Alles, was ich gerade wollte, war ganz einfach zu gehen. Diesen ganzen Mist hier unkommentiert stehen zu lassen, weil ich nach wie vor nicht daran glauben konnte irgendwie oder irgendwann mal mit Cosma auf einen grünen Zweig zu kommen. Sabin verdeutlichte uns hier doch selbst, dass wir uns augenscheinlich in einige Punkten viel zu ähnlich waren und es quasi vorprogrammiert war, dass wir beide auch zukünftig immer wieder aneinander rauschen würden. Es reichte doch offensichtlich oft schon ein einziges Wort, um uns aus der Haut fahren zu lassen. Also wozu der ganze Scheiß? Hätte der Italiener nicht nach wie vor meine Waffe in der Hand, hätte ich vermutlich auch einfach wieder das Weite gesucht. Sein Verhalten passte aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht ansatzweise in das Muster, das ich von ihm kannte. Bisher war er mir gegenüber immer ruhig gewesen, hatte nie Konfrontationen gesucht. Er mochte allgemein hier in der Stadt weniger zu sagen haben als ich, aber einen Ex-Mafioso mit Waffe in der Hand zu unterschätzen, war dann doch nicht in meinem Sinn. Ich hatte heute nicht schon mehrere Leute erschossen und abgestochen, um mich jetzt wegen der Therapiestunde hier abmurksen zu lassen. Also hatte ich eben doch langsam einlenkende Worte von mir gegeben. Sichtlich widerwillig, aber anders kam ich hier offenbar nicht wieder weg. Auch Cosma sollte zumindest ein paar nicht ansatzweise provokante, sondern einsichtige Worte auf Lager haben und preisgeben. Schien ihr allerdings auch nicht besser zu schmecken als mir selbst. Noch eine Sache, die wir gemeinsam zu haben schienen - Schwäche und Fehler zugeben war wohl nicht so unsere Stärke. Das bewies sie mir auch gleich wieder mit den Worten, die sie hinten dran hängte, mit denen sie zumindest indirekt wieder über mich herzog und mir die Schuld zuschob. Ich öffnete den Mund und wollte sofort etwas Bissiges erwidern, aber Sabin warf sich mit einem sehr eindringlichen Räuspern erneut ins Gespräch und ließ auch beiden Seiten noch einen mahnenden Blick zukommen. "Jemanden rein aus Spaß zu provozieren, macht es halt aber auch nicht leichter, wieder auf eine anständige Basis zu kommen. Hättest du dich nicht so verhalten, wärst du nie in den Keller gewandert, sondern hättest die liebe lange Nacht ganz entspannt auf dem Sofa sitzen, fernsehen und dein Koks ziehen können. Ich hab zu dem Zeitpunkt weder irgendwie aggressiv, noch provokant gesagt, dass du für ein paar Stunden dableiben musst, nur um sicher zu gehen. Du hast das ganz einfach nur komplett in den falschen Hals gekriegt, weil du mindestens genauso leicht reizbar bist wie ich, obwohl das zumindest in diesem Fall echt absolut nicht von mir beabsichtigt war. Du kannst auch ganz einfach nicht von mir erwarten, dass ich dich in lieblichem Ton frage, ob du bitte gerne hierbleiben möchtest, wenn ich gerade angeschossen wurde, mein Gott. Tut mir also herzlich leid, aber ich werde nicht wegen so einem Sensibelchen-Bullshit hinter Gitter wandern.", war Alles, was ich mit sehr trockenem Tonfall dazu zu sagen hatte, mich zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Es ging mir am Arsch vorbei, ob sie mich für den Ursprung hielt - an der Entwicklung des Ganzen war sie mindestens genauso stark beteiligt wie ich, also brauchte sie mir hier nicht auf diese Tour zu kommen. Sabin seufzte und rieb sich übers Gesicht.
Je weiter wir uns hier in dem Gespräch fortbewegten, desto sympathischer wurde mir die Idee mit den Zellen. Es wäre für mich selbst schlicht und ergreifend die am wenigsten qualvolle Lösung, weil sie ihren Mist dann alleine ausdiskutieren konnte und ich meine Ruhe hätte. Andererseits hielt ich es aber für furchtbar unwahrscheinlich, dass sie sich ohne Mithilfe überhaupt noch zu einigen schafften. Ich hätte nicht einmal sagen können, wer von beiden hier den größeren Dachschaden hatte. Hunter war zwar in Hinsicht auf das Nehmen anderer Menschenleben sicher meilenweit voraus, aber Cosma hatte auch ganz eindeutig mehre Sprünge in der Schüssel, wenn sie sich freiwillig mit einem Serienmörder anlegte. Es war mir wirklich ein Rätsel, weshalb sie überhaupt noch atmete und der reizbare Amerikaner die Reißleine nicht schon vor Wochen gezogen hatte. "Gut, Sache geklärt. Hunter hat scheinbar nicht gefragt sondern einfach klargestellt, Cosma hat komplett überreagiert und ihr habt euch beide damit gegenseitig mal wieder schön die ganze Nacht versaut. Gut gemacht, ihr könnt stolz auf euren blinden Egoismus sein.", verteilte ich wiederholt die Schuld gleichermaßen auf beiden Seiten, weil schlicht beide Recht hatten und betonte den letzten Satz entsprechend ironisch. Sie waren einfach eine sehr explosive Kombination und daran würde sich auch kaum zukünftig etwas ändern, sofern nicht Jemand zur Gesprächskontrolle daneben stand, so wie es jetzt der Fall war. Ich fühlte mich wirklich so, als hätte ich zwei neue Kinder adoptiert. Eins gestörter als das andere. "Mimimi, der hat aber zuerst angefangen, also schlag ich jetzt auch zurück. Bla, bla, bla.", versetzte ich mich übertrieben betont in die bei den beiden scheinbar dauerhaft geltende Kindergartenkind-Logik zurück. "Es macht echt keinen großen Unterschied, wer von euch beiden mit der Kacke angefangen hat, weil jeder von euch die Scheiße hätte beenden können bevor sie überhaupt erst so eskaliert wäre. Scheinbar besitzt aber keiner von euch beiden genug Größe, um den eigenen Arsch nicht immer an erste Stelle zu setzen. Entschuldigt euch gefälligst, alle beide. Ohne Ironie, ohne Sarkasmus, Rechtfertigungen oder indirekte Schuldzuweisung. Wort. Für. Wort.", forderte ich die beiden Idioten hier am Tisch dazu auf, nochmal in sich zu gehen und Revue passieren zu lassen, für was sie sich denn eigentlich Alles entschuldigen mussten. Was sie bis zu diesem Zeitpunkt schon Alles verbockt hatten, was besser zwischen ihnen hätte laufen können. Vorher ging keiner von beiden aus dieser Bar. Zumindest nicht auf freiem Fuß. Jemand steckte den Kopf durch die Eingangstür. Einer von Hunters Schlägern wollte wohl doch mal nach dem Rechten sehen und Desmond setzte sofort dazu an seine Waffe zu ziehen, weil er wohl meine in diesem Fall sehr herrische, dominante Aura zu deuten wusste. Jedoch hob sein Chef abwehrend die Hand und bedeutete ihm, wieder nach draußen zu gehen. Wider erwarten fasst jener sich dann auch noch ein Herz als der Security wieder raus war und fing mit der ersten Entschuldigung an. Sogar ausführlicher, als ich mir überhaupt zu träumen erhofft hatte. Wenn auch erst nach einem sehr tiefen, mürrischen Seufzen, das alles Andere als begeistert klang und einem genervten Augenrollen. "Na schön, meine Güte... es tut mir leid, dass ich mich so oft im Ton vergreife. Dass ich manche Dinge vielleicht einfach zu ernst nehme und die Provokation auch suche... und, dass ich dir weh getan habe.", redete Hunter vor sich her und tat mir sogar den Gefallen, Cosma dabei auch anzusehen. Seinen recht neutral wirkenden Gesichtsausdruck konnte ich jedoch weniger gut deuten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Also so langsam wurde mir das Ganze hier echt zu bunt. Ich stand wirklich kurz davor, wie eine Granate einfach in die Luft zu gehen, weil mir bei Hunters Antwort auf meine Aussage, auf die ich keine Resonanz hatte haben wollen, schon wieder fast der Kragen platzte. Er musste einfach immer das letzte Wort haben. Genau wie ich eben. Da mir aber aufgrund Sabins Einschreiten genau das genommen wurde, hielt ich aus Frust eine ziemlich lange Zeit die Luft an, was eine temporäre Sauerstoffarmut zur Folge hatte und mein Gesicht rot, fast ein wenig bläulich anlaufen ließ. Erst als mein natürlicher Überlebensinstinkt einsetzte, atmete ich zwangsläufig wieder aus. Ich brauchte dann noch einen Augenblick, bis ich alles, was danach gesprochen wurde, so weit sortiert hatte, als das auch ich mich wieder mit qualitativen Aussagen am Gespräch beteiligen konnte. Für's Erste musste ich nämlich meinen Puls etwas beruhigen, nachdem ich hörte, zu was Sabin uns wenig später auforderte. Das konnte er nicht wirklich ernst meinen, oder doch? Ich wollte meine Aussage von gerade revidieren. Fehler eingestehen und um Verzeihung bitten war die absolute Endstufe vom Foltern gewesen und entsprechend verdutzt musste ich den Italiener angestarrt haben, als ich die Worte final verarbeitet hatte. Es kam mir ganz gelegen, dass wir kurzzeitig von Hunters Handlanger unterbrochen worden waren. Ich identifizierte den jungen Mann als den Fahrer, der uns in der letzten Woche zwischen den engen Gassen Oslos aufgelesen und uns in dieses blöde Haus bugsiert hatte, wo ich mein Dasein im Keller hatte fristen müssen. Es dauerte nicht lange, bis sich dieses kleine Missverständnis zwischen den drei Männern aufgeklärt hatte und wir wieder unter uns waren. War zwar nicht unbedingt ausreichend Zeit vergangen, dass ich mich mit der Tatsache anfreunden konnte, meinem Gegenüber gleich so etwas wie eine Entschuldigung zukommen lassen zu müssen, aber ich hatte immerhin schon einmal etwas tiefer durchatmen können, war damit nicht mehr ganz so gereizt. Zu meiner Überraschung setzte Hunter zum zweiten Mal an diesem heutigen Abend als Erster dazu an, seinen Senf dazuzugeben. Mit einem relativ neutralen Gesichtsausdruck und einem leichten Nicken nahm ich seine Worte zur Kenntnis, bevor ich meine Arme vor der Brust verschränkte und überlegte, wie ich das jetzt am besten anging. Ich brauchte für meinen Teil noch ein, zwei Minuten der Stille, bis ich schließlich ein Ergebnis präsentieren konnte. Eigentlich wusste ich schon, was ich sagen wollte, aber ich wägte in dem Moment noch einmal alle Alternativen ab, um vielleicht ohne so einen Quatsch hier wieder aus der Nummer heraus zu kommen. Leider waren die Aussichten ziemlich schlecht, was der Amerikaner wohl schon früher realisiert hatte und deswegen recht schnell gewesen war, das loszuwerden, was er eben los geworden war. Ich atmete noch einmal tief ein, raufte mir die Haare und platzierte dann meine Arme wieder auf dem Tisch. Die Hände ineinander verschränkt, wechselte mein Blick für ein, zwei Male zwischen Sabin und Hunter, bis er bei Letzterem schließlich hängen blieb. "Okay... mir tut es auch Leid. Sowohl das ich mich auch des Öfteren im Ton vergriffen habe und das ich dir gegenüber so respektlos war. Außerdem entschuldige ich mich dafür, dass ich dich so oft sinnlos provoziert und dir und deinen Unterstellten Ärger eingehandelt habe.", trug ich zähneknirschend meinen Teil zu der ganzen Sache bei, musste mich wirklich beherrschen, jetzt nicht einzuknicken. Ich wusste nämlich gerade ehrlich nicht, auf wen mein Hass größer war. Auf der anderen Seite sah ich diese Therapiesitzung hier eigentlich gar nicht so negativ, wie ich es mir vielleicht einzureden versuchte. Eigentlich konnte das Verhältnis zwischen mir und dem anderen Sturkopf doch nur besser werden. Um sicherzugehen, wollte ich dies aber auch verbal noch mal geäußert haben. "Ich würde mir wünschen - und versprechen, auch meinen Teil dazu beizutragen -, dass du mich künftig einfach ein wenig respektvoller behandelst und mir nicht mein Geschäft versaust, indem du mir meine Kunden aus der Bar ekelst.", setzte ich ruhig, vollkommen ohne irgendeine direkte Anschuldigung an. Dennoch hob ich beschwichtigend die Hände, als ich Sabins scharfen Blick in meiner Seite spürte. "Wenn du mit mir reden willst, können wir das gerne in den hinteren Räumlichkeiten machen, das ist kein Problem.", fügte ich also schnell hinzu, um klar zustellen, dass es mir hier rein um den Ruf meiner Kneipe ging. Und auch wenn es nicht den Anschein machte, aber man konnte mir mir reden. Solange es eben vernünftig und sachlich blieb.
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Ich glaubte nicht, dass ich für Irgendjemanden in diesem Raum in Worte hätte fassen müssen, wie unfassbar bitter es schmeckte meinen eignen, vermutlich viel zu großen Stolz runter zu schlucken. Mein Ego fühlte sich extrem belästigt von Sabin und seinem ganzen rechthaberischen Gerede, mit dem er leider Gottes aber Recht hatte. Ich war hochgradig egoistisch und selbstverliebt, ja, aber dumm war ich deswegen trotzdem nicht. Wenn man mal für nur eine Minute rein objektiv auf die ganze Sache herabschaute, dann machten Cosma und ich uns das Leben komplett unnötig zur Hölle. Wir hätten beide gänzlich auf die Auseinandersetzungen verzichten können, wenn wir nur einen Hauch weniger an uns selbst gedacht hätten und langsam wurde es doch fast ein wenig gruselig in meinen Augen, wie sehr mir die junge Frau bei einer kurzen Reflektion charakterlich ähnelte. Allerdings erklärte das an sich auch schon sehr gut, warum wir beide nicht miteinander funktionierten - Ich x2 war einfach einmal zu viel, selbst für mich. Die Rothaarige brauchte ein wenig länger als ich, bis sie sich dazu überwinden konnte den einzig möglichen Ausweg aus diesem unangenehmen Gespräch zu wählen. Ich hatte nach meiner unfreiwilligen Entschuldigung die Arme wieder sinken lassen, vielleicht um einfach nicht ganz so abweisend auszusehen. Brachte mich hier schließlich nicht weg, wenn ich weiter das bockige Kind mimte, das nicht hören wollte. Auch meinen Gesichtsausdruck versuchte ich weiterhin ruhig zu halten, als Cosma dann schließlich auch ihren Teil zur Entschuldigung beitrug. Schon währenddessen folgte ein kaum sichtbares Nicken meinerseits, ehe ich kurz darauf zwangsweise ihrem Wunsch Gehör schenkte. Ich rieb mir kurz übers Gesicht und raufte mir gleich im Anschluss die fast nicht vorhandenen Haare. Hatte sie mir vorgestern wieder fast auf Null geschoren, weil sie mich genervt hatten. Ja, war vermutlich nicht gut für ihr Geschäft gewesen, dass ich hier einen Amoklauf angedroht hatte, aber die Kopfgeldjäger waren es für meines eben auch nicht. "Sofern das auf Gegenseitigkeit beruht... krieg ich das sicher... irgendwie hin.", redete ich doch leicht stockend vor mich hin. Nicht weil ich unsicher war, sondern weil ich ganz einfach wusste wie sehr ich mich in vielen Situationen nicht unter Kontrolle hatte. Aber ich würde es wohl versuchen müssen.
Na also, es ging doch. Warum konnten die beiden sich nicht einfach immer wie zwei normale, klar denkende, erwachsene Menschen benehmen? Sie würden sich selbst und auch mir damit sehr viel Stress ersparen. Ich war nicht wesentlich älter als Hunter und doch hatte ich bei ihm so oft das Gefühl, eher mit einem hitzköpfigen Zwölfjährigen zu reden, wenn er nicht auf Anhieb zufriedenstellende Worte zu hören bekam. Cosma war da nicht wesentlich besser. Dass sie ihrer Entschuldigung gleich wieder eine Forderung anhängen musste, fand ich nicht unbedingt gut. Die junge Frau sollte lieber froh darüber sein, atmend aus der Geschichte hier raus gekommen zu sein und sowas erst tun, wenn sie sich das nächste Mal über den Weg liefen und die Sache schon etwas gesackt war. Aber gut, war jetzt schon raus und im Grunde war es ja auch für ihre Verhältnisse nett formuliert. Da war zwar noch deutlich Luft nach oben, aber immerhin besser als sonst. "Und, war das jetzt so schwer?", stellte ich den beiden eine rein rhetorische Frage, auf die ich gar keine Antwort wollte. Denn ich konnte jedem Einzelnen von ihnen ansehen, dass sie sich so fühlten als hätten sie gerade ihre eigene Kotze schlucken müssen. Hatten sie im übertragenen Sinne auch. "Kann ich dann jetzt meine Waffe wieder haben und gehen, Meister Sabin? Ich kann schon riechen, wie sie hier die Fenster einschlagen und Alles zerschießen, was nicht niet- und nagelfest ist.", fragte Hunter hochgradig ironisch und stand dabei langsam auf, während ich anfing einen Moment lang nachzudenken. Eigentlich wollte ich nicht involviert werden, wenn hier irgendwelche Arschlöcher auftauchten, die ihn tot sehen wollten. Aber ganz fertig war ich mit den Kleinkindern hier doch noch nicht. Eine Sache gab es noch zu erledigen. "Sicher... nachdem ihr euch umarmt hat.", sagte ich also mit einem Schulterzucken, ging dabei zwei oder drei Schritte zurück um ihnen Platz zu geben und fing an zu grinsen. Es gefiel mir ein kleines bisschen die beiden damit zu foltern, wenn ich ehrlich war. Aber je unangenehmer das hier für beide wurde, desto ernster nahmen sie die Geschichte auch. Der chronisch grummelige Amerikaner sah mich allerdings wenig begeistert mit dem Ist das dein Ernst?-Blick an.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, dann war die Sache ja auch geklärt. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass er das einfach so abnicken würde, aber gut, es sollte ja noch Wunder geben. Zwar konnte man erst im Ernstfall sehen, ob er beziehungsweise ob wir uns an das hielten, was wir hier brav vor Papa Sabin versprochen hatten, aber für mich war es damit erst mal okay. Reichte dann hoffentlich auch unserem Hobbypsychologen, um uns möglichst bald aus diesem unangenehmen Gespräch zu entlassen. Ich war schon drauf und dran, vom Tisch aufzustehen, als Hunter noch einmal das Wort ergriff und ich aus reiner Höflichkeit deswegen einfach noch mal sitzen blieb. Sollte bei der Konversation auch die beste Entscheidung gewesen sein, denn womöglich wäre ich bei den darauffolgenden Worten vor Schreck umgefallen oder so. Zum Einen weil ich es super unpassend fand, dass Hunter den Italiener mit einer derart unnötigen Floskel darum bat, ihm seine Waffe wieder zu geben, aber noch eher, weil die die Bedingung, unter der das geschehen sollte, dem ganzen heutigen Abend noch mal so richtig die Krone aufsetzte. Ich hatte jetzt nicht gesehen, wie Hunter den jungen Mann zu unserer beider Mitte ansah, aber ich würde schätzen, dass er mindestens genau so verwirrt, perplex und verständnislos drein blickte, wie ich es selbst tat, als uns verklickert worden war, dass wir erst final abstampfen durften, wenn wir uns... umarmt hatten. Waren wir hier im Kindergarten, oder was? War natürlich eine rein rhetorische Frage, die Antwort hatte ja das Gespräch bereits aufgezeigt, aber trotzdem... Ich meine, ich war ohnehin kein großer Freund von Nähe, aber dann auch noch jemanden so nah an mich heran zu lassen, der vor wenigen Minuten noch versucht hatte, mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Na ja, man konnte sicher verstehen, dass ich dahingehend eher ein wenig misstrauisch und baff war. Für einen Moment hoffte ich wirklich, dass Sabin sich damit nur noch einen letzten blöden Scherz erlauben wollte, aber als er sich ein Stück weit - mit der Waffe - vom Tisch entfernte, um uns Platz zu machen, wurde mir klar, dass er das vollkommen ernst meinte. Wieder brauchte es ein, zwei kurze Moment, bis genervt seufzte und aufstand, um nun auch mal den ersten Schritt zu machen. Hoffentlich ließ er uns danach mit diesem Thema ein für alle mal in Ruhe. Genau aus diesem Grund wollte ich mich im Übrigen nicht noch einmal in eine Therapie begeben. Sowas von unsinniges Gerede und zu was man da aufgefordert wurde... unfassbar, brauchte einfach kein Mensch sowas. Jedenfalls schloss ich mit einem kurzen Schritt zu Hunter auf, der sich ebenfalls widerwillig vom Stuhl gelöst hatte und mich somit wieder um knapp einen bis anderthalb Köpfe überragte. Widerwillig schob ich meine Arme um seine Taille, weil mir die Arme um den Hals ein Stück... zu weit ging eben. Reichte schon, das ich meinen Kopf auf Höhe seiner Schulter halten musste und wir uns somit wieder genau so nahe waren, wie an dem Abend, als wir mein Gras geteilt hatten. "Wenn ich ihn umbringe, schaffst du seine Leiche weg?", grummelte ich leise, kaum hörbar an sein Ohr, bedacht darauf, dass Sabin es nicht hörte. Logischerweise war das auch nicht ernst gemeint, aber es kam einfach, wie es kommen musste, wenn ich versuchte, mich von so einer absurden Geschichte wie dieser hier abzulenken. Außerdem war ich mir sicher, dass Hunter meine Einstellung Sabin gegenüber für den Moment teilen würde.
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Eigentlich mochte ich Sabin wirklich. Ich kannte ihn vom Menschlichen her vielleicht nicht allzu gut, aber auf geschäftlicher Basis hatte er sich bis jetzt ausnahmslos immer als weiser Geschäftspartner herausgestellt, der wusste was er tat und nie unüberlegt handelte. Leider wurde mir letzteres wohl auch jetzt zum Verhängnis, weil er das auf rein zwischenmenschlicher Basis auch so machte. Der Italiener dachte mir gerade viel zu aufwendig und detailliert. Er konnte das mit der Umarmung hier nicht ernst meinen, oder? Sein Blick und auch seine Schritte verrieten mir leider ganz Anderes. Umarmungen waren, gelinde gesagt, nicht mein Ding. Nicht einmal die wenigen Freunde, die ich hatte, bekamen sowas. Da reichte ein Handschlag oder auch nur schlichte Worte zur Begrüßung, Niemand brauchte so eine Scheiße. Körperkontakt war was für unsichere Leute, die Bekräftigung in welcher Hinsicht auch immer brauchten und davon war ich so unendlich viele Meilen entfernt, dass ich es gar nicht in Worte hätte fassen können. Cosma sollte dieses Mal diejenige sein, die schneller einknickte und ein paar Schritte auf mich zumachte, um ihre Arme schließlich um mich zu legen. Ich seufzte leise, schmeckte mir die ganze Sache hier gerade doch immernoch so gar nicht. Dennoch hob ich zwei, drei Sekunden später meinen rechten Arm, um ihn ebenfalls um meine Kuschelpartnerin zu legen. Ein Arm musste aber auch reichen, der andere blieb reglos hängen. Das war die Grenze, bis hier hin und keinen Millimeter weiter. Tatsächlich sollten Cosmas leise Worte mir aber doch noch ein leichtes Grinsen auf die Lippen zaubern. Ihre Gedankengänge konnten scheinbar auch in eine positivere Richtung gehen und sie traf meinen rauen Humor damit absolut. "Nichts leichter als das.", gab ich ebenfalls recht leise meine Meinung darüber zum Besten, kurz bevor ich mich von ihr zu lösen begann. Reichte dann jetzt auch wieder. Für weitere 26 Jahre. Oder einfach den Rest meines Lebens. Dann streckte ich meine Hand nach der Waffe aus, die auch postwendend wieder in meinen Besitz überging und in meinem Hosenbund verstaut wurde. Noch schoss mich hier drin ja keiner über den Haufen.
Es dauerte noch einmal eine halbe Ewigkeit, in der mich die beiden gerne mit ihren Blicken erwürgt hätten, bis sie sich dann endlich zu meiner letzten Bitte - Forderung - hinreißen ließen. Cosma tat sich in diesem Fall ein kleines bisschen weniger schwer und lieferte damit wohl den entscheidenden Schubs in die richtige Richtung. Ich verstand nicht, was die beiden sich da zuflüsterten, aber es ließ mich skeptisch die Augen zusammenkneifen, weil es Hunters miese Laune etwas zu lichten schien. Vermutlich wollte ich gar nicht wissen, was da tuschelten. Seine Waffe bekam er nach der erfolgreichen Therapiestunde dann auch ohne Murren meinerseits wieder. Hatte er sich ja verdient. Ganz allgemein war die Sache zum Ende hin doch zu meiner vollsten Zufriedenheit verlaufen und ich hatte erreicht, was ich hatte bezwecken wollen. "Gut, dann kann ich jetzt wohl gleich Feierabend machen. Thank god.", gab ich ein paar wenige abschließende Worte von mir, bevor ich mich von meinen Sorgenkindern abwendete und noch einmal in Richtung Bar ging, um dort auszuräumen und Alles so herzurichten, dass es dann für morgen eben wieder so aussah wie immer. Dass sich heute noch Leute hier rein verirren würden, war wohl extrem unwahrscheinlich und ich war ein Stück weit dankbar dafür. Energiereserven waren einfach keine mehr vorhanden und ein paar wenige Stunden Schlaf mehr als sonst waren so eine Sache, nach der ich mich unheimlich sehnte. Zeigte mir mal wieder, dass ich schlicht und ergreifend gefühlt schon Fünfzig war und nicht Ende Zwanzig, aber was solls. Musst ich mich langsam aber sicher mit abfinden, man wurde halt nicht jünger.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hunters Antwort ließ mich ein kleines bisschen grinsen, als ich mich schließlich wieder von ihm löste und unsere beiden Blicke Sabin galten. Dieser schien nach einer Ewigkeit dann auch endlich zufrieden mit unserer Entwicklung und der des Gesprächs zu sein und drückte Hunter kurz darauf seine Waffe wieder in die Hand, was unmissverständlich signalisieren sollte, dass wir aus der Therapiestunde entlassen waren. Unser kleine Hobbypsychologe mit Ausbildung zum Kindergärtner wandte sich dann auch relativ bald von uns ab, um noch ein wenig die Bar frisch zu machen. Nachdem heute ohnehin kaum jemand mehr einen Fuß hier rein setzen würde, sei ihm ein frühzeitiger Feierabend ausnahmsweise mal gegönnt. Ich konnte mir vorstellen, dass dieses Gespräch auch an seinen Kräften gezerrt hatte, waren Hunter und ich nicht gerade ein leichtes Kaliber, wenn es darum ging, Leuten effektiv auf den Sack zu gehen. Hatte man ja gesehen, wir hatten es wirklich gut drauf, uns auch gegenseitig die Nächte zu versauen. Oder eben die Geschäfte. Mit Letzterem spielte ich zumindest für meinen Teil auf die Clan Geschichte an, wegen der er überhaupt erst mit hochrotem Kopf hier in die Bar gestürmt kam. Da ich jetzt ein wenig ruhiger und deutlich klarer im Kopf war, wollte ich das, was ich aus dem Gespräch mitgenommen hatte, auch gleich anzuwenden versuchen. Ich seufzte also leise, drehte mich, nachdem Sabin hinter dem Tresen verschwunden war in Richtung meines zweiten Ichs. "Hmm, die Sache mit dem Clan... ich weiß nicht. Ich würde mir mal Gedanken machen, was wir da vielleicht unternehmen können, für's Erste... keine Ahnung.", druckste ich, weil es mir immer noch schwer fiel, einen Schritt auf ihn zuzumachen. Nur, weil wir uns ausgesprochen hatten, hieß das nicht, dass ich mein Verhalten ihm gegenüber von jetzt auf gleich ändern konnte. Das würde sicher noch eine Zeit brauchen, aber bis dahin musste ich dann eben die, von Sabin angesprochene, Größe besitzen, über meinen Schatten zu springen und einsehen, dass auch ich meinen Teil zu der Scheiße beigetragen hatte. Und damit war ich dazu verpflichtet, aktiv nach einer Lösung zu schauen. Ich konnte mir nämlich gut vorstellen, dass nicht nur Hunter derjenige war, den sie tot sehen wollten. Wenn der Idiot alle wichtigen Informationen weiter getragen hatte, würden auch nach mir einige Leute suchen. Also ja, wir hingen zu gleichen Teilen im Schlamassel. "Also ich... du... kommst du überhaupt nach Hause? Wenn du magst, kannst du, ehm.. erst mal hierbleiben, bis wir eine Lösung gefunden haben.", schlug ich also ernst gemeint, wenn auch ziemlich leise vor. Wenn er mochte, konnte er entweder hier unten in der Bar mit seinen Handlangern gammeln, oder aber ich würde mal wieder die Couch ausziehen. Sollte mir beides Recht sein, obwohl es mir das auf der anderen Seite doch wieder nicht war. Denn nur weil wir ein paar versöhnende Worte gesprochen hatten, musste man ja nicht unbedingt eine Koexistenz erzwingen. Reichte eigentlich, wenn wir uns nur so oft wie nötig trafen, aber na ja. Jetzt war es gesagt und ich stellte mal wieder fest, dass ich künftig wirklich erst nachdenken und dann reden sollte. Nachdenklich stützte ich die Hände in die Hüften, sah ihn fragend an. Es lag natürlich auch noch an ihm, ob er das Angebot annehmen würde, oder nicht. Vielleicht hatte er ja schon einen Alternativplan, zumindest was seine Übernachtungsmöglichkeit anging...
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Eigentlich dachte ich, dass ich jetzt gehen konnte. Wohin wusste ich zwar nicht, weil ich meine neuen besten Freunde nur ungern zu einem meiner Verstecke führen wollte, aber Irgendwas hätte sich ganz bestimmt finden lassen. Ich musste mich ja Nirgends wie Zuhause fühlen, konnte prinzipiell auch auf betonhartem Boden einschlafen, wenn es nicht anders ging. Aber die Suche nach einem Schlafplatz für die Nacht sollte sich schon bald erledigt haben. Cosma richtete wider Erwarten nämlich noch einmal ihr Wort an mich, als ich mich eigentlich schon umgedreht hatte und gehen wollte. So hielt ich doch noch einmal inne, nur um wieder zu ihr umzudrehen. Ich mochte ja sonst wirklich keine Manieren haben, aber ich bevorzugte es doch wirklich Jemanden anzusehen, der mit mir redete. Immerhin erwartete ich Gleiches in der Regel auch von meinem Gegenüber. Allerdings schien sie mit ihren ersten ein, zwei Sätzen nicht wirklich auf den Punkt zu kommen. Deshalb erntete sie auch einen forschenden Blick von mir, bei dem ich die Augen ein klein wenig verengte. Mehr fragend als irgendwie genervt oder dergleichen. Gedanken machen musste sie sich zwangsweise sowieso, wenn mir selbst nicht von ganz allein plötzlich der perfekte Plan kam. Um eine in der Stadt eingefleischte Großfamilie zu überlisten brauchte es selbst dann, wenn es um meine Wenigkeit ging, sicher mehr als einen Kopf. Außerdem hatte ich keine Zeit und auch keine Ruhe nachzudenken, solange ich 24/7 immer wieder meinen Kopf aus der Schlinge ziehen musste. Schließlich redete die Rothaarige weiter und dann wurde mir auch klar, warum ihre vorherigen Worte so ziellos geklungen hatten. Weil ihr das Ziel, auf das sie hinarbeitete, nämlich ganz sicher nicht gefiel. Mir war auch wirklich danach das Angebot sofort abzulehnen, weil meine Dosis Cosma für heute echt schon überschritten war. Als ich den Mund schon zu einer negativen Antwort geöffnet hatte, hielt ich aber doch noch einmal kurz inne. Hier würden sie mich wohl kaum vermuten. Sie suchten zwar sicher auch nach dem kleinen Teufel hier, aber sie hatten keine Ahnung, wo sie damit eigentlich anfangen sollten, weil Cosma im Vergleich zu mir einfach ein Niemand in Oslos Untergrund war. Quasi perfekt, um den Kopf für ein paar Stunden unter der Decke zu verstecken. Oder für zwei, drei Tage, damit mein Körper sich ein wenig erholen konnte. Terminator hin oder her, ich war von der tagelangen Jagd ausgelaugt. Müde. "Das... ist eigentlich eine sehr gute Idee.", lenkte ich also doch leicht gemurmelt ein, wobei mein Blick langsam auf den Boden der Kneipe abrutschte, weil ich anfing nachzudenken. Meine beiden Wächter weiter fest vor der Tür zu parken wäre auffällig, waren ihre Gesichter jetzt auch nicht gänzlich unbekannt. Ich drehte mich erneut in Richtung Ausgang und steuerte diesen auch an, ließ Sabin beim Verlassen der Räumlichkeit noch ein knappes Nicken zukommen. Schmeckte mir noch immer nicht, was er abgezogen hatte, aber solange er so einen Bullshit zukünftig sein ließ, war es ausnahmsweise genehmigt. In der Kälte angekommen wechselte ich aber noch einige Worte mit Desmond und Ashton, bevor ich weiter zum Eingang zu Cosmas Wohnung gehen würde. Ich ordnete ihnen an nach dem Umparken des Wagens in dem alten Haus zu kampieren, das ich neulich schon benutzt hatte um die Straße im Blick zu halten, weil sie von da aus die Umgebung gut um Blick hatten und abwechselnd hin und wieder die Straßen abgehen sollten. Einer auch zwischendurch schlafen konnte, damit sie weiterhin fit und einsatzfähig blieben, weil ich mir alles Andere gerade nicht leisten konnte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Mhm. Entgegen meiner Erwartungen nahm Hunter das Angebot ohne große Diskussionen an und ich wusste damit nicht mehr so recht, ob mir jetzt lieber nach Lachen oder Weinen zumute war. Noch bevor ich mich damit tiefer gehend beschäftigen konnte, schüttelte ich den Gedanken einfach ab, weil ich weder die Kraft noch die Lust dazu hatte, jetzt noch alle Pro und Contras abzuwägen, die die Sache jetzt so mit sich brachte. Außerdem wurde ich langsam müde und war demnach auch irgendwo ein kleines bisschen glücklich darüber, dass es die Kundschaft heute schon weitaus früher nach Hause verschlagen hatte und ich die Schotten hier dicht machen konnte. Hunter war bereits vorgegangen, vermutlich um seinen Handlangern mitzuteilen, dass er die heutige Nacht hierbleiben würde. Ich sah ihm noch kurz nach, bis er aus der Tür verschwunden war, um mich danach ebenfalls noch ein wenig am Aufräumen zu beteiligen. Zu zweit dauerte es dann auch keine fünfzehn bis zwanzig Minuten, bis wir fertig waren und ich die Türen hinter uns schließen konnte. Ich hatte, wie immer eigentlich, nicht sonderlich viel an. Eine dünne Strickjacke war das höchste der Gefühle, während Sabin mit seiner dicken Winterjacke und einem Schal die Bar verließ. Für einen Moment lang, als wir draußen in der Kälte standen, hatte ich überlegt, noch einmal auf das Gespräch von gerade einzugehen, aber ich entschied mich nach kurzer Überlegung doch dagegen. Schlicht, weil es einfach nichts brachte, wenn ich jetzt erneut anfing, hier das Fass aufzumachen, was wir vorhin mit Müh und Not mit Brettern versiegelt hatte. Stattdessen seufzte ich also leise, sah ihn mit einem schiefen Lächeln im Gesicht an und zuckte mit den Schultern. "Na dann... wünsche ich dir einen schönen, verfrühten, aber verdienten Feierabend und bis morgen dann. Schlaf gut.", gab ich ihm noch mit auf dem Weg, bevor ich die zwei Schritte zu meiner Eingangstür überbrückte und Sabin ebenfalls den Heimweg antrat. Im Flur erwartete mich dann auch schon mein heutiger Übernachtungsbesuch, der logischerweise keinen Schlüssel für meine Wohnung besaß und deshalb lediglich im großen Treppenhaus auf mich gewartet hatte. Gemeinsam stiegen wir die Treppen nach oben, wo ich ohne mich noch einmal zu Hunter umzudrehen die Wohnungstür aufschloss und ihm Einlass gewährte. Nachdem wir beide im Wohnungsflur gestanden hatten, ließ ich die Tür wieder in den Rahmen fallen. "Ja.. ich denke, du weißt noch, wo alles steht? Also... grundsätzlich hab ich ja eh nicht viel im Haus. Ich werde gleich mal anfangen, nach einer Lösung zu suchen, solange mein Gehirn das noch mitmacht.", stellte ich nachdenklich fest, während ich mir wieder einmal etwas ratlos durch die Haare fuhr. Ich war ja wirklich gespannt, wie das so ablaufen würden. Seine Gesellschaft bereitete mir nach wie vor noch etwas Unbehagen, schlicht aus dem Grund, weil hier jetzt kein Streitschlichter mehr zwischen uns stand. Und wenn die Situation jetzt wieder eskalierte, würde ich mir wohl wirklich noch eine Kugel einfangen. Aber gut, ich war jetzt weniger in Stimmung zu Streiten. Eigentlich wollte ich gerade nur meine Ruhe haben und nachdenken, wie das Ganze jetzt weiter gehen sollte. Dazu hatte ich mich binnen weniger Minuten in die Küche zurück gezogen, wo ich mich auf einen der freien Stühle fallen ließ. Das wurde jetzt schon irgendwie knifflig. Alle Ideen, die mir spontan kamen, waren entweder unbrauchbar oder aber nur sehr schwer umzusetzen.
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Nach dem Gespräch mit meinen Handlangern, die mit der Wendung der Ereignisse doch auch relativ zufrieden waren, weil sie dann nicht weiter ungeschützt in der absoluten Kälte herumstehen mussten und auch die Augen mal zumachen konnten, hatten wir uns Alle noch eine Zigarette genehmigt. Danach verzog ich mich jedoch nur allzu gerne in den halbwegs warmen Hausflur, um dort auf Cosma zu warten. Außerdem spähte ich dabei noch mögliche Verstecke für ein, zwei kleine Notfallhilfsmittel aus, nur für den Fall einer unerwarteten Attacke. Ich war ein großer Freund davon, so weit wie nur möglich alle Eventualitäten abzudecken. Es dauerte auch gar nicht lange bis die Inhaberin der Wohnung mich zu jener geleitete, wobei ich wie immer ein wenig Abstand zu ihr hielt, was nach der überflüssigen Umarmung erst recht angebracht war. Ich wurde die Schuhe im Flur los, während ich ihren Worten lauschte. Ihre Wohnung war jetzt nicht riesig und auch, wenn ich mich in ihrem Schlafzimmer am besten auskannte - welch Ironie - würde ich mich wohl kaum verlaufen, weshalb ich nur nickte. Ein Seitenblick in den schmalen Spiegel über der Kommode im Flur verriet mir noch während ich meine neue Lederjacke auszog - ich trauerte der alten immernoch nach, um ehrlich zu sein -, dass mir eine Dusche ganz gut täte. Nicht nur, weil das allgemein in den letzten Tagen zu kurz gekommen war, sondern auch, weil ich nach wie vor die Blutflecken im Gesicht hatte. "Ich geh duschen.", merkte ich nur noch mit einem kurzen Blick in Cosmas Augen an, bevor ich mich von ihr abwendete und mich für die nächsten paar Minuten ins Badezimmer verzog, nachdem ich meine Waffe auf jener Kommode abgelegt hatte. War jetzt nicht davon auszugehen, dass sie mich erschoss, oder? Ich hielt die Wahrscheinlichkeit für gering genug, um das zu riskieren. Die dreckigen Klamotten wanderten einfach auf den gefliesten Boden im Bad und es war wirklich ärgerlich, dass ich sonst keine hier hatte, weil ich sie zwangsweise morgen wieder anziehen müssen würde. Aber gut, gab wiederum auch deutlich Schlimmeres, also genoss ich erst einmal das warme Wasser auf der Haut. Ich hätte schon fast beim Duschen einschlafen können, was bei mir nur selten vorkam und ein ziemlich eindeutiges Zeichen dafür war, dass mein Körper eine Pause brauchte. Einzig der Einschuss am Arm, der immer wieder vom Wasser gestreift wurde und deshalb leicht brannte, hinderte mich daran. Im Anschluss trocknete ich mich nur flüchtig mit dem erstbesten Handtuch ab, das ich zu fassen bekam und sah danach nochmal in den Spiegel über dem Waschbecken - kein Blut mehr, grünes Licht. Ich bevorzugte es aber nur die Boxershorts wieder anzuziehen. Mir war nach dem Duschen sowieso immer ziemlich warm, wenn es kein kaltes Wasser gewesen war und wenn Cosma das irgendwie belästigte, war das dann halt ihr Problem. Musste ja nicht hinschauen. Ich nahm also meinen restlichen Krempel vom Boden und im Flur die Waffe vom Schrank, bevor ich Alles auf dem Sofa im Wohnzimmer ablud. Erst dann ging ich zu dem rothaarigen kleinen Teufel in die Küche, öffnete den Kühlschrank. Immerhin Wasser war da, das reichte fürs Erste auch sicher. Scotch oder Whiskey wäre mir lieber gewesen, aber Ansprüche stellen sollte ich nach dem Gespräch in der Bar vermutlich nicht. Wollte ich trotzdem eigentlich. "Schon 'ne glorreiche Idee gekriegt?", fragte ich eher ein wenig trocken, weil ich nicht daran glaubte, dass sie so schnell eine Idee herbei zaubern konnte, aber dennoch ruhig dank dem niedrigen Akkustand meinerseits. Also nahm ich erst einmal zwei, drei Schlucke von der Flasche, ehe sie in den Kühlschrank zurück wanderte. Noch dabei murmelte ich die ironischen Worte "Ich müsste vermutlich bis nach Timbuktu verschwinden, damit die mich in Ruhe lassen...", vor mich hin, bevor sich die Tür des Kühlschranks wieder schloss. Dass ich mit dem Verschwinden an sich vielleicht gar nicht so verkehrt lag, daran dachte ich nicht. Abhauen war wie zu erwarten nämlich so gar nicht mein Ding.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte Hunter eher beiläufig mit einem Nicken signalisiert, dass ich seine Aussage bezüglich des Duschengehens zur Kenntnis genommen hatte. Als er im Bad verschwunden war und ich die Tür ins Schloss fallen hörte, fing ich tatsächlich an, mir etwas aktiver Gedanken um einen Plan zu machen, der Hunters und meinen Kopf aus der Schlinge des verfeindeten Clans ziehen sollte. Leider war alles, was mir auf die Schnelle dazu einfiel, wirklich unbrauchbar und kompletter Scheiß gewesen. Ich saß also eine ganze Weile wortlos in der Küche, hatte meinen leeren Blick auf den Küchentisch geheftet und war kurzzeitig in sinnlosen Gedankengängen verloren gegangen. Erst als der junge Mann nach der Dusche in Boxershorts zu mir in die Küche geschlurft kam, riss ich mich aus den Traumwelt ins Hier und Jetzt zurück. Mein Blick folgte ihm bis an den Kühlschrank, wo er seinen Durst stillte und dann zu der Frage ansetzte, die ich fast schon erwartet hatte, nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, schon mal anfangen zu wollen, mir etwas zu überlegen. Der ironische Unterton verriet mir, dass er wohl ebenfalls nicht daran glaubte, das man sich auf die Schnelle einen wirklich effektiven und gut durchdachten Plan aus dem Ärmel schütteln konnte. "Nicht wirklich.", antwortete ich wie zu erwarten etwas geknickt und wenig begeistert. "Das, was mir jetzt nur als Dunst vorschwebt, hat halt an allen Ecken und Enden irgendwelche ... na ja, keine Ahnung. Ist halt Scheiße alles.", stellte ich ernüchternd und wieder mit diesem leichten Schulterzucken fest. Ich lehnte mich Seufzend auf dem Stuhl zurück, legte meinen Kopf in den Nacken, um für einen Moment an der Decke der Küche nach einer Lösung unseres Problems zu suchen. Im Prinzip hatte er mit den folgenden Worten den Nagel auf den Kopf getroffen. Die weitaus simpelste Lösung wäre gewesen, sich einfach aus dem Staub zu machen. Aber es würde auch in anderen Städten, insofern er weiter das Leben als Mafiosi leben wollte, nicht unbedingt anders laufen. In dem Metier trat man halt vielen Menschen auf den Schlips. Weglaufen war also eher ein suboptimaler Vorschlag, wenn man mich fragte. "Na ja, Weglaufen bringt sicher auch nichts. Solange du nicht vorhast, deinem kriminellen Ich abzudanken, wirst du auch in anderen Ortschaften den Leuten ans Bein pissen.", gab ich meinen Gedanken Luft zum Atmen und meinte das nicht mal böse. War ja keine direkte Kritik oder so. "Aber viele andere Optionen gibt es neben dem Tod nicht unbedingt.", hing ich noch ein paar ironische Worte hinten dran. Er hatte sicher nicht jahrelang daran gearbeitet, dort hinzukommen, wo er jetzt stand, nur damit er sich bei so einer Geschichte dann mit einem Knall verabschiedete. So schätzte ich das Temperamentbündel zu meiner Linken nicht ein. Als Letztes wollte ich ihm noch verklickern, dass ich absolut keinen Bezug dazu hatte, wie groß das Problem jetzt eigentlich ganz konkret war. Mit der Mafia hatte ich hier in Oslo bis jetzt nämlich eher wenig zutun gehabt und wusste daher nicht, wie gefährlich die Männer, die hinter Hunter - und zwangsläufig auch mir - her waren wirklich waren. "Ich muss außerdem gestehen, dass ich absolut keinen Schimmer habe, wie tief wir eigentlich in der Scheiße stecken. Ich meine, es muss ja tief genug sein, dass selbst du ins Schwitzen kommst, aber mir fehlt irgendwie komplett der Bezug, um das einschätzen zu können.", untermauerte ich meine Gedankengänge also auch verbal nochmal. Den Blick hatte ich inzwischen wieder direkt auf ihn gerichtet. Beziehungsweise kurzzeitig auf seinen Oberkörper, den ich ja heute nicht zum ersten Mal sah. Dennoch nahm ich mir einen Moment Zeit, die Tattoos und Narben, letzten Endes auch die Schusswunde einmal zu mustern. Machte Alles in Allem einen guten Eindruck, auch wenn die siffende Schusswunde nicht unbedingt ins Bild passte.
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"Ich glaube wir wissen beide, wie sehr ich nicht weglaufen werde.", stellte ich Cosma gegenüber ein wenig ironisch fest. Aber hey, ein Tonfall in dieser Richtung war sicher immernoch besser, als sich wieder gegenseitig anzuschreien und ich glaubte zu wissen, dass die junge Frau ebenso wie ich nicht mehr wirklich Lust hatte, noch lange auf den Beinen zu bleiben. Ihre Gedankengänge hatten bisher augenscheinlich dank der Müdigkeit auch noch nicht wirklich zu etwas geführt, weil Auswandern oder gar Sterben für mich nicht zur Debatte stand. Ich hatte bisher immer irgendwie einen Weg aus der Scheiße gefunden, es würde auch dieses mal irgendeine Lücke im System geben, die ich mir zu Nutze machen konnte. Es wusste nur noch keiner hier, was das letztendlich sein würde. Die Rothaarige kam dann gegen Ende noch darauf zu sprechen, dass sie ohnehin nicht wirklich einschätzen konnte, wie groß das Ausmaß meiner - beziehungsweise unserer - Misere denn überhaupt war. "43 Köpfe umfasst allein die Familie... und dann kannst du noch ungefähr 50 andere Hurensöhne dazurechnen. Die müssen ihr Kokain ja irgendwie herstellen, verticken und verteidigen... Aber hey, ein oder zwei davon hab ich heute schon beerdigt, es geht aufwärts.", redete ich vor mich her und wurde gen Ende wieder etwas sarkastisch. Seufzte dann wenig später leise, bevor ich mir über das absolut müde Gesicht rieb. Natürlich hatte ich sie nicht wortwörtlich vergraben, sondern war sie anderweitig losgeworden, aber eben im übertragenen Sinn. "Ich hau mich hin... war 'n Scheißtag.", meldete ich mich leise grummelnd ab und hob im Weggehen noch zum Abschied für heute die Hand. Sofa ausziehen bekam ich auch alleine hin, brauchte ich Cosma nicht für. --- Hier Einfügene Eine Zeitsprunge--- Zu sagen, dass ich die Art und Weise wie sich mein Leben gerade drehte nicht besonders mochte, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Nein, der ganzen Zeitspanne seit Beginn der Zeitrechnung. Ich hatte die letzten sieben Tage mit nichts Anderem verbracht, als innerhalb der ersten beiden zu der einzig funktionierenden, aber beschissenen Lösung zu kommen und danach all meine Pläne und Geschäfte dem Italiener mitzuteilen. Cosma und mir war leider keine andere Methode zur Lösung des Sverre-Clan-Problems eingefallen, als mich für ein paar Monate sterben zu lassen. Mich komplett von der Bildfläche zu nehmen bis reichlich Gras über die Sache gewachsen war und stattdessen in all der Zeit Sabin meine Geschäfte im Hintergrund ausführen zu lassen. Ich würde nicht sagen, dass ich ihm das nicht zutraute, weil er eben doch schon eine gewisse Karriere vorzuweisen hatte... aber ich hatte einfach kein gutes Gefühl dabei. Ich hatte Desmond und Michael schon dazu verdonnert ihm in den ersten Tagen unter die Arme zu greifen, damit alles möglichst reibungslos weiterlief. Die beiden waren mit am längsten dabei und demnach voll im Bild, kannten auch wichtige Details und könnten etwaige Fragen sicher beantworten, ohne dass Sabin extra meine Person aufsuchen musste. Aber ich hasste es. Ich hatte mir nicht über Jahre hinweg einen Namen in Oslo gemacht, um meine Geschäfte eventuell wegen eines dummen Fehlers zu verlieren, der nicht einmal von mir selbst verursacht wurde. Die allerbitterste Pille, die ich dabei schlucken musste, war aber die Tatsache, dass ich zwangsweise Sabins alten Job hinter der Theke einnehmen musste, weil er dafür absolut keine Zeit mehr haben würde. Ich konnte nicht auf Zwang freundlich zu Kunden sein, wenn ich so wie jetzt durchweg beschissene Laune hatte. Dafür war ich ganz einfach nicht gemacht. Wie stellten er und der Teufel sich das eigentlich vor? Es war jetzt kurz vor Öffnung des Ladens und ich trug Cosma gerade noch zwei Kisten mit Getränken aus dem hinteren Bereich nach vorne an die Theke. "Ich bin mir echt nicht sicher, ob das funktioniert.", stellte ich leise vor mich hin grummelnd fest, als die Kisten abgestellt waren. Das war rein auf die Sache mit der Bar hier bezogen, nicht auf den ganzen Rest. Es war in meinen Augen weit wahrscheinlicher, dass hier am Tresen etwas schiefging, als dass Sabin etwas verbockte. Einfach deswegen, weil er wusste, dass ich ihn dafür köpfen würde. Wortwörtlich.
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Es war jetzt eine Woche vergangen, in der ich Hunter Obdach geboten und mit ihm einen Plan ausgearbeitet hatte, wir wir unser kleines Clan-Problem eventuell gelöst bekamen. Ehrlich gesagt war das Ergebnis weder für ihn, noch für mich sonderlich zufriedenstellend gewesen, weil es zum Einen für mich hieß, ihn weiter mit einem Dach über dem Kopf und genug zu Essen zu versorgen und zum Anderen musste ich meinen bestens angelernten Mitarbeiter durch ihn ersetzen. Und ich bezweifelte wirklich stark, dass das auf Dauer gut gehen würde. Auch wenn sich Sabins Werdegang dem von Hunter stark ähnelte, war er im Umgang mit den Gästen in der Bar doch immer sehr freundlich und zuvorkommend gewesen. Nur wenn es wirklich Probleme gab, wurde er mal lauter oder ungehaltener. Dass ich ihn jetzt durch den temperamentvollen Amerikaner ersetzten musste, bei dem ich froh sein konnte, wenn mir die Gäste nicht rückwärts aus der Bar wieder davon liefen, ließ mich doch in Gedanken mit den Zähnen knirschen. Was das Zusammenleben anging, wollte ich mir die nächsten Tage gar nicht erst ausmalen. Ich war wirklich froh, dass wir innerhalb der letzten sieben Tage aufgrund der Umstände weniger dazu neigten, uns gegenseitig die Laune zu vermiesen, aber ich traute dem Frieden nicht und befürchtete, dass das nur die Ruhe vor dem nächsten Storm war. De Facto musste ich außerdem gestehen, dass das Zusammenleben mit einem Mann irgendwie nicht mehr ganz so meins war. Über die Zeit hatte ich das Singleleben einfach zu lieben gelernt und sich jetzt die Räumlichkeiten mit Jemanden teilen zu müssen, den man gar nicht mal so sympathisch fand, war irgendwie... komisch. Wie auch immer. Es war ein relativ ruhiger Abend gewesen, an dem Sabin und Hunter die Rollen getauscht hatten und Letzter gerade dabei war, die Theke mit Flaschen aufzufüllen. Ich hatte in der Zeit ein paar Gläser poliert und angefangen, Obst zu schneiden. Mein Blick wanderte bei den Worten des jungen Mannes mit einem schmalen Grinsen in seine Richtung. Das kam ja noch dazu. Nicht nur, dass Hunter menschlich ein absoluter Krüppel war, er hatte auch keine Ahnung, wie hart das Leben als Barkeeper so war. Ich sah es als eine gute Möglichkeit, ihm zu zeigen, dass man an diesem Posten gut und gerne mal richtig durch die Decke gehen konnte, wenn man dann blöd von einem Pöbel angemacht wurde, so wie er eine Zeit lang mir gegenüber aufgetreten war. Ich wollte ihm das jetzt nicht so direkt unter die Nase reiben, aber ich ging fest davon aus, dass ihm ein Abend harter Arbeit hinter der Theke schon einiges, vielleicht nicht unbedingt nur Gutes, aufzeigen würde. Auf seine Worte hin unterbrach ich meine Arbeit für einen Augenblick, um mich neben ihm mit der Hüfte an die Arbeitsfläche zu lehnen. Die Arme vor der Brust verschränkt, schenkte ich ihm fast so etwas wie ein Lächeln voller Mitleid. "Na ja, es wird dir nichts anderes übrig bleiben, als es funktionieren zu lassen.", antwortete ich ruhig, hängte das altbekannte Schulterzucken hinten dran. "So schwer ist es eigentlich gar nicht. Guck', ich hab hier eine Karte, wo alles auch mit Dosierungen drauf steht. Eigentlich ist es nur Ablesen, Mischen und Servieren.", versuchte ich ihm ein wenig den Zweifel an der Sache zu nehmen, während ich ihm besagte Karte in die Hand drückte. Ich konnte absolut nachvollziehen, dass das hier eine komplett beschissene Situation war. Aber er konnte sich entscheiden zwischen sich hier in der Bar anzupassen oder aber sich weiter vom verfeindeten Clan verfolgen zu lassen.
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Leider Gottes, ja. Mir waren hier echt die Hände gebunden, wenn meine Deckung nicht im kompletten Desaster enden sollte. Wenn man mich fragte, war letzteres aber von vornherein schon vorprogrammiert. Ich und freundliche Dienstleistung passten eben nicht in ein und denselben Hut. In jeder anderen Situation hätte ich Jedem, der mir das angeboten hätte, auch lachend den Vogel gezeigt. Aber ich konnte nichts Anderes, als es in meiner Lage zu versuchen. Wir konnten wohl nur hoffen, dass nicht irgendeiner der Besucher von letzter Woche hier rein kam, mich wieder erkannte und postwendend die Bullen rief. Andererseits müssten die auch ziemlich lebensmüde zu sein, um nochmal in den Schuppen hier zu kommen. Hofften wir also das beste. Mein Blick fiel auf die Karte, als Cosma mir diese zuschob. Ich sah sie mir nur flüchtig an, bevor ich sie auch schon wieder zuklappte und leicht den Kopf schüttelte. "Lesen ist auch nicht das Problem. Es scheitert eher an der von mir so verhassten geheuchelten Freundlichkeit.", meinte ich trocken, bevor ich die Karte an einer günstigen Stelle ablegte. Gut auf die Distanz erreichbar und lesbar, aber nicht Gefahr laufend alle zwei Sekunden von Irgendwas überschüttet zu werden, wenn ich mich meinen nicht vorhandenen Barkeeper-Künsten hingab oder ein Kunde den Tresen mit dem Glas verfehlte. Ich räumte noch die Kisten bei Seite, bevor ich mich erneut aufrichtete und leicht mit den Schultern zuckte. "Ich kann ja nicht mal dieses chronische Fake-Lächeln, das Sabin sich 24/7 ins Gesicht klebt. Es ist mir ein Rätsel, wie er das macht.", stellte ich sarkastisch fest, ehe ich einen Blick auf die schlichte Wanduhr hinter mir warf. Iehgitt, es war soweit.
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Jetzt stellte er sich aber wirklich an. Als ob es mir so dermaßen wichtig wäre, dass er mit dem Lächeln aus einer Zahnpastawerbung meine Kunden bediente. Solange er freundlich blieb und die Bestellungen zuverlässig erledigte, konnte er sich von mir aus auch einfach eine Maske übers Gesicht ziehen. Sich an solchen Kleinigkeiten aufzuhängen konnte ich jetzt gerade nicht gebrauchen. Ich war schon wieder an einem Punkt angekommen, an dem ich am Liebsten einen Kommentar abgelassen hätte, der die Fronten mal wieder zu verschärfen wusste, aber ich hielt mich zurück, wenn auch zähneknirschend. Der Laden bald öffnete und ich hätte leider niemanden hier gehabt, der mich zu unterstützen wusste, wenn Hunter nach einem Streit das Handtuch geworfen hätte. Richard hatte sich zwar heute ausnahmsweise auch mal wieder in die Smith and Wesson bequemt, aber auf seine Mithilfe zu hoffen war ziemlich aussichtslos. Er war vielmehr damit beschäftigt, seine Gedanken zu sortieren, als er Hunter hinter der Theke erblickte. Ich erklärte erst relativ spät, kurz bevor die Bar öffnete, in ein paar knappen Worten, was es damit auf sich hatte und seitdem war der junge Mann in eine Parallelwelt abgedriftet, hatte sprachlos auf einem Barhocker gesessen und seinen Rum geschlürft. Derweil hatte ich mich wieder meinem Lehrling zugewandt. "Die Hauptsache ist, dass die Drinks über den Tresen gehen. Was für ein Gesicht du dabei machst, ist mir egal. Es ist nur wichtig, dass es zu keinen Auseinandersetzungen kommt. Ich weiß, es ist schwer, ich kenn' das, aber wir gehen hier auf keine Provokationen seitens der Kunden ein, okay?", ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, mein Blick verriet, dass ich keine Widerworte zu ließ, weil er sonst schauen könnte, wo er ab blieb. Ich unterstrich extra noch einmal, dass ich selbst mit der Situation vertraut war und es schmeckte auch mir nicht immer, gerade gegenüber manchen Kunden höflich zu bleiben, aber wo würde ich mit meiner Bar wohl stehen, wenn ich die Gäste durchgehend beleidigen würde oder Streit suchte? Richtig... ganz sicher nicht da, wo ich jetzt stand. Und gerade nach den letzten Tagen war mir ein gutes Bild umso wichtiger. Das Image der Smith and Wesson hatte ein wenig gelitten und das galt es mit allen Mitteln wieder aufzupolieren. Mein Blick würde also heute etwas strenger auf Hunters Umgang mit der Kundschaft liegen. Als er sich in Richtung der Uhr drehte, tat ich es ihm nach, seufzte ein wenig und schob mich dann an ihm vorbei, um die Türen der Kneipe zu öffnen. Wie immer standen ein, zwei Stammkunden bereits vor der Tür und warteten auf ihren Einlass. Aber auch ein paar neue Gesichte fanden ihren Weg nach drinnen und schon kurze Zeit später, war ein problemloses Durchkommen zur Bar eigentlich kaum mehr möglich. Es war Samstagnacht, die Stimmung war gut, aber für einen ersten Arbeitstag alles andere als vorteilhaft.
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Nicht auf Provokationen eingehen... es war ein wenig grotesk, solche Worte ausgerechnet von Cosmas Lippen zu hören. Sie war quasi der Inbegriff aller Provokation. Zwar war sie voraussichtlich nicht meine Anlaufstelle, wenn mir heute Jemand auf den Sack ging - einfach weil ich nicht glaubte, dass der jungen Frau der Sinn danach stand mir die Laune noch mehr verderben als sowieso schon, damit ich ihre Kunden noch besser vergraulen konnte -, aber wirklich ernst nehmen konnte ich die Worte eben doch nicht. War mir unbegreiflich, wie sie mir gegenüber ständig so an die Decke ging, aber den Kunden gegenüber immer zuvorkommend bleiben konnte. Und seien sie noch so dreist. Vermutlich nur, weil da die Profitgier aus ihr sprach. War in meinen Augen die einzig plausible Erklärung. Ein genervtes "Von mir aus.", war Alles was ich dazu noch beizutragen hatte, bevor die junge Frau sich aufmachte um die Kundschaft herein zu lassen. Ich gab mir Mühe damit die ersten Kunden, die sich zu mir an die Theke setzten, zumindest nicht so anzusehen als würde ich sie umlegen wollen. Ob mir das gänzlich gelang war die andere Frage, konnte ich nur schwer beurteilen. Mein Puls beschleunigte sich schon innerhalb der ersten paar Minuten unweigerlich, weil ich es ganz einfach hasste, wie schrecklich ungeduldig Leute waren, die bereits ein oder zwei Bier Zuhause gekippt hatten und demnach schon angetrunken hierher kamen. Die meisten waren ziemlich geduldig und unterhielten sich einfach miteinander, während ich am Getränke zubereiten war. Aber da war so ein Typ, der scheinbar auch alleine hier war und mir chronisch auf die Nerven gehen wollte. Der an sich schon ziemlich betrunken wirkte und immer wieder mit mir reden wollte, obwohl ich sehr offensichtlich eine ganze Menge um die Ohren hatte. Auch Cosma brachte mir immer wieder Bestellungen von den Tischen, weshalb ich nicht einmal dazu kam überhaupt richtig durchzuatmen. Es blieb gerade noch so genug Zeit dafür, mir schnell einen Schluck Whiskey ins eigene Glas zu kippen - das ließ ich mir nicht nehmen, irgendwie musste ich meine Nerven ja beruhigen - und daran zu nippen, da konnte ich mich nicht auch noch parallel permanent mit Jemandem unterhalten, der besoffen und augenscheinlich ziemlich einsam war. Das war nicht mein Problem und außerdem auch nicht mein Job. Ich antwortete ihm meistens nur sehr halbherzig und knapp. Da meine Laune immer weiter absank irgendwann dann auch sichtlich genervt, bis ich schließlich nach einer Dreiviertelstunde wirklich die Schnauze voll hatte. Er hörte einfach nicht auf zu reden. "Ich will nicht unhöflich sein", oh doch, und wie ich das wollte. Gedanklich schmiss ich ihm schon zahlreichen Beleidigungen an den Kopf. "aber ich hab scheiß viel zu tun und wirklich keine Zeit dazu, mich jetzt mit dir zu unterhalten.", führte ich dem Kerl ohne normale Auffassungsgabe wörtlich vor Augen, dass er die Klappe zu halten oder woanders hinzugehen hatte. "Aber das ist dein Job.", lallte er mir sichtlich angesäuert entgegen. "Nein, ist es nicht. Weder jetzt, noch in einer Stunde, also lass' mich in Ruhe oder zieh' Leine.", verdeutlichte ich ihm meine vorherigen Worte noch einmal, kochte dabei innerlich schon vor mich hin und umgriff das Whiskeyglas fest mit den Fingern der rechten Hand, als ich erneut einen Schluck nahm. Aber auch mein geliebter edler Tropfen wusste die Dummheit meines Gegenübers nicht auszulöschen. "Der Andere macht das aber auch immer, warum kannst du das nicht?", provozierte er mich weiter, statt meiner vorherigen Aufforderung Folge zu leisten und ich knallte mein Glas auf die Theke. Ich war wirklich kurz davor, ihm jenes einfach ins Gesicht zu schmeißen oder zumindest eine Scherbe davon einmal quer durch sein Gesicht zu ziehen.
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Entgegen meiner Erwartungen meisterte Hunter den Job als Barkeeper bis jetzt eigentlich ganz gut. Man sah ihm zwar deutlich an, dass ehrliches Arbeiten jetzt nicht unbedingt das war, womit er sich seinen Reichtum aufgebaut hatte, aber am heutigen Abend hatte ich eigentlich nichts an seiner Arbeit auszusetzen. Die Getränke gingen quasi wie am Fließband über den Tresen und wir hatten beide wirklich viel zutun, sodass das ein Auge auf Hunter haben leider ein wenig zu kurz kam. Aus dem Grund merkte ich erst relativ spät, dass er scheinbar Schwierigkeiten mit einem meiner Stammkunden hatte. Mit einem Tablett voller leerer Gläser hatte ich mich hinter ihm vorbei geschlängelt, wollte diese gerade auf der Spüle abstellen, als das fast nicht mehr nötig gewesen war. Vor Schreck, weil meine Aushilfe sein Glas so laut auf die Arbeitsfläche donnerte, wären mir die insgesamt fünf Gläser beinahe vom Tablett gerutscht. Schon alleine deswegen zogen sich meine Augenbrauen in der Mitte des Gesichtes zusammen und mein fragender, zeitgleich aber auch mahnender Blick fraß sich in den Rücken des Amerikaners. "Gibt es ein Problem?", fragte ich dennoch erst einmal ruhig, als ich die Gläser in Sicherheit gebracht hatte. Noch bevor Hunter überhaupt dazu kam, sich bezüglich dieser Sache zu rechtfertigen, meldete sich Benny - mein Stammkunde - zu Wort und erzählte mir lallend, wie blöd er den Neuen denn fand. Im Geiste fuhr meine Hand mit etwa 60 km/h gegen meine Stirn. Genau so eine Situation hatte ich mir auf der einen Seite gewünscht, auf der anderen Seite befürchtet. Wäre der Abend so ruhig verlaufen, wie ich es mir ganz zu Anfang (! xD) ausgemalt hatte, wäre eine solche Auseinandersetzung jetzt nichts weiter Wildes gewesen. Aber Gespräche derart dauerten einfach unfassbar lange und waren zudem sinnlos, wenn eine Partei schon gefühlt an der drei Promille Grenze kratzte. Ich atmete innerlich tief durch. "Tut mir Leid. Er ist neu und braucht noch ein wenig, um sich an den Job als Barkeeper zu gewöhnen.", entschuldigte ich mich knapp, setzte aber ein freundliches Lächeln auf, wobei das eher zu der Kategorie Fake-Lächeln gehörte, wie Hunter es vorhin schon so nett umschrieben hatte. Im Anschluss an diese Entschuldigung, bediente ich den jungen Mann weiter, schenkte ihm das Ohr, welches er sich von Hunter gewünscht hatte und ein, zwei Drinks später zog er schließlich von Dannen. Ein letzter Blick, den ich ihm hinterher warf, bis er in der Menge verschwunden war, dann drehte ich mich zu meinem Sorgenkind, dem in in der Zwischenzeit aufgetragen hatte, sich um die anderen Gäste zu kümmern, um. "Komm' bitte kurz mit.", forderte ich ihn - sogar mit einem bitte! - dazu auf, mir in die hinteren Räumlichkeiten der Bar zu folgen. Nur so weit, bis uns die Tür vom Rest der anderen Leute trennte. So hatte ich nämlich noch immer die Möglichkeit, durch das, in die Tür eingelassene, Bullauge den Tresen im Blick zu behalten. Dass keiner bedient wurde, war jetzt halt mal eben so, dennoch musste ich es nicht provozieren, dass man mir den guten Alkohol über die Holzverkleidung hinweg klaute. Durch das kleine Fenster sah man meinen roten Schopf nämlich noch ganz gut und ich ging davon aus, dass unter diesen Umständen niemand zu blöd wäre, zu versuchen mich zu bestehlen. "Was war das denn eben?", fragte ich etwas verständnislos, ließ ihm aber gar keine Zeit, darauf überhaupt erst mal zu antworten, sondern wetterte gleich weiter. "Als Barkeeper schenkt man den Leuten hier und da mal ein Ohr. Und Benny ist wirklich noch auszuhalten.", gestikulierte ich ein wenig zu wild mit den Händen durch die Luft und sorgte damit dafür, dass mir ein paar rote Strähnen ins Gesicht fielen. Ich hatte hier jetzt echt nicht vor, einen Streit anzufangen, aber Hunter musste einfach lernen, dass das Leben als Normalsterblicher einfach ein bisschen anders lief. Und wenn er wollte, dass diese Tarnung optimal funktionierte, sollte es auch in seinem Interesse sein, dass die Leute nicht sein negatives Bild nach außen trugen. Denn ich wollte es nicht beschwören, aber ich vermutete stark, dass hier einige Leute eventuellen Kontakt zu Anhängern von norwegischen Clans hatten. Sei es jetzt Familie, Freunde oder Bekannte. Sobald weiter getragen wurde, dass ein misslauniger, volltätowierter Beinahe-Glatzkopf hier arbeitete, konnten geschulte Ohren mit der Info schon ein wenig zu viel anfangen für meinen Geschmack. Also meinte ich es ja noch nicht mal böse. Ob er das mit seiner miesen Laune jedoch genau so sah, war mal dahingestellt.
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Er ist neu und braucht noch ein wenig, um sich an den Job als Barkeeper zu gewöhnen. Einen Scheiß würde ich. Vielleicht mochte es daran liegen, dass ich mental einfach absolut nicht dazu bereit war, mich auf einen derartig erniedrigenden Job wirklich ernsthaft einlassen zu können. Ziemlich sicher tat es das sogar. Aber um keinen Preis dieser Welt würde ich anderen Leuten in den Arsch kriechen, nur weil das mein Job war. Ich bevorzugte es nach wie vor den Leuten, die mir auf den Zeiger gingen, einfach eine Faust zu verpassen. Das wurde nämlich nur selten missverstanden und ich hatte danach ganz eindeutig Ruhe, weil fast Niemand größenwahnsinnig genug war, um zurück zu schlagen. Ich war groß und durchweg gut gebaut, da überlegte man sich so einen Mist zweimal. Meine tief angekratzte Laune erholte sich nur wenig, während ich mich wieder der anderen Kundschaft widmen konnte, weil Cosma mir das lästige Stück Scheiße Gott sei Dank abnahm. Das reichte zumindest aus, um mich leise fluchend weiter arbeiten zu lassen. Nach wie vor nicht ohne den Whiskey, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann hätte ich den wohl sowieso auch getrunken, wenn ich bester Laune war. Einfach, weil ich sonst zu zittern anfing. Nicht am ersten Tag, aber am zweiten. Und am dritten war es spätestens dann so unerträglich, dass ich wieder zur Flasche griff. Teufelskreis. Schließlich forderte Cosma mich aber dazu auf ihr zu folgen, nachdem das betrunkene Ekelpaket seiner Wege gegangen war und ich leerte mein Glas nach einem leichten Augenrollen, bevor ich ihr in den privaten Bereich der Bar folgte. Schon bevor sie den Mund aufmachte wusste ich, dass mich Tadel in welcher Form auch immer erwartete. "Nein, ist er nicht. Nichts von Alledem.", stellte ich trocken mit spöttischem Unterton fest, lehnte mich mit dem Rücken an die nahe Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ausschenken ist eine Sache, dass ich das zwangsweise machen muss seh' ich ein. Aber ich hör nicht irgendwelchen egoistischen Arschlöchern zu, die ihren Pegel nicht im Griff haben.", redete ich zynisch weiter vor mich her, wobei mein Gesichtsausdruck vermutlich durchweg desinteressiert und angepisst wirkte. War ja auch so. Meine Meinung in dieser Hinsicht zu ändern würde Cosma nämlich nur unwahrscheinlich hinkriegen. Sie müsste mir schon ein extrem verlockendes Angebot machen, um mich umzustimmen und die Wahrscheinlichkeit, dass das passierte, war quasi im Minusbereich.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass ich so eine Aussage zu hören bekommen sollte. Ein genervtes Augenrollen signalisierte ihm, dass das nicht die Antwort war, die ich mir gewünscht hatte. Ich ging für ein, zwei kurze Augenblicke in mich und versuchte zu überlegen, wie man mich in so einer Situation darauf aufmerksam machen konnte, dass etwas ganz Wesentliches von dieser Arbeit abging. Hunter schien nämlich vergessen zu haben, dass diese Deckung hier die einzige, solide Alternative zum Verschwinden aus der Stadt oder seinem richtigen Tod war. Nicht nur billig mit Medikamenten voll gerotzt und mit Platzpatronen beschossen-Tod, sondern so richtig leblos tot halt. Als er sich wie ein trotziges Kleinkind an die Wand lehnte, rieb ich mir müde mit der Hand über das Gesicht. "Ich will nicht wissen, wie viele von den Leuten da draußen über acht Ecken mit dem beschissenen Clan zutun haben, der uns auf an den Fersen hängt, aber meinst du nicht auch, dass gerade du auf schlechte Publicity verzichten solltest? Es gibt sicher einen Arsch voll Leute, denen die Umschreibung misslaunig und volltätowiert ausreicht, um dich zu identifizieren. Also tu' uns einfach beiden den Gefallen und verhalte dich meinen Gästen gegenüber so, als würde ich dir wie jetzt gerade eine Standpauke halten. Nimm' es hin, sei innerlich wütend, aber interessier' dich einfach nicht mehr als nötig für das, was sie dir erzählen. Nick zwischendurch einfach kurz. Denkst du wirklich, dass die Leute, die dich an der Bar anquatschen, nüchtern? Mein Gott, Hunter, diejenigen, die es nötig haben, ihre Probleme einem Barkeeper zu erzählen sind ganz arme Seelen. Mehr als ein halbes Ohr und drei Drinks wollen sie gar nicht. Und dafür kriegste sogar noch einen Haufen Trinkgeld.", grummelte ich geladen, versuchte so sachlich wie nur möglich zu bleiben - es fiel mir wirklich schwer -, während ich in meiner Hosentasche kramte. Wenig später griff ich nach Hunters Hand, um dort ein paar norwegische Kronen, umgerechnet etwa zehn Dollar Trinkgeld zu platzieren. Hatte er sich zwar nicht verdient, aber vielleicht konnte ihn der verhältnismäßig nette Nebenverdienst ja umstimmen, nicht ganz so launisch zu sein. Im Gegensatz zum Rubel, der bei seinen Geschäften rollte, waren das natürlich Peanuts, aber es sollte ihm zeigen, dass Menschen, die einsam waren, gerne Geld ausgaben. War so ein Mitgrund, warum ich mich relativ bald der Zuhälterei gewidmet hatte. Verzweifelte Männer und Frauen ließen einen Haufen Geld da, nur um ein paar Dinge auszuprobieren, die sie Zuhause nicht durften oder weil sie schlicht und ergreifend niemanden hatten. Es war eine super Geschäftsidee gewesen und an der Bar lief es nicht anders ab, als in den hinteren Zimmern. Die Leute kamen, tranken ein, zwei Cocktails und teilten einem dann Geschichten mit, die sie bei ihrem Partner eventuell nicht ansprechen konnten. Oder aber sie hatten Niemanden, der sich sonst dafür interessierte. Egal, was jetzt zutreffend war, jemanden sein Gehört zu schenken, obwohl man eigentlich etwas ganz anderes tat, war gar nicht so schwer und so aufwendig, wie Hunter sich das vielleicht vorstellte. Außerdem war er ja nicht mal gezwungen, konkrete Antworten zu geben oder eine Beratung zu leisten. Nur eine hundert prozentige Ignoranz war halt falsch. Punkt aus. Ich fragte mich außerdem, warum er da so empfindlich drauf reagierte. Sonst war er doch auch ein Meister darin, einem zuzuhören und es effektiv doch nicht zu tun. Hatte, meines Erachtens nach, auch nichts mit Arschkriecherei zu tun... Aber gut, wie auch immer. Ich schenkte ihm noch einen letzten, bittenden Blick, bevor ich mich wieder umdrehte, um die Tür erneut zu passieren. Noch bevor ich meinen Posten hinter der Bar bezogen hatte, klebte ich mir wieder das berühmt berüchtigte Fake-Lächeln auf die Lippen und hoffte damit, dass der junge Mann zumindest im Ansatz verstanden hatte, worum es mir hier eigentlich konkret ging.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Genau das hatte ich doch gemacht. Genickt. Ja und Amen gesagt. Eine Dreiviertelstunde lang und es war trotzdem nicht genug gewesen, er hatte immer und immer weiter geredet und irgendwann war einfach die Grenze meiner sowieso nicht vorhandenen Geduld erreicht. Warum redeten Leute überhaupt mit einem Fremden über ihre Probleme und Sorgen? Ich rannte doch auch nicht ständig zu Irgendwem und kaute ihm ein Ohr ab, dass ich ach so deprimiert und unzufrieden mit meinem Leben war. Dass ich hier und da mal wieder Jemanden umgebracht und Leichen beseitigt hatte oder dass ich schon wieder hatte Jemanden schmieren müssen, weil mir sonst Jemand auf die Schliche kam. Es gab wirklich Schlimmeres zu ertragen, als eine gescheiterte Beziehung. Die tranken hier doch alle schon Alkohol. Mussten nur lange genug damit weiter machen und Irgendwann erledigte sich der Mist von allein oder es kam neuer hinzu, der sie den alten vergessen ließ. Es war wirklich nicht schwer, einfach die Schnauze zu halten und andere Leute nicht unnötig mit so einem Scheiß zu belästigen. Zugegeben hätte ich Cosma das Geld verdammt gern hinterher geschmissen. Ich fraß die Energie, die meinen Arm durchfloss, mit Mühe und Not in mich hinein, mahlte mit dem Kiefer bis die junge Frau schließlich durch die Tür verschwunden war. Erst danach donnerte ich die Faust nicht ganz leise vor mich hin fluchend in die Wand gegenüber. Unmittelbar danach fiel das Geld aus jener Hand zu Boden, weil sich meine Finger unter dem Schmerz lockerten und die zahlreichen Gelenke in meiner Hand wild zu pochen begannen. Schmerz war so eine Sache. Entweder er holte mich zurück auf den weniger aggressiven Boden der Tatsachen, oder er machte es nur schlimmer. Das zweiseitige Medaillon war der Rothaarigen Barinhaberin aber nett gesinnt und ließ mich nach einem sehr tiefen Atemzug auf meine Hand runter sehen. Sie lief wegen der gesteigerten Durchblutung rot an und die Haut war leicht aufgeschürft, weshalb ich ein klein wenig blutete. Ich hatte aus den letzten Jahren gelernt und schlug inzwischen unterbewusst immer so zu, dass ich mir nichts brach, sondern lediglich ein paar Prellungen entstanden. Die zwei gebrochenen Finger damals hatten mir gereicht und es ärgerte mich noch immer, weil sie nicht mehr zu einhundert Prozent beweglich waren. Ich ging kurz zu den Toiletten um die Hand abzuwaschen, wollten die ach so geliebten Kunden doch sicher kein Blut in ihren Cocktails. Als die Schrammen zu bluten aufgehört hatten ging ich dann aber zurück nach vorne, sammelte im Vorbeigehen noch das unnütze Geld wieder vom Boden und schob es mir in die Hosentasche. Ob ich es behalten würde, wusste ich aber noch nicht. Ohne einen einzigen Blick an Cosma zu verschwenden widmete ich mich dann noch immer genervt meiner Zwangsarbeit. Vielleicht sollte ich einfach Tauren hinter die Bar stellen und die Füße hochlegen. Hätte ich mehr Personal, würde ich das zweifelsohne durchziehen. Ihn und sein bescheuertes Schwiegersohn-Lächeln würde die Kundschaft sicher lieben.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
... es fehlte wirklich nicht viel, als ich mit gefühlt Lichtgeschwindigkeit durch den Türrahmen ins Innere der Bar stolperte, bis es mich gnadenlos zu Boden gerissen hätte. Panisch schlug ich die Tür in ihre Verankerung und versperrte für einen Augenblick wie in einem schlechten Film den Eingang, indem ich mich in mit ausgebreiteten Armen gegen das Holz lehnte. So als würde wirklich niemand rein kommen. Selbst dann nicht, wenn er 120 kg Kampfgewicht besaß und sich einfach mit dem ganzen Körper von außen gegen die Tür warf. Gute zwei, drei Minuten lang hatte ich dagestanden und nach Luft gerungen, weil mir die letzten paar hundert Meter im Sprint eher nicht so gut bekommen waren. Kondition war bei mir halt einfach nicht, schon gar nicht, seitdem ich wieder regelmäßig Gras rauchte. Als mein Kreislauf nach Ewigkeiten schließlich wieder mit genug Sauerstoff versorgt war, drehte ich mich um, steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, um nun weitaus effektiver einem unerlaubten Eindringen vorzubeugen. Es war noch relativ früh am Tag, Hunter war sicher erst aufgestanden, weshalb ich ihn in den hinteren Räumlichkeiten der Bar vermutete. Um diese Uhrzeit - es war mittags, etwa zwölf Uhr - hielt er sich bestimmt nicht mehr in der Wohnung auf, sondern trank hier unten ganz entspannt seinen Kaffee und frühstückte eventuell eine Kleinigkeit. Zwar hatten wir bereits darüber geredet, dass wir die Küche, gerade jetzt, wo in Aussicht stand, dass er wohl etwas länger bleiben würde, umgestalten würden, aber die letzten Tage waren einfach zu stressig gewesen. Das Anlernen und auch die kleinen Streitereien zwischendurch raubten uns beiden sämtliche Kraft und so kam es, dass er nach mittlerweile fast zwei Wochen noch immer in die Bar gehen musste, um mit dem Energie spendenden Gesöff in den Tag zu starten. Das hatte ich ja heute eigentlich ändern wollen... Ich schleppte mich zielstrebig nach hinten, wo mich mein siebter Sinn nicht enttäuschen sollte. Der junge Mann, leger gekleidet, hockte in der Küche am Tisch, wie zu erwarten mit einem Kaffee in der Hand. Zwar hatte ich mittlerweile wieder eine einigermaßen normale Atmung, aber mein Brustkorb hob und senkte sich noch immer alles andere als ausgeglichen. "Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist.", setzte ich an und überging damit einfach die Frage, ob er das überhaupt wissen wollte. "Ich wollte gerade nach einer Kaffeemaschine in der Stadt gucken und mir ist die ganze Zeit so ein Typ gefolgt." Ich hatte mich mittlerweile auf dem freien Stuhl ihm gegenüber fallen gelassen, fuhr mir mit zitternder Hand durch die Haare. Eigentlich hatte ich in einem Fachgeschäft nach einer einfachen Kaffeemaschine mit Filter geschaut, die mir in der Werbung so gut gefallen hatte. Auf Weg musste ich allerdings feststellen, dass sich ständig ein paar Augen in meinen Rücken fraßen und dieses unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden, sollte sich an der Straßenbahnhaltestelle dann auch erkenntlich zeigen. Ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig hatte unweit von mir gestanden und ebenfalls auf die Bahn gewartet. Sein Gesicht war unter einem Schal begraben gewesen und hätte er nicht dieses abstrus auffällige Tattoo mitten im Gesicht gehabt, hätte ich mir auch gar keine großen Gedanken mehr gemacht, weil er damit aussah, wie so ziemlich jeder Norweger zu dieser Jahreszeit. Die Tatsache, dass ich sein Gesicht aber nicht nur in der Bahn gesehen hatte, sondern auch durch das Schaufenster des Einkaufsladen und schließlich auf dem Weg zurück, jagte mir eine Heidenangst ein. Ich hatte versucht, mich möglichst unauffällig zu verhalten, wollte ihn nicht unbedingt wissen lassen, das ich ihn bemerkt hatte, wie er mir hinterher spionierte, aber als ich die letzten paar Meter von der Bar entfernt durch die Gassen streifte - fernab von der schützenden Zivilisation -, konnte ich dann doch nicht mehr ruhig bleiben. Seine Schritte wurden immer lauter und durch die reflektierenden Fensterscheiben hatte ich gesehen, dass er von Zeit zu Zeit näher kam. Aus dem Grund hatte ich hinter eine Ecke angefangen, zu laufen. Aus dem Laufen wurde dann irgendwann ein Sprint und in der ganzen Aufregung hatte ich schließlich auch Kaffeemaschine fallen gelassen, weil sie mich mit ihrem Gewicht auf den Armen am aktuellen Überleben hintere. Allerdings war mir mein Leben weitaus wichtiger gewesen. Traurig war ich also nicht unbedingt. Na ja und da stand ich nun. Vollkommen ratlos und tatsächlich ein wenig verängstigt, weil ich entweder nicht wusste, um wen es sich da gehandelt hatte oder es im besten Fall auch gar nicht wissen wollte, puncto Sverre-Clan und so. Jedenfalls war ich froh, jetzt in meinen sicheren vier Wänden zu sein und das Bedürfnis, diese Geschichte mit Jemanden zu teilen, brachte mich schließlich dazu, dass ich meinen ungeliebten Mitbewohner damit behelligte. "Keine Ahnung, was der wollte, aber ich schwöre es dir. Der war überall!", meine Stimme nahm ungeahnt hohe Töne an, weil ich nach wie vor etwas geschockt war. Erinnerte mich zwangsläufig nämlich an meine erste Bekanntschaft mit Tauren, die für ein paar Männer, die in etwa das gleiche Schemata verfolgt hatten, eher unschön geendet hatte. Und auch heute hatte ich mich... einfach nur hilflos gefühlt. Wäre mein Überlebensinstinkt nicht so groß gewesen, hätte ich vermutlich niemals so schnell laufen können. Ich sollte vielleicht mal so etwas, wie einen Selbstverteidigung kurs oder etwas in der Art belegen. Vielleicht würde ich mich in solchen Situationen dann nicht ganz so... nackt fühlen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #