Ah, okay - danke fürs Gespräch, oder so..? Kaum hatte Iljah den Türrahmen und damit auch mein Sichtfeld hinter sich gelassen, sanken meine Mundwinkel quasi sofort ins Bodenlose und die schmalen Augenbrauen nahmen sie auch gleich mit. Ich wusste nicht einmal, ob ich ihn lieber danach fragen wollte, was eigentlich das Problem war - beziehungsweise warum er seine schlechte Laune so wahnsinnig gerne unbedingt mit mir teilen und auf mich übertragen musste - oder ob ich ihm doch lieber einfach nur irgendwas an den Kopf werfen sollte. Wortwörtlich. Eben irgendwas, das nicht so weh tat, ihm aber mal vor Augen hielt, was sein Verhalten eigentlich für eine Wirkung auf mich hatte. Sollte das jetzt so weitergehen, bis er zurück nach Russland flog? Ich für meinen Teil könnte mehr als nur gut darauf verzichten, mich auf diese Weise von ihm zu verabschieden. Gott, ich hatte es satt. Natürlich war ich dem jungen Mann wahnsinnig dankbar dafür, dass er mir die Wohnung beschafft hatte und ich jetzt sowas wie ein richtiges Zuhause auf Kuba hatte, aber er überschattete all die positiven Aspekte seines Besuchs wirklich sehr gekonnt mit seiner hundsmiserablen Laune. Tagein, tagaus. Das änderte doch auch nichts an den offenbar beschissenen, aber nun einmal gegebenen Tatsachen. Es war auch nicht so als könnte er nicht mit mir darüber reden - ja, ich war früher nicht immer ehrlich gewesen, aber er konnte mir jetzt wirklich vertrauen. Wem sollte ich auch erzählen, was passiert war? Selbst wenn ich das wollen würde - was schlicht und ergreifend nicht der Fall war, ich konnte auch schweigen wenn es nötig war - hätte ich hier gar Niemanden, den das interessierte oder der das nicht sowieso mitbekam. Richard wusste offensichtlich Bescheid, schließlich hatte er all das angeleiert. Cosma wiederum war mit Hunter zusammen, ich würde also gewiss keine geschäftlichen Auskünfte von Iljah an sie weitergeben. Außerdem steckte ich selbst nun wirklich schon lange genug in diesen teilweise hochgradig ätzenden Gesellschaftskreisen fest. Es war also auch nicht so, als würde ich nichts davon verstehen können. Ich starrte sicherlich fast fünf Minuten lang grimmig in den unschuldigen Nudelteller, bis ich ihn mit einer Mischung aus genervtem Stöhnen und Seufzen auf dem Couchtisch vor mir abstellte. Für einige Sekunden lang stützte ich angespannt den Kopf nach vorne in die Hände und massierte mir währenddessen die Schläfen. Schließlich richtete ich mich tief durchatmend wieder auf und schlug die dünne Decke bei Seite, um aufzustehen. Ich war entschlossen es zumindest zu versuchen - seinem Besuch hier auf Kuba noch etwas Gutes zu verleihen. Vielleicht irgendwie noch ein paar schöne Minuten mit ihm rauszuschlagen, auch wenn meine Chancen darauf wahrscheinlich schwindend gering waren. Ich hasste es einfach, wenn ich nichts tun konnte, also startete ich jetzt einfach mal einen schon im Voraus recht aussichtslosen Versuch. Viel schlimmer konnte es wahrscheinlich kaum noch werden. Meine Füße trugen mich Schritt für Schritt bis in den Türrahmen zur Küche und was ich dort zu sehen bekam, ließ mich prompt in jenem innehalten. Wein war zwar milder Alkohol, aber dass er seine Nerven scheinbar nur mit dem Nervengift zu beruhigen wusste - oder es mindestens ausprobierte - förderte nicht gerade mein ohnehin schon stark angekratztes Wohlbefinden in seiner Nähe. Nicht wenige Männer wurden durch Alkohol vermehrt unberechenbar und aggressiver, sie unterschieden sich in dieser Hinsicht schlichtweg genetisch von uns Frauen. Demnach fühlte ich mich mit ein klein wenig Sicherheitsabstand gerade einfach sehr viel wohler. Ich lehnte mich leise seufzend mit der linken Schulter in den Türrahmen und musterte ihn flüchtig, während ich den rechten, freien Arm schützend um meinen Bauch legte. Wirklich besser oder gar sicherer fühlte ich mich dadurch jedoch nicht. "Iljah, ich... kann ich irgendwas tun, damit du zumindest etwas weniger schlechte Laune hast? Ich...", fühle mich so nicht wohl mit dir. Habe zumindest unterschwellig irgendwie Angst vor dir, wenn du dauerhaft so drauf bist. Aber das sagte ich nicht, dachte es nur. Vollendete meinen Satz stattdessen mit einem schwachen Schulterzucken in Kombination mit einem leicht verzweifelten Gesichtsausdruck und sah danach runter auf den gefliesten Küchenboden. Ich hatte zwar von Anfang an gewusst, dass der Schwarzhaarige wirklich launisch sein und auch wütend werden konnte, aber das hieß eben nicht, dass ich das auch einfach so schlucken und akzeptieren konnte. Wer würde das schon... jeder bevorzugte die sonnigen Tage in einer Beziehung. Aber irgendwann musste es dann auch mal wieder gut sein, oder? Iljah konnte doch jetzt nicht ewig so ein Gesicht ziehen. Irgendwie musste ich das doch mildern können.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Zumindest die Kopfschmerzen wurden durch das Schließen der Augen ein kleines bisschen besser, weshalb ich es nach einem weiteren Schluck von dem Wein gleich noch einmal tat. Dieses Mal ließ ich sie auch geschlossen und versuchte die allgemein recht angestrengte Gesichtsmuskulatur ein wenig zu entspannen. Ich wurde nun mal leider auch nicht jünger und je länger ich grimmig guckte, umso mehr tat mir die Stirn und auch die Schläfen weh... älter werden war einfach ein Graus. Jedenfalls regte ich mich erst wieder, als ich auf der anderen Seite der Küche ein Geräusch vernahm. Nur langsam schlug ich die Lider auf, um nur noch mittelmäßig angepissten Blickes zu Irina zu schauen, die im Türrahmen ihren Posten bezogen hatte. Mir stand die Unzufriedenheit über die letzten Tage wohl quer über das Gesicht geschrieben und ich machte zudem wirklich keinen Hehl aus meiner schlechten Laune. Es war also nur eine Frage der Zeit gewesen, bis mich die junge Frau auf die negativen Schwingungen, die von mir ausgingen, ansprach. Dass dies ausgerechnet heute der Fall sein würde, hätte mir ja in Anbetracht der ganzen anderen Vorkommen am heutigen Tag irgendwie klar sein müssen. Alles, was ich auf Irinas Frage bezogen tat, war erst einmal nur zu Seufzen. Schwach mit dem Kopf zu schütteln, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass es etwas gab, womit sich die Scheiße von heute auf morgen ausbaden ließ. Ich könnte mir wohl maximal das Hirn vernebeln... entweder mit Alkohol oder härten Drogen, aber damit war das Problem als solches noch lange nicht beseitigt, sondern wurde lediglich für ein paar Stunden in den Hintergrund gerückt. Anschließend müsste ich mich womöglich noch mit zusätzlichen Kopfschmerzen der Sache annehmen und darauf hatte ich weniger als absolut gar keinen Bock drauf. Ich sah die junge Frau aus ansatzweise müden Augen und mit mahlendem Unterkiefer an. Dachte darüber nach, was ich ihr jetzt antworten würde, weil ich ihr einerseits schon deutlich machen wollte, dass sie für den Moment wohl mit meiner schlechten Laune auskommen müsste, aber andererseits wollte ich sie auch nicht unbedingt anschnauzen. Sie konnte schließlich nun wirklich nichts dafür, dass die ganze Sache ein wenig aus dem Ruder gelaufen war und anders als Vahagn, war ich oft bedacht darauf, meinen Zorn nicht an Unbeteiligten auszulassen. Sabin hatte beispielsweise schon eine Standpauke gehalten, wenn auch mit dem nötigen Respekt. Ich war immerhin zum Teil selbst Schuld daran, hatte mich ja keiner gezwungen, dem Italiener unter die Arme zu greifen und so wie er mir sein Wort gegeben hatte, war das umgekehrt selbstredend auch der Fall - die Hälfte von den entstandenen Kosten würde er mir zahlen, aus dem restlichen Verlust zog ich meine Lehre. Ganz einfach. Aber in diesem Moment fiel es mir doch wirklich schwer, an mich zu halten, was womöglich daran lag, dass ich bei Irina gut und gerne mal etwas... losließ. In ihrer Gegenwart anders tickte, weil sie inzwischen mehr oder weniger zu meinem Zuhause geworden war und ja, das mochte nicht immer gut sein, wie beispielsweise in diesem Fall. "Wenn du eine Zeitmaschine in deinem neuen Keller hast, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sie zu entstauben...", gab ich also etwas ironisch von mir und verdrehte dabei die Augen. "Ansonsten stehen die Chancen dahingehend wohl eher schlecht.", ergänzte ich noch ein paar Worte, als ich mit der Nase schon wieder im Glas steckte und einen weiteren Schluck Wein meine Kehle hinablaufen ließ. Dann stieß ich mich von der Küchentheke ab, schnappte mir die Weinflasche und trat - das Shirt achtlos auf der Theke liegend lassend - ein paar Schritte in Irinas Richtung. Jetzt hatte ich das Trinken doch schon vorgezogen, aber duschen wollte ich heute trotzdem noch, weil das ganz einfach notwendig war. Ich hatte mir den ganzen Tag heute inmitten von Havanna um die Ohren geschlagen, der Gestank der Stadt und nicht zuletzt auch mein eigener Schweiß klebte auf meiner Haut und wollte dringend den Abfluss hinunter gespült werden. Bevor ich allerdings ins Bad konnte, musste ich erst einmal an der zierlichen Schwarzhaarigen vorbei, die mir im Weg stand und irgendwie immer unruhiger wurde, je näher ich ihr kam. Das ließ mich einige Schritte von ihr entfernt noch einmal inne halten und die Stirn in Falten legen. War es jetzt etwa falsch, wenn ich mal schlechte Laune hatte? Kam das in letzter Zeit so oft vor? Ich konnte mich zumindest nicht dran erinnern. "Was ist?", fragte ich sie deshalb also ganz direkt, warum sie mich... so ansah, wie sie mich eben ansah. Wurde nicht wirklich schlau aus ihrem Blick und unterstrich meine Worte daher zudem mit einer Geste meiner beiden Arme.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Allein Iljahs körperliche Reaktion auf meine leise Frage machte mir sehr bald klar, dass ich mir diesen guten Willen eigentlich auch gleich hätte sparen können. Es war auch nicht so als hätte ich das nicht vorher schon geahnt, aber es war schwer sich das weiter anzutun. Mir seine miese Stimmung fortlaufend weiter anzusehen, weil ich er mir gut gelaunt einfach viel besser gefiel. Ich es schlichtweg nicht leiden konnte, wenn eine Person, die ich liebte, sichtbar litt. Natürlich war schlechte Laune kein Todesurteil, aber Niemand konnte die gebrauchen. Als der Schwarzhaarige dann auch wörtlich auf meine Frage antwortete, tat das doch ein bisschen weh, obwohl ich das nicht wollte. Obwohl ich wusste, dass er das nicht so meinte und das nur das Ergebnis seiner seit Tagen schlechten Stimmung war - dass das nichts Persönliches war. Die Vergewaltigung damals war aber angeblich auch nichts Persönliches gewesen. Ich atmete etwas tiefer durch und wünschte mir selbst in diesem Moment wohl ebenso sehr eine Zeitmaschine, wie Iljah das tat. Dann könnte ich nämlich eine ganze Menge Dinge rückgängig machen und für immer ausradieren - allem voran diese eine, verhängnisvolle Nacht. Ich würde an diesem Tag nie auch nur einen Fuß auf das Gniwek-Grundstück gesetzt haben. "Ich meins nur gut... kein Grund gleich unverschämt zu werden.", grummelte ich leise vor mich hin, zog etwas angespannt die Augenbrauen zusammen. Allerdings rutschten jene zunehmend wieder in die Höhe, als der hochgewachsene Russe sich mitsamt dem Alkohol von der Theke löste und in meine Richtung kam. Hatte ich ihn jetzt schon zu sehr gereizt? Mir mit dieser simplen, nur nett gemeinten Frage schon zu viel erlaubt, nur weil es in seinen Augen die falsche war? Innerhalb der wenigen Sekunden, in denen er die Schritte in meine Richtung zurücklegte, rasten mir die Gedanken förmlich in Lichtgeschwindigkeit durch den Kopf. Meine Augen wurden immer größer, ohne dass sie den Blickkontakt zu den seinen verloren, aber ich rührte mich nicht. Krallte lediglich die Fingernägel unbewusst in mein Oberteil, während sich meine Körperhaltung insgesamt ein klein wenig verkrampfte. Dann kam sie, die potenzielles Unheil bringende Frage... und ich wusste nicht, was ich darauf antworten oder mich verhalten sollte. Ich wollte Iljah nur ungerne anlügen, wollte mir das grundsätzlich komplett abgewöhnen. Bis auf kleine und absolut harmlose Notlügen, an denen sich ausnahmslos jeder Mensch hier und da mal bediente. Jedoch war abzuwägen, was in diesem Fall schlimmer war - die Wahrheit oder eine eher ausweichende Antwort? Wahrscheinlich würde der Russe letzteres sowieso durchschauen, weil er mich inzwischen leider ziemlich gut kannte. Sich kaum mehr so leicht täuschen lassen würde, wie das früher der Fall gewesen war. Die Wahrheit würde ihm sicherlich nicht gefallen, aber führte denn überhaupt ein Weg daran vorbei? Ich sah keinen, der weniger unschön aussah als die Fakten selbst. Langfristig gesehen müsste ich irgendwann ohnehin mit der Sprache ausrücken. Schließlich würde der heutige Tag kaum der letzte gewesen sein, an dem der junge Mann schlechte Laune hatte. Also senkte ich einen kurzen Moment lang den Blick und räusperte mich leise dabei, bevor ich ihm eine Antwort gab. "Du machst mir Angst.", murmelte ich leise und hob erst danach langsam den Blick wieder in seinen an. Noch währenddessen löste ich mich aus der angelehnten Position im Türrahmen. Stellte mich auf die Beine zurück und drehte mich mit dem Rücken an den Rahmen. Machte mich dadurch schmal genug, dass Iljah ungehindert an mir vorbeigehen konnte, falls das sein Anliegen war. Es war einfach etwas völlig anderes, ob der Schwarzhaarige primär auf mich sauer war oder ob ich all seinen Ärger nicht durchschauen konnte. Wenn er mich anschrie oder wieder an die Wand tackerte, weil ich einfach zehn Nummern zu zickig oder uneinsichtig war, dann wusste ich, dass das einen mehr oder weniger guten Grund hatte und ich selbst daran schuld war. Wenn er jedoch wegen irgendetwas Anderem so angepisst war, dann sollte das ganz einfach nicht zu meinem Problem werden. Ich wollte einfach nicht nochmal zur falschen Zeit am falschen Ort sein, wie er das damals in dem Hotel so schön völlig nichtssagend betitelt hatte.
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Ganz offensichtlich hatte ich der jungen Frau die Sprache verschlagen. Anders konnte ich mir zumindest nicht erklären, warum sie mich derart lange auf eine Antwort warten ließ. Es verging fast schon eine kleine Weile, bis die leise gemurmelten Worte Irinas an mein Ohr drangen und mir einen kleinen Denkanstoß verliehen. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass meine schlechte Laune von jetzt auf gleich wie weggeblasen war, aber... sie rückte in Anbetracht der Tatsache, dass ich meiner Freundin offenbar gerade Angst machte, ein Stück weit in den Hintergrund. Schließlich wollte ich das nicht - ihr Angst machen, meine ich, denn ich wusste natürlich sofort, warum sie so besorgt war. Die damals recht verhängnisvolle Nacht für die junge Frau hatte immerhin auch nicht anders angefangen, als mit meiner schlechten Laune und Alkohol. Gerade als ich jenen Gedanken zu Ende geführt hatte, wanderte mein Blick, der nun nicht mehr besonders grimmig, sondern eher etwas ratlos war, abwechselnd auf das Glas und die Weinflasche in meinen Händen, bevor ich diese nach kurzer Überlegung zur Seite stellte. Nicht, ohne ein leises Seufzen von mir zu geben, aber es war sicherlich das Beste, auch wenn ich mir das gerade nicht eingestehen wollte. Anschließend rieb ich mir mit einer Hand über das angestrengte Gesicht und überbrückte die Distanz zwischen Irina und mir mit den wenigen letzten Schritten. So war ich nur noch ein paar Zentimeter von ihr entfernt, als ich ihr gegenüber im Türrahmen inne hielt und nach kurzem Zögern - vielleicht wollte sie ja auch gar nicht angefasst werden, wenn sie gerade Angst vor mir hatte... übel nehmen würde ich ihr das auf jeden Fall nicht - meinen Arm nach ihr ausstreckte. Ich legte meine Hand seitlich an ihren Hals und schob sie von da aus langsam weiter in ihren Nacken, um ihren Kopf vorsichtig, aber mit einem gewissen Nachdruck an mich zu ziehen, sodass sie sich etwas mehr aus dem Rahmen löste und ich meinen anderen Arm problemlos um sie legen konnte. Dann hauchte ich ihr flüchtig einen Kuss auf den Haaransatz und auch wenn meine Haltung allgemein etwas verspannt wirkte - weil ich das nun mal nach wie vor war, verdammt noch mal -, bemühte ich mich um einen ruhigen Tonfall. "Entschuldige bitte, das war gewiss nicht meine Intention.", murmelte ich ebenso leise in die schwarze Mähne hinein und meinte jedes einzelne Wort auch genau so, wie ich es sagte. Mit meiner schlechten Laune wollte ich meine Freundin nämlich logischerweise nicht verängstigen. Alles andere vielleicht - sie nerven, für den Moment loswerden, einen Streit provozieren, weil ich da gerade Bock drauf hatte, ja. Aber ich wollte bestimmt nicht, dass sie Angst vor mir hatte und sich nicht mehr in meine Nähe wagte, nur weil ich ihr gegenüber eventuell komisch werden würde. Auszuschließen war letzteres natürlich nicht, ich kannte meine Macken schließlich nur allzu gut, aber ich war just in diesem Augenblick noch ausreichend Herr meiner Sinne und würde es nicht wagen, Hand an sie zu legen, wenn sie das nicht wollte. Na ja, außer was diese Umarmung hier anging vielleicht. Sollte ich jedoch merken, dass sie lieber flüchten wollte, um meine Nähe für den Moment zu meiden, dann würde das wohl akzeptieren müssen, auch wenn das meine Laune nur weiter in den Keller ziehen würde. Jedenfalls konnte ich nun auch eins und eins zusammenzählen, was Irinas seltsames Verhalten in den letzten Tagen anging und vielleicht wäre es gar nicht so weit gekommen, wenn ich ihr direkt erzählt hätte, wo bei mir aktuell der Schuh drückte. Leider war ich nur niemand, der besonders gerne über Geschäftliches redete und gerade der Serbin gegenüber fiel es mir zudem auch noch etwas schwer, Vertrauen zu fassen. Ich liebte sie, dessen war ich mir bereits seit Längerem bewusst, weshalb ich mich nicht zuletzt auch für ihren Schutz hier auf Kuba und der neuen Bleibe eingesetzt hatte, aber sie hatte schon einmal sensible Informationen über meine Geschäfte und mich dafür missbraucht, mir buchstäblich ein Messer in die Brust zu rammen. Die Narbe knapp unterhalb des Schlüsselbeins erinnerte mich täglich daran, wenn ich sie im Spiegel sah. Aber vielleicht konnte ich ja zumindest ein bisschen was verraten. Etwas sehr Allgemeines, vielleicht half das ja schon. Ich musste schließlich nicht ins Detail gehen, oder? "Ich...", setzte ich an, brach aber ab und seufzte noch einmal, während ich die Gedanken in meinem Kopf sortierte. "Das Geschäft, wegen dem ich hier bin, ist... etwas aus dem Ruder gelaufen. Es ist nichts Weltbewegendes und Tote gibt's auch keine" - meines Wissens nach zumindest nicht... noch nicht, aber vielleicht änderte sich daran ja noch etwas, wenn Hunter spontan der Sinn danach stand - "aber es nervt mich halt einfach, weil es Stand heute nicht vorwärts geht.", grummelte ich also und fing an, gedankenverloren mit den Fingern durch Irinas Haar zu streichen. Allerdings löste ich mich schon bald von ihr, um meine Hand, die bis eben noch in ihrem Nacken gelegen hatte, stattdessen an ihre Wange zu legen. "Aber du brauchst deswegen keine Angst vor mir zu haben. Das... wird schon alles wieder." Und ja, tatsächlich war ich mir, zumindest was das anging, ziemlich sicher. Fragte sich nur, wie lange das dauern würde.
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Ich folgte Iljahs Händen mit meinem Blick, als er schließlich den Alkohol bei Seite stellte. Das allein war zwar nicht wirklich eine richtige Erleichterung, weil er eben einfach schon was intus hatte und ich auch nicht wusste, ob er irgendwo in der Stadt schon ein Glas voll Nervengift hatte mitgehen lassen, aber es war ein Anfang. Außerdem war es wirklich schön, dass er von selbst auf den Grund für meine Angst kam und ich die unangenehme Situation nicht auch noch ausführlich erklären musste, damit ihm ein Licht aufging. Ich schluckte dennoch leise, als er sich mir wieder zu nähern begann und sah mit noch immer verunsichertem Blick zu ihm hoch, als er direkt vor mir zum Stehen kam. Trotz des Unbehagens ließ ich den jungen Mann jedoch damit gewähren mich vom Holz des Türrahmens zu lösen, nur damit ich wenig später vorsichtig an seine Brust kippte. Es dauerte noch einen kurzen Moment, dann aber hob ich langsam die Hände an und legte sie an seinen unteren Rücken, während ich seinen Geruch mit einem etwas tieferen Atemzug einsog. Ich wollte ja eigentlich gar keine Angst vor ihm haben, sondern mich einfach nur bei ihm wohlfühlen, seine Arme mein Zuhause nennen können... das war nur leider gar nicht so einfach, wenn er ein Verhalten an den Tag legte, das mein Unterbewusstsein reichlich provozierte und in Alarmbereitschaft versetzte. Das blöde Gehirn merkte sich nämlich äußerst gerne ganz besonders die Dinge, die ich eigentlich lieber vergessen würde. Je mehr Sekunden in der Umarmung ins Land zogen, desto mehr wich die leise Anspannung aus meinen schmalen Schultern. Auch Iljahs Entschuldigung war mir in diesem Moment viel wert und sie zeigte ganz einfach noch einmal recht deutlich, dass das gar nicht seine Absicht gewesen war - er es sich nur nicht hatte zusammenreimen können, ohne dass ich etwas zu meinem Distanz suchenden Verhalten sagte. Um zu verdeutlichen, dass ich ihm nicht böse war, hauchte ich einen zarten Kuss auf seine Brust, ehe ich den Kopf wieder an ihm anlehnte und seiner folgenden Erklärung lauschte. Ja, dass es offenbar an einem gescheiterten Geschäft lag, hatte ich mir mehr oder weniger schon selbst zusammengereimt. Dass noch in den Sternen stand, wann sich eine Lösung für das scheinbar noch sehr akute Problem fand, hieß ich allerdings so gar nicht willkommen. Wenn es nach mir ginge, dann durfte der attraktive Russe jetzt nämlich endlich wieder mal gute Laune haben - um unser beider Willen. Ich löste den Kopf langsam erneut von seiner Brust und blickte zu ihm auf. Musterte einen Moment lang sein gestresstes Gesicht, bevor ich die rechte Hand anhob und über seinen kantigen Kieferknochen strich, meinen Fingern dabei mit den Augen folgte. "Woran scheitert die Lösung denn..?", hakte ich murmelnd nach, ohne die Bewegung einzustellen. Unsicher darüber, ob ich mir es erlauben konnte danach zu fragen, ohne Iljah erneut wütend zu machen. "Ich weiß, dass ich nicht so aussehe... aber vielleicht fällt mir ja was dazu ein.", hängte ich mit einem Schulterzucken noch ein paar Worte an, ehe mein Blick zurück in den seinen fand. Vielleicht mangelte es mir eindeutig noch an Lebenserfahrung und auch an Erfahrung darin, ein illegales Unternehmen zu leiten - aber vielleicht fiel mir ja irgendwas Naives dazu ein, das in den Händen eines Profis noch etwas verfeinert und am Ende sinnvoll genutzt werden könnte. Oder aber Iljah schlug sich freiwillig gerne weiter alleine mit dem Thema herum, konnte er natürlich auch machen. Dann brauchte er sich allerdings auch nicht zu wundern, wenn ich ihn in den Höchstphasen seiner negativen Launen weiterhin lieber mied.
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Auch wenn man es mir vermutlich nicht ansah, war ich doch ein wenig erleichtert darüber, dass Irina sich schon bald etwas zu entspannen schien. Nicht mehr so verkrampft in meinen Armen hing, sondern sich einfach meinen Berührungen hingab und mir ihr Gehör schenkte. Ihre Reaktion auf meine Worte stimmte mich jedoch nur mäßig zufrieden. Selbstredend genoss ich ihre warmen Lippen auf meiner Haut und auch die Streicheleinheiten sehr, aber es wäre mir doch recht gewesen, wenn sie einfach nicht weiter nachgehakt hätte. Entsprechend nachdenklich sah ich die junge Frau auf der Suche nach einer Antwort auf ihre Frage an, während ich weiterhin über ihre Wange strich. Allerdings war ich auch gut eine halbe Minute später noch kein bisschen schlauer. Irinas Frage ließ sich schlichtweg nicht beantworten, ohne zumindest hier und da etwas von dem Geschäft preiszugeben. Deshalb wollte ich mich mit ihr darüber eigentlich gar nicht weiter unterhalten - aber dann waren wir nach dem Gespräch hier genau gar keinen Meter weiter, als zuvor. Ich wäre immer noch schlecht gelaunt, weil die Sache nicht rund lief und Irina wäre nach wie vor verängstigt, weil die besagte miese Stimmung einfach nicht weggehen wollte. Letztlich seufzte ich also, zuckte schwach mit den Schultern und tat zum ersten Mal seit langer Zeit etwas, von dem ich mir einst geschworen hatte, es nie wieder zu tun - ich redete, ohne vorher über den Inhalt meiner Worte nachzudenken. "An zu vielen Punkten, um sie dir jetzt einzeln aufzuzählen...", murmelte ich erst einmal und lehnte meinen Kopf schließlich an den Türrahmen, in dem wir standen. "Aber das wohl größte Problem ist, dass die Abnehmer der Ware nach dem Vorfall berechtigterweise erst einmal nichts mehr importieren wollen. Wie ich schon sagte, ging einiges schief.", erklärte ich weiter, allerdings ohne tiefgehende Details und fing parallel dazu, wie so oft in den letzten Tagen, damit an, fieberhaft nach einer Lösung zu suchen. Aber auch in den wenigen Augenblicken, die ich nachdachte, bevor ich mein Wort erneut an meine Freundin richtete, kam genau gar nichts dabei rum. "Es ist wirklich zu viel und auch zu gefährlich, um es im Detail mit dir zu besprechen. Sowohl für dich, als auch für mich..." - gerade weil die ganze Geschichte auch den tollwütigen Amerikaner inkludierte, den ich bei meinen Erzählungen aus gutem Grund nicht erwähnte - "... aber primär geht es um Hehlerware. Kleinscheiß. Und ich hab keine Ahnung, wohin damit...", war vorerst das Letzte, was ich die junge Frau wissen ließ, weil ich ganz einfach der Meinung war, dass es für sie absolut ausreichend war. Ihre Frage war dadurch beantwortet und ihr Leben nicht zwangsläufig in Gefahr, nur weil ich ein bisschen geplaudert hatte. Was ich wenig später im Übrigen bereits bereute. Quasi dann, als ich mehr oder weniger wieder zur Vernunft kam und mich daraufhin grummelnd von Irina löste. Es war egal, wie oft ich mir einzureden versuchte, dass ich der jungen Frau inzwischen vertrauen konnte. Und egal, wie sehr ich mich anstrengte, es trotz der Bedenken zu tun, mir war einfach nicht besonders wohl dabei. Ich war zwar kein besonders nachtragender Mensch und irgendwann würde ich meiner Freundin sicherlich auch wieder vertrauen können, aber Irina hatte mir nun mal leider nicht bloß zehn Euro aus dem Portemonnaie geklaut, sondern mich ernsthaft verletzt. Psychisch wie auch physisch. Entsprechend frustriert über die mich einholende Erkenntnis distanzierte ich mich ein wenig von der jungen Frau, um mir seufzend das Haar zu raufen. "Ich... ich geh' erst mal duschen.", wollte ich dem weiteren Gespräch entkommen und setzte mich daraufhin bereits in Bewegung in Richtung Badezimmer. Vielleicht konnte mir ja der vorzugsweise kalte Wasserstrahl dabei helfen, zum einen all die negativen Gedanken loszuwerden, zum anderen auch wieder etwas klarer im Kopf zu werden. Eventuell ließ sich eine Unterhaltung später dadurch besser führen. Ich bezweifelte es, wenn ich ehrlich sein sollte, aber ein Versuch war es immerhin wert. Irina würde heute wohl kaum noch verschwinden, ich hatte also noch etwas Zeit.
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Ich rechnete eigentlich schon fest mit einem 'Kann ich dir nicht sagen' oder etwas Ähnlichem in dieser Richtung, als Iljahs Gesichtsausdruck nachdenklicher wurde. Wider Erwarten setzte der Russe dann schließlich trotzdem noch zu einer Antwort an, die mir immerhin vage vermittelte, wo im Moment das Problem mit dem ohnehin schon gescheiterten Geschäft lag - der ursprüngliche Käufer schien nach dem Zwischenfall abgesprungen zu sein und ein neuer war noch nicht gefunden. Es war sicher nie gut, wenn man auf Ware sitzen blieb und die Suche nach einem neuen Abnehmer schleppend bis gar nicht vorwärts ging. Das war frustrierend und erklärte Iljahs schlechte Laune zumindest ansatzweise ausreichend. Allerdings war alles, was ich erst einmal dazu äußern konnte, ein sehr nachdenkliches "Hmmm..." wobei ich auch den Blick auf seine Brust senkte. Denn kurz darauf begann der junge Mann sich schon von mir zu lösen und damit war ich nicht wirklich richtig einverstanden. Erstens, weil ich mich gerade erst wieder an seine Nähe zu gewöhnen begonnen hatte und zweitens, weil er nicht so wirkte, als wäre er glücklich darüber mir vom Stand der Dinge berichtet zu haben. Dabei waren nicht einmal irgendwelche wirklich pikanten Infos für mich rausgesprungen. Ich wusste, dass es wahrscheinlich noch lange dauern würde, bis wir beide sowas wie ein gesundes Vertrauensverhältnis zueinander entwickelt haben würden. Ich hatte schließlich - wenn auch nicht ernsthaft ambitioniert - versucht dem jungen Mann ein Messer in die Brust zu rammen, was mich nach wie vor auch zeitweise in meinen Alpträumen heimsuchte. Das und auch, wie ich im Anschluss daran über dem Balkongeländer gehangen hatte. Auch von seiner Seite aus hatte es einen schweren Fehltritt gegeben, wie wir gerade auch noch einmal beide festgestellt hatten. Es war also doch sehr unwahrscheinlich, dass es zeitnah dazu kommen würde, dass wie eine auf gutem Vertrauen basierende Beziehung haben würden. Bis dahin blieb sicherlich alles holprig... "Okay, mach das.", verabschiedete ich den Schwarzhaarigen mit ein paar wenigen Worten und unterstrich sie mit einem schwachen Nicken, während ich ihn losließ. Daraufhin verschwand er dann auch schon im Badezimmer und einen Moment lang stand ich noch reichlich planlos im Flur. Löste mich schließlich mit einem Kopfschütteln aus der starren Körperhaltung, um zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Noch während ich den Rest der inzwischen kalten Nudeln aß, schweiften meine Gedanken jedoch zurück zu Iljahs Worten und ich begann über eine Lösung nachzudenken. Anfangs wenig effektiv und ich räumte in der Zwischenzeit den Teller weg. Räumte auch Iljahs Weinglas auf und stellte die Flasche zurück an ihren vorherigen Platz. Erst auf dem Rückweg ins Wohnzimmer kam mir der Gedanke, dass der Schwarzmarkt in Russland doch eigentlich gar nicht so schlecht war. Im Grunde bekam man da alles, was man so brauchen konnte und wofür man normalerweise Genehmigungen oder Ausweise brauchte. Sicherlich gab es auch einen Käuferkreis für Hehlerware, die nichts mit Waffen oder Drogen zu tun hatte. Zumindest schloss ich diese beiden Verkaufsfelder mal spontan aus, weil es sich ja scheinbar nur um von Iljah als Kleinscheiß betiteltes Zeug handelte. Waffen und Drogen waren also sicherlich zu lukrativ, um in diese Kategorie zu fallen. Allerdings war der Weg nach Moskau sehr weit. Es hatte ja leider einen guten Grund, dass der junge Mann mich nicht so häufig besuchen kam - je länger die Strecke, desto höher eben auch die Kosten für den Transport oder auch nur den Überflug. Wenn es sich da nicht entweder um große Mengen oder eben sehr hochpreisige Ware handelte, dürfte sich ein so langer Flug kaum lohnen. Außer natürlich... "Hast du noch andere Geschäfte hier in der Nähe?", fragte ich Iljah ganz direkt, als er das Badezimmer einige Minuten später verlassen hatte und den Türrahmen zum Wohnzimmer bisher nur mit Handtuch bekleidet passierte. Er musste mir ja auch gar nicht sagen, was das für Geschäfte waren, weil das erstmal keine Rolle spielte. Hauptsache nur sie lagen nicht weit entfernt und damit mehr oder weniger ebenfalls auf dem Weg. Sofern jene Ware dann eben auch nach Russland, oder zumindest ins nah angrenzende Europa musste. Oder ins nah angrenzende Asien, Kasachstan oder so. "Ich meine, in Moskau wird man ja eigentlich echt alles los... für das deinen Worten nach nur kleinere Geschäft allein lohnt sich der weite Weg dann bestimmt nicht. Vielleicht kannst du's aber ja mit was anderem hier im Umkreis verbinden, das zumindest ungefähr in die selbe Richtung muss..?", unterbreitete ich ihm mit einem Schulterzucken meine bisher nur sehr grobschlächtigen Gedanken zu seinem Problem. Der Fernseher brabbelte im Hintergrund leise weiter und ich streckte mich beiläufig nach der Tüte Chips aus, die auf dem Couchtisch lag, während ich geduldig auf eine Antwort wartete.
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Im Grunde genommen trottete ich mit genau derselben schlechten Laune ins Bad, wie ich sie auch vor dem Gespräch mit Irina bereits gehabt hatte. Zwar sah man mir diese inzwischen nicht mehr allzu sehr anhand meiner Mimik an, aber innerlich war ich nach wie vor reichlich unzufrieden. Auch die Dusche konnte die miese Laune nicht einfach den Abfluss hinunter spülen, egal, wie lange ich unter dem warmen Wasserplätschern stand. Der einzige Unterschied zu vorhin lag wohl daran, dass ich jetzt nicht mehr nach Schweiß roch, sondern angenehm nach... na ja, frisch geduscht eben. Insgesamt verbrachte ich sicherlich eine halbe Stunde, mindestens aber zwanzig Minuten im noch recht spärlich eingerichteten Badezimmer des Hauses meiner Freundin, bis ich schließlich mit einem Handtuch um die Hüften das Schlafzimmer ansteuerte. Dort hatte ich meine Tasche mit den Wechselklamotten deponiert, ankommen tat ich allerdings nicht. Auf halben Weg hielt mich Irina im Türrahmen zum Wohnzimmer auf und ich lehnte mich, wie sie es vorhin auch getan hatte, mit locker verschränkten Armen in den Rahmen, um sie abwartend anzusehen. Lauschte dann ihren Worten, über dessen Antwort ich einen Augenblick lang ernsthaft nachdenken musste. Nun... ich hatte in Amerika ein paar Geschäfte und hier und da Aufträge aus Paraguay, aber das war definitiv nichts, was in aller Regelmäßigkeit geschah. In Anbetracht dessen würde ich also eher sagen, dass ich Nichts hatte, wodurch sich eine Reise nach, beziehungsweise über Kuba und zurück nach Russland rentierte. Außer vielleicht... "Hm, an und für sich nicht", murmelte ich erst einmal schulterzuckend und versank daraufhin kurzzeitig in Gedanken. Meinen Blick senkte ich indessen auf den Boden vor meinen Füßen und stand so sicherlich eine Minute schweigsam dar, bis ich meinen Gedanken für mich selbst abnickte und wieder etwas ansprechbarer wirkte. Geschäfte hatte ich hier zwar keine, mit denen ich Irinas Idee in die Tat umsetzen könnte, aber eventuell konnte ich dahingehend etwas anleiern. Immerhin war nicht nur Sabins Geschäft geplatzt, sondern das des Amerikaners gleich mit und der verschiffte, soweit die Informationen, welche ich hatte, kein vollkommener Schachsinn waren, kein Kleinscheiß, sondern verhältnismäßig lukrativ. Darüber hatte ich noch überhaupt nicht nachgedacht... wann auch, zwischen all der miesen Laune und der Verantwortung, mich mit Sabin über das weitere Vorgehen zu besprechen? Jetzt, wo in Russland die Straßen auch nicht mehr vom Mist der Sorokins vergiftet wurden, wäre es durchaus eine Idee, die man Hunter unterbreiten könnte. Zwar war ich was Drogengeschäfte anging nicht sehr belesen, hatte mich damit schlichtweg noch nicht befasst und vielleicht war das ja auch überhaupt kein Zeug, was sich im Osten gut verkaufte, aber es war wenigstens eine halbwegs brauchbare Idee. Erstmal besser als nichts und sollte sich sowohl der Amerikaner, als auch der Italiener darauf einlassen, dann ließe sich das einrichten, ohne damit direkt ein Minusgeschäft anzuleiern. "Aber du hast mich da auf eine Idee gebracht, danke!", sagte ich schließlich, ohne weiter ins Detail zu gehen. Dass schmale Grinsen auf meinen Lippen sollte jedoch aussagekräftig genug sein, um der Serbin zu signalisieren, dass sie mir mit ihrem spontanen Einfall, über den ich selbst noch gar nicht nachgedacht hatte, wirklich geholfen hatte. Ich müsste mich dafür nur noch mit den beiden Männern besprechen, um in Erfahrung zu bringen, was die davon hielten, aber im Grunde... war das nur eine Win-Win-Situation oder etwa nicht?
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Während Iljah noch eine kleine Weile darüber nachdenken musste, was er denn nun mit meinem nur sehr vagen Plan anfangen konnte - oder eben auch nicht - steckte ich schon das erste Mal die zierlichen Finger meiner rechten Hand in die Chipstüte. Schob mir kurz darauf die zwei eher kleinen Chips in den Mund und überbrückte mir die Wartezeit damit durchaus angenehm. Erst schien es auch nicht so, als würden meine Worte irgendwie zu einer Lösung beitragen. Wenn Iljah hier nämlich keine für diese Idee tauglichen Geschäfte mit seinem aktuellen Problemgeschäft verbinden konnte, hatte sie Sache ja nichts Gutes mehr und würde nur rote Zahlen schreiben. Dennoch schien er noch nicht ganz zum Ende damit gekommen zu sein, sich den Kopf über diesen Lösungsansatz zu zerbrechen. Zumindest machte sein Gesichtsausdruck diesen Anschein und so musterte ich abwartend seine Gesichtszüge, als ich den Knabberkram schon runtergeschluckt hatte. Schließlich sah Iljah mich aber wieder an und wirkte dabei tatsächlich schon deutlich weniger genervt als noch zwei Minuten zuvor. Er begann sogar zu grinsen, als er sagte, dass ich ihn auf eine womöglich tatsächlich brauchbare Idee gebracht hatte. Das hatte unweigerlich zur Folge, dass auch meine Mundwinkel sich zu einem zufriedenen Lächeln anhoben. Das hieß nämlich nicht nur, dass der Schwarzhaarige bald das Problem loswurde, das ihn so wahnsinnig zu stressen schien. Sollte er tatsächlich einen Weg finden häufiger Mal einen sogar Profit abwerfenden Flieger von Moskau nach Russland und wieder zurückfliegen zu lassen, dann hätte das den für mich äußerst angenehmen Nebeneffekt, dass der junge Mann sich getrost ab und zu ebenfalls in jene Flugzeuge verfrachten konnte. Zumindest rein theoretisch. Ich war mir nicht sicher damit, ob ich ihm das jetzt sagen sollte und behielt es am Ende lieber für mich - begann stattdessen ebenfalls ein klein wenig zu grinsen. "Madame Kuzmin, stets gerne zu Diensten.", witzelte ich stattdessen hochgradig ironisch und blinzelte Iljah übermäßig liebenswert zu. Auch danach hielt das Lächeln auf meinen Lippen noch an und meine Augen wanderten kurz ein Stück an seinem Körper abwärts, musterten die Tattoos auf seiner muskulösen Brust. So als wüsste ich nicht längst in- und auswendig, wie sie aussahen und wo genau sich die schwarze Tinte erstreckte. Ich hoffte wirklich, dass er seine geschäftlichen Angelegenheiten noch früh genug vor seiner Abreise geregelt bekam, damit wir auch noch etwas angenehme Zweisamkeit haben konnte. So ohne schlechte Laune und daraus resultierende Angst meinerseits eben. "Wahrscheinlich kümmerst du dich da gleich weiter drum, oder?", hakte ich vollkommen neutral klingelnd nach und mit dem letzten Wort dieser Frage rutschte mein Blick wieder nach oben in seine Augen. Das Lächeln zierte auch noch immer meine Lippen, während ich auf seine Antwort wartend den Blick in sein Gesicht aufrecht hielt. Ich hätte ihn gerne wieder bei mir, mit seiner guten Laune. Aber wenn er gedanklich währenddessen dauerhaft bei seinen Geschäften war, dann brachte mir das nicht wirklich etwas. Wenn es Iljah also am liebsten war sich jetzt nach der Dusche gleich noch um die Entwicklung der potenziell fruchtenden Idee zu kümmern, dann sollte er das ruhig machen - solange er dann hoffentlich auch gut gelaunt wieder zu mir zurückkam. Ich konnte die Zeit bis dahin sicher noch irgendwie mehr oder weniger sinnvoll überbrücken. Ich müsste zwar schon gewaltig lügen, um zu sagen, dass ich nicht gerne wüsste, um was es bei Alledem denn nun eigentlich genau ging, aber ich war nicht dumm genug um dahingehend weiter nachzufragen. Mein Taktgefühl mochte mich gut und gerne ab und zu verlassen, aber so lebensmüde war ich dann doch nicht. Zumindest jetzt gerade nicht.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Ja, das würde ich wohl tun. Zwar hielt sich die Lust, mich erst mit Sabin und im direkten Anschluss daran dann mit dem Choleriker zu unterhalten, stark in Grenzen, aber ich wusste, dass es ganz einfach notwendig war, die Sache in trockenen Tüchern zu wissen. Falls die Idee überhaupt Früchte tragen würde wohlgemerkt. Einerseits hatte ich nicht vor, noch ewig auf Kuba zu bleiben - schließlich warteten in Russland noch meine eigenen Geschäfte auf mich - und zum anderen war ich einfach an einer schnellen Lösung interessiert. Ich hasste es, in Hinsicht auf mögliche Geschäfte in den Seilen zu hängen und selbst wenn Hunter den Vorschlag total beschissen fand oder nach dieser Aktion verständlicherweise meine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen wollte, dann konnte ich die Idee wenigstens ad acta legen und die Sache war abgehakt. Glücklich wäre ich darüber zwar nicht, weil ich dann wieder am gleichen Punkt meines aktuellen Problems stehen würde, aber zumindest ließe sich behaupten, es in diese Richtung versucht zu haben. Ich lächelte Irina entschuldigend an, nickte leicht und zuckte parallel dazu schwach mit den Schultern. "Ich schätze ja.", war alles, was ich diesbezüglich dann noch antwortete, bevor ich mich nach einem letzten Blick auf die Schwarzhaarige schließlich aus dem Türrahmen abstieß und meinen Gang in Richtung Schlafzimmer fortsetzte. Ich würde zuallererst nur einen Anruf tätigen, bevor ich mich gegebenenfalls heute noch einmal nach draußen begab, aber auch den wollte ich nur ungern lediglich mit einem Handtuch bekleidet führen. Ich wusste nicht genau, woran es lag, aber es war einfach merkwürdig, sich mit Geschäftspartnern zu unterhalten, wenn man selbst halbnackt war. Auch, wenn der Gegenüber einen nicht sah. Mochte ich einfach nicht dieses Gefühl oder auch nur den Gedanken daran und deshalb schlüpfte ich endlich im Schlafzimmer angekommen recht bald in eine frische Boxershorts. Wenig später folgte dann eine schlichte Caprihose in olivgrün und ein weißes T-Shirt dazu. Mehr brauchte es bei den Temperaturen hier auf Kuba auch nicht. Ehrlich gesagt waren selbst die dünnen Socken, die ich mir auf dem Bett sitzend über die Füße zog, schon zu viel des Guten, aber ich wollte später nicht barfuß in meine Sneaker schlüpfen müssen. Auch das war einfach kein schönes Gefühl. Als ich dann soweit fertig war, mich einzukleiden, entschied ich mich kurzerhand dazu, noch einmal ins Wohnzimmer zurückzukehren. Nicht nur, weil dort mein Handy lag, was ich zum Telefonieren zwangsläufig brauchte, sondern weil ich ganz einfach auch noch das Bedürfnis nach einer Umarmung und einem Kuss hatte. Die letzten Tage waren einfach scheiße gewesen. Viel zu stressig, meiner Meinung nach und ich hatte irgendwie nicht so richtig abschalten können. Aber jetzt, mit einem Lichtblick am Horizont fiel es mir gleich ein bisschen leichter, zumindest kurzzeitig so etwas wie Entspannung zuzulassen. Und wenn es nur fünf Minuten waren, die ich meinen Kopf sinnbildlich in den Schoß der jungen Frau legte - ich brauchte das gerade. Natürlich war ich noch lange nicht wieder bei bester Laune und das würde sich wohl auch erst ändern, wenn sich das Blatt nennenswert zum Guten gewendet hatte, aber ich konnte die dunklen Wolken zumindest für den Augenblick bewusst zur Seite schieben und mich mehr oder weniger mit einem aufrichtigen Lächeln neben der jungen Frau aufs Sofa fallen lassen, wo ich meinen Arm um ihre schmale Schulter legte. "Was hältst du davon, wenn wir schick Essen gehen, sobald sich die Sache ein bisschen gelegt hat? Ich hab ja bis jetzt nur die nicht so erfreulichen Seiten Kubas kennenlernen dürfen... und du hast doch bestimmt schon die ein oder andere Empfehlung, was Restaurants angeht, oder?", säuselte ich meiner Freundin ins Ohr, als ich mein Gesicht auf der einen Seite ihrer Haare vergrub, während ich mit meiner Hand auf der anderen Seite ein paar Strähnen der schwarzen Mähne über ihre Schulter strich. Zumindest für den Vorschlag, mit dem sie mich auf eine mögliche Idee gebracht hatte, aus der Misere zu entkommen, in der ich aktuell feststeckte, war ich ihr doch etwas schuldig, oder? Auch wenn es nur ein leckeres Essen und ein bisschen gemeinsame Zeit war.
# Is it all a tragedy? Are we flashes in a rut going in and out of luck? Maybe. #
Wie bereits erwartet war es dem Schwarzhaarigen wichtig, das geschäftliche Problem möglichst zeitnah abzuhaken. Ich nickte also nur noch mit einem schwachen Lächeln und den knappen Worten "Ist gut.", ehe meine Aufmerksamkeit zurück zu Chipstüte und Fernseher schwankte. Viel mehr würde ich heute dann wohl auch nicht mehr machen. Wenn ich nicht wusste wann Iljah zurückkam, wäre es ziemlich sinnfrei heute Abend noch auszufliegen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nur bedingt mobil war und mir zumindest mal einen dieser alten kleinen Roller zulegen sollte, um endlich auf die öffentlichen Verkehrsmittel verzichten zu können. Ich war zwar in Moskau eigentlich ausschließlich mit Bus und Bahn gefahren, aber die Anbindungen dafür hier auf Kuba waren im Vergleich dazu leider absolut katastrophal. Von Bussen, die alle fünfzehn Minuten abfuhren, konnte man hier nur träumen. Iljah unterbrach meine Gedankengänge diesbezüglich, als er sich wenige Minuten später wieder zu mir ins Wohnzimmer gesellte. Meine Augen wanderten automatisch in seine Richtung und auch meine Mundwinkel hoben sich erneut an, als er sich direkt neben mir aufs Sofa fallen ließ. Dank seiner Präsenz waren mir die Chips sehr schnell sehr egal, weswegen ich sie auf den Couchtisch abschob und mich dann wieder nach hinten an die Lehne sinken ließ. Was der junge Mann mir anschließend vorschlug ließ das Lächeln auf meinen Lippen gleich breiter werden. Hauptsächlich natürlich deswegen, weil ich mich unheimlich darauf freute, endlich mal wieder angenehme Zeit mit Iljah zu verbringen, aber auch wegen der Geste an sich. Deshalb ließ ein schwaches Nicken meinerseits auch nicht lange auf sich warten und ich schloss die Augen, als ich mich dem Schwarzhaarigen mehr zuwendete. Ich versuchte den Kopf nicht übermäßig zu bewegen - weil er sein Gesicht in meinen Haaren hatte - als ich ein klein wenig tiefer ins Polster rutschte, mein Bein angewinkelt zwischen seine Oberschenkel schob und meinen Arm um seinen Oberkörper legte. Er durfte gerne gleich wieder aufspringen und sich ums Geschäft kümmern, aber gegen fünf Minuten Kuscheln sprach nichts. Und selbst wenn, hätte ich dafür jetzt kein offenes Ohr. Nachdem ich meinen Freund in den letzten Tagen dankend gemieden hatte, war das jetzt Balsam für meine Seele… und sicherlich auch für unsere sowieso insgesamt schwierige Beziehung. Allein die Szene in der Küche vorhin hatte Bände gesprochen. "Sehr gerne.", stimmte ich seinem Vorschlag wenig überraschend zu und streichelte ihm dabei über die seitlichen Bauchmuskeln. "Mir schwebt schon eine kleine Auswahl vor.", bestätigte ich Iljah kurz darauf in seiner Annahme und schmunzelte an seine Brust. Allerdings war ich selbst bisher natürlich noch nicht in Restaurants in Havanna gewesen, die man irgendwie ansatzweise als schick hätte bezeichnen können. Dementsprechend war meine Auswahl sehr oberflächlich getroffen und ich würde Sam mal nach seiner Meinung fragen, weil er was solche Dinge anging meine beste Informationsquelle war. Seine Nummer hatte ich ja, war also kein großer Aufwand und riesige Eile hatte seine Antwort auf eine entsprechende Nachricht meinerseits auch nicht. Bis Iljah alles geregelt hatte und dementsprechend auch mental bereit war, sich in aller Ruhe entspannt mit mir zum Essen aufzumachen ohne ständig mit einer Gehirnhälfte bei seinen Geschäften zu sein, dauerte es sicherlich ohnehin noch den einen oder anderen Tag. Jetzt erstmal kuschelte ich mich noch für ein paar Minuten an den hochgewachsenen Russen, bis ich mich schließlich ein wenig von ihm löste und mich für einen zärtlichen Kuss zu ihm nach oben streckte. Auch meine Hand nahm ich währenddessen von seiner Brust, um sie ihm stattdessen an die Wange zu legen und sanft mit dem Daumen über seine Haut zu streicheln.
~Le Sprüng zu le nächste Tag~
Ich müsste lügen, um zu sagen, dass ich nicht immer noch wahnsinnig gereizt war, obwohl der Vorfall mit den Mexikanern nun schon eine kleine Weile zurücklag. Man sollte meinen es könnte schon ein wenig Gras über die Sache gewachsen sein, aber dem war ganz gewiss nicht so. Es kam Sabin auf jeden Fall zugute, dass er dank der Tracht Prügel kaum fähig sein würde sich auf den Straßen Kubas herumzutreiben. Selbst Leute, die nichts mit der ganzen Misere zu tun hatten, mussten sich davor hüten mich auch nur ansatzweise schief anzusehen. Ich mied Besuche bei Cosma weiterhin, was eher unbewusst passierte. Ich vermisste sie trotzdem und die einsame Villa konnte nur bedingt ein Gefühl von Zuhause erwecken, wenn die Rothaarige nicht dort war. Sie war jedoch die letzte Person, die jetzt einen Schlag von mir abbekommen sollte - so oder so, aber erst recht nach dem, was passiert war. Nochmal würde ich mir so eine Nummer nicht verzeihen. Nichtsdestotrotz musste es jetzt aber irgendwie weitergehen. Ich wollte nicht auf dem Crystal sitzen bleiben, weil das durch die mit Sicherheit stattfindenden Razzien in und um Havanna verdammt gefährlich war. Deshalb hatte ich das Zeug auch von meinen Jungs an einen sicheren Ort außerhalb der Stadt auslagern lassen, war für das Worst-Case-Szenario auf sowas vorbereitet gewesen - auch wenn ich natürlich wie immer darauf gehofft hatte, dass dieser Fall nicht wirklich eintrat. Zusätzlich hatte ich auch noch Stress mit den Mexikanern. Hinsichtlich letzterem war es bisher zwar ruhig, aber der Kopf des Kartells, an das ich die Kristalle so spielend leicht hatte verticken können, war verflucht angepisst. Ich konnte es ihm nicht verübeln, konnte ihm wiederum aber auch nicht mehr als Sonderkonditionen für irgendwann in absehbarer Zukunft wieder stattfindende Lieferungen bieten. Das wollte er nicht, also hing ich was das anging bis jetzt in der Luft. Wusste nicht, was noch daraus werden würde und war im Hintergrund bereits dabei Vorkehrungen für jeden möglichen Fall zu treffen. Ich hatte mich an Havanna und Kuba gewöhnt. Es war jetzt mein Zuhause, mein Territorium. Ich würde es mir nicht von blöden Mexikanern nehmen lassen, die noch nicht einmal einen Grund dafür hatten, wenn sie sonst keinerlei sogar relativ großzügig ausfallende Angebote annehmen wollten. Es würde also wahrscheinlich wieder mal ordentlich Blut in den Boden sickern müssen, um diese Geschichte restlos abgehakt zu den Büchern legen zu können. Zugegeben war ich wirklich überrascht gewesen, dass Iljah sich heute Mittag telefonisch bei mir gemeldet hatte. Es war unmöglich bei diesem Gespräch neutral zu klingen. Auch unabhängig davon, dass ich das gar nicht wollte, weil er ruhig schön deutlich heraushören konnte, dass ich nicht wirklich gut auf ihn - oder sonst wen - zu sprechen war. Zwar war weiterhin primär Sabin der Schuldige, weil die Russen nur hinsichtlich des Personals ausgeholfen hatten - was wiederum tatsächlich gut für mich gewesen war, weil andernfalls vielleicht ein paar meiner eigenen Männer drüben in Cancún das Zeitliche gesegnet hätten - aber ich konnte nur schwer meinen Zorn darüber verbergen, dass auch Iljah gewusst hatte, dass ich es scheiße finden würde, wenn sowas hinter meinem Rücken ablief. Da konnte Sabin mir erzählen, was er wollte. Es kümmerte mich nicht im Geringsten, ob das alles ausschließlich auf seinen Mist gewachsen war und der Russe seiner Meinung nach genauso wie ich eher nur ein Leidtragender im Nachhinein war. Da redete der Italiener gegen eine scheiß dicke Wand. Dennoch hatte ich eingewilligt mich heute Abend mit Iljah zu treffen, weil er augenscheinlich sowas wie ein mögliches Friedensangebot im Kopf hatte. Wenn mir nicht passte, was er zu sagen hatte, würde ich ihn eben einfach aus dem Gebäude scheuchen lassen, denn wir trafen uns gleich in Cosmas Bar. Hauptsächlich deshalb, weil das kein neutrales Terrain war, sondern meins. Ein völlig neutrales Treffen hatte der Russe sich verspielt. Außerdem wollte ich vielleicht auch ein kleines bisschen wissen, ob bei Cosma alles okay war. Sie arbeitete wieder regulär selbst in ihrer Bar und ich hatte sie nun schon ein paar Tage zu viel nicht mehr gesehen. Ich ließ sie deshalb auch am Nachmittag mittels kurzer Nachricht wissen, dass ich das Treffen mit Iljah in ihren Räumlichkeiten abhalten würde. Je nachdem ob es gut lief oder eben nicht, würde ich danach vielleicht noch ein paar Minuten bei ihr an der Theke sitzen bleiben. Bevor das Geschäftliche vom Tisch war, räumte ich ihr allerdings keine Zeit ein. Ich warf der rothaarigen Schönheit nur einen flüchtigen Blick zu, der meine eher schlechte Laune sicherlich widerspiegelte, bevor ich ohne einen Schlenker in ihre Richtung zu machen weiter nach hinten ging. An den extra mit einem Reserviert-Schild ausgestatteten Tisch, an dem ich grundsätzlich immer saß. Wir hatten schließlich aus der norwegischen Smith And Wesson gelernt - mit einem kleinen Schildchen ließ es sich vermeiden, dass ich Irgendjemanden lauthals von seinem Platz scheuchen musste. Hier galt es unauffällig zu leben und selbst ich passte mich daran weitgehend an, wenn mir nicht gerade das Temperament durchging. Ich ließ mich also wenige Minuten vor 22.30 Uhr auf die Sitzbank fallen und zog mir die Kapuze der schwarzen, ausgewaschenen Jeansweste vom Kopf, bevor ich das kleine Metallschild an die vordere Tischkante schob, damit es aus dem Weg war.
◈ It's so hard to forget pain, but it's even harder to remember sweetness. We have no scar to show for happiness. ◈
Ich genoss die wenigen Minuten schweigsamer Intimität, bevor ich mich schließlich langsam wieder von Irina löste. Ihr noch ein etwas müdes Lächeln schenkte, nur um kurz darauf vom Sofa aufzustehen und mich kurz zu strecken. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich all den Stress der letzten Tage nicht deutlich in meinem Bewegungsapparat spüren konnte, aber es half ja alles nichts. Ob man jetzt kriminell oder ein lobenswerter Mitbürger dieser verkackten Gesellschaft war, spielte keine Rolle, im Leben gab es nichts umsonst. Mir diesen Gedanken vor Augen haltend, verabschiedete ich mich noch mit wenigen Worten von meiner Freundin, bevor ich in den Flur stiefelte, wo ich vorhin meine Sneaker geparkt hatte. Wenige Augenblicke später vertrat ich mir mit dem Handy am Ohr die Beine. Bevor ich mich hinter das Steuer des Leihwagens setzte, wollte ich nämlich bei dem Italiener nachhören, ob er überhaupt Zeit und Lust für ein Treffen übrig hatte. Dass er sich aktuell wohl an jeden Strohhalm klammerte, der einen alternativen Weg darstellte, seine Hehlerware an den Mann zu bringen, stand außer Frage. Ich wollte daher gar nicht erst wissen, ob er an der Idee interessiert war, die ich ihm in wenigen Worten am Telefon schilderte, denn falls ihm noch nichts Besseres eingefallen sein sollte, hatte er nicht so etwas wie eine Wahl. Für mich war aktuell nur wichtig zu wissen, ob ich direkt vorbeikommen könnte oder auf dem Absatz Kehrt machte, um zu Irina zurückzukehren, weil er heute etwas Wichtigeres zutun hatte. Wenig überraschend stimmte er einem sofortigen Treffen zu und so saß ich nach circa zwanzig Minuten schließlich im Auto, das ich mir relativ bald nach meiner Ankunft angemietet hatte. Die Öffentlichen hier waren eine absolute Katastrophe, ein Taxi auf Dauer zu teuer und meine eigene Karre einfliegen zu lassen einfach verschwenderisch. Trotzdem konnte und wollte ich während meiner Zeit in Havanna nicht auf die Unabhängigkeit und Spontanität verzichten, weshalb ich mir kurzerhand bei einer der wenigen staatlichen Autohäuser ein für mein Verhältnis sehr bescheidenes Auto organisiert hatte. Hier in Havanna durfte es jedoch auch nichts allzu Außergewöhnliches sein, wenn man nicht auffallen wollte und von A nach B brachte mich das Teil allemal. Zwar war es für meine Größe etwas klein, aber ich wollte mich nicht beschweren. Stattdessen startete ich lieber das Navi auf meinem Handy, um mich auf den Weg zu machen. Inzwischen waren fast vierundzwanzig Stunden seit dem Gespräch mit Sabin vergangen, welches insgesamt gut verlaufen war. Er sah ziemlich scheiße aus, wollte ich an der Stelle anmerken. Ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt, hatte ich mir gedacht, als ich den angeschlagenen jungen Mann sah. Zwar schien ein Großteil der Verletzungen bereits abzuheilen, aber dass er gut einen hatte wegstecken müssen, konnte man nicht übersehen. Aber gut, zurück zum Gespräch... Wir waren uns doch relativ schnell einig in allen wichtigen Dingen und so galt es jetzt nur noch, den Amerikaner zu bezirzen. Hunter, so hatten wir zwischenzeitlich rausgefunden, wäre nämlich, so blöd das klang und so wenig uns beiden das gefiel, der Mann, mit dem die ganze Sache entweder stehen oder fallen würde. Die Kosten des Kerosin würden den Wert von Sabins Kleinkram um Längen überschreiten, wenn wir uns dafür entschieden, ausschließlich seine Ware auszufliegen. Es brauchte leider eine gewisse Grundmasse, damit sich Beiladungen wie diese rentierten und man keine Miese machte. Und besagte Masse besaß nur einer, der seine aktuelle Handelsroute komischerweise ebenfalls nicht mehr befahren konnte... ha ha. Na ja. Jedenfalls waren wir nach einem ewigen Hin und Her zu dem Entschluss gekommen, dass es keine andere, sinnvolle Möglichkeit gab, die Sache durchzuziehen, falls der Amerikaner nicht mitspielte und so hoffte ich jetzt einfach mal darauf, dass sein Groll sich mir gegenüber einigermaßen in Grenzen hielt und ich zumindest ansatzweise zu ihm durchdringen konnte. Wir hatten uns für heute Abend in der Bar seiner Freundin verabredet, was mir nur Recht sein sollte. Aktuell war ich weniger in der Position, Ansprüche geltend zu machen und falls er mir zu blöd kommen sollte, konnte ich die Situation so vielleicht noch für meinen Vorteil ausnutzen. Daran verschwendete ich aber erst einmal keinen Gedanken, als ich den Tag nach dem Treffen mit Irina verbrachte. Wie gesagt, war die Zweisamkeit in den letzten Tagen ziemlich kurz gekommen und ich genoss die Anwesenheit der Schwarzhaarigen, auch ein Spaziergang am Strand das Höchste der Gefühle war und wir den Rest des Tages Zuhause auf der Couch oder im Bett verbrachten. Als ich mich spät abends dann auf den Weg zur Bar machte, konnte man fast meinen, ich wäre tiefenentspannt, so beruhigend wirkte die Serbin auf mich. Gänzlich lossagen konnte ich mich von der Anspannung jedoch nicht, denn von dem anstehenden Gespräch hing nun mal eine Menge ab. In gewohnt professioneller Manier verbarg ich meine Sorgen allerdings hinter neutraler Mine, als ich circa viertel vor elf die Bar betrat, dessen Name quasi alles war, was Hunter mir am Telefon zu meinem erbetenen Treffen ins Ohr gekotzt hatte. Meine Augen brauchten einen Augenblick, um sich an das gedimmte Licht im Inneren des Lokals zu gewöhnen, weil es doch ein ziemlicher Kontrast zu den hellen Straßenlaternen war, die den Weg vor der Bar für Ansässige, Touristen und Bettler beleuchtete. Kurz darauf wanderte mein Blick über die Köpfe der anwesenden Gäste und der Inneneinrichtung. Es dauerte nicht lange, bis ich den Choleriker in einer abgeschiedenen Ecke ausfindig gemacht hatte und zielstrebig seinen Tisch ansteuerte. "Danke, dass du gekommen bist.", ließ ich ihn mit gewohnt ruhiger Stimme indirekt wissen, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er sich dem Treffen verweigert hätte. Zwar war die ganze Misere nicht auf meinem Mist gewachsen, aber ich kannte Hunter gut genug, um sagen zu können, dass ihn selbst Fakten oft nur peripher tangierten. "Ich denke, auch ich habe noch etwas bei dir gutzumachen. Hab mir was überlegt, womit sich die Route nach Mexiko vielleicht kompensieren lässt.", brachte ich direkt auf den Punkt, weshalb ich ihn hatte sprechen wollen, während ich mich auf der Sitzbank ihm gegenüber niederließ. Ich wusste nicht nur, dass der Hitzkopf sich gerne Situation zu seinen Gunsten zurechtbog, sondern auch, dass er kein Fan langer Reden, von formellen Begrüßungen oder gar Smalltalk war. Und obwohl ich mir eigentlich keiner Schuld bewusst war - schließlich hatte ich in Sabins Auftrag gehandelt -, hoffte ich darauf, dass die wohlwollende, fast schon entschuldigende Einleitung dem Gespräch einen guten Start verlieh.
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Während ich noch ein paar wenige Minuten auf den Russen wartete, ließ ich meinen Blick über die anderen Barbesucher schweifen. Es waren etwa zur Hälfte Touristen und zur anderen Hälfte Kubaner, aber die Bar war rege besucht. Das war immer gut, denn je mehr Leute hier waren, desto fleißiger wurde ein Teil meines Geldes gewaschen. Meine Gedanken diesbezüglich wurden unterbrochen, als der aushelfende Barkeeper - Cosma stand im Regelfall nicht alleine hinter der Bar - mir denselben Bourbon servierte, den ich auch sonst immer trank. Ich bedankte mich mit mahlendem Kiefer nur mittels eines flüchtigen Nickens, was er mit einem Lächeln quittierte, bevor er weiter seinem Job nachging. Mein Blick hing daraufhin einen Moment lang an der braunen Flüssigkeit, die sich über die Eiswürfel im Whiskeyglas zog, ehe meine Augen im Getümmel nach Cosma suchten. Seit mir klar geworden war, wie sehr ich wirklich kaputt war und dass ich so nicht ewig weitermachen konnte, hatte ich den Alkoholgenuss schon auf ein Minimum reduziert und trank nur gerade so viel, wie ich brauchte, um keine extremen Entzugserscheinungen zu zeigen. Dementsprechend war mein Konsum über die letzten Wochen Stück für Stück fast bei null angekommen, aber ich kam noch immer nicht ganz davon weg. Immer dann, wenn ich extrem gestresst oder einfach wütend war, griff ich nach Glas und Flasche und brach damit unweigerlich meine eigene stumme Regel. Ich wiegte mich nicht in einer Illusion, in der ich nie wieder Alkohol trinken würde - der Zug war schon sehr lange abgefahren. Aber ich wollte ihn wieder genießen können und ihn nicht nur als Mittel zum Zweck nutzen, um mich selbst zu kompensieren. Trotzdem griff ich nach dem Glas und nahm einen eher großzügigen Schluck, weil ich gerade weit größere Probleme als mich selbst hatte. Da waren ein paar sehr angepisste Mexikaner, die mich wahrscheinlich umlegen wollten und ein riesiger Berg Crystal, der mit Pech von den Cops gefunden werden konnte, auch wenn letzteres eher unwahrscheinlich war. Ich war im Verstecken von Dingen, die keiner finden sollte, schließlich längst kein blutiger Anfänger mehr. Allerdings hatte die jüngste Vergangenheit mich gelehrt, dass auch ich nicht vor Verrat und Pech verschont blieb. Im Gegensatz zu dem Russen bemühte ich mich deshalb auch keineswegs um eine neutrale oder gar freundliche Mimik - meine Stirn legte sich dank der angespannt nach unten gezogenen Augenbrauen in Falten, die mich nicht gerade jünger aussehen ließen und meine Augen funkelten unruhig, als sich unsere Blicke erstmalig am heutigen Tag kreuzten. Meine linke Hand ließ das Glas auf dem Tisch nicht los, als ich mich langsam nach hinten ans Sitzpolster sinken ließ, ohne den Schwarzhaarigen aus meinem Blick zu entlassen. Ich sagte erst einmal noch nichts, sondern ließ Iljah zuerst alles aussprechen, was er loswerden wollte. Nicht ganz sicher damit, ob mir eine indirekte Entschuldigung und seine Wertschätzung für meinen Willen mit ihm zu sprechen wirklich ausreichend waren, legte ich den Kopf leicht schief und musterte einen Moment lang seine Gesichtszüge. Warum dachte er, dass mir gerade der Sinn danach stand, weitere Geschäfte mit ihm zu machen? Er wickelte noch immer einen Teil meiner Geldwäsche in Russland ab und selbst damit war mir aktuell wirklich nicht mehr wohl. Ich hatte den Russen für einen ehrlichen Geschäftspartner gehalten und war jetzt - mild ausgedrückt - dezent in meinem Glauben daran erschüttert. Er machte gemeinsame Sache mit Sabin hinter meinem Rücken und ging scheinbar dennoch davon aus, dass er hier heute eine reelle Chance für eine gute Verhandlung hatte. Entweder war er also naiv, sehr viel blöder als ich dachte oder er hatte ein Ass im Ärmel, das ich bis jetzt noch nicht kommen sah. "Du hast besser ein wirklich gutes Angebot, das meine Zeit hier wert ist. Ich hab viel zu tun im Moment, wie du weißt.", erwiderte ich zynisch mit leicht zusammen gekniffenen Augen. Gleichzeitig begann den runden Boden des Whiskeyglases fast in Zeitlupe über die hölzerne Tischplatte kreisen zu lassen. Zwar waren die akut gefährlichsten Folgen des gescheiterten Mexico-Deals schon von mir beseitigt, aber die Sache schlug nicht nur ein paar kleine Wellen und bedurfte mehr meiner Aufmerksamkeit, als ich Lust dazu hatte... was wiederum vielleicht einer der Gründe war, weshalb ich mir das Angebot überhaupt anhörte. Wenn ich damit den Verlust der Geschäftsbeziehung zum mexikanischen Kartell tatsächlich gerade biegen könnte, wollte ich es mir zumindest anhören. Ablehnen konnte ich es dann immer noch.
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Es wäre gelogen, hätte ich behauptet, eine Aussage dieser Art nicht bereits vermutet zu haben. Dennoch ließ sie mein mir selbst aufgezwungenes Lächeln, welches meine Augen nie erreicht hatte, beinahe verblassen. Einzig und alleine die Tatsache, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach als Gewinner aus diesem Gespräch herausgehen würde, ließ mich den Schein wahren, Hunters Arroganz und seine herablassende Art würden mir nicht tierisch aus den Zeiger gehen. Ich hatte auf der Fahrt hierher das Gespräch mit Sabin, die geplatzte Überfahrt sowie die daraus resultierenden Konsequenzen noch einmal Revue passieren lassen und war seitdem der festen Überzeugung, dass Hunter meinen Vorschlag quasi gar nicht ablehnen konnte. Ich mich in einer deutlich besseren Position befand als er - ihm sozusagen überlegen war. Na ja, vorausgesetzt, er ließ seinen Stolz guten Geschäften nicht im Wege stehen. Was hatte er denn für andere Möglichkeiten, seinen Scheiß an den Mann zu bringen? Reell gesehen nicht besonders viele und schon gar nicht binnen weniger Tage. Mochte sein, dass es hier auf Kuba oder auf dem nächstgelegenen Festland südlich der Inseln noch die ein oder anderen Abnehmer und zuverlässige Transporteure gab, aber so wie ich den Amerikaner einschätzte, würde er kaum einem Wildfremden hunderte Kilo Drogen einfach mal so übergeben. Sicher gab es noch etliche Dinge vorher zu überprüfen und Sicherheitsvorkehrungen mussten bestimmt auch getroffen werden... Wie auch immer. Worauf ich jedenfalls hinaus wollte war, dass der überaus reizende Choleriker hier wusste, mit wem er es in diesem Fall zu tun hätte. Nicht zu verachten war natürlich auch die Tatsache, dass der Transport zeitnah vonstatten gehen würde und er auf Kuba nicht mehr lange auf etlichen Drogenpäckchen sitzen musste. Ein volles Lager war in aller Regel sicherlich etwas Gutes, keinesfalls aber auf einer so kleinen Insel, wo die Wahrscheinlichkeit gar nicht mal gering war, von den Bullen geschnappt zu werden. Und das war doch wohl das letzte, was Hunter wollte... oder? Zu einhundert Prozent in Sicherheit wissen konnte und sollte ich mich aber nicht. Wie gesagt, wäre es dem Amerikaner durchaus zuzutrauen, dass er alleine schon aus Prinzip keinen Deal mehr mit mir eingehen wollte, weshalb ich nicht zu überheblich klingen durfte, als ich sagte: "Es ist das beste Angebot, was du momentan kriegen kannst, Hunter." Als ich den Namen meines Gegenüber ausgesprochen hatte, kniff ich die Augen ebenfalls etwas zusammen. Auf meinen Lippen zeichnete sich nun ein schmales, professionelles Grinsen ab, als ich noch ein "Und wahrscheinlich auch das einzige, was sehr kurzfristig den Verlust deiner Geschäftsbeziehungen in Mexiko und den damit verbundenen finanziellen Schaden kompensieren könnte. Was sicher in deinem Interesse ist, denn sonst hättest du unserem Gespräch keine Chance gegeben, oder?" hinzufügte. Ich löste meinen Blick wenig später von den markanten Gesichtszügen des Cholerikers, um stattdessen mit einem Handzeichen der Bedienung hinter der Theke zu signalisieren, dass ich gerne etwas Alkoholisches bestellen wollen würde. In der Zwischenzeit konnte Hunter über das Gesagte nachdenken, wozu ihn der junge Mann, der binnen einer halben Minute an unseren Tisch gesputet kam, indirekt animierte. Schließlich würde der Amerikaner nicht vor Unbeteiligten über Geschäftliches reden und so musste ich nicht befürchten, dass er mir voreilig etwas an den Kopf knallte. Ich bestellte also in aller Seelenruhe einen Vodka - Klischees kamen schließlich nicht von ungefähr - und sah der Bedienung noch einen Augenblick hinterher, bevor mein Blick wieder dem jungen Mann mir gegenüber galt. Nachdem das Glas wenig mit dem durchsichtigen Inhalt wenig später seinen Platz in meiner Hand gefunden und ich einen Schluck davon genommen hatte, setzte ich zur Erläuterung meines Angebotes an.
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Iljahs Gesichtsausdruck wandelte sich mitsamt seinem Tonfall, als er langsam in die Verhandlung einstieg und sorgte so dafür, dass meine Hand mit dem Glas auf dem Tisch innehielt. Ich fokussierte mich ganz auf seine unerwartet siegessichere Mimik, die seine Worte gekonnt untermauerte. Er setzte auch gleich noch ein paar mehr davon obendrauf und ich wusste im ersten Moment nicht, wie ich darauf reagieren wollte. Mein Gesichtsausdruck blieb erstmal unverändert: Die Augenbrauen tief gezogen mahlte ich mit dem angespannten Kiefer und ich begann das Glas zum Schein wieder zu drehen, während mir der Kellner aufgrund der Bestellung dazwischen grätschte. Der Russe mochte Recht damit haben, dass ich bezüglich des Crystals auf nicht ungefährlichen Kohlen saß. Es musste verschwinden, um zurück in sicheres Gewässer zu kommen. Dabei waren mir die Finanzen sogar am mit Abstand unwichtigsten, des Polsters unter meinem Arsch wegen. Doch solange der Berg aus Drogenpaketen in meinem Besitz war, gefährdete ich im Grunde meine ganze Organisation damit. Alle Männer, die für mich arbeiteten. Auch Cosma. Die Polizei in Havanna war zwar quasi von gestern, aber völlig bescheuert leider nicht. Ich hatte schon ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, die ganze Ladung anzuzünden oder im Meer zu versenken, wenn ich sie nicht bald loswerden konnte – Hauptsache weg damit, bis ich eine neue Lösung hatte. Wir mussten die Füße aktuell verflucht still halten und durften nicht auffallen. Ich war viel zu nah an meinem ursprünglichen Heimatland dran, um denen aus Leichtsinnigkeit aufs Radar fallen zu wollen. Als Iljah zur Erklärung seines konkreten Vorschlags ansetzte, hatte ich – sehr untypisch für mich – noch kein Wort dazu gesagt. Deshalb juckte es mir in den Fingern, ihm ins Wort zu fallen. Nur weil tatsächlich nicht uninteressant war, was er zu sagen hatte, ließ ich es bleiben. Ein Schnauben konnte ich trotzdem nicht unterdrücken, als auch Sabins Name in der Sache fiel. Ich ließ mich an die Lehne zurückfallen und schüttelte kaum sichtbar den Kopf, als ich das Glas an die Lippen hob, um mit dem Whiskey einen winzigen Teil der Wut auf diesen Hurensohn runterzuschlucken. Ich spielte immer noch regelmäßig mit dem Gedanken, Sabin einfach umzulegen, sobald er seine Schuld beglichen hatte. Richard reichte aus, um Drogen herzustellen und ich brauchte sowieso noch neue Verwendung für Samuele. Der war auch ein Sicherheitsrisiko mit seinem ganzen Rumgeheule. Ich brauchte neue Verwendung für ihn, um ihn nicht aus der Schlinge hüpfen zu lassen, sondern tiefer reinzuziehen. Als Iljah fertig zu sein schien, sah ich ihn noch einen stummen Moment aus offenen, unverhohlen funkelnden Augen an, bevor ich mich zu Alledem zu äußern begann. “Du kommst hier in unsere Bar”, Cosmas Bar, aber mein Territorium, “und schlägst mir einen Deal vor, der einen Mann inkludiert, mit dem ich vor Kurzem erst den Asphalt gewischt habe… und das auch noch ausgerechnet deswegen, weil er mir meine letzte Handelsroute ausradiert hat… sehr gewagt.” Ich sprach des relativ öffentlichen Ambientes wegen nicht lauter als er zuvor, aber ein gereizter Unterton war fester Bestandteil der Worte. Das war meine Art, ihm zuzusprechen, dass er gleichermaßen dicke Eier und einen Sprung in der Schüssel mit sich rumschleppte. Anerkennung direkt vorzutragen lag mir bekanntlich nicht. “Und warum zum Teufel interessiert dich Sabins Kleinkram überhaupt? Du würdest nicht extrem viel schlechter damit fahren, nur meine Ware mit nach Russland zu nehmen. Die Finanzen sind für mich kein Problem.” Es gefiel mir schlicht und ergreifend nicht, dass der Italiener wieder mit von der Partie sein würde. Zwar war es ein signifikanter Fortschritt, dass sie mich dieses Mal vorher einweihen wollten, statt mir auf den übergrößen Schlips zu treten, der den beiden hinter jeder Ecke lauerte, aber das wog mein Misstrauen nicht mal im Ansatz auf. Wenn es irgendwie möglich war, wollte ich Sabin in dieser Sache definitiv aus dem Boot schubsen. Ich traute dem tätowierten Russen auf der anderen Seite des Tisches nur noch bedingt und von Sabin wollte ich gar nicht erst anfangen. “Ich trau ihm keine zehn Meter mehr über den Weg. Für mich definitiv ein Dealbreaker.” Nach diesen Worten nahm ich den nächsten Schluck.
Es war angenehm überraschend, zur Abwechselung einmal nicht von dem Amerikaner unterbrochen zu werden, wenn ihm etwas nicht passte. Denn auch wenn ich ganz offensichtlich sein Interesse geweckt hatte, machte Hunter keinen Hehl aus seiner Unzufriedenheit, als ich erwähnte, dass Sabin in dieser Sache mit von der Partie sein würde. Es waren zwar nur kleine, unauffällige Gesten, mit denen er vielleicht die um uns rum befindlichen Gäste der Bar hätte täuschen können, aber mir machte er nichts vor. Es schmeckte ihm nicht, stieß ihm richtig bitter auf. Verständlicherweise, musste ich dazu sagen. Aber ich wollte mich nicht beschweren. Sollte der Idiot ruhig mit dem Kiefer mahlen und grimmig dreinblicken so viel er wollte - das er mir zuhörte und scheinbar zu verstehen schien, was für ein unglaublich gutes Angebot ich ihm hier präsentierte war für mich alles was zählte. Als ich nach einer Weile schließlich zum Schlusspunkt kam, dauerte es gar nicht lange, bis Hunter sich erstmals zu Wort meldete. Und mir damit ein amüsiertes, jedoch nicht zu überspitztes oder gar lautes Lachen entlockte. "Das Angebot wäre in einem anderen Etablissement das Selbe gewesen, genauso wie die Bedingungen", stellte ich ruhig klar, dass es mich wirklich nicht die Bohne interessierte, wem der Schuppen hier gehörte oder in welcher Verbindung Hunter zu der Bar stand. Er hatte den Ort des Treffens ausgesucht - wenn es in seinen Augen nun gewagt war, ihm ein Angebot zu machen, welches Sabin inkludierte... so be it. Zwar würde ich Hunter keinesfalls als dumm bezeichnen - sein Ruf, welcher nicht von ungefähr kam, eilte ihm schließlich voraus - aber in Situationen wie diesen, geblendet von Wut und sichtlich gestresst, machte er mir den Anschein, als wäre er nicht die hellste Kerze. Vielleicht war es aber auch nur der mangelnden Selbstreflexion des Cholerikers geschuldet, dass er gar nicht merkte, wie sinnfrei sich seine Aussage eigentlich angehört hatte. Mit diesem Gedanken wollte ich mich aber auch gar nicht mehr lange aufhalten. Viel wichtiger war die Tatsache, dass ich Hunter am Haken hatte... dachte ich zumindest. Bis zu dem Punkt, als er eine Frage an mich richtete und kurz darauf klarstellte, dass es für ihn nicht in Frage käme, seine Drogen mit der Hehlerware Sabins nach Russland zu schicken. Ich hielt einen Moment inne, nahm ebenfalls noch einen Schluck von meinem Getränk und dachte über eine Antwort nach. Ihm die Wahrheit zu sagen - welche war, dass ich ihn nicht ausstehen konnte und eigentlich ausschließlich Sabins Zeug fliegen wollte, dies sich kostentechnisch für mich aber nicht rentierte - kam natürlich nicht in Frage, anlügen und in den Arsch kriechen wollte ich ihm aber auch nicht. Es brauchte einen Augenblick, bis ich schließlich zu einer diplomatischen Erklärung ansetzte. "Ich bin ein unabhängiger Geschäftsmann, Hunter. Mich interessieren eure Fehden nicht. Für mich zählen zuverlässig zahlende Kunden, der Rest ist mir beinahe egal." Ich machte eine kurze Pause, in der ich erneut einen Schluck Vodka meine Kehle ölen ließ. Parallel dazu evaluierte ich mit weiterhin neutraler Miene Hunters Aussage zu seinem sogenannten Dealbreaker. Er hatte sich unmissverständlich ausgedrückt, dass es für ihn keine Option war, grob über ein paar Ecken weiterhin Geschäfte mit dem Italiener am Laufen zu haben, jedoch wurde ich das Gefühl nicht los, hier trotzdem noch etwas Spielraum zum Pokern zu haben. Und nach kurzer Überlegung, ging ich schließlich all-in - auf die Gefahr hin, mir nur selber einen Stock in die Speichen gesteckt und das Gespräch völlig in den Sand gesetzt zu haben. "Mein Angebot steht. Sieh es... als Zeichen der Versöhnung. Wenn du so willst auch als eine Art Wiedergutmachung. Ich werde sehr bald abreisen. Bis dahin kannst du es dir gerne noch einmal überlegen und dich bei mir melden." Mit diesen Worten leerte ich letztlich mein Glas und machte Anstalten, meinen Posten ihm Gegenüber zu verlassen. Entweder lag ich mit meiner Einschätzung richtig und Hunter würde mich gleich aufhalten oder aber der Drops war gelutscht. Sollte letzteres der Fall sein, war der Weg bis zur Tür dann nicht mehr ganz so weit. Ha ha.
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Vielleicht hätte er genau das aber nochmal überdenken sollen, bevor er hierher gekommen war. Es war eben schon wieder ein bisschen dreist. Zu dreist für meinen Maßstab, normalerweise. Es kam ihm sehr zugute, dass ich mittelmäßig verzweifelt zwischen zwei Stühlen saß. Der eine hieß Verlust durch den Einkaufspreis der Komponenten und der andere hieß Vertrauen in vollkommen Fremde zu stecken, indem ich stattdessen denen meine Ware anvertraute. Ich hasste beides. Es war kein großes Geheimnis, wie paranoid ich bei Unbekannten und wie gierig ich ganz generell war. Geld war schließlich das einzige, wofür sich die ganzen Strapazen des Kriminellen Daseins lohnten. Außerdem wollten meine Männer weiter bezahlt werden und das tat ich sehr viel lieber mit Geld, das Sabin mir fast beiläufig mit dem Crystal in die Taschen spielte, als mit meinen eigenen Reserven. “Ein Teil des Problems.”, stellte ich trocken fest und tat mir schwer damit, sein kurzes Lachen einfach sacken zu lassen. Sollte er diese Worte interpretieren, wie er wollte. Iljah würde meine Werte nicht verändern und ich seine wohl auch nicht. Dafür waren wir beide zu stur und… das war auch Teil des Problems. Unsere Geschäfte waren gut, aber einfach waren sie selten. Wenn keine Irina daherkam, dann halt ein Sabin. Gehüpft wie gesprungen. Ich war mir Iljahs Loyalität nicht mehr sicher. Seine Unabhängigkeit in dieser Sache war hier leider allein mein Problem. Der Italiener schien neuerdings konstant weiter Brötchen in meiner Bäckerei backen zu wollen und der versuchte nicht mal, das zu vertuschen. Lieber schickte er den Russen zu mir an die Front, was wahrscheinlich daran lag, dass Sabin noch schlecht zu Fuß sein dürfte. Oder auch daran, dass er wusste, dass ich dieses Angebot nur bedingt ablehnen konnte. So wie Iljah das auch wusste, offensichtlich. Er lenkte kein Stück ein, sondern begann sein Zelt in der Bar gleich wieder abzubrechen. War sich ganz ungeniert darüber bewusst, dass er am längeren Hebel saß und meine Optionen waren ernüchternd. Ich konnte das Crystal entweder mit Verlust entsorgen, Sabins Machenschaften dieses Mal wissentlich tolerieren, was absolut nicht in Frage kam… oder ein besseres Angebot vorlegen, mit dem ich langfristig noch Gewinn machte und vor allem auch dem Italiener seine Abmachung mit Iljah verpfuschen konnte. Meine Finger schlossen sich fester um das Glas und ich starrte die alkoholische Flüssigkeit in Grund und Boden, als der Russe schließlich aufstand. Ich brauchte noch einen Moment, um mich aus meinem eigenen Geizkragen zu winden. Dann aber sah ich direkt zu ihm hoch. “Wir sind noch nicht fertig.”, bat ich ihn laut und deutlich darum, noch nicht das Weite zu suchen. Es war allerdings eher mein Blick, der ihn dazu anhielt, sich wieder hinzusetzen. Ich sprach aus Prinzip nicht über Geschäftliches, solange ich nicht auf Augenhöhe mit der zu verhandelnden Partei saß. Als er wieder Platz genommen hatte, verschwendete ich jedoch keine Zeit mehr. “Ich zahl’ dir wieder was für die Blüten, wenn du Sabin dafür auf seinem Zeug sitzen lässt.” Meine Brust hob und senkte sich auffällig während eines besonders tiefen Atemzugs. Iljah unter Druck zu setzen, hatte bisher einzig in Hinblick auf seine Geliebte funktioniert, so eine Strategie konnte ich mir demnach in die Haare schmieren. Also versuchte ich in diesem Augenblick zumindest, einigermaßen die Ruhe zu wahren nicht unnötig an die Decke zu gehen, obwohl mir durchaus danach war, dank der letzten Wochen und diesem auch noch absolut nicht nach meiner Zufriedenheit verlaufenden Gespräch. “Den vollen Anteil, den ihr vorher bekommen habt. Es sind erst drei von zwölf Monaten um. Vahagn wäre sicherlich auch dankbar dafür.” Seine Schwester hatte in diese Sache von vornherein Arbeit gesteckt und dementsprechend angepisst war sie gewesen, als Iljah ihren Lohn für ein ganzes Jahr quasi an Irina verscherbelt hatte. Nachdem dieses kleine Miststück jetzt aber hier auf meiner Insel war und ich nicht mehr nach Russland fliegen müsste, um sie doch noch zu erdrosseln, konnte ich Iljah dieses Geschäft guten Gewissens anbieten. Klar, das Geld würde dann auf meiner Seite natürlich wieder fehlen. Wenn ich das Crystal dafür jedoch regelmäßig und bekanntermaßen zuverlässig nach Russland bekam, war das auf lange Sicht der bessere Deal. Wir konnten die Produktion und erweiterten Vorsichtsmaßnahmen wieder aufnehmen und Sabin wurde vorerst ausgebremst. Es war in meiner misslichen Lage die beste Option.
Es ist mir immer wieder ein inneres Blumenpflücken, mit dir Geschäfte zu machen, schoss es mir durch den Kopf, als ich in meiner Bewegung innehielt und mich kurz nach Hunters indirekten und wie immer natürlich sehr charmanten Aufforderung, mich ihm gegenüber wieder hinzusetzen, zurück auf die Bank fallen ließ. Äußerst zufrieden darüber, mit meiner Menschenkenntnis wieder einmal ins Schwarze getroffen zu haben, lehnte ich mich fast schon entspannt ein Stück nach hinten. Meine Hände bequem ineinander gefaltet und auf dem Tisch ruhend, lauschte ich neugierig den Worten Hunters und... war erst einmal sprachlos. Dann etwas amüsiert und anschließend wieder sprachlos. Vor wenigen Minuten hatte er sich noch über meine vermeintliche dreiste Art beschwert, nur um jetzt keinen Deut besser zu sein? Gut, dass ich damit bereits gerechnet hatte. Das Gespräch mit Sabin war in vielerlei Hinsicht äußerst aufschlussreich gewesen. So hatte ich bereits vermutet, dass Hunter eine solche Karte möglicherweise zu spielen versuchte und konnte mich entsprechend darauf vorbereiten. Andernfalls hätte ich ihm wohl noch eine ganze Weile schweigsam gegenüber gesessen und darüber nachgedacht, ob ich den Italiener wirklich für Hunter abschreiben sollte. Rein lukrativ betrachtet hätte es für mich nämlich mehr Sinn gemacht, das Gegenangebot mit Handkuss anzunehmen und den Italiener auf seinem Zeug einfach sitzen zu lassen, aber das war ganz einfach nicht meine Art. Wenn der Handschlag bereits getan war, zog ich meine Dienstleistungen in der Regel nicht einfach zurück. Musste ich in diesem Fall aber auch gar nicht, weil ich mir für einen Fall wie diesen bereits etwas überlegt hatte. Ich spielte dieses Ass nur ungern, keine Frage, das Ganze war schlichtweg verdammt riskant, aber was war das Leben schon ohne ein bisschen Risiko? Um es nicht auffällig wirken zu lassen, nahm ich mir trotzdem einen etwas längeren Augenblick Zeit in dem ich so tat, als würde ich mir erst Gedanken über Hunters Angebot machen müssen - Pros und Kontras abwägen und so. Nach etwas eineinhalb Minuten nickte ich schließlich zustimmend. "Klingt fair.", ließ ich ihn mit aufgezwungenem Grinsen wissen, dass ich mich auf diese Bedingungen einlassen würde. Nur pro forma natürlich, schließlich würde ich Sabins Kohle dennoch einsacken. Wenn Hunter von mir jedoch hören wollte, dass ich genau das eben nicht tat, na ja... dann würde ich ihn einfach in diesem Glauben lassen. Es gab da jedoch eine Sache, die ich nicht bedacht hatte - die Paranoia des Cholerikers. Aus teilweise nachvollziehbaren Gründen traute mir Hunter nämlich nicht mehr zu einhundert Prozent über den Weg, was im Umkehrschluss bedeutete, dass er bereits ahnen könnte, von mir an der Nase herumgeführt zu werden. Ich musste also geschickt an die Sache heran gehen und ihn möglichst fern von meinen Fliegern halten, die mit seinen Drogen und der Hehlerware von Sabin beladen werden sollten. Nur wie? Ich glaubte nicht an Schicksal, aber der Zufall, der sich wenig später ereignete, hätte mir nicht besser in die Karten spielen können. Als ich gerade im Begriff war, meiner vorherigen Aussage etwas hinzuzufügen, kündigte ein sanftes Vibrieren in meiner Hosentasche einen Anruf an. Während Verhandlungen wie diesen vermied ich es normalerweise tunlichst zu telefonieren, aber ein kurzer Blick auf das Display des Handys, welches ich mit der rechten Hand aus meiner Hosentasche gezogen hatte, verriet mir, dass es sich um einen Notfall handeln musste und ich das Telefonat zwingend anzunehmen hatte. "Bitte entschuldige, da muss ich kurz dran gehen.", bat ich Hunter um Verzeihung, ein so wichtiges Gespräch wegen eines Telefonats unterbrechen zu müssen. Ich selbst hasste nichts mehr, als darauf warten zu müssen, das mein Gegenüber seine privaten Telefongespräche beendet hatte, aber hier ging es ums Geschäft. Der Name des Anrufers verhieß nichts Gutes, war er doch sozusagen der Schichtleiter der Verladungen. Und dieser rief mich eigentlich nur dann an, wenn es Probleme gab - wie eben auch jetzt. Nur waren diese Probleme für mich ein echter Segen und das letzte Puzzleteil, wonach ich gesucht hatte. Meine Antworten, die ich in mein Handy murmelte, fielen kurz aus, dafür deutlich und keine Widerworte duldend. Das Telefonat dauerte keine fünfzehn Sekunden, da war das Handy bereits wieder in meiner Hosentasche verschwunden. "Sieht so aus, als ziehen die Behörden von Havanna neue Seiten auf...", ließ ich Hunter wissen, dass es sich bei dem Anruf von eben um kein Privatgespräch gehandelt hatte, sondern geschäftlicher Natur war. "Das Sicherheitspersonal an Flughäfen in und um Havanna herum wurde deutlich erhöht, ebenso die Sicherheitsmaßnahmen.", fuhr ich fort. Normalerweise hätte mich das jetzt wirklich geärgert, weil es bedeutete, dass das Landen auf dem internationalen Flughafen Kubas gar nicht mehr so einfach war, aber zum Untermauern meiner nachfolgenden Worte und der Lösung meines Problems kam die Information wie gerufen. "Scheint, als müssten wir auf weiter weg gelegene Flughäfen umsteigen. Das sollte für dich doch aber kein Problem darstellen, oder?"
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Meine Augen wurden mit der Zeit immer schmaler. Ich versuchte zu eruieren, ob Iljah ernsthaft nachdachte, oder ob er mich bloß hinhielt. Vielleicht beides. Seine Antwort war zu knapp und zu oberflächlich für meinen Geschmack. Dann noch dieses Grinsen… für ihn war das ein ziemlich gutes Geschäft, dessen war ich mir bewusst, aber irgendetwas daran störte mich. Ich hätte in diesem Moment nicht sagen können, was genau es war. Vielleicht nur pure Einbildung, weil in meinen Augen beinahe jeder Mensch ein falsches Gesicht herum schleppte. Iljah hatte mir noch nie dreckig ins Gesicht gelogen, aber vollkommene Ehrlichkeit erwartete ich von ihm inzwischen auch nicht mehr. Diese kurze Antwort auf mein großzügiges Angebot war mir… zu simpel, zu leicht. Als wäre das ganze Unterfangen viel zu einfach zu meinen Gunsten zu drehen gewesen. Deswegen wanderte meine rechte Augenbraue nach oben, als obendrauf sein Handy klingelte. Unterschwellig genervt schüttelte ich den Kopf und hob das Glas an, als der Russe sich dem kurzen Telefonat widmete. Er sprach recht leise, weshalb der Geräuschpegel der Bar es mir ziemlich unmöglich machte, ihn erfolgreich zu belauschen. Mehr als Wortfetzen waren für mich nicht drin. Ich kippte stattdessen den Rest des Whiskys meine Kehle runter und ließ den Blick anschließend kurzzeitig durch die gut besuchte Bar wandern. So lange, bis ich im Augenwinkel sehen konnte, dass das Telefonat endete und Iljah sich zurück an mich wendete. “Wie immer nur eine Frage der Zeit gewesen…", grummelte ich genervt und verpasste dem leeren Glas mit den Fingerspitzen einen kleinen Schubs gen Tischmitte. Wie ein noch hungriger Hund, der seine schon leere Futterschüssel durch die Gegend kickte. Der Entzug war zum Kotzen und ich hatte Durst, aber darauf durfte ich mich jetzt nicht konzentrieren. Die Häfen waren quasi schon komplett dicht, da gab es kein Durchkommen mehr. Dass die Justiz jetzt auch noch die Fluglinien komplett filzen wollte, machte alles komplizierter und teurer. Zumindest auf meiner Seite. Es behinderte das Geschäft jedoch nicht grundlegend. Mir entglitt mit einer örtlichen Verlegung allerdings ein Stück weit die Kontrolle darüber, was mir nicht in den Kram passte. Ein Auge darauf zu werfen war mir trotzdem möglich, aber es machte die Sache unverhältnismäßig zeitaufwendig und nervtötend. Diese Zeit konnte ich sinnvoller verbringen. Ich hatte noch anderes, wichtigeres zu erledigen und Cosma kam seit dem Ausrutscher in Mexiko schon wieder viel zu kurz. Überwiegend zu ihrem Schutz, meiner schlechten Laune wegen, weil ich den selbstständig angeordneten Medikamenten nur bedingt vertraute, aber meine Fresse… mit dieser geringfügigen Dosis Alkohol war alles davon schlechter zu kompensieren. “Ist machbar.”, bestätigte ich dem Russen mit einer ebenfalls knappen Antwort, dass ein anderer Flughafen im Gegensatz zu Sabins Anteilnahme keinen Genickbruch verursachte. Mein Tonfall schwenkte dabei jedoch von angepisst zu nachdenklich, ich sprach etwas langsamer. Zerbrach mir schon jetzt den Kopf darüber, wie ich den Russen dennoch ansatzweise in dieser Sache kontrollieren konnte. “Ich kann mir also sicher damit sein, dass du Sabin nicht weiter unterstützt?”, hakte ich explizit nach, weil ich es wortwörtlich hören wollte. Tatsächlich richtig sicher war ich mir zwar seltenst mit auch nur Irgendwas und wahrscheinlich sollte es mir mehr zu denken geben, dass Iljah vorhin noch betont hatte, sich nicht in diese Fehde einmischen zu wollen – dass ich ihn mehr als fürstlich dafür entlohnen würde, es nun doch indirekt zu tun, sollte eigentlich ausreißen. Das musste es, bis ich einen Weg gefunden hatte, mir selbst Gewissheit darüber zu verschaffen. Mindestens stichprobenartig.
SAMUELE
Seit Hunters Machenschaften mir meinen Job und damit mindestens die Hälfte meines guten Lebensinhalts geraubt hatten, indem er gewisse Unterlagen verschwinden und gewisse Köpfe hatte rollen lassen, hangelte ich mich nur noch kraftlos von einem Tag zum nächsten. Irgendwie war dadurch absolut alles zusammen gefallen. Mein alltäglicher zeitlicher Rhythmus war gestorben und ich vermisste meine Kollegen, die zu guten Freunden geworden waren, sich aber alle nicht mehr so recht trauten, mit mir in Kontakt zu treten. Die Polizei hatte mich sehr ausgiebig unter die Lupe genommen, nachdem offensichtlich ich derjenige war, der die Frachten angeordnet hatte und bei Gott oder wem auch immer, ich war kurz davor gewesen Hunter einfach zu verpfeifen. Hätte ich nicht so verdammt großen Respekt davor, selbst ins Gefängnis zu wandern – und da drin dann genauso zugrunde zu gehen, wie Richard unter Agnolos Einfluss – und würde nicht so ein riesiger Rattenschwanz von weiteren Kriminellen am Arsch des Amerikaners hängen, hätte ich alles ausgepackt. Ihn in die Scheiße geritten bis zum geht nicht mehr, um ihn loszuwerden. Dann würde er auch Richard nicht länger dazu zwingen, Drogen für ihn zu kochen… das hatte zwar kurzfristig auf Eis gelegen, aber Hunter hatte scheinbar schnell einen neuen Weg für den Vertrieb gefunden und so ging alles einfach weiter wie vorher. Keiner konnte ihm was, alle deckten ihn brav und ich hatte kein Sterbenswort ausgepackt. Die Angst vor den Folgen eines Geständnisses waren größer als die Genugtuung, die ich damit bekommen hätte. Richard hing ja auch schon ewig in diesem Kreis fest, es hätte ihn sicherlich irgendwie mit erwischt… und das würde ich mir nie verzeihen. Seit dem Vorfall in Mexiko waren etwa zwei Monate vergangen und ich musste mir eingestehen, mental noch immer fast am selben Punkt zu stehen. Ich fand kein neues Stellenangebot, das mich ansatzweise reizte und ich konnte die Wohnung nicht ewig zahlen, ohne ein festes Einkommen zu haben. Natürlich ging das alles nicht an Richie vorbei, also hatte er mir vor ungefähr einem Monat angeboten, dass ich bei ihm einziehen konnte, wenn ich das wollte. Irina war ausgezogen und Cosma… naja, war noch da. Das war der einzige Punkt, der mich zögern ließ. Wir hatten uns nicht ausgesprochen, seit dem unschön verlaufenen Abend und sie machte weiterhin kein Geheimnis daraus, mich nicht leiden zu können. Doch die Zeit und das Geld drängten mich auf lange Sicht sowieso und ich fühlte mich in meinem dezent labilen Zustand nicht gut damit, weiter allein zu wohnen. Also hatte ich vor einer Woche die Wohnung in der Innenstadt hinter mir gelassen, mir eine Ablöse für meine zurückgelassenen Möbel in die Taschen stecken lassen, Bandit in seine Transportbox gepackt und mich mit meinen paar Kartons an Habseligkeiten auf den Weg zu Richards Bungalow gemacht. Gegen Abend, damit Cosma schon in ihrer Bar war, ich meine Sachen in entspannt verstauen und auch den Kater in Ruhe ankommen lassen konnte. Denn der erste Sturm ließ – wie schon befürchtet – nicht lange auf sich warten. Im Grunde fingen wir bei jeder verfluchten Kleinigkeit einen Streit an. Ich war ein harmoniebedürftiger Mensch, Cosma war egoistisch. Ich war ein sehr ordentlicher und strukturierter Mensch, sie hingegen abseits ihrer Bar eher weniger als mehr. Ich war so gar keine Nachteule, solange ich keinen Clubbesuch abhakte und sie verschlief den Vormittag eigentlich immer komplett. Ich hasste Hunter und sie hasste es, dass ich mit ihrem besten Freund zusammen war. Reibereien waren auf allen Ebenen vorprogrammiert. Ich kippte Bandit ein paar Minuten vor 12 Uhr in der Küche sein Mittagessen in den Napf, bevor ich ihn – versucht leise – auf dem Boden abstellte. Der schwarze Kater schlich nochmal um mein rechtes Bein und entlockte mir damit ein Lächeln. Nach einem kurzen Streichler über den Rücken des Vierbeiners richtete ich mich auf und beseitigte die leere Katzenfutterpackung. Schon als ich energische Schritte im Flur hören konnte, fielen mir die angehobenen Mundwinkel komplett aus dem Gesicht. Die lange rote Mähne tauchte leicht zerzaust im Türrahmen auf und der giftige Blick hätte mich fast mit den Augen rollen lassen. Stattdessen versuchte ich Ruhe zu bewahren, lehnte mich mit einem Seufzen an die Theke und drehte mich dabei in ihre Richtung. “Ich schwöre dir, ich hab’ wirklich versucht, leiser zu sein… noch leiser geht nicht.” Ich weigerte mich übrigens, meinen Schlafrhythmus an ihren anzupassen. Oder an den von Richard, der selbst regelmäßig nachts in der Drogenküche stand und mit Sabin das Crystal aufbereitete. Der Engländer ließ sich allerdings im Gegensatz zu dem rothaarigen Teufel auch nicht von mir aufwecken. Er war an mich und meine Abläufe gewöhnt, er und sein Schlafrhythmus störten sich nicht daran.
Ich stellte mir seit Neuestem immer häufiger die Frage, was ich eigentlich Schlimmes verbrochen hatte. Es schien nämlich, als wolle Gott - oder wer auch immer da oben letztlich das Sagen hatte - mir kein bisschen Glück gönnen. Seit der Sache mit Hunter waren Ruhe und weniger Albträume eigentlich alles, was ich mir wünschte. War das wirklich zu viel verlangt? Nun, offenbar schon, denn sonst hätte Samuele wohl kaum vor wenigen Tagen auf Richards Türschwelle gestanden, um mit seinem Hab und Gut, sowie seinem verkrüppelten Kater in den Bungalow einzuziehen, um mir das Leben zur Hölle zu machen. Zugegebenermaßen übertrieb ich in diesem Punkt ein wenig, aber es war einfach anstrengend. Ich hatte mich gerade erst bei Richie eingelebt, mir ein paar Routinen angeeignet und plötzlich kam der Italiener daher und trat meinen Fortschritt unwissentlich mit beiden Füßen. In der kurzen Zeit unseres gemeinsamen Zusammenlebens gerieten wir immer wieder wegen den verschiedensten Sachen aneinander und es raubte mir schlichtweg Energie, die ich anderswo sinnvoller hätte einsetzen können. Mit etwas Ein- und Rücksicht ließe sich das aufgezwungene WG-Leben sicherlich einfacher gestalten, aber machten wir uns nichts vor - das ging gegen meine Natur. Ich war einfach nicht für Harmonie geboren und scheute deshalb auch keine Auseinandersetzung, suchte zum Teil sogar Streit. Bereits wenige Tage nach dem Einzug des Italieners waren meine Nerven zum Zerreißen gespannt, das Fass stand kurz vor dem Überlaufen und nach der anstrengenden Schicht letzte Nacht brachte der Krach, der mich aus dem ohnehin schon unruhigen Schlaf riss, besagtes Fass endgültig zum Überlaufen. Ich erwartete nicht viel von Samuele, aber ein bisschen Rücksicht konnte er auf die arbeitenden Bewohner dieses Hauses doch wohl nehmen, oder? Schließlich schuftete sein ach so geliebter Richard auch überwiegend Nachts und wenn zwei Drittel den Tag über schliefen, hatte er sich ganz einfach ruhig zu verhalten. Sam schien das jedoch anders zu sehen und damit einen Streit provozieren zu wollen, den er nur zu gerne haben konnte. Die anfänglich nur schwachen Kopfschmerzen, welche ich heute früh aus der Bar mit nach Hause genommen hatte, hämmerten mittlerweile erbarmungslos gegen meine Schläfen und zwangen mich dazu, kurzzeitig in sitzender Position auf meinem Bett zu verharren. Ich grummelte leise ein paar französische Schimpfwörter vor mich hin, während ich in der verzweifelten Hoffnung, die Schmerzen damit etwas lindern zu können, meinen Nasenrücken mit den Fingern massierte. Brachte natürlich gar nichts und so schlug ich letztlich meine Beine über die Bettkante und setzte zum Aufstehen an. Durch das gesprosste Rollo fielen winzige Fetzen Licht in das anstoßen stockdunkle Zimmer und beleuchteten mir damit minimalistisch den Weg in Richtung Tür. Mit zusammengekniffen Augen trat ich wenig später Barfuß in den gleißend hellen Flur. Hier brauchte ich erst einmal einen Moment, gegen die Kopfschmerzen, welche durch die plötzlich sehr helle Umgebung noch ein Stück intensiver geworden waren, anzublinzeln, bevor ich wütend in Richtung der Lärmquelle marschierte. In der Küche angekommen, empfing mich Sam bereits mit einer schwachen Ausrede, die ich mit einem wegwerfenden Handbewegung abtat. "Kannst du das Vieh nicht draußen füttern?", fauchte ich ihn an und wischte mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus dem Vogelnest auf meinem Kopf gelöst und direkt vor meine Augen verirrt hatte. "Es kann doch nicht sein, dass wir jeden Tag über das selbe, leidige Thema streiten. Du weißt genau, dass Richard und ich nachts arbeiten müssen. Wie wäre es mal mit etwas Rücksicht darauf, dass wir dafür tagsüber schlafen? Du willst in der Nacht doch auch nicht geweckt werden.", fügte ich hörbar unzufrieden hinzu.
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