Ehrlich gesagt zog Alles, was sich innerhalb der nächsten fünf Minuten vor und im Haus abspielte, fast gänzlich an mir vorbei. Zum einen wurde das Adrenalin nach und nach immer weiter aus meinem Körper vertrieben und ließ angestrengte Muskeln, sowie leichte Müdigkeit zurück. Noch dazu hing ich parallel am Handy, um mit Desmond Rücksprache zu halten, der sich inzwischen ebenfalls fernab dieses Hauses in Sicherheit wiegte. Zum Anderen fühlte ich mich dennoch nach wie vor leicht beschwingt von dem Sieg - die Italiener hatten es ganz einfach nicht anders verdient und ich freute mich unsagbar darauf einfach mal durch- und auszuschlafen, sofern es des nachts keine nennenswerten Zwischenfälle gab. Aber davon war nicht auszugehen, hatte ich doch allen Männern befohlen, dass sie sich nach dieser Aktion tunlichst verkriechen und die Nacht über nicht mehr auftauchen sollten, weil die Bullen sicher noch ein paar Stunden lang ihre Wunden lecken und parallel fahnden würden. Nur ein weiterer meiner Jungs würde innerhalb der nächsten Minuten noch hier abgesetzt werden, weil er zwei Kugeln im Bein stecken hatte und sehr sicher lieber vom Arzt versorgt werden sollte. Aber ansonsten hatte ich gerade absolut keine Sorgen, ließ auch nach dem Telefonat das Smartphone zurück in meine Hosentasche wandern. Müde, aber durchaus zufrieden schleppte ich mich nach wie vor leicht humpelnd hinter den Anderen in das kleine, in die Jahre gekommene Haus und es dauerte kaum fünf Sekunden nach dem Schließen der Haustür, da fand ich den Rotschopf direkt vor meiner Nase wieder. Ich war es nicht gewohnt, dass mich nach einer Mission Jemand derart begrüßte, könnte mich aber ohne jeden Zweifel glatt dran gewöhnen. Cosmas Worte ließen mich unweigerlich lächeln und ich verzog wegen der Wunde kurz das Gesicht, ließ mir sonst aber nicht viel anmerken und schlang meine Arme um die zierliche junge Frau. Zwar vermied ich es wegen der angeschossenen Hüfte sie wirklich eng an mich zu drücken, hielt sie aber dennoch fest und neigte den Kopf ein wenig nach unten, um sie sachte aufs Haar zu küssen. "Und ich erst..", murmelte ich ihr im direkten Anschluss noch in die roten Haarsträhnen. Schließlich hatte ich von jetzt an erst recht einen guten Grund dafür lebend aus derartigen Geschichten heraus zu kommen. Das letzte, was ich wollte, war wohl der Rothaarigen durch meinen unvorhergesehenen Tod einen tiefen Stich in die Brust zu versetzen. Wo die Smith and Wesson jetzt weg war gleich doppelt nicht. Ich löste meinen rechten Arm von ihrer Taille, um die Hand stattdessen an ihr Kinn zu heben, ihr noch für einen Moment lang lächelnd in die blauen Augen zu sehen und kurz darauf meine Worte mit einem innigen, gefühlvollen Kuss zu unterstreichen. Tatsächlich dachte ich zu keiner Sekunde daran, dass wir unsere Beziehung vor den Anderen bis jetzt noch immer nicht breit getreten hatten - war witzig, dass Ashton und Vahagn hier die einzigen waren, die von der Sache aktiv wussten. Der einige Sekunden in Anspruch nehmende Kuss rief dementsprechend einen entsetzten Sabin - der Richard vorerst im Wohnzimmer abgesetzt hatte - im Türrahmen zur Küche vor, als er gerade mit einer Flasche Wasser zurück in den Flur kam und letztere mit einem dumpfen Geräusch fallen ließ. Das ließ mich den Kuss dann sachte unterbrechen und ich sah für einen Moment lang über Cosma hinweg zu dem sichtlich überwältigten Italiener. Er schien gar nicht zu wissen, was er sagen oder tun sollte, bis er die Flasche langsam doch aufhob und ein "Halleluja, na endlich!", aus Richtung Wohnzimmer kam. Ah, wir standen so halb vor dem Türrahmen zum Wohnbereich, was erklärte, dass Tauren uns ebenfalls gesehen hatte. Mir war seine Reaktion zwar nicht ganz begreiflich und ich schob sie mindestens zum Teil weiter auf seinen Drogentrip, der sicher noch nicht ganz verklungen war, aber im Gegensatz zu Sabin grinste er - ebenso wie ich selbst - vor sich hin. Freute sich entweder mit, oder eben über uns. Mir war beides recht, solange er nicht versuchte irgendwie dazwischen zu grätschen. Sehr zu meinem persönlichen Gefallen lag seine Aufmerksamkeit momentan wohl sowieso eher bei der Russin und nicht bei Cosma.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na, dann waren wir uns in dem Punkt ja schon mal einig - allerdings sollte er sich bloß nicht zu sehr daran gewöhnen, nach jedem Einsatz so von mir Zuhause willkommen geheißen zu werden. Dieses Mal stellte nämlich lediglich eine Ausnahme dar, weil ich einfach wusste, wie skrupellos und rücksichtslos die Italiener sich ihren Weg durch Oslo geschlachtet hatten. Klar, konnte ihm auf der Straße auch so jederzeit etwas passieren und ich würde mir sicherlich noch das ein oder andere Mal meine Sorgen und Gedanken machen, aber solange er sich künftig nicht mehr mit einem gesamten Clan anlegte, vertraute ich darauf, dass er seiner Arbeit gewissenhaft nachging und jeden Abend - oder jeden Morgen - an einem Stück nach Hause kam. Das hoffte ich zumindest, denn gerade jetzt, wo mir nach seinem Tod wirklich nur noch wenig blieb, würde mich das ziemlich sicher das letzte bisschen Verstand kosten. Aber daran wollte ich jetzt erst einmal nicht denken und kostete stattdessen einfach den aktuellen Moment aus. Erst nur die Umarmung und zarte Liebkosung meines Haaransatzes, später den innigen, verhältnismäßig lang anhaltenden Kuss. Die rechte Hand hatte sich bei letzterem von seinem Nacken gelöst und lag nun mehr an der mit Blut beschmierten Wange, wo sie zärtlich über seine Bartstoppeln strich. Für den Augenblick ließ mich der Kuss alles um uns herum vergessen. Sowohl die Russen, welche im Wohnzimmer unweit des Sofas auf den Arzt zu warten schien, der sich für einige letzte Vorbereitungen in den Operationssaal verabschiedet hatte, als auch den mehr oder weniger vor sich hin jammernden Richard hatte ich vollkommen ausgeblendet. Erst der dumpfe Schlag eines, auf dem Boden aufschlagenden Gegenstandes holte mich in das Hier und Jetzt zurück. Vorsichtig und eher unfreiwillig löste ich mich ein klein wenig von dem jungen Mann, der uns mit seinem Einsatz heute wieder ein Stück Freiheit zurück gebracht hatte, um zu sehen, woher das Geräusch kam. Ich musste meinen Kopf etwas drehen, damit Sabin, der hinter mir gerade die Küchen verlassen hatte, in mein Sichtfeld rückte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er sich scheinbar noch nicht wirklich sicher, was er von dem Gesehenen jetzt halten sollte, was mir doch ein recht amüsiertes Grinsen auf die Lippen zauberte, welches das bis dato standhafte, zufriedene Lächeln ablöste. Aus der anderen Richtung hörte ich dann fast so etwas wie Jubellaute, was mich den Blick vom Italiener abwenden und mich stattdessen zu Tauren rüber sehen ließ, der sich mit dem lädierten Richard eine Couch teilte. Und ihm schien das Ganz wohl relativ wenig auszumachen. Ich wusste nicht genau, ob das noch immer an den Medikamenten lag, die ich ihm einst zugesteckt hatte oder einfach deshalb, weil sich seine Vermutung bestätigt hatte, aber grundlegend war das ja auch vollkommen egal. Nicht, dass Hunter oder ich jemanden gebraucht hätten, der uns zu unserer Beziehung beglückwünschte, aber es war einfach verdammt witzig zu sehen, wie unterschiedlich die Reaktionen doch ausfielen. Während einer nicht wusste, was er sagen sollte und der andere sich augenscheinlich sehr darüber zu freuen schien, gab es da noch einen letzten Außenseiter. Richard, der beinahe Rotz und Wasser heulte, weil er es einfach nicht glauben konnte. Oder aber weil er Schmerzen hatte - vielleicht auch beides, wer wusste das schon. Gut, wie dem auch sei. "Ich hab gesehen, dass du auch ein bisschen was abbekommen hast. Lass mich das mal ansehen.", richtete ich nach einigen Sekunden, in denen ich mich über die Reaktionen der umstehenden Anwesenden köstlich amüsiert hatte, ein paar bittende Worte an meinen Freund. Dabei löste ich mich beinahe gänzlich von ihm, nur seine rechte Hand hielt ich noch in meiner, als ich mit einem Kopfnicken in Richtung Küche signalisierte, dass er mir folgen sollte. Selbst wenn die Allgemeinheit jetzt wusste, wie unser Verhältnis zueinander war, hatte ich kein sonderlich große Lust, den Stempel einer besorgten Hausfrau aufgedrückt zu bekommen, der ihren geliebten Ehemann bemutterte. Nichtsdestotrotz sollte sich der Streifschuss von jemanden angesehen und zumindest desinfiziert werden. Und da der Doc gleich anderweitig beschäftigt sein würde, übernahm ich das kurzerhand.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Mein Blick glitt unweigerlich von dem verletzten Jüngling weiter zu seinem ebenfalls lädierten Kollegen, der sichtlich wenig begeistert zu sein schien. Zwar war ich mir relativ sicher, dass bei seiner Reaktion auch irgendwie noch die ganzen letzten Tage mit rein spielten - wegen denen ihm sehr sicher nach heulen zu Mute war, wie ich mal schätzen würde -, aber trotzdem war es irgendwie eine unfassbare Genugtuung für mich, ihm damit eins reinzuwürgen. Unterbewusst war mir durchaus klar, dass ich so eigentlich nicht denken sollte. Ich hatte den Dunkelhaarigen sicher zwangsweise weiter an der Backe, sofern er sich dazu entschied mit uns gemeinsam ins Nirgendwo zu verschwinden und als Teil von Cosmas Leben sollte ich ihn eigentlich respektieren... aber ich konnte und wollte das nicht. Es würde ihn sicher sein halbes Leben kosten mein Vertrauen und meinen Respekt irgendwie zurück zu gewinnen, dahingehend konnte er sich also gerne schon mal warm anziehen. Sollte womöglich Tauren dafür zu Rate ziehen, der sich dahingehend inzwischen auf einem relativ guten Weg befand. Das Grinsen war noch nicht verklungen, als Sabin mit einem Kopfschütteln weiter ins Wohnzimmer zu den Anderen ging und Die Rothaarige vor mir erneut ihr Wort an mich richtete, womit meine Augen erneut die ihren fanden. Mein Blick wanderte weiter zu meiner Hüfte, wo der Verband durch das Loch in der Hose deutlich sichtbar wieder in Blut getränkt war, wobei der schwarze Stoff der praktischen Hose auch nach wie vor ziemlich feucht war. Es war also sicher nicht verkehrt mal was gegen die offene Wunde zu tun und so nickte ich langsam, wobei sich meine Mundwinkel dann wieder absenkten, als ich mich von Cosma mit ihn die Küche nehmen ließ. In besagtem Raum angekommen löste ich meine Hand aber doch zeitnah von ihrer, um mir stattdessen unter Schmerzen den Hoodie über der Schutzweste auszuziehen, im Anschluss auch letztere selbst ebenfalls. Dabei meldeten sich dann auch mein durch die beiden Schüsse auf die Weste mit großen Hämatomen gesegneter Brustkorb, was mich leise Seufzen ließ. Ich tat ja gern, was mein Job war - Leuten Angst einjagen, Leuten drohen, Leute zusammenschlagen, Leute umbringen. Ganz einfach, weil ich mindestens 90% der Menschheit grundlegend gern ausrotten würde. Auf die Folgen dessen würde ich dennoch gerne verzichten. Ich besah mir die geschwollenen, blauen Flecken aber nur kurz, bevor ich den Gürtel löste und die Hose so weit runter zog, dass ich den Verband abmachen konnte, solange die Rothaarige noch den Kram herbei holte, den sie benötigte. Sobald Mullbinde und Kompresse beseitigt waren zog ich auch die Boxershorts auf der rechten Seite weit genug runter, damit Cosma problemlos an die nach wie vor leicht blutende Wunde heran kam. Mit der linken Seite der Hüfte lehnte ich mich leicht an den Tisch, stützte mich auch mit dem Arm an der Kante der Platte auf, während ich das rechte Bein ein wenig entlastete. Ich stand noch relativ entspannt da, bis mich dann der brennende, mir gefühlt das Fleisch zersetzende Schmerz des Desinfektionsmittels erreichte und ich deshalb schmerzlich vor mich hin grummelnd den Oberkörper verkrampfte. Allem voran die Finger mit viel Druck um die Kante der Tischplatte schloss und die Augen zumachte, solange die Rothaarige noch mit der Wunde beschäftigt war.
Ich war wirklich heilfroh darüber, dass die ganze Scheiße zumindest jetzt für ein paar Tage ein Ende hatte. Ich prinzipiell, solange ich die Polizei weiterhin mied, wieder ein wenig nach draußen auf die Straßen konnte, ohne dabei sofort Gefahr zu laufen erschossen zu werden. Dabei galt mein Dank beiden beteiligten Parteien, also sowohl Hunter und seinen Männer, als Vahagn und ihrer überwiegend russischen Sippschaft. Ich fühlte mich seit langem mal so, als könnte ich endlich wieder atmen. Als hätte ich Dank ihnen zumindest einen kleinen Teil meiner Freiheit und damit meiner Lebensqualität zurück gewonnen. Was mir hingegen weniger die Laune in die Höhe trieb, war der halbe Herzinfarkt, den ich bekam, als ich seelenruhig die Küche verlassen hatte. Nichtsahnend, dass ich... naja, das vorfinden würde. Mir war ja nicht entgangen, dass die beiden sich weniger stritten und sich allgemein ein wenig besser zu verstehen schienen, aber dass sie was auch immer für eine engere Beziehung zueinander hatten... nein, das hatte ich im Traum nicht für möglich gehalten. Hunter hatte ihr mindestens gedanklich mehrfach nach dem Leben getrachtet, wenn man seinen Aussagen - seine auf Cosma bezogene Flucherei - Glauben schenken konnte, wie also war es bitte zu einer derartigen Wendung gekommen? Wo hatte ich es verpasst, dass sie die Schalter in ihren Köpfen von negativen zu eindeutig positiven Gefühlen für den jeweils anderen umgekippt hatten? Und was war die Ursache dafür? Einen Moment lang starrte ich die beiden wohl einfach nur fassungslos an, bevor ich mich dazu aufraffte die fallen gelassene Plastikflasche wieder vom Boden aufzuheben. Sie schienen sich herrlich darüber zu amüsieren, wie entsetzt ich sie angesehen haben musste, aber ich wusste ehrlich nicht, was ich dazu sagen sollte. Also verabschiedete ich mich mit einem Kopfschütteln ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die seitliche Lehne des Sofas setzte und zu Tauren sah, der unweit von mir auf dem Sitzpolster der Couch saß. "Wusstest du das?", hakte ich nach, weil er irgendwie der Einzige hier zu sein schien, der positiv auf das Ganze reagiert hatte. Er schüttelte leicht den Kopf. "Nein, nicht sicher... hab's aber schon länger vermutet.", ließ er mich mit einem Schulterzucken wissen, dass er dahingehend auch keine Sicherheit gehabt hatte. Daraufhin senkte ich den Blick stur auf den alten Teppichboden vor meinen Füßen, der hier und da Blutflecken aufwies und nahm geistesabwesend ein paar Schlucke Wasser zu mir. Einerseits fand ich es schon gut, dass wir offenbar nicht mehr zu befürchten hatten Cosma irgendwann irgendwo geköpft vorzufinden, weil der Amerikaner endgültig ausgetickt war. Andererseits war es aber eben leider auch so, dass es theoretisch genauso viele Komplikationen hervorrufen konnte, wie es bisher beseitig hatte. Deshalb rieb ich mir, die Wasserflasche zwischen die Oberschenkel geklemmt, einmal sehr ausgiebig mit beiden Händen über das Gesicht. Das konnte ja sowas von heiter werden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunters Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er wenig begeistert von meiner Bitte gewesen zu sein, was ich auf der einen Seite absolut nachvollziehen konnte. Schließlich war es kein schönes Gefühl, wenn einem an einer offenen Wunde herum gebastelt wurde, aber auf der anderen Seite war das einfach nötig, um Schlimmeres zu verhindern. Glücklicherweise schien der Amerikaner das auch zu wissen und so folgte er mir dann doch mehr oder weniger freiwillig bis in die Küche, wo ich ihn kurzerhand nahe der Arbeitsfläche parkte. Dort fing Hunter an, sich so weit seiner Klamotten zu entledigen, dass ich mich wenige Sekunden, nachdem ich alle notwendigen Utensilien - Desinfektionsmittel, Tupfer, Verband, Kompresse und ein Paar Latexhandschuhe - zusammen getragen hatte, auch schon dem Streifschuss zuwenden konnte. Natürlich nicht, ohne das mein Blick vorher über die anderen, zahlreichen Verletzungen - überwiegend in Form von blauen Flecken - glitt und ich leise seufzte. Dann aber wandte ich mich von Neuem ab, um die Handschuhe anzuziehen, bevor ich zu der Flasche mit dem bläulich schimmernden Inhalt griff. "Okay, das wird jetzt vermutlich ein bisschen brennen, aber ich beeile mich.", warnte ich den sonst so taffen Mann vor der unangenehmen Wirkung des Desinfektionsmittels, obwohl ihm das mit ziemlicher Sicherheit bereits bekannt war. Was den Streifschuss als solches anging, war ich allerdings der festen Überzeugung, dass dieser sehr viel schmerzhafter war. Klar, das Brennen durch die Desinfektion machte das Ganze jetzt nicht unbedingt besser, aber es waren ja nur wenige Sekunden, in denen ich die Wundränder vorsichtig mit einem Tupfer bearbeitete, um sie von dem bereits getrocknetem Blut und den Fasern der Armyhose zu befreien. Durch die leichte Reizung hatte der natürliche Heilungsprozess an Fahrt aufgenommen und die Wunde blutete wieder wieder ein bisschen, was ich zum Anlass nahm, den Rest der Verarztung ein Stück zu beschleunigen. Mit beinahe routinierten Handgriffen drückte ich die Kompresse also auf den Streifschuss und fixierte sie mit dem Verband, indem ich letzteres mehrfach um seine Hüfte wickelte. Als ich zumindest rein optisch mit meinem Werk zufrieden war, distanzierte ich mich wieder von Hunter, um die Handschuhe kurz darauf der nahe gelegenen Mülltonne zuzuführen. Dann besah ich ihn mir von meiner Position aus, etwa mit anderthalb Metern Abstand, noch einmal ausführlich, während der junge Mann zumindest seine Hose wieder hochziehen konnte. Die blauen Flecken sollten in jedem Fall zumindest noch ein wenig gekühlt werden. Ob wir Kühlakkus hier hatten? "Ich bin froh, dass das endlich ein Ende hat. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue, wenn du dein Versprechen endlich einlöst.", stellte ich gemurmelt und teils mit gedrückter Stimme fest. Mir wurde in dem Augenblick nämlich schlagartig bewusst, dass die ganze Geschichte zwar nun der Vergangenheit angehörte, aber die Zukunft doch noch das ein oder andere Abenteuer für uns bereit hielt. Und die erste große Hürde, die es für uns alle zu überwinden galt, war wohl das Verlassen Oslos, was für die kommenden Tage terminiert war. Bis hierhin hatte ich darüber noch gar nicht so richtig nachgedacht, das Ganze noch nicht sacken lassen, aber jetzt, wo der Krieg gewonnen war, musste ich mich wohl zwangsläufig mit dem Gedanken auseinandersetzen, wieder einmal meine Heimat hinter mir zu lassen. Zwar hätte ich mich bereits bei dem Gespräch dagegen entscheiden können, aber ich wollte echt nicht wissen, welche Konsequenzen diese Entscheidung für den Ausgang der ganzen Sache gehabt hätte. Streng genommen war es ja auch eigentlich gar nicht so schlimm für mich. Freunde hatte ich hier schließlich kaum welche, meine Bar war auch hinüber und Hunter als mein aktueller Fels in der Brandung wäre ja auch mit von der Partie. Trotzdem ging es für mich irgendwie ums Prinzip. Ich hatte bereits Frankreich den Rücken für einen Mann gekehrt. Hatte ich daraus denn überhaupt nichts gelernt?
Ah, ich liebte es ja, wenn man der Meinung war, mich stressen zu müssen, nur um mich kurz darauf im Regen stehen zu lassen. Hunters Doc mochte vielleicht gute Arbeit leisten, aber an der Vorbereitung haperte es ganz offensichtlich noch ein wenig. Anders konnte ich mir nicht erklären, wieso ich plötzlich doch noch einen Augenblick warten sollte, bis der Keller soweit eingerichtet war, dass ich mich endlich unter das Messer legen durfte. Ich schnaubte auf die Information des Mannes mit seinen grau melierten Haaren nur abfällig und voller Schmerz, als ich mich mit sichtlich angepisster Laune dann noch einmal ins Wohnzimmer begab. Ganz bestimmt nicht, um Taurens Gesellschaft auszukosten und sehr viel eher, weil es Dmytro aus welch Gründen auch immer dorthin verschlagen hatte. Ich hätte als mögliche Alternative noch den Flur wählen können, in der Hunter und Cosma gerade die heilige Wiedervereinigung zelebrierten, aber das war mir zu viel Kitsch. Alleine in der Küche zu hockten war aber auch nicht das Wahre und so kam es, wie es kommen musste: Ich schob mich an den Turteltauben vorbei in den Raum voller schwer verletzten Menschen, um meinen Posten als eine von ihnen unweit des Sofas zu beziehen. Ich hatte den rechten Arm dabei unter den linken geklemmt, um diesen ein wenig zu entlasten, aber der Schmerz wollte einfach nicht weniger werden. Liebend gerne hätte ich mir vor der Narkose schon die ein oder andere Pille eingeschmissen, aber das hatte mir der Arzt bereits auf dem Weg ins Innere des Hauses untersagt. Also stand ich da, von dem eiskalten Blick und den sonst so beherrschten Gesichtszügen keine Spur mehr. Stattdessen hatte ich die Augenbrauen grimmig zusammen gezogen, fluchte leise vor mich hin und versuchte mich durch stetiges Auf- und Ablaufen ein wenig abzulenken. Klappte nur leider so überhaupt nicht, weshalb ich das irgendwann auch auch wieder sein ließ und stattdessen schweigend die ganze Situation um mich herum beobachtete. Nicht zuletzt auch Sabins Eintreffen im Wohnzimmer. Dieser schien die letzten Minuten überhaupt nicht zu verstehen, ging aus dem Gespräch mit Tauren doch ganz klar hervor, dass die Beziehung der zwei noch nicht wirklich öffentlich gewesen zu sein schien. "War das auch wieder eine deiner geistreichen Einfälle, als du mal wieder eine Pille zu viel konsumiert hast?", stellte ich eine hörbar ironische Frage an den Norweger gerichtet, womit ich auf seine komplett schwachsinnige Anspielung vom gestrigen - streng genommen vorgestrigen - Abend anspielte. Zwar hatte ich mit dem Gespräch nicht wirklich was am Hut und grundlegend konnte mir die Beziehung der beiden auch egal sein, aber einen dummen Spruch konnte ich mir ja trotz allem nicht verkneifen. Nicht einmal dann, wenn der Zeitpunkt der denkbar ungünstigste war. Aber Hunter hatte sich inzwischen mit dem rothaarigen Teufel nach wohin auch immer verzogen, ich brauchte also keinen Einlauf zu fürchten und Tauren schien sich für die ein oder andere Kabbelei nicht zu schade. So konnte ich mich vor der operativen Eingriff vielleicht noch ein bisschen amüsieren, gute Laune tanken, bevor mich die Angst vor dem Operationstisch schließlich übermannen würde...
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Nüchtern betrachtet war ich wirklich kein besonders schmerzempfindlicher Mensch. Hatte mir starke Reaktionen auf Schuss- und Stichwunden über die letzten paar Jahre hinweg von ganz allein abgewöhnt, weil es mich das Leben kosten könnte, wenn ich im Gefecht zu Jammern anfing. Wenn man diesen Weg wählte, dann waren schlimmere Verletzungen eben potenziell oft möglich und so würde ich mich an diesem Streifschuss nicht aufhängen. Unsagbar unangenehm war das Brennen trotzdem, solange Cosma damit beschäftigt war die Wunde sauber zu kriegen und letzten Endes wieder abzudecken, damit sie sich keinen neuen Dreck einfing. Der Schmerz ließ Stück für Stück aber immer weiter nach, als ich mich zumindest eben untenrum wieder angezogen hatte und damit die noch frische Verletzung in Ruhe gelassen werden konnte. Ich war kaum fertig damit, da meldete sich die Rothaarige erneut zu Wort. Ihre Worte ließen mich schwach lächeln und für den Moment doch tatsächlich ziemlich positiv in die Zukunft schauen. Natürlich hasste ich es nach wie vor, dass ich mein Geschäft hier oben zwangsweise aufgeben musste, denn ein Neustart war nie einfach, aber das bekam ich hin. Schließlich hatte ich jetzt sogar noch einiges an Erfahrung auf dem Buckel, was bei meinem Neuanfang in Oslo nicht der Fall gewesen war, dahingehend machte ich mir also eigentlich so gar keine Sorgen, auch wenn es zweifelsohne anstrengend werden würde. Dennoch würde ich, auch wenn jetzt sowas wie Packen für den Flug ins Ausland anstand, von jetzt an mehr Zeit für Cosma haben. Vielleicht auch im neuen Heim gar nicht sofort damit anfangen, mich in die Arbeit zu stürzen, sondern mir noch ein paar Tage Ruhe gönnen. Ein Teil meines hart erarbeiteten Geldes kam von Anfang an mit ins Ausland, der Rest sollte nach und nach folgen. Trotzdem sollten Finanzen ganz allgemein weiß Gott nichts sein, worum wir uns Sorgen machen mussten. "Ja, wurde wirklich Zeit..", stellte ich erst einmal leicht gemurmelt fest, streckte dann meinen linken Arm nach der jungen Frau aus und legte ihn ihr um den Rücken, um sie wieder näher an mich ran zu holen, auch wenn sie ohnehin schon nicht weit weg war. "Mal sehen, vielleicht häng' ich dir ja auch ganz schnell zum Hals raus, wenn du mich jetzt viel öfter ertragen musste als sonst.", hängte ich noch eine recht sarkastische Aussage hinten ran, weil ich nicht glaubte, dass es dazu kommen würde. Richtig schlimm aneinander gerauscht waren wir jetzt seit der Sache mit Richard nicht mehr, ich war also erstmal guter Dinge. Dann jedoch kam mir noch ein ganz anderer Gedanke. "Du bestehst nicht auf eine eigene Wohnung, wenn wir hier weg sind, oder?", stellte ich meine Frage frei heraus, hatte meinen Arm noch immer locker um Cosmas Rücken gelegt und strich dabei ein wenig an ihrer Taille über den Stoff des Tshirts. Meine Augen fixierten sich mit recht ruhigem, fast etwas müdem Blick auf die ihren. Sie war eine sehr unabhängige Frau, weshalb das Ganze durchaus möglich und sicher irgendwie machbar wäre, wenn sie einen Job fand. Nur war das vielleicht dahingehend absolut nicht schlau, dass wir durchaus wieder in alte 'Wenig-Zeit-Miteinander-Verbring'-Muster fallen könnten, sobald ich die Arbeit im neuen Land aktiv aufnahm. Denn es war zweifelsfrei zeitintensiv sich ein neues Netzwerk aus Kontakten, Ressourcen und Im- und Exportmöglichkeiten zusammen zu stellen. Zwar war es gut möglich, dass Vahagn mir bei letzterem unter Umständen behilflich sein könnte, aber den Rest musste ich selbst in die Hand nehmen. Natürlich barg es auch wieder ein gewisses Risiko, falls wir unsere beiden Hitzköpfe wirklich unter ein und das selbe Dach steckten, aber eigentlich... nein, wenn das Haus nur groß genug war - und ich hatte nicht vor dabei so wie bei diesem Objekt wieder zu sparen -, dann konnten wir uns nach einer Diskussion auch einfach für ein paar Stunden aus dem Weg gehen.
Irgendwie war ich wohl der Einzige, der der Sache zwischen Cosma und Hunter etwas abgewinnen konnte. Natürlich verstand ich die Bedenken der anderen schon irgendwie und auch bis zu einem gewissen Grad Richards kurzzeitiges Geflenne, aber bisher hatten sich dahingehend meines Wissens keine negativen Dinge gezeigt. Es war eher so, dass ich das Gefühl hatte, dass Hunter - zumindest in der Gegenwart seiner eindeutig besseren Hälfte - seit ihre innigere Bindung zueinander begonnen hatte ein wenig ruhiger wirkte. Klar, er war nach wie vor ein egoistisches Arschloch und neigte dazu mir den Gar ausmachen zu wollen, aber er ging trotzdem mit ihrer Präsenz weniger schnell an die Decke. Rastete nicht ohne Umschweife komplett aus, nur weil irgendwelche Kleinigkeiten vorfielen. Wenn man mich nach meiner Meinung gefragt hätte, dann würde ich also durchaus behaupten, dass die Beziehung dem Amerikaner bisher kaum geschadet haben konnte und Cosma würde sicher nicht bei ihm bleiben, wenn sie das Gefühl hätte, dass er ihr nicht gut tat. Die Rothaarige nahm nie ein Blatt vor den Mund, würde es auch dabei nicht tun... allerdings fragte bekanntlich nur selten bis nie Jemand nach meiner Meinung. Stattdessen meldete sich Vahagn vollkommen unverhofft mit ein paar gewohnt unfreundlichen Worten an meine Person. Zwar erwähnte sie meinen Namen nicht, konnte aber kaum jemand anderes in diesem Raum meinen, weshalb mein Blick zum wiederholten Mal in ihre Richtung schwenkte. Ich hatte sie hin und wieder flüchtig angesehen, als sie so unruhig im Raum hin und her getigert war, mehr bisher aber auch nicht. Jetzt jedoch lag mein Blick vollkommen ruhig und entspannt in dem ihren, obwohl sie nach wie vor nicht gut auf mich zu sprechen zu sein schien. Das würde ich schon noch irgendwann hinkriegen mit meinem... Charme. Also dem nüchterneren, nicht diesem noch immer von Drogen beeinflussten, sinnlos plumpen Gefasel. Normalerweise besaß ich ja durchaus sowas wie Taktgefühl, was ich von den wenigstens Menschen hier im Raum behaupten konnte. Von keinem, um genau zu sein... höchstens Sabin so halbherzig. "Nein, tatsächlich nicht... du wirst es kaum glauben, aber normalerweise ertrage ich mich selbst eigentlich sehr gut ohne Drogen. Ich rauche Kette, aber das war's tatsächlich", erwiderte ich hörbar sarkastisch und schüttelte erneut ein wenig den Kopf, wie ich es dem Italiener gegenüber gerade schon getan hatte. Vermutlich heulte mir die Brünette dann jetzt gleich wieder die Ohren voll, dass sie gar nichts über mich wissen wollte, aber das kratzte mich nicht. Sollte sie ruhig, ich war eben ein offenherziger Mensch und redete gern. Wenn sie damit nicht klar kam, dann sollte sie halt auch nicht mit mir reden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich versank wieder ein klein wenig in Gedanken, nachdem ich mein Wort an Hunter gerichtet hatte und bekam seine Reaktion daher nur noch beiläufig mit. Viel mehr hatte ich mich gerade damit beschäftigt, mir die Frage zu stellen, was bei einem Neustart so alles auf uns zukommen würde. Worauf wir achten mussten und nicht zuletzt, was mein persönlicher Plan für ein Leben fernab der gewohnten Umgebung sein würde. Nach einigen Sekunden der Überlegung stellte ich relativ ernüchternd fest, dass ich so überhaupt gar keine Ahnung, nicht einmal eine Idee hatte, wo man wie und mit was am besten anfing. Na klar, Ausweispapiere und ein Dach über dem Kopf waren wohl das Wichtigste, aber ging das denn alles so einfach? Für mich wäre das sicher kein Problem, eine vorläufige Aufenthaltsgestattung zu beantragen, aber wie stand es zum Beispiel um Richard und Hunter? Ich wusste von beiden, dass sie in ihren Herkunftsländern des Mordes bezichtigt und auf etlichen Listen zur Fahndung ausgeschrieben worden waren, also stellte ich mir das irgendwie schwierig vor, so ohne weiteres an Papiere zu kommen. Gut, aber vielleicht dachte ich dahingehend auch einfach zu pragmatisch. Verband eine Einreise in ein anderes Land immer mit den klassischen Formalitäten, ohne die nichts lief. Dabei war aber eine Sache ganz augenscheinlich in den Hintergrund gerückt: Statt den legalen Weg zu wählen - der wohl durch und durch mit Risiken gespickt wäre -, hatten wir - oder in dem Fall Hunter, sehr indirekt für uns alle - uns für die Gniwek Airlines entschieden, mit dessen All-Inclusive-Angebot sämtliche umständlichen Behördengänge bereits erledigt waren. Zwar kannte ich Vahagn nicht wirklich und hatte auch kein Interesse daran, das in naher Zukunft zu ändern, aber sie machte mir hinsichtlich ihres Jobs einen sehr korrekten Eindruck. Ich ging also einfach mal davon aus, dass sämtliche für die Einreise relevanten Dokumente von ihr besorgt werden würden und wir uns dann nur noch ganz entspannt in den Flieger setzen mussten. Also war die Bleibe das Einzige, um was wir uns noch kümmern mussten und genau an diesem Punkt meines Gedankengangs holte mich Hunter mit seiner rauen Stimme wieder in die Realität zurück. "Hm?", äußerte ich einen nachdenklichen Laut, der signalisieren sollte, dass ich den Worten des Amerikaners zugegebenermaßen nur mein halbes Ohr geschenkt und somit nicht alles mitbekommen hatte. Zum Beispiel war seine durchweg sarkastische Bemerkung überhaupt gar nicht hängen geblieben. Auch das er mich ein Stück enger zu sich heran gezogen hatte, war irgendwie an mir vorbei gegangen. Dagegen einzuwenden hatte ich allerdings nicht und somit lehnte ich meinen Kopf leise seufzend gegen seine Schulter, stets bedacht darauf, die grün-gelben bis blauen Hämatome nicht weiter zu reizen. Du bestehst nicht auf eine eigene Wohnung, wenn wir hier weg sind, oder? ... Mein Gott, kam mir dieser Satz bekannt vor. Vermutlich aus dem Grund, dass Daith mir damals die selbe Frage gestellt hatte, als ich mich dazu entschlossen hatte, Frankreich für ihn aufzugeben, um gemeinsam mit ihm hier oben in Norwegen sesshaft zu werden. Damals war die Antwort schnell gefunden, sehr leicht gewesen, weil ich mit einer gemeinsamen Wohnung noch nichts schlechtes verband, aber heute war das anders. Heute hatte ich fast ein wenig Angst davor, mir die Vier Wände mit Jemanden teilen zu müssen, weil sowas immer auch einen gewissen Grad an Verpflichtung mit sich brachte. Und mir stand weniger der Sinn danach, den Rest meines Lebens als Hausfrau zu verbringen, die sich nur um Haus und Hof kümmerte. Zudem liebte ich meine Freiheiten und wusste nicht, inwieweit sich diese mit einer geteilten Wohnung noch vereinbaren ließen. Klar, aus finanzieller Sicht profitierten gerade bei einem Neustart natürlich beide davon, würde weder Hunter, noch mir am Anfang die volle Summe unseres Vermögens zur Verfügung stehen, aber trotzdem... Ich war unsicher und das sah man mir im jetzigen Augenblick wohl auch eindeutig an. Nichtsdestotrotz wollte ich dem Amerikaner gerne schon jetzt eine Antwort auf die einzige Frage geben, die mich durch den Schleier von Gedanken erreicht hatte, aber was sollte ich ihm sagen? "Ich ... das ... keine Ahnung.", waren die ersten hörbar unüberlegten Worte, die ich von mir gab. Dann riss ich mich endlich am Riemen und entschied mich ganz bewusst dazu, die Vergangenheit vergangen sein zu lassen und mich jetzt voll und ganz auf die Zukunft zu fokussieren. Immerhin war ich diejenige gewesen, die behauptet hatte, dass man manchmal über die Schatten seiner Vergangenheit springen musste, um zu seinem Glück zu finden. Das hier wäre also ein klassischer Fall von Doppelmoral, wenn ich mich von den miesen Erfahrungen mit Daith in der Beziehung jetzt beeinflussen lassen würde. Aktuell konnte ich mit ruhigem Gewissen behaupten, dass ich mit dem Mann zu meiner Rechten gerne ein bisschen mehr Zeit verbringen würde. "Nein, tue ich nicht. Hab jetzt mehrere Jahre alleine gelegt, wird Zeit, dass mir endlich mal jemand auf den Keks geht.", versuchte ich die gedrückte Stimmung mit einer gen Ende recht sarkastischen Bemerkung wieder etwas aufzulockern. Dabei hatte ich den Blick, welcher bis zuletzt auf dem gefliesten Boden geruht hatte, wieder angehoben, um Hunter bei meiner Antwort in die Augen sehen, seine Reaktion beobachten zu können.
Wie ich es bereits erwartet hatte, fühlte Tauren sich direkt angesprochen, was mir in einer sehr kurzen, schmerzfreien Zeit ein schmales Grinsen auf die Lippen zauberte. Eigentlich hatte ich ja absolut keinen Grund, hier all Ritt gegen den lädierten Norweger zu wettern, wo er mir doch bis zuletzt überhaupt nichts getan hatte, aber irgendwie... war es ganz einfach witzig, sich mit jemanden auf Augenhöhe zu necken. Jemand, der nicht direkt klein bei gab oder weinend zu Mutti rannte, weil Ironie und Sarkasmus den Rahmen von Gut und Böse gesprengt hatten. Keine Ahnung, diese verkorkste Art von Humor war einfach genau meins, ich könnte ewig so weiter machen. Oder zumindest so lange, bis ich mich dann genug amüsiert hatte und mir mein eigener Sinn für ungehobelte Sticheleien aus den Ohren heraus kam. Aktuell war diese Grenze aber noch lange nicht erreicht, weshalb ich bei Taurens Worte selbstverständlich zum Gegenschlag ausholte, der zumindest gedanklich nicht lange auf sich hatte warten lassen. "Klar, das würde ich jetzt auch sagen. Aber du brauchst dich doch für den Konsum von Drogen nicht zu schämen. Ich meine, ich bin nicht mal du und verspüre schon das Bedürfnis, mir das Hirn wegballern zu wollen. Will mir nicht ausmalen, wie du dich fühlst. Den ganzen Tag eingesperrt mit dir allein. Muss hart sein.", antwortete ich hörbar ironisch und erneut zierte meine Lippen ein durchweg amüsiertes Grinsen. Ich hatte in dem Moment eine Position gefunden, mit der ich mein Schlüsselbein auf eine sehr angenehme Art und Weise entlasten konnte und wenn plötzlich nicht mehr so viel Gewicht auf die Kugel drückte, ließen sich die Schmerzen eigentlich ganz gut aushalten. Was nicht hieß, dass ich hier jetzt noch länger als unbedingt nötig warten wollte, aber es ließ mich immerhin meine angespannten Gesichtszüge ein wenig entspannen und ermöglichte ein leises Lachen, ohne das ich es danach bereuen musste. Dmytro, der vermutlich gerade einmal die Hälfte von dem, was ich gerade gesagt hatte, verstand, rollte bereits etwas genervt mit den Augen, was meinen Blick dann kurzzeitig doch noch einmal funkeln ließ. Er schien sich nicht gerade dafür begeistern zu können, dass ich nach der Nacht noch darauf aus war, mir die Laune wohl wissend damit verderben zu wollen, hier eine schier endlos wirkende Diskussion loszutreten. Aber das war ganz alleine meine Sache und hatte ihn auch als meine rechte Hand nichts anzugehen. Das ließ ich ihn auch umgehend wissen, als ich ein paar deutlich lautere, russisch-italienische Worte an ihn los wurde, auf die er wie ein getretener Hund das Wohnzimmer verließ und stattdessen seinen Posten alleine im Flur bezog. Durch die etwas aufgebrachtere Stimmlage, hatte sich die stützende Hand wieder gelöst und der Schmerz brach förmlich über mich hinein. "Man, nicht einmal fünf Minuten, ohne das einem irgendwas madig gemacht wird hat man hier.", zischte ich jetzt doch wieder mit hörbar schmerzverzerrter Stimme. Irgendwie ließ sich die Haltung auch nicht so promt wieder herstellen, weshalb ich mich dazu entschied, auf einem Sessel unweit der Couch nieder zu lassen und meinen Arm auf der Lehne abzulegen. Vielleicht konnte die mir ja helfen, meinen Arm bis zum Eintreffen des Doktors ein wenig zu entlasten.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Die Rothaarige schien mir doch irgendwie ziemlich abwesend zu sein. Natürlich wusste ich nicht, worüber sie sich gerade explizit den Kopf zerbrach, aber es würde sicher irgendwas mit den auf uns zukommenden Aktionen hinsichtlich des Starts in ein neues Leben zu tun haben. Verübeln konnte man ihr das sicher nicht, gerade wenn sie mit einem momentan doch irgendwie nicht so ganz stabilen Squad in ein neues Land zog. Zwischen Sabin und mir war alles gut und auch ein paar meiner Männer hielten mir weiter den Rücken stark, nur Richard... na ja. Ich konnte ihn nach wie vor nicht leiden, aber er war wohl bis zu einem gewissen Grad notwendig für die Drogen, mit denen Sabin mir weiter die hohe Summe abbezahlen wollte. Außerdem glaubte ich nicht, dass der Idiot gerne hier oben in Norwegen bleiben wollte, wo sein Gesicht den Italienern doch jetzt mehr als bekannt war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis weitere nach Oslo kommen und Nachforschungen anstellen würden, er täte also gut daran mit uns zu verduften, wenn er sein Leben nach Alledem noch behalten wollte. Sydney... tja, die kam wohl auch mit, wenn sie das wollte. Allerdings würde sie sich über kurz oder lang überlegen müssen, wie sie sich finanzieren wollte, weil ich sie nicht weiter für lau unter einem meiner zukünftigen Dächer hausen lassen würde. Das konnte sie sich abschminken. Entweder sie kam irgendwie an Schotter und reichte den an mich weiter, oder aber sie sah selbst zu, wie sie zurecht kam. War nicht mein Problem, war sie jetzt doch nicht mehr wirklich von Nutzen für mich. Es würde also durchaus abenteuerlich werden, wenn wir den Boden eines neuen Landes unsicher machten. Es dauerte eine Weile, bis Cosma mir letztlich antwortete, aber ich hatte es im Moment auch nicht eilig. War zwar ziemlich neugierig auf ihre Antwort, konnte mich dahingehend wegen der Erschöpfung gerade aber ganz gut beherrschen. Die junge Frau schien sich im ersten Moment nicht recht sicher zu sein, ob sie denn wirklich mit mir zusammenziehen wollte, revidierte ihre erste Antwort aber doch bald mit einer weitaus zufriedenstellenderen. Ihre letzten Worte ließen mich unweigerlich wieder ein klein wenig grinsen. "Das kann ich gut.", erwiderte ich nicht weniger sarkastisch und neigte meinen Kopf etwas mehr in ihre Richtung, um sie sachte auf die Stirn zu küssen. "Hast du denn Wünsche?", stellte ich ihr eine weitere Frage. Vielleicht ging es ihr ein wenig besser mit dem Thema, wenn sie darüber nachdachte, was sie am liebsten hätte. Was ihr an einem neuen Heim wichtig war. "Hanglage? Mitten im Nirgendwo? Direkt am Strand? Eine Dachterrasse?", ließ ich sie mit ein paar Beispielen noch wissen, worauf ich hinaus wollte, damit wir uns nicht missverstanden.
Ich schnaubte leicht und lachte direkt im Anschluss leise auf, als die schlagfertige Russin mir ihre nächste reizende Ausführung von trockenem, fiesem Humor präsentierte. Sabin verstand wohl nicht ganz, warum ich mir diese Diskussion freiwillig antat und drehte seinen Kopf in meine Richtung, sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Allerdings reagierte ich gar nicht darauf, weshalb er sich wieder abwendete und erneut an seinem Wasser nippte. Ich wollte gerade zum wörtlichen Gegenschlag ausholen, da fauchte Vahagn erst einmal ihren Handlanger an und damit gleich aus dem Raum. In der Zwischenzeit bat ich den Italiener neben mir also mal um sein Wasser, um mir ebenfalls ein paar Schlucke davon zu genehmigen. Meine Kehle war momentan recht häufig trocken und da kam mir das gelegen, bevor ich mich dann endgültig wieder ganz auf die hübsche junge Frau konzentrierte. "Ich schäme mich eigentlich sowieso für absolut gar nichts. Wird einem irgendwie abgewöhnt, wenn man der Türsteher eines Auftragskillers ist.", stellte ich erst einmal ziemlich ironisch fest, dass es tatsächlich nicht viele Dinge gab, für die ich mich schämte. Nicht mehr jedenfalls. "Und ich kann dich beruhigen, ich hab wirklich keine Probleme mit mir selbst. So selbstverliebt wie unser Amerikaner bin ich zwar nicht, aber ich hab doch schon ein paar nette Vorzüge, wenn du mich fragst.", blieb ich weiterhin recht redselig und dehnte mir dann ein wenig den vom vielen Liegen und Sitzen verspannten Nacken, der prompt leise knackte und mir damit ein Seufzen entlockte. Ich war hier mit der Jüngste und trotzdem knackte es zeitweise an allen Ecken und Enden. Bedauerlich. "Und ich hab' keine Handlanger, die mir auf den Sack gehen, das ist echt was wert. Da bevorzuge ich's doch eindeutig, wenn du das übernimmst.", ließ ich die hübsche Brünette mit einem neckischen Augenzwinkern wissen, dass ich es wohl trotz ihrer permanenten Abweisung gegen meine Person nach wie vor ein bisschen darauf anlegte, mich in ihrer herrlichen erfrischenden Aufmerksamkeit zu sonnen. Vahagn war die einzige hier, die mal ein wenig Wind mit in die Bude brachte und sie war sicher bald wieder weg, wenn sie die Operation ihres Schlüsselbeins dann hinter sich hatte. Sie durfte sich andererseits aber auch gerne mit auf mein Sofa verkriechen, ich würde mich auch schmal machen. Oder wir stapelten, wogegen ich selbstredend auch nichts einzuwenden hätte... Wunschdenken.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunter schien es wohl direkt darauf anzulegen, die Aussage mit dem 'auf den Keks gehen' wortwörtlich zu nehmen, als er mich nach etwaigen Wünschen für die Location eines gemeinsamen Eigenheims direkt mit unzähligen, in meinen Augen vollkommen überbewerteten Möglichkeiten überhäufte. Zwar hatte ich inzwischen wieder ein leichtes Grinsen auf den Lippen, aber das viele Gequassel überforderte mich in dem Moment trotzdem ein wenig. "Ich weiß noch nicht einmal, was ich heute Abend essen möchte. Was das angeht, brauche ich sicher noch ein oder zwei Nächte, um darüber nachzudenken. Wobei mir ein Schuppen wie dieser hier ausreicht, wenn das Bett was taugt.", antwortete ich wahrheitsgemäß und zuckte daraufhin mit den schmalen Schultern. Ich legte nun wirklich nicht viel Wert darauf, wie schick und luxuriös das Dach nun war, unter dem ich lebte. Hauptsache ein gescheites Bett samt nicht allzu kleinem Badezimmer und ich war glücklich. Wobei sich das vermutlich auch ändern würde, denn glücklich war ich nur gewesen, weil ich die meiste Zeit ohnehin in der Smith and Wesson verbracht hatte. Das Wohnzimmer und die Küche waren in meiner ehemaligen Wohnung nicht nennenswert existent gewesen, weil ich das Nötigste in der Kneipe verlagert hatte. Aber wenn wir erst einmal fremdes Land unter den Füßen hatten, würde es vermutlich ein paar Tage dauern, bis ich mich endlich dazu entschlossen hatte, was ich eigentlich machen wollte und dann zogen sicher noch einige weitere Tage ins Land, bis ich wieder arbeitete. Lange auf der faulen Haut liegen war in keinem Fall in meinem Interesse. Ich brauchte Beschäftigung, musste irgendwas machen und konnte nicht nur den lieben, langen Tag Zuhause verbringen. Außerdem würde ich auch gerne ein bisschen Geld mit nach Hause bringen, um zumindest ein kleines bisschen Unabhängigkeit beizubehalten. Zuhause bleiben musste ich aber zwangsläufig - zumindest am Anfang eben. Und da wäre es dann vielleicht doch angebracht, ein bisschen mehr Wert auf den Wohnraum zu legen. Aber gut, wie auch immer. So oder so wusste ich noch nicht, was genau ich mir vorstellte. Ein Haus, eine Wohnung, ein Bungalow ... ein Zelt, keine Ahnung. Konnte ich so spontan einfach nicht sagen, weshalb meine Worte durchaus der Wahrheit entsprachen und ich mir damit nicht einfach nur Zeit erkaufen wollte. "Außerdem weiß doch hier noch keiner so genau, wo es eigentlich hingehen soll. Wie soll ich mich denn da schon auf etwas festlegen? Es macht schon einen gewaltigen Unterschied, ob mein Haus am Strand von Mallorca mit dem Ballermann direkt vor der Haustür oder aber wie hier oben in Skandinavien irgendwo in der Nähe von Bergen liegt, wo dir höchstens mal ein Storch auf dem Flug gen Süden auf die Terrasse kackt... findest du nicht auf? Und selbst wenn du dich schon für ein Land entschieden hast, würde ich mich wohl trotzdem erst entscheiden, wenn wir auch wirklich dort angekommen sind. Vahagn würde ich zutrauen, dass sie uns mitten in Sibirien absetzt. ", stellte ich eine hörbar ironische Gegenfrage und hängte zum Ende hin eine nicht weniger ironische Aussage hinten dran. Fakt war nach wie vor, dass ich der russischen Schönheit nicht wirklich über den Weg traute. Mochte sein, dass die Zusammenarbeit gut geklappt hatte, aber da hatte sie auch in ihrem eigenen Interesse gehandelt. Wer wusste schon, ob ihr davon ab nicht doch noch der Sinn danach stand, Hunter und dem Rest unseres kleinen Suicide Sqauds eins auszuwischen. Ich würde ihr sogar zutrauen, dass das nicht einmal einen ansatzweise nachvollziehbaren Grund haben musste, so gehässig wie sie auf mich wirkte.
"Du meinst wohl der Fußabtreter eines Auftragskillers?", korrigierte ich Taurens Aussage belustigt, weil die Steilvorlage einfach viel zu gut dafür war, um nicht direkt ausgenutzt zu werden. Zweifelsohne passte die Eigenschaft 'schamlos' sowohl auf die eine, als eben auch auf die andere Option, was mir ebenfalls ein leises Lachen die Kehle hinauf trieb. Was meinen Arm anging, hatte ich mittlerweile aufgegeben und versuchte, mich mit den Schmerzen einigermaßen zu arrangieren. Und gerade, als ich langsam akzeptierte, dass sich da nicht mehr viel dran deuteln ließ, vernahm ich den aufgeweckten Doktor in meinem Augenwinkel. Das wiederum war weniger amüsant und ließ mich leise seufzen, weil das hieß, die Unterhaltung an der Stelle cutten zu müssen. Wirklich bedauerlich, dabei wurde es doch gerade jetzt wirklich interessant, als Tauren anfing, über seine Vorzüge reden zu wollen. Nicht, dass ich ernsthaft an einer Art Beziehung oder dergleichen interessiert war, aber optisch war der Kleine schon ein Hingucker, auch wenn er mir noch immer deutlich zu jung aussah. Vielleicht änderte sich das ja irgendwann noch mal, wenn seine Barthaare sich dazu entschlossen, auch am Rest des markanten Kinns zu sprießen. "Tja, schade. Ich hätte mir ja gerne noch angehört, was du so zu bieten hast, aber da legt mich so ein alter Knacker doch glatt schneller flach, als du bis drei zählen kannst. Echt enttäuschend.", stellte ich mit reichlich Ironie in der Stimme fest und schüttelte gespielt enttäuscht mit dem Kopf. Nicht für lange, denn der Schwindel setzte wieder relativ schnell ein und verdarb mir somit auch noch das letzte Bisschen Freude, die ich bis gerade eben noch verspürt hatte. Aber es half ja alles nichts. Die Kugel musste dringend heraus operiert werden, sonst hätte sich das mit der beschwingten Laune in Zukunft gänzlich erledigt. Also raffte ich mich wohl oder übel wieder auf die Beine, um den Mittfünfziger kurz darauf in den Keller zu folgen. Bevor ich die Tür zum Flur allerdings passierte, drehte ich mich noch einmal in Richtung des Norwegers. "Wenn der wehleidige Jammerlappen neben dir die Biege gemacht hat, sag mir Bescheid. Bin gern bereit, meine Pillen mit dir zu teilen, wenn Hunter dir schon keine mehr gönnt." Und auch wenn ich wusste, dass Tauren ein braves Hündchen war und sich den Anweisungen seines Chefs vermutlich nicht widersetzen würde, stand mein Angebot und ich verließ mit einem letzten Augenzwinkern endgültig den Wohnbereich. Bevor ich wieder nach Italien abzischte, hatte ich gegen ein paar Kuscheleinheiten, nichts Ernstem absolut nichts einzuwenden. Das war dann aber auch wirklich das Höchste der Gefühle, hielt ich von Fickbeziehungen, beziehungsweise Beziehungen im Allgemeinen nicht wirklich viel.
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Ich konnte nicht viel mehr, als entschieden den Kopf zu schütteln. Alles, aber kein gottverdammtes Sibirien. Wenn ich schon die Möglichkeit dazu hatte mir etwas auszusuchen, das sowohl der Außentemperatur, als auch meinem Geschäft zu Gute kam, dann würde ich das eindeutig vorziehen. Zumal die Russin sich sehr sicher davor hüten würde, mir auf der Nase herumtanzen zu wollen. Sie mochte nicht weniger impulsiv sein als ich selbst auch, aber sie wirkte nicht so auf mich, als wäre sie dumm. Sie wusste, dass ich Sowas nie im Leben auf mir sitzen lassen und sie das teuer zu stehen kommen würde. Noch dazu wäre sie schön blöd, wenn sie sich das Geld, das in der Summe für die ganze Mannschaft kaum wenig sein dürfte, durch die Lappen gehen lassen würde. Davon würde die Brünette nämlich genau keinen einzigen Cent sehen, solange ich nicht da angekommen war, wo ich hin wollte. Daran gab es Nichts zu rütteln. "Nein, halte ich ehrlich gesagt für unwahrscheinlich...", erwiderte ich also erst einmal sehr entschieden klingende Worte. Fast im gleichen Moment ging Vahagn hinter dem Arzt her am Türrahmen vorbei und ich fragte mich einen kurzen Moment, ob letzterer womöglich Hilfe brauchte. Aber sollte dem so sein, meldete er sich für gewöhnlich immer zu Wort, also würde er das wohl auch jetzt tun, wenn er für irgendwas eine dritte oder vierte Hand brauchte. Deshalb galt meine Aufmerksamkeit wieder ganz der Rothaarigen, deren Kopf nur so von Skepsis gegenüber der Russin getränkt zu sein schien. "Sie ist sehr eigen, aber nicht dumm. Erstens sieht sie keinen Cent von uns, bis wir nicht angekommen sind und zweitens weiß sie, dass ich sie killen werde, wenn sie mich verarscht. Ich glaub da brauchst du dir eher keine Sorgen zu machen.", versuchte ich die zierliche junge Frau neben mir dahingehend ein wenig zu beruhigen und schlüpfte mit der Hand unter ihr Shirt, um dort sanft an der Taille über ihre Haut zu streichen. "Mir wäre ja schon eher nach ein bisschen mehr... Wärme. Ich bin hier oben zwar ziemlich kälteresistent geworden, aber man muss es nicht übertreiben.", gab ich auch da ein wenig ironisch meinen Senf zu, weil ich doch gerne in wärmere Gefilde wechseln würde. "Wir sollten uns einfach morgen Nachmittag irgendwann alle zusammensetzen und abwägen, was am idealsten wäre.", stellte ich abschließend fest, dass wir am besten wohl alle zusammen entschieden, wo es letztendlich hin ging. Also alle außer Richard, wenn es nach mir ging. Aber der war vermutlich sowieso schon froh damit, nur nicht mehr geschlagen und getreten zu werden.
Ja, das war wohl mindestens genauso zutreffend. Aber das hatte seine Gründe, mehr oder weniger. Ich hatte eigentlich ja vorher schon gewusst, dass Hunter es nicht auf die leichte Schulter nahm, wenn man gegen noch so irrelevante seiner Regeln verstoßen hatte. Dass das immer gewisse schmerzhafte Folgen mit sich trug und trotzdem hatte ich wider meinem Wissen darüber Dinge getan, die ihm die Suppe versalzten. Ich war wohl ganz einfach deutlich weniger handzahm, als die Brünette mich einschätzte, wie mir schien. "Naja, was soll ich sagen... ich bin wohl nicht immer so brav, wie du mich offenbar einschätzt.", erwiderte ich also lediglich mit einem leichten Schulterzucken. Grinste dabei ungeniert weiter vor mich hin, weil das durchaus schon wieder in zweierlei Hinsicht gedeutet werden konnte. Deswegen hatte ich das ja auch ganz bewusst so gesagt. Ich war schon ziemlich enttäuscht darüber, dass der Kerl in Kittel uns dieses nette Gespräch verderben musste, womit es sich zwangsweise weiter nach hinten verschob. Aber es half ja nichts - wenn Vahagn sich die Kugel nicht zeitnah aus der Schulter entfernen ließ, dann hatte sich das mit dem Reden früher oder später ganz erledigt, weil sie entweder verblutete oder der Einschuss sich entzündete. Deshalb seufzte ich leise, weil ich so gar nicht scharf auf die gleich wieder im Raum einkehrende Stille war, leider aber vorerst damit leben musste. Ich hatte den Blick eigentlich schon von der Brünetten abgewendet, als sie ein paar Schritte in Richtung Türrahmen gemacht hatte, erhaschte dann aber doch noch einen letzten kurzen Blick auf sie, als sie mir die letzten paar Worte zuwarf und dann aber auch schon verschwunden war. Musste sie das machen? Ich wusste, dass mich zeitnah der Schmerz einholen würde, weil ich etliche Stunden schon keine Pille mehr nach geschmissen hatte. Womöglich fingen die Verletzungen mich schon im Laufe der restlichen Nacht wieder zu quälen an und Ibuprofen war die einzige, läppische andere Option auf schmerzstillende Mittel. Dahingehend war das Angebot also sehr verlockend, aber ich wusste eben auch, dass Hunter mich endgültig köpfen würde, wenn er davon Wind bekam. Sie war schon einige Sekunden lang weg, als ich mit einem schweren Seufzen die rechte Hand hob und mir mit dem Wort "Frauen...", übers Gesicht wischte. Sie waren eben doch alle ziemlich manipulativ, wenn man mich fragte. Sabin schnaubte, sah wieder zu mir. "Du denkst nicht wirklich darüber nach..?!", warf er fast schon mahnend ein paar Worte in meine Richtung und zog eine Augenbraue nach oben. Er bekam aber nicht mehr als ein Schulterzucken von mir, bevor ich zu Richard sah. "Du bist ja sowas von der nächste da unten auf dem Tisch.", bedeutete ich dem lädierten jungen Mann ungeachtet seiner Umstände, dass er sich gefälligst mit all seinen Verletzungen und guten Gründe zu Wort melden sollte, falls der Arzt doch Ashton vorher unter die Lupe nehmen wollte, der auch verletzt gewesen war. Ich brauchte hier Platz und Richard eine ganzheitliche Betäubung von Geist und Körper durch Narkose, da waren wir uns sehr sicher einig.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das mochte seine Meinung zu der falschen Schlange sein, aber das würde absolut gar nichts daran rütteln, dass ich Vahagn einfach ungerne um mich herum hatte. Ihr nicht traute und nur bedingt bereit war, mich von ihr durch die Weltgeschichte verschiffen zu lassen. Wenn es nach mir ginge, wäre ich wohl lieber auf einem Ruderboot über den Pazifik geschippert, nur damit ich mir die Blöße nicht geben musste, ihre Dienste in Anspruch genommen zu haben. Dass mein Problem mit ihr scheinbar an einer vollkommen anderen Stelle lag, bemerkte ich dabei noch nicht einmal. Zumindest nicht bewusst. Für mich war sie einfach ein zickiges Biest, manipulativ, dominant ... gut aussehend und irgendwie viel mehr das, was augenscheinlich zu Hunter passte. So ... so gleich einfach. Gleicher, als er und ich es waren oder je werden würden jedenfalls. Ja, genau. "Dass du sie jetzt in Schutz nimmst, macht sie nicht unbedingt beliebter, wenn ich sie ohnehin schon nicht leiden kann.", stellte ich relativ trocken fest und wand mich noch im selben Augenblick aus Hunters Umarmung, um schnippisch die zierlichen Arme vor der Brust zu verschränken. "Ich bin einfach der Meinung, dass Frauen da so einen siebten Sinn für haben und ich spüre, dass mit ihr irgendwas nicht stimmt. Sie ist nicht bloß eigen...", redete ich weiter, wobei ich das letzte Wort im Satz ganz bewusst abwertend betonte. Ich hatte keinesfalls vor, hier jetzt einen Streit oder dergleichen anzuzetteln, aber es schmeckte mir überhaupt nicht, dass Hunter Vahagn in Schutz nahm. Er hatte gefälligst zu mir zu stehen und meine Meinung zu verteidigen, nicht die einer dahergelaufenen Russin mit so perfekt langen Beinen und den auffälligen Tattoos! Und wo man vom Teufel sprach, stahl sie sich just in diesem Moment im Beisein des Doktors an der Küchentür vorbei und plötzlich war ich mir nicht sicher, ob ich es jetzt für gut oder schlecht befinden sollte, dass potenziell die Chance bestanden hatte, dass sie meinen kleinen Tobsuchtsanfall mitbekommen hatte. Wobei das schon etwas übertrieben war, immerhin stand das Mobiliar noch an ihrem Platz und die Messer steckten auch alle noch fein säuberlich im Messerblock. Hunter stand auch noch hinter mir und das ziemlich lebendig, also war ja alles noch im grünen Bereich. Aber das würde ich mir vermutlich noch überlegen, wenn der Amerikaner es weiterhin für eine gute Idee hielt, positive Seiten an Vahagn aufzuzählen. Mochte sein, dass es da durchaus welche gab, aber die wollte ich ganz einfach nicht hören, nicht glauben und erst recht nicht wahrhaben. Solange er sich an diese simple, natürlich unausgesprochene, Bitte hielt, würden wir die Küche in jedem Fall noch lebend verlassen. Entschied Hunter sich dagegen... na ja, dann konnte ich wohl für nichts mehr garantieren. Was dann die Sache mit der geografischen Lage unseres Neubeginns anging, war mir irgendwie die Lust daran vergangen, mir noch heute darüber den Kopf zu zerbrechen. Aber streng genommen war mir das Reiseziel auch vollkommen egal. Ich hatte mich hier oben im Norden bereits gut zurecht gefunden, Frankreich mit einem eher gemäßigtem Klima war auch nie ein Problem gewesen, da würde ich mit hohen Temperaturen auch schon irgendwie zurecht kommen.
Ah, so einer war Tauren also, ja. Sehr nett, wirklich. Ich merkte schon, dass das Schicksal am heutigen Tag nicht mehr Gutes, als die Befreiung aus den Fängen der Italiener für mich vorgesehen hatte, denn seit wir dieses Haus hier betreten hatten, folgte ein Schlag gegen die ohnehin schon angeknackste Psyche nach dem anderen. Erst die Sache mit Hunter und Cosma, auf die ich mich mental zwar seit Agnolos Offenbarung vorbereitet hatte, aber trotzdem noch nicht richtig mit umzugehen wusste und jetzt das. Da wollte mich mein Leidensgenosse für irgendeine russische Hure von der Couch haben. Sehr freundlich. Würde ich nicht vergessen, da konnte er Gift drauf nehmen. Und er sollte sich in diesem Augenblick wirklich glücklich schätzen, dass es mir weitaus beschissener ging als ihm, weil sich um meine Wunden bisher noch nicht gesorgt worden war. Lediglich eine läppische Schmerztablette hatte man mir in die Hand gedrückt, aber das war es auch schon gewesen. Ich musste sicher nicht erst noch erwähnen, dass die einen Scheißdreck half, bei den vielen Wehwehchen, die ich mit mir herum schleppte. "Ich würde dir gerade so gerne ... wirklich gerne einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen.", gab ich mit reichlich erschöpfter Stimme von mir, weil die Energie zunehmend weiter aus meinem Körper zu entweichen schien. Zwar waren die ein oder anderen Schnitt- und Stichverletzungen bereits im Hotel provisorisch verarztet wurden, aber noch lange nicht genug, als das es mich jetzt in Ruhe schlafen lassen könnte. "Ich weiß, dass Hunter und ich immer unsere Schwierigkeiten hatten, aber dich hätte ich für ein bisschen weniger herzlos gehalten.", fügte ich doch wirklich hörbar verletzte Worte hinten dran. Es schien, als hätte sich die Welt im Moment sowas von gegen mich verschworen, dass ich mir wirklich die Frage stellte, ob im Hotel abzunippeln nicht doch die bessere Option gewesen wäre. Scheinbar hielt es nämlich niemand so wirklich für nötig, bei mir noch einmal nach dem Rechten zu sehen. Was Tauren von meinen Verletzungen hielt, hatte er ja gerade ganz deutlich gemacht, Sabin hatte mir nicht einmal ein Schluck Wasser angeboten und Cosma war direkt mit Hunter nach Narnia verschwunden. Dabei hatte er einen einfachen, Gott verdammten Streifschuss. Nichts Wildes, er würde es überleben, dahingegen waren meine Wunden sehr viel schwerwiegender. Also ja, an der Stelle musste ich wohl ganz kurz festhalten, dass die Worte des Norwegers in dem Zusammenhang ... na ja, in meinen Augen nicht sehr weise gewählt waren, er aber im Grunde genommen schon irgendwo Recht hatte. Es wäre schon gut, wenn ich der nächste war, den sich der Doc ansehen würde, aber der Zeitpunkt, mir das zu sagen, war ja wohl denkbar ungünstig. Er brauchte sich also nicht wundern, dass ich die vielleicht ernst gemeinten Worte in den falschen Hals bekam.
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Heilige Scheiße, was war denn jetzt los? Hatte ich irgendwas verpasst? Ich meine, es war jetzt wirklich nicht weit hergeholt, dass es Leute geben würde, die Vahagn nicht leiden konnten. Mir stand selbst ja auch nicht im Sinn irgendeine Art von zwischenmenschlicher Beziehung mit ihr zu entwickeln. Auch keine rein platonische Freundschaft, weil ich nicht glaubte, dass sowas bei uns beiden mit zwei Lebenden ausgehen würde. Ich brauchte sie nur noch um von A nach B zu kommen und vielleicht hier und da mal meine Möglichkeiten für Transportmöglichkeiten zu erweitern, mehr nun wirklich nicht. Da ging es lediglich ums Geschäft und das würde immer mit Geld besiegelt werden. Nicht mit einem freundschaftlichen Händedruck und 'Gern geschehen'. Warum war Cosma jetzt eifersüchtig? Hatte ich irgendwo auch nur die geringsten Signale dafür gesendet, dass ich in irgendeiner absurden Hinsicht Interesse an der Russin hatte? Ich konnte mich für meinen Teil nicht daran erinnern, sollte dem so gewesen sein... und mein Gedächtnis war trotz des Alkoholkonsums eigentlich noch sehr gut. Es fiel mir in diesem Augenblick wirklich unfassbar schwer mir nicht anmerken zu lassen, das ein helles Lachen meine Kehle hinaufkriechen und sich Luft verschaffen wollte. Ich verkniff es mir auf Biegen und Brechen, senkte mit einem leichten Kopfschütteln den Schädel nach vorn und stützte mich auch noch mit der zweiten Hand nach hinten auf dem Tisch ab. "Cosma... Ich nehme sie hier nicht in Schutz. Ihr Dachschaden ist nur einfach offensichtlich, den brauch ich nicht in Worte zu fassen. Alles, was ich mit Vahagn zu tun haben will, bezieht sich auf rein geschäftliche Angelegenheiten und kein bisschen mehr. Kein Grund eifersüchtig zu sein.", äußerte ich mich also zu der ganzen Geschichte und während meiner Worte erstickte sich das Lachen in meinem Hals von ganz allein, bevor ich den Kopf langsam wieder anhob und die Rothaarige ansah. Der Blick relativ neutral, wenn auch müde, weil ich den Aufriss hier gerade ehrlich gesagt nicht verstand und ihn für unnötig hielt. "Sollte sich dein siebter Sinn", was auch immer der genau war. Vermutlich das hinterhältige-attraktive-Bitch-Radar. "bestätigen kann ich sie immernoch umlegen. Was absolut kein Problem wäre, weil mir rein gar nichts an ihr liegt.", unterstrich ich ein weiteres Mal die Tatsache, dass mir nun wirklich nicht der Sinn danach stand mir eine weitere Frau anzulachen. Ich hatte ja kaum Zeit für eine, was wollte ich da mit einer zweiten? Außerdem wusste Cosma doch von Allen hier am besten, wie schwer ich mir überhaupt damit tat Irgendwem zu vertrauen. Klar, Vahagn war schon attraktiv und ich war sexuell womöglich gerade ziemlich unausgelastet, aber das tat hierbei gar nichts zur Sache. Sie interessierte mich nicht und würde das auch zukünftig nicht, dessen war ich mir absolut sicher.
Ups. Zugegeben hatte ich mir wirklich keine Gedanken darüber gemacht, was meine ziemlich forschen Worte womöglich auslösen konnten und deswegen kam Richards kleiner Nervenzusammenbruch auch recht unerwartet. Entsprechend überfordert mit seiner heftigen Reaktion und mit einem sichtlich verdutzten Gesichtsausdruck musste ich ihn gerade auch ansehen, weil mir eigentlich gar nicht der Sinn danach gestanden hatte dem Dunkelhaarigen auf die Füße zu treten. Ich war normalerweise ein ziemlich empathischer Mensch, aber gerade war ich wohl einfach ziemlich blind von Opiaten und... naja, Testosteron gewesen. Das sollte jetzt keine Entschuldigung für meinen unschönen wörtlichen Fehltritt sein, aber es war eben eine Tatsache. Ich hob beschwichtigend die Hände - eine davon immer noch mit der Wasserflasche gespickt -, wandte mich dem Schwerverletzten dabei auch ein wenig mehr zu und sah ihn entschuldigend an. "Das... ich hab's nicht so gemeint, Richard. Tut mir leid, ich wollte nicht...", stammelte ich ein wenig überfordert mit der Situation vor mich hin, wusste nicht so recht wohin mit mir selbst und noch weniger wohin mit den Emotionen des aufgebrachten Engländers. Ich konnte ihn ja verstehen, so war es nicht. Meine Worte waren reichlich unsensibel und egoistisch gewesen, rückblickend betrachtet. "Ich bin einfach schrecklich unausgelastet.", stellte ich mit einem leisen Seufzen fest, als ich die Hände langsam wieder sinken ließ. Ich fand täglich zu mehr Lebensenergie zurück und die Opiate beflügelten mich nun mal zusätzlich... dahingehend hatte Hunter womöglich also durchaus Recht, mir den Scheiß lieber wieder weg zu nehmen. In Hinsicht auf Vahagn blieben sie aber dennoch schrecklich verlockend, das ließ sich nicht von mir leugnen. "Willst du was trinken?", ja, mein Einfühlungsvermögen kam reichlich spät. Ich hielt ihm dennoch im gleichen Atemzug ein wenig die Flasche entgegen. Wohlwissend, dass er sie mir genauso gut gereizt aus der Hand schlagen könnte. Aber bitte, das hatte ich mir jetzt selbst eingebrockt. "Und die Decke? Ich brauch sie eigentlich nicht mehr wirklich..", machte ich ihm weiterhin leicht überfordert noch ein zusätzliches Angebot. Dabei war ich hier gar nicht die Krankenschwester. War eigentlich Sabin's Job, der sich stattdessen jedoch ganz von uns abwendete und das Wohnzimmer reichlich genervt verließ. Was hatte er denn jetzt? Ihm ging es hier im Haus doch mit am besten. Zumindest rein körperlich gesehen in jedem Fall.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ja ja, behaupten konnte man viel, wenn der Tag lang war, aber faktisch gesehen glaubte ich ihm in diesem Augenblick kein einziges Wort. Zwar war ich mir dessen bewusst, dass Hunter ein sehr ehrlicher Mensch war und in dem Punkt auch absolut keinen Grund gehabt hätte, mich anzulügen, aber der geistige Dünnschiss in meinem Oberstübchen wollte wohl noch ein bisschen weiter brodeln. Einfach so ... weil er es eben konnte und ich absolut gar nichts dagegen tun konnte. Nicht einmal der gesunde Menschenverstand konnte da noch einschreiten, klopfte dieser doch ganz leise irgendwo im letzten Eckchen meines Gehirns verzweifelt an die Tür. Aber die Eifersucht - wie Hunter es so schön pragmatisch in Worte gefasst und mich damit noch einen Gang höher hatte schalten lassen - ließ die Vernunft vorerst nicht rein, also musste letztere noch eine Weile im Regen stehen und zusehen, wie meine Gefühle sich nacheinander in den Wagons der Achterbahn anschnallten. "Ich bin nicht eifersüchtig!", stritt ich also erst einmal ganz vehement ab, was eigentlich offensichtlich war. Dass ich dabei schon wieder etwas lauter wurde und mich mit einem entsprechend angefressenden Gesichtsausdruck wieder dem Amerikaner zuwendete, sollte meine Meinung hinsichtlich seiner, in meinen Augen vollkommen absurden These eigentlich untermauern. Tat sie vermutlich auch, nur würde sie wohl weniger das bewirken, was ich eigentlich erzielen wollte und viel eher bestätigen, was er vermutete. Na ja. "Wenn ich eifersüchtig wäre, dann sähe das ganz anders aus." Nein ... nein, vermutlich würde es genau so aussehen und kein Bisschen anders. "Es ist einfach... keine Ahnung. Das... Sie... Ach, was auch immer, leck mich doch.", war so ziemlich alles, was mir aus der Not heraus noch über die Lippen kam, kurz bevor ich mich Zähne knirschend in Richtung Tür begab, weil ich einfach merkte, wie haltlos meine ganzen Anschuldigungen eigentlich waren und ich der unangenehmen Situation fürs Erste gerne entkommen würde. Mir fiel einfach nichts mehr ein, was ich dem jungen Mann an den Kopf werfen konnte, weil es da, verdammt noch mal, auch einfach nichts gab. Und wieso nicht? Wieso konnte die Hure von Vahagn nicht wenigstens noch den Anstand besitzen, mir wenigstens einen guten, einen richtigen Grund zum Streiten geben? Streng genommen hatte mir Hunter nämlich keinen nennenswerten Grund gegeben, welches mein Verhalten auch nur im Ansatz rechtfertigte und das wurde mir bei seinen folgenden Worten schmerzlich bewusst. Nun war es leider so - und er wusste das wohl mit am besten -, dass Fehler eingestehen so überhaupt nicht meine Stärke war und ich dann doch lieber die Flucht ergriff, bevor die ganze Sache sich noch weiter hochschaukelte. Wie gesagt: Streit anzuzetteln war definitiv nicht meine Intention und das war mit einer der Gründe, warum ich dem Ganzen hier jetzt am liebsten einfach aus dem Weg gehen würde. Am Ende musste ich mich noch entschuldigen und dann war meine Laune für die heutige Nacht vollkommen hinüber. Sie stand nämlich aktuell schon kurz davor einen Abgang zu machen, weil mir beim Distanzieren von dem jungen Mann wieder einfiel, wie schlecht es ihm eigentlich ging und das er es wirklich nicht verdient hatte, so behandelt zu werden. Ganz gleich, was für ein egoistisches Arschloch er sonst war, er hatte heute unter anderem für mich sein Leben riskiert, also sollte ich wohl ein kleines bisschen dankbarer sein, aber ... es fiel mir so schwer, wenn ich mir auf den Schirm rief, wer ihn dabei unterstützt hatte. Mein Gott. Nein. Mit diesem ganzen Thema rund um Gefühle würde ich wohl nie wieder so richtig warm werden.
Mhm, klar, wenn man jetzt nach ein bisschen Aufmerksamkeit flennte, waren alle sofort für einen da, aber so von selbst kam da keiner drauf. Ich wusste schon, warum ich nur selten mal jemanden wirklich als einen Freund titulierte, waren die meisten doch nur nett zu einem, wenn sie etwas von einem brauchten. Aber gut, wie auch immer. Bis jetzt hatte ich es alleine ja doch schon relativ weit gebracht und sobald die Wunden großflächig abgeheilt waren, würde mich von dem ganzen Gesindel hier wohl ebenfalls wieder distanzieren, wusste ich doch jetzt, woran ich war. Dass wir innerhalb der nächsten Tage Norwegen verlassen würden - und dass das wohl auch für mich keine sonderlich schlechte Idee war -, hatte mir ja bis jetzt noch keiner verklickert, deshalb stellte ich mir das in meinem leicht dösigen Zustand gerade alles so dermaßen leicht vor, aber okay. Irgendwann würde da sicher noch einmal Jemand auf mich zukommen, wenn es dann langsam Zeit wurde, die Koffer zu packen. Normalerweise hätte mich Taurens sichtlich überforderte Reaktion auf meinen sehr sentimentalen Gefühlsausbruch sicher zum Lachen gebracht, aber tatsächlich stand mir gerade nur noch der Sinn nach laut losheulen. Nur hatte ich das bereits hinter mir und wusste daher, dass das unnötig viel Energie kostete, die ich im Moment echt nicht entbehren konnte. Vielleicht würde mir etwas zu Trinken tatsächlich dabei helfen, wieder zu Kräften zu kommen. Also schlug ich zumindest schon mal die Wasserflasche nicht aus, die Tauren mir im nächsten Atemzug nach seiner Entschuldigung anbot. Die Decke würde ich fürs Erste aber ablehnen, weil ich mich vorher wirklich noch kurz um die Wunden kümmern wollen würde, wenn es schon niemand anderes tat. "Ich... such mir erst einmal ein Spiegel und fall' vor Schreck hoffentlich tot um. Hier gibt es dann doch sicher noch ein weiteres Zimmer, damit ich dir und deiner Perle nicht dazwischen funke.", äußerte ich nüchtern, was zum Einen mein weiteres Vorhaben war und zum Anderen noch einen recht bissigen Kommentar direkt hinterher, einfach weil wegen. Weil mir der Sinn danach stand, so. Nachdem ich also einen, vielleicht auch zwei großzügige Schlucke aus der Wasserflasche genommen hatte - wann war denn mein Hals bitte so trocken geworden? -, stellte ich jene neben mir auf der Sofalehne ab und robbte mich unter nicht zu beschreibenden Schmerzen auf dem Polster nach vorne, sodass mir das Aufstehen ein wenig leichter fiel. Ich hätte lügen müssen, würde ich behaupten, dass ich nicht am liebsten einfach sitzen geblieben wäre, aber ich würde wohl keinen der beiden jungen Männer konkret darum bitten, mir meine Wunden zu versorgen. Entweder so etwas kam freiwillig, oder ich versuchte mich eigens darum zu kümmern. Nüchtern betrachtet würde das Ganze wohl kaum Früchte tragen, kostete mich das auf die Beine hieven schon viel zu viel Kraft. Es wäre ein Wunder, wenn ich es ohne weiteren Verletzungen bis ins Bad schaffen würde.
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Ah. Genau. Sie war also in ihren Augen nicht eifersüchtig, ja? Anders konnte ich für meinen Teil mir aber absolut nicht erklären, warum sie gerade so dermaßen übertrieben darauf reagierte, dass ich genau jenes angesprochen hatte. Hätte sie mir jetzt einen anderen wirklich triftigen Grund dafür genannt, dass sie dermaßen gegen Vahagn wetterte, dann hätte ich ihr das vielleicht noch abgekauft. Ihr geglaubt, dass sie nicht nur eifersüchtig war und ihre Bedenken irgendwie anderweitig begründet waren. Das war nur leider nicht der Fall - stattdessen wurde sie grundlos noch wütender und schmiss mir im direkten Anschluss quasi noch an den Kopf, dass ich mich sowas wie ins Knie ficken konnte, nur weil sie keine Argumente für ihr unbegründetes Verhalten hatte. Dass ich jetzt irgendwie der Gearschte in dieser Geschichte war, obwohl ich gar nichts falsch gemacht hatte. Es kam selten vor, dass ich das von mir behaupten konnte, aber ich hatte mir nichts geleistet, dass die Reaktion der Rothaarigen irgendwie rechtfertigen würde und so zog ich die Augenbrauen doch genervt etwas tiefer ins Gesicht. Mit sowas kam sie bei mir nicht davon und das müsste sie inzwischen eigentlich auch wissen. Deshalb setzte ich mit den Worten "Oh nein, so nicht." auch fast sofort zum Gehen an, als Cosma sich von mir zu entfernen begann. Ächzte beim ersten Schritt jedoch einmal auf, weil meine Hüfte diese hektische Bewegung so gar nicht guthieß. Dennoch schloss ich mit drei, vier schnellen und zugleich ziemlich schmerzhaften Schritten wieder zu der jungen Frau auf, um sie am Unterarm festzuhalten. Nicht grob, ich wollte ihr nicht weh tun, aber doch recht bestimmt. "Warum machst du das?", war eine rhetorische Frage, ich wusste ja wo das Problem lag. Immerhin kannte ich dieses unfassbar nervige Gefühl selbst auch schon sehr gut. In Hinsicht auf Tauren, was ungefähr genauso lächerlich war wie diese Sache mit der Brünetten, die gerade unterm Messer lag. "Ich hab nichts gemacht verdammt, also lass' mich hier nicht so stehen als wäre deine Eifersucht jetzt meine Schuld.", grummelte ich genervt zu ihr runter, wurde aber kein Stück lauter dabei. Mir fehlte schlicht und ergreifend die Kraft für einen ernsthaften, für uns gewohnt lauten Streit. "Ich hab gerade wirklich keine Energie dafür mich um etwas zu streiten, das nicht passiert ist oder passieren wird.", redete ich weiter, spielte damit darauf an, dass Cosma ja ganz offensichtlich Bedenken hatte, dass zwischen Vahagn und mir irgendeine Art von näherer Verbindung existieren konnte. "Geh von mir aus fünf Minuten raus, atme tief durch oder was auch immer... aber reg' dich ab, bevor du wieder mit mir redest.", beendete ich dieses unnötige, anstrengende Gespräch für mich mit ein paar knurrigen Worten und ließ ihren Arm los, um noch einen kurzen Abstecher zum Kühlschrank zu machen. Mir den Whiskey raus zu nehmen, den ich mir heute mehr als verdient hatte und dann an Cosma vorbei humpelnd in den Flur und von da aus weiter zu meinem eher kleinen Schlafzimmer zu gehen. Ich brauchte heute sehr sicher nichts mehr außer Ruhe. Nicht zwingend allein, aber auf eine grundlos angepisste Freundin konnte ich ehrlich gesagt gerade sehr gut verzichten. Ich brauchte keine Entschuldigung oder sonst irgendwas von ihr, ich wollte einfach nur, dass sie zwei bis vier verdammte Gänge runterschaltete und wieder anfing normal zu atmen.
Ich seufzte leise, als Richard sich nach ein paar verbitterten Worten quasi von mir verabschiedete und mit Ach und Krach vom Sofa aufstehen wollte. Was sollte ich denn machen? Ich hatte mich schon entschuldigt und ihm das Wasser gegeben, das er sicher dringend nötig gehabt hatte, viel mehr stand nun einmal nicht in meiner Macht. Klar, laufen konnte ich schon wieder mehr oder weniger, aber das war für mich nach wie vor sehr anstrengend und die genähten Stichwunden am Oberschenkel fanden viel Bewegung nach wie vor nicht gut. Zumal auch mein Kreislauf da nicht immer so gerne mitspielte und mir hin und wieder gern mal kurzzeitig schwarz vor Augen wurde, wenn ich mich vom Wohnbereich bis zum Badezimmer schleppte. Meine Decke wollte Richard nicht und ich wäre ihm wirklich keine große Hilfe dabei seine Wunden schon vor den Eingriffen des Arztes zu versorgen. Zumindest mal zu desinfizieren, wobei das bei der entzündeten Narbe in seinem Gesicht kaum reichen würde. Da musste Eiter weg, alles ausführlich gespült und dann sicher lieber zugenäht werden. Das waren alles Dinge, zu denen ich noch nicht ohne weiteres fähig war. Hier auf dem Sofa an das Polster gelehnt herumsitzen und Sprüche klopfen war gerade eher so die einzige Sache, die ich ohne unschöne Unfälle oder Zwischenfälle hinbekam. Also kämpfte sich der Dunkelhaarige ohne mich im Anhang den Weg bis zum Türrahmen zum Flur, bevor mein Blick hilfesuchend durch den Raum wanderte. Irgendwo im Hintergrund schienen Cosma und Hunter sich gerade nicht ganz ungehört anzuzicken, wobei es dennoch nicht laut genug war, als dass ich mich darauf fokussieren hätte können. Stattdessen fiel mein Blick auf Ashton, der mit einer brennenden Kippe in der Hand an der Wand am gekippten Fenster zur Straße lehnte. Sich scheinbar imaginär die Eier kraulte und so tat, als würde ihn die ganze Sache hier gerade gar nichts angehen... was streng genommen auch der Fall war, aber er schien mir gerade die einzige Möglichkeit dafür zu sein, Richard nicht doch noch ungewollt Selbstmord begehen zu lassen. "Würdest du bitte, Ashton..?", wendete ich meine Worte in wirklich neutralem, fragenden Ton ganz bewusst mit seinem Namen an ihn, damit er nicht so tun konnte, als würde er mich nicht hören. Der junge Mann knurrte leise irgendetwas Unverständliches vor hin, nahm dann nochmal einen tiefen Zug von der Zigarette vor dem Fenster und stieß sich im Anschluss von der Wand ab, um auf mich zuzugehen. "Ja, park' deinen Arsch nur weiter auf dem Sofa, Krüppel. Ich kümmer' mich immer gern um deinen Scheiß, weißt du doch.", knurrte er höhnisch zu mir runter und drückte mir im gleichen Moment den Glimmstängel in die Hand, bevor er Richard nachging, um ihn zu unterstützen. Hier war heute aber auch keiner auf meiner Seite oder? Also außer Vahagn, die mich mit schmerzstillenden Drogen gelockt hatte, die irgendwie minütlich verlockender wurden. Es war wirklich nicht leicht, meine von Opiaten getränkte gute Laune runterzuziehen, aber der Invalide hatte das gerade zumindest ein Stück weit geschafft. Also saß ich da nun - frustriert und irgendwie genervt davon, dass ich augenscheinlich gerade restlos alle Personen aus dem Raum vertrieben hatte. Ich ließ mich einfach zur Seite kippen und landete damit ein wenig unsanft auf dem Sitzpolster, aber liegen und das Gesicht kurzzeitig im Kissen vergraben schien mir gerade eine gute Lösung zu sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Das fragte er noch? Wirklich? Gerade er musste doch wissen, wie beschissen sich diese Eifersucht - die in meinen Augen einfach nur eine sehr ausgeprägte Abneigung gegen jede andere Frau in seinem Umfeld war - anfühlte, hatte er selbst doch schon das ein oder andere Mal ein bisschen empfindlich reagiert, wenn es beispielsweise um die Kabbeleien mit Tauren ging. Sollte er nicht also das meiste Verständnis für mein Gefühlschaos aufbringen können? Wissen, dass das irgendwie nur wenig Sinn machte, was ich da von mir gab und man im Grunde genommen nichts darauf geben brauchte - man das Ganze maximal belächeln konnte? Nun, ganz offensichtlich tat er das nicht, sonst würde er wohl kaum so blöd fragen. Die Art und Weise, wie er das fragte, stieß mir im Übrigen gleich doppelt sauer auf. Zum Einen empfand ich seine Wortwahl als irgendwie verletzend und zum Anderen brach es mir beinahe das Herz, ihn nach meinem Einlauf so aus der Küche humpeln zu sehen. Da verspürte ich glatt das Gefühl, ihn direkt wieder umsorgen zu müssen, aber ich lehnte mich ganz bewusst gegen den Drang, ihm direkt hinterher zu laufen, auf. Stattdessen folgte ich ihm lediglich wortlos bis zur Küchentür, um dann in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Seine Ansprache in der Küche hatte ich unkommentiert gelassen, mir seinen gut gemeinten Ratschlag aber tatsächlich zu Herzen genommen. Vielleicht war es keine so schlechte Idee, für zwei oder drei Gedanken klärende Atemzüge vor die Tür zu gehen, bevor ich mich wieder in seine Nähe begab. Und auch wenn seine Worte mich an Stellen trafen, die ich seit Daith für nicht mehr existent gehalten hatte, war ich ihm nicht einmal böse. Er hatte ja Recht mit dem was er sagte und das wusste ich. Anstatt die Diskussion also von Neuem anzufechten, weil ich für gewöhnlich ungerne einfach stehen gelassen wurde - anders herum war das aber natürlich kein Problem, war schon klar, oder? -, schlurfte ich bis vor die Haustür. Dabei lief ich Richard über den Weg, der dicht gefolgt von Ashton im Badezimmer verschwand. Oh, da fiel mir auf, dass ich mich noch gar nicht nach seinem Wohlergehen erkundigt hatte. Weil er noch eigenständig laufen und auch reden konnte, war ich blind davon ausgegangen, dass es ihm trotz der doch relativ vielen und unschön anzusehenden Wunden noch verhältnismäßig okay ging. Na ja, aber es war ja auch kein großes Geheimnis mehr, dass der heutige Abend irgendwie nicht zu meinen besten gehörte, also wunderte es mich nicht einmal, dass ich an solche Kleinigkeiten einfach nicht dachte. Ärgerte mich trotzdem, hätte Richie doch gerade jetzt eine Schulter zum Anlehnen gebraucht. Aber nach jahrelanger Arbeit als Therapeutin hinter einem Tresen, wollte ich jetzt auch ein einziges Mal an mich denken. An mich und den letzten verkrüppelten Rest von Gefühlen, die ich noch für irgendjemanden aufbringen konnte. Gut, zwar dachte ich in der Regel ausschließlich an mich, weil das egoistische Menschen nun einmal so machten, aber für den Engländer hatte ich meine Bedürfnisse tatsächlich schon das ein oder andere Mal hinten angestellt. Also ja, war meine Behauptung doch schon irgendwie zutreffend. Im Prinzip war das aber auch egal. Ich musste mich niemanden gegenüber rechtfertigen, wenn ich mich einfach um meine eigenen Probleme kümmerte. Wurde einem nicht zuletzt auch immer öfter vorgeworfen, wenn man in den seltensten Fällen mal versuchte, irgendwie zu helfen. Wie auch immer. Jedenfalls hatte ich dem jungen Mann im Beisein von Hunters Gehilfe noch einen Augenblick nachgesehen, ehe ich auf den Russen, der wie bestellt und nicht abgeholt an der Wand gegenüber des Wohnzimmers lehnte, traf. Ich nickte ihm lediglich schwach zu, bevor ich wortlos die Haustür passierte und diese im direkten Anschluss an das Verlasses des Hauses in ihr Schloss zurück fallen ließ. Und dann atmete ich erst einmal tief durch. Für einen Atemzug, dann für einen weiteren und anschließend noch einen. Irgendwann hatte ich aufgehört, sie mitzuzählen, denn ich stand bestimmt eine gute halbe Stunde mitten in der Dunkelheit, bis ich wieder einigermaßen klar denken konnte. Als ich der Auffassung war, mich jetzt nicht gleich wieder mit Hunter zu prügeln, sobald er ein falsches Wort verlauten ließ, trat ich also den Weg nach drinnen an, wo ich lediglich noch zu einem Abstecher ins Bad machte, ehe ich den Amerikaner in einen der wenigen Zimmer aufsuchte. Dabei stand mir weniger der Sinn danach, mich jetzt bei ihm zu entschuldigen, als die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen. Ich hoffte einfach, dass er nicht noch einmal auf das Thema zu sprechen kommen würde und es einfach hinnahm, dass ich mich unweit des Bettes dem Großteil meiner Klamotten entledigte, um mich kurz darauf zu ihm ins Bett zu legen. Beziehungsweise saß ich erst einmal noch einen Moment auf der Bettkante, von der aus ich nach der Whiskeyflasche griff, um mir einen großzügigen Schluck vor dem Schlafen gehen zu genehmigen. Als das erledigt war, drehte ich den Deckel wieder zu und stellte sie an ihren ursprünglichen Platz neben dem Bett auf dem Boden ab. Mein Blick wanderte rüber zu Hunter, der mir aktuell den Rücken zugekehrt hatte und ich seufzte leise, als ich mich langsam neben ihm auf der Matratze ausbreitete. Dabei schob ich meinen Arm unter seinem durch und zog mich vorsichtig ein Stück enger an ihn, um ihn wenig später einen vorsichtigen Kuss in den Nacken zu hauchen. Ob er nach der Aufregung jetzt noch wach war, wusste ich zwar nicht, aber das spielte im Prinzip auch überhaupt keine Rolle. So oder so sehnte ich mich einfach nach seiner Nähe und auch wenn ich es nicht aussprechen, es nur durch Taten zeigen würde, tat es mir Leid, wie ich ihn behandelt hatte.
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Die nächste Stunde war wieder schrecklich langweilig und gleichzeitig aber nicht ruhig genug, um wirklich einschlafen zu können. Zum einen wuselte Ashton ständig entweder in der Küche oder hier im Wohnzimmer herum, weil er die Zeit überbrücken musste, in der er noch nicht an der Reihe war. Er hatte seine Wunde womöglich als er mit Richard im Bad fertig gewesen war zwar selbst kurz gereinigt, wollte aber - so, wie ich ihn als sehr gewissenhaften, peniblen Menschen kennen gelernt hatte - sicher trotzdem noch mal zu dem alten Quacksalber im Keller, wenn der mit Vahagn und Richard fertig war. Zumal er wohl ohnehin noch einige Stunden lang hier bleiben würde, weil Hunter ja nicht wollte, dass seine Leute sich zeitnah auf den Straßen herum trieben. Allerdings würde er hier wohl nicht viel mehr als den Boden zum Schlafen haben. Vielleicht fand er irgendwo im Keller noch einen Schlafsack, aber das dürfte es gewesen sein, nachdem Sabin und Sydney sich den augenscheinlich einzigen anderen Raum mit Bett zu eigen gemacht hatten. Ob da auch was lief? Ich meine, sie schliefen schon eine ganze Weile beieinander. Das war so einer von den Gedanken, der mich neben Ashtons Gewusel wachhielt. Außerdem ließ mir der Gedanke an den kleinen Drogentrip mit der Russin einfach keine Ruhe. Hunter schlief, wie sollte er Wind davon kriegen? Es kam wohl ein wenig darauf an, was genau die Brünette mit mir teilen wollte. Wenn es etwas war, dass nur ein paar wenige Stunden anhielt, würde das gehen. Der Amerikaner hatte schließlich keinen Schimmer davon, wann ich mir die letzte Pille eingeschmissen hatte und dass die Wirkung langwierig war, war ebenfalls offensichtlich. Es war inzwischen sehr offensichtlich, dass ich es mir gedanklich schon alles so zurechtlegen wollte, dass Nichts mehr gegen ein Ja zu dem Angebot der hübschen jungen Frau stand. Also außer der weiterhin potenziell bestehenden Möglichkeit, dass Hunter mich dafür um meinen einzigen Kopf kürzer machte. Aber ich hatte ihn sich verziehen sehen und er war über eine Stunde schon nicht mehr aufgetaucht, Cosma war ihm gefolgt. Er schlief nach der Nacht recht sicher und wenn nicht dann waren sie trotzdem immer noch miteinander beschäftigt - in welcher Hinsicht auch immer. Ich riss mich erst von diesen Gedanken los, als Ashton und Dmytro im Türrahmen mit wertvoller Fracht auftauchten. Sie kamen mit Vahagn in den Armen ins Wohnzimmer und ich richtete mich doch wieder zum Sitzen auf, weil sie ziemlich zielstrebig in meine Richtung kamen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass die junge Frau... naja, aus freien Stücken zu mir kommen würde. Auf eigenen Beinen, nicht getragen von meinesgleichen. Aber Hunters rechte Hand bedeutete mir mit ein paar forschen Worte, dass ich Platz machen sollte und so rutschte ich relativ zügig zurück ans Ende des Sofa, kurz bevor die schlanke junge Frau zu mir aufs Polster gebettet wurde. Ihr Kopf lag irgendwie ziemlich unbequem aussehend auf meinem Oberschenkel, weil das Sofa nun mal nicht besonders lang war - für mich allein im Liegen schon zu kurz, um genau zu sein - und ich musste mich so ziemlich bis in die hinterste Ecke der Couch drücken. Ergo war das für uns beide sicher nicht ideal und deswegen musterte ich sie kurz ein wenig nachdenklich. Das lag aber sicher auch mitunter daran, dass sie kein Tshirt mehr an hatte und auch einer der beiden BH-Träger noch von der Operation seitlich an ihrem Arm hing, statt über ihrer Schulter zu liegen. Ich riss mich aber mit einem leichten Kopfschütteln von dem halbnackten Oberkörper der jungen Frau mit den Augen los, um mich stattdessen ein wenig schräg in die Ecke des Sofas zu setzen und sie anschließend ein kleines Stück höher zu ziehen, damit sie nicht auch noch an Genickschmerzen litt, wenn sie aufwachte. Ich war alles in Allem sehr vorsichtig dabei sie so halb an meinen Oberkörper zu betten, um ihre frische Naht unter dem kleinen, viereckigen Wundverband keiner unnötigen Belastung auszusetzen, aber ihr Handlanger besah mich trotzdem mit argwöhnischem Blick. "Ich mach's uns nur bequemer, man. Keine Panik, meine Hände bleiben über der Decke.", beruhigte ich ihn reichlich ironisch und zog die Decke dann bis über Vahagns Brust, damit man mir hier später nicht ganz so viel vorwerfen konnte. Einen Arm legte ich oberhalb der Stoffdecke locker um ihren Körper, um meine Schulter zu entlasten, während ich den anderen mit dem Ellbogen auf der Armlehne abstützte. Es war sicher ein wenig ungünstig, dass Vahagn obenrum so verhältnismäßig nackt war, aber wenn sie mich deswegen anzicken sollte, dann konnte sie mein Shirt haben, das ich seit meiner Ankunft hier nicht ausgezogen hatte. Es war ja doch eher frisch hier drin mit geschätzten 19 oder 20 Grad, deutlich kühler als bei Ashton Zuhause... Hunter musste die Temperatur wohl seinem Charakter anpassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
So eine Vollnarkose war schon etwas Schönes. Wenn ich nicht permanent nur auf Achse wäre, konnte ich mir durchaus vorstellen, einmal öfter auf dieses Wundermittelchen zurück zu greifen. Bis dato hatte ich es nämlich noch nicht geschafft, auf natürlichem Wege nach nur zwei Stunden Schlaf derart ausgeruht und mit mir selbst im Reinen zu sein. Das Problem war allerdings, dass das Zeug einen, anders als die herkömmlichen Drogen, welche einen temporär in irgendein Paralleluniversum schoss, so richtig umhaute. Da war dann nichts mehr, mit einfach mal wehren, wenn es kritisch wurde, ne ne. Wenn man schlief, dann schlief man und solange man nicht die Zeit abwarten konnte oder das entsprechende Aufwach-Medikament bekam, würde sich an dem Zustand auch nichts ändern. Sah man ja ganz aktuell in meinem Fall. Das letzte, woran ich mich noch erinnern konnte war, dass ich mich auf den Weg in den Keller befunden und wenig später auf der absolut unbequemen Liege Platz genommen hatte, was mir ein hörbar lautes, schmerzerfülltes Stöhnen entlockte. Die Muskeln anzuspannen, wenn man den Oberkörper nach hinten legte, war mit dieser Art von Verletzung sowieso schon schmerzhaft genug, aber wenn man daraufhin unkontrolliert auf dem kalten Metall aufschlug, weil man sein eigenes Gewicht ab einem gewissen Zeitpunkt unter den Schmerzen nicht mehr halten konnte - ja, dann brauchte es schon beinahe keine Narkose mehr, um mich in die Bewusstlosigkeit zu befördern. Nun denn. Jedenfalls lag ich dann da eine ganze Weile, wobei ich maximal noch zwei bis drei Minuten mitbekam, was um mich herum passierte. In der Zeit hatte mir der Doktor eine Atemmaske aufgesetzt und binnen weniger Sekunden war ich dann ins Land der Träume abgedriftet. Gute anderthalb Stunden hatte ich reglos auf der Liege verbracht, um mir die Kugel aus dem Schlüsselbein holen zu lassen. Dass ich im direkten Anschluss an die Operation nicht in einen separaten Aufwachraum verlegt wurde, in dem mich Channing Tatum höchstpersönlich begrüßte war zwar bedauerlich, aber keinesfalls überraschend. Viel eher hatte ich damit gerechnet, achtlos auf der Liege an die Seite geschoben zu werden, um Platz für einen neuen Patienten zu machen, während man mir freundlicherweise die Zeit gab, langsam wieder ins Reich der Lebenden zurück kehren zu können. Wider erwarten war eine Operationsleuchte aber nicht das, was mir als Erstes ins Auge springen sollte, als ich besagtes Sinnesorgan nach einer gefühlten Ewigkeit das erste Mal wieder nutzte. Stattdessen huschte mir ein blonder Schopf durch das Gesicht, was mich innerlich schon ein wenig unruhig werden ließ. Wirklich etwas nach außen tragen konnte ich davon allerdings nichts - dafür war ich bei Weitem noch nicht Herr meiner Sinne genug. Das Einzige, was die Nervosität über das ganz offensichtliche Ausnutzen meines weggetretenen Zustandes signalisierte, war das leicht panische Blinzeln, welches sich gen Ende, als ich die Herrschaften um mich herum erkannte, Stück für Stück wieder normalisierte. Bis ich realisierte, wo ich mich gerade befand und wie ich hierher gekommen war, zogen sicher einige Minuten ins Land, in denen meine Lider hin und wieder schwer geworden waren. Und so lag ich bestimmt noch zehn Minuten, nachdem Ashton und Dmytro mich aus dem Keller nach hier oben verfrachtet hatten, regungslos in Tauren Armen... Moment mal. In ... in Taurens Armen? Hätte ich die dafür notwendige Energie besessen, wäre ich spätestens jetzt aufgesprungen und hätte hier irgendwem die Hölle heiß gemacht, aber momentan ... momentan war mir einfach nur kalt. Ich fröstelte, selbst mit der menschlichen Heizung im Rücken, weshalb ich mein Gesicht vorerst wortlos noch weiter in der Decke versenkte. Selbst wenn ich gerade das Bedürfnis hatte, sämtliche Muskeln anzuspannen, um mich Hunters Schoßhündchen nicht so lädiert zu zeigen, wäre ich vermutlich hoffnungslos gescheitert. Arme und Beine gehorchten mir gerade einmal zu vielleicht ... vierzig Prozent, das menschliche Rechenzentrum leistete seine Arbeit indessen mit etwa sechzig Prozent. Alles in Allem irgendwie nicht zufriedenstellend, wenn man mich fragte, denn irgendwie hatte ich auch fortlaufend das Gefühl, noch nicht wieder ganz auf der Höhe zu sein. Aber ich verstand durchaus, was da um mich herum gerade abging und was sollte ich sagen ... begeistert war ich davon nicht unbedingt. "Wer auch immer das für so wahnsinnig witzig hält, mich in deine Obhut zu übergeben ... ich bringe ihn eigenhändig um.", flüsterte ich kraftlos in den Fetzen Stoff, der mittlerweile in etwa die Hälfte meines Gesichts bedeckt hatte. Dabei meinte ich die Worte ausnahmsweise einmal nicht böse. Es war schließlich nicht so, als hatten Tauren und ich wirklich ernsthafte Differenzen, ich würde es wohl problemlos überleben, für ein paar Minuten oder wenige Stunden hier liegen zu bleiben. Nichtsdestotrotz hielt ich das einfach für einen schlechten Scherz. Alle hier Anwesenden hatten mitbekommen, wie wir uns beiden gegenseitig auf den Schlips getreten hatten. Konnte man es dann wirklich ernst meinen, dass es eine gute Idee wäre, einer weiteren Eskalation in die Richtung vorzubeugen, indem man mich einfach im Schoß des Norwegers parkte? Dazu noch halbnackt, verdammte Scheiße?!
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Ich blieb so still wie irgendwie möglich sitzen, solange die Brünette noch nicht wieder wach war. Auch dann noch, als sie Stück für Stück langsam ins Bewusstsein zurück zu rücken schien. Erstens wollte ich sie nicht noch mehr verschrecken, als das augenscheinlich sowieso schon der Fall war und zweitens schien mir das eben angesichts ihres momentanen Zustands auch nicht sinnvoll zu sein. Zumal ich ohnehin nicht wusste, ob der Doc ihr schon Schmerzmittel gegeben hatte. Also lieber keine unnötigen Schmerzen provozieren. Ich beobachtete sie mit neutraler Miene beim Aufwachen - am meisten einfach für den Fall, dass sie mir gleich unkoordiniert ihre Hände irgendwo an den Körper klatschen würde, weil sie es absolut nicht billigte hier so bei mir herum zu liegen. Ich bewaffnete mich gedanklich eigentlich schon für das schlimmste Ausmaß an Abneigung mir gegenüber... und dann passierte aber nichts weiter, außer einer ironischen Bemerkung, die sich überwiegend an die beiden Deppen richtete, die noch immer hier im Raum waren. Ashton saß im Sessel gegenüber, Dmytro hatte sich mit den Unterarmen auf der Rückenlehne dessen abgestützt. Natürlich hatte Vahagns Bemerkung auch mir gegenüber einen wenig netten Beigeschmack, aber das war ich ja sowieso schon gewohnt. Außerdem fiel es auch merklich milder aus als sonst, was ich einfach mal ihrem vorübergehend noch etwas benebelten Zustand zuschrieb. "Ich sag's dir ja ungern, aber ich glaub nicht, dass du es jetzt schon mit Dmytro und Ashton aufnehmen kannst.", erwiderte ich recht sarkastisch, fing schwach zu grinsen an. "Dass du so nah bei mir bist ist zugegeben aber auf meinen Mist gewachsen... sie wollten dir mehr oder weniger das Genick an meinem Oberschenkel stauchen, dachte das erspar' ich dir lieber.", fügte ich noch ein paar Worte hinzu, den Blick dabei nicht von ihrem Kopf abwendend, auch wenn sie mich in ihrer aktuellen Position nicht ansah. Sollte die Brünette doch etwas gegen die kleine Kuscheleinheit einzuwenden haben, dann würde sie mir das sagen oder eben beim Wiedererlangen ihrer Kräfte von mir wegrücken, daran hatte ich nicht wirklich große Zweifel. Weil es mir noch ein wenig in den Knochen hing, dass Richard mich vorhin wegen unterlassener Hilfeleistung so angefaucht hatte, wollte ich dem jetzt zuvor kommen. "Du kannst mein Shirt haben, wenn dir kalt ist... oder du dich dann wohler fühlst.", bot ich ihr wie vorher schon einmal gedacht also das Stück Stoff an meinem Oberkörper an. Die Decke war ja noch da, ich würde ohne das Oberteil schon nicht frieren. Ashton verabschiedete sich mit einem Augenrollen von uns, ging wohl nach unten in den Keller. Klar, er wollte auch noch dran kommen und könnte womöglich vorher auch mit Richard behilflich sein, falls das irgendwie notwendig war. Interessierte mich gerade allerdings um ehrlich zu sein auch nicht sonderlich, galt meine Aufmerksamkeit doch viel lieber dem kleinen Häufchen Elend an meiner Brust.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm, mochte sein, dass ich aufgrund der aktuellen Gegebenheiten nicht dazu imstande war, hier irgendwem auch nur irgendwas anzutun, aber mir reichte die Information auch für später, wenn es mir wieder besser ging. Dann würde ich mir Ashton, vor allem aber Dmytro mal zur Brust nehmen und sie lieb und freundlich fragen, ob sie noch alle Latten am Zaun hatten. Es gab weitaus Schlimmeres, keine Frage, aber wenn ich nun mal Spaß daran hatte, mich aufzuregen und Leute zusammen zu falten, dann machte ich mir auch unwesentliche Kleinigkeiten zunutze. Aber gut, fürs Erste blieben beide der gestandenen Männer von meinem Gekeife verschont, weil mir dazu momentan einfach wirklich die Kraft fehlte. Ich war froh, dass ich überhaupt schon wach war und reden konnte - und das ganz ohne Schmerzen. Ich wusste zwar nicht genau, ob es noch an dem Narkosemittel lag oder mir der Doktor im direkten Anschluss etwas injiziert hatte, aber das würde ich schon noch früh genug heraus finden. Wenn ich mich in der nächsten Stunde vor Schmerzen krümmte, hatte ich meine Antwort. Für den Augenblick akzeptierte ich aber einfach das Gefühl von völliger Schmerzlosigkeit. Es fühlte sich an, als würde ich auf Wolken schweben, so gut ging es mir gerade. Zwar merkte ich durchaus an der ein oder anderen Stelle, dass mein Körper in einer verhältnismäßig unnatürlichen Position lag, damit Tauren und ich gemeinsam auf das kleine Sofa passten, aber das verkraftete ich gerade noch so. Was ich hingegen nicht verkraftet hätte, war ein steifer Nacken. Es gab nichts, aber auch wirklich gar nichts, was schlimmer war, als ein verspannter Nacken oder eingeklemmte Nerven in jener Region. Man konnte Dutzende meiner Männer fragen ... wenn ich in dieser Gegend Schmerzen empfand, brauchte man mir mit irgendwelchen Wünschen oder Bitten gar nicht erst anzukommen. Woran das lag, dass ich einfach dermaßen unleidlich wurde, wo ich ansonsten allerlei andere Verletzungen wortlos hinnahm - wie beispielsweise die Schusswunde -, konnte ich nicht sagen, in jedem Fall war das aber so. Also war ich doch ein wenig froh, dass Tauren mich davor hatte bewahren wollen, sofern seine Aussage der Wahrheit entsprach. Hatte ich schließlich nicht mitbekommen, weil ich noch im Land der Träume gewesen war. Nun, wie dem auch sei. Ich konnte mich bis auf den Aspekt mit der Kälte eigentlich ganz gut damit abfinden, hier ein wenig zur Ruhe kommen zu können. Der Tag war verdammt lang und anstrengend gewesen und auch wenn die Narkose beinahe ein kleines Wunder bewirkt hatte, war sie trotzdem nicht mehr als ein kalter Tropfen auf dem heißen Stein. Mittlerweile glaubte ich nicht mehr daran, dass die schweren Augenlider noch immer auf die Betäubung zurückzuführen war, sondern viel eher darauf, dass mein Körper auf weitaus mehr Schlaf bestand, als ich ihm bis dahin hatte geben können. Aber bevor ich die Augen wieder schließen konnte, vernahm ich erneut eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Es war Ashton, der auf die letzte Aussage des Norwegers hin mit den Augen rollend das Wohnzimmer verließ. Dmytro, der hinter ihm seinen Posten bezogen hatte, umrundete den Sessel und nahm den vorher besetzten Platz ein. Dabei lag sein Blick permanent auf mir, was fast schon ein wenig unangenehm war. Ich mochte es nicht, angestarrt zu werden und versuchte deshalb, mich aus seinem Blick zu winden, indem ich mich vorsichtig herumdrehte. Das war nur gar nicht mal so leicht, wenn man plötzlich selber der Invalide war, über den man sich ein paar Stunden zuvor noch lustig gemacht hatte. Aber es klappte dann doch irgendwie noch ganz gut und so lag ich nach einem hörbar schmerzverzerrten Stöhnen - ich war beim Herumdrehen etwas unglücklich gegen Taurens Arm, der um mir lag, gestoßen - schließlich auf dem Rücken, von wo aus ich besagten jungen Mann direkt ins Gesicht schauen konnte. Ich fand auch erst jetzt, wo er bestimmt schon seit etwa zwei Minuten aufgehört hatte zu reden einige passende Antworten auf seine Aussagen. "Du wärst überrascht, zu was ich alles in der Lage bin.", kommentierte ich erst einmal das Thema Ashton und Dmytro. Dabei schwang allerdings ein ironischer Unterton mit, denn eingangs hatte ich ja bereits erwähnt, dass das Leviten lesen leider noch etwas warten musste. Für seine darauffolgenden Worte brauchte ich dann weitere Sekunden Bedenkzeit, ehe ich leise schnaubend eine Augenbraue nach oben zog. Na ja ... oder es zumindest versuchte. "Ich sehe schon. Du tust wirklich alles, damit ich dich irgendwann im Schlaf mit einer Socke ersticke.", redete ich weiter und spielte damit auf seine Mitschuld an, wobei meine Stimme immer leiser zu werden schien und ich mich erst einmal Räuspern musste, damit der Frosch wieder aus meinem Hals verschwand. Es raubte mir unglaublich viel Kraft, lange Sätze zu sprechen, aber direkt zurück ins Land der Träume war halt auch irgendwie nicht möglich. Dafür war mir einfach zu kalt und ich fing mittlerweile auch an etwas zu zittern, weil die Decke beim Herumdrehen von meinen nackten Schultern gerutscht war. Auf Taurens Angebot würde ich trotzdem nicht eingehen wollen, schüttelte auch nur relativ entschlossen mit dem Kopf, weil es einfach Grenzen gab. Und auch wenn es den Kohl sicher nicht mehr fett gemacht hätte, jetzt auch noch sein T-Shirt anzunehmen, war ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass das negativ auf mich zurückfallen würde. Alleine diese ganze Kuschelei sicher Teil unserer nächsten, durch und durch neckischen Unterhaltung sein würde.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Bevor ich überhaupt irgendeine Form von Antwort bekam kehrte erst einmal ein klein wenig mehr Leben in die Brünette. Offenbar war Vahagn aus welchen Gründen auch immer nicht besonders zufrieden mit ihrer aktuellen Liegeposition, weshalb sie jene ein wenig umständlich zu ändern versuchte. Wirklich fit war sie eben weiterhin nicht, weswegen das eventuell auch noch gar keine so gute Idee war, aber sie würde ihre Grenzen sicher gut genug kennen. Außerdem passte es mir irgendwie auch ganz gut in den Kram, die junge Frau in ihrer neuen Liegeposition besser ansehen zu können. Ich war kein Mensch, der Augenkontakt häufig scheute - außer vielleicht bei Hunter, wenn er wie so oft ohnehin schon auf 180 war und ein falscher Blick ausreichen konnte, um ihn in die Luft gehen zu lassen. Solche Situationen handelte ich dann doch lieber mit gewisser Vorsicht, aber das war bei der Russin hier gerade vollkommen überflüssig. Zwar war ich nach wie vor körperlich ziemlich angekratzt, aber eben doch schon ein ganzes Stück fitter als die Brünette, die mit mit ihrem Kopf nun auf meinen Beinen verweilte. Meine Augen ruhten demnach bereits in ihren, als sie schließlich zu einer Antwort ansetzte und mir damit gleich das nächste, recht unbeschwerte Grinsen entlockte. "Uuuh ja, ich hab solche Angst.", war mein einziger sarkastischer Kommentar dazu, weil es eben schlichtweg einen Heidenspaß machte Vahagn ein wenig aufzuziehen. Sie reagierte einfach jedes Mal auf amüsante Art und Weise darauf und solange sie hier noch halbtot herumlag hatte ich ja nicht ansatzweise Irgendwas zu befürchten. Ich wollte gar nicht in Frage stellen, dass die schlanke junge Frau einem oder mehreren Männern ordentlich den Marsch blasen konnte, wenn sie das wollte. Schließlich wäre sie sonst sicher kaum in der Position, in der sie sich momentan befand. Viel wusste ich zwar nicht über sie, aber dass sie eine Horde eigenartiger Russen zu kontrollieren wusste sagte schon Einiges aus, wenn man mich fragte. Schließlich waren die meisten Russen - männlich wie weiblich - irgendwie ein bisschen speziell und dabei den größten Dickschädel zu haben war sicher nicht so leicht. Es war auch nicht so, als hätte ich keinen Respekt vor ihr, denn den hatte ich sehr wohl. Aber die Neckereien unterhielten mich eben ganz gut, weshalb ich mich damit gerade nicht zurückhalten wollte. Bei Vahagns noch folgenden Worten konnte ich nicht viel mehr als weiterhin mit einem schwachen Grinsen den Kopf zu schütteln und dabei kurzzeitig an die Decke zu sehen, bevor mein Blick wieder nach unten zu ihr schwankte. Ihre eher indirekte Drohung war im aktuellen Kontext zu ihrer körperlichen Verfassung ganz einfach so gar nicht ernst zu nehmen. Da konnte sie machen, was sie wollte - sie war hier gerade eben das gewohnt zickige Lämmchen und ich der Schäfer, der aufpasste. Letzteres ziemlich freiwillig nebenbei bemerkt, obwohl mir ja durchaus klar war, dass die Brünette anstrengend sein konnte und ich im ersten Moment ein wenig damit überfordert gewesen war, dass Ashton und Dmytro sie wirklich bei mir hatten abladen wollen. Immerhin war das auch ein wenig grotesk gewesen angesichts der Tatsache, dass ersterer gestern noch im Beisein Hunters meine Lippen mit Panzertape versiegelt hatte. War übrigens auch reichlich unangenehm gewesen, als ich das irgendwann später abgezogen hatte. Von dem roten Striemen, welchen das Tape im ersten Moment hinterlassen hatte, mal ganz zu schweigen. "Freundlichkeit und Dankbarkeit sind nicht so deine Sprache, ich weiß schon... aber gut, dann halt nicht. Ich frier' ja nicht, mir ist das egal.", ließ ich die zierliche Brünette mit einem schwachen Schulterzucken gleich mit einer Überleitung zu der Tshirt-Geschichte wissen, dass mir ihr Gezitter durchaus auffiel. Wenn sie lieber fror als ein winziges bisschen Hilfe anzunehmen, dann sollte mir das auch recht sein, war ja schließlich ihre Entscheidung. Trotzdem griff ich wieder nach einer Ecke der Decke, um sie erneut etwas mehr über sie zu ziehen. Sie war eben nach wie vor gerade mit den Armen recht bewegungsunfähig, da wollte ich mal nicht so sein. Ich wäre ihr trotzdem dankbar, wenn sie wenigstens einen sauberen Socken für meinen imaginären Tod in Betracht ziehen würde. "Hat der Doc gesagt, wie lange sie liegenbleiben soll?", richtete ich zur Abwechslung mal ein paar Worte an den Handlanger der Russin und sah ihn kurzum an, weil es schon ganz gut zu wissen wäre, wie lang ich sie potenziell an der Backe hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Oh, er konnte sich ja sowas von warm anziehen, wenn die ganze Sache hier überstanden war. Wenn ich eines wirklich nicht ausstehen konnte, dann war es, wenn jemand der Meinung war, sich über mich lustig zu machen, nur weil ich im Augenblick ein wenig eingeschränkt war. Mein Können, Menschenleben binnen weniger Sekunden zu beenden, infrage zu stellen und meine Arbeit damit ins Lächerliche zu ziehen. Und genau das tat Tauren gerade. Ganz gleich, ob er das nun ernst meinte oder sich nur einen Spaß daraus machte, weil die Vorlage gerade so gut passte, mich ließ es augenblicklich mit den Zähnen knirschen. Dass er mir noch im selben Atemzug mangelnde Freundlichkeit und Undankbarkeit unterstellte, wirkte sich zudem ebenfalls nicht gerade positiv auf meine ohnehin mangelnde Sympathie ihm gegenüber aus und so war ich beinahe versucht, mich in eine sitzende Position aufzurichten, um ihm doch noch hier und jetzt die Meinung zu geigen. Allerdings wusste ich, dass das womöglich keine so gute Idee war, also beließ ich es einfach nur bei einem hörbar genervten Schnauben. Sagen tat ich dazu schon gar nichts mehr, weil jetzt vermutlich nur noch beleidigende Worte über die Lippen gekommen wären und bemühte mich lieber darum, mir die Decke - welche Tauren mir freundlicherweise wieder über die Schultern gezogen hatte - noch weiter bis unters Kinn zu ziehen. Und dann wollte ich eigentlich meine Augen schließen. Die ganze Geschichte bis zum Mittag so stehen lassen, aber da entschied sich der Norweger doch noch einmal dazu, das Wort zu ergreifen. Dieses Mal sprach er damit jedoch nicht mich an, sondern Dmytro, der sichtlich überfordert mit der Frage in seine Richtung starrte. Der junge Weißrusse sprach zwar vereinzelt ein paar Worte Englisch und verstand auch viel von dem, was man ihn fragte, aber seine Antworten waren von ganzen, flüssigen und verständlichen Sätzen noch meilenweit entfernt. Und das wusste er auch. Daher verständigte er sich hier oben in Norwegen lieber durch nonverbale Kommunikation - mit einer Handgeste oder einem einfachen Nicken des Kopfes zum Beispiel, sofern es die Umstände eben zuließen. Wenn dann doch einmal eine Frage aufkam, die er nicht mit Ja oder Nein beantworten konnte, überließ er das Reden meistens Holovanov oder jemanden anderen von den Jungs. Das lag allerdings nicht daran, dass der junge Mann zu dumm war, eine neue Sprache zu lernen - bei italienisch hatte es schließlich auch geklappt -, aber er hatte bis dato nun mal nicht viele Berührungspunkte mit Englisch gehabt. Brauchte er ja auch nicht, wenn um ihn herum nur russische und italienische Landsleute mit ihm in der jeweiligen Sprache redeten. Aber er war gut dabei, ich wusste, dass er zwischendrin mal ein Lehrbuch aufschlug, um zumindest sein Vokabular zu erweitern. Nur half ihm das gerade überhaupt nicht, als Tauren ihm eigentlich eine relativ simple Frage stellte. Ich drehte meinen Kopf in Richtung Dmytro, der meinen Blick bereits Hilfe suchend empfing und auf eine Übersetzung hoffte, die kurzerhand folgen sollte. Als er verstand, was der Norweger von ihm wissen wollte, sah er diesen zwar direkt an, murmelte aber mir seine Antwort auf russisch entgegen. "Er vermutet, dass der Arzt ein paar Stunden gesagt hat, genau weiß er es allerdings nicht.", synchronisierte ich förmlich die Lippen meines Handlangers für den jungen Mann in meinem Rücken. Dabei war ich nicht wesentlich lauter geworden, aber in meiner Stimme schwang ein leicht gereizter Unterton mit. Dieser rührte allerdings noch von Taurens dummen Kommentaren und bezog sich in keinster Weise auf die unpräzise Ansage meines Gehilfen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #