Ich folgte der jungen Frau in die Wohnung und zog dort im Flur erstmal meine Schuhe aus. Im Gegensatz zu vorhin schien ich diese schließlich nicht innerhalb weniger Minuten wieder verlassen zu müssen und zumindest hin und wieder hatte ich dann doch ein bisschen Manieren, obwohl meine Eltern mir solche nie beigebracht hatten. Hatte immer schon froh sein können, wenn wenigstens einer von beiden nüchtern war, an richtige Erziehung war gar nicht zu senken gewesen. Jedenfalls ging ich nach dem Ausziehen der Jacke weiter ins spärlich eingerichtete Wohnzimmer und mir wurde mit ihren Worten auch erst richtig bewusst, wie wenig sie sich hier scheinbar aufhielt. Dass Cosma hier kaum wohnte, sondern mehr nur schlief und duschte, wie sie mir so schön demonstriert hatte. Normalerweise hatte fast jede Frau so einen leichten Hang zum dekorieren, damit die Räume auch schön gemütlich und heimisch wirkten. Aber hier war das nicht so, ich sah nicht mehr als nur das Nötigste. Deswegen wohl auch kein Frühstück, wie sie mir mitteilte, als ich mich bereits darum kümmerte, das Sofa auszuziehen. Ich war ein ganzes Stück größer als sie und würde im Normalzustand des Möbels nicht genug Platz haben. "Ist nicht schlimm, muss um 10 dann sowieso runter... zwecks Schichtübergabe.", erklärte ich Cosma, dass ich die Frühstücksgeschichte für nicht dramatisch empfand und zuckte leicht mit den Schultern. Als sie dann allerdings nach dem Messer fragte, wanderten meine Augenbrauen tiefer und mein sonst meist eher sanfter, milder Blick wurde leicht funkelnd. Was wollte sie damit? Dachte sie ernsthaft, dass ich ihr was tun würde? Das wäre mein eigener Tod, wäre also mehr als unnütz und noch dazu extrem dämlich, zumal ich auch absolut keinen Grund dazu hatte. Außerdem hingen an dem Teil Erinnerungen. Zwar hatte ich den Griff in all den Jahren mal tauschen und gravieren lassen, aber die Klinge war noch immer die selbe. Mason hatte mir das Messer gegeben, als ich in seine Geschäfte eingestiegen war und es war quasi nicht nur eine Erinnerung an meinen verstorbenen Freund, sondern auch eine Art Glücksbringer, obwohl ich nicht wirklich abergläubisch war. Zwar konnte ich Cosmas Handlung verstehen, aber Begeisterung erntete sie dafür gewiss nicht. Mit einem unzufriedenen Grummeln griff ich also in meine Hosentasche, sah sie dann durchdringend an. "Wehe ich krieg's nicht wieder.", formulierte ich eine leise Drohung, als ich es ihr in die Hand drückte, ehe ich mich abwandte und mir das Shirt über den Kopf zog. Es ging mir nicht um die Abnahme an sich, sondern einfach um das Messer selbst. War nicht das einzige Verteidigungsmittel, das ich bei mir trug, das war also nicht der springende Punkt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Wie zu erwarten war, schien Tauren darüber nicht allzu begeistert zu sein. Leider konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen, wollte ich mich doch einfach ein Stück weit sicherer fühlen. Ich nahm das Messer vorerst wortlos an mich, besah mir den Griff, der von einigen Gravierungen geprägt war. "Bekommst du, keine Sorge", antworte ich und mein Grinsen wich einem beschwichtigenden Lächeln. Ich hatte keineswegs vor, ihn seiner Habseligkeiten zu berauben. Sobald ich wach war, würde er das Messer wieder bekommen. Ich wandte dem jungen Mann meinen Rücken zu, als ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer machte. "Wenn was sein sollte, ich bin nebenan." Logischerweise, schließlich hatte ich nur eine zwei Zimmer Wohnung, weit weg war ich also nicht. "Ansonsten wünsche ich dir eine gute Nacht, schöne Träume und den ganzen Scheiß", war dann alles, was ich noch in Taurens Richtung murmelte, bevor ich das Wohnzimmer endgültig verließ, um mich in meinem eigenen Bett zu verkriechen. Ich schloss die Tür hinter mir, ließ mich auf die weiche Matratze fallen und wäre beinahe mit dem Messer in der Hand eingeschlafen. Müde verstaute ich das gute Stück in der Schublade meines Nachtschranks, bevor bei mir endgültig die Lichter ausgingen und ich relativ bald in einen unruhigen Schlaf fiel, der mich den Tag noch mal Revue passieren ließ. Nach acht Stunden der Quälerei, die mich eigentlich erholen sollten, gab ich es einfach auf. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, der Wecker zeigte zwölf Uhr mittags. Ich schlug meine Decke zur Seite, setzte mich auf und merkte, wie mein Kopf zu dröhnen begann. Die Beschreibung meiner Laune würde in diesem Augenblick den Rahmen der rationalen Titulierungen sprengen. Ich schleppte mich mit schweren Beinen aus dem Schlafzimmer, um mein morgendliches Ritual zu vollziehen. Im Spiegel erwartete mich Samara aus The Ring. Fehlten eigentlich nur noch die schwarzen Haare und der Anblick wäre perfekt. Meine Haut war blass, die Augenringe gingen quasi bis zum Kinn. Ich grummelte müde einige Flüche in mich hinein, während ich mein Gesicht wusch, die Zähne putzt und schließlich das Bad wieder verließ. Ein Blick durch den Spalt der Tür zum Wohnzimmer verriet mir, dass auch Tauren schon auf war. Ich klopfte leise gegen den Türrahmen, um ihn nicht zu erschrecken. Dann schob ich die Holztür ein Stück weit auf und begrüßte ihn leise mit einem "Guten Morgen".
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Ich erwiderte nur ein leicht angesäuertes "Nacht.", auf Cosmas Gutenachtwünsche, bevor ich die Hose noch loswurde und es mir mit den Kissen und der Decke bequem machte. Würde sie wohl kaum stören, wenn ich hier in Boxershorts schlief, wenn sie nackt vor mir rumtanzte, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Damit waren die Gespräche für die heutige Nacht beendet und ich fand auch ohne lange Umschweife in den Schlaf, wobei dieser so wie fast immer eher ein wenig unruhig ausfiel. Seit ich das erste Mal aus dem Schlaf hochgeschreckt war, weil sich Jemand Zutritt zu meiner Wohnung verschafft hatte, war ich irgendwie 24/7 auf Dauerabruf. War sicher ziemlich ungesund, aber deswegen Pillen zur Beruhigung einschmeißen wollte ich auch nicht. War halt einfach so, ich hatte mich daran gewöhnt. Mein Handy klingelte mich um fünf vor 10 aus dem Sofa, was ich mit einem leisen Grummeln quittierte. Ich zog mich ohne lange zu jammern an und machte mich ohne Jacke auf den Weg nach unten, um Ashton am Eingang der Bar zu begrüßen, wo mich die kalte Morgenluft empfing. Ihm während meiner morgendlichen Kippe mitzuteilen, was am gestrigen Tag passiert war und dass ich aber eigentlich nicht glaubte, dass jetzt tagsüber gleich der nächste Anschlag blühte. Dass ich allerdings wieder in der Tür nebenan verschwand, ließ er nicht unkommentiert. Unterstellte mir gleich die wildesten Geschichten, die ich kopfschüttelnd abwehrte, bevor ich wieder zurück in die Wohnung ging. Ich hielt es für unangebracht in ihr Schlafzimmer zu gehen und mir mein Messer einfach wieder zu holen, während die Rothaarige noch schlief. Würde das Vertrauen zu mir sicher nicht unbedingt steigern. Aber es war wichtig, dass die junge Frau sich mir bis zu einem gewissen Maß anvertraute, damit ich sie effektiv vor dem beschützen konnte, was sicher früher oder später noch folgen würde. Also machte ich es mir noch ein wenig auf dem Sofa bequem, kuschelte mich nochmal ein bisschen in die Decke und die Kissen ein, beschäftigte mich überwiegend mit meinem Handy, weil mir nicht recht nach Fernsehen war. Außerdem hielt ich noch ein kurzes Gespräch mit Hunter ab, der mich anrief um sich danach zu erkundigen, ob ich denn Alles hingekriegt hatte und wie der Rest der Nacht verlaufen war. Irgendwann einige Minuten danach kam der Rotschopf dann auch mit einem leisen Klopfen ins Zimmer, woraufhin ich den Blick vom Display anhob. "Morgen... gut geschlafen?", fragte ich in ruhigem, womöglich etwas müdem Ton nach. Mehr nur eine rhetorische Frage, weil ich nicht glaubte, dass sie nach den Eindrücken letzter Nacht gut geschlafen haben würde.
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Meinte er die Frage wirklich ernst? Ich hätte es ihm ja abgekauft, wenn er nicht gesehen hätte, wie ich aktuell aussah, aber da sein Blick sich vom Display abhob und in meine Richtung wanderte, schien er mich einfach verarschen zu wollen. Moment, Moment... Okay, ganz Ruhig, Cosma. Hier konnte niemand Geringeres, als die zwei Wichser vom letzten Tag etwas dafür, dass die Nacht so scheiße gelaufen war. Entsprechend wäre es nicht fair gewesen, dem jungen Mann jetzt auf den Schlips zu treten, nur weil er eine simple Frage stellte. Ich raufte mir müde die Haare, schüttelte dann den Kopf. "Nicht wirklich, nein. Und du? War die Couch okay?", beantwortete ich seine Frage und erkundigte mich zeitgleich nach seinem Wohlbefinden. Ich betrat das Wohnzimmer und ließ mich wenige Schritte später neben Tauren auf die Couch fallen. Es entging mir natürlich nicht, dass der junge Mann heute scheinbar schon außer Haus gewesen war. Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er in dem Shirt und der Hose von gestern geschlafen hatte. "Warst du weg?", hängte ich deshalb eine weitere Frage hinten dran, während ich die Beine an den Körper zog und mir einen Teil der Decke über die nackte Haut zog. Um diese Jahreszeit nur mit Shorts zu schlafen war nicht unbedingt die beste Lösung, aber in langen Schlafanzügen oder Pullover konnte ich schlichtweg nicht einschlafen. Genau aus diesem Grund lagerte ich in etwa drei dicke Decken in meinem Bett. Wenn ich also gar nichts besaß, aber mit Decken konnte ich um mich werfen. Während ich die Antworten auf meine Fragen abwartete, hatte ich meinen Blick auf meine Hände geheftet, bemühte mich stets darum, irgendwie ein wenig wacher zu werden. Aber vor meinem ersten Kaffee wurde das wohl nichts. Dafür musste ich mich aber erst mal dazu überreden, mich anzuziehen und runter in die Bar zu laufen. Vielleicht war eine Kaffeemaschine in der Wohnung doch keine so blöde Idee. Andererseits müsste ich dann erst einmal schauen, welche es werden sollte. Lieber im Laden kaufen oder online und worauf legte ich besonders viel Wert? Bevor ich mir diese Fragen stellen musste, ging ich doch lieber die paar Meter in die Smith and Wesson. Ehrlich gesagt freute ich mich gerade darauf, gleich unten in entspannter Atmosphäre das braune Elixier des Lebens in mich rein zu schütten und auch dem Frühstück war ich heute nicht abgeneigt. Für gewöhnlich war ich ja nicht der Mensch, der am Morgen etwas essen konnte. Aber da ich ja seit etwa acht Stunden mehr oder weniger wach war, hatte ich doch einen ziemlichen Hunger entwickelt.
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Ja, hatte ich auch nicht anders erwartet gehabt. Wie gesagt liefe bei ihr doch ziemlich was falsch, würde sie nach so einem Erlebnis einfach ruhig und selig vor sich hin schlafen können, aber nun gut. War halt so, konnte Niemand was dran ändern. "Hab' nicht schlechter geschlafen als sonst, also..", erwiderte ich mit einem Schulterzucken und sah währenddessen dabei zu, wie sie sich einen Teil meiner - ihrer - Decke klaute. War nicht weiter schlimm, weil ich eben schon angezogen war und deshalb nicht frieren würde, aber die Decke wegnehmen war trotzdem immer so eine Sache, auch wenn dadurch lediglich meine Seite nicht mehr bedeckt war. Allzu lange würde ich aber vermutlich ohnehin nicht mehr hier sein. "Ja... war nur kurz unten bei Ashton, er hat die Tagschicht.", schilderte ich Cosma knapp, warum ich mich bereits einmal aus dem Bett, beziehungsweise dem Sofa hatte quälen müssen und dass das an sich aber auch gar nicht lange gedauert hatte. Etwas mehr als die Dauer meiner Zigarette hatte es beansprucht, aber eben auch nur, weil der Typ sich entsprechende Bemerkungen nicht hatte verkneifen können. Ich brauchte aber keine Angst davor zu haben, dass er Hunter womöglich die Info stecken könnte. So waren wir nicht. Natürlich sagten wir dem Boss, was er wissen musste. Alles, was sich auf die Arbeit bezog und wichtig war, damit wir weiter funktionieren konnten. Aber wenn es um Sowas ging hielten wir für gewöhnlich zusammen, weil Niemand im Sinn hatte Irgendwen auszuspielen. Wir bezogen in der Rangordnung alle die gleichen Posten, es gab also absolut keinen Grund dafür. Schlicht und ergreifend waren wir ein gutes Team. "Ich wär' vermutlich auch gegangen, wäre da nicht so eine winzige Kleinigkeit, die ich noch vermisse...", stellte ich mit einem schiefen Grinsen fest und sah zu ihr rüber. Es sollte jetzt keine sofortige Aufforderung dazu sein, dass die junge Frau aufspringen und das Messer holen gehen sollte, weil ich es im Grunde jetzt auch nicht super eilig hatte, aber es entsprach schlicht der Wahrheit. Ich sah keinen wirklich Grund darin, mich länger bei der Auftraggeberin aufzuhalten, als für eine kurze Mütze voll Schlaf und entsprechende Wärme notwendig war. Es sei denn natürlich sie sprang weiterhin nackt durch die Wohnung, dann würde ich es mir vermutlich nochmal anders überlegen, obwohl das gar keine so gute Idee war. War nicht so, als hätte ich nie Sex, aber es war manchmal doch etwas schwierig überhaupt Zeit dafür zu finden, wenn man seine Zeit zu 75% mit der Arbeit und zu 25% mit Essen und schlafen investieren musste. Nutten wären die einfachste Lösung, kam für mich aber halt nicht in Frage. Fiel von Zeit zu Zeit also leider etwas spärlich aus, das Sexleben, aber das war für die gute Bezahlung von Tyr ein angemessenes Laster.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bei Taurens Worten löste sich mein Blick von den Händen und ich sah dem jungen Mann für eine kurze Zeit direkt ins Gesicht. Stimmt, da war ja was. Ich schmunzelte. Er hatte es nicht vergessen, ich auch nicht. Blöd nur, dass er das gerade jetzt sagte, wo ich es mir unter der Decke eigentlich recht gemütlich gemacht hatte, fast schon wieder wegnicken konnte. Was die Schlafposition anging, war ich nicht wählerisch. Würden die Muskeln im Schlaf nicht teilweise erschlaffen, wäre es für mich sicher auch kein Problem gewesen, stehend an einer Hauswand einzuschlafen. Aber gut, Tauren hatte heute sicherlich noch etwas vor. Seine Ablöse bedeutete ja, dass er jetzt Feierabend hatte. Ich schob also widerwillig die Decke wieder von meinen Beinen, um aufzustehen und erneut den Weg ins Schlafzimmer anzutreten. Ich angelte sein geleibtes Messer aus der Schublade neben meinem Bett, kam damit wieder ins Wohnzimmer getrottet, wo er förmlich darauf brannte, sein Herzstück wieder an sich nehmen zu dürfen. Ich blieb dieses Mal stehen, wollte ich mich ohnehin gleich fertig machen, um runter in die Bar zu gehen. War praktisch. Der junge Norweger hatte mich förmlich dazu gezwungen, meinen faulen Arsch wieder anzuheben und so war das Anziehen dann auch nicht mehr ganz so schwer, wie noch gedanklich vor ein paar Minuten. Ich streckte Tauren das Messer mit einem schiefen Grinsen entgegen. "Schade, dass es nur an dem Messer lag und nicht an meiner Gastfreundschaft, das du noch da bist. Ich dachte, wir frühstücken noch zusammen, trinken einen Kaffee und schauen uns schon mal schicke Kinderwagen für unseren künftigen Sprösslinge aus", witzelte ich übertrieben, ging auch ein gewisser ironischer Unterton mit dem Satz einher. Natürlich meinte ich das keineswegs ernst. Ich pflegte keinerlei Gedanken an eine Beziehung. Schon gar nicht mit einem mir völlig Fremden, der er ja noch immer für mich war. Nur, weil er jetzt eine Nacht in meiner Wohnung verbracht hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich mir meine Zukunft mit ihm ausmalte. Mal ganz abgesehen davon, dass ich dazu kaum noch in der Lage war. Wie bereits mehrfach erwähnt, war ich seit der letzten Beziehung ein ziemlich egoistischer Mensch geworden, mir war eigentlich nur wichtig, dass es mir gut ging und ich alles Nötige zum Leben hatte. Andernfalls hatte ich eben auch ein gewisses Maß an Erziehung genossen und in Frankreich wurde einem das ganz gerne auch mal mit einem Schlag auf den Hintern eingetrichtert. Demnach war es für mich mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit gewesen, Tauren einen warmen Schlafplatz anzubieten, obwohl mir das prinzipiell gar nichts brachte. Außer vielleicht ein paar Sympathiepunkte, wo wir wiederum beim Thema zwischenmenschlichen Beziehungen waren... es war einfach ein Teufelskreis. Heutzutage bekam man selten etwas angeboten, ohne das eine Gegenleistung erwartet wurde. Und ich fragte mich schon das ein oder andere Mal, warum die Menschen in der Hinsicht so verbissen waren. Konnte man nicht auch einfach mal nett sein? Selbst wenn mich Tauren an diesem Morgen als vollkommen Scheiße betitelt hätte, wäre mein Gewissen dennoch beruhigt, etwas Gutes getan zu haben. Wobei ich zugeben musste, dass diese Denkweise sich über die Zeit auch ein wenig zurück gezogen hatte. Egoistisch und nett konnte man schwer in einem Satz unterbringen. Nette Egoisten.. gab es sowas überhaupt? Ich schüttelte über den komplett absurden Gedanken nur schweigend den Kopf, hatte mich ein wenig selbst verloren, weshalb mir das Messer fast aus der Hand gefallen wäre. War doch eigentlich ein Zeichen dafür, noch einmal ins Bett zu gehen, oder? Nein. Ich hatte Hunger, wollte jetzt bald mal etwas essen.
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Da stand sie dann doch gleich auf. Hätte ich mir aber eigentlich doch auch schon denken können, als ich die Worte ausgesprochen hatte. War aber nicht schlimm, weil ich alles Andere als traurig darüber war, meine liebste Mordwaffe endlich wieder in die Arme schließen zu dürfen. Cosmas Kommentar zu der Übergabe ließ mich trotz der noch anhaltenden Müdigkeit - waren ja jetzt auch nicht einmal ganz sechs Stunden Schlaf gewesen, da durfte man gerädert sein - doch anfangen zu grinsen. War ja nicht so, als würde ich ihr Angebot mich hier schlafen zu lassen nicht schätzen. Ich war dem Rotschopf durchaus dankbar dafür, dass ich nicht bis vor etwas mehr als zwei Stunden unten in der Kälte hatte herumstehen müssen. Auch die Witzelei mit dem Frühstück und der Familienplanung nahm ich gelassen, erhellte es doch so ein kleines bisschen meine aktuell noch nicht ganz so freudige Stimmung. Ich war nicht grundsätzlich schlecht gelaunt am Morgen, nur einfach noch nicht ganz fit. "Frühstück und Kaffee, okay, lass' ich mir noch eingehen... aber für Kinder fehlt bisschen der Sex, hm?", stellte ich belustigt fest, als ich das Messer entgegen nahm und es mir einen Augenblick lang besah, bevor es schließlich in meine Hosentasche zurück wanderte. Dahin, wo es hin gehörte. Daraufhin stand ich dann auch auf, wollte mich auf den Heimweg machen und mir irgendwo auf dem Weg Kaffee und ein belegtes Brötchen mitnehmen - eben ein schnelles Frühstück. Ich musste noch ein paar wenige Dinge erledigen, bevor ich heute Abend wieder ran musste und bevor die Arbeit letzten Endes wieder rief, wollte ich gerne auch noch ein oder zwei Stunden Schlaf. "Nun denn, meine Zukünftige - es hat mich sehr gefreut, aber ich hab da so ein paar Verpflichtungen, die auf mich warten.", setzte ich sarkastisch zum Abschied an und bewegte mich dann an ihr vorbei in Richtung Flur, um dort Schuhe und die immernoch unschöne Jacke wieder an meinen Körper zu bringen. "Wir sehen uns heute Abend. Bis denn.", verabschiedete ich mich dann endgültig und hob kurz die Hand, bevor ich das Weite suchte und das Gebäude verließ.
- Zeitsprung aka Cet Äss -
Es war etwa gegen 22.30 Uhr, als ich gerade die Eingangstür der Bar aufschob. Ich schuldete Sabin noch einige Antworten, wenn ich denn auch wirklich meinen vollen Anteil von ihm kriegen wollte und so hatte ich alles andere Wichtige bereits den Nachmittag über verteilt erledigt, damit ich mich jetzt auch nicht hetzen musste. Nicht, als würde ich mir überhaupt von Irgendjemandem vorschreiben lassen, wann und wo ich mich jemals zu beeilen hatte, aber ich hasste es doch ziemlich, wenn mir die Zeit im Nacken saß. Konnte es schlicht nicht leiden, wenn ich noch X Punkte auf der Tagesliste - die meistens eher in der Nacht stattfand, aber gut - zu erledigen hatte und mir für ein Gespräch wie dieses dann die Ruhe fehlte. Deswegen hatte ich jenes Kriterium gleich im Keim erstickt und war ausnahmsweise relativ entspannt, als ich die ersten Schritte quer durch die Bar machte. Dabei glitt mein Blick zu dem Ex-Mafioso, der noch hinter der Bar stand und scheinbar noch ein oder zwei Kunden zu bedienen hatte, bevor er her kommen konnte. Ich wartete wiederum ja auch nicht gern, aber ich besann mich dennoch zur Ruhe, als ich die für mich allzu typische Lederjacke neben mir auf die Sitzbank legte. Lieber fror ich ein bisschen, als eine dieser dicken Winterjacken zu tragen, in denen man wie ein fetter Schneemann aussah. Nein danke, war nicht meins und kälteempfindlich war ich noch nie gewesen. Mein Tisch war heute frei und Cosma, die sich ebenfalls im Raum hin und her bewegte, sicher sehr froh darüber, dass ich dementsprechend nicht wieder lauter werden musste. Erst jetzt nahm ich auch wieder die Kapuze des Hoodies ab und legte auch die Cap, die darunter gesessen hatte, auf dem Leder der Jacke neben mir ab. Dann war es auch so weit, dass Sabin langsam den Weg zu mir fand und er schien tatsächlich keiner von der dummen Sorte zu sein, brachte er mir doch wieder ein angenehm kaltes Glas voll Whiskey. Ging natürlich auf seine Kappe, bezahlen würde ich hier gar nichts. Allgemein war es ziemlich lange her, dass ich Alkohol hatte bezahlen müssen. Er tat also gut daran, mir den Gefallen zu tun, das auch weiterhin nicht meine Sorge sein zu lassen. Wir redeten eine ganze Weile über alle möglichen Arten von Drogenbossen und Tickern, wobei ich manchmal doch auch weiter ausholte und ihm ebenso weitere Namen nannte, die er mit einem Einschreiten in bereits vorhandene Geschäfte unglücklich machen würde. Er machte sich nur stichpunktartige Notizen auf einem Zettel, die für das unwissende Auge nicht wirklich Etwas aussagten. Ich nannte ihm viele Namen, würde andernfalls also schwierig sein, sich Alles zu merken. Im Grunde genommen hatte ich sogar eine Art Vorschlag, womit er sich zu Beginn am wenigsten Feinde machen würde. Den größten Markt boten tatsächlich Crystal und darauffolgend eine komplett legale Droge. Meth war hier oben in Skandinavien nicht so verbreitet und die Nachfrage bis dato auch nicht so hoch, weil ganz einfach nicht viel da war. Aber auch da konnte ich Strippen ziehen, wenn es nicht auf Anhieb gut laufen sollte. Dahingegen wuchs die Nachfrage nach einem eigentlich normalen Medikament ziemlich rapide. Tilidin war im Grunde nur ein starkes Schmerzmittel mit euphorisierender Wirkung, das ganz ungünstiger Weise extrem schnell und leicht abhängig machte. Nachdem Ärzte aber grundsätzlich nur gewisse Mengen verschrieben, der Patient potenziell aber immer mehr und mehr brauchte um sich damit in den gewünschten Zustand zu versetzen, wäre das für Sabin ein leichtes Spiel. Nachdem mir bereits bekannt war, dass er der Hehlerei tätig war, würde es auch anfangs nicht allzu schwer sein, den Stoff nur zu klauen und weiterzukaufen, bis man die eigene Herstellung analysiert und perfektioniert hatte. Soweit zumindest meine Theorie zu der ganzen Drogengeschichte, was er schließlich daraus machen wollte war sein Bier - sofern er mir damit nicht unnötig viel Ärger auf den Hals hetzte, versteht sich. Ich würde nicht unzählige meiner Männer aufs Spiel setzen, weil er ein paar Leuten auf den Schlips getreten war, was ich ihm auch noch einmal deutlich machte. Allerdings verstummte ich sehr schnell, als eine laute Stimme aus Richtung der Bar kam. Cosma hatte scheinbar unliebsamen Besuch.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Tauren schien das alles genau so aufzufassen, wie es geplant gewesen war - nämlich mit Humor. Wäre jetzt blöd gewesen, wenn ich ihm in irgendeiner Hinsicht auf den Schlips getreten wäre. Dann hätte ich das Fettnäpfchen nämlich ausbaden müssen. Aber lief ja Gott sei Dank alles gut. Er nahm sein Messer mit Freuden entgegen und ließ es nach kurzer Inspektion sogleich in seine Hosentasche wandern, setzte langsam zum Aufbrechen an. Noch bevor er die Wohnung verließ, kommentierte er meine Aussagen mit der nötigen Portion an Ironie und Sarkasmus. Und ehrlich gesagt hätte ich am liebsten laut los gelacht, wenn ich nicht so tierische Kopfschmerzen gehabt hätte. Es war mir leider nur möglich, ein relativ leises Gackern darauf zu erwidern. Ja, für Kinder fehlte eindeutig der Sex. Wenn ich keine ganz so gefühlsduselige Person gewesen wäre, die tatsächlich Wert darauf legte, nur mit einem Mann in die Kiste zu steigen, für den sie auch Gefühle hegte, hätte ich ihm vermutlich gesagt, dass das, was noch nicht war ja noch werden könnte. Allerdings fehlten die Gefühle zu Tauren gänzlich und so wäre meine Antwort schlicht und ergreifend gelogen gewesen. Und Lügen sollte man bekanntlich ja nicht. "Da hast du wohl Recht", war also alles, was ich darauf antwortete, bevor ich ihm in den Flur folgte, ebenfalls zum Abschied die Hand hob. Stetig begleitet von einem breiten Grinsen, wartete ich, bis er halb aus der Haustür war. "Dann mal viel Erfolg und bis später", verabschiedete ich den jungen Mann schließlich verbal für die nächsten Stunden. Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, verschwand ich ins Schlafzimmer, um mich für den Tag fertig zu machen. Geduscht hatte ich ja gestern, Deoroller und Parfum musste also für heute reichen. Aus dem Kleiderschrank, der überwiegend aus schwarzen Shirts aller Nuancen bestand, angelte ich mir zur Abwechslung mal ein weißes Langarmshirt. Auf dem Weg ins Badezimmer schlüpfte ich zudem in meine schwarze Jeans und auch die Schuhe folgten wenig später, bevor ich mit gegebenen Mitteln versuchte, meine Augenringe ein wenig zu kaschieren. Da aber alles, was ich versuchte, mehr gewollt als gekonnt aussah, entschied ich mich spontan doch dazu, einfach nur das Übliche aufzutragen. Was soll's. Im dunklen Licht der Bar würden die Augenringe eh nicht gesehen werden. Es vergingen etwa zwanzig Minuten, bis ich der Meinung war, auf der Straße auch als lebendes Etwas erkannt zu werden. Ich wagte also diese zwei Schritte aus dem Haus, um vor der Bar erst einmal ein neues Gesicht zu begrüßen. Ashton übernahm also die Tagschicht. Na dann. Weil Ashton nun mal nicht mein Lebensretter war, musste er sich mit einem knappen Hi und einem mehr oder weniger freundlichen Handschlag als Begrüßung begnügen. Nur wegen dem Vorfall gestern, würde ich ganz sicher nicht meine Charakterzüge ablegen, würde Fremde weitgehend genau so behandeln, wie ich es immer tat. Ich schob mich also ansonsten wortlos an dem jungen Mann vorbei in die Smith and Wesson, um endlich meinen ersehnten Kaffee zu kochen und mir ein Brot zu schmieren. Nachdem ich also wohl gestärkt war, vertrieb ich mir mit Vorbereitungen und Bestellungen tätigen für den heutigen Abend ein bisschen die Zeit. Ich erwartete, dass es auf einen Freitag Abend voller werden würde, als gestern. Und dafür waren meine Vorräte einfach zu knapp. Die Stunden vergingen dann auch relativ schnell und ehe ich mich versah, war Sabin zu seiner Schicht angetreten, öffnete dahingehend auch die Türen der Bar für die Besucher. Hinter ihm traten schon die ersten Gäste in den Raum, die scheinbar sehnsüchtig darauf gewartet hatten, endlich rein kommen zu dürfen. Gegen 22.50 Uhr informierte mich der junge Italiener darüber, dass er Tyr inmitten der Menschenmassen ausgemacht hatte und mit ihm wegen dieser Sache ins Gespräch gehen würde. Ich persönlich hatte ja aufgrund des Andrangs an der Bar und der anhaltenden Müdigkeit ja nicht so den Durchblick. Ich nickte ihm zu, bestätigte ihm, dass ich es an der Bar alleine packte und er sich auf das Gespräch mit Tyr fokussieren sollte. Ich folgte Sabin mit meinem Blick und hob zur Begrüßung unseres Bekannten kurz die Hand. Ob er diese zur Kenntnis nahm oder nicht, konnte ich nur erahnen, denn durch die vielen Kunden war ich schnell wieder dabei, Drinks zu mixen. Die Zeit schritt weiter fort und als ich gerade den Shaker ansetzte, durchschnitt eine laute, mir nur allzu bekannte, Stimme den Raum, was mich unweigerlich zusammenfahren ließ. Mein erster absurder Gedanke war, dass es Tyr war, der sich wieder mal lautstark ankündigte, aber nach kurzer Überlegung war das gar nicht möglich gewesen, er war schließlich schon hier. Genervt schob ich die Augenbrauen tief ins Gesicht, versuchte den Störenfried ausfindig zu machen. Sollte nicht viel Zeit vergehen, bis ich sehen konnte, wer da um Aufmerksamkeit buhlte. Es tat sich inmitten der Bar eine Schneise auf, die Leute wichen vor jemanden zurück, der sich mit hochrotem Kopf und pochender Halsschlagader den Weg vor zum Tresen bahnte. Als ich durch das gedimmte Licht endlich ausmachen konnte, um wen es sich handelte, wäre ich am Liebsten im Boden versunken vor Scham. Wütend knallte ich den Shaker, der mir wenige Sekunden vorher fast aus den Händen geglitten war vor Schreck, auf die Arbeitsfläche, wäre fast über die Bar gesprungen, als meine verflossene Liebe den Posten bezog, den normalerweise Kunden nutzten, um sich ihre Getränke zu ordern. Es dauerte eine ganze Weile, bis aus Daiths wirren Worten schließlich ein zusammenhängender Satz geworden war. Er brüllte lautstark durch die Smith and Wesson, dass er das Alles nicht so stehen lassen würde. Kämpfen würde er um mein Herz, bis zum bitteren Ende. Dass das bitte Ende aber bereits vor mehreren Jahren war und mich schlicht und ergreifend in der Annahme bestätigte, dass er mal wieder vollkommen out of space war, schien ihn nicht wirklich zu interessieren. Im nächsten Moment, den ich nicht an Daith verschwendete, überlegte ich, wie es dieser blöde Wichser geschafft hatte, mir nichts, dir nichts brüllend in meine Bar gelaufen zu kommen. Wo war Tauren ab geblieben. Wäre es nicht seine Aufgabe, Leute, wie meinen Ex-Freund im hohen Bogen wieder vor die Tür zu setzen? Es schien, als wolle auch der heutige Tag kein gutes Ende mehr nehmen, denn Daith brüllte einfach weiter komplett kaputtes Zeug vor sich hin, ließ mich nicht einmal zu Wort kommen. Indessen hatten ein paar Gäste versucht, ihn mit ruhigen Worten oder leichten Tätscheleien am Arm wieder in die Realität zurück zu rufen. Ein Blick in seine Kristallblauen Augen verriet mir, dass das Kokain ihn so fest im Griff hatte, dass maximal ein Schlag ins Gesicht ihn noch beruhigen konnte.
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Tja, so war das Ganze nicht geplant gewesen. Ich hatte den völlig benebelten Typen schon vor ungefähr einer halben Stunde vom Eingang der Bar ferngehalten und dafür gesorgt, dass er das Weite suchte. So ruhig, wie es in seinem Fall möglich war, schien er doch keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen zu können. War völlig im Ragemood und ließ sich nur mit einem unangenehmen Schlag in die Magengegend dazu bewegen, sich wieder zu verpissen. Natürlich hatte ich keinesfalls damit gerechnet, dass der Kerl wieder zurückkam und das nicht allein. Konnte ja keiner ahnen. Bevor ich aber die Situation analysieren hatte können, setzten die anderen beiden mir noch unbekannten Gesichter auch schon dazu an, mich in die Mangel zu nehmen. Zeit, um Hunter zu mir zu rufen, war gar nicht gewesen. Während ich also damit beschäftigt war mich aus dem Griff der Größeren zu boxen und den Anderen mit Tritten auf Abstand zu halten, huschte das andere Ekelpaket an mir vorbei und hatte ehe ich mich versah die Tür der Bar passiert. Hätte ich gewusst, um wen es sich dabei handelte, hätte ich schon nach seinem ersten Besuch gehandelt und mich an Cosma und Hunter gewandt. Aber ich hatte ihn nur für einen zugedröhnten Vollidioten gehalten, dem ich sonst nicht weiter Beachtung schenken musste, weil ich es ganz einfach nicht besser wusste. Als ich mich wieder aus dem Würgegriff des Arschlochs bugsiert hatte, hielt ich die beiden bestmöglich mit dem Messer auf Abstand, den sie dann auch weitgehend einhielten. Hier in der Innenstadt wild mit einer Knarre rumzufuchteln war einfach nie gut, wenn normale Zivilisten in der nahen Umgebung waren. Aus der Situation rauskommen tat ich vorerst trotzdem nicht, hatten sie mich doch gekonnt an der Wand eingekesselt, um nicht zu sagen fest getackert.
Es war ziemlich offensichtlich und vermutlich für absolut jeden hier im Raum zu riechen, dass hier ganz eindeutig eine heftige Diskussion in der Luft lag, um nicht zu sagen ein Streit. Ich mochte Streit. Es war immer sehr interessant, wer bei rein verbalen Diskussionen am Ende als triumphierender Sieger hervorging, weil er das einschlagende Argument schlechthin gebracht hatte. Allerdings kristallisierte sich in diesem Fall sehr schnell heraus, dass der Kerl, der so wutentbrannt mit Worten um sich warf, nicht bei ein paar Sätzen bleiben würde. Wo zum Teufel war Tauren? Ich war eigentlich nicht hier, um seine Arbeit zu machen, sondern um mich wichtigeren Dingen zu widmen. Das allein ließ mich selber auch einen wütenden Gang weiter hoch fahren, weil ich es ganz einfach hasste, wenn Jemand unzuverlässig war. Dass er vor der Tür gerade alle Hände voll zu tun hatte, konnte ich ja dank der Musik hier drin nicht hören oder gar wissen, weshalb ich dem später auf den Grund gehen musste. Jetzt durfte ich mich also scheinbar erstmal selbst dem Idioten widmen, der der Meinung war die junge Frau am Kragen ihres Oberteils zu packen und unsanft mit dem Oberkörper auf die Theke zu ziehen, wofür sie sicher einige blaue Flecke ernten würde. Ich schenkte Sabin, der wohl ebenso wie ich in deren Richtung gesehen hatte, schon gar keine Beachtung mehr, als ich aufstand und mir während der zügigen Schritte die Ärmel des schwarzen Pullovers hochkrempelte. Wenn ich mich schon über Tauren ärgern musste, dann konnte ich dem Ärger doch jetzt wenigstens ein kleines bisschen Raum geben. Ohne ein Wort zu sagen schlug ich dem Kerl seitlich mit der rechten Faust in die Rippen, woraufhin er reflexartig von Cosma abließ und sich für einen Moment lang krümmte. Das ließ ihn scheinbar nur noch wütender werden und er fing wild an zu fluchen, bevor er ebenfalls mit den Fäusten ausholte. In seinem Zustand konnte er aber absolut nur davon träumen mich mit jenen Händen auch wirklich zu erwischen, war er doch im Gegensatz zu mir vollkommen unkoordiniert und offenbar auch nicht besonders geübt darin. Ich wich dem antrainierten Reflex zu Folge geschickt den schwingenden Fäusten nach hinten aus und packte mir schon im nächsten Moment seinen Nacken, um seinen Kopf gegen den Tresen zu schlagen. Ich ließ ihn dabei aber nicht los, sondern hielt seinen Schädel trotz der blutenden Platzwunde weiter auf der Theke fest, wogegen er sich jetzt nur noch deutlich schwächer wehrte. Es war nunmal einfach nicht gut, wenn man sich zugedröhnt prügeln wollte. Wusste ich aus eigener Erfahrung mit am besten, hätte ich ihm ein Lied von singen können, während er hier im schachmatt hing. Ich beugte mich nach vorne um seinem Ohr nahe genug zu sein, damit nur er die folgenden Worte deutlich verstehen konnte. "Hör mir mal zu, du verdammtes Stück Scheiße... Es ist mir vollkommen egal wer du bist, wo du her kommst und was du hier willst. Aber solange das hier mein Revier ist, wirst du diesen pubertären Mist woanders durchziehen, kapiert? Wenn ich dich hier nochmal sehe, kannst du dein Gehirn von der Hölle aus vom Boden kratzen, verstanden?!", knurrte ich ihm zischend ans Ohr, woraufhin er nochmal irgendetwas Unverständliches vor sich hin fluchte. "Ob du mich verstanden hast, hab ich gefragt..!", unterstrich ich noch einmal sowohl verbal, als auch mit einem begleitenden erneuten Stoß seines Kopfes gegen die harte Oberfläche der Bar, dass ich eine Antwort von ihm erwartete. "Jaja, von mir aus.", war allerdings Alles, das er mir eingestand. Nicht zufriedenstellend, wirklich nicht. Ich könnte ihn natürlich hier vor allen Augen weiter verprügeln, aber mir hing noch im Hinterkopf, dass der Rest der Leute hier ja leider ziemlich normal war. Deshalb beschloss ich ihn an der Rückseite seiner Jacke hinter mir her aus der Bar zu schleife, um ihm draußen noch den einen oder anderen Schlag und Tritt zu verpassen. Die anderen Gäste bildeten alle mindestens einen gefühlten Kilometer Abstand zu mir und dem zappelnden Kerl an meinem Arm, was ich doch sehr begrüßte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Auf einer Skala von eins bis zehn wollte ich gerade in etwa zwölf meinen Kopf in den Sand stecken. Die ganze Sache war mir super peinlich, hatte ich doch gedacht, dass mich Daith endlich in Ruhe lassen würde. Wenn ich so darüber nachdachte, häuften sich in den letzten Tagen unangenehme Situationen, denen ich am liebsten aus dem Weg gegangen wäre, aber gut. Konnte man wohl nichts machen, außer zu versuchen, dem Ganzen Einheit zu gebieten. War gegenüber dem zugekoksten Vollidioten aber gar nicht so einfach, wie ich feststellen musste. Als Daith mir endlich Raum für ein paar Worte ließ, konnte ich gar nicht so schnell gucken, wie er mich am Kragen gepackt hatte und über den Tresen zerrte. Aufgrund der Tatsache, dass ich damit nun wirklich nicht gerechnet hatte, verlor ich ungeahnt schnell das Gleichgewicht, was zur Folge hatte, dass mein ganzes Gewicht sich ungehalten auf die Ecken und Kanten meiner Arbeitsplatte und des Tresens verteilten. Vor Schmerz fluchend, versuchte ich mich aus Daiths Griff zu winden, aber die Art von Griff hatte ich gestern schon spüren dürfen. Ergo, war kein Entkommen möglich. Erst als Tyr sich aus seiner Ecke erhob und in die Auseinandersetzung einschritt, ließ Daiths von mir ab. Wohl auch nur, weil er selber ein gutes Stück von der Bar weg gezogen worden war, die Diskussion jetzt zwischen ihm und Tyr lief. Vor meinem geistigen Auge sah ich bereits einen weiteren Toten Körper inmitten der Smith and Wesson liegen, aber es schien, als würde sich der breit gebaute junge Mann gut überlegen, was er als nächstes tun würde. Klar war das auch nicht unbedingt legal, jemanden so zuzurichten, dass er mit einer Platzwunde und einer gebrochenen Nase die Bar verließ, stand aber deutlich weniger Strafe drauf als für Mord. Und da er nachweislich durch mehrere Dutzend Anwesenden nur zu Verteidigungszwecken gehandelt hatte, würde ihm das sicher keiner übel nehmen. Mit einem Sicherheitsabstand zur Theke, beobachtete ich das Szenario gespannt, mindestens aber genau so genervt. Ich hatte das Thema Daith schon lange abgehakt. Er hatte sich dazu entschieden, mich zu verlassen, das war nicht auf meinem Mist gewachsen. Und jetzt stiefelte er hier einfach so in meine Bar, zugekokst bis oben hin und war der Meinung, so meine Gunst wiederzuerlangen? Was stimmte denn mit ihm nicht? Also natürlich neben dem ganz offensichtlichen Drogenproblem, dass er seit der Trennung zu haben schien. Tyr machte ihm, auch wenn ich es aufgrund der Akustik leider nicht selbst hören konnte, ziemlich unmissverständlich klar, dass er sich aus der Bar zu verpissen hatte. Meine verflossene Liebe schien das fürs Erste gar nicht als eine Drohung zu sehen, provozierte einfach weiter, woraufhin die Resonanz nicht lange auf sich warten ließ. Ich war schon drauf und dran, eine meiner Bierflaschen nach ihm zu werfen, aber es schien, dass er es mit dem letzten Schlag auf die hölzerne Oberfläche meines Tresens dann doch langsam kapierte. Um aber auch ganz sicher zu gehen, dass er die Smith and Wesson augenblicklich verließ, eskortierte der Boss meiner eigentlichen Personenschützer Daith vor die Tür. Mit wütenden Schritten war ich ihnen gefolgt, wollte vor der Tür noch etwas Wichtiges loswerden. Die Kundschaft beruhigte sich allmählich wieder, die Horde, die sich um das Spektakel gebildet hatte, löste langsam wieder auf. Vor der Tür angekommen, zerrte ich Daith förmlich aus Tyr' Händen. Da der Gute schon relativ lädiert war, stellte es selbst für mich kein Problem dar, ihn gegen die Hauswand zu stoßen, nur um kurz darauf zu einer Schlag mitten ins Gesicht anzusetzen. Ich hatte die Rechnung leider ohne die Wirkung des Kokains gemacht und fing mir aus dem Grund leider auch einen Hieb von ihm ein. War hart genug, dass ich mir auf die Lippe biss und somit ein wenig Blut floss, brachte mich aber nicht ansatzweise aus der Fassung. Die angestaute Wut über seinen Besuch, der Gedanke an gestern und die Tatsache, dass ich einfach meine Ruhe haben wollte, ließen mich in der Reihenfolge Zwerchfell, Magen und Hoden mit wütenden Schlägen bearbeiten. Spätestens bei Letzteren sackte Daith in sich zusammen, röchelte und schnappte nach Luft. Ich hingegen wusste gar nicht wohin mit so viel Sauerstoff. Mein Brustkorb und Schultern hoben und senkten sich hastig, das Adrenalin gab mir den Energieschub, den ich heute früh zum wach werden hätte gebrauchen können.
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Zugegeben hatte ich das Arschloch draußen ziemlich schnell losgelassen, weil sich meine Aufmerksamkeit stattdessen auf Tauren richtete, der da in misslicher Lage in der Patsche saß, wie mir schien. Das erklärte zumindest, warum er den Pöbel hatte vorbeilassen müssen und ich zog es auch vor, ihn halbwegs unverletzt - ein paar Schläge zählte ich persönlich nicht als Verletzung, weil es weit schlimmeres gab - aus der Sache heraus zu kriegen, als dass er sein Leben mit einer undurchdachten Attacke hier aufs Spiel setzte. Ich nahm im Augenwinkel noch wahr wie der Rotschopf sich selbst ihrem unschönen Besuch widmete, als ich mich um das restliche Gesocks zu kümmern begann. Dem einen trat ich mit tief ins Gesicht gezogenen Augenbrauen in die Kniekehle, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er sich jetzt mir oder weiterhin Tauren widmen sollte, was zwangsläufig in seinem Fall endete. Der Andere kommentierte das mit Zurückweichen, was mein Handlanger sofort dazu zu nutzen wusste sich wieder nützlich zu machen und ihm mit ein paar gezielten Schlägen zu kontern. Ich selbst konzentrierte mich aber weiter auf den Kerl zu meinen Füßen, der gleich darauf zwei ziemlich schwungvolle Tritte am Oberkörper kassierte, was lautes Ächzen in ihm auslöste. Um es kurz zu machen - die Sache war fast schneller geklärt, als sie überhaupt angefangen hatte und die beiden trollten sich mit blutenden Lippen, ein paar Einschnitten in der Haut und gebrochenen Rippen dann doch zügig zurück zu dem Loch, aus dem sie offenbar gekommen waren. Der Dunkelblonde selbst lehnte sich unweit von mir erst einmal an die Hauswand und hielt sich die linke Seite, die offenbar was abgekriegt hatte. Dem schenkte ich aber gar nicht zu viel Beachtung, wendete mich stattdessen wieder Cosma und dem eigentlichen Problemkind zu. Sie schien gute Arbeit damit geleistet zu haben, ihm selbst auch noch gehörig Einen mit auf den Heimweg zu geben, bewegte er sich doch jetzt nur noch wenig bis gar nicht, als er da wie ein geschlagenes Kind vollkommen fertig am Boden saß. In Beurteilung dessen legte ich eine Hand an die Schulter der jungen Frau, um sie ein wenig von ihm weg zu ziehen. Nicht grob, aber doch bestimmt. Es würde uns vermutlich nicht wirklich Etwas bringen, wenn wir ihn noch weiter in die Mangel nahmen, würde er höchstwahrscheinlich durch den Rausch morgen ohnehin nicht mehr wissen, was er überhaupt getan hatte. Sollte dem wirklich so sein und er deswegen doch noch einmal hier aufkreuzen, tat mir das herzlich leid für ihn - nicht -, aber nochmal kam er nicht lebend aus der Geschichte raus. Da gab es keine Ausnahmen. Wenn ich mit leeren Drohungen anfing würde mich schon sehr bald Niemand mehr ernst nehmen und das wusste ich tunlichst zu verhindern. Vielleicht würde ihm die Schmerzen aber ja gedanklich auf die Sprünge helfen. "Geh' wieder rein... und nehm' Tauren mit.", forderte ich die Inhaberin der Bar dazu auf, von ihm abzulassen und sich wieder ihrem Geschäft zu widmen, soweit das für sie eben jetzt möglich war. Sabin hatte sich inzwischen sicher wieder an die Bar bewegt, sie könnte also bestimmt ein paar ruhige Minuten für sich beanspruchen, solange ich den Kerl noch ein paar Meter weit von der Bar weg schleifte. Hier sitzen bleiben würde er jetzt nämlich ganz sicher nicht.
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Erst als Tyr mich behutsam an der Schulter berührte, wandte ich den Blick, der voller Wut und Hass auf Daith ruhte, von eben jenem ab. Weil ich langsam merkte, dass der Blutrausch auf den Kreislauf schlug, zwang ich mich dazu, meine Atmung zu normalisieren - zumindest, so weit es mir möglich war. Als Zeichen des Verständnis nickte ich Tyr kurz zu, setzte mich kurz darauf auch schon in Bewegung, um den ebenfalls lädierten Tauren abzuholen. Daith würdigte ich mittlerweile keines Blickes mehr, wollte ich doch jetzt einfach meine Ruhe haben. Das Pochen meiner Lippen verleitete mich dazu, mir mit der Hand die Wunde abzutasten. Zischend, weil die Wunde eventuell nicht mit den Bakterien an meiner Hand in Kontakt hätte kommen sollen, trottete ich gemeinsam mit meinem Personenschutz die Bar. Sabin hatte Stellung hinter der Bar bezogen, weswegen ich meine Pause für heute vorziehen würde, um mich sowohl um meine, als auch um Fahrens Wunden zu kümmern. Die Blicke einiger Besucher hafteten auf uns, als wir durch die Nur für Mitarbeiter Tür in den hinteren Teil der Smith and Wesson gingen. Dort hatte ich neben einem Erste Hilfe Kasten auch Kühlakkus in den Gefrierschränken, womit Tauren und ich den blauen Flecken zumindest etwas vorbeugen konnten. Selbstgefällig wie ich war, kümmerte ich mich natürlich erst einmal um mich selbst. Lag nicht zuletzt daran, dass diese Wunde deutlich weniger zeitintensiv war, als die, die mein Mitstreiter hatte davontragen müssen. Ich säuberte meine Lippe lediglich mit etwas Desinfektionsmittel, bevor ich mich dem jungen Mann widmete, dem ich wortlos bedeutete, sich auf einen der Stühle im Pausenraum zu platzieren. Zum ersten Mal, seit der Auseinandersetzung mit Daith, setzte ich zum Reden an. "Ich habe mich schon gewundert, wo du bleibst", murmelte ich in einer relativ neutralen Stimmlage. Aber gut, man konnte es ihm nicht verübeln, dass er es nicht rechtzeitig zur Party geschafft hatte, sah er doch ziemlich mitgenommen aus. Ich war mir sicher, er hatte draußen sein Bestes getan, um nicht noch mehr Idioten in die Bar zu lassen. Und dafür war ich ihn auch dankbar. Dennoch steckte die Konfrontation mit Daith tief in meinen Knochen. Für so viel Stress auf einmal war ich definitiv zu alt geworden. Nun wollte ich für's Erste nicht weiter über die Sache reden, kümmerte mich mehr darum, Taurens Wunden zu versorgen. Wie eine Mutter, die keinen Widerspruch zuließ, versorgte ich unaufgefordert offene Wunden mit Desinfektionsmittel und Pflastern. Für die Hämatome hatte ich eines der Kühlakkus geholt, reichte dieses an den jungen Mann weiter. Mehr konnte ich erst einmal auch nicht tun. Resigniert und überfordert mit den letzten zwei Tagen, ließ ich mich neben ihm auf einem freien Platz nieder, stützte den gefühlt Tonnen schweren Kopf auf den Händen ab. Während ich mich so krümmte, erinnerten mich auch meine blauen Flecken daran, dass ich noch nicht alle meine Wunden geleckt hatte. War mir, um ehrlich zu sein, in dem Moment vollkommen egal gewesen. "Was eine Scheiße", fluchte ich leise vor mich hin, schüttelte fassungslos den Kopf.
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Schien heute wirklich nicht mein Tag, beziehungsweise meine Nacht zu sein. Heilfroh darum, dass der Spuk jetzt erst einmal ein Ende zu haben schien, lehnte ich mich schließlich mit vollkommen leer gefegtem Kopf an die kalte Hauswand und tastete unter der Jacke meine Rippenbögen ab. Fühlte sich nicht so an, als ob eine davon gebrochen wäre - was ich auch schon hatte erleben müssen -, aber eine satte Prellung hatte ich wohl dennoch davongetragen und würde diese sicher auch noch einige Tage lang bei jeder Bewegung deutlich spüren. An meinem linken Wangenknochen war durch einen Schlag eine kleine Platzwunde entstanden, die fröhlich vor sich hin blutete, als Cosma mich zum reingehen aufforderte. Erst zu diesem Zeitpunkt versuchte ich meine Gedanken wieder ein wenig zu sortieren, blendete die Gäste an denen wir drinnen vorbeigingen dabei aber gekonnt aus. Die Blicke störten und kümmerten mich auch nicht. War nicht das erste Mal, dass ich Etwas hatte einstecken müssen und danach förmlich angestarrt wurde. Sabin hatte die Situation an der Bar scheinbar gut unter Kontrolle, was ich nur beiläufig mitbekam, bevor ich mich weiter in den hinteren, privaten Bereich der Bar schleppen ließ. Während die Rothaarige noch mit ihren eigenen Wunden beschäftigt war zog ich meine Jacke aus und hob den Sweater darunter an, um mir die Rippen zu besehen, die langsam blau anzulaufen begannen. Noch einmal tastete ich diese vorsichtig ab, wobei ich scharf die Luft einzog. Dann nahm ich auf dem Stuhl Platz, auf dessen Lehne ich schon meine Jacke abgelegt hatte, nahm auch den Kühlakku entgegen und schenkte ihren Worten Gehör. "Ich dachte nicht, dass er nochmal zurück kommt... er war vorhin schonmal da, aber allein. Fand er wohl nicht so lustig, dass ich ihn nicht reingelassen hab..", murmelte ich teils schmerzverzerrt vor mich hin, während die junge Frau sich um den Cut an meiner Wange zu kümmern begann. Es sollte gar keine Rechtfertigung sein, mehr nur eine Erklärung dafür, warum der Junkie es überhaupt erst so weit geschafft hatte. Ich nickte Cosma zum Dank leicht zu, als sie mit der Wundversorgung fertig zu sein schien und lehnte mich bei ihren folgenden Worten mit der Hand am Kühlakku an meinen Rippen ein wenig nach hinten. "Kannst du laut sagen.", seufzte ich leise, wobei ich für den tieferen Atemzug gleich wieder einen stechenden Schmerz seitlich am Oberkörper kassieren durfte. Im Anschluss glitt mein Blick zu der Tür, durch die wir reingekommen waren, weil sie erneut aufging.
Mein stechender, gereizter Blick folgte den beiden Lädierten noch bis sie im Inneren des Gebäudes angekommen waren, bevor er sofort zu dem Häufchen Elend am Boden glitt. Wie konnte man eigentlich so tief sinken? Auch vom offensichtlich zu starken Drogenkonsum einmal abgesehen war es mir ein absolutes Rätsel, wie man so eine Show abziehen konnte, ohne sich in Grund und Boden zu schämen. Zugegeben war ich vermutlich so gar nicht der richtige Ansprechpartner in Sachen Liebe, aber selbst wenn ich noch irgendwann in meinem Leben die Ehre mit diesem Gefühl haben sollte, das einen einfach nur verweichlichte wie mir schien, würde mir Sowas hier ganz sicher nicht passieren. Es war nicht zu überhören gewesen, dass der Kerl, den ich jetzt vom Boden hochzog, um ihn direkt im Anschluss am Oberarm zu packen und einige Meter weit von der Bar wegzuführen, Gefühle für Cosma hegte, die nicht mehr erwidert wurden. Schien mir auch nicht so, als stünde zwischen den beiden noch irgendetwas Ungeklärtes, sondern viel mehr so, als könnte der Kokstrottel nur einfach nicht loslassen. Lächerlich. Erbärmlich. Schwach. Mit den Worten "Nochmal und das wars für dich, du Pisser.", gab ich Daith noch einen unsanften Schubs nach vorne, bei dem er beinahe direkt wieder hinfiel und sich nur gerade so noch auf den Beinen halten konnte, um sich dann humpelnd und an die Hauswände neben ihm stützend davon zu machen. Ich blieb noch ein paar Sekunden lang stehen, um sicher zu gehen, dass er es sich nicht noch einmal anders überlegte und doch wieder zurück kam, weil er ja noch nicht impotent war und noch weitere Tritte und Schläge abkonnte. Oder Messer. Oder Kugeln. Größenwahnsinn war bei Drogenkonsum ja auch keine Seltenheit. Jedenfalls schien er ebenso wie seine anderen zwei Deppen verstanden zu haben und deshalb wandte ich mich dann auch ab, um zurück in die Bar zu gehen. Noch auf dem Weg dahin zückte ich mein Telefon, um einen meiner eigenen Handlanger anzurufen, damit Tauren von hier weg kam. Er wohnte nicht unbedingt nah und sollte sich nicht mit den Verletzungen nach Hause schleppen. Davon hatte ich genauso wenig wie er, wenn er dabei von Jemandem erkannt und womöglich noch einmal attackiert werden würde. Gab ja auch nicht wenig Leute, die auf mich sauer waren und deswegen natürlich lieber auf einen gehandicapten Mittelsmann, als mich selbst zugriffen, um ein wenig Dampf abzulassen oder Streit anzuzetteln. Noch im selben Moment, als ich die Tür zur Bar wieder aufschob, wanderte das Smartphone zurück in die Hosentasche und ich machte einen kurzen Zwischenstopp bei Sabin, um mich danach zu erkundigen, ob er die Situation für einen Moment lang selbst im Auge behalten konnte. Zwar würde vermutlich jetzt kein weiterer Prügelknabe oder Ex-Freund mehr hier rein spazieren, aber er sollte einfach neben der Arbeit ein Auge auf die Tür haben. Der Italiener nickte das ab, bevor ich weiter nach hinten ging, um die zwei Patienten aufzusuchen. Ich sagte erst einmal gar nichts, als ich bei ihnen ankam, sondern nahm nur Taurens Kinn in die Hand, um seinen Kopf in meine Richtung zu drehen und mir die Platzwunde in seinem Gesicht mit akribischem Blick zu besehen. Schien aber nichts Wildes zu sein, wurde gut vom dem kleinen Pflaster zusammengehalten und hatte auch aufgehört zu bluten, weshalb ich ihn wieder losließ. Sein eigener Blick war dabei recht weich, um nicht zu sagen unterwürfig. Womöglich fürchtete er eine Ordnungsschelle, obwohl die in diesem Fall nicht angebracht war. Wenn ich besoffen war könnte es vielleicht mal vorgekommen sein, dass ich aus Wut über eine Situation zu unrecht zugeschlagen hatte. Aber von den zwei Schlucken Whiskey vorhin war ich nicht ansatzweise im Delirium, also alles im mehr oder weniger grünen Bereich. "Johnson wird dich gleich abholen.", berichtete ich Tauren stattdessen, wobei meine Stimme noch immer gereizt klang, was sich aber weder auf ihn, noch auf Cosma bezog, sondern mehr nur auf den ungebetenen Gast von gerade eben. Der Dunkelblonde nickte nur leicht, ehe ich meine Augen zu der Barchefin wandte. "Kreuzt der hier öfter auf, um dir mit Schlägen seine Liebe zu zeigen?", fragte ich, wobei doch ziemlich viel Hohn in meiner Stimme mitschwang. Einfach nur lächerlich der Typ.
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"Das sollte kein Vorwurf sein", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. Ehrlich, ich glaubte Tauren, dass er sein Bestes getan hatte und selbst wenn nicht, mein Gott, war er halt auch nur ein Mensch, dem Fehler unterliefen. Mein Blick ruhte eine ganze Weile nur auf einem unbestimmbaren Punkt inmitten des sonst so leeren Raumes. Erst, als ich Schritte vernahm und die Tür zum Pausenraum sich erneut öffnete, hob ich den Kopf wieder an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Tyr uns folgen würde, um noch einmal nach dem Rechten zu sehen. Eher dachte ich, dass Tauren gleich die nächste Faust kassieren würde, als sein Boss mit einem gereizten Blick ein paar zügige Schritt auf ihn zu tat. Konnte ja sein, dass der aufbrausende Raudi es nicht gerne hatte, wenn seine Mittelsmänner bei ihrer Arbeit versagten. Mein Körper spannte sich gänzlich an, als Tyr das Gesicht seines Handlagers zwischen die Finger nahm. Ich wollte schon aufspringen und los schreien, dass der junge Mann keine Schuld dran hatte, dass das alles ein wenig aus dem Ruder gelaufen war. Aber ich besann mich eines Besseren und tat lieber gar nichts, bevor ich mich wieder zwischen die Fronten begab. Außerdem stellte sich zu meiner Überraschung heraus, dass es gar nicht zu einer erneuten Auseinandersetzung kommen sollte. Ganz im Gegenteil. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sich dieser scheinbar gefühlskalte, charakterlich absolut widerliche Kerl so sehr um seine Mitstreiter sorgte. Man sah es mir wohl auch deutlich an, dass ich mehr als nur verdutzt war, herrschte in meinem Oberstübchen doch gerade ein gewisses Maß an Verwirrung. "Und wer bleibt dann hier?", stieß ich das Erste, was mir dazu in den Sinn kam, heraus. Kurz darauf fuhr ich mir mit der Hand und deutlich überhöhter Geschwindigkeit an die Stirn. "Sorry, Tauren. Ich wünsche dir natürlich alles Gute und das du dich gut erholst. Ich wollte nicht so taktlos sein", bat ich um Verzeihung, weil ich doch merkte, wie egoistisch das eigentlich rüber kam. Ich wandte mein Blick ein wenig beschämt von den beiden jungen Männern ab. Er hatte Schläge und Tritte eingesteckt für mich und für die Bar, da fand ich es nicht wirklich fair, es ihm auf diese Art und Weise zu danken. Aber wie bereits erwähnt, war ich aktuell nicht mehr so wirklich klar im Kopf, brauchte für alles, was normal flüssig von der Hand lief, deutlich länger. So eben auch bei diesem gewissen Takt. Da ich beim Weggucken scheinbar eine Bewegung zu viel machte, krümmte ich mich kurz darauf ein wenig vor Schmerzen, meldete sich das Hämatom, dass es auch gerne gekühlt werden wollte. Zischend erhob ich mich daher von meinem Platz, um an den Gefrierschrank am anderen Ende des Raumes zu laufen. Ich fischte eines der übrig geblieben Kühlakkus heraus, um es weniger später der schmerzenden Stelle zuzuführen. Herrlich... tat das gut, als der Schmerz unter der Kälte des Gelkissens zumindest etwas nachließ.
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Tauren winkte auf Cosmas Worte hin nur mit einem "Schon gut... danke.", ab. Er war nicht der Typ Mensch dafür, schnell etwas in den falschen Hals zu bekommen oder beleidigt zu sein. Tatsächlich viel mehr einer der wenigen meiner Männer, bei dem ich mir nicht sicher war, ob er nicht vielleicht einfach zu gut für einen Job in dieser Richtung war. Natürlich konnte er auch anders, wenn es die Situation erforderte, sonst wäre er wohl schon lange nicht mehr am Leben, aber er passte trotzdem nicht in das typische Bild meiner Schläger, weshalb ich ihn hin und wieder doch etwas genauer kontrollierte, als es bei anderen der Fall war. Tauren war eben auch noch einer der Jüngsten und bekam mitunter deswegen ab und zu eine extra Trainingseinheit aufgedrückt, wenn mir der Sinn danach stand. Er mochte körperlich fit sein, aber sein Kopf musste meiner Meinung nach noch ein ganzes Stück weit abstumpfen. Zimperlich war ich bei ihm also noch weniger als bei Anderen. Aber wie dem auch sei. "Ich bleibe.", beantwortete ich Cosmas Frage, atmete im Anschluss daran einmal ein wenig tiefer durch, weil sämtliche meiner Sinne unnötigerweise noch immer ziemlich auf Angriff gepolt waren. Die Gefahr - die ich eigentlich beim gedanklichen Revue passieren lassen nicht einmal wirklich als solche einstufen würde - war gebannt, ausnahmsweise auch mal keiner gestorben, den ich jetzt von der Wand kratzen musste, also war es vermutlich Zeit dafür, sich langsam zu entspannen. Leichter gesagt, als getan in meinem Fall. Auch der Alkohol, der seine Bahnen durch mein Blut zog, half da nicht wirklich, war es dazu doch schlicht noch viel zu wenig. "Sabin hat was er wollte und ich hatte außer einem Glas Whiskey keine Pläne mehr für den Abend. Wenn ich also schonmal hier bin, kann ichs auch selbst machen. Dann passiert sowas auch ganz bestimmt nicht nochmal.", fügte ich meinen vorherigen Worten eine kurze, sehr simple Erklärung an und bedachte Tauren dabei noch mit einem kritischen Blick, der diesen aber gekonnt mied und weiter auf die Tischplatte starrte. Ansonsten war ohnehin auch nur Johnson frei, der aber gleich mit dem Dunkelblonden beschäftigt sein würde. Auch, wenn das nicht zu lange dauern würde, hielt ich es schlicht für unnötig, ihn dann ein weiteres Mal herkommen zu lassen. Ich war ohnehin bei dem eher nachtaktiven Anteil der Menschheit einzuordnen, lange wach bleiben war also kein Problem. Zwar würde ich mir weiß Gott nicht den Arsch da draußen abfrieren und mich vor die Tür stellen, weil das schlicht unter meiner Würde lag, aber ich konnte zur Ausnahme einen Tisch beziehen, der näher an der Eingangstür war und Alles, was mir verdächtig vorkam, sofort wieder rausschmeißen. Ohne Wenn und Aber, ohne Punkt und Komma. Meine Augen wanderten wieder zu Cosma, während ich die Arme vor der Brust verschränkte. "Deine Nicht-Antwort und deine Verwirrung werte ich übrigens als Nein.", meinte ich doch fast ein kleines bisschen amüsiert. Das Auftauchen ihres Ex-Freundes schien ganz augenscheinlich nämlich ein wenig das Hirn der jungen Frau aus dem Takt gebracht zu haben, konnte also kaum alle paar Tage vorkommen, dass er hier aufkreuzte. Langsam aber sicher schien es mir doch wirklich angebracht, dass sie sich um ein paar Securitys bemüht hatte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Gut, sollte mir nur Recht sein. Jeder der heute Anwesenden hatte mitbekommen, zu was Tyr in der Lage gewesen war und das er auch nicht der Geduldigste von allen war. Ich ging also davon aus, dass der Rest des Abends relativ ruhig verlaufen würde. Wer jetzt noch auf die Idee kam, aus der Reihe zu tanzen, der hatte einfach die Lust am Leben verloren. Gerade nach einer solchen Auseinandersetzung schätzte ich den Geduldsfaden des jungen Mannes als ziemlich dünn ein, würde sicher nicht viel fehlen, um ihn noch einmal so richtig hoch fahren zu lassen. Ich nickte ihm als Zeichen des Verständnis daraufhin kurz zu, war okay für mich, dass der Chef höchstpersönlich heute Taurens Schicht übernehmen würde. Sollte der es sich Zuhause gemütlich machen und seine Verletzungen ordentlich heilen lassen, bis er sich hier wieder blicken ließ. Auf Tyrs letzte Aussage reagierte ich ein wenig verdutzt. Hatte er mir etwa eine Frage gestellt? Mein Gott, in meinem Kopf drehte sich alles. Erst, als ich aktiv die letzten Sekunden, Minuten vor meinem geistigen Auge von Neuem abspielte, realisierte ich, dass Tyr mir tatsächlich eine Frage gestellt hatte, die ich bis dato unbeantwortet gelassen hatte. "Oh, sorry." Ich fasste mir mit einer Hand an den Kopf, hielt mit der anderen noch immer den Kühlakku fest. "Kam tatsächlich noch nicht so oft vor, nein. Seit der Trennung war er nur einmal da gewesen, hat gestunken wie eine ganze Kneipe", holte ich die verloren gegangene Antwort nach. "Scheint so, als hätte ihm der Alkohol nicht mehr gereicht.", fügte ich noch ein paar weitere Worte hinzu und realisierte dabei, dass ich und Daith gar nicht so verschiedene Wege eingeschlagen hatten, als es Aus mit uns gewesen war. Er hatte sich dem Alkohol hingegeben, ich den Drogen. Der einzige Unterschied war wohl, dass ich es geschafft hatte, mein Leben auch ohne ihn wieder lebenswert zu gestalten. Seine naive Seele hingegen schien immer noch nicht verkraftet zu haben, dass mir materielle Dinger einfach wichtiger gewesen waren. Und mit materiellen Dingen war ausschließlich die Smith and Wesson gemeint gewesen. Sie war einfach mein Baby gewesen. Ich war stolz auf das, was ich nach der Ausbildung geschafft hatte und Daith verlangte einfach zu viel von mir, als er mich vor die Wahl stellte. Die Entscheidung war mir damals leicht gefallen, schließlich war die Bar nie so nervig und aufdringlich gewesen, wie er es immer gewesen war. Ich erinnerte mich noch an den Tag zurück, als wäre es erst gestern gewesen, wie der geknickte und in seinem Stolz verletzte junge Mann die Bar verlassen hatte, den Kopf angezogen, als wäre er getreten worden. Mit Daith verschwanden dann auch gewisse Emotionen wie Freude, Trauer und eben auch die Eigenschaft, zu lieben. Es war ja nicht so gewesen, als wäre mir mein damaliger Freund nicht wichtig gewesen. Mir lag viel an seinem Wohlbefinden und an unserer Beziehung. Aber von meinem Baby, mit dem ich über die Jahre immer weiter expandiert war, konnte ich mich einfach nicht trennen. Was nun mal zur Folge hatte, dass Daith einen anderen Weg einschlagen wollte. Leider verlief dieser in eine vollkommen falsche Richtung. Aber gut, sollte mich ehrlich gesagt nicht weiter interessieren. Wir bereits mehrfach erwähnt, war er mir unterdessen vollkommen egal geworden. Und es schien, als könne er das noch immer nicht verkraften. Schien scheinbar zu denken, dass ich es mir über die Jahre vielleicht doch anders überlegt hatte. Genug aber von der Gefühlsduselei, ich hatte wirklich keinen Nerv mehr, mich heute mit dieser Sache zu beschäftigten. Langsam bewegte ich mich wieder auf die beiden jungen Männer zu, sah von oben auf Tauren' schmerzverzerrtes Gesicht hinab, dann nickte ich Tyr zu. "Ich werde wieder nach vorne gehen. Sabin wird sicher meine Hilfe brauchen." Ein letztes Mal wandte ich mich an meinen lädierten Personenschützer. "Gute Besserung und komm gut Heim", war alles, was ich noch sagte, bevor ich nahezu schleichend durch die Tür verschwand, um Sabin wieder vorne an der Bar zu unterstützen.
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Ich sah Cosma nach einem Nicken noch hinterher, als sie ging. Wartete, bis die Tür hinter ihr wieder ins Schloss fiel und unterhielt mich dann bis zu Johnsons Eintreffen noch mit Tauren. Dieser wiederum mied meinen Blick weiterhin, weil er zu merken schien, dass ich ein wenig sauer war. Zwar konnte er nicht wirklich Etwas dafür, dass er gegen drei auf einmal Nichts ausrichten konnte, aber er hätte mir ganz einfach sagen sollen, dass es schon vorher Ärger gegeben hatte, wenn ich schon hier war. Dann wäre ich womöglich eine Weile bei ihm geblieben oder hätte die umliegenden Straßen untersucht. Einfach zur Sicherheit und offensichtlich wäre es ja auch angebracht gewesen. Es gab also zwar keinen mahnenden Fausthieb, aber doch ein paar sehr ernste Worte, die er sich besser zu Herzen nehmen sollte, wenn er zukünftig weiterhin mir unterstellt bleiben wollte. Einen Ausweg gab es da sowieso nicht wirklich, es sei denn natürlich man starb. Mir war das Risiko, dass irgendwer seinem zukünftigen Arbeitgeber Infos über mich und meine Arbeit steckte, einfach viel zu hoch. Hieß also weiter für mich arbeiten oder sterben. Jedenfalls ließ Johnson mir eine kurze Nachricht zukommen als er da war, woraufhin ich mit Tauren aufstand und ihn nach draußen brachte. Er nahm den Kühlakku mit, aber das würde Cosma sicher für ein paar Tage verkraften, war wohl kaum der Einzige hier in der Bar. Ich sah dem schwarzen Wagen noch einen Moment nach, bevor ich zurück in die Bar ging und endlich wieder mit meinem Whiskey weitermachen konnte. Ich zog also von meinem Tisch im hinteren Bereich des Raumes an einen freien Tisch in der Nähe der Eingangstür um. Aus dem ersten und dem zweiten Glas des teuren braunen Tropfens wurde irgendwann ein Drittes. Aus lauter Langeweile, weil der Einzige, der sich hin und wieder mit mir unterhielt, Sabin war, wenn er grade ein paar ruhigere Minuten hatte und Zeit dazu fand. Überwiegend kam er nur mit Fragen, weil ihm fortlaufend neue einzufallen schienen. Wissen war Macht. Vielleicht sollte ich ab jetzt für jede neue Frage 0,5% Preisaufschlag veranschlagen. Ich schob irgendwann gegen 3 Uhr noch eine Zigarette an der frischen Luft ein, obwohl ich kein regelmäßiger Raucher war. Wenn ich mal rauchte, dann zumeist nur um Zeit angenehm zu überbrücken oder meine Nerven zu beruhigen. Nach der Kippe folgte dann das vierte Glas. Weil ich heute nicht viel gegessen hatte - welcher Mensch hatte überhaupt Zeit für sowas? - und das Zeug nunmal pur trank, schlug der Alkohol dann auch langsam aber sicher ziemlich stark an, als eine halbe Stunde später auch dieses Glas wieder leer geworden war. Passierte ja doch nichts Aufregendes mehr in dieser Nacht, nüchtern bleiben war also vollkommen überbewertet. Zumal ich sämtliche abwehrende und angreifende Handgriffe schon so stark verinnerlicht hatte, dass ich den Großteil davon selbst im Vollrausch noch hinbekam. Das Einzige, was da nicht mehr so gut funktionierte, was das Zielen mit der Pistole, die ich grundsätzlich immer bei mir trug. Aber ob es jetzt das Herz oder die Lunge war, war sowieso egal. Kugeln taten überall scheiße weh und waren unversorgt schnell tödlich. Erst, als Cosma die letzten Gäste aus der Smith and Wesson geleitete und meine Schicht damit mehr oder weniger zu Ende sein schien, wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich so nicht Auto fahren konnte. Also konnte ich schon, aber mir hatte der eine Totalschaden vor zwei Jahren unter Alkoholeinfluss ehrlich gesagt gereicht. Laufen wollte ich nicht, war viel zu weit und außerdem zu anstrengend, wenn man betrunken war. Bahnfahren stand für mich aber auch nicht wirklich zur Debatte, weil ich da jedes verdammte Mal Leute traf, die ich nicht sehen wollte. Und ja, auch um solche Uhrzeiten - das Verbrechen schlief bekanntlich nie. Obwohl ich das eigentlich nicht wollte wendete ich mich wegen meiner etwas misslichen, selbst verursachten Lage an die Inhaberin der Bar, als sie hinter dem letzten Gast die Tür geschlossen hatte und sich an mir vorbei auf den Rückweg zur Bar machen wollte. "Kann nicht mehr nach Hause fahren... ich penn dann einfach hier auf 'ner Bank.", stellte ich mehr eine Tatsache in den Raum, als mir eine Erlaubnis fürs hier nächtigen einzuholen. Sowas wie Einladungen und Bewilligungen brauchte meine Wenigkeit einfach nicht.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Der Rest des Abends verlief, wie erwartet, sehr ruhig ab. Die Stimmung war trotz der Vorkommnisse sogar richtig ausgelassen. Die Gäste lachten lauten, unterhielten sich gut und bestellten entsprechend viel Alkohol, um diesen Pegel an guter Laune beizubehalten. Ich hätte mir zwar gewünscht, hinter der Bar ein wenig entspannen zu können, aber mit der tatkräftigen Unterstützung von Sabin, ließ sich das alles eigentlich ganz angenehm händeln. Die letzten Stunden vergingen dann auch wieder wie im Flug, hatte ich mir selbst den ein oder anderen Drink genehmigt, um den Schmerz, der ohne Kühlakku doch wieder recht präsent war, ein wenig zu betäuben. Als Dank dafür, dass mir mein Mitarbeiter heute so fleißig unter die Arme gegriffen hatte, schickte ich Sabin etwa eine Stunde früher nach Hause. In der letzten Stunde vor Ladenschluss war kaum noch was los, das konnte ich alleine stemmen, außerdem hetzte mich ja auch beim Aufräumen niemand. Konnte ich mir dann auch entsprechend Zeit lassen und ehrlich gesagt freute ich mich sogar ein wenig darüber, alleine und in aller Ruhe meine Gedanken beim Putzen abschweifen zu lassen. Ich verabschiedete gerade den letzten Gast an der Tür, ehe ich diese ins Schloss fallen ließ und den Schlüssel im Schloss herum drehte. Während ich auf dem Rückweg schon einige leere Gläser von den Tischen einsammelte, kam Tyr auf mich zugelaufen. Er taumelte nicht unbedingt, aber seinen Worten konnte man ein leichtes Lallen entnehmen. War nicht wirklich auffällig, hörte man wohl auch nur, wenn man ein geschultes Ohr dafür hatte. Und als Barchefin hatte man da schon einiges an Erfahrung sammeln können. Er schaffte es also nicht nach Hause und würde hier auf der Bank pennen? Irgendwie fühlte ich mich in der Situation doch ein wenig... na ja... war verarscht das richtige Wort dafür? Erst gestern hatte ich Tauren in meine Wohnung gebeten, damit er sich nicht die Beine in den Bauch stehen musste bei der Kälte. Jetzt nötigte mich quasi der Nächste, ihm Unterkunft zu gewähren. Zwar entnahm ich seinen Worten, dass er hier unten in der Bar schlafen würde, aber ehe ich ihm Bettzeug hier runter schleppen würde, war es doch deutlich einfacher gewesen, ihn einfach mit rauf zu nehmen. Da war das Sofa noch ausgezogen von letzter Nacht und auch Decke und Kissen lagen noch griffbereit. Ich seufzte tief, was mein Körper direkt mit einem stechenden Schmerz im Brustkorb quittierte. Augenblicklich griff ich mir an die schmerzende Stelle. Gott, dass würde mich jetzt noch einige Zeit verfolgen, strafen, wenn ich eine falsche Bewegung machte. Mit dem Schmerz kam mir aber auch eine brilliante Idee. Gasthaus Dubois - Wir beherbergen die Knastinsassen von Morgen, war doch eine super Idee, meine Räumlichkeiten nutzte ich ja eh kaum, da konnte ich das eine Zimmer auch einfach untervermieten und weil ich Scheiße quasi magisch anzog, bot ich nur ein Dach für Kriminelle. "Komm doch einfach mit zu mir", setzte ich nach langer Überlegung endlich zum Sprechen an. "Ich wohne eine Tür weiter, muss aber noch die Bar sauber machen." War wohl also nichts mit in Ruhe über alles Geschehene nachdenken. Noch während ich auf eine Antwort von Tyr wartete, brachte ich die schmutzigen Gläser an die Bar, begann schon einmal damit, das Geschirr zu spülen. Der junge Mann folgte mir, schien über diesen Vorschlag nachzudenken. Wäre ihm jetzt nicht böse drum gewesen, wenn er darauf bestand, in der Smith and Wesson zu pennen. Meine Sympathie ihm gegenüber war einfach nicht auf dem gleichen Level, wie es bei Tauren der Fall gewesen war. Letzter hatte mir schließlich das Leben gerettet und war mir, anders als Tyr, noch nicht blöd gekommen. Ich hatte noch nicht mal eine gute Begründung dafür, diesen kriminellen Bastard mit in meine Wohnung zu nehmen. War ich vielleicht doch einfach zu nett? Immerhin würde er hier in der Bar warm liegen, die Bank würde ja ausreichend sein, um bei seinem Alkoholpegel als bequem durchzugehen. Aber es schien, als sei mir heute alles egal. Vielleicht hoffte ich ja insgeheim darauf, dass Tyr mich im Schlaf einfach erschießen würde. Dann hätte der ganze Spuk ohnehin ein Ende.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Hm-hm. Eigentlich hielt ich das an sich für keine besonders gute Idee. Ganz einfach deswegen, weil das hier immernoch meine Arbeit war und ich nicht unbedingt gern die Arbeit mit dem Privatleben meiner Kunden verband. Natürlich würden wir keine wahnsinnig witzige Pyjamaparty schmeißen - iehgitt -, uns vermutlich nicht einmal mehr wirklich unterhalten, weil wir meistens doch beide relativ kurz angebunden waren. Womöglich konnte man, wenn man wollte, in das 'komm doch mit zu mir' Einiges hinein interpretieren, aber es war wohl kaum Cosma Intention, einen mehrfachen Mörder bald ihren neuen besten Freund oder ihren Lover nennen zu wollen. Wenn doch, dann musste ich sie da herbe enttäuschen. Bei Ersterem zumindest mit hundertprozentiger Sicherheit, Zweiteres würde ich mit neunundneunzig Prozent titulieren. Wäre sie unattraktiv stünde auch da eine Hundert, aber die junge Frau traf mit den auffällig hellen Augen und dem allgemein nicht unbedingt dezenten Auftreten doch ein wenig mein Schema. War trotzdem Arbeit und demnach im Grunde tabu, weil ich mir Herzschmerz-Angelegenheiten im Zuge dessen ganz einfach sehr gerne ersparte, was normalerweise auch ziemlich einfach war, weil nicht viele Frauen zu meiner Kundschaft gehörten. Um wieder aufs eigentliche Thema zurückzukommen: Egal, ob es ein Sofa oder ein Gästebett wäre, das mich in ihrer Wohnung erwartete, klang mir das doch sympathischer als die zum Schlafen eher ungeeignete Bank hier in der Bar. Ich würde vermutlich auch ein wenig Glück brauchen, um nicht im Schlaf seitlich rauszufallen, weil die Sitzbank jetzt nicht unendlich breit war und ich eben nicht unbedingt die kleine Sorte Mann. Zumal das Ding im Vergleich zu einem Sofa oder Bett auch schlicht viel härter war, unbequemer und unvorteilhafter in einfach absolut jeder Hinsicht. Was konnte eigentlich schief gehen, wenn ich nicht hier unten schlief? So ziemlich gar nichts. Im Grunde war ich in ihrer unmittelbaren Nähe vermutlich sogar ein besserer Wachhund, war ich doch mit einem extrem leichten Schlaf gesegnet. Berufsbedingt, es hatte da schon so ein paar versuchte Attentate gegeben. "Okay.", willigte ich also knapp nach reichlicher Überlegung ein, die im Grunde genommen vollkommen unnötig gewesen war. Ich lehnte an der Theke, während der Rotschopf noch durch die Bar wirbelte, um Alles halbwegs sauber zu kriegen und ich scherte mich nicht die Bohne darum, dass es schneller gegangen wäre, wenn ich ihr statt Nichts zu tun einfach geholfen hätte. Ich hatte ja Zeit und es war nicht meine Aufgabe, also wartete ich schlicht bis die junge Frau mit der Putzerei fertig war und wir uns aus der Smith and Wesson verdünnisieren konnten. Wir gingen quasi direkt im Flur nebenan eine Treppe nach oben und ich ließ es mir nicht nehmen, erst einmal komplett durch die Räumlichkeiten der jungen Frau zu tigern. Man konnte mich paranoid nennen, ich betitelte mich nur einfach als sehr gründlich und vorsorglich. Es war jetzt nicht so, als würde ich mir sämtliche Schränke ansehen oder dergleichen. Ich warf nur in jeden Raum einen kurzen Blick und verschaffte mir ein Bild von der Wohnung, bevor ich mich im augenscheinlichen Wohnzimmer niederließ. Wirklich wie eine Frauenbude wirkte es hier ja nicht, aber das war mir auch absolut lieber. Schlicht war Trumpf. Bereits auf dem Polster des Sofas sitzend schob ich mir erst jetzt die schwarzen Boots von den müden Füßen und schmiss die Lederjacke ans andere Ende der Couch. Mein nächster Zug war dann die Pistole aus dem Hosenbund zu ziehen, die da beim Schlafen nicht bleiben können würde. Die meist eher weiten Hoodies hatten den super Vorteil das Teil gut vor Blicken zu tarnen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Es brauchte insgesamt eine weitere volle Stunde, bis ich schließlich mit dem Zustand der Bar so weit zufrieden war, dass ich sie jetzt verlassen konnte. Vor der Tür schaltete ich noch das Licht aus, bevor ich die Tür zuzog und abschloss. Gemeinsam betraten wir dann das Treppenhaus nebenan, wo ich beim Treppensteigen immer wieder einen prüfenden Blick hinter mich warf, nur um sicherzustellen, dass ich Tyr nicht an die Stufen verlor, indem er nach einem blöden Schritt rückwärts runter segelte. Ich konnte nämlich leider überhaupt nicht einschätzen, wie gut er Alkohol vertrug. Wir kamen schließlich mehr oder weniger unversehrt - jeder Schritt, den ich nach oben tat, stieß einen kleinen Blitz durch meine Knochen - vor der Wohnung an. Ich schloss die Tür auf und ließ Tyr den Vortritt, der kurz darauf auch gleich meine Räumlichkeiten zu untersuchen schien. Sollte er ruhig machen, finden würde er ohnehin nicht viel. Maximal den Staub auf den Möbeln. Nach der gründlichen Inspektion nahm er schließlich im Wohnzimmer Platz, wo bereits alles für ihn hergerichtet war - haha. Schien sich dann auch direkt bettfertig zu machen, der junge Mann. War alles so weit, so schön, bis er plötzlich die Waffe aus seinem Hosenbund zog, was mich nur genervt die Augen schließen ließ. Wie am Abend zuvor an genau der gleichen Stelle, massierte ich mir langsam die Schläfen, fragte mich, ob ich vielleicht schon am träumen war oder ob das gerade wirklich passierte. Bevor ich zu einer Ansprache ansetzte, ging ich im Geiste noch mal die Frage durch, wie viel mir mein derzeitiges Leben wert war. Nur für den Fall, dass er mich gleich erschießen würde. "Ich frage mich manchmal, ob ich wirklich so aussehe, als würde ich echt für jede Scheiße Verständnis haben." Ich merkte, wie es in mir zu brodeln anfing. Ich verstand einfach nicht, was aus den guten alten Schlagringen geworden war. Warum mussten es Messer und Schusswaffen werden. Jemanden so richtig schön das Gesicht weich zu prügeln war doch viel schöner, oder? Wenn Knochen einfach dermaßen zertrümmert wurden, dass sie gar nicht mehr zu flicken waren. "Der eine bringt ein Messer mit, der andere 'ne Gott verschissene Schusswaffe!" Die Worte brüllte ich schon beinahe, war ich doch gerade binnen weniger Sekunden von null auf hundertachtzig hoch gefahren. Allerdings war Tyr schon gar nicht mehr angesprochen, weil mir schon beim Reden klar wurde, dass er sich einen Scheißdreck dafür interessieren würde, dass ich hier jetzt wie ein Michelin Männchen an die Decke ging. War nur noch frustrierender und ich wünschte mir fast, ihn einfach unten in der Bar gelassen zu haben, aber gut, eigentlich hätte ich mir ja etwas in der Art denken können. War mal wieder meine eigene Dummheit aus der ich einfach nicht zu lernen schien. So viel, was mir gerade sauer aufstieß, war leider eigens fabrizierter Stress, also sollte ich mich wohl damit abfinden, ein bisschen runter kommen oder so. Eine Zigarette würde es brauchen. Oder was Härteres. Da ich gar nicht hören wollte, was Tyr zu meiner Anfall zu sagen hatte, polterte ich lautstark in mein Schlafzimmer, schlug die Tür doppelt so laut hinter mir in ihre Fassung und lief zielstrebig auf meinen Nachtschrank zu. Ich hatte zwar nicht gedacht, dass ich irgendwann noch mal darauf zurück kommen würde, aber die letzten zwei Tage hatten das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht. Ich hatte meine Emotionen, mein Leben gerade einfach nicht richtig unter Kontrolle, war mit mir alles andere als zufrieden. Hier legte ich mal den Egoismus ab, dort ließ ich Sachen durchgehen. In meinen Augen verhielt ich mich aktuell wie ein schlechter Witz. Leise vor mich hin fluchend, durchsuchte ich die Schublade nach dem Joint, den ich vor einer halben Ewigkeit mal dort deponiert hatte. Für schlechte Tage. War jetzt lange her, die Zeit der Abstinenz war schön gewesen, aber mich jetzt ins Bett zu legen und ruhig zu schlafen war definitiv nicht möglich, ohne ein wenig runter zu kommen. So öffnete ich eines der Schlafzimmerfenster, um mich, mit einem Bein aus dem Fenster baumelnd, auf der Fensterbank zu platzieren, dort das Tütchen anzustecken. Ich nahm einen tiefen Zug von der Zigarette der etwas anderen Art, merkte augenblicklich, wie das THC sich den Weg in meine Blutbahn bahnte.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #