Ich fragte mich ja nach wie vor, wie Richard freiwillig Geschäfte mit Hunter hatte eingehen können. Es ergab für mich keinen Sinn, dass sich zwei augenscheinlich derart gegensätzliche Männer bei auch nur Irgendwas zusammentaten und beide lebend davonkamen. Vielleicht war ich auch einfach nur zu harte Extreme aus der Mafia gewohnt, aber sowas ging eigentlich nie oder selten gut. Entweder ging man sich schon währenddessen an die Gurgel oder halt dann, wenn die Sache erledigt war und die Geschichte mit dem Beute aufteilen anstand. Aus solchen unguten Kombinationen von Geschäftsmännern hielt ich mich seit einer schlechten Erfahrung konsequent raus und tat gut daran. Natürlich blieb mir deshalb noch lange nicht Alles erspart und ich trug ein paar größere Narben mit mir herum, aber von lebensbedrohlichen Verletzungen war ich bis dato verschont geblieben. Keine Organschäden, lediglich mal eine gerissene Sehne oder ein gebrochener Knochen aufgrund von Schlägen, Kugeln oder eben Messern. Auch ein paar Granatsplitter, aber die kleinen Narben jener am Oberschenkel waren kaum mehr sichtbar. Mich störten die paar Narben ohnehin nicht, auch wenn mir das hier und da die makellose, immer leicht gebräunte Haut ruinierten. Bisher hatte mich deshalb noch Niemand von der Bettkante gestoßen und ich wagte auch zu bezweifeln, dass sich das zukünftig ändern würde. Bevor ich mich in den Whirlpool bequemte musterte ich den jungen Mann recht ungeniert, während er sich auszog. Sah ihn auch weiterhin an, während er augenscheinlich mit der Temperatur des Wassers zu Gange war. Erst als er sein Wort wieder an mich richtete, ließ ich mir den Vortritt kein zweites Mal anbieten und setzte mich stattdessen zeitnah in Bewegung, um in das warme Wasser zu steigen, das angesichts der kalten Außentemperatur doch eine ziemlich Erlösung war. Es schien mir die auf dem arschkalten Boden gefühlt bereits eingefrorenen Füße sofort wieder aufzuwärmen, weshalb ich doch ein recht zufriedenes Seufzen von mir gab, als ich bis zur Brust im Wasser versunken war. Für einen kurzen Moment lang schloss ich die Augen und ließ die entspannende Wirkung des sprudelnden Wassers auf mich wirken. Dann aber öffneten sich meine Lider wieder und ich griff nach dem Weinglas, dass ich mir mitsamt Jacuzzi ganz einfach verdient hatte. Ich nahm noch einen kleinen Schluck und im Anschluss lag mein Blick dann wieder auf Richard, der sich inzwischen ebenfalls ins Wasser begeben hatte. Zugegeben - ohne die unübersehbare Narbe hatte er mir noch besser gefallen, aber es war jetzt nicht unbedingt so, als wäre das ein Ausschlusskriterium. Ich hatte mir meine Narben schließlich auch nicht ausgesucht und hey, er war damit immerhin was Besonderes. "Es ist mir zwar schleierhaft, warum man einen hochgradig kriminellen Mann freiwillig in seinen Whirlpool einlädt... aber danke. Ich würde den im Hotel ja einfach nutzen, würden mir gewisse... Termiten nicht im Nacken sitzen.", redete ich so vor mich her, was mir gerade im Kopf herumschwirrte und legte letzteren ein klein wenig in den Nacken. Ich hatte wirklich Respekt vor der Arbeit und den Erfolgen meiner Vorsitzenden, aber zur Zeit gingen sie mir schlichtweg auf die Nerven wie lästiges Ungeziefer. Trotzdem ergäbe es in meinen Augen einfach wenig Sinn, dass der junge Mann mich hier indirekt zu einer Runde Nacktbaden auf seiner Dachterrasse einlud, sollte er nicht schwul oder eben zumindest bisexuell sein. Ich war schließlich eher selten nett zu ihm gewesen und er hatte auch sonst keinen Vorteil damit, mich hier ein bisschen Entspannen zu lassen. Es sei denn natürlich er spielte doch insgeheim für die Gegenseite und sollte er sowas auch nur durch ungeschickte Wortwahl ansatzweise andeuten, würde er mich schleunigst wieder in ganz anderer Stimmung hier sitzen sehen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da waren wir wohl schon zu zweit. So ganz wollte es mir auch noch nicht einleuchten, wobei eine Antwort auf diese Frage eigentlich auf der Hand lag. Ich tat nun mal vieles, damit die Sache hier langsam Fahrt aufnahm und wenn ich dabei einen hochgradig Kriminellen bespaßen musste - na, dann war das wohl so. Gab weitaus Schlimmeres, als eine Flasche Wein abzutreten und sich mit einem gut aussehenden Mann für ein paar Minuten den Whirlpool zu teilen. Außerdem konnten wir beide es ja ganz offensichtlich gut gebrauchen. Ich war recht zügig nach Agnolo ins warme Wasser gestiegen, weil es nackt doch ziemlich bald sehr unangenehm wurde. Es war zwar mittlerweile Frühling, aber davon merkte man hier in Norwegen kaum etwas. Die Wetterumschwünge fanden meist sehr drastisch statt, so dass, wenn es hoch kam, vielleicht ein Tag zwischen zweistelligen Minusgraden und sommerlichen Temperaturen lag. Ein gemäßigtes Dazwischen gab es hier im hohen Norden nun mal nicht, aber da gewöhnte man sich dran, sobald man erst einmal etwas länger, als zwei oder drei Wochen hier in Oslo lebte. Ich hatte das große Glück, dass es auch in England nicht viel wärmer gewesen war um diese Jahreszeit, Schwierigkeiten bei der Anpassung hatte ich dahingehend nicht gehabt. Dennoch lief mir ein angenehmer Schauer über den Rücken, als mein bereits etwas abgekühlter Körper in dem brodelnden Wasser versank. Ich nahm Agnolo gegenüber auf der dafür vorgesehenen Sitzeinrichtung Platz und griff ebenfalls nach meinem Weinglas, dessen Inhalt mich zusätzlich von innen wärmen sollte. Wie bereits prophezeit, war der klägliche Rest schon bald verschwunden und das Glas musste nachgefüllt werden. Während ich dazu ansetzte, überlegte ich mir eine passende Antwort und entschloss, einfach aufs Ganze zu gehen. Entweder, der Italiener würde bei folgenden Worten schweigend aus dem Jacuzzi fliehen oder mich - was ich bei ihm für sehr viel wahrscheinlicher hielt - verprügelt und mit zwei gebrochenen Armen meinem Schicksal im Pool überlassen. Viel zu verlieren hatte ich also nicht - ha ha. "Würde mir nicht in den Sinn kommen, einen solch gut aussehenden jungen Mann wie dich nicht in meinen Whirlpool einzuladen. Dein Körper wird nicht weniger attraktiv, nur weil du ein paar Leute auf dem Gewissen hast.", antwortete ich mit einem belustigten Grinsen und äußerte damit zugleich mein Unverständnis darüber, wie man einen Adonis wie Agnolo - gut, hier und da hatte auch an ihm der Zahn der kriminellen Zeit genagt - nicht gerne um sich herum hatte. Vom charakterlichen her konnte ich es tatsächlich noch so nachvollziehen, aber der spielte bei einem anschaulichen Körper für nur eine Nacht doch überhaupt keine Rolle. Ich bezweifelte jedoch stark, dass besagte Termiten homosexuell orientiert waren und dann wiederum machte es sogar Sinn, dass sie sich eben ungerne zum Nacktbaden überreden ließen. "Von einem eigenen Hausschlüssel bist du zwar noch Meilenweit entfernt, aber solange du in der Stadt bist, bleibt mein Angebot bestehen. Zu Wein und einer Runde im Jacuzzi sage ich nur ganz selten nein.", redete ich weiter, während ich mein mittlerweile wieder volles Glas bereits an den Lippen angesetzt hatte, um einen weiteren, großzügigen Schluck meine Kehle hinab laufen zu lassen. Dabei ruhte mein Blick permanent auf Agnolo. Nicht angespannt, nicht nervös oder aufgeregt, was er auf die ziemlich offensichtlichen Flirtversuche erwidern würde. Ganz im Gegenteil... ich sah ihn ruhig, geduldig und entschlossen an. Von Zurückhaltung war - zum Teil auch dank des Weins - absolut keine Spur mehr.
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Da hatte der junge Mann wohl zweifelsohne Recht. Man konnte von meinen Taten, meinem Job und auch von meiner Persönlichkeit ja halten, was man wollte, aber der durchtrainierte Körper blieb in jedem Fall bestehen. Ich hatte dahingehend auch nicht wirklich eine Wahl, weil ich ganz einfach fit bleiben musste, wenn ich meinen Posten halten und verteidigen, am Ende noch weiter aufsteigen wollte. Es gab nicht selten andere Mitglieder der Mafia, die mit ihren niederen Tätigkeiten nicht mehr zufrieden waren und deshalb hoch an die Spitze wollten. Wie ich selbst gut beurteilen konnte war das ein langwieriger und steiniger Weg, der sich mit genügend Ehrgeiz und dem bei Seite stellen des eigenen Gewissens aber dennoch meistern ließ. Jedoch brauchte die Mafia natürlich nicht unendlich viele hohe Tiere. Wenn einer seinen Job nicht mehr mit genügend Leistung durchführen konnte, dann wurde er ersetzt. Meistens nur runter gestuft, aber es gab auch hier und da mal einen Todesfall. In dieser Geschichte ging ich ebenso wenig gern ein Risiko ein, wie auch in allen anderen Lebensbereichen - den unerlaubten Jacuzzi-Besuch hier vielleicht mal außen vor gelassen. "Touché...", stimmte ich erst einmal nur breit grinsend zu, weil dem schlichtweg nicht viel hinzuzufügen war. Mörder hin oder her, ich war nun mal schön anzusehen, sofern man sich an den paar Narben nicht störte, was bei Richard ganz augenscheinlich der Fall war. Wenn man von seinem Gesicht absah waren mir bei ihm keine nennenswerten Narben aufgefallen. Falls er doch welche hatte, musste ich das wohl aus der Nähe begutachten. Seine noch folgende Aussage ließ mich amüsiert, wenn auch eher nur leise auflachen. Ein Schlüssel... zum einen bräuchte ich den gar nicht, wenn ich wirklich unbedingt in seine Wohnung kommen wollte und zum anderen wollte ich den schlichtweg nicht. Ich hatte weder vor hier in Norwegen sesshaft zu werden, noch mir Irgendwen längerfristig anzulachen und für vereinzelte nächtliche Amusements brauchte ich keinen Schlüssel. Ich war mir auch sehr sicher, dass wir uns da völlig einig waren. "Dann werde ich, sofern die Arbeit es zulässt, vielleicht öfter deine Terrasse betreten...", kündigte ich an, dem Angebot nicht wirklich abgeneigt zu sein. Allerdings brauchte ich zur Sicherheit halt schon einen Grund, zu Richard zu gehen und konnte mich logischerweise dennoch nicht jedes Mal lange bei ihm aufhalten, weil das sehr auffällig wäre. Hegte einer der beiden Idioten nur den kleinsten Verdacht konnte ich mich über Beschattung freuen und das wäre das letzte, wonach mir der Sinn stand. Andererseits war für ein bisschen Sex auch nicht immer viel Zeit von Nöten und ja, ich war mir sicher, dass es noch darauf hinauslaufen würde. Schließlich sprang der junge Mann mir gefühlt mir Worten aus den Schoß. "...oder dein Schlafzimmer.", hängte ich dem vorherigen Satz unverhofft noch ein paar spontane Worte an, wobei das Grinsen eher einem herausfordernden, lasziven Blick wich, wenn auch die Mundwinkel dabei leicht angehoben blieben. Natürlich war sein Bett nur bedingt in einem Zimmer, weil das Loft ja extrem offen war, aber er wusste sehr sicher, was ich meinte. Auf den Kopf gefallen war der gute Professor zumindest sinnbildlich gesprochen eher nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Na, also wenn das mal keine klare Ansage war, dann wusste ich auch nicht weiter. Sehr viel aussagekräftiger hätte Agnolo mir gar nicht antworten können. Einzig und alleine 'Hi, ich bin schwul und würde dich gerne vögeln' hätte dem Ganzen wohl noch die Krone aufsetzen können. Aber gut. Schön, dann wusste ich ja immerhin, woran ich bei ihm war und musste mir keine großen Sorgen mehr machen, dass mir aufgrund akuter Homophobie ein Messer im Rücken steckte, sobald ich mich einmal von ihm abwandte. Er hatte natürlich zig andere Gründe, die für eine Ermordung meiner Wenigkeit sprachen, aber von den meisten wusste er ja noch gar nichts und das würde, bis zum Tag der Offenbarung, hoffentlich auch so bleiben. "Oh, an letzteres kann ich mich gar nicht mehr erinnern. War das wirklich Teil des Angebotes?", fragte ich mit reichlich ironischem Unterton, weil wir beide ganz genau wussten, dass dem nicht so war. Ich mochte an manchen Tagen vielleicht etwas vergesslich sein, aber Alzheimer hatte ich deshalb noch lange nicht und an ein solches Detail hätte ich mich sehr sicher erinnern können. Nichtsdestotrotz entschied ich mich dazu, das Spiel mitzuspielen und setzte somit zu ein paar ergänzenden Worten an, noch bevor der Italiener überhaupt die Möglichkeit bekam, mir auf die Frage eine vermutlich wenig ehrliche Antwort zu geben. "Na ja, auch wenn dem so sein sollte, stehe ich zu meinem Wort. Es könnte unter Umständen allerdings zu Platzproblemen kommen, weil ich mein Bett so lange nicht mehr teilen musste. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir da ein eine adäquaten Lösung finden werden.", redete ich also weiter vor mich hin, während ich in den Sprechpausen immer wieder einen kleineren Schluck vom Wein nahm. Dieser war binnen der nächsten Minuten auch schon wieder leer und ich merkte, wie die Wärme des Wasser meinen Kreislauf ankurbelte. Der Alkohol benebelte mir mittlerweile auf seine ganz eigene Art und Weise die Sinne und es wäre wohl wirklich besser, wenn ich mich mit dem Nachschenken zurück hielt. Andernfalls passierten hier noch Dinge, die Agnolo oder ich später vielleicht bereuen würden. Wobei das meiner Meinung nach vollkommen übertrieben war. Schließlich waren wir zwei erwachsende Männer die genau wussten, was sie wollten und wenn das Interesse auf beiden Seiten über ein normales Gespräch hinaus ging, dann gab es da nichts zu bereuen. Aber an diesem Punkt scheideten sich die Geister, jemand anderes hatte darüber vermutlich eine ganz andere Meinung. Gut, dass mir diese in den meisten Fällen am Arsch vorbei ging, sonst hätte ich tagein tagaus ziemlich viel zu meckern und zu diskutieren. Um beim Thema zu bleiben, hätte ich jedenfalls nichts gegen ein bisschen mehr einzuwenden. Der Anblick von Agnolos Genitalien und dem runden, überaus knackigen Hintern hatten bereits das ein oder andere Kribbeln in mir ausgelöst, welches aufgrund meiner recht guten Selbstbeherrschung jedoch keine weiteren Auswirkungen auf den Rest meines Körper hatte. Jetzt, wo der Alkohol allerdings weite Teile meines Nervensystems beeinflusste, sah es da ein bisschen anders aus. Er machte es mir aber auch unheimlich schwer, ihm nicht näher kommen zu vollen, rief das Funkeln in seinen Augen doch geradezu nach mir. Und weil die Gedanken viel weiter abschweiften, als sie es eigentlich sollten, bahnte sich das Kribbeln von vorhin dann doch noch seinen Weg in meine Lenden.
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Als bräuchte es ein offizielles Angebot des Engländers. Angesichts der aktuellen Umstände doch reichlich unwahrscheinlich, wo ich mir sehr sicher damit war, dass er meinen Überredungskünsten schier machtlos erliegen würde - wortwörtlich. Es brauchte bei Weitem nicht immer eine wörtliche Einladung, körperliche Ausstrahlung reichte da häufig schon vollkommen aus. Mit dem Platz auf der Matratze würden wir wohl kaum Probleme kriegen, da war ich mir ziemlich sicher. Ich wagte auch einfach mal zu bezweifeln, dass sich der junge Mann mit einem schmalen Bett bei der Einrichtung zufrieden gegeben hatte, sprach doch so ziemlich alles Andere in diesem Loft stark dagegen. Außerdem wollte ich hier ja in keinem Fall über Nacht bleiben. Vielleicht brachte ich Richard gerade ohnehin mehr Vertrauen entgegen, als gesund war - auch, wenn ich ihn in keinem Universum für fähig dazu hielt, mich eigenhändig mit meinen Waffen zu erschießen oder abzustechen -, aber mich im Schlaf neben einem potenziellen Risiko herumwälzen? Unwahrscheinlich. Ich müsste schon extrem betrunken sein, um mein Urteilsvermögen dahingehend komplett bei Seite zu legen. Ein derartiger Kontrollverlust in seiner Gegenwart schwebte mir absolut nicht vor. Bevor ich mich dazu in irgendeiner Form äußerte hob ich mit einem schmalen Grinsen jedoch erneut das Glas und nahm zwei oder drei Schlucke von dem köstlichen Rotwein, ehe das gläserne Gefäß mit dem enthaltenen Restschluck wieder seinen Platz auf dem Beckenrand bezog. "Ich brauch gar keine Einladung... weißt du doch.", wies ich den jungen Mann ein wenig sarkastisch daraufhin, dass ich ihn ja nicht einmal wirklich um Treffen an sich gebeten hatte, sondern es vorzog immer ungefragt aufzutauchen. Mal mehr, mal weniger nett, aber gerade war meine Laune optimal und entsprechend... freundlich war ich dem Dunkelhaarigen gegenüber auch gesinnt. Wenn er Pech hatte war das morgen schon wieder anders, je nachdem wie die abendliche Aktion in Hinsicht auf Hunters Männer verlief. Womöglich sollte man den Moment also einfach ein Stück weit ausnutzen, auch wenn ich mich von aktivem Sex heute eher noch distanzieren würde. Gab potenziell aber genug andere Möglichkeiten sich zu amüsieren, so war's ja nicht. "Außerdem bin auch ganz gut darin...", begann ich einen Satz, bevor ich mich ungefragt von meinem aktuellen Sitzplatz löste und in aller Seelenruhe durchs Wasser zur anderen Seite glitt. Mich kaum zwei Zentimeter von Richards Schulter entfernt neben ihm niederließ und meinen Kopf zu ihm drehte. "...Jemanden zu überreden.", vollendete ich den Satz von vor einigen Sekunden schließlich mit angerauter Stimme, scheute auch den Blickkontakt nicht. Ich kam dennoch nicht drum herum die Narbe noch einmal ein wenig zu mustern, hatte ich sie doch noch nie in Ruhe aus dieser Nähe gesehen. Meine Augen fanden aber recht bald schon wieder den Weg zu Richards' und es war eventuell möglich, dass er kurz darauf auch meine Finger knapp oberhalb seines Knies spürte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Da mochte er wohl Recht haben. Wenn Agnolo der Sinn danach gestanden hatte, war er schneller unangekündigt auf der Matte gestanden, als ich bis drei zählen konnte und wirklich lange kannten wir uns jetzt noch nicht. Es sollte also etwas heißen, wenn ich das jetzt schon anmerken musste. Alles in Allem konnte ich mich also auf den Kopf stellen und nackt mit dem Arsch fliegen fangen - wenn es dem Italiener nach Eintritt gelüstete, würde er Mittel und Wege finden. Aber solange sich das Verhältnis zwischen uns weiterhin so positiv entwickelte, ging ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass sich der junge Mann entgegen meiner Erlaubnis und oder ohne mein Wissen Zutritt zur Wohnung verschaffte. Warum auch? Bis dato hatte ich ihn schließlich immer ohne zu Mosern herein gelassen. Die Hintergründe sprachen zwar für sich, aber das war prinzipiell egal. Für ihn sah es jedenfalls so aus, als öffnete ich ihm aus freien Stücken und ohne jegliche Hintergedanken immer und immer wieder die Tür. Wenn er bloß wüsste... Tat er aber nicht und damit zurück ins Hier und Jetzt. Meine Gedanken waren wohl ein Stück zu weit abgedriftet und ich musste mich erst einmal wieder sammeln, als Agnolo sich von seinem ursprünglichen Platz erhob, um die paar wenigen Zentimeter zu mir aufzuschließen. Er nahm unweit von mir zu meiner linken Seite Platz und schien die darauffolgenden Sekunden damit zu verbringen, die unschön versengte Haut zu begutachten. Und ich musste feststellen, dass ab diesem Zeitpunkt meine Laune ins Bodenlose sank. Ich mochte mir vielleicht von Tag zu Tag einreden, dass jene Narbe, die etwa die Hälfte meines Gesichts verunstaltete, mich zu etwas Besonderem machte. Dass sie vielleicht nicht schön aussah, aber auch nicht rückgängig zu machen war und ich mich den Rest meines Lebens mit ihr arrangieren musste, aber das änderte absolut gar nichts daran, dass mein Ego zum jetzigen Zeitpunkt doch noch mehr darunter litt, als ich mir eigentlich eingestehen wollte. Dass ich das eben nicht einfach so wegstecken konnte, wenn mich jemand zu lange anstarrte. Zumindest, wenn es sich dabei um jemanden handelte, mit dem ich über ein einfaches Gespräch hinaus gerne mehr Erfahrungen gesammelt hätte. Und auch wenn ich niemanden gefallen musste, Agnolo sich nicht einmal negativ über die Brandwunde ausgelassen hatte ... mir war die Lust an Allem gerade komplett vergangen. Das Kribbeln hatte schlagartig aufgehört und auch die Fingerspitzen auf Höhe meines Knies fühlten sich nicht mehr richtig an, auch wenn sie unter anderen Umständen - vielleicht zu einem Zeitpunkt, an dem mein Ego sich von dem Rückschlag erholt hatte - durchaus reizend gewesen wären. Sehr bestimmt hatte ich unter Wasser nach der Hand gegriffen und sie einen Augenblick festgehalten, nicht los gelassen, bis ich schließlich aufstand, um den Whirlpool zu verlassen. Mein Gesichtsausdruck hatte sich der Laune entsprechend angepasst und war mittlerweile finster, verärgert und gekränkt, aus dem ganz einfachen Grund, weil ich im jetzigen Augenblick komplett unzufrieden war. Vermutlich hätte gerade der dominante Italiener mir dabei helfen können, meinen alten Glanz zurück zu erlangen, aber mein Kopf schien das einfach noch nicht mit sich machen lassen zu wollen. Und da gab es leider keinen inneren Schweinehund, den man mal eben überwinden konnte. Die Ausmaßen erinnerten eher an eine dicke, fette Mauer, die von Hunter um mein Selbstbewusstsein gebaut worden war und an der ich noch eine sehr lange Zeit mit meiner Spitzhacke zu kratzen hatte. Zugegeben, war es arschkalt, als der eisige Wind über meine feuchte Haut wehte und damit eine Gänsehaut hervorrief. Dafür wartete allerdings ein sauberes und durch die umliegende Wärme halbwegs kuschliges Handtuch in einer Art Handschuhfach des Jacuzzi, sodass ich mich kurze Zeit später darin eingewickelt hatte. Mit vor der Brust verschränkten Armen und einem gesenkten Blick, setzte ich eine Ewigkeit später, nachdem ich leicht schwankend - danke, Rotwein, auf dich ist Verlass - aus dem Pool geflüchtet war, zu ein paar gemurmelten Worten an. Allen voran war ein leises Räuspern zu hören. "Sorry, aber mit solch musternden Blicken kann ich momentan noch nicht umgehen.", erklärte ich dem Italiener gegenüber und blieb damit sogar zu einhundert Prozent bei der Wahrheit. Was sollte ich auch lügen, brachte mir im Endeffekt nichts und so wusste Agnolo immerhin, dass es nicht unbedingt an ihm lag, dass mir gerade sämtliche Lust nach ein bisschen Spaß abhanden gekommen war.
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Meinen anfänglich noch ambitionierten Avancen folgte ein zum Glück nur innerlich stattfindendes, geistiges Schnauben. Gar nicht mal, weil ich es nicht verstand. Das tat ich sogar durchaus, hatte es mich vor ein paar Jahren in meiner späten Jugend doch schon unschön genervt, wenn sich Jemand die etwas größeren, längeren Narben knapp oberhalb der Hüfte an meinem Rücken angesehen hatte. Vielleicht war das ein Mitgrund dafür, warum ich es doch im Regelfall bevorzugte den dominanten Part zu bilden. War Mann nicht hinter mir wurde die Narbe schließlich auch nicht gesehen und es sprach mich Niemand darauf an. Das traurige war ja, dass die nicht mal von der Mafia stammte und andernfalls wäre es wahrscheinlich auch weniger schlimm für mich. Jedenfalls konnte ich Richards Reaktion durchaus nachvollziehen, es legten eben auch viele Schwule recht großen Wert auf ihr Aussehen. Das war bei mir selbst nicht anders, das innere Schnauben bezog sich deshalb eher auf eine Art von mildem enttäuscht sein. Ich konnte mit Körben leben, auch wenn sie nicht sonderlich oft vorkamen, so war es ja nicht. War aber trotzdem schade, daran ließ sich nichts rütteln. Ich sah ihm kurz nach und legte dann mit einem leisen Seufzen wieder den Kopf in den Nacken, während ich die Hände am Hinterkopf verschränkte. "Man, kein Grund gleich die Flucht zu ergreifen... ein Vergewaltiger bin ich nicht.", ließ ich den Dunkelhaarigen indirekt und mit ruhiger Stimme wissen, dass ich nicht vorhatte ihm einen Strick aus dem Korb zu drehen. Dass ich ihm das nicht übel nahm und ich auch einfach zurück auf die andere Seite des Pools gerückt wäre, wenn er das von mir gewollt hätte. Wie gesagt, meine Laune war gut und der Jacuzzi verlieh mir hier gerade sogar noch einen Hauch mehr Gelassenheit. Der Wein trug auch einen kleinen Teil dazu bei, obwohl er bei mir wohl weit weniger starke Auswirkungen hatte, als es bei Richard offenbar der Fall war. "Ich kann's verstehen, ging mir mal... ähnlich.", unterstrich ich mit ein paar Worten noch einmal, dass ich ihm das nicht übel nahm. Ich würde mich keinesfalls dahingehend mit ihm gleich stellen, weil mein Gesicht schließlich vollkommen intakt war, aber ich wollte ihn dennoch wissen lassen, dass das okay war. Es war nicht so, als hätte ich gar kein Herz, es war nur bei rein geschäftlichen Angelegenheiten sicher hinter Türen verwahrt, weil ich sonst im Leben nicht mehr froh werden würde. Wir ignorierten an dieser Stelle bitte auch gekonnt, dass Richard streng genommen genau zu jenem Geschäft gehörte. "Ist das mein indirekter Rausschmiss? Ich beherrsch mich auch, wenn nicht.", hakte ich weiterhin entspannt nach, ob es dem Dunkelhaarigen womöglich lieber war, wenn ich die Biege machte und sah durch meinen angewinkelten Arm hindurch und über meine Schulter hinweg in seine Richtung. Wollte ich eigentlich nicht, aber ich hatte wiederum auch keine Lust auf gedrückte Stimmung. Dann lieber gehen, bevor es schlimmer wurde und meine Laune auch irgendwo unten in der Hölle ankam.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wäre Agnolo ein gesuchter Triebtäter gewesen, hätte das den Vogel auch echt abgeschossen. Aber nein, vorstellen konnte ich mir das bei ihm nicht. Ganz einfach aus dem Grund, dass der Italiener es absolut nicht nötig hatte, sich mit Gewalt das zu besorgen, was er von vermutlich unzähligen Männer auf ganz freiwilliger Basis bekommen konnte. Und ich war kein Experte auf dem Gebiet, aber Sex, wenn beide Parteien einverstanden waren, fühlte sich doch sicher um einiges besser an, oder? Nun, herausfinden wollte ich es nicht, weder als Opfer, noch als Täter und damit war das Thema für mich dann auch schon wieder abgehakt. Ich nickte auf Agnolos Aussage hin nur schwach mit dem Kopf und erwiderte ein "Ja ja, schon gut.", wobei ein angesäuerter, bitterer Unterton mitschwang. Beabsichtigt war der nicht, nur kochten meine Emotionen gerade ihr ganz eigenes Süppchen, was mich zugegebenermaßen ein wenig störte. Ändern konnte ich es aber leider nicht und da halfen mir die gut gemeinten Worte des jungen Mannes auch nicht wirklich. Es überraschte mich zwar durchaus, dass es neben dem herzlosen, italienischen Arschloch scheinbar noch eine gute, brauchbare Seite an ihm gab, aber da ich weder vor hatte, mich auf eine Beziehung mit ihm einzulassen, noch mich generell länger als nötig mit ihm herum zu ärgern, brachte auch das mir absolut gar nichts. Sein Mitgefühl machte mein Gesicht schließlich auch nicht mehr ansehnlicher. Meinen Blick, den ich bis dato auf den kalten Fußboden geheftet hatte, hob ich bei Agnolos letzter Frage dann doch wieder ein bisschen an. Gerade einmal so viel, dass ich ihn direkt ansehen konnte, wie er da ganz entspannt sein Leben zu genießen schien, welches an manchen Tagen sicher auch nicht unbedingt lebenswert war. Aber er stand, wie so ziemlich alle anderen in meinem Umfeld auch - mich eingeschlossen - da drüber und machte weiter, auch wenn Aufgeben in manchen Situationen die einzige weniger anstrengende Option zu sein schien. Eine bemerkenswerte Eigenschaft, die in diesem Metier unabdingbar war, wenn man etwas erreichen wollte. Jedenfalls brauchte ich für eine Antwort eine ganze Weile, ehe ich mich leise seufzend von ihm abwandte, um das leere Weinglas von der Ablage zu angeln und es entgegen aller vorherigen Überlegungen doch noch einmal aufzufüllen. "Nein... es... es liegt ja nicht an dir.", setzte ich zum Reden an und wandte mich im direkten Anschluss bereits zur Hälfte von ihm ab. Es wäre in dem Fall nicht richtig, ihn einfach vor die Tür zu setzen, nur weil ich mit meinen geistigen Leiden nicht umgehen konnte, aber die Lust am Baden war mir dennoch vergangen. "Bleib, solange du möchtest, ich bin drinnen, wenn etwas sein sollte.", beendete ich das Gespräch schließlich und überbrückte die wenigen Schritte bis zur Tür im verhältnismäßig zügigen Tempo. Nicht zuletzt, weil es trotz des angewärmten Handtuchs immer noch ziemlich kalt war. Zurück im Inneren meiner Wohnung, exte ich das halb volle Glas Rotwein auf dem Weg ins Schlafzimmer, um mir dort zumindest eine frische Boxershorts und ein Shirt anzuziehen, ehe ich mich ein paar Meter weiter in der Küche an die Theke lehnte. Die Arme wieder vor der Brust verschränkt, versank ich recht schnell wieder in die unliebsame Erinnerung an den Überfall, der mich seither alle paar Nächte im Traum einholte. Und plötzlich war die Wut auf Hunter gar nicht mehr so gespielt...
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Da war sie wieder - seine Wehleidigkeit. Zugegeben wäre ich zwar auch mehr als ein bisschen angepisst, wenn mir Jemand das Gesicht zur Hälfte entstellen würde, aber ich würde mich im Gegensatz zu Richard dafür revanchieren. Vielleicht nicht sofort, aber im Nachhinein, wenn sich eine günstige Gelegenheit dafür ergab. Dahingehend waren sämtliche Kriminelle mit Rang und Namen in meinem Umfeld gleich gestrickt: Wie du mir, so ich dir. Ganz einfache These, bei der man sich besser zwei Mal überlegte, wo man sich was erlauben konnte und wollte. Jedenfalls musste ich jetzt scheinbar damit leben mein Dasein im Pool alleine zu fristen. Zwar sollte ich Richard womöglich lieber für den Rest meines Aufenthalts nicht mehr ansehen, aber das war ja nicht besonders schwierig, wenn er sich nach drinnen verzog. "In Ordnung.", war demnach Alles, was ich noch auf seine Worte erwiderte. Unterstrich das noch mit einem schwachen Nicken, ehe ich den Kopf wieder nach vorne drehte und die Augen zumachte. Nebenher den Dunkelhaarigen weggehen und schließlich die Tür passieren hörte, womit ich in der kalten Luft endgültig allein war. Aber hey, allein im Whirlpool zu sitzen war immer noch besser, als gar nicht darauf zurückkommen zu können, also ließ ich mir noch für einige Minuten lang die sonst immer so akribisch geschärften Sinne von dem Blubbern des Wassers trüben. Genoss die leicht massierende Wirkung, die das Ganze auf meinen chronisch verspannten Rücken hatte und schaltete den Kopf weitgehend aus. Nicht so, dass ich gar nichts mehr mitbekommen würde, aber eben auf Durchzug. Ich saß noch eine gute Viertelstunde in dem Jacuzzi, leerte irgendwann zwischendurch auch den kläglichen Rest aus dem Weinglas. Kostete den großen Schluck noch einmal richtig aus, weil es mehr für mich heute nicht mehr geben würde. Immerhin lief die Arbeit im Gegensatz zu vielen Menschen nicht vor mir davon, sondern stapelte sich eher, wenn man sie zu lange in Frieden ließ. Allein machte der Whirlpool dann auch nur halb so viel Spaß, weshalb ich ihn letztlich verließ und mich ebenso an einem Handtuch bediente. Nebenher noch nach der Fernbedienung griff, um die Stromkosten des jungen Mannes nicht unsinnig in die Höhe zu treiben. Es folgte nach dem Abtrocknen dann noch der erneute, lange Prozess mit den Klamotten, auch wenn ich damit schon sehr viel Routine hatte. Ich ließ mir absichtlich ein bisschen Zeit, was allein schon deshalb nicht verkehrt war, weil die kalte Luft mich wieder wachrüttelte und ein Stück weit für die Arbeit wappnete. Zurück in voller Montur, inklusive nassem Handtuch und leerem Weinglas, betrat ich schließlich das Loft und steuerte nach dem Schließen der Glastür erst einmal die Küchenzeile an, um das Glas dort loszuwerden. Das Handtuch hielt ich kurz darauf dem offensichtlich frustrierten Häufchen Elend von Mann entgegen. Von dem Sprüche klopfenden Kerl war da nicht mehr viel übrig. "Ich schätze ich melde mich übermorgen wieder... morgen wird's wohl spät.", lieferte ich ihm noch eine knappe Information darüber, wann er das nächste Mal mit mir zu rechnen hatte. Theoretisch könnte ich ihn anrufen oder einfach vor seiner Tür stehen, entschied ich dann spontan. Ich machte wegen meiner Jacke noch einen Abstecher zur Wohnlandschaft, ehe ich ein knapp gehaltenes "Bis dann." als Abschied formulierte, wobei ich ihn wegen der Narben dieses Mal aber ganz bewusst nur flüchtig mit meinem Blick streifte und dann ohne weitere Umschweife die Wohnungstür ansteuerte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hätte nicht gedacht, dass der Abend ein solches Ende nehmen würde - wirklich nicht. Er hatte so vielversprechend angefangen und war in seinem Verlauf immer besser geworden. Es hatten sich Chancen aufgetan, die einmalig waren und ich hatte mich dazu entschieden, sie einfach wegzuwerfen. Einen Strich durch die Rechnung zu ziehen, weil mein Ego mir wichtiger war, als weiterhin alles daran zu setzen, die Italiener dingfest zu machen. Aber gut, half ja alles nichts. Die Sache war vom Tisch und würde sich am heutigen Tag auch nicht mehr geraderücken lassen, selbst wenn ich plötzlich wieder mit mehr Selbstvertrauen gesegnet wurde. Ich stand also eine schier unendlich lange Zeit an die Küchenzeile gelehnt, der Nacken tat schon weh vom auf den Boden starren und meine Arme waren eingeschlafen. Hätte mich Agnolo mit der Geräuschkulisse einer sich schließenden Glastür nicht zurück ins Hier und Jetzt geholt, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die müden Beine unter mir nachgegeben hätten. Und spätestens wenn mein Kopf auf dem gefliesten Boden aufschlug, wäre ich die unliebsamen Gedanken an Hunter los und fand meinen inneren Frieden mit der hässlichen Narbe in meinem Gesicht. Zumindest bis ich aufwachte und mich beim Zivilisieren im Badezimmerspiegel ansehen musste. Dann ging das Spiel wieder von vorne los. Aber gut, wie auch immer. Für heute sollte mich ja dann auch niemand mehr direkt angucken, denn Agnolo war augenscheinlich auf dem Sprung und drückte mir lediglich noch das feuchte Handtuch in die Hand, ehe er sich mit ein paar knappen, halbwegs informativen Worten von mir verabschiedete. Dass er sich dabei anhörte, als würde er einer ollen Hausfrau stecken, dass er morgen später Heim kam, weil auf ihn vorher noch eine Hure wartete, blendete ich gekonnt aus, nickte bloß und hob zum Abschied die Hand. "Bis dann.", unterstrich ich die Geste auch noch einmal wörtlich, dann fiel die Tür auch schon hinter dem jungen Mann in ihr Schloss. Es wurde Zeit für mich, ins Bett zu gehen. Normalerweise sprang ich nach einer Runde im Whirlpool noch fix unter die Dusche, weil ich mich frisch geduscht einfach am wohlsten fühlte, aber heute ließ ich auch die ganz gekonnt ausfallen. Stattdessen schleppte ich mich auf direktem Weg in Richtung Schlafzimmer, um mich ohne große Umschweife auf die Matratze fallen zu lassen. Das Handtuch hatte ich einfach neben mich auf den Boden fallen lassen, war mir der Weg ins Bad zu weit. Das Licht brannte noch im gesamten Apartment, aber auch in dem Punkt hatte ich keine Motivation mehr, mich jetzt noch einmal aufzuraffen. Der Fernseher blieb ebenfalls aus, wo ich doch normalerweise immer eine der etlichen Dokus zum Einschlafen einschaltete. Aber heute nicht. Heute fand ich auch ohne die gewohnte zu Bett geh Routine recht zügig in den Schlaf. Der war zwar alles andere als ruhig, brachte mir aber bis zum nächsten Tag zumindest einen halb vollen sozialen Akku.
Das Leben konnte so schön sein. Man musste hier und da vielleicht ein wenig nachhelfen, aber war der Stein erst einmal ins Rollen gebracht, dann lief der Rest von ganz alleine. Tja und das mein Stein, der am heutigen Tag so einiges verändern sollte, die Form einer rosaroten Pille mit eingestanztem Grinsen hatte, wäre vor ein paar Wochen noch undenkbar für mich gewesen. Niemals nie nicht und unter keinen Umständen hätte ich zu weitaus härteren Drogen, als dem Billigfusel aus dem Supermarkt gegriffen. Aber die Zeit in mehr oder weniger kompletter Isolation machte etwas mit einem und mir war unglaublich langweilig geworden. Die erste Woche war erträglich, die zweite Woche hatte sich auch noch gut aushalten lassen, aber ab der dritten Woche entwickelte sich in mir langsam das Gefühl, dass die Wände um mich herum enger wurden und immer näher kamen. Da half auch das ein oder andere Gespräch mit Hunters Männern nicht, die ohnehin immer recht kurz angebunden waren und von Sabin hatte ich auch langsam die Schnauze voll. Als er noch arbeiten ging und wir uns nicht ständig auf der Pelle saßen, war unsere Beziehung zueinander zumindest für Cop und Sträflings Verhältnisse noch echt in Ordnung gewesen. Mittlerweile konnte ich so mancherlei Mordgedanken nachvollziehen, stand ich doch nicht selten davor, ihn im Schlaf einfach ersticken zu wollen. Aber heute. Heute war alles anders! Ich wusste nicht genau, warum und wieso, aber ich hatte eine ganze Weile mit einen der Schlägertypen auf der Couch gehockt und Ferngesehen. Witziger weise kannte ich nicht einmal seinen Namen, wusste aber, dass er sich ab und an, wenn er frei hatte, mal eine Pille schmiss und da er seit dem letzten Einsatz krank geschrieben war, kam das in letzter Zeit sehr häufig vor. Na ja und irgendwie ... kam mir dann die zündende Idee schlechthin. Long story short, fragte ich den Typen kurzerhand, ob er noch etwas parat hatte, denn ich stellte mir einen schnellen Trip quer durch das Periodensystem ganz witzig vor, bunt und alles andere als langweilig. Tja und als ich dann ganz ambitioniert eine ganze Pille für mich alleine vernichtet hatte, saß ich schließlich da. Bereute schon im nächsten Atemzug, dass ich mir mit einer derart hochgradigen Chemiekeule den Abend hatte versüßen wollen. Wo ich doch mein Lebtag die Finger von Drogen wie LSD gelassen hatte. Logischerweise war es dann aber zu spät, die Halluzinogene wieder aus meinem Körper zu bekommen und so musste ich den Trip dann schließlich aussitzen. Das war erst einmal auch gar kein Problem. Der Typ neben mir und ich saßen noch ein Weilchen ganz ruhig vor dem Fernseher, bis uns beiden relativ zeitgleich der Sinn danach stand, dann doch lieber auf Wanderschaft zu gehen. Die pinken Heffalumps jagen oder so einen Mist. Irgendwie flog die Zeit auch nur so davon und ich bekam überhaupt nicht mit, dass ich mich am Waffenschrank einer der hier ebenfalls sesshaften Schlägertypen bediente, um Jagd auf meine schlimmsten Alpträume zu machen, die mich Minute für Minute immer weiter einzuholen schien. Komisch, ich dachte eigentlich, dass die Zimmer, sobald der Bewohner nicht im Haus war, abgeschlossen waren. Scheinbar hatte es da jemand nicht sehr ernst genommen und gab mir damit die Möglichkeit, mich mit einer Pistole, die der des FBIs stark ähnelte, zu bewaffnen. Und weil sich im unteren Stockwerk bis auf den anderen Druffi keiner mehr aufhielt, fiel es auch gar nicht auf, dass mich meine Halluzinationen immer weiter aus dem Haus trieben, wobei ich gerade das tunlichst hatte vermeiden wollen. Der Trip sollte mir immerhin nur dazu verhelfen, dass mir die Decke nicht auf den Kopf viel, ohne das ich den Räumlichkeiten entfliehen musste. Aber so weit konnte ich nicht mehr denken. Mein Gehirn hatte die Kontrolle der Gliedmaßen bereits an die Drogen übergeben und jene steuerten mich geradewegs in Richtung Hauptstraße. Es fühlte sich an, als würde ich sprinten, einen Marathon laufen, doch in Wirklichkeit schlich ich, getreu der vielen Dokumentationen über Drogenmissbrauch, wie ein Zombie durch die Seitengassen, hatte die Pistole im Anschlag. Warum? Na darum! Nur, damit ich auf den erstbesten schießen konnte, der mir ins Fadenkreuz rannte. Dass das ausgerechnet die Pfeife war, vor der wir uns die ganze Zeit versteckten, wusste ich natürlich nicht, als ich gerade unweit unseres Verstecks um eine uneinsichtige Ecke bog und mit dem Reflex der FBI Schützin einen Schuss auslöste.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Für den Moment schien eigentlich alles in bester Ordnung zu sein. Die Operation vor ein paar Tagen war geglückt und ich hatte erfolgreich den von Richard angepriesenen jungen Mann mit in einen der beiden Wagen gezerrt, um ihm die folgenden drei Tage zur Hölle zu machen. Ihm Stück für Stück mehr kleine, aber ausreichend detaillierte Informationen aus dem Leib zu prügeln, zu stechen... wir lernten uns ein bisschen kennen und ja, Tauren hatte ein schönes Gesicht. Allerdings bekam ich von dem Schwiegersohnlächeln eher wenig zu sehen und wenn, dann nur aus Provokation oder dicht gefolgt davon, dass er mir vor die Füße spuckte. Um mich kurz zu fassen: Er gab mir während einem tagelangen Prozess essentielle Hinweise dazu, wo ich eines von Hunters Lagern fand und auch eine Option für einen anderen potenziellen Angriff auf den Anführer selbst, wenn er in nicht allzu ferner Zukunft einer seiner geschäftlichen Angelegenheiten nachging. Ich hatte gute Aussichten darauf diese ganze Scheiße hinter mir zu lassen und als Dank dafür brachte ich den Handlanger des Amerikaners nur fast um. Ich brauchte ihn nicht einmal auf der Rückbank zu fixieren, weil er sich ohnehin nicht mehr aus eigener Kraft rühren konnte. Zahlreiche Blutergüsse und eine aufgeplatzte, geschwollene Unterlippe zierten sein vorher so makelloses Gesicht, während sein rechter Oberarm von einer klaffenden Stichwunde gezeichnet war, wobei sicher entweder ein Muskel oder eine Sehne dran glauben hatte müssen. Hier und da hatte ich ihm auch mit dem Messer im Oberschenkel herumgestochert... nicht allzu tief, aber großflächig, was den Blutverlust noch beschleunigt hatte. Die Stichwunde am Arm war erst von heute Nachmittag, wenn er Glück hatte und ihn Irgendjemand fand, dann könnte er noch mit einem kurzen Leben davon kommen. Hielt ich aber für unwahrscheinlich, andernfalls hätte ich nicht die Intention ihn wirklich laufen zu lassen, sondern hätte ihn gleich umgebracht. Hätte ihn, nachdem ich ihn mit dem Kopf zum unter Druck setzen ins Wasser gesteckt hatte, einfach gleich dort gelassen. So oder so glaubte ich zu wissen, dass Hunter ihn sowieso im Notfall noch eigenhändig köpfen würde. Wir fuhren bewusst in ein anderes Stadtgebiet, um den unnötigen Ballast loszuwerden. Hier war kaum etwas los, die Straße wie leer gefegt. Es war auch schon spät, das Risiko gesehen zu werden also allgemein geringer. So zog ich die geschundene, sofort aufkeuchende und röchelnde Seele vom Rücksitz, nur um ihn unweit des Hinterreifens direkt wieder unsanft fallen zu lassen. Ich lehnte mich mit meinem Beifahrer ganz entspannt an den Kofferraum, während wir Tauren dabei zusahen, wie er sich mit Ach und Krach auf den Gehsteig robbte. Wir amüsierten uns herrlich, teilten uns zur Feier des Tages eine Kippe und machten hier und da noch Witze über den jungen Mann, der sich zur nächsten Hauswand zerrte und sich dann damit abmühte, sich irgendwie mit dem Rücken anzulehnen. Schaffte er aber nicht, blieb kläglich liegen. Ich wollte gerade auf ihn zugehen und ihm noch einen letzten Tritt zum Abschied verpassen, da ertönte in unmittelbarer Nähe ein Schuss und ich wurde von der Kugel zur Seite gerissen. Spürte wenig später einen brennenden, extrem penetranten Schmerz an meiner Taille. Ich lehnte mich an die nahe Hauswand, während mein Kumpane schon die Waffe zückte und ich spürte, wie meine Klamotten immer feuchter wurden. Als ich den Blick anhob sah ich die weibliche Silhouette gerade wieder hinter der Ecke verschwinden und ich war zwar angeschossen, aber nicht blind. "Das ist Sydney, hol sie dir gefälligst... lebend!", fauchte ich meinen Mitstreiter an, kurz bevor ich meine Jacke öffnete und den Pullover hochzog, um mir den Einschuss zu besehen. Ich sah meinen guten Freund noch hinter der Hausecke abtauchen, bevor ich mich zum Verbandskasten des Kofferraums schleppte. Irgendwo auf halber Höhe unter Schmerzen die Jacke auszog und mir dann schließlich eine möglichst feste Kompresse anlegte, um die Blutung so weit es ging einzudämmen. Im Anschluss daran schleppte ich mich nur noch mit gezogener Waffe ins halbwegs sichere Innere des Wagens - hinters Steuer, weil ich nicht wusste, ob der Ex-Polizistin noch weitere Leute aus diesem Clan gefolgt waren. Sollten mehr von ihnen auftauchen wollte ich möglichst schnell weg sein, auch wenn die Fahrt verdammt schmerzhaft werden würde.
Das durfte doch jetzt nicht wahr sein. Ich hatte mich nach oben verzogen, eine ganze Weile lang nur etliche Polizeiberichte über die Schießereien in den letzten Tagen mehrfach analysiert, als ich Sydney nach dem Abendessen mit einem der Jungs unten allein gelassen hatte. Daran war Nichts auszusetzen, war schließlich nicht das erste Mal, dass sie sich mit einem von ihnen unterhielt und demnach dachte ich mir auch Nichts dabei. Ich wurde nur irgendwann skeptisch, weil ich die regen Gespräche nicht mehr hörte. Es hatte mich schon gewundert, dass die junge Frau überhaupt so redselig geworden war und ich immer wieder hier und da Gelächter hörte, was bei ihr in letzter Zeit immer seltener vorkam. Also beschloss ich doch mal nach dem Rechten zu sehen und was ich vorfand war ein leeres Wohnzimmer. Der Fernseher lief noch, das Licht war noch an, aber keine Menschenseele weit und breit. Ich rief nach Sydney, sah in sämtlichen Räumen und auch im kleinen Keller nach, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Nicht aufzufinden und auch Derek, der heute frei hatte, hatte sie nirgends gesehen. Also verordnete ich letzterem schließlich mir zu folgen, als ich mit der Pistole bewaffnet das Haus verließ. Weit gekommen sein konnte sie nicht, oder? Ich fragte meinen Mitstreiter, während wir schon ein paar Minuten lang im Laufschritt durch die Gassen unterwegs waren, ob er wusste, wohin es seinen Drogenjunkie von bestem Freund am häufigsten verschlug, wenn er auf was auch immer für Stoff war. War ja nicht so, als würde er sich da auf eine Droge beschränken, das wäre zu wenig schädlich oder so. Mein Mitläufer konnte es tatsächlich zumindest auf ein bestimmtes Gebiet eingrenzen und von da an dauerte es noch etwa weitere zehn Minuten, bis wir den Typen auf dem Bordstein sitzend vor sich hin grinsen sahen. Nach oben in die Lichter der Laternen sah oder vielleicht doch in den Himmel, womöglich auch beides. Er war vollkommen benebelt und außer schwachsinnigem Gerede bekam man nicht viel aus ihm heraus. Immer und immer wieder faselte er irgendwas davon, dass sie die Heffalumps gesucht, aber nicht gefunden hatten. Es dauerte etwa weitere fünf Minuten, bis Derek darauf kam, was er damit meinte - das lila bis pink leuchtende Neonschild einer Bar um die Ecke, die heute so wie fast alle Bars in der Stadt aber ihren Ruhetag hatte. Mit extrem viel Fantasie konnte das Schild vielleicht aussehen wie ein sehr unförmiger Elefant, aber gut, war nicht weiter wichtig. Er hatte auch schon mal in die Richtung gedeutet, es schien mehr oder weniger Sinn zu ergeben und so ließen wir den jungen Mann einfach sitzen, um zügig weiter in Richtung besagter Bar zu laufen. Sollte auch keine weiteren fünf Minuten dauern, bis Sydney mir mit sehr ungewohnt unkontrolliertem Gangbild entgegen kam. Unweit gefolgt von einem Tornado, der gefühlt schrankbreit war. Ich hatte es wohl meinen über Jahre hinweg antrainierten Reflexen zu verdienen, dass ich schneller am Abzug war als er und ich nicht mehr abbekam, als das Zischen der recht weit an mir vorbei fliegenden Kugel in der Luft. Er hingegen wanderte mit einem Schuss in Bauchregion auf den Boden, hob den Arm zwar noch einmal, bekam aber unmittelbar noch eine weitere Kugel von mir verpasst und röchelte von da an nur noch vor sich hin. Mein Blick war eisig, wechselte erst nach einigen Sekunden von dem sterbenden Kerl weg zu Sydney. Derek hingegen setzte schon dazu an die Gasse weiter entlang zu gehen, um die Umgebung zu checken. Eben ganz der von Hunter trainierte, flinke Laufbursche mit tödlichem Potenzial. "Hast du jetzt endgültig den Verstand verloren?", fragte ich Sydney schließlich mit halbem Auge auf das Ende der Gasse gerichtet, aus dem wir gekommen waren. Nur um sicher zu gehen, dass es kein Hinterhalt war.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Jeder normale Mensch, dessen Sinne nicht durch etwaige Halluzinogene betäubt waren, hätte sich in dem Moment vermutlich folgendes gedacht: 'Mensch, ich richte hier gerade eine Waffe auf einen Menschen. Sobald ich den Abzug drücke, wird es einen lauten Knall geben und wenn die Kugel jemanden trifft, dann verletzt sie diesen jemand mit hoher Wahrscheinlich oder sie tötete ihn sogar.' So weit, so gut. Stand man nicht gerade unter Drogeneinfluss, war so ein Schuss ja auch keine große Sache. Man hielt sich mit einer Hand vielleicht das Ohr zu oder Schloss die Augen, in der Hoffnung, dass die Dezibel in der sich ausbreitenden Dunkelheit verschwinden würden, keine Ahnung. Man reagierte jedenfalls verhältnismäßig nüchtern. Und das Pendant dazu bildete ich - eine Drogen konsumierende, Ex-FBI Agentin, die sich auf ziemlich absurde Art und Weise ihre Langeweile vertreiben wollte. Und als hätte ich mit den tanzenden Einhörnern am anderen Ende der Straße nicht schon genug Probleme, erschreckte ich mich dermaßen vor dem eigens ausgelösten Schuss, dass ich keine zwei Sekunden später meine Beine in die Hand nahm und tatsächlich anfing, zu laufen. Dass da jemand hinter mir her war, hatte ich überhaupt nicht mitbekommen, flüchtete nur vor potenziellen Ärger, den ich mit dem Schuss assoziiert hatte. Aber dieser Typ. War schon seltsam, als ich ihn beim flüchtigen Umschauen im Augenwinkel erblickte. Hatte er nach mir gerufen? War ihm aufgefallen, dass ich mein Portemonnaie verloren hatte und wollte mich darauf aufmerksam machen oder gefiel ich ihm einfach nur so gut, dass er mich nach meiner Handynummer fragen wollte? Tja, nüchtern betrachtet - im wahrsten Sinne des Wortes -, war das bloßes Wunschdenken gewesen und ich konnte wohl von Glück reden, dass am Ende der ziemlich langen Straße und meinem angekratzten Lungenvolumen Sabin auf mich zu warten schien. Denn ansonsten hätte sich die ganze Sache hier und heute erledigt gehabt. Dann würde niemand mehr nach mir rufen, mich darauf hinweisen, etwas verloren zu haben oder mich um meine Nummer bitten - ha ha. Nun, zurück zu Sabin. Er empfing mich direkt mit einem weiteren lauten Knall, kurz darauf folgte noch ein weiterer und ich wollte schon zum Schimpfen ansetzen, da sah ich erst, was unweit von mir auf dem Boden vor sich hin röchelte. Ein junger, sehr sportlicher Mann, blutüberströmt, vermutlich kurz vor Tod. Die Geräusche hörten sich jedenfalls nicht gesund an. Und obwohl kein einziges Puzzleteil fehlte, die Geschichte glasklar war, raffte ich in dem Moment überhaupt gar nichts. Starrte einfach nur wie blöd auf den langsam ausblutenden Körper, bis eine mir bekannte Stimme an mein Ohr drang. Weil meine Sinne jedoch immer noch stark gereizt waren und der Fluchtinstinkt anhielt, mich lediglich die schmerzenden Lungenflügel am Abhauen hinderten, richtete ich im nächsten Schritt den Lauf der Waffe auf Sabin. Anders als vor wenigen Minuten, drückte ich jedoch nicht instinktiv ab, sondern versuchte tatsächlich ein Stück weit das Chaos in meinem Gehirn zu ordnen. Das war nur leider gar nicht so leicht, wenn die Gedanken Achterbahn fuhren und der Notaus Schalter nirgendwo zu sehen war. "Kein Schritt weiter, ich warne dich!", fauchte ich schließlich, während ich mehrfach versuchte, gegen die Illusionen, die ganz offensichtlich nicht wirklich existieren, anzublinzeln. Klappte nur mäßig bis gar nicht, aber ich erkannte immerhin die ersten Umrisse von Sabins Silhouette. "Wer bist du und was willst du von mir?", hängte ich ein paar wirre, nicht weniger fauchende Worte hinten dran und mittlerweile sollte auch die letzte Kerze auf dem Kuchen geblickt haben, dass ich temporär in einer Welt voller Scheiße und surrealen Geschichten gefangen war. Den Zug nach Crackhausen genommen hatte und das One Way, bis die Gleise endeten und ich wieder auf dem kalten Boden der Tatsachen aufschlug. Und zwar der Tatsache, dass ich gerade ganz offensichtlich einen der drei Stippenzieher angeschossen hatte.
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Das war jetzt nicht ihr Ernst, oder? Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da wanderte die freie Hand an meine Stirn. Es war lange her, dass ich mich mit Jemand drogenabhängigem aktiv hatte auseinandersetzen müssen und wenn ich eins wusste, dann, dass ich es kein Stück vermisst hatte. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie man danach streben konnte, sich die Sinne in komplett andere Dimensionen zu schießen. Ja, ich hatte schon hier und da mal Koks gezogen, aber das war Jahre her und ich konnte wenigstens noch von mir sagen, dass das wirklich harte Zeiten gewesen waren. Ich wollte nicht sagen, dass es besonders viel Spaß machte tagein tagaus nur in der Bude zu sitzen, aber es könnte Sydney wirklich schlechter gehen. Mit meiner Vergangenheit durfte ich durchaus behaupten, dass es wesentlich schlimmere Dinge als Nichtstun gab. Ich steckte die Waffe in meinen Hosenbund zurück, weil es nicht so schien, als würde aktive Gefahr drohen und hob dann mit einem genervten Seufzen beschwichtigend die Hände. "Sabin. Du weißt schon, der Kerl, wegen dem du hier in Norwegen festsitzt und so weiter.", schilderte ich der jungen Frau seufzend ganz grob, mit wem sie es zu tun hatte, wobei die Wortwahl angesichts der auf mich gerichteten Waffe vielleicht nicht so geschickt war. Immerhin war ich nach wie vor zum Teil indirekt Schuld daran, dass ihr Leben jetzt war, wie es nun mal war. Ich hatte sie zwar nicht dazu gezwungen, die Seiten zu wechseln - oder zumindest nur so halb, weil ich nicht wollte, dass Hunter sie köpfte -, aber wie dem auch sei. Ich sah Derek im Augenwinkel wieder in unsere Richtung kommen, weshalb ich davon ausging, dass wir keine weiteren schießwütigen Italiener willkommen heißen und abmurksen mussten. Ich bedeutete ihm mit einem unauffälligen, kaum sichtbaren Nicken in Cosmas Richtung, dass er sie doch bitte der Waffe entledigen sollte. Es war für ihn schlicht und ergreifend leichter, weil er hinter ihr war und sie ihn in ihrem Rausch kaum kommen hören würde. Gesagt, getan - er griff sich die Waffe ziemlich mühelos, wobei ich mich zur Sicherheit aber zur Seite wegduckte. Nur für den Fall, dass sie doch noch an den Abzug kam, aber meine ohnehin schon geschädigten Ohren blieben glücklicherweise davon verschont. "Tauren liegt um die Ecke, Sabin... er sieht übel aus.", teilte er mir dann mit gedrückter, aber leicht hektischer Stimme etwas mit, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Er schien recht betroffen, vielleicht waren sie befreundet, in jedem Fall aber etwa im gleichen Alter. Ich wusste, dass Hunter ihm ein First Class Ticket in die Hölle ausgehändigt hatte - wovon ich übrigens weniger begeistert gewesen war -, aber ich hatte um ehrlich zu sein nicht damit gerechnet, dass er - noch - lebend aus der Sache herauskam. "Ruf Hunter an... oder am besten Irgendjemanden, der in der Nähe ist... beides.", gab ich ihm die nächste Anweisung, die er ohne Umschweife ausführte. Dann setzte ich mich in Bewegung, um nach Tauren zu sehen.
Es war gar nicht mehr in Worte zu fassen, wie sehr ich die letzten Tage über gelitten hatte und das Alles nur für einen Kerl, der sich einen Scheißdreck für mich interessierte und einen Ex-Mafioso, der mir zwar weitgehend sympathisch war, aber wirklich etwas mit ihm zu tun hatte ich ja doch nicht. Während ich die Fahrt im Wagen einfach nur schweigend über mich ergehen ließ, fragte ich mich, ob es das wert gewesen war. Ob Hunter mich wirklich mit deutlich mehr Respekt behandeln würde als vorher, oder ob alles, was ich bekam, eine winzige Bonuszahlung und mehr Drecksarbeit war. Es reichte mir an diesem Punkt echt endgültig und selbst der Tod wäre besser gewesen als dieses tagelange vor mich hin leiden. Ohne auch nur einen Krümel Brot im Magen, was noch zusätzlich zu den zahlreichen Prellungen und offenen Wunden am ganzen Körper an meinen schwindenden Kräften nagte. Der unschöne Aufprall auf dem betonierten Boden und die eiskalte Luft, die mich - nur in Tshirt und Jeans bekleidet - sofort erzittern ließ, rüttelten mich kurzzeitig wieder wach und ich konnte so ein bisschen das Los der Freiheit riechen, während die beiden Arschlöcher im Hintergrund sich hörbar an meinem Leid ergötzten. Die schier niemals endende Hölle nahm dann aber ziemlich unerwartet doch ein abruptes Ende. Ich sah Sydney nicht, hörte nur ihren Namen und einen fluchenden Agnolo, der sich von da an um sich selbst zu kümmern schien. Ich schloss die Augen einfach wieder, während sich die winzigen Kiesel auf dem Gehweg in meine Wange bohrten und ich weiter dem elendig metallischen Blutgeschmack ausgesetzt war, der quasi schon seit unzähligen Stunden nicht mehr wegzudenken war, weil meine Lippe immer wieder aufgeplatzt war. Wie ich hier herumlag tat weh, aber ich hatte schlicht keine Kraft mehr dazu mich irgendwie zu bewegen oder gar zum sitzen aufzurichten und blieb deshalb einfach so halb auf dem Bauch liegen. Ich blinzelte erst wieder, als sich ein Schatten vor das Licht des Laternenpfahls legte und erkannte kurz darauf Dereks Gesicht, wenn auch irgendwie leicht verschwommen. Mir war kotzübel, mein Kreislauf war komplett im Keller und meine Sinne wollten wohl langsam auch nicht mehr so recht mitmachen. Deshalb machte ich die Augen auch gleich wieder zu, als sich mein Sichtfeld zu drehen begann und stöhnte der zahlreichen Schmerzpunkte in meinem Körper wegen leise auf, verzog das Gesicht. Es dauerte nochmal eine kurze Weile, bis sich das gleiche Szenario wiederholte. Nur war es dieses Mal Sabin, der mich vorsichtig zurück auf den Rücken drehte und meiner Kehle damit einen weiteren schmerzverzerrten Laut entlockte. "Du wirst wieder, Tauren... halt' noch ein paar Minuten durch.", hörte ich ein paar Worte wie durch einen Schleier ganz dumpf an meine Ohren klopfen. War er sich da sicher? Fühlte sich gerade nämlich nicht so an, um ehrlich zu sein. Der Italiener zog seine Jacke aus, legte sie mir über den Oberkörper und sparte dabei nur den blutenden Arm aus. Kurz darauf musste der untere Saum seines Tshirts unter einem Taschenmesser leiden, aber mir war erst klar, was er da vor hatte, als ich den heftigen Schmerz an meinem Oberarm vernahm. Er die offene Wunde eng abband, damit ich zumindest da endlich aufhörte zu bluten. Ein schmerzlicher Aufschrei ließ sich aber an dieser Stelle nicht verkneifen, ebenso wenig wie eine kleine, vereinzelte Träne, die sich der Schmerzen wegen aus meinem Augenwinkel löste. Ich betete wirklich darum, dass es seinen Worten nach nicht mehr lange dauern würde, bis mir Irgendwer Schmerzmittel gab, weil es schier unerträglich war. Seit etlichen Stunden, Tagen. Ich hatte selbst über die Zeit gänzlich den Überblick verloren.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Als Sabin zum Reden ansetzte, hörte ich ihm angespannt zu, versuchte noch während unseres Gesprächs seinen Namen einer Erinnerung zuzuordnen. Aber mir wollte einfach partout nicht einfallen, woher wir uns kannten, obwohl mir sein Gesicht bei näherer Betrachtung irgendwie bekannt vorkam. Aber unter den gegebenen Umständen hätten wohl meine engsten Vertrauen vor mir stehen können und ich hätte sie nicht erkannt. Und das war nicht gut. Denn auch wenn der Italiener seine Waffe weggesteckt hatte, stufte ihn mein vollkommen benebeltes Hirn immer noch als Bedrohung ein, die ausgeschaltet werden musste. Dass Sabin in Begleitung eines zweiten, ebenfalls recht trainierten jungen Mannes war, hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt, weil er bereits bei meiner Ankunft auf dem Sprung gewesen war. Gerade ihm war es aber wohl zu verdanken, dass sich mein Gegenüber keine Kugel einfing und es somit auch kein weiteres Opfer meiner willkürlichen Schießerei gab. In meinem Rausch voll bunter Farben und Illusionen hatte ich die Schritte hinter mir nicht kommen hören und war entsprechend erschrocken, als zwei kräftige Arme sich um meinen zierlichen Körper schlangen. Im direkten Anschluss daran packte eine kräftige Hand das Handgelenk, mit dem ich die Waffe gehalten hatte und nahm mir diese einfach ab. "Hey, was soll das? Lass mich los!", schrie ich und fing an, wie ein Fisch an der Angel zu zappeln. Dabei versuchte ich immer wieder, mich aus dem Griff von Sabins Begleitperson zu winden - ohne Erfolg. Weil meine Lunge durch den langen Sprint bereits entsprechend beansprucht worden war, fand das Zappeln schon sehr bald sein Ende und ich sank erschöpft in mich zusammen, schnappte nach Luft, während Derek mich keinen Moment lang mehr aus den Augen ließ. Es tat schon etwas weh, wie er meine Handgelenke fest hielt, damit ich nicht weglaufen konnte, viel schlimmer aber waren die Halluzinationen, die bei mangelnder Bewegung - eher bei mangelndem Adrenalin - sehr viel gruseligere Ausmaße annahmen. Rund um mich herum erschienen Schatten, die immer näher kamen und hätten wir uns nicht irgendwann gemeinsam in Bewegung gesetzt, um den scheintoten Tauren um die Ecke aufzulesen, wäre ich wohl noch verrückter geworden, als ich es ohnehin schon war. Ich war zwar kein Experte auf dem Gebiet, aber das, was ich hier gerade durchlebte, würde ich definitiv als einem Höllentrip titulieren und dieser würde mich - hoffentlich - von weiteren Drogenexzessen in der Zukunft abhalten. Mir blieb leider nichts anderes übrig, als unter dem Druck von Hunters Handlanger einen Fuß vor den nächsten zu setzen, wenn ich nicht hinfallen wollte und so dirigierte er mich ein paar Meter weiter im Beisein des offensichtlich genervten Sabins um besagte Ecke. Sehen tat ich nur einen Jutebeutel, wie ihn der Weihnachtsmann mich sich herum schleppte. Gefüllt mit endlos vielen rosaroten Pillen, die in meiner Einbildung anfingen, mit ihren eingestanzten Gesichtern Geräusche zu machen. Dabei handelte es sich in Wirklichkeit um den sichtlich entstellten Norweger, der sonst immer vor der Bar des rothaarigen Teufels postiert wurde. Wie hieß sie noch gleich? Cosima? Mein Gott, Kinder ... sagt nein zu Drogen.
Hunter und ich hatten heute wieder ein wenig Zeit miteinander verbracht. Zwar war die Sache mit den Italienern noch lange nicht vom Tisch, aber der junge Mann bemühte sich wirklich, zumindest ab und an auch in solch stressigen Phasen ein paar Minuten mit mir zu verbringen. Und wenn wir nur eine Zigarette rauchten oder uns einen Moment lang über belanglose Dinge unterhielten, ich merkte einfach, wie gut mir das eigentlich tat. Merkte, dass ich in den letzten Jahren tatsächlich etwas vermisst hatte, auch wenn ich mir das so direkt nicht eingestehen wollen würde. Jedenfalls saßen wir auch heute zu einem gemütlichen Plausch in der bekanntermaßen wenig komfortabel eingerichteten Küche meiner Wohnung und ich hatte gerade den Weg ins Bad einschlagen wollten, weil es drückte, als das Hunters Telefon die Stille durchbrach. Ich seufzte bereits leise, weil das meistens kein gutes Zeichen war, setzte meinen Weg allerdings fort. Gerade, als ich wenige Minuten später wieder im Flur stand, um die Küche von Neuem zu betreten, kam mir der junge Mann auch schon entgegen und schilderte mir in wenigen Worten, was gerade passiert war und wieso er jetzt schleunigst los musste. Noch bevor er allerdings die Haustür passieren konnte, griff ich nach dem Ärmel seines Hoodies und zwang ihn kurzzeitig zum Stehenbleiben. "Ich komme mit.", entgegnete ich bestimmt und machte lediglich noch einmal auf dem Absatz Kehrt, um aus dem kleinem Arzneimittelschrank im Badezimmer meine letzten Reserven an Schmerzmittel und ein paar Mullbinden und Kompressen einzusacken. Dass diese nur bedingt etwas bringen würden, weil Tauren sehr viel schlimmer zugerichtet worden war, als ich mir das jemals hätte vorstellen können, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal erahnen. Auch wenn der Amerikaner, wie eigentlich immer, wenn es um sein Geschäft ging, nicht wollte, dass ich mich mehr damit beschäftigte, als unbedingt nötig war, schob ich mich ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei aus der Tür. Ich hatte bloß am Rande mitbekommen, wie momentan der aktuelle Stand war und das Hunter den armen Tauren absichtlich durch die Hölle hatte gehen lassen. Wie Sabin auch, war ich wenig begeistert von der Idee gewesen, aber da ich im Großen und Ganzen mit der ganzen Mafiageschichte nicht mehr viel am Hut hatte, erschien mir ein vielsagendes Schweigen dahingehend als Meinung genug. Ohnehin wäre es egal gewesen, wenn ich etwas dazu zu sagen gehabt hätte, Hunter ließ sich bekanntermaßen nur selten von irgendwelchen dummen Ideen abbringen und das musste ich wohl manchmal einfach akzeptieren. Nichtsdestotrotz hielt es ich es für vernünftig und fair dem Norweger gegenüber, dass sich jemand mit halbwegs medizinischen Kenntnissen um ihn kümmerte. Und deshalb bestand ich darauf, mitzukommen, egal, welche Art von Aufstand Hunter an den Tag legen würde. Er mochte vielleicht seinen ganz eigenen Arzt haben und der sollte den schwer verletzten Burschen zur Sicherheit auch noch einmal final durchchecken, aber erstens arbeitete der Mann auch nicht für Umme und zweitens, war eine gescheite Erstversorgung das A und O. Ich traute den Jungs durchaus zu, dass auch sie Tauren anständig versorgen konnten, aber dafür mussten sie erst einmal eine Apotheke aufsuchen, um alle notwendigen Materialien inklusive Schmerzmittel zu besorgen. Da war es deutlich schneller, wenn ich den ganzen Mist bereits parat hatte. Zwar waren das meine letzten, verschreibungspflichtigen Opiate, aber das war okay. Ich musste mir lediglich im Geiste notieren, mir dahingehend wieder einen Vorrat anzuschaffen. Man konnte ja nie wissen, was die Zukunft für einen bereit hielt. Und wenn man kein großer Fan von Krankenhäusern war - und das war in diesem Metier in der Regel niemand -, dann hatte man lieber eine gute, hauseigene Apotheke.
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Ich hasste es, dass es mir selbst zu eher ruhiger Uhrzeit - also nicht mitten in der Nacht, sondern eher am sehr späten Abend - nur äußerst selten mal vergönnt war, meine Zeit mit Cosma komplett ungestört zu verbringen. Sie war ohnehin schon so rar gesät, da war das wirklich noch die Krönung. In vielen Fällen waren es zwar lediglich Anweisungen, die meine Männer wegen veränderter Umstände von mir wollten, aber manchmal musste ich mich dann eben doch noch früher wieder aufbrechen, als ohnehin schon. Viel mehr als ein flüchtiges Gespräch und ein ebenso kurzweiliger Kuss war selten für uns beide drin, so auch jetzt. Ich saß wohl kaum zehn Minuten in der nicht allzu großen Küche in Cosmas Wohnung, da musste ich mein klingendes Telefon mit einem genervten Seufzen kommentieren. Noch während ich abhob sah ich Cosma nach und zugegeben war ich mir sehr unsicher damit gewesen, ob Tauren aus der Foltergeschichte überhaupt wieder raus gekommen war. Dementsprechend staunte ich nicht schlecht, als mir Derek erzählte, dass sie ihn auf der Straße gefunden hatten. Er schilderte mir auch kurz das Problem mit Sydney und Sabin, das meinen Gesichtsausdruck unweigerlich finsterer werden ließ. Sie hatten doch nur eine verfickte Aufgabe - in der Wohnung die Füße stillhalten. Nicht mal das schien noch glatt zu laufen und ich hatte schon genug andere Probleme, da brauchte ich das nicht auch noch. Nichtsdestotrotz beschloss ich, der Sache selbst einen Besuch abzustatten, auch wenn mein Auto dann eindeutig Gefahr lief eine Grundreinigung zu brauchen, weil Tauren wohl einiges an Blut verlor. Wir waren nicht zu weit weg vom Geschehen, die paar Minuten schaffte der junge Mann sicher noch. Dass Cosma mitkommen wollte stieß mir sauer auf. Schließlich könnten die Italiener potenziell wieder zum Ort des Geschehens zurückkommen, weshalb ich Derek auch angewiesen hatte die Umgebung nicht aus den Augen zu verlieren, bis ich da war. Aber meine bessere Hälfte ließ nicht mit sich reden und außerdem hatten wir auch keine Zeit für Diskussionen, also nahm ich sie wohl oder übel mit. Wir brauchten etwas weniger als zehn Minuten bis zum Treffpunkt, weil ich meinen Bleifuß auf der Straße auslebte. Ich hielt den Wagen unweit von Tauren am Straßenrand, wobei Sabin sich aus der Hocke aufrichtete und zu uns umdrehte, als ich ausgestiegen war. Derek war schmaler gebaut als wir beide, weshalb ich ihn mit den Worten "Pack' sie auf den Rücksitz und schnall' sie an.", dazu anwies, Sydney unschädlich zu machen. Dann ging ich zu unserem Sorgenkind, das mir hier gerade in eine Bewusstlosigkeit abzudriften schien. "Hey, bleib' wach..!", versuchte ich den jungen Mann mit ein paar Worten dazu zu animieren, uns hier jetzt nicht wegzusterben, wenn er es doch irgendwie schon geschafft hatte noch aus der Sache rauszukommen. Tatsächlich dachte ich dabei auch nicht an mich selbst und daran, dass er weiter für mich arbeiten können würde, sondern einfach nur an Tauren. Er hatte mir eindeutig bewiesen, dass er zu mehr fähig war, als ich ihm zugetraut hatte und sollte dafür nicht mit dem Tod bestraft werden. Ich nahm Sabins Jacke von ihm runter, damit wir ihn vorsichtig bis zum Wagen tragen konnten.
Hunter kam also selbst, na umso besser. Ich redete weiter mit Tauren, bis sein Chef bei uns eintraf, weil ich ihn einfach wach halten wollten. Es ging ihm wirklich beschissen und er brauchte in jedem Fall möglichst zeitnah eine Bluttransfusion. Es war aber nicht aus ihm raus zu kriegen, welche Blutgruppe er hatte, weil er einfach nur undeutlich vor sich hin nuschelte und auch geistig immer weiter abzudriften schien. Umso glücklicher war ich darüber, als Hunter endlich aufkreuzte und sich den jungen Mann selbst ansah. Ja scheinbar sogar auf einen Wutanfall bezüglich Sydney und mir verzichtete - wobei der bestimmt später sicherlich noch kam -, weil Tauren ihm in diesem Moment tatsächlich wichtiger zu sein schien. Es war ein ziemlicher Kraftakt den großgewachsenen, jungen Mann bis ins Auto zu kriegen und das möglichst so, dass er nicht mehr Schmerzen als notwendig erlitt. Die schmerzlichen Laute, die seine Kehle hochkrochen, waren für meine Seele in diesem Moment ziemlich unerträglich, weil ich mir zumindest eine Mitschuld an seiner Misere zuschrieb. Als er sicher im Wagen saß deckte ich ihn aber doch wieder mit meiner Jacke zu, um ihn warm zu halten. Erst dann fiel mir auf, dass wir zu sechst waren und in dem BMW logischerweise nur fünf Plätze waren, weshalb ich zu Derek sah. "Läufst du zurück? Ich sollte dringend von der Straße runter.", fragte ich ihn, ob es für ihn in Ordnung war, wenn er zu Fuß zurückging. Er nickte und meinte, dass er den Junkie sowieso besser auf dem Rückweg einsammelte. Er warf noch einen Blick zu Hunter, der die ganze Sache abnickte und sich dann umdrehte, um sich wieder hinters Steuer zu setzen. Erst jetzt warf ich einen Blick auf Cosma, die auch mit von der Partie war, aber viel Zeit dafür schien nicht zu bleiben. Hunter wollte los, also verkroch ich mich ebenso wie die Rothaarige zu Sydney auf den Rücksitz, die immer noch irgendwelche Filme zu schieben schien. Da waren, sobald sie mal nüchtern war, eindeutig ein paar ernste Worte von Nöten. Hunter passte seinen Fahrstil unserem Patienten an, nahm die Kurven so sachte wie möglich und Tauren gab nur hier und da kleine Laute von sich, aber die reichten schon aus, um mein schlechtes Gewissen noch weiter zu fördern. Außerdem kontaktierte er den Arzt, der sehr sicher mindestens für den zerstochenen Oberarm gebraucht werden würde. Er schaffte es aber nicht vor seinem Dienstschluss um 5 Uhr, so lange würde Tauren durchhalten müssen. Hunter wies ihn dennoch dazu an Taurens Blutgruppe rauszusuchen, weil er wohl Einsicht in sämtliche Patientenakten von Hunters Schlägern hatte, damit wir den Dunkelblonden bis dahin über Wasser halten konnten. Auch bekamen wir die Info, die Stichwunde eng verbunden zu halten, sie vorerst nur großzügig zu desinfizieren und dann möglichst dicht zu halten bis der Arzt selbst eintraf. Wenig später bei meinem vorübergehenden Zuhause angekommen stand dann das wieder Ausladen des Burschen an, wobei Tauren jetzt wirklich endgültig bewusstlos zu werden schien. Immerhin bekam er dann nichts mehr davon mit, wie wir ihn nach drinnen brachten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Was für ein Tumult. Ich kam gar nicht mehr hinterher, mir die Frage zu stellen, was eigentlich passiert war, weil sich minütlich irgendetwas änderte. Erst Sabin und sein komischer Freund, der mich noch eine lange Zeit am Handgelenk fest hielt, dann der vor sich hin röchelnde junge Mann am Boden, der mir ebenfalls bekannt vor kam und schließlich tauchten auch noch zwei weitere Gestalten auf, die scheinbar auf irgendeine Art und Weise ebenfalls etwasin die ganze Sache verstrickt waren. Kurz gesagt war ich mächtig verwirrt, besaß aber Gott sei Dank noch die Fähigkeit, zumindest die simpelsten Funktionen meines Körpers am Laufen zu halten. Sonst hätte ich mir vermutlich noch den ein oder anderen Sabberfaden aus dem Gesicht wischen können, weil ich mit offenem Mund dagestanden und die ganze Geschichte angespannt beobachtet hatte. Erst als jemand, der nicht Sabin oder Derek war, sich zu Wort meldete, horchte ich auf. Jedoch wurde ich bereits in Richtung Limousine gedrängt, noch bevor mein benebeltes Gehirn die Worte verarbeiten und darauf reagieren konnte. Wieder fing ich an, mich zu wehren, hatte gegen den, im Verhältnis zu mir sehr muskulösen, Mann allerdings keine nennenswerten Erfolgsaussichten und fand mich somit wenig später auf der Rückbank des mir fremden Autos wieder. Ich schnaubte, witterte meine Chance auf einen Ausbruch, wenn der Typ sich vom Wagen entfernt hatte, aber er war leider schlau genug, mit dem Gehen zu warten, bis sich die rothaarige Frau, über die ich kurz davor bereits nachgedacht hatte und Sabin ebenfalls zu mir setzten. Vorab hatte letzterer mit Hunter zusammen den am Boden liegenden Schwerverletzten auf den Beifahrersitz gehievt. Es schien ihm augenscheinlich wirklich nicht gut zu gehen, aber das realisierte ich gar nicht so wirklich. Jedenfalls unterhielt mich das noch für ein paar Minuten, in denen ich schweigsam das Prozedere verfolgte, dann fing ich wieder an, - in meinen Augen - irgendein wirres Zeug zu erzählen. Dabei war das, was ich zu sagen hatte, eigentlich nur der Ablauf des heutigen Abends. Vielleicht ein bisschen bunter ausgeschmückt, aber Alles in Allem war ein Körnchen Wahrheit darin versteckt. "Das... das waren diese Leute! Diese braun gebrannten Olivenköpfe und ihre karamellisierten Mandeln. Sie haben ihn einfach auf die Straße geworfen und dann... dann bin ich einfach nur los gelaufen.", nuschelte ich eine Weile immer und immer wieder den gleichen Mist - wie kam ich denn auf Mandeln? - vor mich hin, als wäre es ein beschwichtigendes Mantra. Nur irgendwann schien das jemanden hier im Auto mächtig auf den Keks zu gehen und nur wenige Sekunden später sah ich nach einem dumpfen Schlag schließlich schwarz. Verbrachte die Fahrt bis nach Hause in Ohnmacht, wo ich nach einer halben Ewigkeit am Arm aus dem Wagen gezerrt wurde. Mein Köpf dröhnte, als ich gegen das helle Licht einer Straßenlaterne blinzelte, aber immerhin hatten die Halluzinationen aufgehört - zumindest kurzzeitig ausgesetzt.
Die Strecke bis zum Ort des Geschehens hatten wir schweigend zurück gelegt. Ich war mit meinem Kopf ganz woanders und demnach nur wenig an einer Konversation interessiert. Viel eher machte ich mir Gedanken um den jungen Mann, der es tatsächlich fertig gebracht hatte, lebend aus den Fängen der italienischen Mafia zu entkommen. Mein Gott, Tauren, womit hast du das verdient?, stellte ich mir gedanklich eine wohl berechtigte Frage, denn eigentlich hatte der junge Mann bis dato keinen derart großen Fehler begangen, der eine solche Strafe rechtfertigte, aber was wusste ich schon. Vermutlich wollte ich die Antwort auf meine indirekte Frage auch gar nicht wissen, denn im Grunde lag sie auf der Hand und schmeckte mir nur einfach nicht. Das war wohl Fakt. Ich saß zähneknirschend auf dem Beifahrersitz, bis wir endlich am Treffpunkt ankamen und was wir da zu sehen bekam, drehte einem glatt den Magen um. Viel zum Erstversorgen gab es da nicht, denn die Verletzungen waren alle großflächig und so wie ich das sah, war der durchstochene Arm bereits abgebunden worden. Bis zum nächstbesten, halbwegs sicheren Unterschlupf sollte er also überleben, auch wenn er bewusstlos wurde. Ich ließ die Männer also erst einmal ihr Ding machen, indem sie Tauren auf den Beifahrersitz verfrachteten, dann stieg ich ebenfalls wieder ins Auto. Für mich gab es erst einmal nichts zutun, bis wir Zuhause angekommen waren. Erst dort konnte ich mir die Verletzungen schließlich genauer angucken und den Anweisungen von Hunters gezinktem Arzt Folge leisten, bis dieser irgendwann am sehr frühen Morgen des nächsten Tages schließlich Zeit für uns fand. Auf der Rückbank der Limousine erwartete mich eine ganz offenbar ziemlich zugedröhnte Sydney, die dem Trubel fürs Erste schweigend gefolgt war und keine großen Probleme bereitete. Erst auf der Fahrt wurde sie langsam unleidlich und da ich ohnehin kein Mensch mit Geduld war, platzte mich nach der etwa sechsten, siebten - oder waren es sogar schon acht? - Wiederholungen ihrer wirren Worte die Hutschnur. Ich drehte mich zu ihr um, packte sie grob an den Harten und schlug ihren Kopf mit den Worten "Wir haben es jetzt verstanden, dankeschön.", gegen das harte Plastik der C-Säule. Dass sie dabei ebenfalls bewusstlos wurde, war eigentlich nicht mein Ziel gewesen, aber beim Aufprall hatte wohl die Schläfe ein bisschen zu viel abbekommen. Na ja. Immerhin hatten wir für den Rest der Fahrt schließlich unsere Ruhe und weil ich, nachdem ihr Kopf so leblos nach vorn gekippt war, doch ein wenig erschrocken war, fühlte ich ihren Puls und konnte grünes Licht geben. Sie lebte noch, aber es hätte mich auch stark gewundert, wenn nicht. Schließlich hatte ich nicht ansatzweise so viel Kraft wie einer der hier anwesenden Männer. Da hätte der Winkel schon extrem ungünstig gewesen sein müssen, um mit dem Bisschen Druck Sydneys Leben zu beenden. Als wir nach einer recht kurzen Fahrt schließlich am nahe gelegenen Unterschlupf ankamen, kümmerten sich Sabin und Hunter sofort um Tauren, wären die lästige Ex-FBI Agentin an mir hängen blieb. Eine Platzwunde gab es Gott sei Dank nicht zu versorgen, als ich sie zugegeben etwas unsanft aus dem Wagen gezerrt hatte. Den Weg bis nach drinnen sollte sie also von alleine bewältigen können. Dennoch behielt ich sie im Auge, damit sie nicht auf noch dümmere Ideen kam, als von hier abzuhauen und ziellos irgendwelche Leute anzuschießen.
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Jetzt konnte auch noch Idiot von Arzt nicht früher vorbeikommen. Lief heute ja mal wieder alles richtig glatt, aber immerhin versicherte er mir, dass er mir die Blutgruppe gleich schicken würde. Ich wusste zwar recht viel über die meisten meiner Angestellten, aber da hörte es dann doch eindeutig auf. Tatsächlich war ich Cosma auch ziemlich dankbar dafür, dass sie dem wirren Gerede von hinten ein Ende setzte. Ich glaubte auch nicht, dass Sydney mit einer mündlichen Warnung Ruhe gegeben hätte. Ich war selber nicht selten drauf gewesen, wenn auch nur selten mit irgendwelchen Halluzinogenen, aber da befand man sich halt in einer Parallelwelt. War mir also nur Recht, dass ich im Rückspiegel sah, dass der kleine Teufel der jungen Frau eins mitgegeben hatte. Solange sie weiter atmete, war das vollkommen legitim und das war offenbar der Fall. Ich seufzte leise, als ich am Unterschlupf angekommen erneut aus dem Wagen stieg. Ging ums Fahrzeug herum, um wenig später wieder mit Sabin zusammen Tauren aus dem Auto zu hieven und nach drinnen zu tragen. Noch auf dem Hinweg dachte ich darüber nach, wo wir ihn jetzt am besten ablegten, solange wir noch an seinen Wunden zu Gange waren. Der Italiener, der die Beine des jungen Mannes in den Händen hielt, musste Cosma dazu anhalten sich den Haustürschlüssel aus der Tasche der Jacke zu holen, die immer noch mehr schlecht als recht über dem Oberkörper des Patienten lag. Tauren wurde langsam aber sicher wirklich schwer, als die Rothaarige die Tür endlich für uns geöffnet hatte und wir ihn nach drinnen brachten. Wir legten ihn letztlich auf dem für sechs Mann ausgelegten, hölzernen, länglichen Küchentisch ab - von dem ein nicht weg geräumter Teller fiel und auf dem Boden zerschellte, aber das war gerade unser geringstes Problem -, weil man dort von allen Seiten gut an ihn rankommen konnte und Nichts im Weg war. Ich trat einen Schritt vom Tisch weg und zog stattdessen mein Handy aus der Hosentasche, um nachzusehen, ob mein illegal angeheuerter Arzt mir schon eine Info bezüglich der Blutgruppe hatte zukommen lassen. "Hat hier Jemand B-Negativ? ... oder Null-Negativ?", stellte ich eine offene Frage in den Raum, ließ dann meinen Blick schweifen. Klar, Sydney fiel sowieso weg, nachdem sie sich den Drogenkick verpasst hatte. Mein Blut würde schon passen, aber ich musste noch arbeiten. Sollte sich wer anders also zum Blut spenden bereit erklären würde ich gerne verzichten, um nicht selber noch über den Haufen geschossen zu werden.
Ich blinzelte kurzzeitig ein wenig perplex, als Cosma der ehemaligen Polizistin einfach mal eben so das Licht ausknipste. Zwar wusste ich, dass ihr Geduldsfaden ebenso wie Hunters meistens nicht allzu lang war - deswegen ja auch die damalige Therapiestunde - und dass sie durchaus mal ausholte, wenn es ihrer Meinung nach angebracht war, aber das kam doch irgendwie unerwartet. Unwissend, was ich nun davon halten sollte, schüttelte ich einfach nur ein wenig den Kopf und sah die kurze Fahrt über etwas unruhig aus dem Fenster. Ich hatte lange nicht auf Jemanden geschossen und es war nicht so, als würde ich mich deswegen jetzt schlecht fühlen - andernfalls hätten schließlich Sydney, Derek oder ich dran glauben müssen -, aber ich ließ die Szene trotzdem nochmal in meinem Kopf Revue passieren. Der Gedanke brach sofort wieder ab, als wir an meinem unliebsamen Heim ankamen und die Arbeit rief. Leider dachte ich erst daran, dass wir abgeschlossen hatten, als wir schon beinahe bei der Haustür angekommen waren, weshalb Cosma uns dabei kurzerhand behilflich sein musste. Kaum lag Tauren auf dem Holztisch in der Küche nahm ich ihm die Jacke wieder ab, wobei dann deutlich sichtbar wurde, dass der Schwerverletzte am gesamten Körper ein wenig zitterte. Sicher nur seinem Kreislauf zu verschulden, aber ein gutes Zeichen war das natürlich nicht. Hunter meldete sich dann wieder zu Wort, als ich dabei war Taurens Shirt mit meinem Taschenmesser zu zerschneiden. Mit der knappen Info "A-Positiv." und einem schwachen Kopfschütteln musste ich da leider passen und machte mich daran die Stofffetzen vom Körper des Patienten zu lösen, um eindeutig sehen zu können, ob an seinem Oberkörper noch mehr offene Wunden zu finden waren. Auf den ersten Blick sah es aber nicht so aus und der Tisch blieb außer unter seinem Arm frei von Blut, auch wenn er wirklich komplett grün und blau geschlagen worden zu sein schien. Nur sein Oberschenkel wies ein paar kleinere Stichwunden auf, weshalb die kaputte Jeans wohl oder übel auch noch weichen musste. Sobald wir hier fertig waren musste er dringend aufgewärmt werden, das Zittern tat einem ja in der Seele weh.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Nicht einmal das Ausladen unseres Patienten klappte einwandfrei. Tolle Sache, echt. Wer schloss denn bitte so konsequent die Tür hinter sich ab, wenn er auf der Suche nach einem entlaufenden Druffi war? Ich seufzte leise und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. Vorwürfe waren im Augenblick Fehl am Platz und so setzte ich mich ohne ein weiteres Wort in Bewegung, als mich einer der beiden Jungs darum bat, in der Jacke, die aktuell noch als Wärmespender für Tauren diente, nach dem Hausschlüssel zu suchen. Sydney hatte ich dabei reichlich unsanft am Arm hinter mir her gezogen und positionierte sie mit einem schroffen "Bleib da stehen!", an meiner rechten Seite. Dann begann ich, in der mir nähsten Jackentasche zu kramen, wo ich natürlich kein Glück hatte. Warum auch, die Zeit war ja nicht ohnehin knapp bemessen genug. Weil es schließlich nur noch wenige Möglichkeiten gab, war ich wenig überrascht, den Schlüssel in der gegenüberliegenden Aussparung zu finden. Ich schloss zügig die Tür auf, damit Sabin und Hunter den schwer verletzten, jungen Mann ins Innere bugsieren konnte und schnappte mir im direkten Anschluss auch schon wieder die ehemalige FBI Agentin, die ohne einen weiteren Schubs wohl noch Ewigkeiten hier draußen in der Kälte gestanden hätte. Als wir in der Küche ankamen, lag der Norweger bereits aus dem Tisch und Sabin legte so weit alle Wunden frei, dass ich sie mir gleich ungehindert angucken konnte. Indessen platzierte ich die Brünette auf einem Stuhl in der Ecke des Essbereichs, wo ich sie wieder nur mahnend ansah. "Keine Faxen!", unterstrich ich das ganze noch einmal verbal, wobei sie nicht aussah, als würde sie gerade überhaupt irgendwas verstehen. War mir aber auch grundlegend egal, irgendwem würde es sicher auffallen, wenn sie erneut versuchte, zu türmen. Als der Ballast in Form der Drogenkonsumenten schließlich von meinen Schultern war, gesellte ich mich zu dem Rest der Versammlung, machte mir selbst ein Bild davon, wie schlimm die Verletzungen letzten Endes waren. Und zu sagen, dass das alles andere als gut aussah, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich bekam nur beiläufig mit, wie Hunter eine Frage in den Raum schmiss, auf die ich lediglich unterbewusst reagierte. Und zwar kramte ich mein Portemonnaie hervor, noch während ich mir die zahlreichen Prellungen und Stichwunden ansah, um daraus meine Emergency Card zu ziehen. Aus dem Kopf wusste ich leider nicht so genau wie Sabin, welcher Blutgruppe ich angehörte, aus dem Grund hatte ich das Teil irgendwann vor Jahren mal beantragt. Nur für den Fall der Fälle eben. Neben der Blutgruppe waren auch die schwerwiegendsten Allergien und natürlich die Kontaktdaten meines Hausarztes vermerkt. Ob letzter überhaupt noch lebte, stand dann wiederum auf einem anderen Blatt. Nun, jedenfalls musste ich mich dann zum Ansehen der Karte vom Anblick des malträtierten Taurens abwenden. "Eh... na, dann werde ich das wohl übernehmen.", setzte ich an, ehe ich die Karte gut sichtbar in Richtung Sabin und Hunter drehte. "B-negativ", kommentierte ich das Offensichtliche leise, gefolgt von einem Seufzen. "Ich habe nur absolut keine Ahnung davon, wie man eine Bluttransfusion macht.", gestand ich weiterhin ehrlich und zuckte ein wenig nachdenklich mit den Schultern. Ich hatte zwar schon viel Mist selbst erlebt und konnte demnach auch oft auf das medizinische Wissen dahingehend zurückgreifen, aber eine Bluttransfusion hatte ich noch nicht über mich ergehen lassen müssen. In der Theorie stellte ich es mir eigentlich recht simpel vor, ob es das dann aber auch war, konnte ich so spontan jetzt nicht sagen. Was ich wusste, war, dass ich danach wohl erst einmal nicht mehr zu gebrauchen war. Blutabnahmen waren bei mir in der Regel immer mit Komplikationen in Hinsicht auf meinen eigenen Kreislauf verbunden, aber das würde ich schon überleben. Und auch wenn ich in vielerlei Hinsicht oft herzlos war, aber wenn Tauren uns wegsterben würde, weil ich mich zierte, das Bisschen Schwindelgefühl aus zu sitzen, würde ich wohl in meinem Leben nicht mehr froh werden. Nicht, nachdem er so viel für uns alle - allen voran Sabin - eingesteckt hatte.
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Glück gehabt, würde ich sagen. Sowohl ich, als auch Tauren selbst. Ich wagte nämlich mal ganz schwer zu bezweifeln, dass es in seiner Situation sonderlich gesundheitsfördernd gewesen wäre, wenn er mein mit Alkohol besudeltes Blut in sich aufgenommen hätte. Zwar kannte ich mich im Gesundheitswesen nicht gut genug aus, um sagen zu können wie sehr ihm das im Endeffekt geschadet hätte, aber THC war relativ sicher weniger schädlich. War es ja auch für einen selbst, wenn man es konsumierte, hinterließ im Gegensatz zu Alkohol keine bleibenden Schäden... der Tabak, den die meisten Leute parallel im selben Blunt mitrauschten zwar schon, aber wie auch immer. Selbst, wenn Cosma heute schon was geraucht hatte - was ich für recht wahrscheinlich hielt -, dann würde er mit dem THC schon irgendwie klar kommen und so wanderte mein Blick nach Cosmas Antwort zu Sabin. Klang jetzt absurd, weil ich Leute zeitweise mit Freunden erschoss oder anderweitig niedermetzelte, aber mit Nadeln konnte ich tatsächlich nicht so gut. Ich würde es sicher irgendwie hinkriegen, hatte ich in der Not auch schon bei einem meiner Jungs, aber bis ich die Vene getroffen hatte waren da schon ein paar Versuche nötig gewesen und im Grunde würde ich das Cosma sehr gern ersparen. Ich war eben eher Spezialist für rohe Gewalt, nicht für derartig präzises Fingerspitzengefühl beim Setzen einer Nadel. Der Italiener und ich hielten für ein paar Sekunden lang den Blickkontakt, wobei er sich schließlich mit leichtem Augenrollen und einem geseufzten "Na schön, ich machs...", geschlagen gab, was mich innerlich doch ein wenig erleichterte. Falls er genauso schlecht darin war, dann war wenigstens nicht ich der Böse. Ich wollte mir in der wenigen Zeit, die Cosma und ich momentan füreinander hatten, nicht auch noch Vorwürfe wegen einem Bluterguss am Arm anhören müssen. Ich nickte Sabin also noch leicht zu und verschwand dann wieder aus dem Raum und auch aus dem Haus, weil ich zurück zum Wagen ging. Im Gegensatz zu den meisten meiner Dienstwagen schleppte ich in meinem eigenen Kofferraum gefühlt ein halbes Krankenhaus mit. Zwar fehlten sehr sicher sämtliche Utensilien für eine erfolgreiche Operation, weshalb der Arzt später gefühlt Alles für Taurens Arm selbst mitführen musste, aber ich hatte doch einige Sachen dabei, die mir im Ernstfall wirklich den Arsch retten konnten. Zuerst schob ich eine Decke und ein paar Waffen bei Seite, bevor ich den schlicht schwarzen Koffern an mich heranzog und darin nach dem Minimum an Werkzeug suchte, das Sabin brauchen würde. Dabei fiel mir auf, dass ich an Schmerzmittel irgendwie schon lange gar nichts mehr hatte. Es musste zwar sowieso kurz vor knapp sein, damit ich mir welches einschmiss - schließlich erinnerte der Schmerz einen sehr gut daran, warum man sich eigentlich nicht treffen lassen sollte -, aber wäre schon eine sinnvolle Ergänzung. Zu Taurens Glück sollte zumindest für eine direkte Transfusion Alles vorhanden sein und so klappte ich den Kofferraum wieder zu, bevor ich zurück nach drinnen ging. "Mit 'nem Beutel kann ich leider nicht dienen.", sagte ich schulterzuckend und reichte dem Italiener sämtliche Utensilien.
Ich meine, okay, ich hatte inzwischen verstanden, dass Hunter gern sämtliche unliebsame Arbeiten an seine Handlanger abgab, aber ich war ja eigentlich gar keiner davon. Trotzdem glaubte ich zu wissen, dass ich mir eine Diskussion über die Geschichte zum jetzigen Zeitpunkt auch zu anstrengend wäre, weshalb ich einfach mal einwilligte. Es war jetzt nicht das erste Mal, dass ich dabei zusah, schließlich hatte ich schon unzählige Schwerverletzte gesehen und bis zu einem gewissen Maß, wenn Niemand sonst zur Stelle gewesen war, selbst mit betreut. Aber was die Bluttransfusionen anging hatte auch ich das meistens gerne an andere abgetreten, weil ich nicht wirklich viel Erfahrung damit hatte. Es war zwar eine eigentlich simple Geschichte und wenn man nicht komplett unfähig den Arm zerstocherte, dann war das nicht besonders schwer, aber ich hatte sowas trotzdem erst drei oder vier Mal gemacht. Immer erfolgreich, aber ein Restrisiko würde ich eben trotzdem nicht ausschließen, zumal das letzte Mal sicher schon drei Jahre oder mehr her war. Ich sah Hunter noch nach als er ging, dann wanderte mein Blick zu Cosma und von da an kurzzeitig über die Küchentheke, um einen brauchbaren Gegenstand auszumachen. Eine fast leere, kleine Plastiktube voll Billigketchup war dann das Objekt meiner Begierde und ich drückte es kurzum der Rothaarigen in die Hand. "Drück' die ein paar Mal... mit Glück seh' ich die Vene dann besser.", kommentierte ich meine Handlung, damit sie verstand. Sowas wie einen kleinen Kunststoffball zum Drücken hatte ich hier schließlich nicht mal eben parat und Tennis spielte ich in meiner Freizeit auch nicht. Ich ging ein wenig nachdenklich, mich innerlich auf das Folgende vorbereitend zum Waschbecken und wusch mir ausgiebig die Hände, weil ich gerne eine Blutvergiftung umgehen würde. Im Anschluss daran griff ich nach dem kleinen Verbandskasten im Hängeschrank, um Desinfektionsmittel rauszuholen. Ich nutzte das Wundspray dazu mir ebenfalls ein wenig die Hände zu desinfizieren, weil ich ungern Schuld an so einem Todesfall sein wollte, bevor Hunter auch schon von draußen zurückkam. Bepackt mit Entsprechenden Nadeln und einem durchsichtigen, etwas längeren, dünnen Schlauch - aber ohne Beutel. "Na toll, dann muss ich die Menge auch noch schätzen, wird ja immer besser...", ließ ich leise vor mich hin grummelnd meinen Unmut nach außen dringen, bevor ich meinen Fokus auf die junge Frau legte. "Setz' dich am besten auf die Tischkante, damit du höher sitzt.", bat ich sie darum recht dicht bei Tauren Platz zu nehmen, damit zum einen die Schlauchlänge kein Problem wurde und sie zweitens eben erhöht saß. War notwendig für einen unproblematischen Blutfluss. Sobald sie meiner Aufforderung nachgekommen war machte ich noch einen kurzen Abstecher zurück zum Verbandskasten und griff mir eher sachte, aber nicht unbedingt zögerlich ihren Arm, um die Beuge am Ellbogen ebenfalls mit dem Desinfektionsspray zu säubern und wenig später den Rest Feuchtigkeit mit einem Tupfer zu beseitigen. Dann dann schnappte ich mir die erste Nadel und riss die Verpackung auf, nur um mir wenig später wieder Cosmas Arm zu greifen, mit einer Hand etwas festzuhalten und die künftige Einstichstelle zu mustern. Die Vene war bei ihrer eher blassen Haut relativ gut sichtbar, sollte also eigentlich nicht viel schiefgehen. "Kanns losgehen?", erkundigte ich mich dann mit einem Blick in ihr Gesicht trotzdem nochmal danach, ob sie bereit war, weil ich gerne auf Nummer sicher ging. Wäre ungut, wenn sie mir den Arm plötzlich einfach so wegzog, weil sie Panik schob oder was auch immer.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich kam mir vor, wie in einer dieser klassischen Arztsendungen, wo man in Notfällen auch immer mit möglichst wenig - meist zweckentfremdeten - Materialien irgendwelche größeren Eingriffe vorbereitete. Original so und nicht anders spielte sich das hier gerade ab. Und aus diesem Grund wäre ich Tauren wirklich sehr dankbar, wenn er einfach wieder genesen würde, ohne vorher an einer Blutvergiftung oder Entzündung zu verrecken. Denn steril war das, womit wir zwangsläufig arbeiten mussten, nämlich nicht. Sabin tat zwar sein bestes, zumindest die operierenden Hände zu desinfizieren, aber alleine der Tisch, den zuvor zig Leute benutzt hatten, ohne ihn einmal abzuwischen, barg schon ein gewisses Risiko. Leider waren wir nicht in der Position, dahingehend hohe Ansprüche zu stellen und so mussten wir mit den gegebenen Mitteln auskommen und hoffen, dass der junge Mann hier ein gutes Immunsystem hatte. Mein Blick galt ebenfalls dem Amerikaner, als dieser kurzzeitig die Küche verließ, um ein paar nicht zu verachtende, essenzielle Hilfsmittel zu besorgen. Indessen hatte mir Sabin nach kurzer Inspektion der Inneneinrichtung, bereits eine Ketchup Flasche in die Hand gedrückt und für einen Moment dachte ich wirklich, er wolle mich verarschen. Bis ich realisiert hatte, was er damit bezwecken wollte, meldete er sich bereits zu Wort und so nickte ich nur schwach, weil sich meine Frage damit erledigt hatte. Ich tat also, wie mir aufgetragen wurde und drückte, während ich mich vorsichtig neben Tauren auf dem Tisch drapierte, die Flasche so oft zusammen, bis es schon fast in den Hand weh tat. Dann stellte ich sie zur Seite, weit genug weg, damit sie uns beim Hantieren nicht in die Quere kam, ehe meine Aufmerksamkeit wieder unserem gesuchten Schönling galt. Dieser hatte sich bereits eine der Nadeln geschnappt, welche Hunter aus dem Auto geholt hatte und auch wenn ich kein Problem mit Nadeln hatte, ging mir beim Blut abnehmen der Arsch auf Grundeis. Dabei ging es mir nicht im Geringsten um die Nadel, so wie es bei vielen Menschen der Fall, sondern eher um den Blutverlust als solches. Wenn ich Spritzen bekam, dann wurde mir in der Regel etwas injiziert, beim Blut spenden war das nur leider nicht so. Und weil ich wirklich keine Ahnung hatte, wie sehr mir das Abzapfen zusetzen würde, ergriff ich bei der Frage des Italieners noch einmal das Wort: "Ich bin bereit, ja, aber ich möchte zur Sicherheit aller Anwesenden klar stellen, dass mich der Blutverlust unter Umständen etwas mitnehmen wird." Meine Stimme war belegt von einem kleinlauten Unterton, den man von mir so eigentlich gar nicht kannte. Sonst hatte ich immerhin eine große Klappe, wenn es um weiß Gott welche Themen ging, aber die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren, wenn man aufgrund von mangelnder Lebensenergie nicht mehr in der Lage war, sich mit eigenen Kräften zu bewegen, verschreckte auch mich dann ein Stück weit. Ich hielt mich deshalb mit der freien Hand an der Tischkante fest, wohl wissend, dass das im Falle des kompletten Kontrollverlust gar nichts bringen würde. Nichtsdestotrotz schenkte ich sowohl Sabin, als auch kurz darauf Tauren ein schwaches, zuversichtliches Lächeln, dann nickte ich meinem Gegenüber als Zeichen, dass er anfangen konnte, zu.
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