Huch. War ich ihr damit jetzt zu nahe getreten? Das war eigentlich weniger meine Absicht gewesen, ich war nur einfach interessiert an der Antwort. Dass sich Cosma dadurch so stark provoziert fühlte, hatte ich vorher auch kaum wissen können. Offenbar war ihr das aber ziemlich unangenehm. Überrascht davon zuckte ich bei dem Knall auf dem Tisch doch ein klein wenig zusammen und richtete mich - ebenfalls mit einem Zwicken hier und da in der Bauchgegend - etwas zu schnell auf, was ich gleich mit dem Verziehen meines Gesichts quittierte. Ehe ich mich hätte entschuldigen oder sonst irgendwie besänftigend einlenken können, wetterte die junge Frau auch schon wild drauf los und fuhr mich doof von der Seite an. Warum war sie da denn jetzt so empfindlich? Ich meine, solange sie Nichts von Hunter wollte würde doch ohnehin Nichts zustande kommen und das Thema wäre schon nichtig. Zwar fand der Amerikaner einen Korb sicher nicht witzig, aber er würde das sicher wegstecken und die Sache wäre erledigt. Es so wie sonst auch einfach an irgendeiner mehr oder weniger unschuldigen Seele auslassen und danach war dann Ruhe. Nicht zu meinen Gunsten, jedoch war ich im Gegensatz zu den anderen beiden Leuten hier im Raum auch nicht der egoistische Typ Mensch. Bevor ich aber Irgendwas zu erwidern begann warf ich einen prüfenden Blick in Richtung Bar, weil Hunter uns mit einem skeptischen Blick beäugte. Allerdings erwiderte ich diesen bemüht ruhig, weil es in meinen Augen hier gerade keinen Grund zur Aufregung, sondern lediglich zur Verwirrung gab. Also wandte er sich ein wenig argwöhnisch erneut von unserem Anblick ab und sortierte die Flaschen unter der Theke ein, was mich dann wieder zu der Französin sehen ließ. "Ich wollte dich nicht ärgern, Cosma... ich versuche nur schlau aus der Sache zu werden.", stellte ich erst einmal klar, dass sie mich hier gerade umsonst zur Sau machte. Dann redete Cosma weiter und brachte mich damit wieder zum Nachdenken. War vermutlich nicht sehr wahrscheinlich oder zumindest nicht rational erklärbar, dass Hunter sie erst noch umbringen wollte und dann eine Stunde später ihr Leben rettete, geschweige denn sich in sie verliebte. Das an sich widersprach sich doch schon so absurd, dass ich nur mehr verwirrt zu der jungen Frau aufsah und eine Augenbraue nach oben zog. "Keine Ahnung, es macht halt einfach hinten und vorne keinen Sinn. Aber wär's letzteres, dann müsste er ja eigentlich zu Allen netter sein und nicht nur zu dir... im Grunde ist es mir auch egal. Beziehungsweise ganz recht, weil er mich wohl deshalb gerade nicht mehr an der nächstbesten Straßenlaterne aufgehängt hat.", murmelte ich in Gedanken versunken vor mich hin und zuckte leicht mit den müden Schultern, versah die letzten Worte mit einem Hauch Ironie, bevor ich einen nächsten Schluck aus dem Glas nahm. Nein, nur den Kopf angestoßen hielt ich für nicht möglich. Sowas wäre dann nämlich auch nach zwei oder drei Tagen wieder vorbei, wenn sich jener Dickschädel erholt hätte. Ich konnte nicht einschätzen inwiefern der sonst so eiskalte Mensch, der hier gerade friedlich die Bar im Hintergrund startklar machte, überhaupt sowas wie positive Gefühle entwickeln konnte, geschweige denn sowas wie ernsthafte, aufrichtige Liebe. Ich war mir nicht ganz schlüssig ob das nicht vielleicht genauso abwegig wie die Geschichte mit dem angestoßenen Kopf war. Aber der Zyniker ließ ja auch nie Jemanden in seinen Schädel sehen, wie hätte ich also darüber urteilen können? Gerade ich... mich konnte er ja sowieso in keinerlei Hinsicht mehr leiden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Dass ich Tauren hier gerade vollkommen zu Unrecht anfuhr, wurde mir erst klar, als die sprichwörtliche Katze bereits aus dem Sack war. Und wie jenes verflixte Vieh, ließen sich auch Worte nur schwer wieder einfangen beziehungsweise zurücknehmen. Tat mir schon ein wenig Leid, als ich sah, wie er unter dem Aufprall meiner Hand zusammenzuckte und dabei augenscheinlich Schmerzen hatte. Schien, als machte seine Verletzung ihm ebenso zu schaffen, wenn sie unnötig belastet wurde, wie es meine auch tat. Aber mein Mund war mal wieder schneller im Reden, als es mein Gehirn mit Denken war. Vermutlich lag das aber auch nur daran, dass ich im Augenblick kaum einen klaren Gedanken hinsichtlich dieses Themas fassen konnte. Alles, was mir gerade durch den Kopf schwirrte, überschlug sich mit etwas Anderem und fuhr faktisch gesehen Achterbahn. Seine entschuldigenden Worte unterstrichen meinen Gedanken, dass ich mich ihm gegenüber nicht richtig verhalten hatte und versetzten meiner ohnehin angeknacksten Laune einen zusätzlichen Dämpfer. Wenn ich mir schon eingestand, einen Fehler begangen zu haben, wollte ich darin nicht auch noch bestätigt werden. Egal ob beabsichtigt oder nicht. „Ich weiß, ich weiß… sorry.“, murmelte ich, als ich mir sicher war, dass Hunters Blick nicht mehr auf uns ruhte. Grund zum Anlass, dass ich durch den Knall seine Aufmerksamkeit auf unser Gespräch gezogen hatte, gab mir Taurens Blick, den er kurzzeitig nicht mehr auf mich gerichtet hatte. Stattdessen sah er an mir vorbei, eben um den hilfsbereiten Amerikaner indirekt zu signalisieren, dass es keinen Grund gab, auf uns zuzukommen. War mir halt die Hand ausgerutscht, weil ich mein Gleichgewicht nicht halten konnte oder so einen Mist. Ich vermied es jedenfalls tunlichst, mich ebenfalls umzudrehen. Das wäre viel zu auffällig gewesen und am End hätten wir uns sicher doch noch rechtfertigen müssen, über was wir hier gerade hinter seinem Rücken tratschten. Zwar nahm ich mir ohnehin vor, ihn früher oder später auf Taurens und, weil er mich schlichtweg überzeugt hatte, dass es keine andere rationale Begründung für sein Verhalten gab, schließlich irgendwie auch meine These, dass er sich eventuell etwas mehr von mir erhoffte, anzusprechen. Aber das musste nicht heute und auch nicht hier sein. Ehrlich nicht. Vielleicht später, wenn sich die Nacht dem Ende entgegen neigte. Vielleicht aber auch erst morgen oder übermorgen. Ich wollte die Ruhe noch ein wenig genießen. Zudem konnte ich seine Hilfe in der Bar, solange Sabin noch nicht da war, wirklich gut gebrauchen. Andernfalls hätte ich mehrere Gänge ins Lager machen müssen, weil mehr als zwei oder drei Flaschen zu schleppen echt noch nicht drin war. „Mir ist das ehrlich gesagt auch alles nichts Geheuer. Vielleicht hast du Recht und es steckt mehr dahinter. Auch wenn ich nicht daran glaube, scheint es auch für mich die einzige, nicht komplett abwegige Lösung zu sein.“, pflichtete ich ihm nachdenklich bei, seufzte. „Aber … nur mal angenommen, es ist wirklich so, wie du sagst…“, ich hob beschwichtigend die Hände, unterstrich mit einer vielsagende Geste, für wie unwahrscheinlich ich das noch immer hielt. „Was glaubst du, wie er reagieren wird, wenn ich ihm sagen muss, dass das definitiv nichts wird?“ Ich meine, Hunter war nicht hässlich, traf abgesehen von seinem Charakter komplett meinen Geschmack, aber eine Beziehung konnte ich mir erstens sowieso nicht vorstellen, egal mit wem und zweitens… selbst wenn ich mental wieder dafür bereit war, ein Trauerspiel zu durchleben, würde meine Wahl rein vom charakterlichen her schon nicht auf ihn fallen. Zumindest dachte ich das. Unterbewusst sah es vielleicht schon wieder anders aus. Gerade jetzt, wo er sich in letzter Zeit doch deutlich zum Positiven gewendet hatte. Jedenfalls was den Umgang mit mir anging. Aber reichte das schon aus, meine Gefühle für ihn wachzurütteln? Wohl eher nicht. Da musste schon deutlich mehr passieren, dass mein einst so frohes Herz, was mittlerweile nur noch einem Eisklotz glich, sich erwärmen würde. Und selbst für den unwahrscheinlichsten aller Fälle würde ich nicht mal mehr Brief und Siegel darauf geben, dass mein Kopf etwas Derartiges zulassen würde.
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Immerhin schien meine indirekte Entschuldigung angenommen worden zu sein und die Situation erst einmal entschärft, wenn auch vielleicht nach wie vor noch etwas angespannt. Das war der jungen Frau womöglich aber auch gar nicht zu verdenken. Selbst wenn Hunter lieben konnte, was vollkommen in den Sternen stand, dann war das sicher auch wieder irgend so ein absurdes Extrem wie all seine anderen Charakterzüge. Ob das gesund oder gar angenehm wäre, war fragwürdig und ich persönlich war wirklich froh darüber, mit der Sache in keinem möglichen Fall Irgendwas zu tun zu haben. Hunter war Vieles, schwul aber ganz bestimmt nicht. Die etwaigen Eskapaden in Stripclubs sprachen zumindest eine ganz andere Sprache. Ich hatte ihre ersten Worte mit einem schwachen Nicken hingenommen und spitzte die Ohren erneut, als Cosma jetzt weiter redete. Wir schienen wohl beide der Auffassung zu sein, dass es vermutlich die plausibelste Erklärung für das merkwürdige Verhalten war, wenn vielleicht auch nicht die einzige. Nur die einzige, die uns beiden hier gerade einfiel. Aber ich für meinen Teil war auch ziemlich müde, immerhin hatte ich eine viel zu lange Nacht gefolgt von einem viel zu langen Tag hinter mir, erfolgreiches Ausbrüten neuer Ideen war da ganz einfach gar nicht mehr drin. Zum jetzigen Zeitpunkt hatte ich glücklicherweise noch keine Ahnung davon, dass ich hier heute gar nicht mehr weg kommen würde, weil Hunter andere Pläne für meine in seinen Augen sonst so nichtsnutzige Person hegte. Cosmas gen Ende noch folgende Frage machte mich ein wenig stutzig und ließ meine Augen die Tischplatte fokussieren, während ich die möglichen Ausmaße abzuwägen versuchte. Ich glaubte kaum, dass der Amerikaner sich dann einfach nur frustriert in die Ecke setzen und sich betrinken würde, bis er vergessen hatte, dass er gekorbt worden war. Das entspräche zumindest so gar nicht seinem sonstigen Verhaltensmuster - mal ganz davon abgesehen, dass er auch bei Alkohol eher zum aggressiver statt ruhiger werden tendierte, sofern er nicht allein dabei war -, das ihn gut und gerne schon bei Kleinigkeiten komplett an die Decke gehen ließ. Spätestens dann, wenn die Rothaarige danach seine Nähe verließ, würde wahrscheinlich ganz Norwegen in einer Explosion untergehen. Letzteres war übertrieben dargestellt, aber er würde wie sonst auch ganz bestimmt Etwas oder Jemanden brauchen, woran er seine sowieso immer furchtbar unkontrollierten Emotionen auslassen konnte. "Ich weiß es nicht... aber witzig findet er's bestimmt nicht.", stellte ich dahingehend erst einmal fest und hob noch dabei den Blick zu der jungen Frau an, die selbst ein wenig überfordert mit der ganzen Situation zu sein schien, weil sie bis dato kein Interesse an einer Liebelei mit Hunter hatte. Das Glas in meiner Hand drehte ich inzwischen unbewusst vor mich hin, was ich häufig tat, wenn ich nachdachte. "Wahrscheinlich fackelt er entweder die ganze Stadt an oder zettelt ein Massaker an. Wir reden immernoch von Hunter, Schoßhündchen hin oder her.", fügte ich ein paar leicht trocken unterlegte Worte hinzu, dicht gefolgt von einem leisen, ernüchterten Seufzen. Angesichts dessen wäre es ganz sicher besser, wenn unsere Theorie vollkommen ins Leere lief.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bei Hunters verkorkstem Charakter hatte ich fast schon mit einer Antwort in diese Richtung gerechnet. Trotzdem schmeckte sie mir ganz und gar nicht, weil sie einmal mehr aufzeigte, dass es für den Amerikaner - dem ich vom Temperament her im Übrigen sehr viel eher eine italienische Staatsbürgerschaft zugesprochen hätte, als es bei Sabin der Fall war - nur schwarz und weiß zu geben schien. Diese beiden Extremen, ohne ein gesundes Mittelmaß dazwischen. Deshalb konnte ich mir gut vorstellen, dass er in Sachen Liebe nicht weniger schwierig und kompliziert war, als in all den anderen Bereichen seines Lebens auch. Das wiederum ließ mich nur hoffen, dass all unsere Überlegungen in diese Richtung sich als falsch heraus stellen würden, es einen anderen Grund für seine Veränderung gab. Ich konnte und wollte mir nämlich nicht ausmalen, welch Ausmaße es annehmen würde, wenn sich Taurens Vermutungen bewahrheiteten. Ich kaufte ihm nämlich ohne mit der Wimper zu zucken ab, dass Hunter Mittel und Wege finden würde, diese Stadt dem Erdboden gleich zu machen und eigentlich ... mochte ich Oslo. So mit seinen Ecken und Kanten. Viel hatte ich zwar noch nicht gesehen, aber das wollte ich ja künftig ändern. Seit dem Ausflug mit meinem Gegenüber an den äußersten Rand der Stadt war es mein Ziel, mindestens einmal im Monat eine andere Gasse dieser Stadt kennen zu lernen. Bis jetzt lief das zwar nur mäßig gut, aber Eichhörnchen ernährten sich bekanntermaßen etwas mühsam. Na ja, zurück zum eigentlichen Thema. Mit einem hörbar unzufriedenen Seufzen raufte ich mir die Haare, warf daraufhin einen flüchtigen Blick auf die Uhr, welche etwas weiter rechts von Tauren an der Wand hing. "Okay... ich bete zu all den verschissenen Göttern dieser Welt, dass er sich nur den Kopf gestoßen hat.", antwortete ich mit einem deutlich ironischen Unterton und wandte mich schließlich endgültig von Hunters Handlanger ab. "Ich muss jetzt weiter. Sobald ich irgendwie schlauer geworden bin, lasse ich es dich wissen.", verabschiede ich mich mit einem leisen Seufzen. Mit den Fingerknöcheln klopfte ich auf die hölzerne Tischplatte, ehe ich mich wieder auf den Weg zur Bar machte. Anders als sein Chef schätzte ich Taurens Anwesenheit manchmal sehr, verstanden wir uns doch bis dato eigentlich ganz gut, weil er für etwas ... speziellere Themen doch immer ein offenes Ohr zu haben schien. Und egal was wieder vorgefallen war, ich ging fest davon aus, dass er - mal wieder - völlig zu Unrecht eine Faust kassiert hatte. Genau beurteilen konnte ich das natürlich nicht, Hunter hatte mir gegenüber ja keine weiteren Infos preisgegeben und eigentlich war es mir auch egal. Der junge Mann war alt genug, für sich selber zu entscheiden, ob er sich Hunters Prügel antun wollte oder eben nicht. Wäre Letzteres der Fall, hätte ihm wohl jeder Mensch, der auch nur halbwegs bei Trost war, ihm geraten, so schnell wie möglich auch Norwegen zu verschwinden. Das Hunter seine Leute einfach so ziehen ließ, war wohl schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Nachvollziehbar, wenn man mich fragte. Schließlich wären sie durch ihr Insiderwissen eine hohe Bedrohung, so wie es Sabin gegenüber seines ehemaligen Chefs war. Und bevor so etwas passierte, sorgte Hunter lieber dafür, dass alle, die ihn verließen, auf ewig die Klappe halten würden. Dass das hieß, die Leiche des Ermordeten nie wieder zu finden, musste ich wohl nicht extra noch erwähnen.
- Cettus essus -
Zwei Tage nach dem Gespräch mit Tauren hatte ich mich endlich dazu überwinden können, einen Schritt auf Hunter zuzumachen, was unsere einzig rational erklärbare Geschichte hinsichtlich seiner Verhaltensänderung anging. Die Smith and Wesson blieb heute geschlossen und wir nutzen den Tag, um all die Klamotten, die Tauren - der im Übrigen, aus welch Gründen auch immer, wieder seinen Posten vor der Bar bezogen hatte - mir vor einigen Wochen in den Bunker abseits der Stadt gebracht hatte, wieder zurück in meine Wohnung zu verschiffen. Da sich in der Zeit doch Einiges angesammelt hatte, war es mit einer einzigen Sporttasche leider nicht getan und so war ich einmal mehr auf Hunters Hilfe angewiesen. Alleine war ich aufgrund meiner noch immer nicht zu einhundert Prozent verheilten Wunde nicht in der Lage, die insgesamt drei kleineren Taschen, die allerdings bis obenhin voll mit Unterwäsche, Hosen und Shirts gestopft waren, die Treppenstufen hinauf zu schleppen. Lediglich meinen Kulturbeutel mit Zahnbürste und Duschgel hatte ich unter mein schmales Ärmchen geklemmt und trottete so hinter dem vollgepackten jungen Mann nach oben, wo ich mich schließlich an jenem vorbei schob, um die Wohnungstür aufzuschließen und ihm Einlass zu gewähren. Schon seit der Autofahrt hatte ich fieberhaft überlegt, wie ich das Thema am Besten ansprechen sollte. Da es nichts weiter gab, worüber wir uns noch unterhalten konnten, wenn er die Taschen abgeladen hatten, bleib mir leider nicht mehr viel Zeit übrig und so würde ich es wohl auf die ganz klassische, eher altmodische Art versuchen. "Ehm Hunter, ich... würde ganz gerne noch mal mit dir reden, wenn du noch ein bisschen Zeit für mich aufbringen kannst.", druckste ich also, als der Amerikaner meine Klamotten im Schlafzimmer auf dem Bett abgestellt hatte, nachdem ich ihn dazu angewiesen hatte. "Es dauert auch nicht lange, eigentlich beschäftigt mich da nur etwas.", erklärte ich weiter und ließ mich währenddessen ein Stück weit neben der zuletzt abgestellten Tüte auf dem Bett nieder, wo ich mit der rechten Hand neben mich klopfte und Hunter so bedeutete, das er, wenn Zeit vorhanden war, sich doch bitte zu mir gesellen sollte. Mit meinem Kulturbeutel, den ich auf meinem Schoß abgelegt hatte und an dessen Reißverschluss ich nervös herum fummelte, schenkte ich ihm dabei ein schwaches Lächeln, auch wenn mir eigentlich gar nicht danach zumute war. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Seitdem ich mit seinem Handlanger etwas ausgiebiger über diese abstruse These nachgedacht hatte, war sie mir in den letzen Tagen irgendwie nicht aus dem Kopf gegangen. Und wie es mich schon beim Auffinden von Hunters Fallakten gepackt hatte, brauchte ich auch jetzt endlich wieder ein Bisschen Klarheit.
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Die nächsten beiden Tage lief Alles wieder in halbwegs geregelten Bahnen. Mein größtes Problem war wohl wirklich, dass die italienische Mafis sich immer weiter in der Stadt zu verteilen begann. Je mehr Augen und Ohren sie hier hatten, desto kniffliger war die Ausgangslage und das [i]außen herum operieren[\i]. Mein Vorteil war nur, dass meine Gefolgschaft jede Gasse Oslos wie die eigene Westentasche kannte und das zu einem klaren Vorteil nutzen konnte. Die meisten von den Arschlöcher schafften wir demnach zu eliminieren, bevor sie überhaupt erst nah genug an Sabin heran kamen, um ihm ein Haar zu krümmen. Dennoch wurden sie immer penetranter und damit auch zeitaufwendiger, was mich bereits wieder über eine Aufstockung des Personals nachdenken ließ. Zwei der Jungs waren durch die ganze Geschichte jetzt schon lädiert und nur noch an anderer Stelle einsetzbar. Es war vermutlich nur eine Frage der Zeit bis einer ganz ausfiel oder gar endgültig dahin gerafft wurde. Beides konnte ich mir ohne mögliches Ersatzpersonal nicht leisten. Hier und da sprang ich selbst ein, um den Italienern das Leben schwer zu machen und fand damit das erste Mal seit meinem verletzungsbedingten Ausfall und der langen Pause davor wieder in mein eigentliches Geschäft hinein. Ich müsste lügen um zu sagen, dass mir das nicht gefiel. Hier einen Kopf wegschießen, da einen K.O.-Schlaf verpassen... es hatten sich in den letzten Wochen doch einige Emotionen angesammelt, die ich damit wieder loswerden konnte. Es kam mir zudem ein klein wenig zu gute, dass die Polizei natürlich auf die gestiegene Anzahl an Schießereien aufmerksam geworden war und ebenfalls Schritte eingeleitet hatte. Zwar steigerte das auch die Festnahmemöglichkeiten in meiner eigenen Crew, aber wie gesagt - uns fiel die Flucht zweifelsfrei wesentlich einfacher. Alledem entsprechend war ich ein wenig müde, ziemlich gut ausgelastet, als Cosma mich darum gebeten hatte ihr beim Tragen unter die Arme zu greifen. Zeit hatte ich dafür eigentlich auch nur sehr begrenzt, aber ich konnte ja letztendlich doch nicht anders, als die nötige Zeit für die junge Frau zu entbehren und ihr die Taschen zu tragen. Vielleicht gäbe es andere Leute dafür - Richard vermutlich nur, der wahrscheinlich im Gegensatz zu mir auch mindestens zwei Mal hätte laufen müssen -, aber es dauerte ja nicht so lang. Ging schon. Also schleppte ich mich mit den vollgestopften Taschen die Treppenstufen nach oben und brachte die Sachen in ihre Wohnung, die ich nun schon eine Weile nicht mehr betreten hatte. Schade eigentlich. Jedenfalls fanden Cosmas Sachen sich wieder in ihrem Schlafzimmer ein und ich wollte mich gerade eigentlich direkt wegen des Zeitmangels zum Gehen wenden, als die junge Frau mich dazu anhielt noch einen Moment lang hier zu bleiben. Ich musterte sie daraufhin ein wenig skeptisch, weil mich ihre Wortwahl doch ein wenig daran erinnerte, wie sie mich schon auf die unangenehme Vergangenheitsgeschichte angesprochen hatte. Deshalb nickte ich auch ein erst nach einem kurzen Zögern, bevor ich mich langsam unweit von der Rothaarigen auf die Matratze sinken ließ, es mir so bequem wir möglich machte. Mal ganz davon abgesehen, dass ich eigentlich keine Zeit für welche Art von Gespräch auch immer hatte, klang das so extrem verheißungsvoll nach einem unschönen Thema. Gefiel mir gar nicht. "Schieß' los.", bat ich sie leicht gemurmelt die Karten auf den Tisch zu legen, behielt sie trotzdem im Auge. Sie selbst schien sich dabei auch nicht so ganz sicher zu sein, ob sie überhaupt wollte. Ganz allgemein zeigte sie mir diese unsichere, fast vorsichtige Seite gerade erst zum zweiten Mal. Das letzte Mal war das kein so gutes Omen gewesen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Für gewöhnlich hatte ich ja weniger Probleme damit, solche Themen anzusprechen. Beziehungstipps zu geben und Konflikte lösen war quasi Teil meiner Arbeit, wenn sich mal wieder sturzbetrunkene junge Männer an meinem Tresen die Seele aus dem Leib heulten, während sie immer wieder an ihrem doppelten Whiskey nippten. Grund dafür waren meist irgendwelche Ausrutscher oder mangelnde Kommunikation, sodass die Beziehung auf kurz oder lang unter der Last zerbrochen war. Zwar wurde ich dadurch immer wieder an meinen eigenen Griff ins Klo erinnert, aber direkt betroffen hatte es mich nie. Klar, hier und da musste ich ein paar ungenierte Kommentar einstecken, aber ernsthaft von mir gewollt hatte noch keiner was – oder hatte zumindest nie versucht, mich auf irgendeine Weise zu bekehren. Entsprechend musste ich mir keine Gedanken darüber machen wie ich mich verhalten sollte, wenn einer seine Gefühle für mich offen zeigte oder aber sehr offensichtliche, jedoch nicht so auffällige Signale sendete. Bei Hunter war die Sachlage allerdings eine etwas andere. Er sendete mir keinerlei direkten Signale, hatte auch nie in irgendeiner Form erwähnt, dass er sich für mich begeisterte, aber dennoch gab es Grund zur Annahme, dass sich eventuell etwas in diese Richtung entwickelt hatte. Und wenn nicht nur ich das sah, sondern auch Außenstehende, dann musste ich der Sache einfach nachgehen. Nur war es dann eben nicht ganz so einfach für mich, die passenden Worte zu finden. Aufgrund dieser Tatsache schwieg ich auch noch eine ganze Weile, nachdem sich der junge Amerikaner neben mir auf die Matratze hatte fallen lassen. Der Kloß, der sich zuvor schon einmal gebildet hatte, als ich ihm gebeichtet hatte, einer seiner Fallakten gelesen zu haben, kehrte urplötzlich zurück und schnürte mir zeitweise etwas die Luft zum Atmen ab. „Ich… weiß nicht, ob es dir nicht selber schon aufgefallen ist, aber in letzter Zeit verhältst du dich irgendwie… merkwürdig.“, fing ich leise an zu reden, hatte den Blick dabei auf meine Hände gerichtet. Ich war zwar bekannt für meine große Klappe, aber sobald ich nicht mehr nur eine Außenstehende, sondern direkt betroffen war, war es doch noch mal ein Stück weit schwieriger, sich halbwegs adäquat zu präsentieren. Da konnte es schon mal vorkommen, dass auch ich wie ein Schluck Wasser in der Kurve hing. Passierte nicht selten, war trotzdem kein Ding der Unmöglichkeit. Dass es in den letzten Wochen nun schon das zweite Mal war, bei dem ich so einknickte, hatte ich gar nicht wirklich auf dem Schirm. War im Prinzip aber auch egal. „Ich meine das nicht böse, nur geht mir die Situation von vor zwei Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Erst hast du Tauren so zur Sau gemacht, dann stand ich im Türrahmen und plötzlich verhältst du dich … einfach anders halt. Auch das du dich plötzlich so um mich sorgst, entspricht normalerweise nicht deinem eigentlichen Verhalten. Versteh‘ das bitte nicht falsch, ich bin dir sehr dankbar dafür und ich möchte mich nicht beschweren, nur … lässt das einfach Spielraum für Interpretation. Hast du eventuell eine Idee, woran das liegen könnte?“, fragte ich vorsichtig und drückte mich mit der Formulierung erfolgreich um eine direkte Ansprache meiner eigentlichen Vermutung. Wenn Hunter nicht ganz so blöd war, wie er sich manchmal gab, würde das als Wink mit dem Zaunpfahl schon vollkommen ausreichen. Und wenn nicht… na ja, musste ich vielleicht doch in den sauren Apfel beißen. Blieb mir ja im Prinzip nichts anderes übrig.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Es dauerte noch eine halbe Ewigkeit bis Cosma dann auch wirklich mal damit anfing mit der Sprache heraus zu rücken. Sie hatte Zeit verstreichen lassen, die ich nicht hatte, aber ich atmete ein wenig durch und zwang mich zur Ruhe, wollte nicht in alte Muster verfallen. Für manche Dinge musste man sich eben einfach Zeit nehmen, ob man wollte oder nicht. Allerdings war das erste, was die Rothaarige dann nach ihren ersten paar Worten bekam, ein verwirrter Blick meinerseits. Ich verhielt mich merkwürdig? Tat ich doch gar nicht... oder? Ich war vielleicht ein klein wenig netter als sonst, aber war das nicht etwas Gutes? War sie gar nicht froh darüber? Das wäre schon ziemlich... undankbar, wenn man mich fragte. Ich wollte doch nur, dass Cosma vollständig wieder gesund wurde und ihr damit ein wenig helfen. Wenn das aus hier und da eine kleine Bitte zu erfüllen oder Unterstützung durchs Tragen zu leisten bedeutete, dann war das doch kaum der Rede wert. Ihre noch folgende Erklärung hingegen verstand ich nicht. Einfach deshalb, weil ich mir keineswegs darüber bewusst war, dass ich einen derart schlagartigen Sinneswandel gezeigt hatte. Wie auch, stand mein normales Ich doch kaum mich dem, das sich hier gerade zeigte, in Verbindung. Meine Persönlichkeiten überlappten zwar ein Stück weit, aber hier und da entstand durch die Differenz Unwissenheit und Verwirrung meinerseits. So eben auch jetzt, weshalb ich das ganz einfach bei Seite ließ und mich viel mehr auf ihre letzten Worte fokussierte. Ehrlich gesagt dauerte es einige Sekunden bis ich darauf kam, worauf sie damit hinaus wollte. Bis ich verstand, dass sie mich fragte, ob ich womöglich irgendwelche Gefühle für sie hegte, stand mir also erneut die Ratlosigkeit im Gesicht. Als es schließlich Klick machte lachte ich jedoch auf. "Fragst du mich hier gerade wirklich ob ich in dich verliebt bin, Cosma?", setzte ich erstmal zu einer Antwort oder besser gesagt einer Gegenfrage an. Ich lachte noch ein paar Sekunden lang leise vor mich hin und realisierte nicht, dass das ein blanker Abwehrmechanismus war. Ich hielt es für vollkommen absurd, hatte mir darüber bis jetzt selbst noch keinerlei Gedanken gemacht. "Ich will einfach nur, dass du nicht umsonst zusammengeflickt wurdest... wenn das heißt dich hier und da ein bisschen zu unterstützen und dir Stress zu ersparen, dann ist es mir das wert. Es ist das Mindeste, nachdem du mich... vor dem möglichen Tod bewahrt hast.", setzte ich zu einer Antwort an. War ja so. Ich war zum Zeitpunkt der Schusswunde schon so gar nicht mehr körperlich fit gewesen, vielleicht hätte ich das im Gegensatz zu ihr gar nicht überlebt. "Außerdem ist es vielleicht einfach ganz angenehm für mich, wenn wir uns nicht mehr permanent an den Kragen springen.", erklärte ich das Alles in meinen Augen wesentlich plausibler, während ich gedanklich aber doch schon damit beschäftigt war darüber nachzudenken, ob nicht vielleicht doch ein Fünkchen an Wahrheit in ihrer Frage stecken konnte. Mir war selber schon aufgefallen, dass ich Cosma inzwischen ganz gerne mochte... angefangen hatte, sie mit ihrer eigentlich komplizierten Art zu schätzen. Sie war ganz einfach nicht so schlecht, wie ich mir noch vor ein paar Wochen vehement eingeredet hatte. Aber war das sowas wie Liebe? Wie fühlte sich letztere überhaupt an? Ich hatte keine Ahnung davon, wie sollte ich es also einzuordnen wissen?
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm. Autsch. Irgendwie verletzte mich sein Lachen gerade mehr, als es das eigentlich tun sollte. Für jemanden, der sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als das sich seine Sorgen um etwaige entwickelte Gefühle im Sande verliefen, färbte sich mein Gesicht seltsamerweise wieder mit dieser hochpigmentierten roten Farbe. Außerdem schoss eine Hitzewelle durch meinen Körper, welche mir beinahe die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Ob das jetzt daran lag, dass ich mich durch Hunters Aussage ein Stück weit ertappt fühlte oder weil sein aufrichtiges Lachen wie gute Musik in meinen Ohren war, konnte ich jetzt nicht klar definieren. Zum ersten Mal, seit wir die Wohnung betreten hatten, sah ich ihn wirklich bewusst an und prägte mir noch während er mir eine direkte Gegenfrage stellte, jede der kleinen Lachfalten um seine Augen herum ein. War schon selten, ihn mal ab ganz ohne Ironie und Sarkasmus lachen zu sehen. Dabei stand ihm das eigentlich echt gut, konnte er ruhig öfter machen, wenn man mich fragte. Dennoch konnte ich mich irgendwie nicht mit ihm freuen, denn das Thema sollte mir dieses Mal weitaus unangenehmer sein, als es ihm war. Für mich war es jetzt deutlich einfacher, seine gedämpfte Laune aus der letzten Woche nachvollziehen zu können, als er sich von mir vor den Kopf gestoßen hatte. Dabei wollte ich noch einmal festhalten, dass ich nicht so richtig verstand, was genau mich jetzt so unsagbar sauer auf seine Reaktion werden ließ. Ich musste wohl beinahe mit den Zähnen knirschen, als ich zu ein paar erwidernden Worten ansetzte. "Bist du's?", fragte ich direkt, vielleicht schon ein wenig patzig, aber irgendwas in meinem tiefsten Inneren wühlte mich gerade dermaßen auf, dass es kaum möglich war, jetzt noch ruhig und gelassen mit ihm über unsere - Taurens und meine - Hypothese zu sprechen. Was seine nächsten Worte anbelangte, konnte ich dann auch nur noch trocken, eher halbherzig lachen. Ja, er hatte mir geholfen, tat es noch immer, aber das... war einfach nicht er! Merkte Hunter denn gar nicht, wie sehr er sich verändert hatte? Seine Begründung, dass es für ihn weitaus angenehmer war, sich nicht ständig mit mir streiten zu müssen, sollte für mich ja das absolute i-Tüpfelchen sein. "Das bist aber nicht du! Also nicht... nicht so. Wir hassen uns, schon vergessen? Du wolltest mich vor nicht allzu langer Zeit noch umbringen und hättest einen Teufel getan, mich wieder zusammen zu flicken. Geschweige denn hätte der normale Hunter aus Nächstenliebe gehandelt. Du bist ein Egoist. Anderen Leuten helfen, ob sie danach fragen, oder nicht, tust du für gewöhnlich nicht! Du kannst mir doch nicht weiß machen wollen, dass du dich innerhalb von nur wenigen Tagen so sehr gewandelt hast ohne einen triftigen Grund?", fuhr ich ihn an und unterstrich mit wild durch die Luft gestikulierenden Armen, dass er mich nicht für blöd verkaufen sollte. Ja, ich war froh, noch am Leben zu sein. Und dankbar für seine Hilfe war ich ihm allemal, aber mit so viel Fürsorglichkeit und für Hunters Verhältnisse wirklich viel Unterwürfigkeit mir gegenüber konnte ich einfach nicht umgehen. Zwar waren ein paar Tage Ruhe schön und gut, aber ich wollte mich gerne wieder mit ihm streiten können. Uns gegenseitig anzuschreien gab mir ein Gefühl vom lebendig sein, die Schmerzen durch etwaige Handgreiflichkeiten signalisierten mir deutlich, dass ich noch nicht tot war. Immer noch unter den Lebenden weilte und nicht nur eine leere Hülle inmitten von einem Haufen Scheiße war. Zwar brachte es mir auch innereren Frieden, zwischendrin einfach mal einen Gang zurück schalten zu können, weil mir jemand unter die Arme griff. Auch eine Konversation ohne Beleidigungen und Vorwürfe war mal ganz nett, aber halt eben nicht immer. Wo ich wieder auf den Punkt zurück kam, dass bei dem Amerikaner ganz offensichtlich nur das Eine oder das Andere möglich war. Sich zu streiten, aber einander trotzdem helfen zu können, schien in seinen Augen ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Und das... war einfach schwierig. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Einfach hinnehmen konnte ich es nicht, aber ob es mir möglich war, ihn dahingehend auf die richtige Bahn zu bringen? Vermutlich nicht. Dafür war er vermutlich noch immer ein zu großer Sturkopf, der sich wenig bis gar nichts sagen ließ. Stand ja schon in den Sternen, ob er überhaupt auf meine Fragen noch weiter antworten würde. Vielleicht war ihm das alles schon jetzt zu blöd und er zog die Reißleine. Keine Ahnung, was wusste ich schon. Leider nicht mehr, als das mit ihm definitiv etwas nicht stimmte.
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Hatte Cosma jetzt komplett einen an der Waffel? Nein verdammt, ich liebte sie nicht. Wieso sollte ich? Sie sagte es doch selber gerade. Ich war ein selbstverliebtes Arschloch, das würde also ganz einfach keinen Sinn machen. Aber hassen... nein, irgendwie hasste ich sie auch nicht mehr direkt. Das war der Punkt, an dem ich doch etwas intensiver darüber nachzudenken begann, warum das jetzt so war. Denn dass ich meine Meinung über einen Menschem derart grundlegend änderte war hochgradig selten, um nicht zu sagen schon fast unmöglich. Trotzdem war es aber so. Natürlich war ich wie sonst auch von ihrem jetzigen Tonfall so gar nicht begeistert, weil es ganz einfach von der von mir so verhassten Respektlosigkeit zeugte. Aber im Gegensatz zu sonst ließ mich das auch nicht sofort auf die Hitzestufe eines Vulkans hochfahren. Es provozierte mich, reizte mich, wie wohl auch an meinem sich langsam etwas finsterer werdenden Gesichtsausdruck deutlich wurde... aber ich hatte tatsächlich nicht wie sonst das Bedürfnis dazu ihr einfach mit einer Machete den inzwischen auch abgesehen von ihren Haaren recht roten Kopf abzusäbeln. War einfach nicht so. Aber das war auch bei einer reinen Freundschaft der Fall, oder? Ich meine, das war bei Desmond und Ashton so - wenn sie Mist bauten, was ohnehin selten vorkam, dann war ich den beiden wesentlich weniger böse, als es bei allen Anderen der Fall war. Ihnen wollte ich auch nicht den Kopf abreißen, nie. Immerhin waren sie zwei meiner sehr rar gesähten Freunde. Der einzige Unterschied lag wohl darin, dass Cosma eine Frau war... das war an sich allerdings ein ziemlich gravierender Unterschied. Ich hatte keine Freundinnen, weil ich Frauen ganz einfach nicht mochte. Vergangenheitsbedingt, wie auch in den meisten Fällen vom Charakter abhängig. Frauen waren hinterhältig... die Rothaarige hier war jedoch anders. Sie bevorzugte es mir ins Gesicht zu sagen - schreien - oder mir gar eine Ohrfeige zu verpassen, wenn ihr etwas nicht passte und nicht stattdessen hinterrücks irgendeinem meiner Engstehenden davon zu berichten, der es wahrscheinlich an mich weiter tragen würde. Sie war rein charakterlich ganz anders als alle Frauen, die ich bisher getroffen hatte. Aber deshalb musste ich mich noch lange nicht in sie verknallen... oder doch? Ich war schrecklich verwirrt. Wenn man ein Arschloch war, dann war das nicht in Ordnung und wenn man stattdessen nett war scheinbar auch nicht. Wie zum Teufel sollte man aus Alledem jetzt bitte schlau werden? Ich war nicht der Typ Mensch dafür mich Hals über Kopf in Irgendjemanden zu verlieben, das war bis dato nicht ein einziges Mal vorgekommen. Aber ich hatte mich bisher auch noch nie wirklich so verhalten, wie ich es jetzt eben tat... und das zeigte mir langsam aber sicher Parallelen, die ich nicht sehen wollte. Sich zu verlieben war schwach. Würde mir nur eine weitere Schwachstelle einbringen, die ich mir in meinem Metier ganz einfach nicht leisten konnte. Also nein, es konnte ganz einfach nicht sein, durfte nicht so sein. Ich hatte schon mehr als genug um die Ohren und bewusst eine Liebschaft pflegen zu müssen gehörte nicht zu den Dingen, die gerade machbar waren. Mir fiel gar nicht auf, dass ich mir zum Antworten reichlich Zeit ließ und das allein vermutlich schon auffällig gewesen war. "Wow. Es ist also scheinbar auch nicht richtig, Jemandem ein kleines bisschen dankbar zu sein und das zu zeigen? Schön, von mir aus...", knurrte ich vor mich hin und schmiss gegen Ende die Arme nach oben. Stand dann beinahe wie von der Tarantel gestochen vom Bett auf, weil ich keinerlei Interesse mehr an dieser in meinen Augen vorerst sinnfreien Konversation hatte. "...dann sieh zu wie du wieder allein zurecht kommst! Ich hab' keine Zeit für so eine Scheiße, echt nicht.", vollendete ich meine vorher begonnene Ansprache an Cosma doch hörbar angepisst und warf ihr noch einen giftigen Blick zu. Weniger weil sie mich wütend machte und mehr, weil mir der Gedanke daran, dass sie vielleicht Recht haben könnte mit dem was sie sagte, nicht gefiel. Dann ließ ich mir auch gar keine Zeit mehr damit zu gehen, sondern machte Kehrt und verließ den Raum.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Moment mal, was? Darum ging es doch überhaupt nicht! So lange, wie er zum Antworten brauchte, hatte ich eigentlich damit gerechnet, einen wunden Punkt getroffen zu haben, der ihn zum Nachdenken angeregt hatte. Das er überlegte, ob an meinen Worten nicht vielleicht doch etwas dran war und wie er ein mögliches Geständnis so charmant verpacken konnte, dass ich ihn nicht für den größten Deppen hielt, nachdem er meine Vermutung letztlich noch lachend abgestritten hatte. Oder aber er stand kurz davor, mir vielleicht doch noch den Kopf abzureißen, weil ich mir mal wieder mehr Rechte raus nahm, als ich ihm gegenüber eigentlich besaß. War mein Tonfall nicht unbedingt respektvoll, die Wortwahl nicht angemessen. Hätte ich mir als ersten Schritt zurück in die richtige Richtung schon gewünscht, stattdessen enttäuschte er mir einmal mehr, als die Ruhe vor dem Storm schließlich ein abruptes Ende fand. Als Hunter mit Nachdenken fertig war, flogen seine Arme nur so in die Luft und der Temperamentbolzen schoss in die Höhe wie kein Zweiter. Er wetterte zwar vor sich hin, schien augenscheinlich auch wirklich angepisst zu sein, aber einfach aufzustehen und einer weiteren Konfrontation aus dem Weg zu gehen passte mal wieder gar nicht ins Bild. Klar, das in den falschen Hals kriegen war zwar schon einer seiner von mir so verhassten Charakterzüge, die ich in den letzten Woche echt vermisst hatte, aber wie kam er jetzt ausgerechnet darauf, sich genau daran fest zu beißen? Mein entgeisterter Blick, den ich ihm zuwarf, gab dieser Frage eine optische Darstellung. Hunter hatte schon den Türrahmen passiert, als ich mich auf die Beine gerafft hatte und ihm mit schnellen Schritten gefolgt war. Nur weil ich den stechenden Schmerz unter der Brust, der dem schnellen Aufstehen geschuldet war, kurzzeitig ausblendete, gelang es mir, ihn noch vor dem Verlassen der Wohnung am Ärmel zu greifen. Eigentlich hatte ich mit den paar provozierenden Worten das erreicht, was ich eigentlich wollte. Hunter schien sauer zu sein, wollte mich nicht mehr unterstützen und suchte gefrustet das Weite. Kurzzeitig schien also alles beim Alten zu sein und mein Auftrag war damit abgeschlossen. Antworten hatte ich zu genüge bekommen, Taurens und meine Befürchtungen waren ins Leere gelaufen. Grund zu feiern also. Warum fiel es mir dann aber so schwer - tat sogar richtig weh - ihn mit der Stimmung und unter den Umständen aus meiner Wohnung zu entlassen? "Schön, dass du mich immerhin noch falsch verstehen kannst.", redete ich auf ihn ein, nachdem ich ihn zumindest fürs Erste erfolgreich davon abhalten konnte, hier einfach raus zu stiefeln. Ich stellte mich nämlich mit dem Rücken zur Tür direkt vor ihn, meine Hand hielt noch immer einen Teil seines Ärmels. Gut, für ihn war es sicher kein Problem, mich einfach zur Seite zu schieben, wenn ihm der Sinn danach stand, aber so hatte ich mir immerhin noch ein bisschen Zeit erkaufen können, in der ich weiter auf den Amerikaner einredete. Mittlerweile hatte ich nicht mal mehr eine Mission, wusste nicht, was ich eigentlich erreichen wollte. "Ich habe nie auch nur im Ansatz gesagt, dass es falsch ist, sich erkenntlich zu zeigen. Aber bei dir ist alles immer so ... extrem. Mit diesem ganz oder gar nicht kann ich einfach nicht umgehen. Manchmal wünsche ich mir von dir einfach ein gesundes dazwischen..." Meine Worte murmelte ich mittlerweile nur noch und auch den Blick hatte ich abgewandt, starrte nicht mehr ihn direkt, sondern seine Brust an, die sich unter der Aufregung ein Stück weit aggressiver hob und senkte als normal. Warum ich ihm gegenüber plötzlich Wünsche äußerte, obwohl ich mich gerade noch für seinen absolut ekeligen Charakter ausgesprochen hatte, der bei Gott keine Wunsch erfüllende Fee mit billigen Plastikflügelchen war, konnte ich jetzt nicht erklären. Die Worte sprudelten im Moment ziemlich unkontrolliert aus mir heraus, wie mir auffiel. Aber das Denken fiel mir gerade irgendwie schwer. Schien, als war mein Gehirn heruntergefahren worden und ein anderes Organ hatte das Steuer übernommen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Warum konnte sie den Mist jetzt nicht einfach nur auf sich beruhen und mich gehen lassen? Kein Arsch der Welt sollte sich dazu genötigt fühlen, einen ohnehin schon gereizten Hunter auf seinem sehr zielstrebigen Weg noch aufzuhalten. Am allerwenigsten aber Jemand, der so wie Cosma in diesem Fall kein Stück dazu fähig war sich irgendwie zu wehren, wenn es zu etwaigen Auseinandersetzungen kam. Sie war doch mit der Wunde ohnehin schon noch verwundbarer als für gewöhnlich, was erhoffte sie sich also jetzt hiervon? Sie hatte doch - mehr oder weniger zumindest, nur so indirekt und vielleicht gelogen - ihre dämliche Antwort bekommen, was wollte sie noch? Es war wohl meinem innerlich leicht verwirrten Gefühlszustand zu verschulden, dass ich der Rothaarigen nicht aus antrainiertem Reflex sofort wieder mein Arm entzog, als sie unerwartet danach griff. Dass sie tatsächlich damit durchkam mich zu stoppen und mich noch für einen Moment lang unweit der Tür in der Wohnung fest zu tackern. Eigentlich wollte ich sie gerne wie gewohnt zur Seite schubsen und trotzdem gehen, als sie mit ihrem eigenen Körper die Tür verbarrikadierte. Ich wusste ja, dass sie nicht viel wog, dass das kaum einen Aufwand bedeutete. Aber irgendwie wollte ich es gleichzeitig auch wieder nicht, weil sie verletzt war. Weil ihr Bauchraum noch immer sehr empfindlich war und ein grober Schubser der innerlichen Verletzung ganz sicher nicht gut tun würde. Es wäre also komplett kontraproduktiv zu dem, was ich die ganzen letzten Tage, Wochen über getan hatte - Cosma schonen und ihr die Genesung so sehr wie möglich zu erleichtern. Trotzdem entzog ich ihr jetzt aber doch noch etwas ruckartig den Ärmel, den sie nach wie vor festhielt. Mein Verhalten war also extrem, ja? Das fiel ihr aber verdammt früh auf. Eigentlich sollte der kleine Teufel schon lange wissen, dass ich eben nicht ganz normal war. Sie kannte doch sogar sämtliche Ursprünge dafür, es sollte sie also im Grunde nicht im Geringsten wundern. "Alles, was ich tue, ist extrem, Cosma. Und ja, alles Andere fällt mir nun mal schwer. Gerade du solltest das wissen, wo du doch die einzige Person bist, die von... der ganze Geschichte weiß. Vielleicht bist du nicht undankbar, aber es klingt verdammte Scheiße nochmal so. Ich reiße mir nicht den Arsch dafür auf, dass du zur Ruhe kommst und dein verdammter Laden da unten weiter läuft, nur um mir dann verschissen dreist anzuhören, dass das auch wieder nicht ganz korrekt ist.", knurrte ich weiter vor mich hin, die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen und der Blick das erste Mal seit langem Cosma gegenüber vor Wut wieder leicht funkelnd, obwohl sie nicht mein Gesicht, sondern nur meinen Oberkörper im Blick hatte. Meine Hände ballten sich ganz unbewusst zu Fäusten, mit denen ich normalerweise mindestens die Tür neben dem Kopf der Französin geschlagen hätte, weil einfach absolut Niemand das Recht dazu besaß mir zu sagen, was richtig und was falsch war. Aber ich besann mich weiterhin so gut es irgendwie ging zur Ruhe, wollte die Kontrolle nicht wie so oft verlieren. Freitags und samstags war es für Sabin eben fast unmöglich gewesen die Bar alleine zu schmeißen, weil der Andrang riesig war. Also ja, auch dahingehend hatte ich in Form von arbeitstechnischer Unterstützung noch mitgeholfen. Ihm einen Deppen gesandt, der ihm zumindest beim hin und her tragen der Cocktailgläser über den Tresen half oder ihm Getränke aus der Vorratsraum holte, wenn sich etwas dem Ende neigte. Auch als kleine, wiedergutmachende Geste dafür, dass der Italiener meine eigenen Geschäfte am Laufen gehalten hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, mich mit einem Kind zu unterhalten. Einem frustrierten, pubertierenden und mit den Füßen auf den Boden stampfenden Teenager, der grundlegend alles falsch auffasste und einem aus der winzigsten Kleinigkeit sofort einen Strick band. Das war anstrengend, andererseits gab es mir zeitgleich ein wenig die Hoffnung, man könne Hunter dahingehend noch etwas erziehen. Bei seinem Dickkopf war das zwar sehr unwahrscheinlich, aber sicher nicht unmöglich. Man musste nur lebensmüde genug sein, es zu versuchen. Aber bitte, gerade mich schreckte das wirklich nicht ab. Wie oft hatte ich dem Tod bereits in die Augen gesehen? Vor nicht allzu langer Zeit war ich ihm zudem nur knapp von der Schippe gesprungen. "Ich weiß, ich weiß, Hunter. Aber du kannst nicht immer von allem behaupten, wie schwer es ist, wenn du es noch gar nicht versucht hast.", antwortete ich ruhig und hob parallel zu meinen Worten den Blick an. Mochte sein, dass er gerade im Vertrauen zu anderen fassen schon mehrere Male auf die Fresse geflogen war, aber wann bitteschön - außer im Knast - strafte man ihn denn dafür, wenn er zu gleichen Teilen ein Arschloch und ein guter Mensch war? Da konnte er mir erzählen, was er wollte. Er stellte sich schlichtweg quer, weil er im Allgemeinen einfach keine Lust dazu hatte und vermutlich auch keinen Sinn darin sah. Dabei könnte ihm das Leben so viel leichter fallen. Und auch wenn ich das ihm gegenüber schon einmal geäußert hatte, war ich nach wie vor der Meinung, dass es auch seinem Business keinen Abbruch täte, wenn er mit seinen Jungs ein Stück weit anders umsprang. Er musste seine Prinzipien ja nicht über Bord werfen, aber hier und da mal etwas zuvorkommender oder freundlicher zu sein, nicht bei jedem Kleinscheiß direkt durch die Decke zu gehen, würde Einigen sicher die Angst nehmen, etwas falsch zu machen. Ob sie dadurch jetzt nur ein bisschen selbstbewusster wurden oder ihm letzten Endes auf der Nase herum tanzten, würden Erfahrungswerte zeigen, an denen er sich auf kurz oder lang orientieren könnte, ob die Wandlung eher positiv oder negativ gewirkt hatte. Aufhören, etwas freundlicher zu sein, konnte er immerhin zu jedem Zeitpunkt. Dafür musste er es aber überhaupt erst mal versuchen. "Und so Leid mir deine Geschichte auch tut, du kannst nicht immer alles auf deine Vergangenheit schieben. Du bist erwachsen, triffst deine eigenen Entscheidungen, also hör auf, dich wie ein Feigling hinter irgendwelchen Fassaden zu verstecken, die du eigentlich gar nicht brauchst!", redete ich weiter, wobei meine Stimme angefangen hatte, zu zittern. Außerdem wurden meine Augen glasig. Warum? Keine Ahnung. Ich verspürte weder das Bedürfnis, noch gab es einen Grund dazu, hier und jetzt das Heulen anzufangen. Noch flossen keine Tränen, trotzdem wischte ich mir mit dem rechten Ärmel über das Gesicht. "Aber bitte. Das ist deine Entscheidung. Ich hab gesagt, ich helfe dir. Egal, wann du Hilfe brauchst. Aber dafür musst du sie erst wollen. Ich verstehe das.", war das Letzte, was ich ihm fast schon weinerlich mit auf den Weg gab, als ich mich seitlich mit dem Rücken zur Wand stellte, um ihn so zu ermöglichen, meine Wohnung zu verlassen. Ich hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Sogar noch ein Stück mehr. Warum und wieso konnte - beziehungsweise wollte - ich mir nicht erklären, fuhren meine Gedanken sowieso schon wieder Achterbahn. Vielleicht war ein bisschen Ruhe gar nicht mal so schlecht, auch wenn ich mich mehr nach einer gut gelaunten Unterhaltung sehnte. Aber ich hatte es nicht anders gewollt, hatte es provoziert und drauf angelegt, Hunter mehr oder minder aus meiner Wohnung zu ekeln. Wäre er da geblieben, wenn ich mich nicht so aufdringlich verhalten hätte? Warum... war ich eigentlich der Meinung, ihm helfen zu können, wo ich doch mindestens genau so kaputt war, wie er?
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Ich wollte es aber nicht versuchen. Es war schlicht und ergreifend eine Milliarde mal einfacher absolut Alles so zu lassen, wie es eben jetzt gerade war. Veränderungen waren noch nie eine Sache gewesen, mit der ich gut zurecht kam. Dementsprechend sträubte mein gesamtes Inneres sich gerade auch ziemlich vehement dagegen, dass etwas an der Geschichte dran sein konnte, dass ich in Cosma womöglich Etwas sah, das andere Menschen nicht hatten. Dass sie mit all ihren schwierigen Ecken und Kanten trotzdem positiv aus der Menge heraus stach und mir gefallen könnte. Rein optisch hatte ich daran weniger Zweifel, hatte ich doch irgendwie schon in der Vergangenheit eher ein Faible für Frauen, die etwas auffälliger aussahen, gezeigt. Da reichten schon m viele Tattoos, ein paar Piercings mehr oder in diesem Fall eben eine nicht zu übersehende Haarpracht, die in herrlichem Kontrast zu ihren hellblauen Augen stand - 0815 war also eher weniger mein Ding. Ich ertappte mich in diesem Augenblick selbst dabei, dass ich angefangen hatte ihre Gesichtszüge etwas genauer zu mustern, weshalb ich das sofort unterband und ihr stattdessen wieder nur direkt in die Augen sah. Es sollte gar keine Rolle spielen, ob sie mir optisch oder auch charakterlich gefiel. Ich wollte nicht, dass sich zwischen uns etwas veränderte... zumindest nicht bewusst und jetzt gerade nicht. Das würde Alles nur so unnötig kompliziert machen und ich hatte momentan weder die Nerven, noch die Zeit für Sowas. Dann kam da auch noch dieser merkwürdige Stimmungswechsel. Mal davon abgesehen, dass es mir absolut nicht schmeckte wie mich die Rothasrige da gerade betitelte, gefiel es mir auch nicht, dass sie... naja, sie weinte nicht, aber schien irgendwie auf dem Weg dahin zu sein und ich fragte mich unweigerlich, warum das so war. Wenn ich versuchte ihr Alles recht zu machen, dann fragte sie misstrauisch nach und wenn ich wie gewohnt einmal wieder zu laut und stur wurde, dann fing sie fast an zu weinen. Ich war als Kind nicht mit Schwung die Treppe runter gefallen, war nicht doof - sonst wäre ich schließlich mit all den kriminellen Machenschaften gar nicht so weit gekommen - und dennoch überstieg das irgendwie meine Auffassungsgabe. Ich verstand nicht, was hier gerade passierte. Wenn Frauen sonst in meiner Anwesenheit heulten, dann war das in der Regel deshalb, weil ich sie mit unfreundlichen, verletzenden Worten nach dem Sex wieder verließ, damit sie gar nicht erst auf die dumme Idee kamen, mir zukünftig nachzustellen. Damit sie verstanden, dass sie nur Mittel zum Zweck für mein Testosteron waren und ich kein Interesse an welcher Form von weiterem Kontakt auch immer hatte. Aber hier war das nicht der Fall. Wir stritten uns einfach nur, wie wir es schon unzählige Male getan hatten. Nur zeigte Cosma dabei normalerweise keine derartigen... Symptome. Wurde nicht weinerlich, sondern reagiert auf meine Aggression mit Gleichem. Was war jetzt anders? Vertrug die junge Frau das nicht mehr, weil ich so lange zu nett zu ihr gewesen war? Oder lag es einfach nur daran, dass sie beleidigt war, weil ich ihre Hilfe bisher nicht wirklich in Anspruch genommen hatte? Ich sollte mich zukünftig womöglich wirklich mehr mit dem angeblich möglichen "Dazwischen" befassen, vielleicht verstand ich diese Situation dann wenigstens im Nachhinein. Ich seufzte schwer, hörbar frustriert und auch ein Stück weit entnervt. Hob noch dabei die rechte Hand, deren Finger sich ebenso wie die der linken inzwischen wieder ganz von selbst aufgelockert hatten, um mir dann von oben nach unten quälend langsam über das angestrengte Gesicht zu streichen. Ich wusste weder was ich denken, noch was ich jetzt sagen sollte. Man hätte mir genauso gut einen Zettel mit hochgradig verwirrt und überfordert an die in Falten gelegte Stirn kleben können. "Hör zu, wir... wir unterhalten uns noch darüber, okay? Ich muss jetzt echt los...", wich ich der mir sehr unangenehmen Konversation mit einer Halbwahrheit weiterhin aus, weil ich mich gerade schlicht nicht in der Verfassung dazu sah. Ich musste Alles, was die junge Frau gesagt hatte, erst einmal ganz in Ruhe - vor allem aber allein! - Revue passieren lassen und ein Stück weit verarbeiten, damit das überhaupt erst einen richtigen Sinn hatte. Mir Gedanken darüber machen, was ich überhaupt wollte und was nicht. So, wie es jetzt gerade war, würde ich hier in keinem Fall auf einen grünen Zweig mit Cosma kommen, weil ich einfach nur komplett verwirrt über all das war, was hier gerade passierte. Aber Irgendwas... fehlte noch. Irgendeine Art von Geste, die meinen Worten ein wenig mehr Glaubwürdigkeit verlieh und es eben nicht so aussehen ließ, dass ich das Thema auch zukünftig nur totschweigen wollte. Denn so war es gar nicht, ich brauchte lediglich ein bisschen Zeit. Es war mehr nur eine Kurzschlussrektion, dass ich die Hand, die mir eben noch im Gesicht gelegen hatte, erneut anhob. Sie zögerlich, ganz vorsichtig an die Wange der zierlichen jungen Frau legte und für einen kurzen Moment lang sanft über ihre Haut strich. Dann hob ich Cosmas Kinn noch vorsichtig an, damit sie mich ansah, als ich ihr den Hauch eines aufmunternden Lächelns schenkte. Mehr als das war dank meiner aktuellen Stimmung nicht drin, bevor ich die Hand wieder sinken ließ und sie stattdessen benutzte, um die Wohnungstür aufzumachen. Kurz darauf hatte ich jene auch schon passiert und der Tür hinter mir noch einen leichten Schwung verliehen, damit sie von alleine zufiel. Mir wurde schon auf dem zügigen Weg nach unten und schließlich auch nach draußen bewusst, dass ich heute vermutlich keinen einzigen wirklich klaren Gedanken fassen würde und mich wahrscheinlich lieber nicht selbst in den Kugelhagel schmeißen sollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Am liebsten wäre ich jetzt dieser pubertierende, mit den Füßen auf den Boden stampfender Teenager gewesen. Dann hätte ich wenigstens einen plausiblen Grund gehabt, vollkommen aus dem Nichts in mein Zimmer zu stürmen, um mich dort hochgradig frustriert aufs Bett zu schmeißen und meinen dröhenden Schädel unter dem Kopfkissen zu vergraben. Bei einem jungen Erwachsenen, der noch mitten in der geistigen Entwicklung steckte, hinterfragte niemand eine solche Kurzschlussreaktion. Man tat es mit einem müden Lächeln ab und wartete dann einfach eine Weile. Früher oder später kamen sie dann wieder aus ihren Löchern gekrochen und man wollte meinen, es sei nichts passiert, so entspannt wirkten die meisten von ihnen, wenn sich sich später zu ihren Eltern an den Esstisch hockten. Schließlich offenbarte ich hier Wissen aus erster Hand und konnte damit bestätigen, dass dieses Sonderrecht für 24 Jährige leider nicht mehr zählte. Würde ich heute noch so reagieren, wie ich es früher gerne getan hatte, würden meine Koffer sehr viel eher vor der Haustür unserer damaligen Wohnung stehen, als ich bis drei zählen konnte. Man erwartete von denen, die über zwanzig Jahre alt waren mittlerweile, dass sie ihr Leben so langsam aber sicher in den Griff bekamen. Nicht immer weg rannten oder mit Trotzreaktionen versuchten, ihren Willen durchzusetzen. Dennoch wünschte ich mir gerade nichts sehnlicher, als mich einfach verkriechen zu können, bis ich eine rationale Erklärung dafür gefunden hatte, warum ich einen Großteil meiner sonst so kalten Art Hunter gegenüber abgelegt hatte. Mir hatte es immer Spaß gemacht, ihn so lange zu provozieren, bis ihm letzten Endes die Hutschnur platze, sodass er wie ein HB-Männchen Saltos schlagend durch die Luft sprang, aber plötzlich... störte es mich, dass er meinetwegen schlecht gelaunt war. Und ich verspürte irgendwie das unstillbare Bedürfnis, mich mit ihm aussprechen, versöhnen zu müssen. Zwar wollte ich mich nicht direkt entschuldigen - das wäre wirklich zu viel des Guten -, aber zumindest ein paar schlichtende Worte loswerden. Wenn ich dann aber vor ihm stand, so wie in diesem Moment, und die zurecht gelegten, meiner Meinung nach passenden Worte sprach, dann schien seine Wut auf mich nur größer zu werden, weil ich offenbar absoluten Scheiß redete. Lediglich seine Reaktion - das Ballen der Fäuste, der angestrengte Gesichtsausdruck, das ganz offensichtliche Bedürfnis, mich einfach zur Seite zu stoßen - zeigten mir, wie sehr ich sein Blut kochen ließ. Und das hatte ich ursprünglich doch mal erreichen wollen, oder nicht? Nun, egal was damals war. Es schien, als wäre Hunter nicht der Einzige, der gerade mit einer Veränderung seiner Persönlichkeit zu kämpfen hatte. Vielleicht hatte ich Tauren ja angelogen? Plötzlich war ich mir nämlich gar nicht mehr so sicher, ob mich das Ergebnis der Unterhaltung zwischen mir und Hunter wirklich zufrieden stimmte oder nicht viel eher der Grund dafür war, dass auch meine Laune gerade ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Wollte ich diese abweisenden Worte des jungen Mannes einfach nicht wahr haben, weil sie mir schlicht weh taten und ich mir entgegen meiner eigentlichen Aussage durchaus so etwas wie... eine Beziehung mit ihm vorstellen konnte? Eventuell sogar wünschte? Anders konnte ich es mir nämlich nicht erklären, was nicht hieß, dass mich diese Erleuchtung in irgendeiner Hinsicht beruhigte. Ganz im Gegenteil. Sie wühlte mich nur noch mehr auf und die kommenden Stunden, in denen ich wieder alleine in meiner Wohnung war, musste ich wie eine Irre auf und ab getigert sein und Selbstgespräche geführt haben. Am Ende war ich mit einem Joint in der Hand auf dem Bett eingeschlafen, wo das Letzte, an was ich mich erinnern konnte, die warme Hand an meiner Wange war, die ich für einen kurzen Moment mit meiner eigenen umschlossen und festgehalten hatte. Nur so lange, bis Hunter sich mit einem schwachen Lächeln aus dem Griff gewunden hatte und aus der Wohnung verschwunden war. Könnte ich in Worte fassen, wie ich mich gerade fühlte und über was ich alles nachdachte, würden mehrere tausend Seiten Papier nicht ausreichen, um das alles festzuhalten. Einerseits versuchte ich die Fassade der sonst so unantastbaren Barkeeperin mit dem eisigen Herz aufrecht zu erhalten. Andererseits stellte ich fest, dass mich genau das plötzlich so kaputt zu machen schien.
~ diese kleine Sprung in diese Zeit ~
Es waren jetzt fast zwei Wochen vergangen, seitdem ich mich dazu entschlossen hatte, den Guten abzudanken und mich stattdessen den Bösen anschließen. Bis heute hatte ich es keinen einzigen Tag so wirklich bereut. Klar, dass ich ein fremdes Handy nur unter Aufsicht benutzen durfte, war weit unter meiner Würde, aber ich hatte ohnehin niemanden mehr, den ich gerne kontaktiert hätte. Also ließ sich das eigentlich problemlos aushalten. Nach wie vor wusste ich nur noch nicht so genau, welche Rolle ich in diesem ganzen kriminellen Schauspiel überhaupt einnahm, weshalb ich mich die meiste Zeit einfach an Sabin geheftet oder mich zumindest an seinen Worten orientiert hatte. Mal ein paar Informationen über die Mitglieder eines verfeindeten Clans hier, dann den Stand der aktuellen Ermittlungen gegen Sabins Ex-Chef da. Alles in allem noch kein so großes Problem, wobei ich in den Staaten vermutlich des Hochverrats angeklagt werden würde, aber was soll's. Ich hatte ohnehin nicht vor, mich wieder in den Flieger zu setzen und je auch nur noch einen Fuß auf dieses Land zu setzen. Sollten sie doch ihren Haftbefehl wegen was auch immer ausschreiben, war mir herzlich egal, um ehrlich zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass ich noch so lange Zugriff auf die internen Datenbanken des FBIs hatte, bis ich mir einen höheren Stellenwert angeeignet hatte, als eine bloße Informantin, die man problemlos entsorgen konnte, wenn sie ihren Job erledigt hatte. Denn auch wenn ich alles, was ich mir über Jahre hinweg aufgebaut hatte, plötzlich wegwarf, hieß das noch lange nicht, dass ich nicht noch an meinem Leben im Allgemeinen hing. Aber gut, das war etwas, was ich jetzt nur noch bedingt beeinflussen konnte, wo ich alle Rechte, mich in irgendeiner Weise zur Wehr zu setzen, an Hunter und Co. abgetreten hatte. Wenn ihnen der Sinn danach stand, mich sterben zu sehen, musste ich mich zwangsläufig wohl damit abfinden. Waffen hatte ich nämlich keine mehr und ohne einen Notruf abzusetzen zu können, würde mir wohl auch kein Anderer zur Hilfe kommen. Im Endeffekt blieb mir also vorerst nichts anderes übrig, als brav meine Anweisungen auszuführen und die Füße still zu halten, nicht auffällig zu werden. Uns bis dato klappte das eigentlich ganz gut, bis zum heutigen Nachmittag, an dem mich das schrille Klingeln der Haustür aus dem Schlaf riss. Ich lag seit etwa einer Stunde dösend auf dem Sofa, während Sabin am Esstisch durch ein paar alten Fallakten stöberte. Seitdem die Katze aus dem Sack war, nutzte er den Laptop beinahe öfter, als ich es tat, um sich zur Konkurrenz zu belesen. So auch jetzt, als ich mich tierisch müde, kurz vor ausgelaugt in Richtung der Tür schleppte. Meine Haare standen in so ziemlich alle Richtungen und ich rieb mir verschlafen die Augen, als ich im Hausflur angekommen die Tür öffnete. Wer uns da allerdings besuchen kam, trieb mir augenblicklich jegliche Farbe aus dem Gesicht, ließ mich kaum hörbar nach Luft schnappen. Ein Kollege und zudem sehr guter Freund stand nur unweit von mir entfernt auf der Fußmatte und begrüßte mich mit seiner gewohnt flippigen Art. Leider konnte ich seine Euphorie nur sehr eingeschränkt teilen, als er seine muskulösen um meinen Oberkörper schlang und mich dabei beinahe durch die Luft wirbelte. "Was... was machst du denn hier?", fragte ich nervös, schielte dabei immer wieder zu meiner linken Seite, in der Hoffnung, Sabin würde in meine Richtung sehen, damit ich ihm signalisieren konnte, sich von dem Laptop zu entfernen, weil hier sonst die Hölle los sein würde, wenn Michael auch nur einen weiteren Schritt in die Wohnung machte. Besagter Spezialagent beantwortete meine Frage schließlich nur mit einem knappen Nach dem Rechten sehen, was mich postwendend eine Augenbraue heben ließ. Gab es dafür einen triftigen Grund? Eigentlich nichts... außer vielleicht ... dass ich seit Langem kaum mehr wirklich auf etwaige Anrufe eingegangen war und wenn nur ein paar Worte hatte verlauten lassen, dass alles in bester Ordnung sei. Eigentlich so gar nicht mein Stil, was nicht zuletzt sicher der Grund war, dass Sabin und ich hier später noch eine Leiche wegschaffen mussten...
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Eigentlich hätte es momentan fast nicht besser laufen können, wenn man die ganze Mafia-Geschichte im Hintergrund mal gekonnt außen vor ließ. Ich selbst bekam zwar tatsächlich wenig davon mit, dass mir die Arschlöcher nachzustellen versuchten, weil Hunters Gefolge mir die Penner ganz gekonnt vom italienischen Arsch fernhielt, aber er hielt mich dahingehend auf dem Laufenden. War auch seine Pflicht, immerhin machte er das wie immer nicht umsonst. Je nachdem wie lange diese Geschichte sich jetzt ziehen würde, musste ich wohl eine ziemlich ordentliche Stange Geld an ihn abdrücken. Weil mir aber noch nicht nach sterben zu Mute war, war das nicht zu umgehen. Hier Zuhause war die Lage ein wenig merkwürdig, zeitweise noch leicht angespannt, weil ich mir schwer damit tat wirklich glauben zu können, dass Sydney jetzt in meinem Team spielte, beziehungsweise eben das Lager gewechselt hatte. Die Brünette schien sich bis dato allerdings nicht umentschieden zu haben, also schien tatsächlich für den Augenblick Alles in bester Ordnung zu sein. Dachte ich jedenfalls. Ich wurde schon skeptisch, als es dann an der Tür klingelte. Erwarten tat ich Niemanden und Sydney wohl auch nicht, sonst hätte sie ganz sicher mal Irgendwas in dieser Richtung erwähnt. Auch ein Schichtwechsel bei den von Hunter angeordneten Patrouillen stand nicht an, zumal sich nur selten einer dieser Jungs auch mal zu Wort meldete und offensichtlich blicken ließ. Sie überwachten mehrere der umliegenden Straßen und waren selten direkt am Haus. Zu den Nachbarn hatten wir auch nur wenig bis ungefähr gar keinen Kontakt, wer hätte also jetzt an der Tür stehen sollen? Ich hielt bei meiner Sucherei am Laptop inne, stellte die Kaffeetasse bei Seite und lauschte aufmerksam, als erste Worte an der Tür verlauteten. Die Stimme kam mir jedoch nicht bekannt vor. Sydney hingegen schien den Kerl aber zu kennen und es dauerte nur kurze Zeit, bis mein langjährig auf kriminelle Machenschaften getrimmtes Gehirn eins und eins zusammengezählt hatte. Der Blick der jungen Frau bestätigte das sehr eindeutig und so klappte ich den Laptop schnell, aber möglichst geräuschlos zu, bevor ich mich mitsamt der Kaffeetasse in der Hand vom Tisch erhob und mich - so gar nicht auf etwaige Auseinandersetzungen in dieser Richtung vorbereitet lediglich mit Jogginghose an den Hüften - zur Haustür aufmachte. Noch ein bisschen die guten Manieren auspacken. Vielleicht kannte er Sydney gut genug, um nicht viele oder genaue Fragen zu stellen. Um sich nicht intensiv hier umzusehen und etwas zu finden. Wenn er was fand sah ich seine Überlebenschancen nämlich schwindend gering. Ich wollte ihn nicht mutwillig umlegen, wirklich nicht... aber wenn er mir keine Wahl ließ, dann würde ich auch nicht zögern. Ich hatte schon viel zu viel Arbeit in mein neues Imperium und das ganze Drumherum gesteckt, als dass ich jetzt kampflos in den Knast gehen würde, wo dann auch nur der Tod auf mich wartete. Nein, ganz sicher nicht. Also setzte ich das perfektionierte, freundliche, leichte Lächeln auf, das auch meine Augen ein Stück weit erreichte und ging zur Tür. Die Umarmung mit der jungen Frau war beendet, also hielt ich dem in Uniform gekleideten Mann meine freie Hand zur Begrüßung entgegen. "Hey... Sabin Mazzanti, aber das wissen sie ja sicher schon.", hängte ich der Begrüßung einfach der Höflichkeit wegen eine Vorstellung meiner Person an. "Kann ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee? Ein Glas Wasser?", mimte ich bis jetzt noch ganz den freundlichen Gastgeber und war mit meinem Schauspieltalent der blassen Agentin damit weit voraus.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sabin brauchte meiner Meinung nach viel zu lange, um endlich auf meinen stummen Hilfeschrei zu reagieren. Es gehörte nicht selten zu meinen Aufgaben, Oskar reife Schauspielkunst an den Tag zu legen, wenn vor Gericht mal wieder ein Schwerverbrecher mir gegenüber verlauten ließ, wie genau er mich und meine Familie umbringen würde, wenn er aus dem Knast raus war. Nach außen hin mimte ich da natürlich den coolen Cop, der mit der Justiz im Rücken so unnahbar schien. Innerlich wünschte ich dem Bastard allerdings weitaus mehr als nur die verhängte Todesstrafe. Nach so manchen, Nerven raubenden Begegnungen musste ich nach dem Einsatz für eine Weile aussetzen, mich an einem Sandsack abreagieren oder mitten im Wald, wo mich kein Arsch hörte, einfach laut los schreien, um den Frust und den Ärger loszuwerden, ohne dafür jemanden die Pistole an den Kopf halten zu müssen. Damals halt, wo ich noch korrekt war. Mittlerweile wusste ich nicht mal mehr, ob die Option, jemanden einfach eine Kugel durch den Kopf zu jagen, nicht weitaus mehr Linderung bei innerer Unruhe verschaffte, als alternative Therapien zur Stressbewältigung. Wie auch immer. Long story short wollte ich damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich für gewöhnlich immer das FBI im Rücken hatte, wenn es brenzlig wurde. Entsprechend leicht viel es mir, die Maske aufzusetzen und meinen Gegenüber von oben herab zu behandeln. Da konnte ich es mir schließlich erlauben, vergriff ich mich im Ton, gaben mir Richter und Staatsanwälte meistens trotzdem Recht. Jetzt war das aber eine ganz andere Geschichte. Ich hatte das Gesicht vor meinem Arbeitgeber verloren, konnte nicht mehr auf etwaigen Rückhalt zählen, sondern musste für meinen Mist jetzt selber gerade stehen. Und das ... wollte ich irgendwie nicht. Ich war froh, dass die letzten Tage verhältnismäßig ruhig gewesen war, mein Handy laut Hunter kaum bis gar nicht geläutet hatte. Naiv wie ich war, verschwendete ich mit der Info natürlich keinen Gedanken daran, mir vielleicht mal so etwas wie einen Notfallplan zu überlegen. Gerade, weil es so ruhig war, hätte ich mit so etwas rechnen müssen. Eventuell hätte sich eine solche Situation wie diese dann vermeiden oder zumindest entschärfen lassen, aber gut. Da mussten wir jetzt wohl durch. Und ich musste zusehen, nicht so auszuschauen, als wäre gerade vor meinen Augen eine Leiche wieder zum Leben erwacht. Ich war ganz froh, dass der Italiener besser spät als nie endlich zu raffen schien, dass ich an der Haustür mehr oder weniger ein kleines Problem hatte. Seinen Bewegungen in meinem Augenwinkel nach zu urteilen, entfernte er sich, wie mein stummes Gebet an ihn es verlangt hatte, vom Laptop, klappte diesen unauffällig zu und schloss dann zu mir und meinem Kollegen auf. In der einen Hand hielt er seine Kaffeetasse, die andere reichte er Michael zur Begrüßung. Kurzzeitig stellte ich mir die Frage, wie er eigentlich so ruhig bleiben konnte, dann aber beantwortete ich mir die Frage ganz von selbst. Wenn ich mich nicht gerade verhielt wie ein aufgescheuchtes Huhn, gab es doch eigentlich gar keinen Anlass, nervös zu werden, oder? Nach dem Rechten zu sehen war ja nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Dass diese Phrase für mich automatisch bedeutete, unter Beobachtung zu stehen, sollte ich mir langsam mal ausreden. Einfach ruhig bleiben, freundlich lächeln und alles würde irgendwie gut werden. Nachdem sich die beiden Männer begrüßt hatten - Michael hatte das Angebot nach etwas zu Trinken abgelehnt -, bat ich meinen Kollegen in die Wohnung, wo ich ihn direkt ins Wohnzimmer an unseren Esstisch führte. Wir alle fanden unseren Platz auf einen der freien Stühle, wo ich mich schließlich bemüht sorglos nach vorne lehnte. Den Kopf auf einem Arm abstützte und zum Reden ansetzte. "Wie läuft es so in den Staaten?", fragte ich erst einmal beiläufig, weil das wie eine gewohnte Floskel zwischen uns war. Wenn wir uns lange nicht gesehen hatten, brachten wir uns mit ein paar knappen, für Außenstehende vollkommen wirr klingenden Worten auf den neuesten Stand, bevor wir uns wieder unseren eigentlichen Aufträgen widmeten. So war das und würde es wohl immer bleiben. Zumindest solange Michael noch immer davon ausging, dass ich in seinem Team spielte. Auf jeden Fall schien in Amerika so weit alles gut zu laufen. Er nannte im Beisein von Sabin natürlich keine genaueren Details, aber das war auch nicht nötig, weil es mich im Prinzip nicht einmal interessierte. Dennoch schenkte ich ihm zumindest die Hälfte meiner Aufmerksamkeit, tat so, als würde mich sein Umzug vom einen in das andere Büro interessieren, während ich mit der anderen Hälfte darüber nachdachte, ob irgendwas im Wohnzimmer darauf schließen lassen konnte, dass etwas ... anders war. Ich konnte aber beruhigt feststellen, dass zumindest alles, was in meinem Sichtbereich lag, frei von irgendwelchen auffälligen Verpackungen, Waffen oder Akten war, die wir uns in der letzten ausgedruckt hatten. Da ich allerdings diejenige war, die mit dem Rücken zur Küche saß, fiel mir leider nicht auf, dass Sabins Waffe, die er daheim logischerweise nicht immer mit sich herum trug, nur unweit von uns entfernt auf der Küchentheke lag. Lediglich verdeckt durch die Werbung, welche ich heute früh aus dem Briefkasten gezerrt hatte. Eigentlich wollte ich gerade zu ein paar erklärenden Worten ansetzen, wie zum Beispiel, dass es Sabin und mir hier gut ging, der Sprachkurs lief und auch die Integration auf dem Arbeitsmarkt ganz gut voran schritt, als ich merkte, wie Michael etwas unruhig zu werden schien.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Theoretisch hätte das Alles hier einfach reibungslos weiterlaufen können. Hier und da ein klein wenig Smalltalk, ein klärendes Gespräch darüber, wie ich mich nun mal gerade so entwickelte - ein frei erfundenes wohlgemerkt, aber das brauchte ich kaum zu erwähnen - und die Sache könnte schon wieder erledigt sein, wenn wir uns nicht dumm anstellten. Dass ich meine Pistole offenbar gestern in der Küche hatte liegen lassen als ich nach Hause gekommen war, daran hatte ich ganz einfach nicht gedacht. Immerhin störte sie da weder Sydney, noch meine Wenigkeit und war beim Verlassen des Hauses schnell griffbereit. Wäre da also nicht dieses winzige, unschöne Detail, dass wir hier einen unkriminellen FBI Agenten sitzen hatten, wäre das bestimmt ein guter Tag geworden. Als die ersten Wortwechsel, denen ich mich mit dem Kaffee in der Hand gekonnt enthielt, vorbei waren und der Kerl sich aber ein wenig umsah, schien dem Frieden für heute erst einmal ein Ende gesetzt zu sein. Ich wusste nicht, ob er auf diese Distanz und mit den Prospekten so halb im Weg sehen konnte, was es genau für eine Waffe war. Ob es nicht theoretisch einfach nur Sydneys Dienstwaffe war, die da lag. Das wäre zwar auch nicht gut, weil sie das so nicht dürfte, aber für meine Wenigkeit immernoch besser, als wenn da eben meine Version einer Pistole lag. Es kam zunehmend mehr Leben in den jungen Mann, der sich aus seiner vorher sehr entspannten Position immer mehr aufrichtete und einen skeptischen Gesichtsausdruck auflegte. Die Augen ein wenig zukniff in der Annahme, das Objekt der Begierde dann besser sehen zu können. "Was zum...", setzte er zum Reden an und machte Anstalten sich mit den Armen auf dem Tisch abzustützen, um aufzustehen. Was dann im Folgenden passierte war vermutlich eine reine Kurzschlussreaktion angesichts meiner langjährigen Erfahrung. Spätestens jetzt, wo Michael auf ausgestreckten Beinen stand, würde er nämlich eindeutig sehen können, dass das nicht die 0815-Polizeipistole war, die auch er mit sich herum schleppte. Dass es nicht sein konnte, dass Sydney einfach nur unachtsam war, sondern dass hier etwas absolut nicht mit rechten Dingen zuging. Also stand ich im Gegensatz zu ihm deutlich schneller auf und ehe ich mich versah hatte ich dem Typen mit viel Schwung die halbvolle Kaffeetasse über den Kopf gezogen. Entsprechend benebelt und mit ein paar Schnittwunden der Scherben am Hinterkopf fiel er halb über den Tischrand weggleitend auf den harten, gefliesten Küchenboden. Mein eigener Gesichtsausdruck hatte sich inzwischen zum kompletten Gegenteil entwickelt. War finster, sichtlich unzufrieden und weit entfernt von freundlich. Bevor der Bulle hätte auf dumme Ideen kommen können verpasste ich ihm noch einen Tritt gegen den Kopf, der ihn zumindest für eine gewisse Zeit bewusstlos werden ließ. Das war wegen meines nur mit Socken bedeckten Fußes für mich selbst angesichts des harten Schädels unangenehm, leicht schmerzhaft, aber es verschaffte mir ein klein wenig Zeit zum Nachdenken und in Ruhe handeln. Fürs erste wurde der Agent seine Waffe vom Hosenbund los, die ich daraufhin auf dem Küchentisch ablegte... sie viel mehr allerdings ziemlich unsanft auf das harte Holz knallte. "Verdammte Scheiße.", knurrte ich dabei vor mich hin und raufte mir dann auf den weggetretenen Körper am Boden sehend die dunkelbraunen Haare.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Vermutlich lag es an der langen Zeit, die Michael und ich uns jetzt kannten, dass ich schon bei seinem unruhigen auf dem Stuhl hin- und her rutschen wusste, dass er etwas gesehen hatte, was womöglich nicht für seine Augen bestimmt war. Nicht zuletzt das gemeinsame Büro, wie auch die langen Nächte, die wir viel zu oft gemeinsam durchgestanden hatten, ließen einander irgendwie... näher kommen. Nicht im intimen Sinne natürlich, viel eher kannte man seinen Partner nach einer Weile wie seinen besten Freund, weshalb die Worte, die er während dem Aufstehen vor sich hin murmelte, eigentlich gar nicht mehr nötig gewesen waren, um mich erkennen zu lassen, dass hier gleich etwas Schlimmes passieren würde. Weil ich für meinen Teil noch eine Weile brauchte, bis ich die Situation vollkommen analysiert hatte, war im Anschluss gar keine Zeit mehr dazu gewesen, Sabin davon abzuhalten, meinen Kollegen körperlich anzugehen. Gerade, als ich mich von der Waffe, dessen Antlitz unter den Prospekten nur unwesentlich aufblitzte, abgewandt hatte, hörte ich vor mir einen dumpfen Schlag, dann ein schmerzverzerrtes Stöhnen und ein abschließendes Rumsen. Als hätte ich es geahnt, folgte ich mit geschlossenen Augen der Akustik im Hintergrund. Im Geiste schickte ich eine Entschuldigung gen Himmel, dass ich in mein verpatztes Leben jetzt auch noch unschuldige, ehemals befreundete Bekannte mit herein zog und bat um einen Rat, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Erst der Schlag mit der Waffe auf den Tisch zwang mich dazu, die Augen wieder zu öffnen und mir das Elend anzusehen. Die ganze Zeit über hatte ich ruhig auf meinem Stuhl sitzend verbracht, stand erst jetzt, wo das ganze Schauspiel vorbei war, auf, um zumindest nach Michaels Puls zu tasten. "Ja, schöne Scheiße...", pflichtete ich dem Italiener leise seufzend bei, als ich mich gerade aus der Hocke wieder aufrichtete. Mit einer Hand fuhr ich mir müde durch das zerzauste Haar. Vorwürfe waren hier gerade sicherlich unangebracht, dennoch verspürte ich das dringende Bedürfnis, loszuwerden, wie bescheuert es war, seine Knarre mitten in der Küche abzulegen. Ganz offensichtlich und für jeden Arsch sichtbar. Mochte in einem Haushalt, wo zu mehreren tausend Prozent niemand rein spazierte, der etwas mit der Justiz zutun hatte, vielleicht ohne weiteres Durchgehen. Aber selbst wenn ich jetzt die Seiten gewechselt hatte, musste dem jungen Mann doch klar sein, dass eine solche Situation durchaus zu erwarten gewesen war. Aber gut, wie auch immer. War jetzt halt passiert, Zeitreisen war leider noch nicht möglich, weshalb ich mir auch gar nicht lange Zeit damit ließ, darüber nachzudenken, wie wir jetzt am besten vorgingen. Erneut hob ich die rechte Hand, wischte mir dieses Mal allerdings etwas angestrengt über das Gesicht, dann legte sich ein mitleidiger Blick auf den bewusstlosen Körper zu meinen Füßen. "Ich denke, dass ich dir nicht erläutern muss, wie groß das Problem ist und was das für uns bedeutet.", fing ich zu reden an. Dabei setzte ich mich langsam in Bewegung und tigerte wie so oft im Wohnzimmer auf und ab, brauchte das zum Nachdenken einfach. Faktisch steckten wir gerade bis zum Hals in der Scheiße - dieser Ausrutscher hätte nicht passieren dürfen. Egal, wie man diese Sache jetzt zu drehen versuchte. Absolut jede Option, die mir innerhalb der kurzen Zeit durch den Kopf schoss, hatte zur Folge, dass das FBI Nachforschungen anstellen würde. Ließen wir ihn leben, würde er mit den Informationen zurück reisen und uns nur wenig später Hops nehmen. Brachten wir ihn jetzt allerdings um oder ließen ihn zumindest für einige Zeit verschwinden, würde man nach ihm suchen und ich wäre dabei sicher die erste Anlaufstelle. Die Hauptverdächtige sozusagen, weil er bei unserem Boss natürlich hatte angeben müssen, wen er bei seiner Geschäftsreise aufsuchen wollte. Wieso hätte auch einmal etwas klappen sollen, wo doch schon der letzte Rest meines erbärmlichen Lebens vor die Hunde gegangen war.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Einen kurzen Moment lang fragte ich mich, warum Sydney ernsthaft noch nach seinem Puls tastete. Es war egal, ob er noch lebte oder nicht, weil es schlicht keinen Unterschied machte. Zumindest nicht in der Situation, nur vielleicht bei der jungen Frau selbst. Ich wusste nicht in welchem Verhältnis sie jetzt genau zu dem Kerl stand, aber es interessierte mich auch nicht. Er war ein verdammtes Problem, das ich jetzt nicht brauchen konnte. So oder so musste es irgendwie weg, was sicher einfacher wäre, wenn er... naja, tot war. Ich sah keinen Grund darin ihn weiter atmen zu lassen. Ich brauchte nicht zwei Polizisten für irgendwelche Informationen, einer reichte dabei doch vollkommen. Zumal ich nicht einmal Sydney noch unbedingt brauchen würde. Zwar dauerte das durchforsten des Backups alleine eindeutig länger, wenn man nach etwas Bestimmtem suchte, aber es ging. Unbedingt notwendig war also auch die Brünette nicht mehr... aber sie machte keine Probleme und außerdem hatte ich ein wenig Mitleid mit ihr. Die Familie zu verlieren, ganz gleich unter welchen Umständen, war einfach hart. Tat weh wie nichts Anderes. Jede rein körperliche Wunde war dagegen nur ein winziger Pieks, nicht vergleichbar mit diesem psychischen Schmerz. Dahingehend hatte sie also einfach eine Art Schonfrist verdient.. vielleicht entwickelte sie sich ja doch noch zu etwas Nützlicherem, ich würde schon sehen was die Zukunft diesbezüglich noch bringen würde. "Ganz genau, musst du nicht.", erwiderte ich patzig und ziemlich trocken. Bestätigte sie damit in ihrer indirekten Halb-Frage, die genauso wie auch sonst fast immer mit diesem besserwisserischen Tonfall versehen war. Ein Tonfall, den ich ganz einfach nicht leiden konnte. Hatte ich noch nie, aber jetzt brauchte ich mich dahingehend eben auch nicht mehr zurück zu halten. Natürlich bekam Sydney hierbei jetzt nicht nur das ab, sondern den ganz allgemeinen Ärger über die Situation. "Schätze jetzt ist dann wohl der Zeitpunkt fürs endgültige Untertauchen gekommen.", stellte ich nach einem letzten Blick auf den außer Gefecht gesetzten Anhänger der amerikanischen Staatsgewalt genervt fest. "Ich sag besser Hunter Bescheid...", fügte ich grummelig gemurmelt noch ein paar leise Worte an, ehe ich mein Handy vom Tisch nahm, das vorhin noch neben der jetzt kaputten Kaffeetasse gelegen hatte. Erstens konnte ich Hunter bei der folgenden Entscheidung nicht einfach außen vor lassen und zweitens war ich mir fast sicher, dass wir auch mit dieser Scheiße hier seine Hilfe brauchen würde. Wohin sollten wir denn untertauchen? Ich kannte mich inzwischen zwar ein wenig in Oslo aus, aber es war nicht so als könnte ich mir mal eben eine Zweitwohnung oder dergleichen aus dem noch ziemlich leeren Ärmel schütteln. Als wüsste ich, wo wir hin konnten. Ich hatte außer dieser schäbigen Bude ja Nichts außer die Drogenküche und Hunters ungenutzten Stützpunkt zum Zwischenlagern. Beides war selbst für den niedrigsten Wohn-Standard denkbar ungünstig.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Sabins Tonfall gefiel mir gar nicht. Als wäre ich jetzt Schuld daran, dass die ganze Situation hier eskaliert war. Den Schuh, dass man mit einem etwaigen Besuch hätte rechnen müssen, zog ich mir sicher nicht alleine an. Er war wohl außerdem alt genug, dass ich ihm nicht noch mitteilen musste, seine Knarre bitte bei sich zu tragen oder sie zumindest nicht ganz so offensichtlich mitten im Wohnbereich liegen zu lassen. Dennoch war ich ihm nicht böse, reagierte auf seine patzige Antwort lediglich mit einem Schulterzucken. Immerhin konnte ich nachvollziehen, wie er sich fühlte, wir steckten nämlich beide zu gleichen Teilen in der Scheiße. Sollte rauskommen - und das würde es früher oder später - das Michael von seinem Einsatz nicht zurück gekehrt war und auch ich mich nicht weiter bei meinem Arbeitgeber meldete, würden eins und eins zusammen gezählt werden. Im besten Fall gingen sie davon aus, dass der Italiener gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen und uns beide abgemurkst hatte. Dann war zumindest mein Arsch fein raus und ich konnte tatsächlich versuchen, noch ein halbwegs legales Leben in Norwegen zu führen. So mit neuer Identität und dem ganzen Schnickschnack. Fraglich war nur, ob es jetzt überhaupt noch einen Weg zurück gab, denn so wie ich Hunters Worte in Erinnerung hatte, schien die Geschichte hier one way zu sein. Aber gut, das würde man sehen, wie sich das im Allgemeinen jetzt noch entwickeln würde. Eventuell fand ich ja früher oder später noch wirklich gefallen an diesem Lebensstil, aber momentan ... wollte ich mich einfach nur hinlegen, mir keine Gedanken machen müssen, was mit dem bewusstlosen Körper jetzt passieren würde. In meinen Augen gab es nämlich nur eine Möglichkeit, dass unsere Deckung - zumindest meine - weiterhin bestehen blieb. Sabin schien in dem Augenblick genau das Gleiche zu denken, machte nicht weniger genervt und patzig als seine vorherigen Worten seinem Ärger Luft. Wieder seufzte ich nur leise, nickte aber überzeugt, zustimmend. "Ja, wird wohl das Beste sein. Ich ...", nachdenklich wandte ich mich zum Gehen, zeigte in Richtung unserer Schlafzimmer. "Ich werde schon mal ein paar Klamotten packen." Denn hierbleiben war vollkommen ausgeschlossen. Und weil ich davon ausging, dass der junge Mann sich ebenfalls um diesen Umstand Gedanken machte, sollte er ruhig eine Unterkunft organisieren, während ich unsere Taschen mit dem Nötigsten packte. Viel Persönliches besaßen wir ja nicht, demnach würde es nicht lange dauern, bis wir aufbrechen konnten. Trotzdem ließ ich mir reichlich Zeit dabei, Hosen und T-Shirts in eine Sporttasche zu verstauen, schlicht weil ich es nicht eilig hatte, meinen langjährigen Kollegen sterben zu sehen. Verdient hatte er es keineswegs, aber es gab einfach keinen anderen Ausweg, als ihn verschwinden zu lassen. Das Risiko, dass er uns an das FBI verraten würde, war einfach viel zu groß. Das sah sogar ich ein. Trotzdem befand ich mich in einem inneren Konflikt. War mir sicher auch nicht zu verdenken, nachdem ich jahrelang für das Gute und den Frieden gekämpft hatte. Das legte man nicht einfach so ab, weil man aus der Laune heraus entschied, jetzt einfach alles hinzuwerfen. Es würde mich noch eine ganze Weile brauchen, bis ich genau so skrupellos agieren konnte, wie Hunter oder Sabin es taten. Bis dahin würde ich gedanklich noch immer nach möglichen Alternativen suchen, nur um am End resigniert feststellen zu müssen, dass die Auswahl an Möglichkeiten relativ eingeschränkt war. Es zogen etwa zwanzig Minuten ins Land, die ich in Gedanken versunken ein paar Anziehsachen aus den Schränken gekramt und achtlos in eine Tragetasche gestopft hatte. Als ich damit fertig war, schlurfte ich mit langsamen Schritten zurück ins Wohnzimmer, Michaels Körper lag noch immer an derselben Stelle, an der er zu Boden gegangen war, fing aber langsam an, sich wieder zu bewegen. Seine Hand zuckte und die Augenlider flackerten. "Gib' mir die Waffe.", bat ich Sabin tonlos und schmiss die vollgepackte Tasche auf einen der Stühle. Wenn er schon abdanken musste, sollte es wenigstens kurz und schmerzlos sein. Sich eine Kugel zu fangen, wenn man ohnehin noch halb im Delirium hing, war nicht ganz so schlimm, als wenn man bei vollem Bewusstsein war. Und weil er nur wegen meinen Fehlern hier zu meinen Füßen kauerte, war es nur richtig, dass auch ich für meine Fehler gerade stand.
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