicher Antwortalternativen von ja bis nein über vielleicht und mal schauen, war ich mir immer noch sicher, dass Hunter auf kurz oder lang meine Hilfe annehmen würde, was mich schließlich gegen ein Uhr in der Nacht beruhigt die Augen schließen ließ. Die Sonne des bevorstehenden Tages weckte mich gegen etwa zwölf Uhr nach ziemlich genau elf Stunden erholsamen Schlafes. Auf das morgendliche Hygieneritual im Bad folgte ein ausgiebiges Frühstück, welches Dmytro aus einer nahe gelegenen Bäckerei besorgt hatte und irgendwann - es war sicher kurz nach zwei - entschloss ich mich endlich mal dazu, den bequemen Ledersessel vor der Flimmerkiste hinter mir zu lassen und mich zu zivilisieren. Ich hatte vor dem Zubettgehen noch kurz gecheckt, in welches Ambiente mich Hunter zitiert hatte und wusste daher, dass es mich maximal zwanzig Minuten Fahrt brauchen würde, um dort anzukommen. Für Haare und Make Up brauchte ich in der Regel nicht länger als zehn Minuten und so saß ich gegen 14:30 Uhr hinter dem steuer des silbernen Mietwagens in Richtung Innenstadt. Meine Rückendeckung des gestrigen Abends vertrieben sich indessen auf der Rückbank ihre Zeit bis zum Treffpunkt mit irgendwelchen russischen Wahlergebnissen. Worum es da jetzt im Konkreten ging, wollte mir allerdings nicht einleuchten. Jedenfalls hielt ich die Karre ziemlich genau um fünfzehn Uhr - der unerwartete Stau hatte uns leider ein paar Minuten an Zeit gekostet - vor dem verabredeten Café und stieg nach Abstellen des Motors zügig aus. Holovanov, der mit Abstand verfressenste - aber auch liebenswerteste - meiner gesamten Truppe, war drauf und dran gewesen, die dekorativen Treppen ins Innere des Ladens noch vor mir zu erklimmen, als ich gerade dazu angesetzt hatte, das Auto zu verriegeln. Ein hörbar lautes, vielsagendes Knurren meinerseits ließ ihn inne halten und einen Schritt zurück machen. Ich wollte unter keinen Umständen riskieren, dass Hunter sich doch noch auf irgendeine Art und Weise von mir bedroht oder hintergangen fühlte, also hatte Vova gefälligst nicht vorzulaufen. Auch dann nicht, wenn es um potenziell leckeren Süßkram ging. Ich schob mich mit einem mahnenden Blick an ihm vorbei und bedeutete beiden meiner Jungs, hier draußen neben Hunters Gefolgschaft auf mich zu warten. Dann drehte ich mich in Richtung meines baldigen Gesprächspartners und signalisierte ihm mit einem kurzen Handzeichen, dass ich sofort bei ihm war. Vorher besorgte ich an der relativ rustikal wirkenden Auslage ein paar Kleinigkeiten, damit ich etwaige dumme, jedoch weniger ernst gemeinte Aussagen wie Ich hab so einen Hunger oder Nie bringst du uns was mit umging. Mit einem Fuß auf der obersten Treppe reichte ich nach der Bezahlung die Besorgung also an meine Männer nach draußen weiter und bedeutete ihnen, zu teilen, wenn auch Hunters Jungs etwas haben wollten. Ich ging davon aus, dass sie für gewöhnlich keine mitgebrachten Snacks von eventuellen Konkurrenten verspeisten, weil man nie wissen konnte, wer einem letztlich auf welch Wegen auch immer nach dem Leben trachten wollte, aber durch die Glasfront war deutlich zu sehen gewesen, dass ich auf dem Weg von der Kasse bis zum Ausgang das Zeug nicht mehr angefasst hatte. Wäre ich ja auch schön blöd, meine eigenen Männer gleich mit zu vergiften. Nachdem das erledigt war, widmete ich mich aber nun endlich dem geschäftlichen Teil der ganzen Sache hier, indem ich zu Hunter aufschloss und mich ihm gegenüber mit einem relativ neutralen Gesichtsausdruck auf dem freien Stuhl nieder ließ. Ein Nicken mit dem Kopf musste als Begrüßung reichen, lange Gespräche waren in der Regel sowieso nicht meins, da konnte man auf solch überflüssige Floskeln gerne verzichten. "Und? Hast du dich entschieden oder gibt es noch irgendwelche Fragen?", kam ich direkt auf den wichtigsten Punkt des Tages zu sprechen. Noch währenddessen versicherte ich mich, dass trotz meiner gesenkten Stimme nicht doch irgendwer in unmittelbarer Nähe auf uns aufmerksam werden könnte. Aber glücklicherweise war das Café um diese Uhrzeit noch nicht sonderlich gefüllt. Das würde sich aber gegen 16 Uhr zum traditionellen Kaffee und Kuchen wohl ändern.
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Ich hatte zugegeben ziemlich unruhig geschlafen. Konnte mich auch jetzt am Nachmittag noch immer nicht wirklich gut mit dem Gedanken anfreunden, gemeinsame Sache mit Jemandem in dieser Größenordnung zu machen - unabhängig davon mit wem. Ich hatte mich zwangsweise dann schon am späten Vormittag zusammen mit Sabin, Sydney, Ashton, Tauren und Cosma an einen Tisch gesetzt, um das Geschehene zu besprechen. Ashton war zum einen dabei, weil wir dafür sowieso bei ihm Zuhause auf dem Sofa Halt machten - deswegen auch Tauren - und zum Anderen, weil ich ihn als meine rechte Hand einfach schätzte wie keine andere Person. Er kannte meine Strategien besser als jeder andere, sah in vielerlei Hinsicht die gleichen Tücken und doch aber zeitweise andere, gute Ansätze zur Bewältigung jener. Sabin stand der Geschichte verhältnismäßig wenig kritisch gegenüber, weil er die Sache im Gegensatz zu mir nicht noch mehr hinterfragte, als unbedingt von Nöten war. Sydney äußerte sich dahingehend wie immer kaum und Cosma schien doch ziemlich begeistert davon zu sein, dass sie die Arschlöcher, die ihr die Bar genommen hatten, noch zu Gesicht kriegen würde. Auch redeten wir darüber, wie es danach eigentlich weitergehen sollte, denn eins war klar - auch, wenn wir die Italiener hier oben im Norden jetzt platt machen würden, kämen ein paar Wochen später einfach doppelt so viele nach wie vorher und dann waren wir wieder genauso am Arsch, wie wir es jetzt schon waren. Ich hasste den Gedanken meine Geschäfte und sicher auch einen Teil meiner Mannschaft hier oben zurückzulassen - weil sicher nicht alle gerne ihre Heimat verlassen wollten -, aber es bot sich nicht wirklich eine andere Option. Das Land zu verlassen war für uns ohne illegalen Flug nur ziemlich unmöglich, weil wir an jedem Flugplatz sofort eine Horde Bullen provoziert hätten. Das Kapern einer Maschine war auch mit viel zu vielen Haken verbunden und so kamen wir letzten Endes zu dem Entschluss das Angebot der Russin - über die ich mich inzwischen dann auch ein wenig mehr informiert hatte, zum Selbstschutz - anzunehmen und lediglich eine für uns relevante Floskel einzubauen, ohne die nichts laufen würde. Ich genehmigte mir wie so oft in den letzten Tagen eine Tasse Kaffee, auch wenn ich das sonst lediglich zu Hause tat oder mir nur unterwegs irgendwo einen mitnahm. Hatte kaum das erste Mal genippt, als meine Verhandlungspartnerin durch das Glas der Front in mein Sichtfeld rückte und beobachtete sie durchweg mit meinem wie so oft recht stechenden Blick, bis sie schließlich zu mir aufgeschlossen hatte. Ich schob die Kaffeetasse ein wenig zur Seite, damit ich mich mit den Unterarmen auf der Tischplatte abstützen und leicht nach vorn beugen konnte, um weniger laut reden zu müssen. "Fragen nicht direkt... es ist nur so, dass sich das Problem meines Klienten mit der Mafia nicht damit erledigt, wenn wir nur die paar Italiener kalt machen, die hier oben in Norwegen sind. Du weißt sicher so gut wie ich, dass sie eine Pest sind, die man nur schwer wieder loswird.", zeigte ich ihr grob mit ruhigem Ton auf, dass es für mich im Endeffekt keinen Unterschied machen würde, ob sie mir nun mit dem anwesenden Trio der Mafia half oder nicht, weil ich danach ganz einfach das selbe Problem wie vorher hätte. Ich mir damit höchstens ein paar Wochen Zeit erkaufen konnte und mir das aber nicht ausreichte, um mich auf einen Deal mit einer Person einzulassen, die ich kaum kannte. "Ohne eine kleine Bedingung ist das Ganze für mich nicht wirklich von Wert, weshalb ich vorschlagen würde, dass du mir und allen Leuten, die ich mitnehmen will, ein Ticket ins Ausland gibst.", sollte ja wirklich kein Problem sein, wenn sie ebenso fähig dazu war innerhalb weniger Tage eine halbe Armee nach hier oben einzufliegen. Dass ich nicht zum örtlichen Flughafen gehen konnte dürfte Vahagn klar sein. "Gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich.", fügte ich nach wenigen Sekunden noch ein paar Worte an, weil das aus meinem vorherigen Satz nicht hervorging. Das Geld dafür war vorhanden, daran sollte es nicht scheitern. Ich wollte eigentlich nur ihre feste Zusage dafür, dass sie das umsetzen würde.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Aha. Er war also einer von der Sorte, ich verstand schon. Diese ewigen 'Ich hätte da noch ein Anliegen'-Typen gingen mir bereits seit geraumer Zeit auf die Nerven und für gewöhnlich hatte ich mein Angebot in den meisten Fällen dann zurück gezogen, weil ich ganz einfach nicht blöd genug war, mehr zu leisten, als letzten Endes für mich dabei heraus sprang. Bei Hunter musste ich da aber wohl leider eine kleine Ausnahme machen, denn ich sah momentan keine andere Alternative, wer mir sonst bei der Suche nach Agnolo behilflich sein könnte und diese Erkenntnis ließ mich leicht angesäuert schnauben. Ich verschränkte die Arme nachdenklich vor der Brust, während ich mich auf dem Stuhl ein wenig zurück lehnte und gedanklich die Realisierbarkeit seiner Bitte abwägte. Lange brauchte ich dazu nicht, denn die Antwort lag bereits auf der Hand - die Frage war nur, ob ich das auch wollte. Schließlich flog sich so eine Maschine nicht von alleine und der Treibstoff war in den letzten Jahren auch nicht unbedingt kostengünstiger geworden, rein rechnerisch brachte mir das also überhaupt nichts. Das war allerdings mein Gedankengang, noch bevor Hunter ein paar überaus nett klingende Worte hinten dran hängte. Tja und was sollte ich sagen ... da hatte sich das Blatt sehr spontan noch einmal gewendet. Gegen Geld ging ich immerhin meinem ganz normalen Beruf nach und sah absolut keine Schwierigkeiten mehr, dem Deal auch mit dieser kleinen Ergänzung abzunicken. "Schön, von mir aus.", gab ich ihm also knapp zu verstehen, dass wir den imaginären Vertrag gerne um die gewünschte Klausel ergänzen konnten, wenn ihm diese so wichtig war. "Wenn ich dir und deiner Mannschaft also Flugtickets ins Ausland besorge, hilfst du mir dabei, Agnolo zu finden, hab ich das jetzt richtig verstanden?", wollte ich sicher gehen, dass der Deal nun tatsächlich unter Dach und Fach war. Halbe Sachen waren für mich nicht von Wert, ich brauchte klare Ansagen, ob ja oder nein. Dieses ganze drum herum geredete war mir ehrlich gesagt auch schon wieder viel zu langwierig. Aber das waren sie meistens immer. Lag wohl im Allgemeinen daran, dass ich kein besonders geduldiger Mensch war und Aktionen, wie Aussagen am besten schon vorgestern passiert waren. Auf der anderen Seite konnte ich allerdings vollkommen nachvollziehen, dass man sich mal eben so auf jemanden einließ, mit dem man nach einer Schießerei gerade mal drei Worte gewechselt hatte. Wie bereits erwähnt, war ich nicht auf den Kopf gefallen und hätte es dem Amerikaner vermutlich gleichgetan. Änderte aber trotzdem nichts an der Tatsache, dass ich das Scheiße fand, wenn man mich warten ließ. War einfach die feinste Sorte Doppelmoral, die man kriegen konnte - aber wen interessierte das schon. "Wenn dem so ist, würde ich vorschlagen, dass wir unsere Informationen erst einmal zusammen tragen. Vielleicht habt ihr etwas, das bei uns noch nicht auf dem Schirm war und umgekehrt.", schlug ich vor, als ich mich aus der gestreckten Haltung wieder ein Stück zu ihm nach vorne beugte, meine Stimme senkte. Das würde ich dann allerdings gerne woanders machen und nicht in einem restaurierten Café aus den Siebzigern. Barg einfach ein zu großes Risiko, von einem patrouillierenden Italiener entdeckt zu werden. Alles in Allem war die Glasfront aber ohnehin ein wenig unglücklich, sah man doch auch die letzte Ecke dadurch relativ gut, aber nun. Wir hatten ja verhältnismäßig viel Schutz, der uns im Fall der Fälle von draußen warnen konnte, noch bevor wir in ernsteren Schwierigkeiten steckten.
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Erst war ihr Gesichtsausdruck doch ziemlich grimmig, aber letztlich schien sie mit dem kleinen Extra im verbalen Vertrag kein Problem zu haben. Willigte ein den Flug nach wohin auch immer zu organisieren und meiner Gefolgschaft damit die Möglichkeit zu geben, wieder sowas wie ein Leben zu führen. Allen voran Sabin, dessen Gesicht den Italienern wohl für immer ein Dorn im Auge sein würde. Andererseits musste man es ihm wohl auch irgendwie hoch anrechnen, dass er es überhaupt schon so lange überlebt hatte die Idioten verraten zu haben... wobei sich an diesem Punkt wohl die Geister darüber schieden, wer von beiden Parteien mehr Idiot war. Es war jetzt, wie es war und so langsam schien sich ein brauchbarer Ausweg aus dem ganzen Dilemma zu bilden. Ihre Worte nickte ich demnach deutlich sichtbar ab. "Korrekt.", unterstrich ich meine vorherige Geste zur Sicherheit noch mit einem unmissverständlichen Wort, das allein schon vollkommen ausreichte. Bei dem Deal sprang dann langfristig auch etwas für mich heraus und sofern Vahagn sich dann auch zukünftig wirklich an ihr Wort hielt, sah ich keine Probleme zwischen uns. Sicher sein konnte ich mir damit aber wohl erst dann, wenn wir die ganze Scheiße final hinter uns gebracht hatten. Ihr noch folgender Vorschlag machte nichts als Sinn, weil es ganz einfach unumgänglich war die jeweils andere Partei dahingehend auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen, wenn wir so schnell und gezielt wie möglich vorgehen wollten. Je schneller, desto besser. Ich für meinen Teil hatte die Schnauze sowieso schon ewig gestrichen voll, was das italienische Pack betraf. "Klingt vernünftig.", soweit man das Pläne für Morde schmieden eben als solches bezeichnen konnte. "Dann würde ich sagen wir treffen uns in einem meiner Bunker etwas außerhalb. Nehmt die Kampen-Straße aus der Stadt raus. Circa zwei Kilometer nachdem ihr die Waldgrenze passiert habt ist rechts ein Schotterweg, dem dann einfach bis ans Ende folgen.", nannte ich der jungen Frau die kaum zu verfehlende Route zu meinem Bunker, der seit dem letzten Einlagern von Gütern keine Menschenseele mehr gesehen haben dürfte. War eher so ein Notfall-Stützpunkt, der sonst nur zeitweise als Außenlager fungierte. "Euch wird da Niemand erwarten. Ich muss auf dem Hinweg noch... meinen Klienten einsammeln. Er weiß hier und da mehr über die Mafia als ich und könnte nützlich sein.", redete ich weiter um Sabins eigentlichen Namen herum, weil er mich darum gebeten hatte ihn vorerst noch die Schweiz zu nennen, solange er noch nicht selbst involviert war. Also war er in diesem Moment nicht mehr als mein Kunde. Aber er könnte uns behilflich sein - er kannte ihre Schemen, ihre Muster, ihre Vorgehensweisen. Das hatte mir schon ein oder zwei Mal den Arsch gerettet und könnte mit Vahagns Informationen zusammen womöglich essentiell sein. Es würde ja schon reichen, wenn sich das Gebiet, in dem sie sich potenziell aufhielten, ein bisschen eingrenzen ließ. Ich hatte dem Ganzen jetzt auch nicht mehr wirklich etwas hinzuzufügen, weshalb ich mich zurücklehnte und die zweite Hälfte des Kaffees ziemlich bald den Weg meine Kehle hinab fand. Gab schließlich keine Zeit zu verlieren, erst Recht nicht wenn ich noch den Umweg über Ashtons Heim machte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Schön, dann hatten wir immerhin das schon mal geklärt und ich konnte mich künftig wohl über Unterstützung bei der Suche nach den italienischen Vollidioten freuen. Feine Sache, gefiel mir ganz gut, denn die Wahrscheinlichkeit, sie mit der Masse an Handlangern endlich ausfindig zu machen war doch relativ hoch. Mal ganz absehen davon, dass ich mir auch den Heimvorteil von Hunter und seiner Mannschaft zunutze machen konnte, was die Koordination von Patrouillen in ausgewählten Seitengassen oder nahe beliebten Hotspots anging. Alles in Allem konnten bis jetzt beide Seiten von einer Kooperation ausschließlich profitieren, was in meinen Augen den Weg in Richtung guter Zusammenarbeit ebnete. Was den Austausch unserer bisher gesammelten Informationen anging, war Hunter so nett, direkt einen etwas diskreteren Ort zur weiteren Lagebesprechung vorzuschlagen, was ich erneut mit einem deutlich sichtbaren Kopfnicken quittierte. Zwar war mir die Sache mit dem Klienten, von dem er jetzt schon des Öfteren gesprochen hatte, irgendwie nicht ganz koscher, aber gut. Er war ja wohl intelligent genug, zu wissen, dass ich mindestens die zwei Schränke vor der Tür mitbringen würde. Auf komische Gedanken sollte er also besser nicht kommen. Ich war außerdem am Überlegen, Mario - unseren einzigen Russen mit klassisch italienischem Namen - einzusammeln, denn dieser brachte das technische Know-How mit, wenn es um Überwachungskameras und Tonbandaufnahmen ging. Just in case, vielleicht hatte er ja ein paar interessante Aufnahmen, die nützlich sein könnten. Eventuell sah Hunter oder sein Klient darauf Hinweise, die uns als quasi Außenstehende nicht einleuchteten. Konnte ja sein. "Werd' wohl auch noch schnell jemanden einsammeln, der sich seit unserer Ankunft mit den Überwachungskameras hier in Oslo beschäftigt hat. Vielleicht finden wir in der ein oder anderen Aufnahme Hinweise, die uns weiter bringen.", setzte ich Hunter darüber in Kenntnis, dass auch ich nicht binnen der nächsten zwanzig Minuten am Treffpunkt aufschlagen, sondern ebenfalls ein paar Minuten länger brauchen würde. Dann wischte ich mir kurz etwas angestrengt über das Gesicht, seufzte und stand dann vom Stuhl auf. Für mich war das Gespräch an der Stelle nämlich beendet und weil ich neben so viel anderem Kleinscheiß auch das Verschwenden von Zeit nicht mochte, würde ich mich jetzt auf den Weg machen. Unseren symbolischen Pastafresser einsacken und mich dann auf die Suche nach dem verlassenen Bunker des Amerikaners machen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
An sich verlief auch der weitere Nachmittag recht ruhig. Hier und da eckten Vahagn und ich auch weiterhin etwas miteinander an, was Sabin wiederum ab und an leise Seufzen ließ. Zwar sprang sie mir nicht an die Gurgel, wie Cosma das früher immer getan hatte, aber es würde wohl nie einfach für zwei Personen mit viel Autorität und unserem Temperament sein, sich auf Irgendwas gänzlich reibungslos einzulassen. War sicher auch nicht unbedingt von Vorteil, dass ihre Zündschnur nicht wirklich länger zu sein schien als meine eigene, was mich zwei oder drei Mal etwas tiefer durchatmen ließ. Solange wir uns in dieser Angelegenheit noch brauchten durften schließlich keine Köpfe rollen. Auch, wenn ich es mir wie so oft nur ungern eingestand, war es in dieser Hinsicht auch mehrfach von Vorteil, dass Sabin sich mit Informationen oder Ideen einklinkte, um uns beide damit zu unterbrechen und wieder runterkommen zu lassen. Also nicht unterbrechen im Sinne von ins Wort fallen, weil er dazu wohl viel zu gut erzogen und zu beherrscht war, aber er nahm dem Rest der Anwesenden damit ab und zu etwas den Wind aus den Segeln. Es war gut, dass Vahagn aus einem der Brandstifter herausbekommen hatte, dass er vermutete die Köpfe der Organisation würden sich einem Hotel im östlichen Teil der Stadt befinden. Nur mit Sicherheit wissen tat er das nicht, was wiederum ungünstig war. Die Videoaufnahmen bestätigten zwar, dass Agnolo sich in jener Ecke der Stadt mal aufgehalten hatte, viel mehr dann aber auch nicht. Sabin konnte die Sache noch etwas eindämmen, aber es waren trotzdem noch viel zu viele Hotels, die zur Auswahl standen. Mir persönlich war zwar reichlich egal, ob Richard inzwischen noch unter den Lebenden weilte oder nicht, aber Cosma nicht und zugegeben gefiel mir auch der Gedanke ganz gut, dass er danach eindeutig sowas von in meiner Schuld stand. Es gab jetzt alles in allem am besten nicht unnötig Zeit zu verlieren, deshalb fiel mein Gedanke schließlich auf Tauren. Wir hatten uns zwar bis jetzt noch nicht wirklich ausgesprochen, auch noch nicht darüber geredet wo er festgehalten worden war, aber er war auch schlichtweg nach wie vor total am Arsch. Schaffte kurze Strecken laut Sabin zwar wieder allein zu Fuß, verbrachte sonst aber so viel Zeit wie nur möglich mit Schlaf auf dem Sofa. Auch schmeckte es mir so gar nicht, dass er nach wie vor die Pillen gegen die Schmerzen nahm und letztere augenscheinlich seine Zunge lockerten, aber er war gerade eine verdammt gute Option auf einen weiteren Hinweis. Vielleicht waren ihm irgendwelche Kleinigkeiten während seinem Aufenthalt bei den Italienern aufgefallen, die uns den entscheidenden Hinweis geben konnten. Mit einem inneren Zähneknirschen schlug ich also vor noch weiter zu Tauren zu fahren, um dahingehend Gewissheit zu haben. Ich konnte Ashton ansehen, dass er es absolut nicht ausstehen konnte die Russen mit in sein Heim zu lassen, während wir einen etwas längeren Blick austauschten, aber er gab sich letztlich mit einem Augenrollen geschlagen und sprach wieder irgendwo im Hintergrund des Raumes mit Michael. Gesagt, getan - ein paar Minuten nach 18 Uhr kamen wir nach einem langen, zeitweise anstrengenden Gespräch schließlich an Ashtons modernem Bungalow an, wobei er logischerweise voraus ging. Beim Betreten des Hauses sämtliche Eindringlinge noch mit einem grimmigen, mahnenden Blick bedachte und uns dann herein ließ. Ich konnte ihn ja verstehen, würde ich die Bande hier ganz sicher auch nicht bei mir Zuhause haben wollen, er ging damit schon ein ziemliches Risiko ein. Ich ging zuerst an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo der Verletzte wenig überraschend auf dem Sofa vor sich hin döste. "Wach auf, Tauren.", weckte ich ihn mit ein paar recht eindringlichen Worten endgültig auf, woraufhin er sich zuerst ein wenig streckte, bevor er die Augen überhaupt aufmachte. "Nehm' ihn nicht zu ernst, falls er was Dummes sagt... er ist mit dem Schmerzmittel quasi auf Droge.", wollte ich den eventuell hereinbrechenden Umstand schon im Voraus ein bisschen mildern, richtete jene Worte inklusive vielsagendem Blick an Vahagn. Ich hoffte trotzdem inständig, dass der junge Mann weder ihr, noch mir selbst jetzt auf die Nerven ging, weil von letzteren für den heutigen Tag eigentlich schon keine mehr übrig waren.
Ich hasste es, wie müde ich die meiste Zeit des Tages über immer war, weil mein Körper sämtliche Energien für den Heilungsprozess aufzubrauchen schien. Mir zitterten hin und wieder noch immer die Hände, wenn ich sie zu lange hob und der Gang ins Bad war auch noch extrem wacklig, wurde immer nur mit Abstützen an Wänden und Gegenständen absolviert. Danach war ich dann meistens gleich wieder dermaßen erledigt, dass ich ins Land der Träume abdriftete und das war auch vor etwa einer halben Stunde der Fall gewesen. Ich hatte was gegessen, weil Sydney so nett gewesen war mir ein paar Brote ans Sofa zu bringen, war daraufhin nur noch kurz im Bad gewesen und hatte mich im Anschluss wieder auf die eigentlich ganz bequeme Couch gepackt. Ich war zugegeben ganz froh darüber, jetzt bei Ashton und nicht bei den Anderen zu sein, weil es hier langfristig einfach wesentlich ruhiger war. Mir Niemand auf die Nerven ging und ich nur selten mal aufwachte, weil sich Irgendwer im Haus bewegte oder zu mir kam. So auch jetzt - ich driftete aus dem Schlaf schon zurück ins Dösen, weil ich unterbewusst die Schritte und Stimmen an der Tür wahrnahm, aber richtig aufwachen tat ich davon ja doch nicht. Erst, als mir eine altbekannte Stimme ans Ohr drang verzog ich fast ein wenig genervt davon das Gesicht, kniff die Augen grummelnd zusammen und streckte mich erst ein bisschen, bevor ich letztlich mit einem leichten Gähnen aufsah. Dabei traf mich dann auch fast der Schlag, weshalb ich ziemlich verdutzt dreinschauen musste - ich hatte nicht mit so viel Besuch gerechnet und noch viel weniger mit unbekannten Gesichtern. Ich musterte jedes einzelne davon kurzzeitig, aber keiner von ihnen kam mir ansatzweise bekannt vor. Deshalb glitt mein Blick stattdessen auch zu Hunter, der die Allgemeinheit kurz vorher quasi vor mir gewarnt hatte. Mir war schon klar, dass er damit sicher auf unsere kleine Auseinandersetzung anspielte, die noch immer ziemlich ungeklärt im Raum stand. Aber für Irgendwas schien er mich gerade zu brauchen, weil ich mir anders ehrlich nicht erklären konnte, warum er hier mit fremder Mannschaft ankam. Für einen netten Plausch dürfte er weiterhin eher keine Zeit haben, würde mich zumindest wundern. "Ehm, Hi.", begrüßte ich die Allgemeinheit nach wie vor ziemlich verpennt und zu gleichen Teilen verwirrt über die Situation. "Mit wem hab ich die Ehre?", hakte ich nach, wer die Unbekannten denn jetzt eigentlich waren und richtete mich danach langsam ein wenig auf, um zumindest halbwegs aufrecht zu sitzen. Im Anschluss fuhr ich mir einmal kurz mit der rechten Hand durchs Haar, weil mich die losen Strähnen an der Stirn nervten. Auch zog ich die Decke ein wenig höher bis über meinen Bauch, weil das Leben für mich ohne Tshirt momentan einfacher war und es mich aber mit zu wenig Decke durchaus frösteln könnte. War an sich aber gut so, wenn ich nur die Jogginghose und Boxershorts zum Duschen loswerden musste und mich nicht auch noch umständlich aus dem Shirt rollen musste, was mit dem geschienten Arm allein so gut wie unmöglich war. Ich fragte die anderen einfach ungern um Hilfe, also machte ich es mir selbst so einfach wie irgend möglich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Je länger ich mich mit Hunter unterhielt, desto mehr konnte ich verstehen, warum man ihm eine kurze Zündschnur und das ungezügelte Temperament unterstellte. Zwischenzeitlich war es nur noch anstrengend gewesen, gegen ihn anreden zu müssen, aber ich war mir sicher, dass er es umgekehrt mindestens genau so schwer hatte. Ich würde schätzen, dass sich Anführer von Gruppierungen mit weit über fünfzig Mann charakterlich grundsätzlich ähnelten. Zumindest hatte ich noch niemanden gesehen, der es länger als ein paar Tage lebend an der Spitze ausgehalten hatte, wenn er nicht rigoros genug war, seine oder ihre - spielte in dem Fall nicht wirklich eine Rolle - Männer in die Schranken zu weisen. Als Resultat daraus tanzten einem die Handlanger so lange auf der Nase herum, bis gar nichts mehr lief und das Regime gestürzt wurde, weil ihnen langweilig wurde oder so, keine Ahnung. Jedenfalls gab es vielleicht verschiedene Erziehungsstile, mit denen man seine Leute abrichten konnten, damit sie eben nicht die Hand bissen, die sie bis dato gefüttert hat, aber zwei Eigenschaften waren in diesem Metier wohl unabdingbar, wenn man es nach ganz offen schaffen wollte: Durchsetzungsvermögen und Selbstvertrauen. Hatte man das nicht und wurde bereits von den kleinsten Nachreden verunsichert, sollte man am besten einfach akzeptieren, dass man auf ewig nur ein kleiner Fisch im sonst so weiten Ozean sein würde. Und das war im Gespräch mit Hunter der springende Punkt. Wie ich bereits erwartet hatte, waren auch bei dem Amerikaner beiden Eigenschaften besonders stark ausgeprägt und wenn zwei Sturköpfe dieser Art dann versuchten, auf einen gemeinsamen, grünen Zweig zu kommen, dann wurde das gerne mal zur Herausforderung. Aber dafür hatten wir ja unseren ganz exklusiven Konfliktlotsen - Hunters Klienten - der niemand anderes war, als Sabin. Ich hatte schon nicht schlecht gestaunt, ihn hier oben in Norwegen anzutreffen, weil sich in Italien ja quasi alles um sein Verschwinden gedreht hatte. Auf der anderen Seite erschloss sich mir jetzt auch endlich, was Agnolo und seine Sippschaft nach hier oben getrieben hatte. Der Verrat des Italieners war förmlich in allen Ecken von Palermo ein brandaktuelles Thema und es machte nur Sinn, dass die Stabsstelle auf der Suche nach ihm war, um ihn seiner gerechten - oder ungerechten, da schieden sich die Geister - Strafe zuzuführen. Aber gut, das ging mich persönlich nichts an. Zwar war der Hass gegen die Mafia durchaus präsent, aber er richtete sich nicht gegen Abtrünnige. Ich konnte es also problemlos mit meinem Gewissen vereinbaren, mehr oder weniger mit ihm zusammen zu arbeiten. Allerdings lief das gesamte Gespräch nicht unbedingt zufriedenstellend, was mich gegen Ende entnervt hatte seufzen lassen, aber Hunter schien noch eine weitere Idee in petto zu haben. Sabin konnte in Zusammenarbeit mit Mario zwar grob einschätzen, wo man das Trio ausfindig machen könnte, aber diese Informationen waren für ein Zugriff nicht genau genug. Wir hatten bei unserer Einreise nach Norwegen ebenfalls überlegt, ein Hotel zu buchen und daher wusste ich, wie viele es davon alleine in der Innenstadt Oslos gab. Bis man die alle abgeklappert hatte, wären Wochen vergangen und zum Bestechen der Empfangsleute, damit diese Informationen heraus rücken würden, hätte man zudem einen Haufen Kohle potenziell in den Sand setzen müssen. Also waren wir im Prinzip nicht sehr viel weiter, als Holovanov, Dmytro, Mario und ich dem Wagen des Amerikaners und seinem Anhang bis zum anderen Ende der Stadt folgten. Dort würde wohl ein weiterer Informant auf uns warten. Ob dieser mehr zu der ganzen Sache beisteuern konnte, als Sabin es bis jetzt getan hatte, stand allerdings auf einem anderen Blatt. Jedoch sah ich kein Problem, es nicht wenigstens zu versuchen. Es war ja nicht so, als hätten wir großherrlich eine andere Wahl. Entweder wir nahmen die kleinen, nicht unbedingt aussagekräftigen oder eben gar keine Informationen. Und da entschied ich mich doch lieber für ersteres. Nach einer etwa dreißig minütigen Fahrt kamen wir schließlich an dem verhältnismäßig schicken Bungalow an, in welchen wir ganz offensichtlich nur zähneknirschend herein gelassen wurden. Andere hätten sich an der Stelle vermutlich auf den Schlips getreten gefühlt, aber ich konnte Ashton - seinen Namen hatte ich beiläufig in einem Gespräch aufgefasst - absolut verstehen. Ich selbst hatte äußerst ungerne Russen bei mir Zuhause. Russen, die nicht zu meiner Mannschaft gehörten - verstand sich wohl von selbst. Die Nationalität war mit viel Schindluder behaftet und die negativen Berichte kamen schließlich nicht von irgendwoher. Aber gut, ob er sich jetzt darüber echauffierte, wenn wir für ein paar Minuten das Haus betraten oder nicht, sollte mir relativ egal sein. Ich wusste, weshalb ich hier war und der Grund war bestimmt nicht die teure Ledercouch oder der Rest seiner neumodernen Einrichtung. Ich hatte viel mehr Interesse an dem offensichtlich schwer verletzten jungen Mann, den Hunter direkt nach unserer Ankunft etwas unsanft aus dem Land der Träume gerissen hatte. Meine Augen ruhten auf dem sich streckenden, gähnenden Bündel voll blauer Flecken und Stichwunden, bis dieser sich nach einer - in meinen Augen viel zu langen - Zeit endlich aufsetzte und ansprechbar zu sein schien. Ich musterte ihn daraufhin kurzzeitig etwas eindringlicher. Er hatte einiges einstecken müssen, so viel war sicher, aber irgendwas ... störte mich an seinem Anblick. Es war jetzt nicht unbedingt das Äußere an sich, sondern viel mehr ... was machte ein so junger Mann, der rein optisch den perfekten Schwiegersohn mimte, unter Hunters Pantoffeln? Für ihn hätte das legale Leben mit Sicherheit mehr bereit gehalten, als diese Verstümmelungen, die er aktuell mit sich herum trug. Für gewöhnlich hielt ich mich ja mit dummen Kommentaren tunlichst zurück, weil ich es selber absolut nicht ausstehen, wenn man sich über mich oder mein Aussehen lustig machte, aber in dem Fall war meine Zunge wohl ausnahmsweise schneller als mein Hirn. "Wissen seine Eltern, dass du ihn für experimentelle Folter an die Italiener ausgeliehen hast?", stellte ich eine an Hunter gerichtete Frage, bei der ich einmal mehr der schwerwiegenden Akzent nicht verbergen konnte. Taurens Worte hatte ich indessen keiner Antwort gewürdigt, weil ich mich gerade ernsthaft vor den Kopf gestoßen fühlte. Ich hatte mit einem erwachsenden Mann gerechnet, der den Italienern entkommen war und nicht mit einem tätowierten Teenager. Dass der junge Mann sich in meiner Altersklasse befand, konnte ich schließlich nicht riechen und ich empfand das rasierte Gesicht mit der zerzausten Haaren schon als sehr kindlich. Einzig und alleine die Tattoos verrieten mir, dass er die zwanzig bereits geknackt haben musste.
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Ich zog die rechte Augenbraue nach oben. War das ihr Ernst? Ich meine, ich schluckte meinen Stolz ja wirklich oft runter. Sowohl gegenüber anderen Männern des Amerikaners, die in der Nahrungskette noch über mir standen, als auch bei Hunter selbst - den kleinen Ausrutscher von vor kurzem mal ausgenommen, aber da war ich auch einfach sauer gewesen. Kam bei mir so nicht oft vor, wenn ich ganz ehrlich war, weil ich einfach im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen in diesem Metier nicht humorbehindert und dauerhaft gereizt war. Es gab sicher nicht viele in Hunters Reihen, die unpassende Kommentare unkommentiert ließen und nicht sauer wurden. Ich grenzte mich normalerweise wirklich klar davon ab, weil ich Vieles mit nicht mehr als einem Augenrollen oder Abwinken hinnahm und darauf schiss. Aber in dem Fall hier kratzte sie damit wohl eine Narbe auf, die nie ganz verheilt war. Es hatte schon so seine Gründe, warum ich das Thema um meine Eltern herum für gewöhnlich gerne mied und ganz grundsätzlich auch nicht gut auf sie zu sprechen war. Wer wäre das schon, wenn sie einem im Grunde nicht weniger als die gesamte Kindheit versaut hatten? Hunter wusste davon und offenbar sah er das Unheil auch schon kommen, als er mit seinem Blick zwei Mal zwischen der Brünetten und mir hin und her schwenkte, weil sich mein Gesichtsausdruck verfinsterte. Das war wohl eines der wenigen Dinge, die ich mit dem Amerikaner teilte - miserable Kindheitsjahre. Zwar wusste ich nicht, was es bei ihm nun genau gewesen war und war mir irgendwie auch sicher, dass ich es wahrscheinlich gar nicht wissen wollte, aber es reichte schlichtweg auch vollkommen aus, dass er meine Geschichte kannte. Ich fühlte mich irgendwie sicherer damit nicht zu viel über ihn zu wissen. Es war wirklich genug, wenn das Bild meiner am Strick von der Decke hängenden Mutter vor meinem inneren Auge auftauchte, da brauchte ich mir sein Trauma nicht auch noch bildlich ausmalen. Das erste, was von mir zu hören war, war ein verächtliches Schnauben. "Klar, frag sie doch. Ich bin mir sicher, dass sie mittlerweile beide da oben sind, könnte also ein bisschen dauern bis du sie erreichst.", knurrte ich vor mich hin, warf dabei einen vielsagenden Blick nach oben in Richtung Decke, beziehungsweise Himmel. War womöglich aber ein Denkfehler, war ich mir doch sehr sicher damit, dass beide in der Hölle saßen. Ich war nicht gläubig, aber ich würde es vermutlich beiden gönnen, wenn sie da unten vor sich hin schmorten. Meiner Mutter ein bisschen weniger als meinem Vater, aber sie hätte mit ein bisschen Mut sowohl mich, als auch sich selbst vor dem Arschloch retten können. Im Grunde war sie also kein Stück besser und genauso wie mein Vater einfach nur ein massiver Grund dafür, warum ich Drogen nicht leiden konnte. Egal in welcher Form. "Wenn du nur hier bist, um mir respektlose Scheiße an den Kopf zu werfen und gleichzeitig aber nicht mal den Funken Anstand besitzt dich vorzustellen, dann benutz' die Tür jetzt bitte in die richtige Richtung.", vollendete ich meine grummlige Ansprache durchweg zynisch mit leicht verengten Augen, weil ich einfach keine Lust auf sowas hatte. Meine Tonlage blieb verhältnismäßig ruhig, aber es ging mir sowieso schon körperlich komplett beschissen, da wollte ich nicht auch noch irgendeine nörgelige - wenn auch gutaussehende - Ausländerin vor meinem - Ashtons - Sofa stehen haben, die mir auf die Nerven ging.
Ich seufzte schwer kaum war Tauren seine Worte losgeworden und sah Sabin, der unweit von mir stand, verständnislos mit dem Kopf schütteln, was sich sicher auf beide Parteien bezog. Zugegeben hätte die junge Frau wohl nur schwer noch passendere Worte dafür finden können, um eine Abneigung bei Tauren hervorzurufen. Dabei gab es allgemein nicht besonders viele Dinge, die ihm wirklich sauer aufstießen, wie mir gerade bewusst wurde. Wieder so eine Sache, von der ich mir nicht sicher war, ob sie bei seinem Job nun von Vorteil waren oder nicht, nahm er sich traumatische Sachen sicher eher zu Herzen als andere. Dann wiederum behielt er aber doch immer einen ziemlich kühlen Kopf, wenn seine Mitstreiter schon aufgekratzt und geladen waren. Es war also sehr situationsbedingt, ob man diese Eigenschaft nun gut heißen konnte oder nicht. Ich wusste auch ehrlich nicht, ob ich ihm diese patzige Antwort übel nehmen sollte, wo ich normalerweise im Grunde nie Zweifel an seinem Fehlverhalten hatte, wenn es vorhanden war. Er wusste, dass er Geschäftspartnern - wäre die Brünette keine davon, wäre sie logischerweise nicht hier - gegenüber nicht seine Stimme heben sollte, aber das war eben ein durchaus heikles und von mir verständliches Thema. Ich saß hier gerade also tatsächlich das erste Mal, seit ich Tauren und all seine kleinen Fehler kennen gelernt hatte, zwischen den Stühlen. "That escalated quickly.", stellte ich erstmal hochgradig ironisch an mich selbst gerichtet in meiner eigenen Landessprache fest, dass ich das zumindest nicht derart schnell hatte kommen sehen. Ich hatte zwar Schlimmes geahnt, aber nicht diese Punktladung der Russin. Glück oder Unglück, wie man es jetzt eben nahm. "Um dir erstmal deine Frage zu beantworten: Vahagn Gwinek, sie hilft uns mit den Italienern und danach aus dem Land raus, also pass gefälligst auf was du sagst.", gab ich ein paar hörbar mahnende Worte an Tauren ab, weil die Madame jene Frage ja nicht hatte beantworten wollen. Der junge Mann dürfte so ziemlich Alles, was ich vorher mit den Anderen in der Küche am Tisch beredet hatte, hier im Wohnzimmer verpennt haben. Allerdings war es mir eigentlich ohnehin lieber, wenn er nicht zu viel über die Sache wusste, wo wir wieder bei dem mangelnden Vertrauen waren. "Und um deine Frage zu beantworten: Er ist 25, seit ungefähr eineinhalb Jahren bei mir und weiß dir durchaus die Kehle aufzuschlitzen, wenn's sein muss. Wenn sogar ich ihn mit seinem Gesicht respektieren kann, solltest du das auch hinkriegen.", versuchte ich durchaus mit meiner Stimme einen Gang höher schaltend zumindest einen Teil der Unklarheiten und etwas zu provokanten Worten auf beiden Seiten beizulegen, weil ich nicht hergekommen war, um mich schon wieder zu streiten. Mir hatten schon die letzten paar Stunden an anstrengender Diskussion gereicht, da brauchte das jetzt nicht noch ewig so weiter zu gehen. Die noch anstehende Nacht würde durch bereits zum Zerreißen gespannte Nerven kaum einfacher werden. Ich hoffte also für alle Beteiligten, dass es im Bereich des Möglichen war, dass wir fünf Minuten lang zumindest fast normal miteinander redeten. Viel länger würde es den jungen Mann doch kaum brauchen, um uns eine Antwort zu geben, sofern er sich an irgendwas Brauchbares erinnerte. Aber so wie ich das sah stand vorher erstmal eine komplett unnötige Diskussion auf dem Speiseplan, weil ich nicht glaubte, dass Taurens Kommentar Vahagn schmecken würde. Beruhte ziemlich sicher auf Gegenseitigkeit.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh je, war da etwa jemand sensibel? Ich hatte nämlich nicht damit gerechnet, dass sich Tauren durch eine solche Belanglosigkeit bereits auf den Schlips getreten fühlte, aber seinem Wortlaut war zu entnehmen, dass ich mit meiner Stichelei wohl einen etwas tieferen, wunden Punkt getroffen hatte. Tat mir ja fast ein wenig Leid für ihn, aber dann erinnerte ich mich wieder daran, wie wenig mich die Vergangenheit der meisten Menschen interessierte und schon hatte ich mich wieder im Griff. Irgendwann wurde es einfach Zeit, gewisse Dinge auf sich beruhen zu lassen. Andernfalls würde es immer wieder zu Situationen wie diesen kommen und das würde ihm langfristig gesehen vermutlich den Kopf kosten. Nicht jeder war so nachsichtig wie ich und kommentierte seine freche Antwort - auf meine nicht weniger freche Frage - lediglich mit einem amüsierten Schmunzeln und einem "Beruhig dich, ich bin nicht hier, um mir deine Lebensgeschichte anzuhören." Ich würde schätzen, dass mein Bruder ihn dafür bereits am Hoden vom Dach eines Hochhauses hätte baumeln lassen, aber der Typ hatte ohnehin Lack gesoffen oder ein bisschen zu viel Klebstoff geschnüffelt - vielleicht auch beides. Bevor ich allerdings weiter reden konnte, grätschte mir Hunter mit ein paar mahnenden Worten an seinen Handlanger und einer unterschwelligen Drohen - mehr jedoch einem Hinweis - an mich gerichtet dazwischen. Ich lauschte den Worten, ohne dabei meine Miene zu verziehen, lediglich das Grinsen wollte sich irgendwie nicht mehr von den Lippen wischen lassen. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich die ganze Situation gerade wirklich unterhaltsam fand, aber ich hatte ohnehin einen recht schrägen Sinn für Humor, der leider nur äußerst selten geteilt wurde. Ich wollte gerade zu ein paar weiteren, nicht unbedingt netten Worten ansetzen, da legte mir Dmytro beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Ich grummelte, wirkte allgemein eher unzufrieden, als ich ein russisches 'Schon gut' in seine Richtung murmelte. Ich besann mich also eines besseren, würde nicht weiter auf der verletzlichen Seele des malträtierten Norwegers herum trampeln und stattdessen auf den Grund unseren Besuches zu sprechen kommen. Wobei ... einen kleinen Widerspruch musste ich vorab trotzdem einlegen, weil ich die Tatsache nicht unbeantwortet im Raum stehen lassen konnte. "Der gute Umgang mit dem Messer scheint ihm bei den Italienern nicht viel geholfen zu haben, aber ich behalte es auf jeden Fall im Hinterkopf.", gab ich Hunter recht trocken zu verstehen, dass ich vor Tauren, wie auch vor dem Rest seiner Belegschaft keine Angst hatte und er mich mit solchen Aussagen überhaupt nicht beeindruckte. Umgekehrt hätte er sicher auch keine Probleme damit, meinen Männern eins reinzuwürgen, wenn ihm der Sinn stand. Galt also, wie immer, gleiches Recht für alle. Da mir allerdings klar war, dass wir so keinen Meter weiter kamen, wollte ich bei folgenden Aussagen auf dumme Bemerkungen verzichten. Klappte allerdings nur semi optimal, wenn man mich fragte. "Wie auch immer. Jedenfalls bin ich nicht herkommen, um mir von irgendwem die Kehle aufschlitzen zu lassen oder mir Geschichten aus der Vergangenheit anzuhören. Da dir Anstand anscheinend sehr wichtig ist, stelle ich mich dir natürlich gerne auch noch mal persönlich vor.", eine Hand voll Leute, die sich mit Ironie und Sarkasmus ihren Tag versüßten und anderen Leuten bewusst auf der Nase herumtanzten hätten jetzt vermutlich ganz überschwänglich zu einer Armbewegung ausgeholt, eine Pirouette gedreht und wären vor Tauren auf die Knie gefallen, um ihren Worten Ausdruck zu verleihen. Ich jedoch sprach weiterhin nur sehr monoton, als würde es mich fast nerven, Hunters Erklärung noch einmal mit eigenen Worten wiederzugeben. "Mein Name ist Vahagn Gniwek, meine Männer und ich unterhalten ein Geschäft in Palermo und sind ebenso wie ihr hier oben auf der Suche nach Agnolo. Hunter hat uns erzählt, dass du bereits Bekanntschaft mit ihm gemacht hast und wir würden gerne wissen, ob du uns zu dem Ort, an dem sie dich gefangen gehalten haben, irgendetwas sagen kannst.", brachte ich die Sache abschließend auf den Punkt, während mein Blick weiterhin auf dem grün-blau geschlagenem Gesicht lag, welches ohne die Verletzungen sicherlich niedlich anzusehen gewesen wäre. So allerdings glich sein Abbild eher einem Unfall und da griff das Prinzip, dass man einfach hinsehen musste, selbst wenn man es eigentlich gar nicht wollte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Darum ging's mir überhaupt nicht, das war nicht der Punkt. Mein Standpunkt war eher, dass sie meinen Männern - auch dann nicht, wenn sie nur Tauren waren - nicht ans Bein zu pissen hatte, weil ich das bei ihren auch nicht tun würde. Allein schon deshalb, weil ich sie nicht kannte. Klar, wenn sie mir auf der Nase herumtanzen würden, dann schon. Aber wenn sie meine Männer nicht ernst nahm, nahm sie im Grunde auch mich nicht ernst. Ohne sie wäre ich schließlich nicht da, wo ich mich hingearbeitet hatte und wenn sie mit Respekt nichts am Hut haben wollte, konnte sie hier Kehrt machen, bevor wir auch nur Irgendwas zusammen durchzogen. Vermutlich machte mich dieser Kommentar wütender, als er sollte, aber da war Vahagn jetzt schlichtweg auch selbst Schuld. Wenn sie ihre Fresse nicht hielt, tat ich das genauso wenig. "Also nur, um das nochmal klar zu stellen, weil du das offenbar vorhin nicht kapiert hast - Tauren sollte sich kidnappen lassen. Ich will mal von dir sehen, wie du gefesselt an ein Messer kommst.", setzte ich erstmal an ihrer komplett hirnrissigen Aussage an, die so schlichtweg nicht stimmte und drehte mich dabei in ihre Richtung, ohne ihr jedoch näher zu kommen. Der jungen Frau zu drohen stand mir nicht im Sinn, ich wollte lediglich, dass sie mich bei den folgenden Worten ernst nahm. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass ich zeitnah mal dermaßen hinter dem Jüngling stehen würde, aber sie zog uns da gerade zu gleichen Teilen mit rein und das war ganz einfach nicht in Ordnung. Es gab Grenzen, die ich ganz klar zog und wenn sie jene nicht respektieren wollte, war die Sache hier für mich persönlich gestorben. Ich ging lieber drauf, als mir auf meinen Werten herumtrampeln zu lassen. "Und wenn du nicht hergekommen bist, um dich umlegen zu lassen, dann verhalte dich auch so. Es geht mir ganz einfach darum, dass du jeden einzelnen meiner Männer mit nicht weniger Respekt behandelst, als mich. Mir ist scheißegal, wie du mit deinem eigenen Fußvolk umgehst, aber wenn du meinen Männern ans Bein pisst, dann pisst du mir ans Bein. Mach ich bei deinen Leuten nicht und dieses Recht werde ich mir in der Zukunft genauso wenig einräumen wie du, verstanden? Kratz' ihm von mir aus die Augen aus, wenn dieser Deal vorbei ist, aber solange das hier läuft hast du dich mit sowas zurückzuhalten. Nimm die Sache ernst oder verzieh' dich.", machte ich der Brünetten mit unmissverständlichen Worten klar, dass sie so eine Scheiße zu lassen hatte. Ich sagte ihrem Handlanger schließlich auch nicht, dass sein Gesicht aussah wie frisch durch den Fleischwolf gedreht, nur um hier Irgendjemanden zu provozieren. Von mir aus konnte sie dem Verletzten alle auf dieser Erdkugel existierenden Beleidigungen an den Kopf knallen oder sich mit ihm prügeln, wenn sie uns final an der sicheren Endstation abgesetzt hatte, aber nicht eine Sekunde vorher. Zumindest nicht in meinem Beisein und schon gar nicht in Ashtons Heim, wobei letzterer auch zunehmend gereizt zu sein schien.
Konnte man jetzt vielleicht auch noch eine sympathische Person mit in den Raum schieben? Also eine, die auch etwas Nettes oder nicht passiv-aggressives sagte? Sabin war mir zwar für gewöhnlich schon ziemlich sympathisch und Ashton grundlegend auch, aber die hielten beide ganz gekonnt den Mund, weshalb sie hier und jetzt wohl nicht zählten. Wo war Cosma, wenn man sie brauchte? Wenn sie mit Hunter zusammen war - ja, ich erinnerte mich wieder an die Wangentätschlerei und fühlte mich mit meiner Vermutung daher extrem bestätigt - konnte sie von mir aus gern permanent mit ihm unterwegs sein, weil ich doch ziemlich das Gefühl hatte, dass er dann allgemein ruhiger war. Oder sich zumindest eben von ihr bei Seite nehmen ließ, wenn es kritisch wurde. Zugegeben hätte ich mir im ersten Moment gerne die Decke über den Kopf gezogen, als Hunter erneut den Mund aufmachte, nachdem die nervige Alte - die wohl kaum älter sein dürfte als ich, aber ich fühlte mich gerade auch wirklich steinalt - sich komplett unnötig und für meinen Geschmack viel zu kalt noch ein weiteres Mal vorstellte. Ihre ganze Art war irgendwie so schrecklich provokant, dass man gar nicht anders konnte, als sie anzusehen. Ob man das jetzt positiv bewerten sollte blieb wohl Jedem selbst überlassen, aber Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte sie gut. Sah man auch an Hunter jetzt wieder hervorragend, der sein altbekanntes Temperament auspackte - eigentlich hatte ich auch eher damit gerechnet, dass der Amerikaner uns nochmal beidseitig eins reinwürgen würde. Vermutlich kam auch nur deswegen kein Kommentar mehr zu meiner Person, weil ich bis dato gar nicht nochmal zum Reden gekommen war. Es war in der ganzen Stadt kein Geheimnis, dass der viel tätowierte Mann großen Wert darauf legte, wie Andere mit uns umgingen. War ein Geschäftspartner der Meinung, dass er uns beleidigen oder demütigen konnte, nur weil Hunter nicht anwesend war und wir für sie welche Arbeiten auch immer erledigten, dann konnte der durchaus zügig mit einer Kugel im Kopf sterben, wenn er nicht alsbald zur Besinnung kam. Das war, wie er ein für seine Untergebenen im Prinzip ein relativ sicheres und angenehmes Arbeitsklima schaffte. Aber nachdem ich ihm neulich die Meinung gegeigt hatte, war ich mir eigentlich sicher gewesen, dass diese Regelung hier nicht griff und ich das in seinen Augen verdient hatte... wohl doch nicht. Merkwürdig. Steckte Cosma dahinter? Es herrschte ganz kurz Ruhe nach Hunters kurzzeitigem Ausraster - wobei das eigentlich die falsche Titulierung war, wo er doch weder handgreiflich wurde, noch so laut wurde wie sonst oft, sondern eher nur sehr eindringlich und beharrlich gereizt -, weshalb ich eigentlich zu einer Antwort auf das eigentliche Anliegen dieses Besuchs starten wollte. "Ich glaube ich könnte da was gesehen ha...", setzte ich an, aber Hunter hob ohne sich mir zuzuwenden die Hand, weshalb ich den Mund hielt, bevor er was für eine Antwort auch immer von dem Weibsbild bekommen hatte, weil ihm das augenscheinlich wichtig war. Wenn das so weiterging, dann waren wir erst morgen irgendwann fertig. Dachte Sabin wohl auch, der sich kopfschüttelnd umdrehte und einen Abstecher in die Küche machte. Für Bier oder Whiskey, nahm ich mal stark an. Wäre ich nicht schon drauf hätte ich ihn vermutlich gefragt, ob er mir was mitbringen wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mein Gott, man konnte aus einer Mücke auch einen Elefanten machen, wenn man das gerade so wollte. Für mich hatte sich die Sache dahingehend eigentlich erledigt gehabt, weil ich, wie gesagt, nicht hier war, um mich auf dem Niveau von Kindergartenkindern zu streiten. Mochte sein, dass ich mir meine Worte durchaus hätte sparen können, aber das war noch lange kein Grund, ein solches Fass aufzumachen. Keine Ahnung, welche komischen Filme die Norweger hier oben so schoben, aber ich war wirklich froh, bald wieder italienischen Boden unter meinen Füßen zu haben. Ich wieder Männer um mich herum hatte, die sich nicht durch unbedeutende Kleinigkeiten in ihrem Stolz verletzt sahen, das war ja nur noch nervig. Für mich im Übrigen auch Grund genug, mich meinen angespannten Kiefer mahlen zu lassen, als ich mich nach meinen letzten Worten an Tauren in Richtung Hunter drehte. "Dass man in solchen Situationen nur bedingt etwas mit einem Messer ausrichtet, ist mir durchaus bewusst.", setzte ich wie vermutlich den ganzen nachmittag über relativ trocken zu einer Antwort an, die Hunter im Moment weitaus wichtiger zu sein schien, als das er seinen Handlanger bezüglich der eigentlichen Zusammenkunft hier in Ashtons Haus zu Wort kommen ließ. "Es tut mir wirklich wahnsinnig Leid, dass mein russischer Humor bei euch Norwegern nicht ankommt, ich fand es eigentlich ganz witzig. Aber bitte, wenn ich hier gerade irgendwem ans Bein gepisst habe, möchte ich mich natürlich entschuldigen. Allen voran bei dir, Tauren.", redete ich weiter, ohne das sich mein Tonfall dabei groß veränderte. Meinte ich meine Entschuldigung ernst oder nicht? Tja, das oblag jetzt ganz der Auffassung des Amerikaners und eine konkrete Antwort auf diese Frage konnte wohl nur der liebe Gott geben. Jener, der den Menschen als Einziger nicht nur vor, sondern auch in den Kopf gucken konnte. Nicht einmal meine Mimik ließ konkrete Rückschlüsse darauf ziehen, was ich von der ganzen Geschichte hier hielt, weil mein Ausdruck über die Jahre hinweg einfach verloren gegangen war. War einfach deutlich angenehmer, wenn man sich seinen Teil denken konnte und für den Gegenüber einfach nur grimmig drein blickte. Verschaffte nicht selten eine Menge Respekt und wirkte in Diskussionen wie jetzt teils deeskalierend, weil mir eigentlich nach Lachen zumute war. Das käme aber bei keinen der hier Anwesenden jetzt gut an, also mussten sie sich wohl mit den gesenkten Mundwinkeln und dem eiskalten Blick begnügen. "Ich würde dann gerne hören, was Tauren uns mitzuteilen hat, wenn die Sache so weit geklärt ist.", war das das Letzte, was ich zu der ganzen Sache noch zu sagen hatte, weil mir der ganze Aufriss um Respekt ihm oder seinen Männern gegenüber einfach viel zu bunt wurde. Nicht zuletzt, weil er Recht hatte mit dem, was er sagte. Aber in meinen Augen konnte man dahingehend auch päpstlicher als der Papst sein. Meine Aussagen mochten frech gewesen sein, aber ich hatte hier niemandem den Tod oder dergleichen gewünscht. Auch habe ich nie wirklich ernst gemeint an den kämpferischen Fähigkeiten seiner Männer gezweifelt. Er sollte also doch bitte die Kirche im Dorf lassen und nicht alles auf die Goldwaage legen, nur weil ihm der Umgangston nicht in den Kram passte. Mir waren seine Aussagen bei der vorangegangenen Lagebesprechung auch nicht immer nett genug formuliert gewesen und trotzdem machte ich nicht so ein Fass auf.
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Na also, ging doch. Es wirkte schon ein wenig so, als würde es Vahagn nach wie vor etwas schwer fallen mit dem nötigen Ernst an die ganze Sache heranzugehen, aber das war im Grunde egal. Solange sie sich an das hielt, was ich ihr gerade eben gesagt hatte, konnte sie von mir aus hinter meinem Rücken mit ihren Männern über meine gesamte Mannschaft herziehen, wenn ihr so sehr der Sinn danach stand. Wenn das ihre verkrüppelte Wahrnehmung dazu brachte sich besser zu fühlen, dann sollte sie das machen. Aber Gnade ihr jeder imaginäre Gott dieser Welt, wenn ich auch nur ein einziges Sterbenswörtchen davon mitbekam. Ich nahm das Ganze im Gegensatz zu ihr nicht auf die leichte Schulter und das würde ich auch nie. Ich zweifelte durchaus auch an der Aufrichtigkeit ihrer Entschuldigung, aber in diesem Moment war es für mich auch eher ihr Wille zum Einlenken, der zählte. Dass sie mich schlichtweg mit meinen Richtwerten ernst nahm, weil wir sonst nie im Leben auf einen grünen Zweig kommen würden. Ich hatte bekommen, was ich von ihr gewollt hatte und die mehr oder weniger ernst gemeinte Entschuldigung an Tauren war mehr nur noch ein passabler Bonus dazu. Ganz bewusst verkniff ich mir ein 'geht doch', weil ich kein großes Interesse daran hatte das Gespräch gleich von Neuem wieder anzustacheln. Stattdessen nahm ich Vahagns Worte mit einem deutlich sichtbaren Nicken zur Kenntnis und drehte mich dann langsam wieder zu meiner vorherigen Position um, damit ich Tauren bei seinen folgenden Worten im Blick hatte. Kurzzeitig schweifte mein Blick noch zu Ashton und Sabin, wobei letzterer dem Hausinhaber offenbar gleich aus weiser Voraussicht ein Bier mitgebracht hatte. Sollten sie ihre Nerven gerne damit beruhigen, solange meine rechte Hand es mit dem Alkohol nicht übertrieb. Schließlich würde die folgende Nacht vermutlich eine anstrengende werden und er sollte dementsprechend fit sein, weil er sonst der nächste wäre, dem ich die Leviten lesen würde. Aber ich ging nicht davon aus, dass es dazu kam, weil er zwar durchaus hin und wieder mal eine Nase zog, aber nie wenn er wusste, dass ich ihn brauchte. Deshalb lag meine volle Aufmerksamkeit auf dem Invaliden auf der Couch, der sich nun zu Wort melden wollte - und auch durfte. Er sollte mich mit seinen Worten auch keinesfalls bereuen lassen, dass ich hergekommen war.
Ich war wirklich gespannt darauf, was die Brünette darauf nun erwidern würde und war auch nicht gerade enttäuscht. Es ließ sich sehr sicher darüber streiten, ob sie für eine ernsthafte Entschuldigung bereits war, aber ich hatte unabhängig davon sowieso gar nicht mit einer gerechnet. Dahingehend nahm ich sie also einfach so hin, wie sie kam und nickte ein klein wenig. Trotzdem wartete ich lieber noch auf Hunters indirektes und mit seinem Blick doch irgendwie offizielles 'Go' für die eigentlich wichtige Sache dieses Treffens. Es war nämlich nicht so, als könnte ich dazu nicht etwas beitragen. Zwar musste ich so ehrlich sein, dass ich keinen Schimmer davon hatte, wie das Hotel, das Casino, der Stripclub oder was auch immer hieß, aber ich erinnerte mich noch genau an die Form und Farbsetzung des Logos. Die Schrift war auf diese Distanz zu klein gewesen, als dass ich sie hätte lesen können und außerdem war mir auch immer wieder absolut schwindelig von all den Schlägen gewesen, weshalb die Sicht doch oft ein wenig schwummrig gewesen war. Nichts desto trotz war ich mir recht sicher, dass ich helfen konnte. "Agnolo hat sich die Hände immer an einem Handtuch abgewischt... da auf dem Zettel war ein überwiegend rotes Logo. Lesen konnte ich das nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich's wiedererkennen würde.", eröffnete ich mit einem leichten Nicken allen Anwesenden, dass das womöglich tatsächlich der Schlüssel sein konnte. Sabin kam auch ohne große Umschweife zu mir rüber, tippte noch währenddessen auf seinem Handy herum und nippte beiläufig an der Bierflasche. Warum er das tat wurde mir klar, als er mir schließlich das Telefon vor die Nase hielt. Das erste Logo, das vor meinen Augen auf dem Display auftauchte, war zwar rot, aber nicht das richtige. Die Form passte kein bisschen, außerdem fehlte der kleine grüne Akzent. Er nahm nach meinem Kopfschütteln das Handy also nochmal weg und switchte weiter, weil er offenbar schon Sowas wie eine geistige - oder schriftlich auf seinem Handy notierte - Liste an zur Auswahl stehenden Örtlichkeiten hatte. Auch das zweite sollte es noch nicht sein, da war viel zu viel Schwarz mit drin. Also ein knappes "Das auch nicht." von mir, dann suchte er das nächste Logo mit der Farbe Rot für mich heraus und landete damit dann den eindeutigen Treffer. Ich hatte nicht den leisesten Zweifel daran, dass es das richtige war. Der rund geschwungene, rote Rand und die weiße Schrift im Vordergrund waren für mich unverkennbar. Hatte ich zu oft sehen müssen, der Italiener hatte schließlich nicht selten Blut an seinen Händen gehabt. "Das ist es, kein Zweifel.", beendete ich meinen etwa fünf Sekunden lang anhaltenden, starren Blick auf das Display von Sabins Handy schließlich mit ein paar bestätigenden Worten. Daraufhin nahm der Italiener das Mobiltelefon weg und hielt es stattdessen den beiden wichtigsten Strippenziehern vor die Nase. Und jetzt sollte Hunter nochmal sagen, dass ich zu nichts Nutze war. Von jetzt an würde er, sollte er das nochmal machen, immer genau dieses Beispiel hier von mir serviert kriegen. Mit Sahnehaube und Kirsche obendrauf. Zwei Kirschen... und einem knusprigen, zweifarbigen Keksröllchen.
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Na wenigstens schien sich die Sache damit immerhin erledigt zu haben. Hunter wäre ja durchaus zuzutrauen gewesen, dass ihm meine indirekte Entschuldigung - eine direkt würde er wohl in diesem Leben nicht mehr von mir hören - als solches nicht ausreichte und spätestens, wenn er dahingehend noch einmal etwas losgeworden wäre, hätte ich auf dem Absatz Kehrt gemacht und die ganze Scheiße doch alleine erledigt. Für so einen Mist hatte ich nämlich schlicht und ergreifend weder die Zeit, noch die Lust. Aber gut, das Thema war vom Tisch und wir konnten uns tatsächlich mal so etwas wie ernsteren Dingen widmen, als es irgendwelche Regeln oder Prinzipien meiner Meinung nach gerade waren. Der Amerikaner wandte sich wieder in Richtung seines Schoßhundes, was ich ihm wenig später gleich tat, um Taurens Worten meine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Denn tatsächlich schien sich der junge Mann an ein wichtiges Detail aus seiner Gefangenschaft bei den Italienern zu erinnern, was uns ins Kombination mit Sabins schnellen Internet Recherchen sehr bald ein brauchbares Ergebnis liefern sollte. Ich staunte nicht schlecht, dass Tauren sich trotz der etlichen Schläge, die er hatte einstecken müssen, tatsächlich an überhaupt irgendwas erinnern konnte und dann auch noch an ein so unscheinbares Detail. Würde ich so zwar nie offen zugeben, aber: Hut ab. Der einzige, nicht gehasste Italiener hier in diesem Raum wandte sich nach den bestätigenden Worten des Norwegers von jenem ab, um das Display Hunter und mir vor die Nase zu halten. Ich besah es mir nur relativ kurz, weil ich damit wenig anfangen konnte, aber das temperamentvolle Energiebündel würde doch sicher wissen, um welches Hotel, welche Absteige im Allgemeinen es sich handelte und wo sich diese befand. Von mir gab es also nur ein Schulterzucken und ein Kopfnicken als Zeichen des Verständnis zur Antwort. "Musik in meinen Ohren. Ich nehme an, dass du weißt, zu welchem Schuppen das Logo gehört?", stellte ich eingangs erst einmal fest, dass es mich tatsächlich freute, wie sich die Geschichte hier langsam aber sicher in eine doch recht positive Richtung zu wenden schien. Zwar war mit der Information noch lange nichts in Stein gemeißelt - denn prinzipiell konnten die Italiener schon wieder lange woanders sein -, aber es war ein guter Anfang. Stellte sich im Endeffekt dann nur die Frage, wie genau man das Trio jetzt dingfest machte, aber primär mussten wir sowieso erstmal heraus finden, ob sie sich denn überhaupt noch in diesem Hotel aufhielten. Mit einem Dank an Tauren hatte ich mich bis dahin noch zurück gehalten, hielt es aber schließlich doch für angebracht, ihm zumindest mit ein paar wenigen Worten sein Ego zu streicheln. Deswegen drehte ich den Kopf, welchen ich bei meiner gemurmelten Aussage in Richtung Hunter gedreht hatte, wieder zurück und ließ meinen mittlerweile wieder recht ruhigen Blick in den Augen des Norwegers ruhen. "Respekt, dass du dich daran noch erinnern kannst.", äußerte ich ein wenig trocken, wobei ich jedes einzelne Wort vollkommen Ernst meinte. Entscheidende Hinweise waren schließlich gerne gesehen und wenn man dafür durch die Hölle gegangen war umso mehr. So viel zum Thema, dass ich mich über seine Männer lustig machen oder sie nicht ernst nehmen würde. Ja ja - Vollidiot.
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Ich hatte Taurens Worten aufmerksam gelauscht und sah bereits vor dem Erkennen des Logos einen recht großen Hoffnungsschimmer. Bis dahin war zwar noch nicht in trockenen Tüchern, aber selbst, wenn er hier jetzt kein Logo erkannt hätte, dann hätte ich ihn eben auf den Beifahrersitz gepackt und wäre so lange zu sämtlichen Übernachtungs- und Unterhaltungsgebäuden der Stadt gefahren, bis ihm die korrekte Leuchtreklame ins Auge sprang. Aber das erledigte sich glücklicherweise schon hier, weil Sabin Initiative ergriff und dem jungen Mann mehrere Logos auftischte. Es sollte auch nach zwei oder drei Minuten das Richtige dabei sein, was meine Laune gleich ein ganzes Stück weit anhob. Mein Gesichtsausdruck wechselte von eher finster zu fast neutral, als ich schließlich das Design zu Gesicht bekam. Ich sagte erst einmal Nichts dazu, weil ich nachdachte und wurde dabei nur von Vahagn unterbrochen. "Leider ja.", bestätigte ich ihre Vermutung erst einmal leicht gemurmelt, während mein Blick aber noch einen Moment lang auf dem Display ruhte. "Mit dem Hotel lagen wir schon richtig. Es hat aber ein recht großes Casino und auch eine Bar mit im Erdgeschoss. Securitys ohne Ende.", stellte ich also mit einem leisen, dahingehend etwas angesäuerten Seufzen fest und hob dann den Blick an, sah sie einen Moment lang direkt an. Wie schon öfter festgestellt war das italienische Trio leider nicht dumm. Es war vermutlich so gut wie unmöglich irgendwie rein zu kommen, ohne das prompt die Bullen gerufen wurden. Es war davon auszugehen, dass mehrere Wachleute der Mafiosi ebenfalls permanent herum stromerten, zumindest in den öffentlich zugänglichen Bereichen. Sobald der erste Schuss fiel waren noch parallel dazu postwendend die Bullen auf dem Weg. Ebenfalls keine schöne Angelegenheit, weil die nächste Polizeistation nicht besonders weit entfernt war. Zwar würde es sicher eine Weile dauern, bis dann auch aus den restlichen Teilen der Stadt genügend Cops angerollt waren, um uns überhaupt in Schach halten zu können, aber alles in allem dürfte das eine sehr heikle Angelegenheit werden, die mich sicher noch mehr Männer kosten würde. Gute, loyale Männer. "Außerdem ist die nächste Polizeistation maximal 5 Minuten weit weg, wenn überhaupt. Wir sollten also lieber nicht ohne guten Plan da reinmarschieren.", dämpfte ich meine eigene anfängliche Euphorie zwangsweise gleich wieder ein wenig, weil es ganz einfach schwieriger werden würde, als mir lieb war. Ich hatte auf ein stinknormales Hotel gehofft, das im Idealfall nicht quasi die Bullen auf dem Dach hocken hatte.
Ich musterte die Brünette erst einen Moment lang, als sie ihr Wort noch einmal an mich richtete. Versuchte in ihrem Gesicht irgendwelche Anzeichen dafür zu finden, dass sie das auch wieder nur so dahersagte. Ihr Tonfall unterschied sich ebenso wie ihr Gesichtsausdruck ein bisschen vom vorherigen, aber ich war trotzdem skeptisch. Immerhin hielt sie mich vermutlich nach wie vor für 12, also fiel mir kein plausibler Grund dafür ein, warum sie jetzt so... nett sein sollte, mir ihre wörtliche Anerkennung zukommen zu lassen. Aber gut, einem geschenkten Gaul schaute man bekanntlich lieber nicht ins Maul, weshalb ich nach ein paar Sekunden dann nickte und ein recht neutrales "Danke." darauf folgen ließ. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen in diesem Metier hatte ich zumindest ein paar Manieren und auch kein Problem damit, das hin und wieder mal durchscheinen zu lassen. Mein Blick wanderte dann aber zu Hunter, weil er eine Reihe von Punkten aufzählte, die so gar nicht angenehm klangen. Wie war ich eigentlich da rein gekommen? Ich glaubte kaum, dass die Italiener mich - mit dem elenden schwarzen Sack über dem Schädel und mit Tape geschlossenem Mund - einfach durch die Vordertür geschleppt hatten. Ich äußerte mich erst einmal nicht dazu und dachte ein wenig über den Hinweg nach. Sobald ich nach recht hektischer Fahrt aus dem Auto gezerrt wurde hatte Agnolo mit Irgendwem geredet. Auf italienisch, weil ich kein Wort verstanden hatte und sie komplett im Flow ihres Akzents gesprochen hatten. Das ließ mich wiederum darauf schließen, dass sie womöglich einen der Hinterausgänge nutzten, um mit Ware unbemerkt rein und wieder raus zu kommen. Sie schmierten ziemlich sicher Hotelpersonal oder hatten gar einen der Posten übernommen. "Sie haben mich definitiv durch einen der Hintereingänge geschleust... vielleicht in der Nähe des Casinos, ich hab die Spielautomaten gehört. Ich vermute mal, dass sie an dieser Tür selbst Jemanden haben. Klang sehr nach Italienisch.", versuchte ich noch weiter irgendwelche vielleicht in irgendeiner Hinsicht relevanten Kleinigkeiten beizusteuern. "Wenn ihr den vielleicht leise ausschaltet... und durch die Personalgänge so lange wie möglich bedeckt bleibt... naja, es könnte euch mit Glück ein paar Minuten einräumen, bevor der Mist richtig losgeht. Aber ab da kann ich nicht mehr helfen. Ich war ziemlich sicher irgendwo im Keller und glaube kaum, dass die Arschlöcher freiwillig da unten schlafen.", sagte ich mit einem schwachen Schulterzucken. Versuchte mich daraufhin noch fieberhaft an andere Details zu erinnern, aber es war schwierig. Ab der ersten Stunde Folter war Alles ziemlich wirr und schleierhaft.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ah, na das hörte sich ja vielversprechend an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es leicht werden würde, Agnolo samt Anhang ausfindig und unschädlich zu machen, aber mir dann auch noch eingestehen zu müssen, dass das Trio gar nicht mal so blöd war, wie erhofft, ließ mich erneut frustriert seufzen. Selbst mit ein paar geschmierten Italienern im Inneren des Hotels lag das Gebäude an sich bereits in einer so guten Gegend, dass es kaum noch weiteren Schutz der Mafiosi bedarf. Wenn man Hunter Glauben schenken konnte und das tat ich jetzt auf Grundlage dessen, dass er sich hier in Norwegen wie in seiner Westentasche auskannte, einfach mal, dann würde es bei einem Zugriff binnen weniger Minuten nur so vor Cops wimmeln. Auf der anderen Seite schien auch nett und freundlich einen ganz normalen Gast zu mimen keine Lösung zu sein, denn entweder nahmen uns irgendwelche Sicherheitskameras ins Visier - die bei einem Hotel mit Casino unter Umständen direkt mit dem Polizeirevier verbunden war - oder aber Agnolos Undercover-Wachmänner lasen uns auf. Wie man es drehte und wendete, schien ein Einstieg in den Laden schier unmöglich, aber irgendeine Lösung musste es ja geben. Kampflos aufgeben war jedenfalls nicht mein Stil, wenn ich mir etwas dermaßen in den Kopf gesetzt hatte. Und wenn ich halb Russland einfliegen lassen musste, um das Hotel zu stürzen, dieser Bastard würde mir nicht noch einmal entwischen. "Okay... also die Ausgangssituation ist nicht optimal.", stellte ich für alle Anwesenden hier hörbar fest, wobei ich allgemein ein wenig leiser redete, weil ich nachdachte. Dann, noch bevor ich an diese Worte anknüpfen konnte, fiel mir Tauren ins Wort. Mein Blick, den ich kurzzeitig abgewandt hatte, als ich ein paar Schritte durch die Gegend gelaufen war, richtete sich augenblicklich wieder auf den Norweger. Erneut als Zeichen meiner ungeteilten Aufmerksamkeit. Und das, was er uns da mitteilte, war tatsächlich ein guter Hinweis, mit dem man eventuell etwas anfangen und darauf aufbauen konnte. Ich nickte seine Worte kurz ab und blieb schließlich unweit von Sabin und Ashton beinahe am anderen Ende des Raumes stehen. "Das ist gut zu wissen. Problematisch wird es nur, wenn hinter der Tür plötzlich mehr als nur ein Mann auf uns wartet. Ich bin mir daher nicht ganz sicher, ob wir da wirklich blindlings rein laufen sollten oder nicht vorher jemanden zum Auskundschaften der Lage rein schicken.", gab ich zu bedenken, wobei ich parallel dazu schon nach einem Lösungsansatz suchte. "Geht ja im Prinzip wirklich nur darum zu sehen, mit wie vielen Männern wir es an diesem Eingang zutun haben. Eventuell schicken wir einfach einen meiner Männer vor. Er hat 'ne Lieferung oder so, keine Ahnung.", schlug ich mit einem schwachen Schulterzucken vor, weil mir etwas besseres in diesem Moment nicht einfallen wollte. Hintereingänge waren in der Regel nicht besonders einsichtig und die Tür stand nicht jedem offen. Im Inneren konnte also potenziell mehr als nur ein Italiener direkt dahinter stehen und wenn sie einen von uns erkannten, konnten wir uns das mit dem leise Ausschalten gleich wieder von der Backe putzen.
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So konnte man das sagen, ja. Nicht optimal war vielleicht ein wenig untertrieben, aber wir würden schon einen Weg finden. Ich hatte schließlich nicht vor mich wochenlang quasi umsonst von den Arschlöchern tyrannisiert haben zu lassen, das hier war nun keinesfalls das Ende der Fahnenstange. Mein Blick glitt unweigerlich von Vahagn wieder zurück zu Tauren, weil jener sich wider Erwarten noch einmal zu Wort meldete. Ich hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass er sonst noch irgendeine Art brauchbare Information für uns hatte. War davon ausgegangen, dass sie ihm den Großteil der Erinnerung womöglich einfach direkt wieder aus dem Schädel geschlagen hatten - dem war jedoch nicht so. Er informierte uns im Verlauf stattdessen darüber, dass es vielleicht eine Möglichkeit über einen der hinteren Eingänge gab. Natürlich würde uns auch seine Theorie nicht vor Allem schützen, die Cops kamen früher oder später in jedem Fall. Aber Zeit konnte da ein kostbares Gut sein, weshalb ich den Blick eher unbewusst auf den Boden senkte, als ich nachdachte. Bevor ich mich dazu äußerte kam mir jedoch die Russin zuvor und so fanden meine Augen wieder ihr Gesicht. Blind rein zu gehen war - gerade bei einem derart hohen Risiko dafür, dass etwas schief ging - nie eine gute Sache. Man sollte im Idealfall wissen, womit man es zu tun hatte. Zumindest grob. Würden wir gleich zu Beginn auf Komplikationen stoßen, dann war es das vermutlich gewesen. Deshalb nickte ich auch leicht, war tatsächlich auch vollkommen einverstanden damit, dass sie diese Sache auf ihre Kappe nehmen wollte. In den meisten Fällen erledigte ich alles, das irgendwie essentiell war, am liebsten selbst oder eben mittels meiner Männer. Aber nicht hierbei. "Ja, wir sollten uns zumindest einen kleinen Einblick verschaffen... und die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen deiner Männer identifizieren, ist ziemlich sicher auch geringer.", segnete ich das Ganze also mit einem leichten Nicken und ein paar Worten ab. Ich wusste natürlich nicht, inwiefern sie Gwineks Mannschaft hier oben schon auf dem Schirm hatten, aber sicher in jedem Fall weniger als die Leute aus meinem Quartier. Außerdem gab es halt nicht gerade wenige Männer in meinen Reihen, die sich mein Logo in den Nacken, vorne auf die Kehle oder den Handrücken tätowierten, weil es viele der anderen Kriminellen in Oslo prompt abschreckte, sich mit ihnen anzulegen. Zumindest machten das viele meiner Untergebenen, die schon eine ganze Weile dabei waren und Jemanden mit verhältnismäßig wenig Erfahrung wollte ich da nicht reinschicken. Ich vertraute zwar jedem Einzelnen, aber der Auserwählte musste einen wirklich kühlen, abgeklärten Kopf haben. Es durfte keine Zwischenfälle geben. "Sollte nur Jemand sein, der keinen zu starken Akzent hat und optisch unauffällig ist.", bemerkte ich leicht gemurmelt, eher beiläufig. Es musste um jeden Preis vermieden werden, dass Vahagns Landsmann bei der Undercover-Mission irgendwie aufflog. Wenn das passierte, dann wussten die Italiener ohne Zweifel, dass wir Bescheid wussten. Dass wir kommen würden, um sie in ihrem jämmerlichen Rattennetz einen nach dem anderen hinzurichten. Dann waren sie schneller da weg, als wir gucken konnten.
Es schien also wirklich geholfen zu haben. Nicht, dass ich daran ernsthaft gezweifelt hatte. Ich wusste, was ich gehört und während meiner Schritte vor meinem inneren Auge gesehen hatte - das war ein relativ langer Gang. Nicht viele Stimmen, außer eben am Eingang selbst. Das musste nur leider nicht zwangsweise auch heißen, dass sonst Niemand in jenem Gang gestanden oder Wache gehalten hatte. Deshalb war es sicher nicht verkehrt, dass die Brünette sich ein paar Gedanken dazu machte, wie man jenes Risiko beilegen konnte und noch fast im gleichen Atemzug auch vorschlug, einen ihrer Männer dafür zu nutzen. Damit schien Hunter so auch tatsächlich kein Problem zu haben - was eher ungewöhnlich war -, wobei die Gründe dafür spätestens bei seinem zweiten Ansatz klar sein dürften. Er dachte dabei daran, dass Vahagns Männer in dieser Hinsicht womöglich unauffälliger waren, so rein objektiv betrachtet. War wohl nicht verkehrt. Obwohl ich Hunter die ganze Zeit über recht aufmerksam zugehört hatte, war mein Blick aber doch irgendwie auf der Russin liegen geblieben. Vielleicht nur, weil sie sich zuvor als einzige der hier anwesenden Personen ein wenig im Raum hin und her bewegt hatte. Man musste ihr wohl zugestehen, dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen in diesem Metier ganz einfach auch überdurchschnittlich gut aussah und nicht so, als hätte sie schon ein paar Wände oder Böden sehr schwungvoll geküsst. Kein vernarbtes Gesicht, keine offenbar mehrfach gebrochene Nase und allgemein recht ansehnliche Gesichtszüge. Sofern ich das unter den Klamotten beurteilen konnte war sie auch nicht anderweitig ein merkwürdiges Mannsweib, dass sich gefühlt nebenher ein bisschen Testosteron spritzte, um Muskeln aufzubauen. Außerdem standen ihre Augen in bemerkenswertem Kontrast zu den dunklen Haaren und ihre Lippen waren nicht zu schmal, hatten einen schönen Schwung... und weil ich merkte, wie sehr ich gedanklich gerade vom eigentlichen Thema abschweifte, schüttelte ich innerlich den Kopf, blinzelte ein wenig und hielt mir daraufhin fest vor Augen, dass sie charakterlich dafür ganz sicher ein Ekelpaket war. Parallel dazu sah ich dann auch wieder Hunter an, der einen weit weniger schönen Ausblick bot, wenn man nicht schwul war und auf tätowierte Kerle stand, die schrankbreit waren. Ich verbrachte noch einige Sekunden lang schweigend, wobei mein Kopf sich jetzt auch wieder brauchbareren Dingen zu widmen vermochte. Allem voran ein weiteres Detail. Ich klinkte mich also ein weiteres Mal ein, auch wenn ich zu der Sache mit dem Lieferanten nichts beitragen konnte. "Ich erinner' mich auch noch wage an die Metallplakette an Agnolos Schlüssel, die hing ein oder zwei Mal aus seiner Hosentasche raus... welche Zahl genau es war kann ich nicht mehr sagen, aber auf jeden Fall eine dreistellige und die erste war eine 4. Also ziemlich sicher der vierte Stock.", schob ich den Anwesenden einen weiteren Informationsfetzen zu und sah von da an zwischen Hunter und der Brünetten hin und her. Vierhundertirgendwas, genauer konnte ich mich nicht mehr entsinnen. Aber was die Nummerierung ihrer Zimmer anging waren doch die meisten Hotels gleich, es würde mich also stark wundern, wenn es im Endeffekt nicht der vierte Stock war. Die richtige Etage auf Anhieb zu treffen konnte vielleicht auch noch einmal ein paar Minuten einsparen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunter schien zur Zeit auch keine bessere Idee zu haben und auch der klägliche Rest um uns herum hielt sich mit weniger waghalsigen, besser planbaren Optionen eher bedeckt. Aber gut, dann würden wir es halt so machen. Männer hatte ich hier oben schließlich genug, damit war auch ein zeitnaher Zugriff kein Problem. Was die Bedanken des Amerikaners hinsichtlich Aussehen und Akzent desjenigen anging, der diese tolle Aufgabe übernehmen würde, anging, ließ er mich damit doch noch einmal einen kurzen Moment inne halten. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, dabei hatte Hunter mit seinem Einwand vollkommen Recht. Schließlich kannte Agnolo - und damit auch seine Gefolgschaft - meine Männer. Mochte sein, dass Hunters Männer momentan durchaus präsenter waren und für mehr Ärger sorgten, die Russen damit erst einmal in den Hintergrund geraten waren, aber spätestens seit der Schießerei wusste das Trio, dass ihnen noch eine weitere Gruppierung nach dem Leben trachtete. Sie hatten ganz sicher schon Nachforschungen angestellt und ein paar meiner Patrouillen entdeckt. Ich würde mich mit der Behauptung, dass dies das Risiko von aufgestockter Security im gesamten Hotel begünstigte, wohl nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Das war natürlich nachteilig, aber komplett unmöglich, das Kind geschaukelt zu bekommen, war das jetzt nicht. Brauchte uns eben nur einen verdammt guten Plan, der auch das zurecht genannte, eher unscheinbar wirkende Detail von Hunter abdeckte. Ich überlegte also noch mal, wobei die nachdenkliche Haltung mit vor der Brust verschränkten Armen und einem leicht nach vorne geneigten Kopf noch von der vorherigen Überlegung bestand. Erst fiel meine Wahl auf Mario, aber dessen Aussehen und vor allem sein Akzent standen in keiner Relation zu dem typisch italienischen Männernamen. Holovanov und Dmytro waren aufgrund ihrer Nähe zu mir auch keine Option, vermutlich würde Agnolo sie kilometerweit gegen den Wind riechen und das hieß für mich wohl, dass das ganze mal mindestens auf den morgigen Tag terminiert werden musste. "Optisch habe ich da eventuell ein oder zwei Kandidaten, aber ob die akzentfrei sprechen, kann ich nicht beurteilen.", antwortete ich ehrlich und zuckte dabei ein klein wenig mit den Schultern. Ich selbst hatte einen schweren, russischen Akzent - nahm das bei meinen Landsleuten also gar nicht wirklich war - und das, obwohl ich einen Großteil meiner Zeit in Italien verbracht hatte. Nur wollte sich dieser osteuropäische Flair in meiner Stimme einfach nicht verabschieden, egal wie lange ich nun schon eine ganz andere Sprache sprach. Ich bezweifelte also ganz stark, dass dies einem meiner Männer bisher gelungen war. Man musste wohl irgendeiner anderen Nationalität angehören und durfte maximal Wurzeln in Ländern wie Russland, Polen oder Kasachstan haben, wenn man nicht sein Leben lang mit einem verräterischen Unterton in der Stimme gestraft werden wollte. Aber auch dieses Problem bekamen wir sicherlich geklärt. Notfalls wurde eben auf das Sprechen verzichtet. Das war zwar nicht weniger merkwürdig, als nicht wie ein Norweger auszusehen, aber im kriminellen Metier gab es so einige, sehr seltsame Leute. Wundern tat mich persönlich ja überhaupt nichts mehr. Parallel zu dem Mist mit dem Akzent und der Herkunft hatte sich noch ein weiterer Gedanke eingeschlichen, der mich meine vorangegangene Überlegung, das ganze Spielchen hier auf morgen zu vertagen, revidieren ließ. Am späten Nachmittag, tendenziell bis Mitternacht war das Casino mit ziemlicher Sicherheit bis unters Dach gefüllt, die Bar vermutlich ebenso. Aber gegen zwei, drei Uhr würden wohl nur noch die wenigstens anwesend sein und zocken, oder? Die Chancen, erwischt zu werden oder generell Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dürfte also ziemlich gering - mindestens aber mal geringer - sein. Doch noch bevor ich diesen Gedankengang aussprechen konnte, hörte ich die Stimme des Norwegers ein weiteres Mal an mein Ohr dringen. Schön, dass man ihm nicht alles aus der Nase ziehen musste, aber hätte er das nicht von Anfang an kurz und bündig zusammenfassen können? Diese ständige Unterbrechung beim Nachdenken war anstrengend. Ich massierte mir leise seufzend das Nasenbein, als ich wieder auf den Chef der ortsansässigen Gruppierung und seinem Schützling zuging. "Okay, okay. War es das oder kommen noch weitere Informationen?", fragte ich mit der gewohnt trockenen, Akzent belegten Stimme an den jungen Mann gerichtet. Es war nicht so, als wäre ich nicht dankbar für all das - hatte ich ja bereits erwähnt gehabt -, aber dieses Stück für Stück nervte einfach. Er sollte sagen, was Sache war und nicht erst auf Nachfrage damit raus rücken.
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