Ich verstand ja die Aufregung nicht mal ansatzweise. Glaubte Cosma wirklich, dass Leute wie ich ernsthaft unbewaffnet aus dem Haus gingen? Würde das die Runde machen könnte ich gar nicht so schnell gucken, wie es mit meinem Highlife vorbei wäre. Nicht nur mit dem, sondern vermutlich auch mit meinem Leben an sich, es sei denn es stünde den Angreifern im Sinn, mich lieber als Krüppel dahin vegetieren zu lassen. Am besten bis zum Hals querschnittsgelähmt, damit ich mir nicht mehr selbst die Kugel geben konnte. Nein danke, konnte ich gut darauf verzichten. Zumal die Waffe ja jetzt auch nicht das Einzige an Schutzmitteln war, das ich mit mir herum trug. Es kam zwar selten vor, aber sollte mir doch irgendwer das Teil aus der Hand schlagen und ich stand dann mit bloßen Fäusten anderen Schusswaffen entgegen, hätte ich andernfalls so richtig die Arschkarte. Ich trug zwar nicht selten einen oder zwei Silberringe an den Fingern, die meine Schläge noch unangenehmer werden ließen, aber ich ging dann doch lieber auf Nummer sicher. War wohl ganz gut für Cosmas angekratzte Nerven, dass sie mich nicht fragte, ob die Schusswaffe das einzige Übel war, das ich mitbrachte. Jedenfalls verdrehte ich nur desinteressiert die Augen und zog mir gerade den Hoodie über den Kopf, als ihre nächsten Worte erklangen. Das Einzige, was mich an ihrem kleinen Wutanfall wirklich aufhorchen ließ, war die Sache mit dem 'der eine bringt ein Messer mit'. Wen hatte sie denn für gewöhnlich sonst noch so hier in ihren vier Wänden? Zum einen wüsste ich es schlicht ganz gerne, wenn sie regelmäßig bewaffnete Leute bei sich in der Bude hatte und zum Anderen war ich halt nicht gänzlich bescheuert - Tauren hatte den Typen gestern erstochen, wie er mir berichtet hatte. Er hatte also ein Messer bei sich gehabt. Brachte mich natürlich unumstößlich zu der Frage, ob er sich wirklich dazu erdreistet hatte, hier oben zu schlafen, während sein Posten offiziell ganz eindeutig unten vor den Türen war. Ich traute es ihm zum einen nicht hundertprozentig zu, dass er wirklich im Notfall aufwachen würde und zum Anderen war das ein schlichter Regelverstoß. Bevor ich diese Gedanken jedoch ausreichend sortiert hatte waren die roten Locken auch schon aus dem Raum verschwunden und ich war noch einmal dazu gezwungen mich zu erheben und ihr nachzugehen. "Was soll das heißen? War Tauren hier oben?!", fragte ich sie fast schon knurrend als ich in ihrem Schlafzimmer ankam, sie gerade den ersten Zug von einem Joint zu nehmen schien, wie mir der Geruch kurz darauf unverblümt zu vermitteln wusste.
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Ich setzte den Joint gerade zu einem weiteren Zug an meine Lippen, als sich die Schlafzimmer erneut öffnete. Das THC hatte indessen schon einen kleinen Teil meines Nervensystems belagert, weshalb meine Reaktion eher dürftig ausfiel. Natürlich war ich noch ansprechbar, ein Zug brachte mich nicht gleich in das verstrahlte Nirvana, wie es sämtliche Berichte über Drogenmissbrauch so gerne darstellten. Lediglich das Bewegen fiel mir etwas schwerer, die Muskeln entspannten sich zunehmend. Bevor ich überhaupt darüber nachdachte, ihm zu antworten, nahm ich noch einem weiteren Zug und dann noch einen. Erst als die Tüte gänzlich abgebrannt war - Tyr musste brodeln vor Wut -, schnippte ich den leeren Filter aus dem offenen Fenster, sah der Glut, die noch einen Moment im Dunkeln glimmte, nach, bevor mein Blick wieder zu zu dem jungen Mann im Türrahmen wanderte. Mittlerweile war ich auf einem guten Level der Entspannung angekommen, konnte nur noch grinsen. Die schlechte Laune war für den Rest der Nacht aus meinem Körper verbannt worden, ebenso der Schmerz, der mich beim Einatmen des narkotisierenden Rauchs für eine gewisse Zeit an die Auseinandersetzung von vorhin erinnert hatte. Eine Inhalation später war der Gedanke dann aber mit dem Ausatmen des Dampfes in die dunkle Nacht entlassen worden. So, da saßen beziehungsweise standen wir nun, nur wenige Schritte von einem Wortgefecht entfernt. Tyr schien nicht ganz blöd zu sein, hatte eins und ein zusammen gezählt. Was fragte er dann so blöd? War dann eigentlich auch egal gewesen, was ich dazu noch zu sagen hatte, die Wahrheit hatte er bereits selbst heraus gefunden. Und weil Tyr mir mit seiner Aktion und Reaktion gerade so richtig Laune auf einen Streit machte - obwohl Ruhe und eine Mütze Schlaf mein eigentliches Ziel gewesen war -, entschied ich mich dazu, dem Feuer noch ein bisschen Öl nach zu kippen. Dass ich damit Tauren nur in eine echt beschissene Situation brachte und selbst auch nicht unbedingt ungestraft aus der Geschichte heraus kam, war mir ein bisschen Spaß bei meiner derzeit super guten Laune wirklich wert. "Klar, nach Ladenschluss entführe ich alle bösen Jungs in meine Wohnung, entwaffne und knebele sie, nur damit dann ein entspannter Kuschelabend mit Heimkino draus wird", fing ich also an, seine Frage zu beantworten, das breiteste Grinsen im Gesicht. Mehr hatte ich dazu auch eigentlich nicht zu sagen. Die Wahrheit, wie es wirklich dazu gekommen war, dass Tauren hier geschlafen hatte, würde er heute vermutlich nicht erfahren. Sollte er mich morgen noch mal darauf ansprechen, wenn der Spaß für mich nicht mehr an erster Stelle stand. Für heute würde er mit einer verspielten, absolut nicht ernst zunehmenden Frau vorlieb nehmen müssen.
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Ich wartete. Und wartete... und wartete. Es war vermutlich überflüssig zu sagen, dass mich das nicht unbedingt gerade ruhiger werden ließ. Wäre Cosma nicht eine meiner Kundinnen hätte ich sie vermutlich längst an den Schultern gepackt und ordentlich durchgeschüttelt. Vielleicht auch an die Wand gestoßen und kurz gewürgt, um meine Ungeduld deutlich zu unterstreichen. Oder einfach aus dem Fenster geschubst, weil sich das in diesem Moment so gut anbot. Ich hatte die Hände bereits zu Fäusten geballt, wobei ich den Druck auf den Fingern immer mal wieder stärker oder schwächer werden ließ. Es war eines der wenigen Dinge, die ab und an helfen konnten, nicht ganz so schnell auszuticken. Allerdings gab es auch dabei keinerlei Erfolgsgarantie und so war ich schon komplett auf 180, als die junge Frau sich dann endlich mal dazu herabzulassen schien, mir eine Antwort zu geben. Was sie allerdings sagte war gerade nicht das, was ich hatte hören wollen. Das Gras schien sich schon gänzlich in ihrem Schädel breit gemacht zu haben und auch das Grinsen, das ihre Lippen zierte, provozierte mich nur noch zusätzlich. Sie konnte das mit dem Entwaffnen ja gerne bei mir versuchen, wenn ihr der Sinn nach absolutem Selbstmord stand. In jenem Fall könnte ich ihr bei mir sogar eine Empfehlung ausschreiben, war meine Erfolgsquote doch extrem hoch. Auch mal ganz davon abgesehen, dass sie hier kein besonders schönes Heimkino zu haben schien, gab Cosma vollkommenen Bullshit von sich, der mich wütend schnauben ließ. "Wieso verdammt nochmal ist es scheinbar für Alle so unfassbar schwer, eine Frage ganz normal zu beantworten?", ließ ich meinen Ärger in Worten wüten und spannte die Schultern immer weiter an. Baute mich unbewusst immer mehr auf. Irgendwie schien heutzutage absolut jeder die Tendenz dazu zu haben, mir auf Fragen keine klaren Antworten mehr zu geben. Das war irgendwie ein Übel, das sich durch die gesamte Gesellschaft zu ziehen schien (i feel him lmao) und der Joint machte es hier sicher gerade nicht besser. "Wenn du mich fragst passen du und dein psychotischer Idiot von Ex-Freund erstklassig zusammen. Beide vollkommen durch.", knurrte ich weiter, bevor ich mich umdrehte, um zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Weil ich dem Biest keine klatschen konnte, fand meine linke Hand kurz vor dem Passieren des Türrahmens zum Wohnraum den unbarmherzigen Weg zur Wand. Tat jedes Mal aufs Neue an den Fingern weh und leichte Prellungen waren auch dieses Mal sicher inbegriffen, aber der Schmerz an der Hand, den der Schlag auf den Beton auslöste, schwächte die Wut immerhin ein klein wenig, beziehungsweise ließ sie mich für einen kurzen Moment dem Schmerz hinten anstellen. Hatte so wie ich das hier beurteilte absolut keinen Sinn weiter mit der Rothaarigen zu reden. Schwebte wohl gerade in einem anderen Universum, qualitativ schlecht hatte der Stoff also nicht gewesen sein können. Wenigstens in dieser Hinsicht hatte sie ein bisschen Geschmack.
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Hui. Tyr schien wirklich sauer zu sein. Hätte mir ja fast Leid getan, wenn es da nicht diesen besonderen Umstand gegeben hätte, dass er selbst Schuld daran war. Also natürlich nur so indirekt. Auf der einen Seite hatte ich mir das Schlamassel ja selber eingebrockt. Aber das wollte mein mittlerweile ziemlich vernebeltes Gehirn nicht so wirklich einsehen. Der junge Mann machte seiner Unmut kurz darauf lautstark Luft und wenn das Marihuana nicht bereits meine Sinne betäubt hätte, wäre ich vermutlich zusammengezuckt bei dieser Lautstärke. In dem Zustand blieb ich aber regungslos sitzen, wandte bei seinen Worten lediglich meinen Blick von ihm ab, um mich in der dunklen Nacht zu meiner Linken zu verlieren. Auch wenn meine Laune noch immer nicht wirklich angeschlagen war, brannten sich seine Wort tief in mein Gedächtnis ein. Damit sie sich auch ja am nächsten Morgen abrufbereit bei mir melden würden und ich entsprechend angemessen darauf reagieren konnte. Für den Augenblick zuckte ich nur mit den Schultern. Recht hatte er ja. Daith und ich waren immer ein tolles Team gewesen. Allerdings hatten sich unsere Prioritäten im Leben einfach verändert und waren irgendwann nicht mehr kompatibel miteinander gewesen. "Gut, dass ich nicht gefragt habe", rief ich aus Trotz und der Tatsache, dass ich gerne das letzte Wort hatte, hinter ihm her, vermutlich waren die Worte aber gar nicht mehr angekommen. Hunter hatte sich bereits wieder ins Wohnzimmer verzogen und auch ich entschied mich langsam dafür, dem Tag ein Ende zu setzen. Gasthaus Dubois würde für heute seine Türen schließen, sollten sich die Gäste um sich selbst kümmern - haha. Ich tat mir schwer damit, mein Bein, was ich zu Anfang aus dem Fenster hatte baumeln lassen, wieder ins Schlafzimmer zu bekommen, fiel, auf gut Deutsch gesagt, beinahe auf die Schnauze, als ich es endlich geschafft hatte. Bevor ich allerdings den Weg ins Bett einschlug, machte ich noch einen kurzen Abstecher ins Badezimmer, um mich dort meiner abendlichen Routine hinzugeben. Mochte sein, dass ich nicht mehr unbedingt auf der Höhe war, aber ich war noch wach genug, dass sich eingebrannte Routinen wie von selbst erledigten. Erst, als ich Zähne geputzt und mir das Gesicht abgeschminkt hatte, begab ich mich langsam ins Bett, genoss noch einen Augenblick das Gefühl der Schwerelosigkeit, ehe ich aktiv versuchte, einzuschlafen und den Weg ins Land der Träume zu finden. Es hinderte mich allerdings der unterbewusste Gedanke an die Waffe, die da in meiner Wohnung, in meinem Wohnzimmer, auf meinem Wohnzimmertischen lag. Direkt neben dem Mann, der ganz sicher Lust und auch guten Grund dazu gehabt hätte, mich im Schlaf abzuknallen. Da ich leider nicht ausschließen konnte, dass Hunter das tatsächlich tun würde, beschloss ich nach etwa zwei Stunden der Schlaflosigkeit - die Sonne begann schon wieder langsam, aufzugehen - mich wieder aus dem Bett zu erheben. Die Wirkung des Joints hatte mittlerweile leider nachgelassen und meine Laune war entsprechend im Keller, als ich leise aus dem Schlafzimmer in Richtung Küche trottete. Ich verzichtete darauf, das Licht einzuschalten, ließ mich im Dunkeln auf einen der freien Stühle fallen und zog müde beide Beine an meinen Oberkörper. Ich war ja noch nie der Mensch, der wirklich viel Schlaf brauchte, um zu funktionieren. Aber so langsam nahm das wirkliche Ausmaße an, die auch ich nicht mehr als gesund empfand.
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Ich hörte die junge Frau zwar noch irgendwas sagen, aber was es letztens Endes genau gewesen war, konnte ich nicht entziffern. Dafür war ich zu schnell zu weit weg gewesen. Vermutlich war es auch wirklich besser so, weil mich ihre Worte nur noch weiter auf die Palme gebracht hätten, bei der ich sowieso schon ganz oben auf der Spitze saß und am liebsten mit Kokosnüssen um mich werfen würde. Vor mich hin fluchend wurde ich die Jeans noch los, bevor ich mir das Kissen schnappte, um meinen Kopf darauf abzulegen und kurz vorher noch die Pistole drunter zu schieben. Das Metall ließ sich selbst durch das Polster des Kissens noch deutlich spüren, aber ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, dass es mich schon lange nicht mehr beim Einschlafen störte. Anders war es da mit Cosmas provokanten Worten, die mir noch eine Weile durch den Kopf gingen und mir das Einnicken sichtlich erschwerten, aber irgendwann gab mein Körper der Müdigkeit und dem Alkohol dann doch nach und ich driftete in den Schlaf ab. Wecker stellte ich mir keinen. Sollte es einen Grund zum Aufwachen geben, würde ich es ohnehin hören und außerdem stand es mir weiß Gott nicht im Sinn, schon um 10 Uhr wieder aufrecht auf dem Sofa zu sitzen. Sofern die junge Frau also nicht unbedingt viel Terz machte, wenn sie aufstand, würde ich da womöglich nur einmal kurz aufwachen und dann getrost weiterschlafen. Bis ich mich halbwegs fit genug zum Aufstehen fühlte, sollte mir alles Andere am Arsch vorbeigehen. Ob Tauren seine Tracht Prügel nun eine Stunde früher oder später bezog, spielte keine große Rolle. Wenn ich wirklich ausgeschlafen war und die dementsprechende Erholung es schaffte, meine Nerven bis dahin etwas zu beruhigen, hatte er vielleicht sogar Glück und kam ein bisschen glimpflicher davon. Darauf zu wetten würde ich aber weiß Gott Niemandem empfehlen.
Es war vermutlich den starken Schmerzmitteln zu verdanken, die mir Johnson noch auf der Fahrt zu mir nach Hause steckte - beziehungsweise mir sagte, dass im Handschuhfach noch welche sein mussten -, dass ich in dieser Nacht tatsächlich noch ganz gut schlief. Obwohl es an sich trotzdem ein paar Stunden Schlaf zu wenig für meinen Geschmack waren, fühlte ich mich den Verletzungen entsprechend ganz gut. Beim Frühstück merkte ich, dass das Gesicht doch noch ziemlich weh tat, sobald ich auch nur irgendeinen Muskel davon bewegte und der Cut - um welchen herum es jetzt auch ein wenig blau geworden war - mir deswegen weitere Stiche versetzte. Ich warf mir also noch im Zuge der ersten Mahlzeit des Tages eine weitere Tablette ein, die mir den Alltag womöglich zumindest ein kleines bisschen erleichtern würde. Nach dem Essen und der morgendlichen Routine im Badezimmer blieb auch gar nicht mehr allzu viel Zeit, weshalb ich mich ohne große Umschweife in meine Klamotten warf. War allerdings leichter gesagt, als getan, meldeten sich doch auch die Rippen mehrfach zu Wort und wollten mir unmissverständlich klar machen, dass viel Bewegung im Oberkörper heute absolut keine gute Idee wäre. Ich sollte wahrscheinlich darum beten, dass Cosma das Pech nicht weiterhin wie magisch anzog und ich nicht heute schon die nächsten Schläge einstecken durfte - ich hatte ja keine Ahnung, wie berechtigt dieser Gedanke wirklich war. Weil ich gestern meine Schicht ziemlich früh abgebrochen hatte war ich jetzt schon wieder auf dem Weg zur Bar. Die nächste Schicht war dadurch leider wieder zu meiner geworden. Aufgrund dessen tauschte ich vorerst mit Ashton, der dann ab heute erst einmal die Nachtschicht übernehmen würde, bis wieder etwas Anderes angeordnet wurde. An der Bar angekommen - der Weg war dank dem Stehplatz in der Bahn etwas beschwerlich gewesen, aber es gab wohl weit Schlimmeres - empfing mich aber Niemand. Ich sah mich auch in den umliegenden Gassen um, aber Hunter war Nirgends zu sehen. Da der Kerl aber sein eigener Chef war und ich es für hochgradig unwahrscheinlich hielt, dass ihm Etwas zugestoßen war, nahm ich das Ganze mit einem Schulterzucken hin, das von meinen Rippen ebenfalls mit einem unangenehmen Pieken beantwortet wurde, und lehnte mich neben der Tür der Bar an die Wand, um mir die erste, sehr lang überfällige Zigarette des Tages anzuzünden. Vielleicht auch noch eine zweite.
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Ich saß bestimmt eine ganze Stunde reglos auf diesem blöden Stuhl, hatte Mühe, meine Augen auf zu halten, zerrte doch wirklich die letzte Nacht an meinen Nerven. Es war sogar schon so weit gewesen, dass ich für bestimmt zwanzig Minuten weggenickt war. Da ein Stuhl aber nun mal nicht zum schlafen gemacht worden war, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich seitlich ein Stück weit abrutschte und durch die Bewegung dann auch wieder aufwachte. Nützte ja doch alles nichts. Es war mittlerweile bestimmt sieben oder acht Uhr, die Sonne blendete durch das Küchenfenster direkt in mein Gesicht und bedeutete mir mit ihrem imaginären Mittelfinger, dass es Zeit für mich war, endlich aufzustehen und produktiv zu werden. Rumsitzen machte die Sache nicht besser, ins Bett gehen war aber, solange Hunter noch in meiner Wohnung schlief, immer noch keine Option. Ich seufzte also tief, bevor ich mich tatsächlich dazu aufraffte, den Stuhl und die Küche im Allgemeinen zu verlassen. Mein Weg führte wieder ins Badezimmer, wo mich mittlerweile schon nicht mehr der Tod, sondern die personifizierte Verwesung empfing. Man konnte glatt meinen, ich sei um mehrere Jahre gealtert, war der Schlaf, den ich in den letzten beiden Tagen bekommen hatte, an einer Hand abzuzählen. Gerade, als ich meine Klamotten vom Leib schälte und sie in den Wäschekorb schmeißen wollte, stellte ich fest, dass dieser mittlerweile aus allen Nähten platzte und ich nicht drum herum kommen würde, mal wieder einen Abstecher in den Waschsalon zu machen. Da ich alleine lebte und alle Jubeljahre mal Wäsche waschen musste, hatte ich mir erst gar keine Waschmaschine angeschafft. Drei Querstraßen weiter gab es nämlich einen super Waschsalon. Fußläufig eventuell eine viertel Stunde entfernt und günstig. Besser ging es also gar nicht. Ich entschloss mich dazu, nach einer morgendlichen Dusche vielleicht das als erstes in Angriff zu nehmen. Für's Erste konzentrierte ich mich allerdings auf das warme Wasser, was mich eine ganze Weile einlullte. Ich wollte die Kabine gar nicht mehr verlassen, aber irgendwas deformierte sich meine Haut zu der eines Frosches. Ich schaltete also nach einer Weile das Wasser ab, hüllte mich in ein Handtuch und lief dann rüber ins Schlafzimmer, um mich wie immer mit einem freundlichen Schwarz zu bekleiden. Im Anschluss daran lief ich zurück, um die schmutzige Wäsche umzuladen. Schminken würde ich mich jetzt nicht, weshalb ich den Spiegel in meinem Rücken einfach ignorierte. Ich würde in unter einer Stunde wieder daheim sein und im Salon sah man eh kaum jemanden. Waren nur vereinzelt ein paar Leute da, deren Waschmaschine Zuhause den Geist aufgegeben hatte. Als ich die große Tüte, die ich in einem Badezimmerschrank aufbewahrte, bis zum Rand gefüllt hatte, schlüpfte ich in meine Schuhe und war gerade dabei, die Tür auf zu machen, als mein Blick noch einmal durch einen kleinen Spalt ins Wohnzimmer fiel. Augenblicklich, weil ich von gestern Abend natürlich nichts vergessen hatte - dafür war Marihuana ja auch nicht bekannt -, zog ich die Augenbrauen tief ins Gesicht, streckte Tyr meinen Mittelfinger entgegen. Da keine Reaktion von ihm ausging, war ich in der Annahme, dass er entweder noch schlief oder mich einfach nicht gesehen hatte. Als ich die Wohnung verlassen hatte, ließ ich die Wohnungstür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Nur um sicherzugehen, ihn für den Fall, dass er noch geschlafen hatte, freundlich zu wecken. Normale Menschen würde einen fremden wohl kaum in ihrer Wohnung alleine lassen, da es bei mir aber nichts zu holen gab und man aus Mitleid lieber noch was hinstellte, machte ich mir da keinen allzu großen Kopf. Das Einzige, was er finden würde, wenn er aktiv nach irgendwas suchte, war das Koks im anderen Nachtschränkchen. Für schlechte Zeichen, wie der Joint gestern. Den Abend vor meinem geistigen Auge noch mal Revue passieren lassen, trabte ich die Treppenstufen nach unten, öffnete die Tür nach draußen und wunderte mich im nächsten Moment über den jungen Mann, den ich hier am wenigsten erwartet hatte. "Was machst du denn hier?", wann dann auch das Erste und Einzige, was ich sagte, als ich Tauren vor der Bar stehen sah. Ich dachte, er würde sich die nächsten Tage erst einmal ausruhen und nicht direkt wieder zur nächsten Schicht antreten. Schon gar nicht zur Tagschicht. Sollte diese nicht eigentlich Ashton übernehmen? Die Tasche, die ich geschultert hatte, ließ ich mit einem dumpfen Schlag auf den Boden fallen. Wenn ich mich hier unterhalten würde, wäre die auf Dauer wirklich zu schwer.
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Ich hatte schon bevor Cosma unten bei mir auf der Straße erschienen war weiter oben im Haus eine Tür knallen hören. Das ließ mich zwar nicht zusammen zucken oder dergleichen, aber skeptisch eine Augenbraue nach oben ziehen. Soweit ich das hatte sehen können wohnte außer der jungen Frau ja Niemand in dem Haus, also hatte sie entweder Besuch oder war selber so sauer auf was auch immer, dass sie es an der Tür auslassen musste. Solange sie nicht auf die blendende Idee gekommen war, ihren Ex-Freund doch noch mit in ihre Wohnung zu nehmen, sollte mich das aber erst einmal nicht weiter stören. Der schlecht gelaunte kleine Tornado trat allerdings wenig später unweit von mir auf die Straße und der verdutzte Blick ihrerseits ließ darauf schließen, dass sie nicht unbedingt erwartet hatte mich hier zu sehen. Ich wäre wohl auch lieber weiterhin im Bett geblieben. Einerseits war ich schon froh darum, mich zumindest ein paar Stunden in diesem Ausruhen zu können, aber jetzt mit den Schmerzen schon wieder auf Achse zu sein war nicht unbedingt schön. Hunter sah es nicht gern, wenn man der Arbeit fern blieb, nur weil man ein paar Schläge hatte einstecken müssen. Bei Schusswunden oder Stichen, beziehungsweise Schnitten war das je nach Schweregrad eine andere Geschichte, aber es waren ja nur ein paar Schläge, mit denen ich hier auskommen musste. Ob ich vielleicht eine Gehirnerschütterung und Prellungen haben könnte, das spielte da keine große Rolle. "Naja, ich hab ja die Schicht gestern nicht wirklich gehabt... also bin ich zwangsweise jetzt wieder hier.", antwortete ich ihr recht schlicht und sachlich, bevor ich ein letzten Mal an der Zigarette zog und sie noch beim fallen lassen jener zu mustern begann. Warum war Cosma überhaupt wach? Hatte sie die Bar früher zugemacht und stand jetzt schon wieder auf der Matte? Konnte ich mir aber fast nicht vorstellen, dass sie viel geschlafen hatte, sah sie gelinde gesagt... naja, ziemlich scheiße aus. Bis hierher hatte ich sie nur mit Make Up gesehen - was nicht grundsätzlich heißen sollte, dass sie ohne nicht gut aussah, aber es machte halt einen Unterschied - und jetzt, wo sie eben keines trug, waren die Augenringe als Zeichen der Müdigkeit kaum zu übersehen. Ich beschloss aber, sie lieber nicht darauf hinzuweisen, weil ich nicht wusste, wie es um ihre Laune denn jetzt wirklich stand und Frauen mit ihrem Aussehen sowieso so wahnsinnig empfindlich sein konnten. "Was hast du vor?", fragte ich sie also stattdessen, während ich den Stängel am Boden austrat. Irgendwo schien sie ja hin zu wollen und ein Blick auf die Tasche, die sie abgestellt hatte, machte ihr Vorhaben dann doch schon ziemlich deutlich. Egal, jetzt hatte ich schon gefragt. Ganz gleich, wo sie hin wollte - es stand in meiner Pflicht, mich wie ein zweiter Schatten an Cosmas Versen zu heften und sie dabei im Auge zu behalten. Ob ihr das nun passte oder nicht, war nicht mein Bier.
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Hm, hätte ich mir ja denken können, dass Hunter ihm keine Auszeit gegönnt hatte. Was sollte ich dazu groß sagen. Schien, als könnte man sich bei dem Idioten ohnehin nichts anderes tun, als sich bloß den Mund fusselig zu reden. Im Übrigen verkniff ich es mir, Tauren von der Anwesenheit seines Chefs zu berichten, wollte nicht am frühen Morgen schon für schlechte Stimmung sorgen. Wobei es ja ohnehin noch eine Sache gab, die ich ihm wohl oder übel beichten müsste. Wie gesagt, erinnerte ich mich noch recht gut an den gestrigen Abend und auch an eben dieses kleine Detail, was ich Hunter offenbart hatte. So, wie er darauf reagiert hatte, würde Tauren sich früher oder später wohl doch noch die Tracht Prügel abholen, um die er gestern ganz knapp drum herum gekommen war. Vielleicht war es gar nicht mal so gut, dass wir hier unten standen, wenn Hunter durch den lauten Knall wach geworden war. Aber na ja. Als Antwort auf seine Aussage, schnaubte ich kräftig, was mir wieder einen Stich in der Gegend der Rippen versetzte. Ich krümmte mich, konnte aber aufgrund der Tatsache, dass Tauren mindestens genau so angeschlagen war, ein Lachen nicht unterdrücken. "Schön, dann krüppeln wir heute also gemeinsam durch den Tag", keuchte ich, als der Schmerz wieder etwas nachgelassen hatte. Was seine Frage anging, trat ich mit einem Fuß gegen die Tasche auf dem Boden. "Ich wollt' meine Wäsche waschen gehen", erklärte ich das Offensichtliche. Besagte Tasche angelte ich mir mit einer Hand vom Boden, schulterte sie mit einem Schwung, der wieder ein Ziepen im ganzen Körper verursachte. Eigentlich wollte ich mich mit einem Wir sehen uns dann später von ihm verabschieden, aber ich merkte, dass Tauren, sobald ich mich in Bewegung gesetzt hatte, an meinen Fersen klebte und mir zu folgen schien. Stimmt, da war ja was gewesen. Einer dieser besonderen Umstände, wo ich weiter als zwei Schritte lief - das Wäschewaschen. Auch wenn ich im ersten Moment ein wenig irritiert war, sah ich es als gute Möglichkeit, ihn eventuell schon mal vorzuwarnen. Zumindest davon erzählen wollte ich ihm. Wir liefen also gemeinsam die besagten Querstraßen zum Waschsalon runter, die meiste Zeit schweigend, weil die Gewissensbisse mich dazu zwangen, zu überlegen, wie ich das Thema am Besten an schnitt. Weil mir auch bis Eingang des Salons nichts eingefallen war, womit ich anfangen konnte, ohne direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, brachte ich die Sache doch relativ schnell auf den Punkt. "Hör' mal. Es gibt da was, was ich dir sagen muss", setzte ich an, als ich gerade ein paar Kronen gegen Waschmarken tauschte. Während dem nächsten Teil des Satzes, schob ich bereits meine dreckige Wäsche in die riesige Waschmaschine. "Ich hab Scheiße gebaut. Denk ich. Gestern, nach der Sache mit meinem Ex... ich weiß nicht. Ich hab ein Joint geraucht" ... so weit, so schön, Cosma, aber das war nicht das, was du Tauren erzählen wolltest ... "Na ja und ich habe mich nach Ladenschluss dann noch ein bisschen mit Tyr gestritten." - dass der Teil eigentlich erst viel später stattgefunden hatte und die Reihenfolge allgemein nicht stimmte, musste ja keiner wissen - "Warum ist egal, jedenfalls könnte mir da eventuell etwas raus gerutscht sein, was ihn hinsichtlich deines... Arbeitsplatzes etwas stutzig gemacht hat", druckste ich weiter und wich seinen Blicken gekonnt aus. Jetzt, wo ich da mit einem klaren Kopf drüber nachdachte, hatte ich ihn ganz schön in die Scheiße geritten. "Und eventuell möchte ich mich dafür auch entschuldigen, weil Tyr ganz schön durch die Decke gegangen ist", war dann das Ende der Geschichte. Erst jetzt, wo die Tasche leer war, hob ich meinen Blick voller Schuldgefühle - sowas besaß ich noch? -, sah Tauren geknickt an. Ich konnte absolut nicht einschätzen, was auf ihn wartete. Aber anhand seiner Reaktion würde ich mir schließlich ausmalen können, was ich da eigentlich angestellt hatte.
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Durch den Tag krüppeln traf den Nagel ziemlich auf den Kopf, ja. Ich fühlte mich zweifelsfrei trotz der Schmerzmittel wie ein Invalide und der jungen Frau ging es den schmerzverzerrten Bewegungen nach zu urteilen auch nicht viel anders. "Dann leiden wir wenigstens zusammen.", kommentierte ich ihre Worte nur noch ziemlich ironisch, kurz bevor wir uns auch schon in Bewegung setzten. Einen Moment lang schien das bei Cosma Verwirrung auszulösen, was mich doch ein wenig grinsen ließ. Allerdings nur kurz, weil die kleine Platzwunde an der Wange mir die gehobenen Mundwinkel kurz darauf schon förmlich wieder aus dem Gesicht fallen ließ. Ich kam mir bei solchen Jobs meistens auch wie ein schlechter Stalker vor, was zu Beginn nicht unbedingt zu meinem eigenen Wohlbefinden beigetragen hatte, aber inzwischen war es mir ziemlich egal. Was mir allerdings weniger egal sein sollte war das Gestammel, dass die junge Frau im Folgenden vor sich hin murmelte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie wirklich auf den Punkt kam. Aber ich war ja ein relativ geduldiger Mensch, weshalb ich einfach an die Waschmaschine - neben der, die Cosma benutzte - gelehnt darauf wartete, dass sie denn jetzt endlich mal mit der Sprache heraus rückte. Ich unterdrückte währenddessen also ein Seufzen. Dann traf mich aber fast der Schlag. Ich hoffte irgendwie bis zu ihrem schuldbewussten Blick, dass sie einen blöden Witz machte. Der Ausdruck in ihren Augen verriet mir aber weiterhin das Gegenteil und so verfinsterte sich meine bis dato relativ neutrale Miene schlagartig. Er wusste also, dass ich in ihrer Wohnung gewesen war. Unabhängig davon, was er womöglich noch in die Geschichte hinein interpretieren könnte, war auch das simple Verlassen meines Postens an der Tür schon bei weitem Grund genug dafür, mir eine Lehre zu erteilen. Es wäre halb so schlimm, wenn ich ihn einfach gefragt hätte, ob das in Ordnung ging. Hätte ich machen können und sofern ich Hunter nicht auf dem falschen Fuß erwischt oder aufgeweckt hätte, hätte er vielleicht sogar eingewilligt, weil er ja selbst auch wusste, wie arschkalt die Nächte in Norwegen sein konnten. Zwar vermutlich mit der Bedingung, dass ich weiterhin wach zu bleiben hatte, aber reingehen wäre an sich wahrscheinlich kein Problem gewesen. Trotzdem hatte ich nicht gefragt. Ich war mal wieder naiv genug gewesen, einfach darauf zu vertrauen, dass Cosma den Rand hielt. Ich war eindeutig zu gutgläubig und zu unvorsichtig, was fremde Menschen anging. "Wenn du mich loswerden willst, hättest du das nur sagen müssen. Dafür gibts weniger schmerzhafte Wege.", erwiderte ich durchweg trocken, sehr kühl, was für mich doch ziemlich untypisch war. Es wäre gelogen, zu sagen, dass ich nicht sauer war. Wie konnte der Rothaarigen sowas einfach mal eben so rausrutschen? Streit hin oder her, ich nahm ihr das übel. Sie trug dadurch ja keinen Schaden davon, aber ich konnte schon jetzt mal damit anfangen, mir auszumalen, was dem Boss denn als Bestrafung im Sinn stand. Die Liste der Möglichkeiten diesbezüglich war nämlich ziemlich endlos und das Ergebnis hing grundsätzlich stark von seiner Gefühlslage ab. Es konnten nur ein paar - sehr harte - Schläge sein, aber es war jetzt nicht so, als hätte er nicht auch schon Finger oder Zehen amputiert. Oder Jemanden aus den eigenen Reihen umgebracht, weil er nicht gespurt oder sich zu viel herausgenommen hatte. Ich war auch schonmal unschön aufgefallen. Es ließ sich nicht vermeiden, dass ich Cosma einen Moment lang böse anfunkelte. Nein, nochmal würde ich mich wohl nicht zu ihr nach oben verkriechen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Bei dem Blick, den Tauren mir schenkte, konnte man fast meinen, er und Tyr wären verwandt. Beide hatten sie diesen bösen Blick wirklich gut drauf. Und obwohl ich sonst nicht so anfällig für so etwas war, wich ich dem Blick von Tauren aus, weil er mir einfach unangenehm war. Erst, als er das Wort ergriffen hatte, drehte ich mich ihm wieder zu, zog aus Reflex eine Augenbraue nach oben. Wenn ich ihn loswerden wollte, würde das auch anders gehen? Hatte ich das irgendwo auch nur mit einem Wort erwähnt gehabt, dass ich ihn hatte loswerden wollen? Ich konnte ja verstehen, dass er angepisst war, aber mir gleich die wildesten Sachen zu unterstellen, nachdem wir uns noch nicht einmal richtig kannten, fand ich dann auch nicht die feine Englische Art. Ich schnaubte also wieder, nahm den Stich in der Seite dafür in Kauf. Die Waschmaschine schloss ich mit einem kräftigen Schlag, brachte sie zum laufen, bevor ich mich wieder der Diskussion widmete. "Ich kenn' dich nicht mal richtig, um zu sagen, ob ich dich loswerden will, was soll also diese Aussage? Ich hab mich doch schon entschuldigt, es war keine Absicht", verteidigte ich mich mit mittlerweile gefestigter Stimme. Noch mal würde ich im Übrigen nicht wiederholen, das es mir Leid tat. Entweder er hatte es jetzt gehört und verstanden oder er hatte Pech. War einfach nicht meine Art, mich etliche Male zu wiederholen. Entschuldigungen waren ohnehin nicht meine Stärken. Aber ich in den letzten Tage so einiges ans Prinzipien abgelegt oder ignoriert. Würde mich nicht wundern, wenn ich auch in der Hinsicht absolut verweichlichen würde. Geknickt, aber auch irgendwo ein Stück weit beleidigt ließ ich mich auf einen der freien Bänke fallen, die zum Warten bestimmt waren. Würde jetzt gut eine Stunde dauern, bis der Scheiß fertig war. So lange musste ich die Stimmung jetzt hier irgendwie aushalten. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich dazu noch groß sagen sollte. Beschwichtigen konnte ich ihn ja augenscheinlich nicht und verstehen konnte ich es durchaus, aber was sollte ich denn machen? Hätte ich ihn lieber Blind ins Verderben rennen lassen, nur um mir genau die gleichen Vorwürfe anhören zu dürfen, wenn ich nicht mit ihm geredet hätte und er erst verprügelt worden wäre? An und für sich war es also gehüpft wie gesprungen, er war beleidigt, wenn nicht sogar richtig sauer und ich ... na ja, ich nicht. Mir war es grundlegend egal, ging hierbei ja nicht um meinen Arsch. Da wollte man einmal freundlich sein und seinen Mist von vorne rein schon mal entschuldigen. War auch wieder nicht richtig.
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Mir brachte halt aber leider weder ihre unnütze Entschuldigung etwas, noch die Tatsache, dass es keine Absicht gewesen war. Mochte ja sein, dass sie diese Info wirklich nur im Eifer des Gefechts unabsichtlich losgeworden war, aber das änderte eben an dem unschönen Fakt, dass ich heute wohl noch ziemlich aufs Maul bekommen würde, absolut gar nichts. Konnte ich mir nichts von Kaufen und die Entschuldigung war leider auch keine brauchbare Währung. "Du hast ja keine Ahnung davon, was er jetzt mit mir anstellen wird. Ich werde mir danach wahrscheinlich wünschen, gestern abgestochen worden zu sein.", grummelte ich mit unterstreichender Handbewegung zu ihr rüber, wobei ich nicht allzu laut redete. Es waren zwar nicht viele Leute hier, aber diese Worte waren nicht für fremde Ohren bestimmt. Vermutlich konnte ich im Nachhinein froh sein, wenn er mir das Gesicht nicht unkenntlich geschlagen hatte und noch alle Zähne da waren. Ich betete förmlich darum, dass er mir die Nase nicht brach. Es gab schon genug Typen mit krummer Nase in unserem Business, er musste mir meine nicht auch noch schief schlagen. Es war nicht so, als würde ich mich selbst als absoluten Schönling sehen, aber ich war eigentlich zufrieden so, wie es war. Ich brauchte keine Narben, die davon zeugten, dass ich mein Leben schon in frühen Jahren gegen die Wand gefahren und den falschen Weg eingeschlagen hatte. Mir wurde auch so jeden Tag aufs Neue bewusst, dass ich es wirklich besser haben könnte, wenn ich dem Ganzen den Rücken kehrte, ohne dass mir ein vernarbtes Gesicht im Spiegel entgegen sprang. Nur war mit Aussteigen halt eher nicht, wenn man erstmal in der Scheiße mit drin war. Das war so eines der Dinge, über die ich nicht vorher nachgedacht hatte. Vermutlich des lockenden Geldes wegen. Ich war schlicht und ergreifend bis zu einem gewissen Teil selbst Schuld an der Misere - auch an der folgenden Einheit an Schlägen. Hätte ich nicht bei ihr geschlafen, hätte das nämlich gar nicht passieren können. Dass ich innerlich jetzt gerade komplett durcheinander und aufgewühlt war, wollte mich das jetzt aber noch nicht realisieren lassen.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Hm. Dann sollte er eben weiter nörgeln. Ich hatte alles, was ich dazu zu sagen hatte, bereits gesagt und würde jetzt nicht noch weiter versuchen, meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ich wusste, dass ich einen Fehler gemacht, aber dafür hatte ich mich auch entschuldigt. War somit alles in meiner Macht stehende erledigt. Ich entschloss mich auch dazu, die Diskussion hiermit zu beenden, antwortete einfach gar nicht mehr auf seine Aussage. Was sollte ich auch? Ja, du hast Recht Tauren oder was? Wusste er selber, musste ich ihn nicht noch bestätigen. Schweigend wartete ich also darauf, dass die Klamotten endlich fertig gewaschen und getrocknet waren. Erst dann stand ich wieder auf, fischte die zerknitterte Wäsche aus der Trommel und beförderte sie zurück in die Tasche, mit der ich sie einst hergebracht hatte. Normale Menschen würden diesen Haufen Wäsche vermutlich Zuhause bügeln, weil es komplett zerknittert war und echt Scheiße aussah. Sollte aber nicht auf mich zutreffen. Die Sachen wurden, wenn überhaupt, grob zusammengelegt und in den Schrank gefeuert. Nicht mehr, nicht weniger. Da Tauren ja momentan weniger davon hielt, sich zu unterhalten, informierte ich ihn gar nicht erst darüber, dass ich jetzt nach Hause gehen würde. Anstelle dessen schulterte ich wieder die voll bepackte Tasche, zischte den Schmerz nur so heraus, bevor ich den Waschsalon kommentarlos verließ und den Weg nach Hause einschlug. An dieser Stelle gab es zwei mögliche Optionen. Bei Option A würde mir Tauren jetzt ohnehin folgen, weil er nicht noch mehr Stress mit seinem Boss haben wollte. Bei Option B hingegen hatte er vollkommen mit seinem Leben abgeschlossen, Hunters Reaktion war ihm egal und er würde einfach im Salon sitzen bleiben oder eine andere Richtung einschlagen. Und secretly gab es noch Option C, nämlich das er mich bei der nächstmöglichen Gelegenheit in einer Seitengasse einfach abmurksen würde. Mir Letzterem wäre ich persönlich ja auch vollkommen zufrieden gewesen, hatten die letzten Tage doch wirklich an meiner Lust zu Leben gezerrt. Klar, konnte es nach solchen Vorkommnissen irgendwann nur noch bergauf gehen, aber nervlich war ich gerade in etwa auf dem Level angekommen, was ich bei der Trennung von Daith hatte. Noch ein, zwei Geschichten mehr und der Griff zu den Opiaten war nicht mehr so unrealistisch, wie noch vor einer Woche. Na ja. Jedenfalls lief ich relativ stumm, fluchte nur zwischendrin ein oder zwei Mal der Schmerzen wegen, die Strecke zur Bar zurück, wo ich aus einiger Entfernung bereits Hunter identifizieren konnte. Er schien an der Hauswand zu lehnen, mehr konnte ich aber auf die Distanz auch nicht erkennen. Mit einem neutralen Gesichtsausdruck, der aussah, als würde ich gleich jemanden ermorden wollen, lief ich auf ihn zu, machte allerdings einen kleinen Schlenker, um direkt vor der Haustür zum Stehen zu kommen. Eine Begrüßung oder gar ein Lächeln an ihn hielt ich für eine Verschwendung. Zumindest nach letzter Nacht.
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Es hatte sich bei dem unüberhörbaren Türknall gar nicht vermeiden lassen, dass ich aufgewacht war. Das Ganze hatte ich mit einem leise vor mich hin fluchenden Grummeln und einem prüfenden Griff um die Handfeuerwaffe hingenommen, bevor ich erneut in den Schlaf abzudriften versuchte. Hatte allerdings nicht besonders gut funktioniert, mehr als ein kurzzeitiges Schlummern war nicht mehr drin gewesen, weshalb ich mir das müde Gesicht in den Händen reibend dann doch wenig später aufrecht auf dem Sofa saß. Meine Laune war noch nicht wirklich besser als gestern, machte sich doch auch irgendwie ein leichter Kopfschmerz bei mir breit. Am Alkohol konnte das nicht liegen, musste ich für einen richtigen Kater doch deutlich mehr trinken, aber scheinbar wollte mir mein Körper einfach direkt am Morgen schon schön eins reinwürgen. Das war also gleich eine weitere Sache, die sich eher nicht positiv auf Taurens Strafe auswirken würde. Mit dem leicht dröhnenden Schädel stand ich dann noch etwas gerädert auf, zog mich Stück für Stück in aller Ruhe an. Als ich soweit wieder bekleidet auf den Beinen stand zog ich die Waffe unter dem Kopfkissen hervor und schob sie zurück an ihren Stammplatz innerhalb meines Hosenbunds. Ich rückte auch die Ringe an Mittel- und Ringfinger wieder zurecht - die mussten ja gleich Dienste verrichten -, bevor ich mir noch meine Lederjacke über schmiss und in die Stiefel stieg. Mein Magen knurrte, während ich die Treppenstufen nach unten ging, aber der Hunger würde noch etwas warten müssen. Allzu lange warten musste ich draußen gar nicht, bis die Zielperson meiner Begierde in mein Blickfeld rückte. Scheinbar war der junge Mann Cosma zu irgendeiner niederen Mission gefolgt. Schön, dass er wenigstens heute seinen Job ernst nahm und sich an die Regeln hielt. Ich konnte Tauren schlucken sehen, als sie bei mir ankamen und er hielt gut drei Meter Sicherheitsabstand, der ihm gleich absolut Nichts mehr bringen würde. Vorerst sah ich ihn jedoch nur mit funkelnden Augen an, streckte die Hand aus. "Kippe.", forderte ich knapp, weil ich ganz genau wusste, dass er immer mindestens eine Schachtel in den Hosentaschen hatte. Er schien einen Moment lang verwirrt, bevor er mir kurz darauf besagte Pappschachtel entgegenhielt. Ich nahm mir eine Zigarette heraus und er zündete sie mir an, wobei ich seine Angst schon förmlich riechen konnte. "Hast du mir Irgendwas zu sagen, Tauren?", forderte ich ihn nach dem ersten Zug dazu auf, hielt ihn dabei zu jeder Sekunde mit den Augen fest. Er zögerte, schien sich zu überlegen, was und wie er denn jetzt Etwas sagen sollte. "Ich hätte fragen sollen... ich weiß. Aber aufwecken wollte ich dich auch nicht, war ja schon sehr spät... früh.", erwiderte der Dunkelblonde leicht stockend, versuchte scheinbar allen Ernstes, auch noch eine gute Begründung für sein Verhalten zu finden. Ich sagte jedoch Nichts dazu, sondern fing an leicht vor mich hin zu grinsen, während ich die Zigarette in aller Ruhe zu Ende rauchte. Dann nahm ich mir sein Handgelenk, um den kläglichen Überrest an seinem Handrücken auszudrücken, wobei er sehr offensichtlich eine Reaktion darauf zu unterdrücken versuchte. Dem Drang, die Hand wegzuziehen, kaum widerstehen konnte. "Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mir der Grund dafür am Arsch vorbei geht.", knurrte ich Tauren im selben Moment entgegem, wobei mir das psychotische Grinsen förmlich aus dem Gesicht fiel. Es dauerte auch gar keine weiteren fünf Sekunden, bevor meine rechte Faust das erste Mal sein Gesicht traf. Er taumelte stark, fiel jedoch nicht, sondern versuchte mit geplatzter Lippe sein Gleichgewicht wieder zu finden und sich aufzurichten. Immerhin eine Sache, die er bei mir schon in den Griff bekommen hatte. Als nächstes folgte ein alles Andere als zimperlicher Kniehieb in den Bauch, woraufhin er keuchend ächzte und dann auch schon mit dem zweiten Faustschlag zu Boden ging. Dann hob ich meinen Stiefel zu den geprellten Rippen, wobei ich erst nur mit der vorderen Kappe leicht dagegen drückte. "Du solltest es eigentlich längst besser wissen...", redete ich drohend ruhig weiter, während ich den Druck auf seine Rippen immer stärker werden ließ. "...und trotzdem wagst du's wieder, mir kostbare Zeit zu rauben.", vollendete ich den begonnenen Satz, bevor ich ihm einen heftigen Tritt in die Rippengegend verpasste.
Ich empfing das Schweigen ganz einfach wie es kam und zeigte auch keinerlei Interesse mehr an weiterer Konversation. War schlichtweg überflüssig und so machte ich mich bereits mit ungutem Gefühl mit etwas Abstand neben Cosma auf den Rückweg zu ihr nach Hause. Dort konnte ich den Teufel in Person leider schon von Weitem sehen, war seine Silhouette für mich doch absolut unverkennbar. Die Angst kroch schon während der letzten Meter in seine Richtung immer weiter in meinem Nacken hoch und die Ruhe, die vor dem Sturm noch kam, hielt ich schon für alles Andere als ein gutes Zeichen. Obwohl ich wusste, dass es vollkommen egal war, was ich denn jetzt auf seine Frage erwiderte, wagte ich den schon zum scheitern verurteilten Versuch, es irgendwie gut zu verpacken. Half mir aber nicht im Geringsten, stattdessen hieß mich der Schmerz gleich kurz darauf mit offenen Armen Willkommen. Mein Schädel pulsierte und dröhnte schon nach dem ersten Faustschlag und mir wurde kurzzeitig schwarz vor Augen, aber nach dem Hieb in die Magegegend und der nächsten Bekanntschaft mit dem Metall an seinen Fingern war es dann endgültig vorbei. Ich landete hart auf dem Boden und keuchte förmlich vor mich hin. Meine Sicht klarte nur langsam wieder auf, während er dabei war mir meine Verletzung an den Rippen extra deutlich unter die Nase zu reiben und ein von Schmerz geplagter Ausruf ließ sich nicht verhindern, als er mir den Stiefel in die Seite rammte und mir damit jeglichen Sauerstoff aus den Lungen schlug. Ich fühlte mich schon so, als könnte ich gar nicht mehr atmen, als er sich - wie ich im Augenwinkel zuerst vernahm - zu mir runterkniete. Ein Fuß neben mir auf den Pflastersteinen, das andere Knie stütze er mir auf der Wirbelsäule förmlich in den Rücken. An ausreichendes Atmen war also weiterhin nicht zu denken, während ich wehrlos weiter vor mich hin ächzte, der Schmerz langsam aber sicher jede Faser meines Körpers einzunehmen schien. Dann spürte ich, wie er nach meiner Hosentasche griff und das Messer herauszog. Als ich die Klinge dann das erste Mal im Nacken spürte, betete ich förmlich darum, dass er einfach zustach und meinem Leiden ein Ende setzte, weil ich es schon gar nicht mehr in Worte hätte fassen können. Aber stattdessen setzte er mehrmals das Messer in meine Haut, schien irgendwelche Linien zu ziehen, während er mit der anderen Hand mein Gesicht auf den Boden drückte. Machtlos ließ ich die ganze Prozedur weiter über mich ergehen, während der Blutgeschmack in meinem Mund und die Übelkeit immer unschönere Formen annahmen. Als er mit seinem Kunstwerk fertig zu sein schien, stand er wieder auf und ich war dankbar dafür, den Brustkorb zumindest für einen kurzen Augenblick wieder anheben zu können. Dann packte er mich auch schon im Kragen, zog meinen Kopf und Oberkörper ein Stück weit hoch. "Du bist mein gottverdammtes Eigentum, Tauren. Wenn du auch nur noch ein einziges Mal die Dreistigkeit besitzt, dich mir zu widersetzen, wirst du entsorgt.", knurrte er mir noch ans Ohr und unterstrich mit seiner Wortwahl nur allzu deutlich, wie sehr ich für ihn nur ein Gegenstand war, bevor er mir den nächsten Schwung gab und ich mit dem Gesicht noch einmal unschön auf den Boden knallte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ich hatte die beiden Jungs alleine gelassen, war achtlos an Hunter vorbei gestiefelt, um die Tür aufzuschließen und mich in meine Wohnung begeben. Alles, was ich vernahm, waren nur noch ein paar Wortfetzen, die er und Tauren untereinander austauschten. Dann fiel die Haustür auch schon ins Schloss und ich mühte mich mit der Tasche auf den Schultern die Treppen hinauf. In der Wohnung angekommen, sortierte ich erst einmal die Wäsche weg, ehe mich dann doch die Neugier packte und ich mich zum Küchenfenster schlich. Von dort aus hatte ich den besten Blick auf alles, was vor der Haustür - und vor der Bar - passierte. Als ich auf der Fensterbank hinter den Gardinen Platz genommen hatte, wünschte ich mir im nächsten Moment, die beiden sich selbst überlassen zu haben. Denn das, was ich von hier aus sah, trieb mir den nicht vorhandenen Mageninhalt die Speiseröhre hoch. Ich hatte nicht erwartet, dass Hunter ihn einfach so davon kommen lassen würde, aber das, was er da mit Tauren anstellte... da hatte er einfach kein Recht zu. Ich war so geschockt, dass ich beinahe das Sabbern anfing, weil ich den Mund nicht mehr schließen konnte. Erst, als im Prinzip alles vorbei war und Tyr den entstellten jungen Mann von der Straße kratzte, nur um ihn kurz darauf wieder zu Boden zu werfen, löste sich meine Schockstarre. Ehrlich gesagt war mir gerade richtig schlecht geworden. Tauren so leiden zu sehen, weil ich ihn in die Scheiße geritten hatte, na ja... löste doch wieder diese Schuldgefühle in mir aus. War jetzt nicht so, dass ich gleich das Heulen anfangen würde, aber ich fühlte mich schon... mies. So wie ich das beobachten konnte, hatte sich um den Kopf des jungen Mannes eine Blutlache gebildet und ich dachte wirklich, es ging zu Ende mit ihm. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Hunter sich endlich von ihm abwandte und zum Gehen ansetzte. Fast im selben Moment war ich aufgesprungen, stolperte über Tisch und Stuhl, die unnötigerweise immer noch in der Küche meiner Wohnung standen und stand schon mit einem Fuß im Treppenhaus, als ich mich dazu entschied, noch einmal umzukehren. Dieses Mal strebte ich nicht das Schlafzimmer an, sondern machte kurz vorher einen Abstecher ins Badezimmer. Ich öffnete einen kleinen Arzneischrank in der Nähe der Duschkabine. Anders als bei normalen Leuten, befanden sich darin allerlei Morphine und Opiate, die ich zu gegebener Zeit aus der Klinik mitgenommen hatte. Ich nahm mir die letzte Ampulle Fentanyl und eine sterile Spritze, steckte beides in eine meiner Jackentaschen. Erst dann war ich bereit dazu, trotz meiner eigenen Schmerzen, zwei Treppenstufen auf einmal nach unten zu nehmen. Vor der Haustür wurde ich aber noch mal langsamer, leiser, bildete mir ein, Hunter noch draußen gehört zu haben. Vorsichtig öffnete ich die Tür, späte durch einen Schlitz nach draußen um ganz sicher zu gehen, dass der blöde Wichser auch wirklich verschwunden war. Ich wollte nicht, dass Tauren direkt noch eins ab bekam. Denn ein nächstes Mal würde er höchstwahrscheinlich nicht überleben. Auf dem Weg zu dem ab Boden Liegenden, blickte ich immer wieder paranoid hinter mich, hatte Angst, Hunter würde hinter einer Ecke auf uns lauern, aber es schien, als hätte er sich gänzlich aus der Umgebung verpisst. Meine Chance also, Tauren endlich zur Hilfe zu eilen. Nach drei großen Schritten, ließ ich mich neben ihm auf die Knie fallen, besah mir das Ausmaß des Ganzen nun noch einmal genauer. Etliche Platzwunden, von der Schnittverletzung ganz zu schweigen, hatte der junge Mann ordentlich was abbekommen. "Oh Gott, es tut mir so Leid", wisperte ich vor mich hin, nicht sicher, ob er mich überhaupt hören konnte. Er lag mit dem Gesicht gen Boden, was es mir schwer machte, nach seinem Puls zu tasten. Gut, dass ich Übung darin hatte, diesen auch am Handgelenk zu überprüfen. Glücklicherweise war er nur schwer verletzt und nicht tot. Auch wenn es ihm gar nicht passen würde, konnte er nicht einfach hier liegen bleiben. Gerade, wenn seine Wunden unversorgt blieben, würde er hier draußen schneller an Sepsis sterben, als ihm lieb war. Tauren war aktuell in einer Position, in der er sich gegen meine Hilfe nicht wehren konnte. Dies nutzte ich aus, um das Fentanyl und die Spritze aus der Jackentasche zu ziehen. Ich zog das künstliche Morphin in das durchsichtige Spritzbesteck, welches ich für eine Zeit zwischen den Lippen hielt, um beide Hände für weitere Vorkehrungen frei zu haben. Ich suchte nach etwas Brauchbarem, um seinen Arm abzubinden, entledigte Tauren letztlich seinen Gürtel, weil er sich am besten dazu eignete. Wie einem Drogenjunkie schnürte ich ihm den linken Arm ab, um kurz unter dem Gürtelrand die Nadel in eine deutlich sichtbare Vene zu jagen. "Ich weiß du hasst mich - ich tue das auch -, aber bitte steh' auf. Du kannst hier nicht liegen bleiben. Das Schmerzmittel wird dich innerhalb von zehn Minuten ins Delirium schicken, bis dahin müssten wir es aber rauf geschafft haben...", murmelte ich ihm zu. Ich konnte nicht alle seine Verletzungen hier auf der Straße behandeln, sicher waren auch schon die ein oder anderen Nachbarn auf uns aufmerksam geworden. Es hatte also gute Gründe, sich hier schnellstmöglich zu verpissen. Nach der Injektion schmiss ich die benutzte Spritze auf die andere Straßenseite, versuchte mit aller Kraft, den schweren Körper anzuheben, zu stützen. War gar nicht mal so leicht, wenn man selber nur ein Fliegengewicht war und zudem auch noch lädiert. Aber wir mussten hier weg. In der Wohnung hatte ich dann die Möglichkeit, seine Platzwunden und vor allem die Schnittverletzung ordentlich zu behandeln. Ich war zwar kein Hobbyarzt, hatte aber vor meiner Entlassung trotzdem Einiges an Zeug mitgehen lassen, für den Fall der Fälle. Der mit dem heutigen Tag zum ersten Mal eingetroffen war.
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Für einige, ewig lang wirkende Sekunden lag ich einfach nur da und spürte das warme Blut seitlich an meinem Nacken runterlaufen. Weder machte ich irgendwelche Anstalten dazu, etwas auf Hunters letzte Worte zu erwidern - war auch gar nicht wirklich dazu fähig - bevor er ging, noch regte ich auch nur einen einzigen Muskel bewusst, als Cosma zu mir kam. Ihre Worte klangen furchtbar dumpf in meinen Ohren und ich konnte kaum verstehen was sie sagte, schaltete mein gesamter Körper jetzt scheinbar auf Energiesparmodus. Ich hatte nicht die Kraft und auch nicht den Willen dazu, die junge Frau von Irgendwas abzuhalten, ließ sie demnach einfach mit was auch immer gewähren. Nur den Einstich der Nadel nahm ich richtig bewusst wahr, ließ dieser meinen Körper doch erneut etwas hochfahren, weil er den nächsten Schmerzfaktor bildete. Der Rotschopf redete Irgendwas von Hass, Irgendwas von Aufstehen und Irgendwas von Delirium. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mein vollkommen verwirrtes Hirn die Worte richtig geordnet und gedeutet hatte. Keine Ahnung was sie mir da für eine Substanz verpasst hatte, aber scheinbar würde sie mich ausknocken und es wäre denkbar ungünstig, wenn ich dann weiter hier auf der Straße herumlag. Nicht nur, weil ich dann früher oder später erfrieren oder mich mit weiß Gott was infizieren würde, sondern auch, weil sicher Irgendjemand naives auf die Idee kommen würde, mich ins Krankenhaus zu stecken. Ich wollte Alles, aber das ganz sicher nicht. Als ich die Situation erstmalig wirklich verstand, war Cosma bereits mit dem Versuch beschäftigt, mich irgendwie aufzuheben. Die schnell einsetzende Wirkung des Schmerzmittels machte es überhaupt erst möglich, dass ich damit anfing ihr dabei zu helfen, so gut ich nur irgendwie konnte. Die Hauswand musste gute Dienste dabei leisten, mich aufrecht zu halten, als ich dann erstmal sehr wacklig auf den Beinen stand. Mit der jungen Frau an der einen und der Wand auf der anderen Seite, schleppte ich mich noch immer sehr unregelmäßig atmend bis zur Haustür und drinnen wartete dann die eigentliche Hürde auf uns - die Treppe, die mir viel länger vorkommen sollte, als sie eigentlich war. Ich stolperte mehrfach beim Versuch die Füße weit genug anzuheben, um die nächste Stufe zu erklimmen, während ich mich krampfhaft am Geländer festhielt. Wenigstens versetzte mir das nur noch schwache Schmerzen, schien das Schmerzmittel doch ein wirklich schnell wirkendes zu sein. Das änderte halt aber leider Nichts an dem stacksigen Gang und der Tatsache, dass Hunter mir mit seiner Prügeleinheit jegliche Form von Energie aus dem Körper geschlagen hatte. Es war also eine weitere Kunst, mich oben angekommen noch bis zum Sofa zu kriegen, auf das ich mich ganz einfach nur noch fallen ließ. Ungefähr genauso plump, wie ich vorher unten auf der Straße gelandet war, nur fiel ich dieses Mal wohl deutlich weicher. Das Fentanyl schien indessen auch schon seine volle Wirkung entfaltet zu haben, weil ich bei der Landung Nichts spürte. Also wirklich absolut gar nichts. Ich war mehr als dankbar dafür, dass es auch nicht mehr lange dauerte, bis ich die Augen kaum noch offenhalten konnte und die sedierende Wirkung sich entfaltete. Ich driftete zügig in ein wahnsinnig angenehmes Nichts ab und verlor mich in der Dunkelheit, die sich über mich legte. Mein Körper gab sich der Sedierung etwas mehr als satte drei Stunden hin (kp inwiefern das realistisch is but zu faul zu googeln XD). Erst dann erlangte ich langsam das Bewusstsein wieder, schlug flackernd die Augen auf und musste erst einmal meine Gedanken neu sortieren. Das letzte, woran ich mich erinnerte, waren die Schläge und Tritte, weshalb ich mich nach Realisierung dessen einmal hektisch umsah. Nein, zum Glück kein Hunter. Es waren nur die roten, gelockten Haare der Barfrau, die mir recht bald ins Sichtfeld rückten. "Was ist... wie lang war ich weg?", fragte ich sichtlich aufgeschmissen und realisierte erst währenddessen, dass ich wieder in Cosmas Wohnung aufgewacht war.
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Mein Gott, das war ein Akt gewesen, Tauren heile die Treppen hoch zu bekommen. Es dauerte bestimmt eine gute Viertelstunde, bis wir die letzte Treppenstufe gemeinsam erklommen hatten, ohne das es jemanden von uns umgerissen hatte. Etwas umständlich kramte ich mit einer Hand nach meinem Haustürschlüssel, um den jungen Mann auf direktem Weg ins Wohnzimmer zu führen, wo ich das Gewicht beim Absetzen leider nicht mehr halten konnte. Die Tatsache, dass er doch um einiges schwerer wurde, als er seine Mitarbeit beendet hatte und der Fakt, dass auch mein eigener Schmerz mich ein Stück weit in die Knie zwang, führte dazu, dass ich Tauren knapp über der Couch loslassen musste. Das Fentanyl schien aber bereits zu wirken und somit schien er davon nicht mehr allzu viel zu merken. Kurz darauf waren seine Augen auch schon geschlossen und sein ruhiger, aber gleichmäßiger Atem verriet mir, dass er sich ins Land der Träume verabschiedet hatte. Meine erste Amtstat war gewesen, ein dickes Handtuch zu holen, damit er mir nicht das Sofa vollblutete. Ein Handtuch voller Flecken verschwinden zu lassen, war mir lieber und deutlich einfacher, als eine ganzes Sofa. Als das erledigt war, nahm ich ein paar Pflaster, Verbände und desinfektionsmittel an mich, damit auch der Rest seiner Wunden eine ordentliche Versorgung bekamen. Ich fing an, die Platzwunden im Gesicht zu säubern, schmierte sie vorsichtig mit Wundheilsalbe ein und bedeckte alles mit ein paar Pflastern. Komplizierter wurde dann die Schnittwunde in seinem Nacken. Wundnahtstreifen hatte ich jetzt nicht zur Hand, ebenso wenig das Repertoire, den Scheiß zu nähen. Ich musste also improvisieren. Die beste und einzig umsetzbare Idee war ein Druckverband. Vorsichtig hob ich Taurens Kopf an, prüfte dabei immer wieder, ob er dabei aufwachte, aber es schien ihm zumindest in diesem sedierten Zustand richtig gut zu gehen. Ich schob mich unter der Lücke zwischen ihm und dem Sofa durch, legte das Handtuch und mit diesem auch seinen Kopf auf meinen Schoß ab. So war es am einfachsten gewesen, an die Verletzung heran zu kommen. Noch immer sehr vorsichtig desinfizierte ich die Schnittwunde, wischte auch das Blut aus seinen Haaren - zumindest, so gut es ging. Anschließend stoppte ich die Blutung mit einer Wundauflage. Für den Druck würden jetzt erst einmal zwei Päckchen Tempos sorgen, die ich unter einem Verband in seinem Nacken stabilisierte. Erst als ich die Wundversorgung zufriedenstellend abgeschlossen hatte, legte ich den Kopf in den Nacken, starrte Löcher in die Luft und döste sogar einmal kurz weg, so sehr hatte der Aufruhr an meinen ohnehin schon kaum vorhandenen Kräften gezerrt. Nach etwa drei Stunden bewegte sich das bis dato schlafende Wesen auf meinem Schoß und sorgte somit dafür, dass ich auch wieder die Augen öffnete. Tauren schien ein wenig hektisch, fast panisch den Raum abzusuchen, bis er noch etwas sediert und scheinbar verwirrt ein paar Worte stammelte. Ich beugte mich ein wenig vor, sodass meine roten Locken ihm beinahe ins Gesicht fielen, als ich zu ihm runter guckte. "Alles gut, es ist niemand hier", antwortete ich müde auf sein hektisches Umsehehen. Ich rieb mir verschlafen die Augen. "Und eh.. du warst ziemlich genau drei Stunden weg", hängte ich auch noch die Antwort auf seine Frage hinten dran. So gut es in der Position eben ging, streckte ich Arme und Beine ein wenig vom Körper, gähnte. Man, so eine anständige Mütze voll Schlaf wäre echt mal wieder was Schönes.
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Hunter war scheinbar also vorhin schon gegangen. Logisch, sonst wäre ich vermutlich nicht hier. Wobei er ja trotzdem mit keinem Wort erwähnt hatte, dass das sich in Cosmas Wohnung aufhalten irgendwie verwerflich war, sondern eben nur das nicht fragen. Ich hatte auch immernoch nicht gefragt, trotzdem war ich wieder hier. Gut, dass er das nicht zu wissen schien, fände er nämlich sicher wieder nicht witzig. Meine erste Amtshandlung, wenn ich das Arschloch wiedersah, wäre also die allgemeine Frage danach, ob ich mich - wachbleibend - drinnen aufhalten durfte, solange ich dabei meiner Arbeit weiterhin nachging. Jetzt gerade war mir das für den Moment aber relativ egal, galt mein größeres Augenmerk doch irgendwie der Tatsache, dass ich hier mit dem Kopf auf dem Schoß der jungen Frau herumlag. Zu meiner Verwunderung war der Schmerz, den ich zu spüren vermochte, auch nach diesen drei Stunden noch immer kaum spürbar. Meine Rippen zwickten nur ein wenig, als ich einen noch ziemlich kraftlosen Versuch startete mich langsam aufzurichten, während dem es mir immer wieder im Nacken knisterte. Als ich dann mit aller Mühe saß wurde mir auch erst einmal schwarz vor Augen, weshalb ich jene einen Moment lang schloss und mich mit dem einen Arm auf dem Sofa stützte, während ich mir die andere Hand vors Gesicht hielt, um mir die angespannten Schläfen leicht zu massieren. Als der Anflug von Schwindel langsam vorüber war, fasste ich mir in den Nacken. Ein Verband. Darunter augenscheinlich sowas wie Taschentücher, daher auch das Geknister am Hinterkopf. "Ist es ein H?", stellte ich Cosma mit kratziger Stimme die nächste Frage, während ich nach dem Knoten des Verbandes tastete, um ihn zu lösen. Das Scheißding nervte und außerdem war der Druck nicht übermäßig angenehm. Spätestens wenn die Schmerzrezeptoren meines Körpers langsam wieder aufwachten, was nicht mehr allzu lange dauern konnte, würde ich den Mist sowieso loswerden wollen. Bluten tat es scheinbar auch nicht mehr, zumindest nicht dem anschließenden, prüfenden Abstasten der Wundauflage nach zu urteilen. Ich ahnte schon, dass Hunter mir seinen Stempel im Nacken verpasst hatte. Wissen und sehen konnte ich es natürlich noch nicht, aber die Vermutung lag sehr nahe. Das machte er mit fast Jedem, der mehr als einmal gegen seine strikten Regeln verstoßen hatte, zu diesem Zeitpunkt aber zu wertvoll für sein Geschäft war, um direkt umgelegt zu werden. Es war quasi gleichzusetzen mit einer Ich-Hab-Jetzt-Nichts-Mehr-Außer-Mein-Leben-Zu-Verlieren-Marke. Die letzte Warnung. Er nutzte jenes Aymbol zwar auch sehr gerne an Hauswänden, um einfach nur sein Revier zu markieren und Jedem unmissverständlich klar zu machen, wo sein Regiment herrschte, aber auf der Haut war es gänzlich unmissverständlich. Erst jetzt, als ich den Gedanken zu Ende geführt und das Verbandszeug bei Seite gelegt hatte, sah ich die junge Frau das erste Mal seit dem Aufwachen bewusst richtig an. Mein Rachen war ziemlich trocken und ich räusperte mich leicht, stellte dabei fest, dass auch meine Unterlippe ein ganzes Stück weit angeschwollen war. Dann hob ich die Finger noch einmal an, um mir vorsichtig an die Nase zu fassen. Hallelujah, drei verdammte Kreuze. Wenn schon sonst Alles kaputt war - wenigstens war die Nase noch gerade. "Hast du was zu trinken für mich?", folgte auch schon die nächste Frage meinerseits an die Rothaarige. Ich war eigentlich nicht der Typ dafür andere Leite durch die Gegend zu schicken, aber meine gelinde gesagt missliche Lage war zu großen Teilen ihre Schuld. Also fühlte ich mich deswegen in diesem Fall nicht unbedingt schlecht, obwohl ich schon dankbar dafür war, dass sie mich überhaupt von der Straße gekratzt hatte.
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Hui, er konnte Fragen stellen. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich Tauren an, als dieser es geschafft hatte, sich mit aller Mühe in eine sitzende Position zu kämpfen. "Ich habe ehrlich gesagt nicht drauf geachtet", antwortete ich wahrheitsgemäß. Hatte ich echt nicht, warum auch? Für mich war lediglich interessant gewesen, wie schlimm es um die Schnittwunde stand, nicht etwa welche Form sie hatte. Lag aber nahe, wenn er es schon so direkt fragte. Er wusste also, zu welchen Mittelchen sein Boss griff, wenn er mal stinkig war. Ein wenig besorgt musterte ich den jungen Mann, als er sich die Schläfen massierte und wohl generell versuchte, die ganze Geschichte ein wenig zu ordnen. Ich schob das Handtuch, mit den getrockneten Blutflecken von meiner Schoß, zog meine Beine in eine bequemere Position, nur um sie kurz darauf auch schon wieder zu entfalten. Als mich Tauren um etwas zu Trinken bat, erhob ich mich schweren Herzens von der Couch, um nach einem knappen "Na klar." in die Küche zu verschwinden. Getränke aller Art waren so ziemlich das Einzige, was ich in meinem sonst so leeren Kühlschrank aufbewahrte. Ich griff mir eine Flasche Wasser und einen Eistee, betrat kurze Zeit später wieder das Wohnzimmer. Weil ich nicht wusste, wonach Tauren im Moment eher der Sinn stand, stellte ich ihm einfach beide Flaschen auf den Couchtisch, ohne Gläser, versteht sich. "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aus der Flasche zu trinken. Ich.. eh, hab hier oben keine Gläser", stellte ich mit einem schmalen, noch immer schuldbewussten Lächeln klar. Vorsichtig, weil auch meine Rippen sich nach der den drei Stunden Erholung langsam wieder meldeten, ließ ich mich wieder neben ihm ins Polster gleiten und fuhr mir etwas nervös durch die Haare. "Hm, wie geht es dir? Brauchst du noch irgendwas?", hängte ich ein paar fragende Worte hinten dran, weil ich mir nicht sicher war, inwieweit das Fentanyl noch anhielt. Eigentlich war ich bei der Dosierung relativ großzügig gewesen, sollte im Prinzip alles noch betäubt sein, was hätte wehtun können. Dennoch wollte ich wissen, wie es ihm unter den Umständen aktuell ging. War ja nicht zuletzt auch meine Schuld, dass er so zugerichtet worden war. Wobei ich sagen musste, dass auch er seinen Teil dazu beigetragen hatte. Alleine wollte ich mir das Paar Schuhe definitiv nicht anziehen.
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Hm, sie hatte das Muster also nicht bewusst unter die Lupe genommen. Klar, wieso sollte Cosma das auch tun, war ihr vermutlich eher der Sinn danach gestanden, mich nicht komplett ausbluten zu lassen. Erst recht nicht auf ihrem Sofa, wo Schnittwunden doch allgemein dafür bekannt waren, gerne viel und auch lange zu bluten. Während sie in der Küche verschwand raufte ich mir einmal die recht wirr in alle Richtung verteilten Haare, weil mir zwei oder drei Dträhnen nervig an der Stirn hingen. Als Cosma wieder bei mir ankam, unterzog ich beide Flaschen während ihren Worten nur einer flüchtigen Musterung, entschied mich dann für das Getränk mit dem deutlich höheren Zuckeranteil. Mein Körper war vermutlich für jedes Form von Energiezufuhr dankbar, es wurde demnach also der Eistee. Ich winkte ab, bevor ich die Flasche nahm und öffnete. "Es gibt wohl Schlimmeres, als aus der Flasche trinken zu müssen.. danke.", meinte ich diesbezüglich nur vor mich hin gemurmelt, bevor ich anfing zu trinken. Allzu bald hörte ich damit auch gar nicht auf, war doch mindestens ein Drittel der Flasche im Anschluss leer. Es war nicht nur der kratzige, trockene Hals gewesen, der mich gestört hatte, sondern auch der Durst hatte sich nach den ersten Schlucken hörbar gemeldet. Als ich den Eistee wieder zugeschraubt hatte schob ich mich vorsichtig nach hinten an die Lehne des Sofas. Es war ganz einfach wahnsinnig anstrengend, ohne Halt aufrecht sitzen zu müssen. Die Flasche deponierte ich zwischen mir und der Armlehne des Sofas, ehe ich einen Moment lang darüber nachdachte, was ich auf die Frage der jungen Frau antworten sollte. Ja, wie ging es mir denn? Den Umständen entsprechend, würde ich sagen. Zwar hatte ich nur sehr wenig bis keine Schmerzen - die mich früher oder später sicher einholen würden -, aber fit war ich natürlich trotzdem nicht. Man konnte sich nicht einwandfrei fühlen, wenn man vor ein paar Stunden die Fresse poliert bekommen hatte. Und psychisch? Das war zwar sicher nicht das, was sie wissen wollte, aber ich hatte mich wohl auch in dieser Hinsicht schonmal besser gefühlt. "Geht schon...", gab ich ihr also eine letztendlich sehr kurze Antwort, die aber ziemlich gut in Worte fasste, wie es mir ging. Ein leichtes Schulterzucken sollte das Ganze noch unterstreichen. Gut ging es mir nicht, aber ohne das Schmerzmittels wäre es halt noch wesentlich schlimmer. Brauchte ich denn noch irgendwas? Mir selbst reichlich Ruhe zu verordnen war vermutlich Alles, was ich in diesem Moment tun konnte und sollte. "Ich glaub' nicht..", erwiderte ich recht leise, nachdenklich. "Kann ich aber vielleicht noch ein, zwei Stunden hier bleiben? Nach Hause gehen klingt für meinen Körper noch nicht so sympathisch.", schob ich ihr mit leichtem Sarkasmus die nächste Frage zu, sah sie dann wieder an. Natürlich konnte sie mich auch vor die Tür setzen - was sinnvoller gewesen wäre -, aber ich hoffte es dann jetzt einfach mal nicht. Energiereserven schwebten nämlich momentan weiterhin eher nur knapp über dem Nullpunkt.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Eine Antwort in die Richtung hatte ich fast schon erwartet, nickte ich ihm zum Verständnis nur kurz zu. Als Tauren sich nach hinten lehnte, nahm ich mir noch einmal kurz die Zeit, auch die Verletzungen im Gesicht ein bisschen genauer zu betrachten. Sah alles in allem nicht besonders schön aus. Also klar, das Gesicht des jungen Mannes alles in allem schon, aber die Wunden machten gerade wohl den größeren Teil aus und die waren eben... nicht so ansehnlich. Ich stieß ein resigniertes, tiefes Seufzen aus. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht allzu starke Schuldgefühle zuzulassen, aber es kam, wie es nun mal kommen musste. Die Gewissensbisse nagten schon ganz schön an mir. Dabei konnte ich mir nicht mal erklären, warum ich mir die Sache so zu Herzen nahm. Im Prinzip war Tauren noch immer ein Fremder für mich. Der mal die Funktion eines Türstehers und ein anderes Mal die Position eines Stalkers einnahm. Gab keine engere Verbindung und trotzdem fühlte ich mich mies. Vielleicht zerrten die letzten Tage auch ganz alten Krempel aus der Emotionskiste und das Ganze war nur eine Phase. Wenn es wieder ruhiger war und alles seine geregelten Bahnen lief, würde sich auch mein Gewissen nicht mehr so schnell angegriffen fühlen. Für's Erste musste ich aber irgendwie damit umgehen und das Gewissen zu beruhigen war die einzige Option, die ich als realistisch und machbar betrachtete. Die Antwort auf seine nächste Frage lag somit schon auf der Hand. "Klar. Wenn du magst können wir ein bisschen Fernsehen", schlug ich mit einem schwachen Schulterzucken vor. Ich war mir zwar nicht sicher, ob das in seinem derzeitigen Zustand Gesundheitsfördernd war oder ob das Flimmern des TVs einfach nur nervte. Aber das sollte er entscheiden. Jedenfalls holte ich die Fernbedienung schon mal zu uns auf die Couch, rückte bei meiner Wiederkehr die Decken ein wenig zurecht. Mir zwar in der Zwischenzeit nämlich ziemlich kalt geworden, was zum Teil wohl auch der Müdigkeit geschuldet war. Wo wir gerade beim Thema waren, setzte ich so einem ausgiebigen Gähnen an, streckte mich, soweit das meine Rippen zuließen, und murmelte mich dann zwischen dem Kissen und der Decke ein, wobei ich immer noch genug Platz ließ, dass auch Tauren seine Beine darunter wärmen konnte. Und sollte das nicht reichen, würde ich eben die Decke aus dem Schlafzimmer auch noch dazu holen. Mein Blick fiel auf die Wanduhr über dem Türrahmen und verriet mir, dass es mittlerweile auf die dreizehn Uhr zuging. Ich hatte also weiß Gott noch genug Zeit, vielleicht etwas Schlaf zu tanken. "Wenn ich einschlafen sollte und was ist, kannst du mich gerne wecken", äußerte ich mit einem schiefen Grinsen. Wie oft ich in den zwei, drei Tagen weggenickt war... durfte man eigentlich keinem erzählen.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #