Es erleichterte mich schon ein bisschen, als Faye sich endlich neben mir niederließ. Auch nicht, um mich vom Bett und aus dem Zelt zu schubsen, sondern um mir Gesellschaft zu leisten. Ich atmete demnach einmal etwas tiefer durch, was das Schweigen nicht unbedingt viel angenehmer machte. Wir waren also beide schlaflose Seelen, die Nichts mit sich anzufangen wussten. Der jungen Frau sah man es vielleicht mehr an als mir, aber ich hatte das möglichst unauffällig wirken auch die letzten Jahre über ziemlich perfektioniert. Wenn man nicht ständig gefragt werden wollte, was denn los war, musste man sich früher oder später eine Maske überziehen, die die wahren Emotionen so gut wie möglich hinter Gittern hielt. Machte wohl fast jeder in der Army früher oder später.
Dem Arm? Dem ging es wohl den Umständen entsprechend gut. Wie es einem Körperteil halt so erging, wenn es mit einer Kugel gespielt hatte. Aber es tat nicht mehr weh, als es das früher getan hatte, demnach war was das anging wohl wirklich Alles in bester Ordnung. Die Schmerzmittel ließen den Schmerz nicht gänzlich verschwinden, aber sie dämmten ihn ganz gut ein. Der Arm war also ganz gewiss nicht das, was mich vom Schlaf abhielt. "Ganz gut, denke ich.. fühlt sich an wie sonst auch." stellte ich fest und seufzte anschließend kaum hörbar, bevor ich mir die Haare raufte. Es war ja nicht nur der Arm, der weh tat. Es war der ganze Rücken, der mir vorspielte, dass da wieder der ein oder andere große Splitter die Haut durchbohrt hatte. Dass ich dort verletzt war, obwohl das gar nicht möglich war. Ich hatte nicht in dem betroffenen Fahrzeug gesessen, war in unserem Wagen sicher der Explosion an sich entkommen. Die letzten Tage über war der Phantomschmerz eigentlich nicht da gewesen, weil er keinen Grund dafür gesehen hatte. Der Kopf war beschäftigt gewesen und es war keiner gestorben. Der eigentliche Knackpunkt war aber vermutlich eher die Mine gewesen, nicht der Einschuss am Arm, wobei der sicher die Paranoia weiter unterstützte.
Ich lehnte den Kopf wieder nach hinten, wobei ich ihn absichtlich etwas unsanft wieder an der Metallstange ankommen ließ. Es funktionierte meistens dem Pseudoschmerzen zu entkommen, wenn ich ihn durch einen anderen Schmerz ersetzte. Nur für wenige Sekunden, aber immerhin. Wenn wir hier schon bei meiner gesundheitlichen Verfassung waren... "Was weißt du über Phantomschmerzen? Irgendwelche Tipps?" fragte ich etwas erschöpft, ohne dabei gleich den Blick in ihre Richtung zu wenden. Ich war mir eigentlich sicher, dass sie mir Nichts mehr verraten konnte, das ich nicht auch schon von einem der zahlreichen Ärzte in meiner Vorgeschichte gehört hatte. Vielleicht lenkte es sie aber ein wenig von sich selbst ab, wenn ich das Thema weiter in meine Richtung lenkte. War nicht gerade schön die Brünette so niedergeschlagen zu sehen. Mein Blick wanderte dennoch wieder langsam zu ihr rüber, um etwaige Veränderungen ihrer Gesichtszüge erkennen zu können, jetzt wo ich die Frage gestellt hatte.



Uuuuh, da war aber jemand grummelig. Nicht, dass ich Aryana damit nicht voll verstehen konnte, eher im Gegenteil - immerhin hatte sie erneut Leute ihres Zuges verloren und trug dafür grundsätzlich immer einen großen Anteil Mitschuld. Nicht, weil es wirklich ihre Schuld war, sondern einfach nur, weil sie die Operationen anführte. Sie hätte absolut gar Nichs gegen das, was passiert war, tun können und dennoch schob man ihr eine Teilschuld zu. Von den Jungs ohne Rang hier sah das mit Sicherheit keiner wirklich so, denn die wussten ja selber alle nur zu gut, wie es hier ablief. Aryana konnte nicht hellsehen, wir hatten keine Chance, der Mine zu entgehen. Ich war mir aber fast sicher, dass demnächst noch eine Spezialeinheit anrücken und die restlichen Minen - die mit sehr, sehr großer Sicherheit irgendwo waren - entschärfen sollte. War zwar gefährlich, für diejenigen aber Routine, im Grunde sollte dabei also Nichts schief gehen. Es gab Mittel und Geräte, um Minen im Boden zielsicher aufzuspüren, der Rest war dann eigentlich nur noch Technik. Sehr gefährliche, die einem bei dem kleinsten Fehler um die Ohren flog, aber 'nur' Technik.
Meine Zigarette war schon fast zu Ende geraucht, als sie erneut das Wort ergriff und die eigentlich - für mich zumindest - angenehme Stille unterbrach. Diesen Gedanken konnte ich sogar durchaus nachvollziehen, ich hätte ebenso wenig dagegen, die Hügel da hinten etwas schrumpfen zu lassen - mitsamt ihrem sich ameisenartig verhaltenden Inhalt. Wie viele von denen sich da genau verschanzten konnte man nur schwer sagen, weil die Thermographen nur bis zu einer gewissen Tiefe funktionierten. Alles dahinter und darunter war reine Spekulation, was einen Angriff ziemlich unmöglich machte. So ungern die Amerikaner sich das meistens auch eingestanden - der IS war nicht wirklich schlechter als wir ausgerüstet. Wenn du genug Geld hattest, bekamst du auf dem Schwarzmarkt so ziemlich Alles. "Hätte ich Nichts gegen einzuwenden, meinen Segen hast du." erwiderte ich karg, kurz bevor ich der Zigarette einen letzten Zug abnahm und sie dann an der Metallbrüstung ausdrückte. Ich war nicht der Einzige, der hier oben ab und an eine Zigarette genoss, weshalb auf einem Metallkasten in einer Ecke ein kleiner Aschenbecher stand. Ich war aber der Einzige, der den ab und zu tatsächlich auch ausleerte. Voll war er fast immer.

Hach ja, das gute alte Morphin. Leider keine Dauerlösung und ob ich jetzt einen Tag mehr oder einen weniger mit dem Schmerz leben musste, das machte den Kohl auch nicht mehr fett. Kühlen war selten wirkungsvoll und wenn, dann eben auch nur für eine Stunde oder gar weniger. Ich hielt es schon zu lange mit den Symptomen meines Traumas aus, um solchen Versuchen noch eine Chance zu geben. Wenn schon die Langzeit-Schmerztherapie Nichts gebracht hatte, wie sollte Sowas dann noch Wirkung zeigen? Die Konfrontation damit hier an der Front schien wohl wirklich der letzte Ausweg zu sein. Entweder richtete es mich zu Grunde oder fing an, wieder damit leben zu können. Die Chancen für Letzteres standen nicht mal besonders gut, aber es schien mir wirklich der letzte Ausweg zu sein. Ich hatte nicht erwartet, dass Faye mir jetzt irgendeine Wunderwaffe ans Herz legen würde, aber dass sie so gar keinen Rat wusste - was teilweise sicher ihrem Zustand zuzuschreiben war - verdeutlichte mir nur noch einmal mehr, dass ich damit auf Teufel komm raus alleine zurecht kommen musste. Die Frage wie lange noch konnte ich mir aber genauso wenig beantworten wie die fachsimpelnden Ärzte, denen ich in den letzten Jahren mein Gehör geschenkt hatte.
"Nettes Angebot.. ich befürchte aber, dass die Wirkung nicht wirklich ausreichend wär. Auch davon abgesehen, dass du 'ne ziemlich große Fläche zu bedienen hättest, betrifft sämtliche Narben." gab ich der jungen Frau eine Antwort auf die halb zur Frage formulierte Aussage. Ich rang mir dabei ein schwaches, schiefes Lächeln ab, das aber wohl eher nur schlecht als recht aussah. Mir war einfach nicht nach Lachen zu Mute, so gar nicht. Selbst jetzt, wo ich einfach nur da saß und mich kaum regte, fühlte es sich so an, als würden sich die Splitter wieder in meinen Rücken bohren. Wenns möglich wäre, dann hätte ich vermutlich schon meine Seele gegen ein schmerzfreies Leben eingetauscht. "Ist okay, hab mich dran gewöhnt." Nein, hatte ich nicht. Würde ich auch nie. "Aber 'nen Versuch war's wert." redete ich fast mehr mit mir selbst, einfach so vor mich hin und schloss dann für einen Moment lang die Augen. Die Schmerzen trieben mich in den Wahnsinn, weshalb ich mit dem rechten Bein zu wippen begann. Ein unbewusster, verzweifelter Versuch der Ablenkung.




Was die Köpfe dieser ganzen Veranstaltung hier anging waren wir uns wohl auch ein bisschen einig. Es taugten nicht viele davon und wenn doch, dann waren es die, die nicht wirklich ein richtiges Mitspracherecht besaßen. Auf dem Papier vielleicht schon, aber es war wohl kein Geheimnis, dass es viele festgefahrene Gedankenzüge wichtigerer Teilnehmer gab, die zwar Nichts brachten, sich aber dank der angeblichen Erfahrungswerte dennoch durchsetzten. So wie heute eben, war ein absolutes Paradebeispiel für wenig Ambition und zu vielen alten Knackern in den oberen Positionen. Die mochten ja früher vielleicht mal Kriege erfolgreich beendet oder dabei mitgewirkt haben, aber nur Erfahrung zu haben reichte nunmal einfach nicht aus. Man musste auch fähig sein sich Situationen anzupassen und mit der Zeit gehen - Strategien, die früher erste Sahne funktioniert haben mochten, waren jetzt alleine schon wegen neuer Techniken auf beiden Seiten vollkommen irrational. Die ganze neue Technik machte es leider immer schwerer überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen.
Es ließ mich fast kurz auflachen, dass Aryana doch tatsächlich nach meiner Meinung fragte. Das ich das irgendwann erleben durfte... puh, das haute mich ja fast gleich aus den Socken. Nein, also Spaß bei Seite. Ich wusste, dass es einfach extrem unangebracht war, weshalb ich das Lachen hinter verschlossenen Türen ließ. Ein nicht unauffälliges Grinsen schlich sich aber doch auf meine Lippen, wollte auch nach netter Bitte nicht Zuhause bleiben. "Also als erstes schieben wir mal die ganzen alten Säcke von ihren Stühlen." erwiderte ich erstmal etwas ziemlich Unmögliches, wobei wohl auch die Ironie in meinem Tonfall recht klar machen dürfte, dass mir bewusst war, wie unmöglich das für uns war. Für die Brünette vielleicht ein bisschen weniger unmöglich als für mich, aber die Chance, dass das jemals passieren würde, war trotzdem ziemlich genau auf Null. "Dass noch mehr Leute draufgehen kannst du jetzt glaube ich nicht mehr verhindern, dafür schauen wir schon viel zu lang einfach nur zu, Aryana." erwiderte ich dann ernster als zuvor, wobei mein Blick noch einmal in Richtung der kleineren Berge wanderte. Das war leider eine Tatsache, die wohl so ziemlich Jedem hier bewusst war. Es gab keine Möglichkeit alle Soldaten, die an diesem Krieg beteiligt waren, noch sicher nach Hause zu bringen. Die Lage spitzte sich immer weiter zu und schien zunehmend aussichtsloser. Sie konnte zwar wohl Alles in ihrer Macht stehende tun, um so wenige wie möglich über die Himmelsbrücke zu schicken, aber ich wagte stark zu bezweifeln, dass der Krieg ohne weitere Opfer zu gewinnen war. "Die Schlange muss den Kopf verlieren, wenn du verstehst, was ich meine." setzte ich dann noch in die Ferne sehend wieder an, bevor ich meinen Kopf zurück in ihre Richtung drehte. Meine Hände hatte ich mittlerweile in den Hosentaschen verstaut. "Der Kopf der ganzen Sache muss rollen. An den kommst du aber im Leben nicht ran, wenn du dir keine Infos beschaffst. Wir wissen ja bis dato nicht mal, wo sich das Arschloch überhaupt aufhält. Er könnte ebenso die paar Meter weiter auf dem Hügel sitzen und uns auslachen, wie er auf einer Insel im Nirgendwo sitzen und Urlaub machen könnte. Ohne Input lässt sich das Ganze hier wohl kaum wieder in die andere Richtung kippen... Wir besorgen uns also entweder Leute, die reden" Ob mit oder ohne Folter sei jetzt mal dahingestellt, das hing dann wohl von der oder den Geiseln in Person ab. "oder wir schleusen ein, zwei Leute ein, die entsprechend ausgebildet sind." beendete ich meinen Gedankengang, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Es war fraglich, ob eingeschleuste Soldaten die Geschichte überleben würden. Mit Kommunikation nach außen unentdeckt zu bleiben war in Tagen wie diesen - wie ich ja selber ganz gut beurteilen konnte, ups - eine ernstzunehmend schwierige Aufgabe. Die Gegner rauszulocken war aber auch nie ohne. Ein Risiko auf Tote bei einer der Aktionen blieb also bestehen, aber ich persönlich sah nicht viel mehr Möglichkeiten als eben diese. Wie gesagt, die Lage war beschissen und wir tappten dummerweise ziemlich im Dunkeln.

Oh Shit. Ich hatte jetzt wirklich nicht etwas Derartiges lostreten wollen. Das war sogar eines der letzten Dinge, die mir jetzt in den Sinn gekommen wären. Ich hatte ehrlich nicht gewollt, dass sich Faye jetzt deswegen noch weiter selbst fertig machte, hatte diese Option nicht im Hinterkopf gehabt. Zumal es echt absolut Nichts gab, wofür sie sich hätte entschuldigen müssen. Sie konnte weder Etwas für die Dinge, die ich gesehen und erlebt hatte, noch dafür, dass es für Phantomschmerzen nicht wirklich eine Allzweckwaffe gab. Noch dazu war der Ursprung dafür ihr ja auch vollkommen unbekannt, die junge Frau konnte also gleich doppelt nicht wissen, was mir helfen würde und was nicht. Selbst dann nicht, wenn sie davon richtig Ahnung gehabt hätte. Gott, ich war doch bescheuert gewesen das überhaupt zu fragen. Jetzt fing sie hier wegen meinem nicht mitdenken auch noch an zu weinen. Also nicht richtig, aber sie war wirklich drauf und dran einfach loszuheulen. Ihre Augen wurden immer glasiger, während mein eigener Blick nach und nach in leichte Verzweiflung überschwappte. Es war jetzt nicht so, dass ich noch nie eine weinende Frau hatte beruhigen müssen, aber es war doch jedes Mal eine kleine Herausforderung die richtigen Knöpfe zu drücken und auch noch vorher zu finden.
"Hey, Faye.." setzte ich mit den ersten beruhigenden Worten an und richtete mich etwas mehr auf, bevor ich nach ihrer Hand griff und sie sachte von meinem Oberarm nahm. Loslassen tat ich sie danach aber nicht, sondern strich ihr leicht über den Handrücken. Das war auch so eine Sache, die ich inzwischen fast automatisch machte. Langjährige Beziehungen hinterließen wohl einfach ihre Spuren. Meine Augen fokussierten die ihren, als ich weitersprach. "Es gibt Nichts, wofür du dich entschuldigen musst. Du kannst mir nicht helfen, nicht mal theoretisch.. das war eine bescheuerte Frage von mir." versuchte ich sie mit ruhiger Stimme irgendwie langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, damit die junge Frau sich nicht unnötig weiter selbst fertig machte. "Die Ursache dafür sitzt in meinem Kopf" Ich verdeutlichte meine Aussage mit einem kurzen Blick nach oben. "und daran lässt sich Nichts ändern. Rein medizinisch gesehen gibt es Nichts, was du tun könntest, ehrlich nicht." unterstrich ich die Tatsachen noch einmal, dass Faye die geschehenen Dinge nicht einfach so auslöschen konnte. Sofern sie keine Zeitreisen erfand, versteht sich. "Genauso wie du bei den Anderen Nichts hättest anders machen können. Ich hab' das selber durch, bei mir haben die Splitter nicht mal genauso tief gesessen und ich hätte trotzdem fast den Löffel abgegeben." redete ich einfach so weiter, weil ich keine Stille Einklang finden lassen wollte. Gar nicht wirklich bemerkend, dass ich dabei einen Ansatz meiner Vorgeschichte preisgab. Gut, dass es nicht nur die Splitter gewesen waren, sondern auch noch die eine oder andere Kugel, das musste ich jetzt ja nicht auf den Tisch legen. "Wenn du anfängst, dir für Dinge die Schuld zu geben, für die du Nichts kannst, überlebst du das hier nicht. Fang' bitte gar nicht erst damit an. Und wenn du weinen musst, dann wein' - lass es lieber raus, als es in dich reinzufressen." Es war eine ernst gemeinte Bitte. Sie war eine der wenigen Leute hier, die noch keinen an der Klatsche hatten. Faye hatte heute schlimme Dinge gesehen und erlebt. Die junge Frau würde wie jeder Andere hier Zeit zum verarbeiten und realisieren der Dinge brauchen, aber die musste sie sich selbst erst einmal gewähren.



Wohl wahr. Die Schrumpelköpfe waren nur schwer von ihren Posten zu vertreiben. Wenn also nicht zufällig einer mit rausfuhr und ausgerechnet auch dann tödlich verletzt wurde, waren die Aussichten dahingehend weiterhin schlecht. Das wussten wir beide. Ebenso wie wir wussten, dass aber auch ganz genau das einer der Knackpunkte war, der ausschlaggebend war. Ich hatte ja nicht prinzipiell was gegen ältere, erfahrene Leute auf den höheren Ämtern. Aber ich hatte ganz gewaltig Etwas gegen uneinsichtige, dumme Sturköpfe, die sich um Nichts in der Welt in ihrer Meinung verbessern ließen und deshalb ständig Mist bauten. Es gab sicher auch erfahrene ältere Soldaten, die sich vollkommen zurecht und auch erfolgreich in ihrem Amt bewiesen - nur scheinbar nicht hier, was es gleich doppelt ärgerlich machte. Immerhin stand dieser Posten hier gefährlich nah am Hauptgeschehen, war die imaginäre Grenze zwischen den Fronten doch nicht weit entfernt.
Die Vorstellung, wie Aryana 'die Seiten wechselte' war zugegeben ein kleines bisschen witzig. Ich wusste selbst, wie makaber mein Humor meistens war, aber ich musste doch wieder ein kleines bisschen grinsen, obwohl die Tatsache eigentlich absolut nicht zum Lachen war. Ich räusperte mich leicht, um die Wundwinkel wieder nach unten zu kriegen. Unnötig provozieren sollte ich sie in nächster Zeit vermutlich besser nicht. "Es gibt immer Mittel und Wege, Leute zum Reden zu kriegen. Wenn es kein Geld ist, dann ist es Gewalt. Inwiefern das dann ins Unmenschliche geht sei mal dahingestellt, aber die Wege sind da." sagte ich schulterzuckend. Mir persönlich war es um ehrlich zu sein auch scheißegal, wie sehr jemand leiden musste, um ihn zum reden zu kriegen. Das machten die da drüben nämlich auch nicht anders, wenn sie einen von uns lebend erwischten. Kam nicht oft vor, aber Soldaten aus den eigenen Reihen lebendig wieder zurück zu holen war schier unmöglich. Man konnte mich als kalt und herzlos beschreiben, mir war die Meinung Anderer bekanntermaßen völlig gleich.
"Dann lass mir Nachhilfe geben und ich geh selbst. Lieber geh' ich beim Versuch drauf, als weiter bei dieser Scheiße zuzuschauen. Mir reicht's echt." erwiderte ich trocken, weil es schlicht der Wahrheit entsprach. Ich hatte keine Angst vor dem Tod. Mal davon abgesehen, dass sie mich auch gar nicht töten würden - zumindest erstmal nicht -, aber das konnte ich der Madame hier ja schlecht verklickern. Ebenso wenig, wie ich ihr sagen konnte, dass mir die Kommunikation übers Radar hinweg auch nicht schwer fiel. Deswegen erwähnte ich auch bewusst die 'Nachhilfe'. Ohne spezielle Ausbildung durfte ich das Ganze sowieso nicht Mal theoretisch machen und auch dafür würden wieder ein paar Wochen ins Land ziehen. Aber lieber nur noch ein paar Wochen als zig weitere Jahre.

Das Leid war tatsächlich Etwas, mit dem ich mich ganz einfach abgefunden hatte. Ich konnte bis dato Nichts daran ändern und vielleicht würde ich auch nie gänzlich davon loskommen. Die Psychologen waren sich allesamt ziemlich einig gewesen, dass sie selbst keinen Ausweg mehr wussten, vorschlagen konnten. Ich hätte nicht einmal mehr sagen können, was es Alles gewesen war, aber ich hatte unzählige Versuche mit zig verschiedenen Therapien gestartet und glaubte auch ganz einfach nicht mehr daran, dass mir etwas Derartiges Abhilfe verschaffen konnte. Entweder ich lernte damit umzugehen oder es würde sich von selbst irgendwann eine Lösung bilden. Denn für Selbstmord war ich schlichtweg zu feige. Bis jetzt zumindest. War nicht so, als hätte ich da nicht in den schlimmsten Phasen schon drüber nachgedacht, den Gedanken aber bald wieder verworfen. Ich liebte meine Familie viel zu sehr, um ihnen das anzutun. Wobei ich schwer einschätzen konnte, was für sie schlimmer war. Mich jahrelang leiden zu sehen? Oder einmal den Schmerz und die Trauer des Todes verarbeiten zu müssen? Keine Ahnung, war aber auch irrelevant. Stand nicht mehr zur Debatte.
Dass Faye dann nach der Ursache für das Alles forschen wollte, hatte ich vorher nicht wirklich in Betracht gezogen und ich zögerte auch noch einige Sekunden. Ich war mir sicher, dass die junge Frau die Geschichte nicht nehmen und direkt morgen überall anprangern würde. Ich mochte sie noch nicht ewig lang kennen, aber ich konnte gut beurteilen, wie es um ihren Charakter stand. Bisher hatte ich an Letzterem noch keine Fehler finden können und hatte keinen Grund zur Annahme, dass sie mir gerne in den Rücken fallen würde. Auch, wenn es in der Vergangenheit - außerhalb der Army - durchaus Freundschaften gegeben hatte, die aus genau solch illoyalen Gründen gescheitert waren, wäre das zwischen uns beiden sehr sicher nicht der Fall. "Naja.." setzte ich mit dem ersten Wort an und sah sie dann aber ganz bewusst nicht mehr an, wendete den Blick nach unten auf unsere Hände ab. Sie war gerade hochemotional und ich ließ mich ungern davon mitreißen, wenn ich jetzt auch noch über die Ursache des Traumas redete. Einer der heulte war eindeutig genug. "..ich war mit meinem Trupp schon lange da stationiert, aber die Lage wurde immer schlimmer und wir mussten irgendwie handeln. Also sind wir innerhalb der Stadt weiter vor gerückt. Wir sind gut voran gekommen, was den Anderen eher weniger passte. Als es ihnen gereicht hat, haben sie angefangen Bomben abzuwerfen." Ich hielt inne, atmete einmal etwas tiefer durch. Ich würde wahrscheinlich nie vergessen, was für eine Angst es mir eingejagt hatte, als ich das Bombenflugzeug das erste Mal über unsere Köpfe fliegen hörte und eben genau diese Angst schlich sich gerade wieder in meine Adern. Darüber zu reden war mindestens genauso schlimm wie die ständigen Flashbacks. Es tat weh, ließ Angst und auch Adrenalin in die Höhe schießen. Es versetzte mich jedes Mal in genau diese Situation zurück. "Ich glaube es hat nicht mal fünf Minuten gedauert, bis in unmittelbarer Nähe eine eingeschlagen ist." Wieder eine kurze Pause. Ich brauchte das, um nicht wieder komplett am Rad zu drehen. Unbewusst fing ich an, mit Fayes Fingern zu spielen. Ein verzweifelter Versuch meines Unterbewusstseins, mich vor einem Nervenzusammenbruch zu bewahren. "Wir sind Alle zu Boden gegangen und nur Wenige hatten das Glück, gleich zu sterben... Ich werd' nie vergessen, wie sie minutenlang geschrien haben... Hätte ich nicht das Glück gehabt mit dem Rücken zum Einschlag gestanden zu haben, wär es mir nicht anders gegangen. Meine gebrochenen Rippen haben die meisten großen Splitter abgefangen und der Helm hat dafür gesorgt, dass meinem Kopf nichts passiert ist." Ich wünschte wirklich, dass er es nicht getan hätte. "Als die gegnerischen Soldaten uns dann passiert haben, waren die meisten schon.. tot. Einer hatte Spaß daran, mich anzugrinsen, mir dabei noch eine Kugel ins Bein und eine auf Hüfthöhe zu verpassen. Danach weiß ich nur noch, dass ich mir völlig unter Adrenalin stehend irgendwie einen halbwegs funktionierenden Druckverband am Bein angelegt habe, der mir vermutlich auch den Tod erspart hat. Ich hab keine Ahnung, wann der Sanitäter mich dann vom Boden gekratzt hat, da war ich längst ohnmächtig." beendete ich die grobe Kurzfassung von dem, was mir widerfahren war. Ich hatte weder Lust, noch die Nerven dazu, weitere Details auszuspucken. Aber ich würde niemals das selbstgefällige Grinsen von dem Typen mit der Pistole vergessen, der eigentlich hatte sicher gehen wollen, dass ich leidend verblutete, bevor mir jemand helfen konnte. Es war auch absolut nicht relevant für mich, wann und wo genau das Alles passiert war und ich wollte es auch schlichtweg nicht aussprechen. So oder so würde ich es niemals vergessen. Man hätte mir die Gedanken ebenso gut ins Hirn tätowieren können, denn genau so fühlte sich das an. Die verräterischen Tränen bahnten sich langsam ihren Weg, weshalb ich die Augen für einen Moment lang zukniff und schwer schluckte, weil sich ein Kloß in meinem Hals bildete. "Sie sind alle gestorben, Faye. Dreizehn. Jeder einzelne. Und um ehrlich zu sein ist es für mich alles Andere als Glück, dass ich das überlebt habe." gestand ich offen, dass ich ganz einfach lieber gestorben wäre, als mit der Schuld leben zu müssen. Obwohl ich Nichts dafür konnte und das auch wusste, gab ich sie mir immer wieder. Hätte ich an auch nur irgendeinem anderen Punkt eine andere Abzweigung genommen, hätte vielleicht ein oder zwei mehr von den gegnerischen Soldaten erwischt... Vielleicht den mit dem Funkgerät, der den Flieger kontaktiert hatte. Ich hatte ihn damals nicht einmal gesehen und er stand auch bestimmt in sicherer Entfernung abseits des direkten Geschehens, aber ich wünschte mir so sehr, dass ich ihn einfach erschossen hätte. Ihn und das Funkgerät gleich mit, damit sonst keiner auf dumme Gedanken kommen konnte. Aber nein, stattdessen saß ich jetzt auch fast heulend hier rum, wohl nur noch ein Schatten von dem einst so starken, furchtlosen Soldaten von früher. Die eine Träne, die an meiner rechten Wange runterlief, ignorierte ich geflissentlich, wollte sie gar nicht wahrhaben. "Deswegen musst du mir versprechen, dass du wenigstens versuchst, dir nicht die Schuld für Sowas zu geben. Ich will nicht, dass ein Mensch wie du so endet wie ich. Das ist das Letzte, was du verdient hast." beendete ich mein Gefasel mit noch ein paar weiteren Worten, bevor ich den Kopf wieder in den Nacken legte - ja, wieder mitsamt dem unsanften Anschlag an der Stange - und einfach nach oben an die Zeltdecke starrte. Zwischendurch blinzelte ich ein oder zwei Mal, um den Rest der Tränen innerlich loszuwerden. Dem Schlaf dankte ich gedanklich für heute endgültig ab.



War vermutlich auch besser. Sich mit den angeblich nicht existenten Foltermethoden der Amerikaner auseinander zu setzen war nämlich alles Andere als witzig. Es war ab einem gewissen Punkt vollkommen egal, wie sehr das Ganze eigentlich verboten war und dieser Punkt wurde oft erreicht. Die Dunkelziffer, die mit Geldbestechung ganz gekonnt vor der Öffentlichkeit verborgen wurde, war hoch. Ich hatte sowas selbst schon miterleben müssen. Zwar hatte ich es nicht gesehen - und vermutlich wollte ich das auch lieber nicht -, aber die Geräusche aus dem Raum, dessen Tür ich hatte bewachen sollen, waren deutlich genug für ausreichend Kopfkino gewesen. So nüchtern ich auch gerade darüber redete, Revue passieren ließ ich die Erinnerungen daran nur ungern. Da ging es um die Geräusche von brechenden Knochen, Schüssen, Messerstichen und natürlich Schreie. Sehr schrille, angst- und schmerzerfüllte Schreie. Stundenlang. Dann noch die Kommentare und Androhungen des Folterers, damit man auch ja genau nachvollziehen konnte, was gerade passierte. Es war ekelhaft und für eine hochentwickelte Spezies wie den Menschen auch einfach nur herabwürdigend. Aber mit steigendem Druck vergaß man gerne mal die ach so schöne Zivilisation, die in etlichen Kilometern fern des Krieges lag. Der Krieg an sich war eine andere Welt. Wenn es eine Hölle gab, dann diese.
Auf Aryanas Worte hin zuckte ich nur mit den Schultern. "Ja, ist mir bewusst. Aber ich hab Zuhause Niemanden, der auf mich wartet. Lieber ich, als noch unzählige weitere Familienväter und Söhne. Du solltest dir also, selbst wenn es nur der letzte Ausweg sein soll, mindestens genauso Gedanken drüber machen wie ich." warf ich mit recht ruhiger, aber kühler Stimme ein. Ich musste abwägen, ob die Millionen auf meinem Konto umsonst gewesen sein sollten, ob ich wieder einmal Alles in meiner Wut über den Haufen warf. Denn das tat ich oft. Ich ließ es selten ans Tageslicht, aber ich war ein durch und durch zynischer Mensch, der in seiner eigenen Wut gerne mal durchdrehte. Aggressionstherapie hin oder her, loswerden würde ich das nie vollständig. Ich neigte zu Manie in Form von Wutausbrüchen. Wie das halt so war mit der Wut tat man dann oft unüberlegte und dumme Dinge. Ich müsste lügen, um zu sagen, dass meine Informationsabgabe an das gegnerische Lager nicht auch aus einer solchen entstanden war. Es gab Tage, an denen ich es bereute und dann wieder Tage, an denen ich es für goldrichtig hielt, weil ich Amerikaner einfach hasste. Ich hasste sie. Die in den Kriegszelten am meisten - mich eingeschlossen. Und ja, ich hatte der Brünetten ein nicht irrelevantes Detail über mich erzählt, aber es war mir in diesem Moment egal. Vielleicht würde ich das Erwähnen der nicht vorhandenen Verwandtschaft morgen oder in einer Woche bereuen, aber gerade war es mir schlicht egal. "Ich meine, ich will dir jetzt nicht wörtlich sagen, dass du Jemanden in den Tod schicken sollst... aber behalt's für den Notfall im Hinterkopf." Mit diesen Worten drehte sich mein Kopf wieder in Richtung des von Hügeln geprägten Horizonts.

Viele? Für mich waren es Alle gewesen. Wir waren nicht die einzige Einheit, die am Ort des Geschehens unterwegs gewesen ist und es kamen auch noch andere Soldaten lebend aus der Sache raus. Nicht viele, aber ein paar. Eine genaue Zahl hätte ich diesbezüglich aber gar nicht sagen können, weil es für mich weder früher, noch heute eine Rolle spielte. Alle diejenigen, die ich als meine Brüder bezeichnet hatte, waren tot. Über Jahre hinweg wurden wir zu einer perfekt zusammenspielenden Einheit geformt. Wir wurden Freunde. Wir wurden Familie. Wir wurden Eins. Man hatte einen großen Teil meiner Familie einfach kalt gemacht ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich war Faye nicht böse, dass sie mich daran erinnerte, denn das tat ich sowieso jeden Tag. Mal schaffte ich es mehr zu verdrängen, mal war es den ganzen Tag über präsent - aber da waren die Gedanken an sich immer. "Nicht viele... Alle." korrigierte ich sie mit dünner Stimme, kaum hörbar. Mein Kopf fing an zu dröhnen, war einfach angestrengt davon, die Tränen zurückhalten zu müssen. Aber ich wollte mich nicht noch verletzlicher - falls das jetzt überhaupt noch ging - darstellen, als ich es ohnehin schon war, auch wenn ich seitens der Brünetten wohl kaum verbale Angriffe fürchten musste. Es war einfach ein tief verankerter Urinstinkt.
Dass die junge Frau mir die Träne wegwischte, nahm ich eher nur unterbewusst wahr. Zu laut waren die Gedanken und Bilder in meinem Kopf, als das ich dem größere Beachtung hätte schenken können. Auch das leichte Anlehnen an meiner Schulter war eher nur nebensächlich und bekam wenig meiner Aufmerksamkeit. Erst dann, als sich Fayes Arm zögerlich um meinen Oberkörper legte, erlangte sie damit einen Teil meiner Aufmerksamkeit zurück und ich sah auf ihre Hand runter. Es war komisch. So richtig, richtig merkwürdig und im ersten Moment war ich kurz davor, automatisch auf Distanz zu gehen und wegzurücken. Seit der Trennung meiner ehemals Verlobten hatte ich keine Frau auch nur einen Meter zu nah an mich ran gelassen. Nicht, weil ich die Nähe nicht brauchte - sie könnte womöglich sogar helfen, was ich aber nicht wissen konnte -, sondern weil sie verflucht gefährlich war. Nicht nur für mich selbst, weil ich Gefahr lief bei einer Abfuhr wieder zig Kilometer in meinem Trauma zurückgeworfen zu werden und so gar nicht mehr mit meinem Leben klar zu kommen. Nein, auch für mein Gegenüber und gerade eigentlich hier in der Army, auf einem gefährlichen Auslandseinsatz mit großem Potenzial, einander wieder entrissen zu werden - oder von mir mit in den Abgrund gezogen zu werden, was vermutlich sogar noch wahrscheinlicher als Ersteres war. Trotzdem ließ ich sie gewähren. Wider besseren Wissens ließ ich Faye noch mehr Nähe zu mir aufbauen, als sie bis dato ohnehin schon erreicht hatte. Ich richtete mich etwas mehr auf und dachte nicht weiter darüber nach, als ich meinen noch freien Arm um ihre Taille legte, sie damit unweigerlich noch etwas näher ranholte. Ich schluckte erneut, aber der Kloß im Hals wollte sich nicht vertreiben lassen. "Es ist okay... ehrlich. Sonst hätte ich's dir nicht erzählt." versuchte ich ihr mit noch immer recht brüchiger Stimme klar zu machen, dass ich ihr die Frage nicht krumm nahm. Ich konnte es Niemandem verübeln, wenn er wissen wollte, warum ich so einen an der Klatsche hatte - eine Antwort bekam aber trotzdem nicht jeder. Außerdem war es vielleicht auch ganz gut, wenn ich den Gefühlen heute ausnahmsweise mal mehr Luft zum Atmen gab. Ich sollte mich nicht erdreisten, die junge Frau hier bei mir um Dinge zu bitten, an die ich mich selbst nicht hielt. Ab und zu musste das Ganze einfach mal... raus.
"Und jetzt hör auf zu weinen, hm?... das ist sonst eigentlich eher mein Part." versuchte ich verzweifelt, die Situation wieder ein kleines bisschen aufzulockern. Ich löste meine Finger von ihren, um ihr die geröteten Wangen so gut wie trocken zu streichen und suchte das erste Mal nach der Geschichte wieder bewusst nach Blickkontakt, wenn auch mit noch immer leicht glasigen Augen und rang nach einem schwachen Lächeln. Gefühlen ihren Raum zu lassen war wichtig, sich aber vollkommen in die Trauer zu stürzen auch nicht der optimale Weg.



Dass sie sich dabei so sicher war, wunderte mich ehrlich gesagt schon ein wenig. Aryana war sonst ja eher an Fakten interessiert und gebunden. Wie konnte sie also der festen Annahme sein, dass gar keine Chance bestand, dass ihre Schwester hier das Zeitliche segnen würde? Ich glaubte zu wissen, dass sie sich das einfach nur gerne einredete, weil sie die Wahrheit nicht sehen wollte. Ihre Schwester war sehr oft mit draußen außerhalb der Mauern unterwegs und hatte im Vergleich zu sämtlichen anderen Leuten hier auch noch einen Erfahrungswert im Gefecht, der fast auf dem Nullpunkt stand. Sicher, sie mochte wie jeder Andere hier auch eine ausführliche Ausbildung vor ihrem Einzug erlebt haben, sonst wäre sie ja nicht hier. Aber man konnte das trockene Training, so realistisch die Armee das in den Vereinigten Staaten auch nachzuahmen versuchte, absolut nicht mit der Realität vergleichen. Es war ein Unterschied, ob man von einer Pseudo-Kugel getroffen wurde - die zwar auch gut weh tat und gerne blaue Flecken auslöste, aber mehr halt auch nicht -, oder ob sich einem wirklich eine ins Fleisch bohrte. Das volle Ausmaß an Schmerzen bemerkte man zwar dennoch meist erst dann, wenn das Adrenalin wieder langsam ausgeschwemmt wurde, aber ich würde nie vergessen, wie mich die erste echte Kugel getroffen hatte. Viel mehr waren es seitdem zum Glück auch nicht geworden. Ein zweiter Einschuss und ein Streifschuss, mehr hatte ich nie davontragen müssen. Durch Schnittwunden entstandene Narben zählte ich da nicht mit, genauso wie Prellungen, Stauchungen und Anderweitiges in dieser Richtung. Es waren inzwischen sage und schreibe schon 6 Jahre, die ich dem Militär gewidmet hatte, fünf davon im Ausland. Wenn ich drüber nachdachte, wie wenig Amerika innerhalb dieser Zeitspanne in Kriegen hatte ausrichten können, könnte mir fast das Abendessen wieder hochkommen. Aber um aufs eigentliche Thema zurückzukommen: Faye könnte hier ebenso wie jeder andere 0815-Soldat fast täglich mit etwas Pech draufgehen, egal wie viel Mühe sie sich gab, das zu vermeiden. Eine Mine wie die heutige fragte nunmal leider nicht vorher, ob sie explodieren durfte oder nicht. Aryanas hin und wieder ziemlich mütterliches Getue um ihre Schwester unterstrich sehr gut, dass sie solche Möglichkeiten schlicht gar nicht erst in Betracht ziehen wollte.
"Na dann sind wir mal Alle froh drum, dass ich das Angebot jetzt gemacht habe und nicht erst später.. oder so." erwiderte ich recht ironisch, ohne einen meiner vorherigen Gedanken auszusprechen. Wie schon erwähnt hatte ich heute Abend nicht mehr vor Cooper in irgendeiner Hinsicht unnötig zu provozieren, weil mir das nach diesem Tag viel zu anstrengend wäre. Ich war der Meinung, dass es mir mit diesem Thema jetzt auch eigentlich reichte. Viel mehr gab es meinerseits dazu nicht mehr zu sagen. "Die Trauerfeier wird vermutlich wieder gegen Neun sein, oder?" hakte ich nach. Es war meistens so, dass die Abschiednahme nur irgendwo zwischen Frühstück und Mittagessen eingeschoben wurde. Nachdem die ersten To-Do-Punkte des Tages bereits abgeschlossen waren, wie die Sportrunde, um nur mal ein Beispiel zu nennen.

[es ist so witzig, dass meine Autokorrektur den Namen Faye nicht unterstreicht, aber Aryanas' schon x'DD aber gut, Kenan und Kyle kennt sie auch nicht.. Mitchell ebenso wenig *facepalm* ]

Diese Fragen seitens Faye kam - wohl so wie auch der Rest dieser nicht geplante Gefühlsexplosion hier im Zelt - recht unerwartet und ich konnte darauf aber ziemlich schnell mit einem klaren Nein antworten. Natürlich waren die Gerüchte darüber auch vor mir nicht verborgen geblieben. Wenn es eins in Camps mit in ihrer Freizeit gelangweilten Soldaten gab, dann war es dummes Gerede und Gerüchte was das Zeug hielt. Ich wollte vermutlich auch gar nicht wissen, ob nicht irgendwer schon darüber philosophierte, ob zwischen der jungen Frau und mir Irgendwas lief, aber unwahrscheinlich war es nicht. Ich war auch von zweien meiner Zeltkollegen abends nach einem Besuch bei der Schwester des Sergeants gefragt worden, was ich denn schon wieder getrieben hatte, begleitet von wackelnden Augenbrauen. Wie sehr sie mir abgekauft hatten, dass wir nur Freunde waren, sei mal dahingestellt. Natürlich wurde also auch darüber spekuliert, warum Faye überhaupt hierher gekommen war, wo doch wirklich Niemand hier gerne ein weiteres Familienmitglied in seinen Reihen sehen würde. Dass Aryana selbst davon auch nicht begeistert war, hatte selbst ich in meiner kurzen Aufenthaltszeit hier schon begriffen, weil es doch sehr offensichtlich war. Es hatte also mit Sicherheit einen triftigen Grund, über den ich bis jetzt aber nur hätte spekulieren können.
Deshalb schüttelte ich kaum merklich den angestrengten Kopf, gefolgt von einem ziemlich eindeutigen, wenn auch nach wie vor nicht gerade mit kräftiger Stimme unterlegtem "Nein". Ich war mir auch nicht sicher, ob sie wirklich darüber reden wollte, oder ob sie sich nur in der Pflicht fühlte mir jetzt auch etwas sehr Privates erzählen zu müssen, nachdem ich ihr meinen wohl wundesten Punkt mitgeteilt hatte. Aber so war es nicht. Sie müsste nicht, wenn sie es nicht wollte. Wenn es zu privat war oder ganz einfach zu sehr weh tat. Denn ich glaube hier im Camp waren sich so ziemlich Alle dabei einig, dass Faye jetzt nicht unbedingt dem Typ Frau entsprach, der für gewöhnlich zur Army ging. Sie mochte zwar nicht schwach wirken, aber im Vergleich mit ihrer Schwester hatte sie nicht ansatzweise die gleiche Verbissenheit, nicht diesen eisernen Armee-Willen. Sie mochten sich etwas ähnlich sehen - was bei Geschwistern ja auch nicht ungewöhnlich war -, aber erschienen dennoch wie zwei vollkommen unterschiedliche Personen. Soweit wie ich das bis jetzt eben beurteilen konnte, Aryana wirklich kennen tat ich ja nicht. Ich konnte nur von dem Sprechen, was sie nach außen hin zeigte. "Du musst dich aber nicht verpflichtet fühlen, mir das jetzt zu sagen, ja?" unterstrich ich noch einmal mit ein paar leisen Worten meine vorherigen Gedanken, obwohl ich mir eigentlich sicher war, dass Faye das wusste. Wir hatten diese Grenze bis dato mehr oder minder bewusst nie überschritten, aber vielleicht war es doch einfach Zeit, so manches Unausgesprochenes jetzt frei zu lassen. Meine jetzt wieder unbeschäftigte Hand hatte ihren Platz auf meinem Oberschenkel gefunden, während die Andere weiterhin an Fayes Taille verweilte. Mein Gemüt war noch immer ziemlich erhitzt, aber die Gedanken wurden immerhin ein kleines bisschen weniger, weil ich meine volle Aufmerksamkeit jetzt auf die junge Frau neben mir zu richten versuchte.



Also wieder gegen 9 Uhr, so wie ich es erwartet hatte. Das schien meistens so die einzige Zeit zu sein, wo alle im Camp anwesend waren. Morgendliche Kontrollfahrt war da meist auch schon erledigt und wenn nicht, dann schob man die Feier - ich fand es immer etwas grotesk, es eine Trauerfeier zu nennen, man feierte ja nicht - eben um ein paar Minuten nach hinten. Brachte ja Niemanden um, weil die Betroffenen schon tot waren... ha, ha, ha. Es war gut, dass ich derartige 'Witze' in der Regel für mich behielt und sie sich nur in meinem Kopf abspielten. Sonst würde mich vielleicht irgendwann mal jemand für meine herzlose Ader erschießen. Aber um auf Aryanas Frage zu sprechen zu kommen - nicht wirklich. Mit Kenan selber hatte ich nur ein paar wenige Male für ein paar Minuten gesprochen, ihn nicht einmal richtig kennen gelernt. Aber zu viele Freunde waren in diesem Krieg auch einfach eine unnötig große Angriffsfläche für psychische Macken. Sie versuchten die Zahl so klein wie möglich zu halten, aber es kam jetzt trotzdem nicht unbedingt selten vor, dass wir Jemanden verloren. Ich bräuchte vermutlich auch lange, um mich an wirklich jeden Einzelnen, der dieses Camp nur noch tot verlassen hatte, erinnern zu können. Nicht, weil ich vergesslich war, sondern weil ich auch vor meinem Einzug auf diesen Posten schon Viele hatte sterben sehen. Mein Gehirn leistete mir ganz gute Dienste dabei, den Großteil davon zu verdrängen. Natürlich hatte aber auch ich Verluste wegstecken müssen, die ich nie vergessen würde. Die noch immer ein unangenehmes Stechen in der Brust auslösten, wenn ich daran zurückdachte, weshalb ich diesen Gedanken auch gleich wieder einen Cut setzte.
"Mit Kenan nicht wirklich, nein..." beantwortete ich quasi die erste Hälfte der Frage, bevor ich anfing über Kyle nachzudenken. Er war wirklich in Ordnung, mir persönlich sogar auch recht sympathisch gewesen. Wir hatten eine ähnliche Art Humor gehabt und nahmen uns selbst nicht so ganz ernst. Ab und zu, wenn auch meistens mehr durch zufällige Gegebenheiten, hatten wir auch mal eine Zigarette zusammen geraucht, uns deshalb öfter Mal unterhalten. Als richtige Freunde würde ich uns dennoch nicht bezeichnen, wobei es bei mir auch einfach echt viel brauchte, um auf den Freundestatus hoch zu kommen. "Und Kyle... naja, ab und zu unterhalten haben wir uns schon, ja. Meistens während wir den Lungenkrebs weiter gereizt haben." erzählte ich und meine Finger griffen dabei unbewusst nach dem Feuerzeug aus Metall in meiner Hosentasche. Ich sagte es gern immer wieder - es war definitiv nicht das Rauchen, dass uns hier umbrachte. Rauchen an sich war hier nicht gern gesehen und ich glaube auch, dass sie uns das nur - in Maßen, wie ich zu gut wusste - erlaubten, damit wir die Köpfe damit beruhigen konnten. Im Gegensatz zu ebenso gängigen Mitteln wie Alkohol oder Gras benebelten Zigaretten einem ja nicht wirklich das Hirn, wirkten sich aber dennoch auf das Gemüt aus. Ich wollte gar nicht wissen, wie der Eine oder Andere hier reagieren würde, wenn man ihm die Kippen plötzlich doch verbieten würde - mich inbegriffen. Andererseits war ich ganz froh, dass ich seit ich in der Army war, deutlich weniger rauchte als zuvor. "Und wie ist das bei dir?" stellte ich die Gegenfrage und ließ meinen Blick kurz zu Aryana schweifen, bevor er aber auch wieder in die Ferne gerichtet wurde.

[ja... dabei sind die Korrekturprogramme doch angeblich soooooooo schlau und perfekt. Bla, bla, bla. *hier Augenrollen einfügen* x'D Und ja, mach nur, solange aus dem Text erschließbar ist um wen sichs handelt, kann er von mir aus auch noch 100 verschiedene Namen kriegen XD ]

Ich hörte ihr zu. Aufmerksam verfolgte ich jedes noch so leise, nur gehauchte oder von Tränen verschleierte Wort, das der jungen Frau über die Lippen kam. Am Ende war ich mir wirklich nicht sicher, wer von uns beiden unter den jeweils eigenen Umständen letztendlich mehr litt, das Fazit war aber dennoch eindeutig: Wir waren beide kaputt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Faye hatte sich gemeinsam mit ihren Geschwistern immer und immer wieder aus dem Elend des Verlusts raus gekämpft. So lange, bis auch ihr Bruder untergegangen war. Es war wohl schwer zu sagen, wer von uns beiden mehr Pech in der Vergangenheit gehabt hatte - aber es war auch kein Wettstreit. Nichts, worum man Wetteifern wollte oder gar sollte. Das Allerschlimmste dabei war aber, dass ich beide Seiten verstehen konnte. Ich konnte Aryana zu gut verstehen. Sie konnte nicht nach Hause, weil sie dort nie Ruhe finden würde. Ich wusste nicht, was jetzt genau ihr Ziel oder die Aufgabe, die sie sich wegen dem Tod ihres Zwillingsbruders selbst auferlegt hatte, war. Aber ich wusste, dass sie, ganz gleich wie sehr ihre Schwester sie darum bitten würde, einfach nicht konnte, weil ihr Kopf keine Ruhe geben würde. Ständig das Sollte, Hätte und Könnte abspielen würde. Was das anging unterschieden wir uns wohl nicht allzu sehr voneinander. Dennoch war auch Fayes Seite absolut nachvollziehbar. Ich könnte auch nicht Zuhause sitzen und bitterlich warten, bis der Krieg vielleicht irgendwann doch Mal ein Ende finden würde. Erst recht nicht, weil Aryana wohl Alles war, das sie an Familie noch zu haben schien. Dazu kam auch noch, dass sie nicht einmal wusste was ihrem Bruder genau zugestoßen war. Unwissenheit war eines der mit Abstand schlimmsten Dinge, die eine menschliche Seele plagen konnten.
Fayes Trauer schwappte unweigerlich auch auf mich über, weshalb sich eine weitere vereinzelte Träne den Weg an meiner Wange runter bahnte, dieses Mal vom anderen Auge aus. Auch der Kloß in meinem Hals schien eher immer größer zu werden, als endlich mal verschwinden zu wollen. Bevor ich auch nur irgendwie wieder das Wort zu ergreifen wagte, zog ich die zierliche junge Frau behutsam zu meiner Brust. Ich konnte nicht mit ansehen, wie sie halb neben mir saß und einfach in die Leere hinein weinte. Ob mein Tanktop jetzt von ihren Tränen getränkt und deshalb nass wurde war mir herzlich egal, spielte ganz einfach gar keine Rolle. Es gab so Vieles, was jetzt wichtig war - das aber ganz bestimmt nicht. Sie brauchte Trost, eine Umarmung und Verständnis. Von Letzterem hatte ich nur allzu viel. "Ich versteh' dich, Faye.. ich.. ich hätte es wahrscheinlich genauso gemacht.." murmelte ich ihr ins Haar, wobei meine Stimme ebenfalls noch ziemlich brüchig und eher dünn klang. Meine Augen hielt ich geschlossen, weil es schlicht einfacher war, dann nicht einfach mitzuheulen. Die Hand, die bis eben noch an ihrer Taille verweilt war, strich ihr jetzt vorsichtig ein bisschen über den Rücken, obwohl mir das selbst wegen dem Streifschuss etwas weh tat, die Muskeln unter der Haut bei Fingerbewegungen gerne bis in den Oberarm spürbar waren. Aber das war egal. Ich handelte einfach in der Hoffnung, dass es irgendwas bringen würde, obwohl es ihr wohl kaum all die Trauer und den Frust der ganzen letzten Jahre nehmen konnte. Meine zweite Hand suchte sich ebenso behutsam wie die andere ihren Weg und ich legte sie sachte in Fayes Nacken unter ihr langes Haar.




Ja, da hatte Aryana wohl recht. Kenan war zwar schon etwas hier gewesen, aber nie wirklich aufgefallen. Mehr nur eine Art Schatten, unauffällig und trotzdem selbstverständlich immer da, wenn man ihn mal bewusst gesucht hatte. Vermutlich so richtig der Typ Kerl, den man sich als Vater zum Schwiegersohn wünschte. Negativ aufgefallen war er auch nie, aber das trauten sich ohnehin wohl nur die Wenigsten hier. Einer davon war offenbar ich, aber darum ging es jetzt hier nicht. Bei Kyle waren wir uns wohl auch ziemlich einig, was mir einen seiner besten Charakterzüge noch einmal unterstrich - er hatte sich nie verstellt. Ganz gleich ob er nun gute oder schlechte Laune gehabt hatte, er war immer ehrlich und gerade heraus. Machte keinen Hehl daraus, was er gedacht oder gefühlt hatte. Eine derartige Transparenz war in den heutigen Tagen selten geworden und umso angenehmer war sie für mich gewesen. "Leider, ja.." stimmte ich den letzten Worte diesbezüglich zu, nickte dabei ein wenig. Es war oft so. Die, die es am Wenigsten verdienten - nicht, dass ich es hier wirklich Jemandem wünschen würde, dass er erwischt wurde, aber nunja -, traf es meistens zuerst. Das Leben war nicht fair und würde es auch nie werden. Zumindest nicht im Krieg, denn der würde sich nie ändern. Absolut grausam und unfair, nicht mehr und nicht weniger.
Aryana erwähnte dann Briefe. Umschläge, von denen ich bis dato nicht gewusst hatte, dass sie existent waren. Nicht auf das hier und jetzt bezogen, sondern eher auf den Zeitraum davor. Ich glaubte irgendwie nicht, dass sie auf diese Idee erst vor ein paar Stunden gekommen war oder hielt es zumindest für relativ unwahrscheinlich. Dabei kam dann auch die Frage auf, wie viele von diesen Briefen die Brünette schon verfasst hatte. Ob sie sich an jeden einzelnen davon erinnerte. Ob sie wirklich alle einzigartig waren, oder ob es doch mehr die selben Zeilen waren, die sie niederschrieb. Aber letzteres würde eigentlich nicht allzu viel Sinn machen. Es wäre mir nämlich neu, dass ein schriftlicher Abschied dieser Form vorgeschrieben war. Nein, es war eine persönliche Angewohnheit seitens Aryana, zumindest deutete Vieles darauf hin.
Wieder nickte ich, sah sie inzwischen wieder an. "Ich hätte da vielleicht wirklich was... aber das muss ich erst suchen. Hat Zeit bis morgen früh, oder?" erwiderte ich und dachte dabei an ein Foto von vor ein paar Monaten. Lars hatte damals noch eine dieser alten Polaroid-Sofortkameras gehabt - die gab es inzwischen nicht mehr, weil die mal einem etwas wilderen Abend am Lagerfeuer zum Opfer gefallen war. Besonders viel aushalten konnten die Dinger nicht. Paar Mal runter gefallen und das Ding war hinüber. Jedenfalls hatte er in der ersten Zeit haufenweise Bilder damit geschossen, quasi alles abgelichtet, was ihm vor die Linse kam. So auch Kyle und mich am Lagerfeuer - rauchend, was auch sonst. Die Lichtverhältnisse auf dem Bild waren entsprechend eher weniger gut, aber man erkannte ihn. Das war wohl Alles, was dabei zählte. "Du machst das öfter, oder?" konnte ich mir die Frage dann doch nicht mehr verkneifen. Was soll ich sagen, die Neugier überwiegte eben so wie fast immer. Dabei sah ich noch immer zu Aryana, stützte mich dann mit den Händen nach hinten auf der Brüstung ab, musterte ihre Gesichtszüge.

[Alles klar, ich weiß Bescheid. XD
Sollten im folgenden Text viele Rechtschreibfehler sein tuts mir leid, aber ich bin am PC meines Dad's und seine Tastatur ist so ULTRA flach (gefühlte kein Absatz zwischen den Tasten vorhanden), dass ich damit grade nicht gut klar komme. :'D hahaha.]

Echt nicht? Naja.. vermutlich rührte mein Verständnis aus ein paar wenigen, aber sehr triftigen Gründen. Ich war einfach ein Familienmensch - es hatte mir selbst unendlich weh getan, meinen weinenden Eltern und meiner kleinen Schwester dabei zuzusehen, wie sie mich erneut in den Krieg verabschiedeten. Vollkommen aufgelöst, mit Worten gar nicht zu beschreiben. Sie waren auch der Teil, der nicht verstehen konnte, warum ich an einem solch todbringenden Ort freiwillig wieder einkehrte. Warum ich aus freien Zügen entschieden hatte, dass ich genauso enden könnte, wie es meine toten Brüder getan hatten. Jemand, der selbst nie Etwas mit dem Krieg zu tun gehabt und nie ein solches Trauma erlitten hatte, verstand es ganz einfach nicht, konnte es gar nicht verstehen. Es hatte mir selbst auch weh getan, meine Familie so zurück zu lassen, aber es kam dennoch nicht an den Schmerz heran, den mir die Flashbacks Tag für Tag einbrachten. Nichts war schlimmer als immer und immer wieder sehen zu müssen, wie meine Freunde das Zeitliche segneten. "Ich schätze, ich kann einfach beide Seiten verstehen... sowohl deine, als auch Aryanas'. Aber Leute, die nie was mit Krieg oder Veteranen zu tun hatten... die können das nicht verstehen, weil sie nicht... wissen." murmelte ich leise weiter vor mich hin, öffnete die Augen dann langsam wieder. "Und dass ich gerne hier bin, solltest du langsam wissen, hm?" meinte ich diesbezüglich noch, weil es ganz einfach der Wahrheit entsprach, und warf einen Blick zu ihr nach unten. Gut, ich war noch nie so da gewesen, dass mit dem sich heulend in den Armen liegen war für uns beide noch neu - ich hoffte doch sehr, dass es auch nicht die Regel wurde und die entspannten Abende weiterhin überwiegen würden. Aber wir hatten das wohl beide gerade einfach nötig. Außerdem lenkte es mich zumindest minimal von meinem eigenen Übel ab, wenn ich mich gedanklich mit Fayes Geschichte befasste.
Auf die folgende Frage der Brünetten, welche erst einige Minuten später auftauchte, wusste ich auf Anhieb keine Antwort, weshalb es eine ganze Weile lang dauerte, bis sie eine bekam. Ja, wie ging ich damit um? Sport. Und wenn das nicht ging? Dann einfach leiden, ja. Das war aber ganz bestimmt nicht die Art von Antwort, die Faye jetzt haben wollte und brauchte. Was also sagen? Schwierig, weshalb ich recht tief seufzte. Während ich mir also gedanklich ein paar Worte zurechtzulegen versuchte, fing ich an der jungen Frau abwesend mit dem Zeigefinger kleine Kringel in den Nacken zu malen. "Ich... ich weiß es nicht, Faye. Im Normalfall lenk' ich mich einfach mit dem Sport ab, um den Kopf wieder frei zu bekommen... aber ich war noch nie der kalte Typ Kerl, der... es irgendwann einfach akzeptiert, dass er nicht alle wieder zurück hinter die Mauern bringen kann." Gut gemacht, das war genau DIE Art von Worten, die du NICHT hattest sagen wollen. Exzellent, wirklich. "Ich habe weder Kenan, noch Kyle wirklich gekannt... und trotzdem tut es weh, obwohl ich nicht der leitende Arzt oder Sanitäter bin.." Also auch mal davon abgesehen, dass die Explosion an sich schon Schreckliches in mir ausgelöst hatte. "Man muss einfach seinen eigenen Weg finden, den Schmerz umzuleiten.. ihn zu verarbeiten. Ich fürchte dabei kann dir Niemand wirklich helfen, den musst du selbst ausfindig machen." redete ich recht leise weiter vor mich hin, bis ich wieder ins Schweigen fiel. Ich war wirklich der falsche Typ für eine Frage in dieser Richtung, aber das schien dem kleinen Häufchen Elend hier nicht bewusst zu sein. Jemand wie Mitch... ja, das war vermutlich eher die richtige Adresse für sowas. Ich kannte ihn zwar nicht gut, aber er hatte das heute eindeutig besser weggesteckt als ich. Ihre Schwester genauso. Aber ich? Nein, ich war nicht gerade gut davon gekommen.




Gut, dann hatte ich also noch etwas Zeit, um dem vermutlich noch irgendwo existenten Foto auf die Schliche zu kommen. Zu Hundert Prozent sicher, dass es noch irgendwo herumlag, war ich mir zwar nicht, aber einen Versuch war es wert. Wenn ich es nicht hatte, war es sicher bei Lars. Soweit ich wusste, hatte er bis dato keines der Bilder weg geschmissen. Würde mich auch wundern, wenn er irgendwann plötzlich damit angefangen hätte, aber wissen konnte ichs nicht. Es war also gut, dass ich im Problemfall noch etwas mehr als nur den morgigen Tag Zeit hatte, um das Stück Glanzpapier ausfindig zu machen. "Gut." gab ich Aryana diesbezüglich noch zur Antwort und dann lauschte ich aufmerksam ihren nächsten Worten. Ja, sie schien also wirklich für jeden einzelnen gefallenen Soldaten ein paar Zeilen zusammen zu schreiben. Ob es den Familien letztendlich auch nur ansatzweise half die Tragödie zu verkraften war zwar ungewiss, aber es war der Versuch der zählte, denke ich. Es zeigte mir, dass sie sich doch deutlicher von den anderen Personen in den höheren Ämtern unterschied, als ich bis dato gedacht hatte. Vielleicht hätte ich also schon ein bisschen früher damit anfangen sollen, die junge Frau unter die Lupe zu nehmen. Nicht, als würde sie hier jetzt Potenzial für meine neue beste Freundin haben, ganz bestimmt nicht, aber es änderte meine Sicht auf die Dinge ein wenig. Dass sie den Familien die oft traurige Wahrheit ersparte war wichtig, darauf hätte sie nicht zu sprechen kommen müssen. Ich wusste ja bestens um die Umstände hier Bescheid - leider.
"Manchmal ist es okay, die Wahrheit ein kleines bisschen abzuändern..." murmelte ich erst einmal nur so vor mich hin und auch mehr an mich selbst gerichtet, als ich den Blick wieder in die Ferne richtete. "Weißt du, das ist so eine Sache... hätte ich die zum Beispiel früher gewusst, hätte ich dich vielleiiicht schon früher für nicht mehr so ganz falsch in deinem Amt gehalten." sagte ich schulterzuckend und zog unbewusst meine rechte Augenbraue ein wenig nach oben, während ich die Silhouette der Hügel mit den Augen abwanderte. Ich zog das 'vielleicht' bewusst in die Länge, weil ich weiterhin skeptisch bleiben würde. Skepsis war mir schon in jungen Jahren unweigerlich antrainiert worden und ich würde sie nicht verlieren, auch nicht in Hinsicht auf die Brünette hier, ganz gleich was sie mir erzählte.

Ich war mir da zwar eigentlich vorher schon vollkommen sicher gewesen, aber trotzdem war es wirklich angenehm von der jungen Frau zu hören, dass sie meine Gegenwart ebenso zu schätzen wusste wie ich die ihre. Es war in den letzten beiden, kriegslosen Jahren nicht wirklich oft vorgekommen, dass jemand meine Anwesenheit genossen hatte. Ob ich das Jemandem verübelte? Nicht mal ansatzweise, weil ich selbst wusste, dass ich auf Dauer in meinem jetzigen Zustand für den 0815-Bürger der USA ganz einfach schwer zu ertragen war. Schön war es aber trotzdem nicht zu merken, wie sich nach und nach immer mehr Leute von Einem abwendeten. Alte, eigentlich gute Freunde, ja sogar entferntere Familienmitglieder, die mich nur noch als Ballast ansahen und am besten so gar Nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Sich von dem psychisch kaputten Ex-Soldaten so weit entfernten, wie es ihnen nur möglich war, ohne es mir ins Gesicht sagen zu müssen. Als hätte ich mit dem Trauma nicht schon genug Sorgen, hatten sie mir die Einsamkeit auch noch aufgebunden und ich konnte dieser ebenso wenig entkommen wie dem Rest meiner Gedanken. Umso besser fühlte es sich an, eine neue Freundschaft geschlossen zu haben. Allerdings musste man wohl auch dazu sagen, dass ich mich hier im Lager lange nicht so extrem verhielt, wie ich es Zuhause getan hatte. Fünf Minuten ruhig zu sitzen war da schon schwer gefallen. Wohl ganz einfach deshalb, weil ich kopftechnisch nicht ansatzweise genug zu tun gehabt hatte. Ich hatte in keiner Form gearbeitet, weil es ganz einfach nicht möglich gewesen war. Vier Tage pro Woche zum Psychologen zu gehen hatte auch nicht gerade für einen brauchbaren Ausgleich gesorgt. Dennoch hielt mich wohl wirklich jeder für bekloppt, weil ich lieber wieder in den Krieg ging, als Zuhause zu bleiben, wo mir Nichts passieren konnte.
Auch Fayes noch folgenden Worten hörte ich zu, sah zu ihr runter. Obwohl ich im Gegensatz zu ihr nicht schon vor dem Militär mit verletzten Menschen zu tun gehabt hatte, konnte ich das ganz gut verstehen. Es konnte ganz einfach nichts Schlimmeres als das hier geben. Es gab kaum Etwas auf der Welt, dass den menschlichen Körper so sehr verstümmeln konnte, wie es Kriegswaffen taten. Es gab hier unzählige Möglichkeiten dafür, warum man nicht in einem Stück nach Hause zurückkehren konnte. "Ich weiß, was du meinst, ja.." stimmte ich murmelnd zu, nickte dabei ein klein wenig. Die Wendung der Konversation ließ unweigerlich wieder unzählige Bilder in meinen Gedanken aufblitzen, die ich über die Jahre bei meinem Dienst in der Army gesammelt hatte. Deshalb starrte ich auch für einen Moment lang mit vollkommen leerem Blick geradeaus, bevor ich zwanghaft versuchte, den Gedankenfluss wieder zu unterbrechen. "Es ist glaube ich gar nicht möglich, sich auf das hier ausreichend vorzubereiten, um... nicht geschockt zu sein, wenn sowas das erste Mal passiert. Es ist einfach... die Hölle. Und es wird auch nicht besser." faselte ich weiter vor mich hin, wobei meine Stimme immer leiser und undeutlicher wurde. "Also solltest du noch in Erwägung ziehen, doch den Rücktritt anzutreten, wär jetzt ein echt guter Zeitpunkt." sagte ich, wobei der leichte Sarkasmus wohl ziemlich deutlich machte, dass ich mir sicher war, dass die Brünette um wohl keinen Preis ihre Schwester hier zurücklassen würde. Erst recht nicht jetzt, wo sie langsam aber sicher an das schlimme Ausmaß eines solchen Krieges herangeführt wurde. Schlimmer ging natürlich aber immer.



Ja, das war mir bewusst. Denn von Sympathie konnte die junge Frau sich hier wenn, dann nur indirekt etwas kaufen, war es doch leider keine brauchbare Währung im Krieg. Aber sie hatte dennoch ihre Vorteile, genauso wie überall sonst im Leben. Hattest du gute Verbindungen, fiel dir das Eine oder Andere doch gleich viel leichter. Du kamst leichter an einen Job, den du schon lange in Aussicht hattest, wenn dich dein Gegenüber im Vorstellungsgespräch für sympathisch und menschlich korrekt hielt, oder du bereits jemand Anderen in der Firma kanntest. Ich wollte damit nicht sagen, dass man Anderen bewusst Honig ums Maul schmieren sollte, um an seine Ziele zu kommen - es war wohl mehr als offensichtlich, dass ich das selbst auch unter wohl so gut wie keinen Umständen machte. Es müsste schon wirklich unfassbar unumgänglich sein, jemanden positiv beeinflussen und schleimen zu müssen, damit ich das tat. Es müsste quasi von unschätzbarem Wert sein und das war so ziemlich gar Nichts. Heutzutage war bekanntermaßen nämlich fast Alles käuflich.
Die Frage war nur, was genau sie eigentlich für ein Ziel verfolgte. Klar, den Krieg zu beenden, war ja ihre Aufgabe und auch ihre Pflicht. Aber ich hatte mich schon des öfteren gefragt, ob das wirklich Alles war, was Aryana hier vor hatte. Es war kein Geheimnis - zumindest für mich nicht -, dass sie und ihre Schwester ihren Bruder hier verloren hatten. Es war also zum Teil wohl nachvollziehbar, dass ich mich als grundlegend skeptischer, argwöhnischer Mensch schon das eine oder andere Mal gefragt hatte, ob das denn wirklich Alles war. Ob nicht mehr dahinter steckte. Es gab in der heutigen Zeit nur sehr wenige Menschen, die sich eine Art Rache gern entgehen ließen, wenn sie die Möglichkeiten dazu hatten. Nicht, dass ich der jungen Frau direkt etwas unterstellen wollte, denn dazu wusste selbst ich darüber zu wenig, aber möglich war es eben durchaus.
Meine Augen verengten sich ein wenig und ein Teil des zynischen Gesichtsausdrucks kehrte unweigerlich wieder in meine Gesichtszüge ein, als ich Aryana für einen Moment lang musterte. "Ja, die brauchst du wahrscheinlich genauso sehr, wie ich schnippische Antworten von dir brauche. Du bist empfindlicher als ein rohes Ei auf 'nem Löffel, wenn's um deinen Posten geht." antwortete ich jetzt wohl ebenso sarkastisch, schüttelte leicht den Kopf. "Was ich sagen wollte, war eigentlich nur, dass es dir gar nicht schaden könnte, hier minimal transparenter unterwegs zu sein. Du musst nicht Jedem hier deine Lebensgeschichte auftischen oder deine Kriegspläne erläutern... aber ein ziemlich großer Teil der Soldaten hier weiß ganz gerne, was für einer Art von Mensch sie Folge leisten und dafür reichen schon Kleinigkeiten - wie die Sache mit den Briefen zum Beispiel. Du kannst natürlich weiter deinen Ego-Trip fahren, wenn dir das lieber ist, aber einfacher wird's so eher nicht." redete ich weiter vor mich her, ohne sie anzusehen, hatte den Blick längst wieder auf den Horizont gerichtet. Dieses Mal nicht auf die Hügel, sondern auf den ebeneren Teil des Terrains links daneben. Der Kerl, der vorher in Aryanas Amt gesessen hatte - Gott hab ihn seelig, ich mochte ihn -, hatte mir mal ein nettes, in der Army gängiges Sprichwort gesagt. Behandle deine Soldaten wie Brüder und sie folgen dir bis ins tiefste Tal. Sergeant Oxford war auch Jemand, dessen Name leider unnötigerweise an der Totenliste klebte.