Faye zog eine Schnute, doch selbst dabei wich das Grinsen mehr schlecht als recht aus ihren Gesichtszügen. Und nur Sekunden später erklang schon wieder ein helles Lachen, als er sie ein weiteres Mal unvorbereitet in die Seite piekste. „Drohst du mir gerade damit, meine Haare abzuschneiden? Du bist doch derjenige, der eine Strafe verdient hat, nicht ich“, stellte sie erstmal klar, wobei sie vergebens versuchte, den Griff um seinen Arm zu halten, als er diesen plötzlich wegdrehte. Tja und dann hatte sie schon wieder nur eine Hand frei und brauchte nichtmal an ihrem Handgelenk zu ziehen, um zu wissen, dass, ein solcher Versuch sowieso zum Scheitern verurteilt wäre. Solange er sie nicht freiwillig losliess, jedenfalls. „Das sind jetzt irgendwie schon wieder unfaire Konditionen“, seufzte sie schwer, liess sich einen Moment Zeit, um sich irgendeinen noch möglichen Bestrafungsakt auszudenken. „Wie siehts denn bei dir aus, Victor? Bist du kitzelig?“, fragte sie mit einem absolut unschuldigen Funkeln in den Augen, welches ihre Absichten ganz und gar nicht verriet. Dann liess sie den netten Mann aber nicht weiter warten, zog ihre bis dahin ganz locker in seinem Griff gelegene Hand mit einer Drehung schneller hoch, als er gucken konnte. Dank der Überraschung, der Technik und der Tatsache, dass sie sich bis dahin nicht gewehrt hatte, resultierte das wie geplant in zwei freien Händen ihrerseits. Sie liess die Arme aber gar nicht erst sinken, sondern stiess in einer fliessenden Bewegung mit ihrer offenen Handfläche gegen seine Stirn, schob ihn so zurück, während sie sich aufrichtete, bis auch er sich mal wieder in einer halb liegenden Position eingefunden hatte. Faye war allerdings noch nicht zufrieden damit, kniete sich kurzerhand wieder über ihn, nur um ihn jetzt ihrerseits zu kitzeln. Ihr war schon klar, dass er gleich wieder sitzen würde und sie dieses Duell verlieren würde. Aber sie hatte ja nicht mal damit gerechnet, überhaupt so weit zu kommen. Und es war lustig. Von daher konnte sie das gut in Kauf nehmen.
Wieder eine äusserst überraschende Antwort, wenn man sie fragte. Aryana war ja der festen Überzeugung gewesen, Mitch würde total auf ihre Schwester stehen, so wie er sie immer angeschaut hatte. Na, wie man sich in Menschen täuschen konnte… Nicht. Bei seinen weiteren Worten hob sie dann aber doch nicht ganz so erfreut eine Augenbraue, während das Lächeln langsam wieder aus ihren Gesichtszügen verschwand. Gefolgt von einem stillen Seufzen. Sie traute ihrer Schwester gar nichts zu, das war doch das Problem. Und Mitch wusste es, da war sie sich sicher. Auch wenn sie versuchte, es nicht zu zeigen - so wie er gerade gesprochen hatte, war es für ihn kein Geheimnis, dass sie Faye am liebsten in Watte gepackt zurück nach Amerika schicken würde. Denn so war es nunmal. Die junge Brünette gehörte nicht hierher und sie sollte auch nicht hier sein. Das wusste Aryana, das wusste Faye und wahrscheinlich wusste es auch der ein oder andere Soldat hier sehr genau. Nicht, dass ihre Schwester ihre Arbeit schlecht machen würde. Sie hatte immerhin eine gute Ausbildung genossen. Aber sie war vom Typ her nicht für den Krieg gemacht und das schien doch ab und an durch, war so offensichtlich. Er hatte zur Gitarre gegriffen, bevor sie auch nur die Worte zu einer passenden Antwort zurechtgerückt hatte. Was gut war, da sie wirklich nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Und der fröhliche Klang der schnellen Tonfolgen des nächsten Liedes, lenkten sie auch sofort wieder vom Thema ab. Erneut tauchte ein schiefes Lächeln auf ihrem Gesicht auf, wenn auch eher unbewusst. Troublemaker. Wirklich? Sie hatte nicht mal damit gerechnet, dass er das Lied singen konnte, auch wenn er ihr hier gerade sehr deutlich machte, dass das sehr wohl der Fall war. Es war eigentlich weder seine Tonlage noch die Art Musik, die sie von ihm erwartet hätte. Aber bitte, sie würde sich kaum beschweren. Über keinen Ton des Instruments und auch nicht über seiner Stimme - solange sie sang zumindest. Als die Musik langsam verstummte, drehte sie etwas den Kopf in seine Richtung, um ihn schief anzulächeln. „Interessante Playlist…“, meinte sie, kam nicht umhin, sich selbst zu fragen, was er sich wohl dabei gedacht hatte, ausgerechnet dieses Lied jetzt zu spielen. Auf Faye und Victor bezogen, machte es vielleicht ein Bisschen Sinn. Aber keiner der Männer hier ums Feuer wusste, wovon sie bis gerade eben gesprochen hatten. Alles, was sie sahen, war, dass Aryana sich mit Mitch unterhielt. Und auch wenn die meisten von denen, die dem Song wirklich gelauscht hatten, dabei wohl mehr eher an sich selber und irgendwelche vergangenen Romanzen erinnert wurden, gab es doch auch zwei, drei, die mit einem halben Grinsen in ihre Richtung schielten. Schon fast wieder dafür sorgen wollten, Aryanas Wangen zum Glühen zu bringen.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Ja, eigentlich sollte die Strafe auf meine Kappe gehen. "Tja, das Leben ist ungerecht." sagte ich gespielt theatralisch, kurz bevor eine meinerseits absolut nicht vorhergesehene Sache passierte. Faye war ziemlich flink, das musste ich ihr lassen. Natürlich hatte ich damit auch einfach absolut nicht gerechnet, wieso auch? Immerhin war ich ihr ziemlich überlegen und keine derartige Attacke erwartet, was wohl unbewusst auch schlicht dazu geführt hatte, dass ich die Situation nicht mehr ernst genommen und meinen Griff gelockert hatte. Wobei man hier ohnehin nicht ansatzweise von einer ernsten Situation reden konnte, eher ganz im Gegenteil. Würde man uns hier so sehen käme wohl kaum Jemand auf die Idee, dass wir noch heute Nachmittag zwischen die Luft zerschneidenden Kugeln gesessen hatten - von meiner Panikattacke wollten wir gar nicht erst anfangen. Ob ich kitzlig war? Ja, schon ein bisschen. Zwar bei Weitem wohl nicht so sehr wie die Brünette, die jetzt hier unbeschwert auf mir saß, als wäre es das normalste der Welt, aber so ganz unempfindlich gegenüber dem Kribbeln war ich nicht. Ich kam auch gar nicht dazu zu antworten, ging Faye doch in Windeseile dazu über, mit dem Gekitzel bei mir anzufangen, nachdem ich nach hinten gekippt war. So war ich jetzt mit dem Lachen an der Reihe, was es mir kurzzeitig deutlich erschwerte, wieder nach ihren Händen zu greifen, weil die Koordination nicht einhundertprozentig mitspielte. Das reichte in meinen Augen schon vollkommen aus, um die Ungerechtigkeiten von vorher wieder auszugleichen. Ich versuchte das Lachen dann für einen Moment zu unterdrücken, um das volle Repertoire an Körperbeherrschung ausschöpfen zu können, was in einem angestrengten Gesichtsausdruck endete - ihre Hände hatte ich anschließend aber trotzdem wieder in meiner Gewalt, hielt sie fest und richtete mich dann wieder zum Sitzen auf. "Sehr witzig, echt. Und jetzt? Soll das ewig so weiter gehen, bis einer von uns keine Luft mehr kriegt und abkratzt?" fragte ich sie noch immer breit grinsend, atmete dabei wohl auch noch ein wenig unregelmäßig, kam langsam wieder zu Atem. "Ich meine, du könntest dich auch einfach ergeben, das würde dir den Leidensweg ersparen." fügte ich neckisch noch hinzu, stellte mich damit klar über sie in der Nahrungskette. Es war fast ein wenig verwunderlich, dass es mich nicht die Bohne störte, wie nah sie mir gerade war. Immerhin war das letzte Mal, dass sich eine Frau einfach so auf meinen Schoß geschwungen hatte, doch eine Weile her, aber der Gedanke war gerade einfach nicht präsent. Das war vermutlich auch der Grund dafür, dass ich Faye nicht - was besser gewesen wäre, sachlich betrachtet - von mir runter schob. Das und die Tatsache, dass ich die Ablenkung hier ganz dringend nötig hatte, um mir hier nicht über kurz oder lang die Kugel geben zu wollen.
Was meine Songauswahl anging war die Fahrt manchmal wohl wirklich holprig, da ging es über Stock und Stein, bergauf und wieder bergab. Mal waren die Lieder ernst und luden eher zum Nachdenken ein, dann eher zum fröhlichen Mitsingen und hin und her schunkeln. Es kam immer darauf an, wonach mir eben gerade der Sinn stand. Der ein oder andere fast schon neugierige Blick, der da in unsere Richtung kam, entging mir nicht. Interessieren taten mich die aber genauso sehr, wie ich darauf reagierte - nämlich gar nicht. Es war ja kein Geheimnis, dass es mich kein bisschen juckte, was hier irgendwer dachte oder gar redete und so stellte ich vollkommen entspannt das hölzerne Instrument bei Seite. "Was das angeht ist Abwechslung auf jeden Fall mein zweiter Vorname, ja." gab ich Aryana eine Antwort auf ihre vorherige Feststellung, drehte dabei meinen Kopf wieder in ihre Richtung, wobei ich ein klein wenig vor mich hin grinste. Also meine Laune war wieder ziemlich im grünen Bereich - konnte zwar wie immer in Sekundenschnelle kippen, aaaaber war im grünen Bereich. Die Tatsache, dass es Aryana im Gegensatz zu mir wohl nicht so ganz egal war - sie hatte im Gegensatz zu mir ja auch einen Ruf zu verlieren -, dass ein paar Blicke auf uns ruhten, versüßte mir den Moment auch wieder ein bisschen. Ich konnte nicht leugnen, dass die schlanke Brünette wirklich gut darin war, ihre Emotionen und Gedanken weitgehend zu verstecken, wenn sie für Andere nicht sichtbar sein sollten. Aber ich war wohl ebenso gut darin Gefühle Anderer aus den kleinsten Regungen ihres Körpers heraus zu lesen, weil mir das in meinem Leben vor der Army nur zu oft den Arsch gerettet hatte. Das war eine Sache, die ich schlicht perfektioniert hatte. War wohl auch ein Mitgrund dafür, warum mich Einige nicht mochten. Ich sah, wenn sie logen, wenn ihnen Etwas unangenehm war, wann und wie sie verwundbar waren. Ich war zwar recht groß, aber hier im Camp nicht der am breitesten gebaute Kerl und rein körperlich gesehen war mir der Eine oder Andere schlicht überlegen - rein verbal gesehen war das aber eine ganz andere Geschichte. "Lass' sie reden, Aryana. Solange sie was zu tun haben, bauen sie wenigstens keinen Scheiß." sagte ich recht ruhig, wenn auch weiterhin amüsiert von der aktuellen Situation, weshalb ein unbeschwertes Grinsen meine Gesichtszüge einnahm. Wenn man nicht gerade beim Informationen filtern erwischt - oder nach unschönen Sachen gefragt - wurde, dann machte das Leben in der Army doch ab und zu Spaß.
Sie war sehr zufrieden damit, dass er nun seinerseits erstmal mit Lachen beschäftigt war und sie zumindest einen kleinen Moment lang gewonnen hatte. War dann halt wirklich nur ein kleiner Moment, da er nach wenigen Augenblicken schon wieder ihre Hände gefasst hatte. Aber das breite Grinsen auf ihrem Gesicht, das blieb, während sie ihn fröhlich betrachtete, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Dann stellte er aber eine sehr schwierige Frage, auf die sie erstmal einige Sekunden nachdenken musste. „Das wäre ein durchaus tragisches Ende“, meinte sie theatralisch, wobei ihr Gesichtsausdruck kaum zu den ernsten Worten passte. „Da ich nicht hierher gekommen bin, um zu sterben, wärst das dann nämlich zwangsweise du, Victor“, redete Faye unbeirrt weiter, zuckte bedauernd mit den Schultern, als wäre das eine unabdingbare Tatsache. „Tut mir leid.“ Als er ihr tatsächlich riet, einfach aufzugeben, verzog sich das Grinsen aber allmählich zu einer beleidigten Schnute. „Eh, nein und gleichfalls?“, war ihre Antwort darauf, während sie geflissentlich ignorierte, dass er ihre Hände festhielt und sie diejenige war, die gerade so gut wie gar nichts gegen ihn ausrichten konnte. Trotz der Tatsache, dass sie es gerade eben ganz geschickt übergangen hatte, fiel ihr Blick nun auf ihre Hände, die sie nachdenklich anschaute. Ein zweites Mal würde sie seinem Griff kaum so elegant entkommen, wenn er das nicht wollte. Also brauchte sie eine andere Lösung. Ihre Augen fanden wieder seine, während das unbeschwerte Lächeln in ihre funkelnden Augen zurückkehre und ihre Mundwinkel zucken liess. Dann lehnte sie sich plötzlich zurück, hob den rechten Fuss und piekste ihn ganz einfach mit ihren Zehen in die Seite. Wenn sie Glück hatte, ekelte er sich ganz fürchterlich vor Füssen und gab jetzt ganz gerne selber auf. Oder er hatte einen Fuss-Fetisch und war so abgelenkt, dass sie sich dann befreien konnte und das Spielchen gewann.
Ja, das hatte sie fast schon vermutet, immerhin demonstrierte er das heute nicht zum ersten Mal. Seine Lieder waren immer sehr abwechslungsreich, aber da hatte wohl auch keiner was dagegen. Am wenigsten Aryana selber. So wenig wie sie mit diversen Aktionen des jungen Mannes einverstanden war, so sehr genoss sie die Abende am Feuer doch immer wieder. Er sang wirklich gut und seine Stimme in Verbindung mit der Gitarre und den Flammen hatte eine mehr als beruhigende Wirkung auf ihr stets so aufgekratztes Gemüt, auf die tausend Gedanken und Sorgen, die Verantwortung und die Belastung des Alltags, die sie sonst niemals losliessen. Es war ihr also grundsätzlich egal, was für Lieder er brachte, solange er die Gitarre nur immer mal wieder hervorholte. Das behielt sie aber für sich. Es reichte, wenn er wusste, dass sie seine Stimme mochte. Das volle Ausmass der Wirkung seiner Lieder - das musste er nicht kennen. Nicht, weil sie ihm das Kompliment nicht gönnen wollte, sondern, weil sie sich die Schwäche nicht geben konnte. Es gab Dinge, die keiner über sie wissen sollte. Dinge, die sie verwundbar machten, angreifbar - eben durchschnittlich schwach. Und diese Schwäche war nicht erlaubt an diesem Ort, am wenigsten in ihrer Position. Er konnte ja so schon genug aus ihrem Gesicht lesen, das sie nicht unbedingt mit der Welt teilen wollte. Wie er ihr gleich wieder bewies. Aryana lächelte leicht, trotz allem relativ entspannt, da auch er sich wieder beruhigt zu haben schien von der kurzzeitigen Genervtheit. „Naja - ich geb' halt selten irgendwelche interessanten Gründe zu reden, mit meiner langweiligen Person“, rechtfertigte sie die Tatsache, dass ihr das Gerede eigentlich nicht sonderlich angenehm war. Nicht, dass sie das hier schon belastete - wohl kaum - aber sie würde sich sicher nicht darum bemühen, solche Gerüchte weiter brennen zu lassen. „Aber noch haben sie ja relativ wenig zu reden, soweit ich das beurteilen kann“, redete sie weiter, blickte einmal in die Runde und dann wieder zu Mitch, während sie sich mit einem kaum hörbaren, müden Seufzen etwas zurücklehnte.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
"Ich fürchte verbal kommen wir hier zu keinem Ergebnis." stellte ich halb lachend fest, war weiterhin bestens unterhalten. Faktisch hatten wir eine Sache auf jeden Fall gemeinsam: die Sturheit, mit der man gerne eine Auseinandersetzung gewann. Beruhte sie aber wie hier bei uns auf Gegenseitigkeit, war sie ziemlich nutzlos und brachte Niemandem einen Vorteil. Es führte eher zu einer Sackgasse, welcher Faye jetzt scheinbar mit einer ziemlich ineffektiven Fußattacke entkommen wollte. Mein Blick fiel erst nach unten auf ihren Fuß, dann sah ich wieder nach oben, suchte den Blick in ihre Augen. Meine rechte Augenbraue war nach oben gezogen, das breite Grinsen wich mir nicht aus den Gesichtszügen. Es gab zwar sicher die eine oder andere Sache, die ich irgendwo abstoßend fand, aber Füße gehörten nicht dazu. Sie waren zwar jetzt nicht unbedingt das hübscheste Körperteil des Menschen, sondern erfüllten einfach nur ihren Zweck mit dem Laufen, aber mich irgendwie beeinflussen taten sie auf jeden Fall nicht. Auch anderweitig war die Attacke nicht besonders effektiv, tat sie weder weh, noch kribbelte sie mich damit. Also Alles in Allem war das gerade ein recht kläglicher Versuch mich irgendwie ins Wanken zu bringen. "Echt jetzt? Davon hast du dir was versprochen?" kommentierte ich ihre Füßelei mit Fragen, die aber nur rein rhetorisch waren. Immerhin war die Antwort darauf ja absolut offensichtlich. "Wir reißen uns jetzt Alle mal zusammen und ich lass dich laaangsam wieder los. Sei brav, sonst muss ich zu stärkeren Mitteln greifen. Ich glaub' nicht, dass du das willst." kündigte ich die Lockerung meiner Finger um ihre Handgelenke erstmal an und musterte die Brünette dann noch einen Augenblick lang mit einem leicht mahnenden Blick, bevor ich sie los ließ. Ob da die Worte 'Auf eigene Gefahr' angebracht waren, wusste ich nicht. Aber vermutlich eher weniger - mehr, als mich weiter zu kitzeln, würde sie wohl kaum tun. Zumindest würde es mich wundern wenn doch.
Mit ihrer langweiligen Person... ich glaubte nicht, dass Aryana an einem Problem mit ihrem Selbstbewusstsein litt, aber das klang doch ein wenig so. Vielleicht pflegte sie aber auch einfach nur eine sehr gut ausgefeilte Maske zu tragen, weshalb es nicht den Anschein hatte, als würde Sie sich selbst immer wieder in Frage stellen. Weshalb es so wirkte, als sei sie 'langweilig'. Die junge Frau war wohl eine der wenigen Personen hier im Camp, die nicht leicht zu durchschauen waren. Für die es viel mehr Zeitaufwand brauchte, um ihre richtige Persönlichkeit auf den Tisch legen und aufdecken zu können. Aber hey, so hatte ich wenigstens Etwas zu tun, sie war halt nicht der 0815-Durchschnittssoldat - auch davon abgesehen, dass sie kein Kerl war, letztere nahmen hier ja ganz klar die Mehrheit ein. "Ich glaub' ja eher, dass du dich nur langweilig gibst, weil du das musst." offenbarte ich einen meiner Gedanken in Worten, wobei ich sie aber nicht ansah, sondern den Blick über die umliegenden Personen schweifen ließ. Es war Aryanas Position, die ihr hier noch so viel mehr Freiheit nahm, als sie Einem als Soldaten ohnehin schon geraubt wurde. Nicht, dass ich mich darüber beschwerte, für mich war der "Alltagstrott" - falls man das bei den immer häufiger werdenden Schießereien denn so nennen konnte - hier momentan völlig ausreichend. "Noch?" spielte ich weiterhin leicht grinsend auf ein kleines, ungünstig eingefügtes Wort an, das die Chefin da eben von sich gegeben hatte, wackelte mit den Augenbrauen, als ich wieder in ihre Richtung sah. Mir war natürlich klar, dass sie das nicht so meinte, wie ich gerade darauf anspielte. Sie würde wohl kaum von heute auf morgen Irgendwas an ihrem Dasein ändern - schon gar nicht an der Beziehung zwischen uns, die bis dato wohl einfach nur ausreichend für ein halbwegs taugliches Arbeitsverhältnis war. Selbst da haderte es ja gerne mal. "Bevor du dich aufregst - es war ein Witz." stellte ich dann doch noch klar, bevor sie wieder unnötig gereizt hochfuhr und mich mit ihren Todesblicken löcherte. Brauchte ich dann doch nicht unbedingt nochmal heute, nein.
Mit der Vermutung könnte er durchaus recht haben, sie schienen beide nicht wirklich bereit zum Aufgeben zu sein. Auch wenn sie, ganz pragmatisch gesehen, ja eh schon verloren hatte. Aber das blendete sie wie gesagt sehr geschickt aus. Ihr kläglich erfolgloser Versuch, den jungen Mann mit ihrem Fuss von sich weg zu scheuchen, liess auch sie selber ein Bisschen lachen. Gut, das hatte jetzt irgendwie nicht so ganz geklappt. Welch Überraschung. Und trotzdem kündigte er gleich darauf an, sie jetzt los zu lassen, was sie mit einem fröhlichen Grinsen begrüsste. „Wie unglaublich gütig von dir, ich dachte schon, ich müsste bis morgen früh hier sitzen, während das Leben langsam an mir vorbei zieht“, säuselte sie vollkommen unschuldig und blinzelte ihn lieblich an. Und tatsächlich hielt sie vorerst ganz still, liess ihre Hände auf ihre Oberschenkel sinken und blieb einfach sitzen. Noch immer halb auf seinem Schoss, wie ihr jetzt, so eine ganze Weile später, mal bewusst wurde. Und doch machte sie keine Anstalten, sich zu bewegen. Es wäre die vernünftigere Lösung. Aber Faye hatte sich so selten von Vernunft und viel öfter von Impulsen und Gefühlen leiten lassen, dass wohl auch dieser Moment davon geprägt sein würde. Und auch wenn es sie in den Fingern juckte, ihn wieder zu kitzeln und herauszufinden, was seine stärkeren Mittel denn bitte waren, blickte sie stattdessen mit schief gelegtem Kopf zu ihm hoch und betrachtete noch immer mit einem leichten Lächeln sein Gesicht. Sie wusste, dass es wohl langsam Zeit war, zu gehen. Schlaf war wichtig und sie konnten sich keine Müdigkeit in den Stunden der Arbeit erlauben. Aber noch stand sie trotzdem nicht auf, schaute den jungen Mann einfach weiter an. „Und, fühlst du dich geheilt?“, wollte sie auf einmal vollkommen aus dem Kontext gerissen wissen. Sie stellte die Frage im Bezug auf den Grund, aus dem sie sich überhaupt erst hier eingefunden hatten - seinen Rücken. Aber wie er sie letztendlich verstand, lag bei ihm.
Wieder lächelte Aryana leicht, als er ihr seine Vermutung nahelegte. „Ich glaube eher, dass ich mich langweilig gebe, weil ich ganz gerne langweilig wirke“, erwiderte sie versonnen, war nicht traurig darüber, dass er sie dabei nicht anschaute, als sie ihm eine weitere kleine Wahrheit mitteilte, die sie so nur selten zugab. Denn es sagte schon Einiges über ihre Person aus - mehr, als nur das, was die Worte direkt bedeuteten. Aber auch nichts, was sie ihm auf keinen Fall sagen wollte, da hatte sie schon drauf geachtet. Aryana war vorsichtig mit Worten, besonders dann, wenn sie über sich sprach. Aber dass sie ein verschlossener Mensch war und vieles lieber für sich behielt - also die Wahrheit, die er hinter ihrer Aussage finden konnte - war auch kein so grosses Geheimnis. Ob sie auch langweilig war, weil es ihr vorgeschrieben wurde, war schon möglich. Doch die Brünette war von sich aus nicht der Typ Mensch, der Leute mit Details versorgte, die sie nichts angingen. Also passte ihr das ganz gut in den Kram. Dass er das ‘noch’ in ihrer Aussage ganz besonders gut herausgehört hatte, war an sich kein Erstaunen. Somit nahm sie auch sein Nachhacken nicht ernst, lächelte nur vor sich hin und schüttelte etwas den Kopf. Das Lächeln wurde allerdings noch gleich etwas breiter, als er sich sofort rechtfertigte. „Entspann dich Mitch, das hab ich verstanden“, meinte sie beruhigend, schenkte ihm ein gespielt genervtes Augenrollen. „Und ja, noch. Selbst ich kann dir nicht sagen, was in Zukunft noch alles passiert, Schätzchen. Auch wenn ich Zweifel an einer besonders blumigen Zukunft unserer Beziehung hege“, erklärte sie ihre Wortwahl, wagte sich damit doch tatsächlich das wohl erste Mal an diesem Abend, eine Sekunde länger auf einem ihr sonst eher unliebsamen Gesprächszweig zu balancieren, ohne direkt das Thema zu wechseln.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Es vergingen ein paar Sekunden, in denen meine Körperhaltung noch recht angespannt war. Jederzeit dazu bereit wieder nach ihren zierlichen Fingern zu greifen, wenn es denn nötig sein sollte. Es schien Nichts weiter zu passieren, Faye suchte nicht sofort wieder eine Möglichkeit mich zu drangsalieren. Ich war aber ein viel zu misstrauischer Mensch, als dass ich den Frieden prompt so hinnehmen und die Wachsamkeit sein lassen würde. Meine antrainierten Instinkte rückten jedoch Stück für Stück weiter in den Hintergrund und ließen meine Muskeln wieder lockerer werden. "Weil es hier nachts ja auch so viel zu verpassen gibts." redete ich eher mit mir selbst, als mit Faye. Nein, die Nacht über passierte im Camp überwiegend gar Nichts - normalerweise sollte das zumindest so sein, seltene nächtliche Operationen mal ausgenommen. Klar amüsierte sich - wenn man es nicht zufällig mitbekam - der Eine oder Andere hier mit Sicherheit mit Irgendwem, aber relevant war das nicht. Das Einzige, was nachts meine Aufmerksamkeit bekam, waren unvorhergesehene Dinge wie plötzliche Angriffe. Waren die hier aber halbwegs auf Zack, sollte sowas für das gegnerische Lager ohnehin nur sehr schwer möglich sein, also blieb ich da optimistisch. Auch, weil mir sowieso schon genug Unschönes im Kopf herum spukte. Ob ich wegen Letzterem überhaupt schlafen konnte, war dann schon wieder ein anderes Thema... seufz. Ihre Frage war bei dem vorherigen Gedanken nicht unbedingt hilfreich. Es erinnerte mich ein wenig daran, dass mich ein Psychologe nach dem Anderen immer wieder, Sitzung für Sitzung, gefragt hatte, wie es mir denn ging. Ob ich mich besser fühlte. Fayes Wortlaut war zwar ein Anderer gewesen, aber bei mir war es grundsätzlich immer eine schlechte Idee, nach dem Wohlergehen zu fragen. Wissen konnte die junge Frau das aber natürlich nicht, weshalb ich mir davon Nichts anmerken lassen wollte. "Ich muss dir leider mitteilen, dass deine Kitzelattacke für die verspannten Muskeln ganz und gar nicht gut war und das vielleicht noch eine Extra-Sitzung kosten wird." antwortete ich gespielt theatralisch, bevor ich mich einfach nach hinten auf den Rücken sinken ließ und die Arme hinter dem Kopf verschränkte, um ohne Spannung im Nacken aufbauen zu müssen angenehm den Blickkontakt zu Faye halten konnte. "Aber ich fühl mich besser, ja. Danke." gab ich mit einem leichten Nicken noch eine ernst gemeinte Antwort auf ihre Frage, die man sowohl auf meinen Rücken, als auch auf meinen Kopf beziehen konnte. Letzteres würde wahrscheinlich nicht lange anhalten, aber für den Moment war auch die Psyche nicht mehr zum Zerreißen gespannt.
Na ich ging trotzdem lieber auf Nummer sicher. Die Madame hier war nämlich, soweit ich das beurteilen konnte, an sich eher von der leicht reizbaren Sorte. Vielleicht hatte ich auch einfach nur die Gabe, Aryana ganz besonders wunde Punkte nochmal unter die Nase zu reiben. Vielleicht war sie aber auch einfach nicht auf dem selben, makaberen Humor-Level wie ich, was an sich auch keine Meisterleistung war. Mein Humor war vielen Menschen zu trocken oder zu schwarz, manchmal auch beides gleichzeitig. Aber hey, wir machten ja scheinbar schon kleine Fortschritte hier und sie war nicht gleich wieder dabei, mich zu tadeln, sondern wusste den blöden Spruch in die richtige Schiene einzuordnen. Sehr fein, haha. "Ich wollt' ja nur nicht, dass du wieder Blitze mit deinen Augen verschießt." sagte ich übertrieben und hob die Hände kurz an, wobei ich weiter leicht vor mich hin grinste. Es war gut, dass wir zumindest halbwegs wieder auf eine Art gleichen Nenner gekommen waren, bevor der Abend endete. Nicht als würde mir Etwas daran liegen, dass wir uns gut verstanden, aber geladen ins Bett zu gehen war einfach jedes Mal aufs Neue totaler Mist. Gerade bei mir, wo ich doch einfach ein Mensch war, der sich sehr gerne unnötig in Dinge hinein steigerte, sich über Kleinigkeiten aufregte als könnten sie der Auslöser für den Weltuntergang sein. Und ja, ihren folgenden Worten konnte ich wohl nur zustimmen - obwohl die auf mich bezogene Verniedlichung mir wieder eher weniger in den Kram passte. Unsere Persönlichkeiten schienen wirklich dafür geschaffen zu sein bei jeder Gelegenheit aneinander anzuecken. Sehr ungünstig für eine gute zwischenmenschliche Beziehung, sei es nun rein platonisch oder auf tiefere Gefühle bezogen. "Jep, es ist eindeutig Zeit ins Bett zu gehen: Sie fängt an mir Spitznamen zu geben." erwiderte ich sarkastisch und schüttelte den Kopf, kurz bevor ich mir den Nacken dehnte und dann langsam aufstand. Dann pfiff ich kurz, um die Blicke meiner verbliebenen Zeltkameraden für mich zu gewinnen und machte dann eine recht eindeutig Kopfbewegung in Richtung der Zelte, bevor ich noch ein zu Aryana runter sah. "Schöne Träume, Schätzchen." betonte ich das Wort noch einmal ganz besonders, ehe meine Hand zum Hals der Gitarre griff und der engere Kreis meiner Kollegen zu mir aufschloss.
„Och ne“, sie schüttelte grinsend den Kopf, als er ihr schon vorwarf, seinen Rücken wieder überbelastet zu haben. Wegen dem Bisschen kitzeln..! „Leider muss ich dir dann aber auch mitteilen, dass das deine eigene Schuld war und ich für sowas keine Haftung übernehme“, zuckte sie bedauernd mit den Schultern, schaute ihm schief lächelnd dabei zu, wie er sich rückwärts aufs Bett sinken liess. Ja, schlafen war keine schlechte Idee. Und mit seiner Antwort konnte sie sich dann eigentlich auch zufrieden geben. „Dann bin ich froh", nickte sie ehrlich, betrachtete ihn aber noch einen Moment länger, anstatt sich einfach gleich zu erheben. Faye kaute etwas auf ihrer Unterlippe herum, im Versuch, ihre Gedanken für sich zu behalten. Aus einem sehr einfachen Grund. Er hatte einfach die Arme hinter dem Kopf verschränkt und lag hier auf dem Bett. Es wäre wirklich bedauerlich, wenn sie… Bevor sie es sich ein zweites Mal überlegen konnte und das schelmische Grinsen auf ihrem Gesicht zu viel von ihrem Plan verraten hätte, piekste ihr rechter Zeigefinger auch schon vollkommen plötzlich mitten in seinen Bauchnabel. Er konnte sich nunmal nicht so vor ihr präsentieren und glauben, dass sie dabei nicht auf dumme Ideen kam! Auch die Finger ihrer anderen Hand folgten, ehe sie sich nach wenigen Sekunden fast fluchtartig, aber selbstverständlich fröhlich lachend vom Bett schwang, um sich von einer Gegenattacke zu schützen. „Soooo, ich werde wohl mal den beschwerlichen Weg nach Hause antreten, bevor deine Freunde zurückkommen“, meinte sie dann noch immer viel zu fröhlich, aber in einem ganz anderen Thema und schaute sich erstmal nach ihrem Shirt um. Anziehen wäre nämlich keine schlechte Idee, bevor sie quer durchs Camp zu ihrem Zelt spazierte.
Blitze? Er hatte sich eindeutig noch nie richtig mit ihr gestritten, wenn er das schon ‘schlimm' gefunden hatte. Wobei das hier ohnehin die wenigsten behaupten konnten. Sie hatte sich glücklicherweise fast immer ganz gut im Griff, was wohl Voraussetzung in ihrem Job war. Eine Führungsperson sollte nicht ab jedem kleinsten Schnickschnack in die Luft gehen, das wäre dann eher unvorteilhaft. Und so behielt sie es doch lieber für sich, wenn sie wirklich wütend wurde. Jedenfalls bevor die Situation dann ausartete. Dass sie nicht einverstanden war und ihre eigene Meinung hatte, kam dagegen oft vor, siehe heute Abend. Aber egal. Seine Reaktion auf das eine kleine Wörtchen, das sie mehr so nebenher und ohne besonders viel zu denken ausgesprochen hatte, liess sie dann wiederum ziemlich amüsiert vor sich hin lächeln. „Das ist also ein weiterer wunder Punkt? Wow, Mitch, ich hätte nie gedacht, dich an einem einzigen Abend so gut kennen zu lernen. Welch Überraschung“, murmelte sie halb zum Feuer, halb zu ihm, als er schon dabei war, aufzustehen. Sie atmete tief durch, lehnte sich erneut ein Bisschen zurück und nickte den paar Soldaten zu, die sich mit Mitch erhoben, um den heutigen Tag ruhen zu lassen. „Gleichfalls, hat mich gefreut, Schätzchen“, verabschiedete sie sich süffisant lächelnd von ihrem neuen Liebling - oder so - ehe sie ihren Blick wieder auf die Flammen fallen liess. Sie würde auch gleich verschwinden. Aber erstmal genoss sie noch ein paar Minuten die Ruhe, liess die Gedanken kreisen und wartete darauf, dass die Müdigkeit sie schliesslich ins Zelt zwang.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Pah, meine eigene Schuld? Sie tat ja so, als hätte sie aus reiner Notwehr gehandelt. Als wäre nicht mindestens die Hälfte von dem Spaß auf ihren Mist gewachsen. Aber gut, dass wir beide uns hier eher weniger ernst nahmen, war ja jetzt keine Neuigkeit mehr für mich. Dass Faye dann aber der Meinung war, mir nochmal in den Bauch pieken zu müssen - auch noch ausgerechnet in den Bauchnabel, also gleich doppelt dreist! -, damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Demnach zuckte ich doch wieder ein wenig zusammen, krümmte den Oberkörper und sog die Luft scharf ein. Der Überraschungsmoment war da wieder eindeutig auf ihrer Seite gewesen, aber ich wehrte mich auch nicht weiter. Wie auch, war die schlanke junge Frau ziemlich fix aufgesprungen, um eben jenen Kontern gezielt aus dem Weg zu gehen. Ich konnte damit leben, war eher weniger der Typ Kerl, der wegen sowas dann beleidigt in der Ecke schmollte. Ich war viel mehr immernoch dankbar für die Ablenkung. "Sei froh, dass du kein Kerl bist... sonst wär' dir vielleicht der Stiefel hinterher geflogen." sagte ich diesbezüglich dann recht sarkastisch, kurz bevor ich mich noch einmal aufrichtete. Kurz folgte mein Blick Faye, die auf der Suche nach ihrem Shirt war. Klar, käme ziemlich merkwürdig, wenn sie in BH zu ihrem Zelt stapfte. Also ließ ich die Augen ebenfalls kurz die nahe Umgebung absuchen und lehnte mich zur anderen Seite des Betts, um es vom Boden aufzusammeln. "Das brauchst du dabei vielleicht." bemerkte ich überflüssig, bevor ich es ihr zuwarf und mich dann daran machte, meine eigenen Klamotten loszuwerden. Es fehlten ja nur noch die Socken und die Hose, damit ich es mir im Bett bequem machen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ich auch echt froh drum, dass ich mir angewöhnt hatte die Zähne einfach gleich nach dem Abendessen zu putzen. Meine Blase machte mir auch keinen Strich durch die Rechnung, weshalb ich den Luxus genießen konnte, nicht mehr aufstehen zu müssen. "Schlaf gut, Faye." ließ ich der jungen Frau dann noch ein paar letzte Worte zukommen, bevor ich mir die Decke bis zur Brust über zog. Falls man das überhaupt Decke nennen konnte... ich hatte fast vergessen, wie sehr die hier nicht an die von Zuhause ran kam.
Wunder Punkt? Nein, nicht wirklich, so würde ich das definitiv nicht bezeichnen. Zum Einen mochte ich es ganz einfach nicht besonders gern und zum Anderen war es bei vielen Leuten ein Anzeichen dafür, dass sie sich in der Gegenwart des Anderen wohlfühlten oder gar mehr. Letzteres war hier nicht der Fall, was es in meinen Augen gleich doppelt unpassend machte. Außerdem beinhaltete es eben eine Verniedlichung - ich war zwar Vieles, aber niedlich ganz bestimmt nicht. Wäre mir zumindest neu, hatte mich so doch auch wirklich noch nie jemand betitelt. Die meisten Leute mussten mich auch gar nicht kennen, um mich nicht in diese Schiene schieben zu wollen. Die zahlreichen Tattoos reichten in der Regel schon vollkommen aus, um den Leuten ein Bild von mir zu vermitteln. Traurig aber wahr, die Menschheit war oberflächlich. "Da muss ich dich enttäuschen - so leicht isses dann doch nicht." ließ ich Aryana mit einem Zwinkern dann noch ein paar letzte Worte zukommen, ehe ich mir das Holzinstrument einfach über die Schulter warf und dabei fast einen Kollegen am Kopf erwischte, der sich gleich gespielt getroffen beschwerte, als wir uns in Richtung Zeltplatz auf den Weg machten, was mich wiederum auflachen ließ. Ich sah den Verlauf des Abends trotz seiner Höhen und Tiefen durchaus positiv. Es war sicher nicht verkehrt, wenn ich das Fast-Oberhaupt des Camps unauffällig ein wenig unter die Lupe nehmen konnte. Es brachte mir nur Vorteile, sofern sie dabei nicht zu viel über mich herausfand. Unwichtiges durfte sie ruhig wissen, damit hatte ich kein Problem. Wenn das irgendwann dazu führen konnte, dass sie mich auf eine Art von Vertrauensbasis stellte, war es die Zankerei vermutlich wert. Es würde dem IS nicht gefallen, dass ich erst einmal kürzer treten musste, was die Infos anging, aber sie würden mir wohl kaum den Kopf abreißen. Dafür müssten sie sowieso erstmal an mich ran kommen und das passierte nur über meine Leiche.
Ein Stiefel also… Das klang bedrohlich. Faye schüttelte nur grinsend den Kopf. „Ein Glück, das hätte ich kaum überlebt“, stiess sie erleichtert aus. Gleich darauf bekam sie auch ihr Shirt zugeworfen, welches sie sich rasch überstreifte, während Victor im Gegensatz zu ihr gerade dabei war, sich auszuziehen. Als sie dann auch lose in die Schuhe geschlüpft war, wandte sie sich schliesslich definitiv zum Gehen, trat langsam rückwärts zum Zeltausgang. „Gute Nacht, Victor. Ich wünsch dir ne tolle erste Nacht im schönsten Camp des Mittleren Osten“, lächelte sie ein kleines Bisschen sarkastisch, ehe sie mit einem letzten Winken zwischen den Zeltblachen (80% sicher, dass das Wort Schweizerdeutsch ist, aber ich find keine Übersetzung) hindurch nach draussen schlüpfte. Die nächsten zwei Wochen vergingen in dem, was sich auch für Faye immer mehr zum Alltag machte. Sie fuhr mit den anderen raus oder blieb da, behandelte jeden Tag die kleinen und grösseren Wunden der Soldaten, die sie so langsam kennen lernte, mit all ihren Macken und Eigenheiten. Doch, sie mochte eigentlich fast alle. Ausser die, die nicht damit klar kamen, dass es Frauen in der Army gab. Aber egal wie viele insgeheim so dachten - direkt gesagt hatte sie es erst von Zwei bekommen. Und das waren auch sonst nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, von daher konnte sie damit ganz gut umgehen. Wenn sie verletzt waren, blieb ihnen halt doch nichts anderes übrig, als zu einer Frau zu humpeln... Ihr Pech. Die Tage waren grösstenteils mehr oder weniger ruhig verlaufen, es hatte keine Verluste gegeben und auch Schusswunden blieben zu Fayes Glück eher selten. Abends hatte sie sich fast immer zu den anderen ans Feuer gesetzt oder sie hatte sich mit ihrer Schwester oder mit Victor getroffen. Letzterer könnte sie mittlerweile schon fast als eine Art Freund bezeichnen. Sie lenkten sich gegenseitig ab. Und auch wenn sie viele Dinge einfach totschwiegen, half genau das gut dabei, mal an was anderes zu denken, als an die grausame Umgebung, in der sie sich befanden. Sie für ihren Teil schätzte die ruhigen Momente zu zweit jedenfalls sehr, wenn man tagsüber doch dauernd auf Nadeln sass. So auch an diesem Nachmittag, an dem sie wieder in Begleitung von drei anderen Wägen nach draussen fuhren. Ziemlich nah am Camp - zu nah, wahrscheinlich - waren fremde Fahrzeuge gesichtet worden. Welche, die da nicht sein sollten. Potenziell gefährlich, aber das war hier alles… Faye wirkte nicht unbedingt entspannt auf der Rückbank, da, wo sie meistens sass und angestrengt aus den Fenstern starrte. Sie hasste es noch immer jedes einzelne verdammte Mal, wenn sie die Grenzen des Camps hinter sich liessen. Jedes Mal spürte sie das Unheil, welches hier draussen lauerte. Jedes Mal hatte sie Angst vor dem, was passieren könnte. Aber das sagte sie keinem. Denn Angst war das Erste, was einem in der Army abtrainiert wurde. Angst lähmte, machte schwach und angreifbar. Darum behielt man sie besser einfach für sich, so wie sie es jeweils ziemlich verbissen tat und keinem je erzählte.
Aryana hatte sich nach kurzer Zeit ebenfalls vom Feuer weg in ihr Zelt begeben. Es gab immer vieles, worüber sie noch nachdenken könnte, aber wenig, was dann den Schlaf auch wirklich wert war. Denn Schlaf war heilig, wenn man tagsüber so viele Stunden so konzentriert bei der Sache sein sollte. Und das war wichtiger denn je, jetzt, wo sie immer mehr in Bedrängnis gerieten und Land verloren. Die nächsten zwei Wochen stagnierte die Lage weiter vor sich hin. Sie erlitten zwar kaum Verluste - in diesem Camp sogar gar keine, wofür sie drei Kreuze an die Decke malen würde, wenn sie eine hätte - aber sie kamen keinen Millimeter vorwärts. Alles, was sie planten, schien kläglich zu scheitern. Nicht so, dass dabei alle starben, aber so, dass sie nie wirklich einen Erfolg feiern konnten. Abgesehen vom Überleben eines weiteren Tages, natürlich. Und dann kam der unheilvolle Moment, auf den sie sorgenvoll fast schon gewartet hatten. Die Truppen des IS, die sie hier beschäftigten, die sie im Schacht hielten und dafür sorgten, dass sie nie weiter vor drangen und keinen Schaden anrichten konnten, kamen plötzlich näher. Aryana war dagegen gewesen, jetzt sofort einen Angriff zu starten. Das Ganze stank doch zum Himmel und war ein so plötzlicher Verteidigungsangriff nicht genau das, womit jeder rechnen würde? Aber letztendlich hatte sie nicht schnell genug eine Alternative bieten können und der Lieutenant hatte zu diesem Schritt gedrängt. Sofort, heute. Darum fuhren sie jetzt raus. Aryana hatte ihren Arsch in den Beifahrersitz gedrückt, weil sie zu beschäftigt war mit dem Betrachten der Schatten der Hügel, als dass sie gerne nebenbei noch ein Lenkrad geführt hätte. Aber die Hügel lagen ruhig da. Von Feinden keine Spur. Wie jedes verdammte Mal, wenn sie nicht gesehen werden wollten… Es blieb so ruhig wie immer - und zwar so lange, bis ein ohrenbetäubender Knall der Stille mit einer absoluten Endgültigkeit ein Ende setzte. Es dauerte trotz dem schrecklichen Pfeifen in ihren Ohren nur wenige Sekunden, bis Aryana begriffen hatte, was passiert war. Dass unter dem linken Vorderrad des führenden Wagens ihres Trupps eine Mine explodiert war. Dass das Fahrzeug abgeschrieben war. Und was viel schlimmer war - sie ihre Kollegen nicht sahen. Irgendwo zwanzig Meter weiter zwischen Metall und Steinen im braunen Staub lag ein halbes Bein. Verdammt!
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
[ mir würde als Alternative zu dem Wort auf nur Zeltvorhänge einfallen, obs ne wörtliche Übersetzung gibt weiß ich nicht. Hab's Wort noch nie gehört. XD ]
Die folgenden Tage vergingen beinahe wie im Flug. Zwar müsste ich lügen, um zu sagen, dass mich die Paranoia und die Angst nicht weiterhin plagten, aber sie ließen sich halbwegs im Zaum halten. Nicht zuletzt auch wegen Faye, die durch die lockeren Abende oft dazu beitrug, dass ich den Kopf ausschalten konnte. Nicht dauerhaft, aber ein paar Stunden ohne Flashbacks waren Balsam für die Seele. Weitere Zwischenfälle meinerseits hatte es nicht gegeben. Ich war noch immer weit davon entfernt einen wirklich kühlen Kopf im Gefecht zu haben, aber ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass es sich derartig schnell in Luft auflösen würde. Das beklemmende, einengende Gefühl, das jedes Mal dabei meine Kehle nach oben kroch und mir ganz eindeutig vermitteln wollte, dass ich schnellstmöglich das Weite suchen sollte, blieb bestehen. Die Zweifel daran, dass ich wieder an die Front zurück gekehrt war, hielten ebenfalls streng ihren Platz an meiner Seite. Die letzten Male, wenn wir den Posten verlassen hatten, hatte ich mich immer ganz gekonnt auf der Rückbank platziert. Mir hatte die innere Aufregung auch so schon immer gereicht, da brauchte ich nicht auch noch einen der Wagen zu lenken. Aber irgendwie war mir das heute einfach so auf den Schoß gefallen, ich hatte wohl oder übel hinter dem Steuer Platz nehmen müssen. Fahren konnte ich auch, das war nicht das Problem, aber zu innerer Ruhe trug diese zusätzliche Aufgabe jetzt nicht unbedingt bei. Meine Augen wanderten unaufhörlich über die umliegende Landschaft ohne das vordere Fahrzeug aus dem Blick zu verlieren, während ich bewusst ruhig zu atmen versuchte. Letzteres war eines der wenigen sinnvollen Dinge, die mir die Seelenklempner beigebracht hatten. Atmest du ruhig, bist du ruhig. Natürlich funktionierte auch das nur bis zu einem gewissen Punkt, aber es half die Nerven wenigstens nicht sofort über Bord zu werfen. Mit der Ruhe war es schlagartig vorbei, als die Druckwelle der Explosion unseren Wagen erfasste und der Knall mich für einen Moment taub werden ließ, dicht gefolgt von dem unaushaltbaren Pfeifen in den Ohren. Reflexartig hatte ich auf die Bremse getreten und das Fahrzeug gestoppt, verzog schmerzverzerrt das Gesicht, bevor ich den Blick beinahe starr geradeaus auf den explodierten Wagen richtete. Die Flammen begannen aus dem Wrack zu lodern, während eine Mischung aus dem Staub des leicht rötlichen Sands und dem Rauch die Luft erfüllte. Mein Gehörsinn kam nur langsam wieder zu sich, während das Adrenalin durch meine Adern zu rasen begann, wobei mein Kopf aber vollkommen leer gefegt war. Gar nicht fähig, überhaupt einen Gedanken zu fassen. Ich sollte aber spätestens jetzt, wo es schnell zu handeln galt, langsam wieder mit dem Denken anfangen, wo Mitch mir jetzt eine Waffe von hinten reichte.
Ich wusste, dass das eine beschissene Idee war. Keine Ahnung, was sich der Vollpfosten von Lieutenant dabei gedacht hatte, da jetzt einfach mal eben so hin zu marschieren und nach dem Rechten zu sehen. Es war von vornherein klar, dass das eine Falle war. Das plötzliche Auftauchen in Campnähe konnte schlicht und ergreifend kein Zufall sein. Zwar hatte ich keinen Brief erhalten - im übertragenen Sinne versteht sich -, dass ich mich doch besser von dieser Operation hier fernhalten sollte oder was allgemein Sache war, weil der Informationsfluss momentan nicht besonders gut war, aber das erkannte jeder Volltrottel. Außer unserer Führungsposition, wie mir scheint, der sich damit ganz einfach selbst als unterbelichtet zeigte. Aber hey, sich aufzuregen brachte in der Army bekanntlich nicht viel. Als dann das unvermeidliche Übel passierte, saß ich das erste mal seit gut zwei Wochen - irgendwas um den Dreh herum musste es her sein, dass wir Frischfleisch gekriegt hatten, ich vergaß die Zeit hier ziemlich schnell - wieder mit Aryana, Faye und dem guten Victor in einem Wagen. Ich hatte immer wieder mit Einem oder auch Zweien von ihnen ein Fahrzeug geteilt, aber das volle Ausmaß an Frauen- und Angsthasenbeteiligung bekam ich erst heute wieder. Sehr passend zum jetzigen Geschehen. Obwohl ich inzwischen einfach abgebrüht war, verleitete mich der Knall dazu, mich reflexartig zu ducken, während mein Puls erst einen Augenblick lang aussetzte, bevor er in die Höhe schlug. Meine Ohren pfiffen was das Zeug hielt, als ich einen Blick nach vorne durch die Frontscheibe warf - ja, der Wagen war eindeutig hin. Ob und wie Viele das überlebt hatten ebenfalls sehr fragwürdig, angesichts der ein oder zwei abgetrennten Gliedmaßen, die den Sand zierten. Die verbliebenen beiden Fahrzeuge zu bewegen wäre blanker Wahnsinn angesichts der Tatsache, dass das ganz sicher nicht die letzte Mine war, die sie im nahen Umkreis verteilt hatten. Im Grunde konnte man also nur sicher sagen, dass der Weg von diesem Fahrzeug bis zum nächsten keine weiteren Minen barg, alles Andere wäre reine Spekulation und lebensmüde. Noch bevor ein Befehl seitens Cooper kam, griff ich nach Victors Waffe, um sie ihm nach vorne zu reichen. Dauerte wieder kurz, bis er das realisierte, aber er nahm sie entgegen. Angesichts der Situation für ihn vermutlich schon eine Meisterleistung, ich wollte mich also - noch - nicht weiter beschweren. Während die ersten Kugeln die Panzerung unseres Wagens zu knacken versuchten, lud ich dann meine eigene Waffe, noch immer fast taub, aber konzentriert. Wollten wir noch an den explodierten Wagen vor uns heran kommen, um zu sehen wer noch zu retten war, dann musste das schnell gehen. Bis jetzt hüllte der Staub die Luft der nahen Umgebung in einen Schleier und bot uns immerhin ein wenig Sichtschutz. Sonst hatten wir hier sehr schlechte Karten, es war nicht mal der Hauch einer Deckungsmöglichkeit in der Nähe, nichts als Sand und Geröll.
Naaaa, ich weiss nicht, Zeltvorhang kling sehr falsch… x’D Guckste hier das nennt man in meinem Land so… x’D _______
Sie liess sich keine Sekunde länger Zeit, um das Geschehen zu beobachten. Aryanas Blick wanderte nur kurz nach hinten, während sie schon dabei war, ihre Waffe zu laden. „Fahr ran, so dicht du kannst“, richtete sie sich mit wenigen Worten an Victor, ehe sie das Funkgerät zückte und den Wagen hinter ihnen anwies, das Gleiche zu tun, ihnen mit einem Abstand von nicht weniger als vier Meter zu folgen und auf keinen Fall von der Spur abzuweichen, die sie in den Staub der Strasse gefahren hatten. Ohne das Funkgerät abzusetzen, richtete sie sich dann ans Camp. Genau genommen an Lieutenant Warren. Oh, sie würde ihm so gerne sagen, was für ein verdammter Dummkopf er doch war! Aber es war ja nicht sein Leben, welches er mit solchen Befehlen so leichtfertig in den Sand setzte. Und jeder hier dachte, dass es auch ihre Idee gewesen war, weil sie als Sergeant bei diesen Entscheidungen theoretisch mit einbezogen wurde und eine Aktion wie diese mit absegnete. Und Aryana konnte diesen Glauben nicht untergraben, da sie zur absoluten Loyalität verpflichtet war und es nicht intelligent wäre, sich gegen Warren zu stellen. Aber das war ein Problem für später, weshalb sie weder einen weiteren Gedanken daran verschwendete, noch dem Lieutenant wirklich irgendwelche Kritik entgegenbrachte. Sie zählte nur die Fakten auf, während sie umgehend die schnellst verfügbare Verstärkung anforderte. Dann tastete ihr Blick die Umgebung ab, die sich noch immer sehr schwer erkennbar hinter Staub und Rauch verbarg. „Schiesst, sobald ihr etwas erkennt, aber geht nicht aus den Autos", wies sie nun die verbleibenden Leute ihres Trupps an, weil es das Einzige war, was irgendwie Sinn ergab. Sobald sie zum vorderen Wagen aufgeschlossen hatten, unter dessen zerstörten Motorhaube bereits die giftigen Flammen hervorzüngelten, blickte die Brünette sich nochmal um. Noch immer sah man kaum weiter als bis zum nächsten Fahrzeug. Und es würde auch noch einen Moment dauern, bis sich der Staub abgesenkt hatte. Es war ihre einzige Chance, zu den Verletzten zu kommen, bevor es für alle zu spät war - aber trotzdem verdammt riskant, im Anbetracht der Tatsache, dass schon jetzt vereinzelte Kugeln gegen den Stahl des Wagens prallten. Doch sie hatte keine Zeit zu denken. Und so tat sie, was sie immer tat, in solchen Momenten: Beten und schiessen und handeln und hoffen. Sie wandte sich mit den alles aussagenden Worten „ihr könnt hier bleiben“, an die anderen drei Insassen dieses Autos, wobei ihr Blick für den Bruchteil einer Sekunde den ihrer Schwester streifte. Aryanas Augen sprachen laut genug, dass sie den Befehl nicht mal aussprechen musste. Lediglich ein kaum sichtbares Kopfschütteln unterstützte ihren Gesichtsausdruck. Das war ein Nein. Sie löste die Verriegelung ihrer Tür, sprang in den sandigen Untergrund, duckte sich so tief wie möglich, während sie mit wenigen Schritten das Wrack des halb zerstörten Autos erreichte.
Sie hatte die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut. Aber zur Seite und zu den Hügeln - nicht nach vorne. So zuckte Faye beim schrecklichen Dröhnen der Explosion erstmal so stark zusammen, dass sie beinahe im Fussraum des Wagens verschwand. Und als sie zwei Sekunden später mit pochendem Herzen die Augen wieder aufriss, die Zerstörung erblickte, stockte ihr unwillkürlich der Atem. Nein. Fuck, nein! Auch sie brauchte nicht lange zu denken, bevor sie ihre Waffe gezückt hatte, das ihr so ungeliebte Teil sofort lud. Sie wollte nicht schiessen, aber sie konnte nicht einfach rumsitzen und sich darauf verlassen, dass die anderen sie retteten. Das war nicht ihre Aufgabe. Als Victor näher zu dem halb gesprengten Wagen gefahren war, traf Fayes Blick die Augen ihrer Schwester. Das war ein Nein und sie wusste es – sie hatte es schon vorher gewusst. Aber Aryana tat es selber. Sie ging einfach raus! Ja, es wäre sehr dumm, jetzt die Tür auf zu machen und ihr zu folgen, aber da vorne starben ihre Kollegen und sie könnte sie vielleicht noch retten - vielleicht gäbe es einen Weg, irgendwas, was sie tun könnte, damit sie überlebten, sie waren so nah..! Und Faye konnte sie nicht sterben lassen. Fast unmittelbar nach Aryana, hatte auch sie die Tür aufgestossen, huschte durch den Sand zu den Überresten des vorderen Wagens, ihren Rucksack geschultert und die Waffe zwischen den Fingern. Eine Kugel zerschnitt die Luft, direkt über ihr. Wäre Faye aufrecht gerannt, hätte das Geschoss sie getroffen. Verdammt, sie musste schneller sein, viel schneller! Bei dem anderen Fahrzeug angekommen, war die Lage relativ schnell aufgenommen. Der Beifahrer - Kyle - lag im Sterben. Die Mine hatte das Auto vorne links getroffen, seine Beine waren weg, seine linke Hand auch. Aber er war noch bei Bewusstsein. Nicht mehr lange, aber er war da, bekam alles mit, während er stöhnte und schrie und langsam verblutete. Aryana war bei ihm. Redete viel zu ruhig auf den halben Körper ein, während sie versuchte, sich und ihn aus dem Auto in den Schutz der Wrackteile zu ziehen. Sie wusste, dass er starb. Jeder wusste es. Aber sie liess trotzdem nicht von ihm ab. Faye hatte ihren Rucksack auf den Boden geworfen, wühlte mit hastigen Bewegungen darin herum, fand schnell, was sie suchte, zog die Spritze auf und warf sie ihrer Schwester zu. „In die Vene, sofort“, wies sie die Brünette an, die ohne Einwand sofort tat, was sie sollte. Es war sinnlos, Faye wusste es, aber selbst mit diesen Verletzungen dauerte das Verbluten einen Moment. Und wenn er schon starb, dann wenigstens ohne Angst. Das war das Einzige, was sie tun konnte. Matt, der hinter Kyle gesessen hatte, war übersät von blutigen Schnitten und Wunden, sein linker Arm hing schlaff an seiner Seite, während er mit Rechts vollkommen ausser sich versuchte, seine Waffe zu laden, sich hinter den Resten seiner Tür zu verschanzen. Der Fahrer, Kenan, war bewusstlos zusammengesackt. In seinem rechten Auge steckte ein Stück Metall. Sein ganzes Gesicht war blutüberströmt. Und auch sein Körper war, so viel sie erkennen konnte, voller Wunden der Glassplitter, die zum Teil noch unter der Haut in seinen nutzlosen Kleidern steckten. Auch der vierte Insasse, Simon, war bewusstlos. Lag ebenso verdreht und voller Blut halb im Fussraum der Rückbank. Faye zerrte Simon aus dem brennenden Wagen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das ganze Fahrzeug brannte, sie konnte ihn nicht einfach da drin lassen. Im Sand lagerte sie ihn in einer möglichst flachen Position, in der er so wenig Angriffsfläche wie möglich bot, aber wenigstens nicht Ersticken sollte. Dann stürzte sie zu Kenan, riss ihn von seinem Sitz ebenfalls in den Sand neben dem Auto, flach auf den Boden. Erst jetzt sah sie das zweite, mindestens zwanzig Zentimeter lange Stück Metall, das in seinem Bauch steckte und sie sofort innehalten liess. Verdammt. Sie konnte nicht hier im Sand auf dem Boden, im sich lichtenden Schutz des Staubes, mitten in der Wüste, im Feuer ihrer Feinde eine solche Verletzung verarzten. Sie würden beide sterben.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
[neja wenns die am Eingang sind kommts schon hin XD Ansonsten is der "Rest vom Zelt" bei uns einfach die Zeltplane (egal aus welchem Material's is) o.o x'D]
Es dauerte nicht lange, bis ich anfing zu zittern. Kein leichtes Zittern, wie man es bekam, wenn man mal nicht genug gegessen hatte und der Kreislauf langsam den Notstand ausrief, die Finger anfingen zu zittern. Nein, mein gesamter Körper fing an zu vibrieren und ich war absolut machtlos gegen sämtliche äußeren Einflüsse. Auch Aryanas Befehl erklang nur sehr schwammig in meinen Ohren. Es verlangte mir sämtliche Reste der wenigen, verbliebenen Konzentration ab den Wagen erneut in Bewegung zu setzen und zu dem Wrack vor uns aufzuschließen. Die Waffe ruhte dabei auf meinem Schoß, wo ich sie am liebsten auch einfach weiterhin liegen lassen würde. Ich wünschte mir in diesem Moment Nichts sehnlicher, als niemals zur Army gegangen zu sein. Niemals auch nur einen Hauch davon erfahren zu haben, wie es im Krieg wirklich war. Keines dieser Bilder gesehen zu haben. Ich war heilfroh einfach im Wagen bleiben zu können und wusste auch nicht, ob mein Körper überhaupt im Stande dazu gewesen wäre, mich nach draußen zu bewegen. Die Angst saß mir in den Knochen, als ich die Waffe lud und mich dabei aus altgewohntem Drill so unsichtbar wie möglich für die Angreifer machte. Dass ich wieder und wieder für ein paar Sekunden die Luft anhielt fiel mir immer nur dann auf, wenn der Sauerstoff in der Lunge knapp und es deshalb unangenehm wurde. Für einen Augenblick schloss ich die Lider im verzweifelten Versuch die Gedanken zu fokussieren, kurz bevor vom Rücksitz seitens Mitch ein paar Worte kamen. Er musste sie nochmal wiederholen, damit sie eindeutig zu mir durchdrangen und ich den Kopf schüttelte. Kurz darauf hob ich die Waffe an, um seinen Worten zu folgen. Irgendwo zu unserer rechten schien er sie entdeckt zu haben, jedenfalls einen Teil von ihnen. Alle konnten es nicht sein, so wie die Kugeln hier auf uns einhagelten.
Aryana schien es mit ihren gestrigen Worten doch tatsächlich sehr ernst gemeint zu haben - bevor sie jemand Anderen in die direkte Schusslinie schickte, ging sie selbst. Sie war schnell aus dem Wagen verschwunden, ihre Schwester im Schlepptau. So hatte ich immerhin mehr Platz und konnte mich im hinteren Bereich des Fahrzeugs breit machen ohne irgendwem ins Gehege zu kommen. Die Fensterscheibe zu meiner Seite war hinüber, das angeblich ultra sichere Panzerglas gebrochen. Ewig hielt Glas halt schlichtweg nicht, ich war nur froh drum nicht von der Kugel erwischt worden zu sein. Ich kniete mich in den Fußraum und legte den Lauf der Waffe an der unteren Kante des Fensters an, sah durch das Zielfernrohr. Es dauerte - dank des blöden Staubs - trotz Vergrößerung einige Sekunden, bis ich erkennen konnte, wo ein Teil der Schüsse her kam. Die sandfarbenen Klamotten kamen dem gegnerischen Lager dabei sehr zu Gute, hatten sie ausnahmsweise tatsächlich mal mitgedacht. "Vier Uhr." gab ich zwar laut, aber meinerseits ruhig und fokussiert einen Hinweis an Victor, der bis dato weder was gesagt, noch getan hatte. Er reagierte auch nicht wirklich, weswegen ein paar zynischere Worte zwischen meinen Schüssen folgten. "Gottverdammt nochmal, fang an zu schießen du Idiot! VIER UHR!" schrie ich ihn dann förmlich an und warf einen kurzen Blick über meine Schulter zu ihm nach vorne, bevor ich mich wieder darauf konzentrierte, den Jungs in Tarnklamotten den Gar aus zu machen. Sehr zu meinem Missfallen bemerkten sie ziemlich schnell, woher die Schüsse kamen und feuerten umso mehr in meine Richtung, weshalb ich mich zwischendurch immer wieder ducken musste. Die Bedingungen waren gelinde gesagt gerade ziemlich bescheiden. Wider erwarten huschte kurz darauf auf der anderen Seite des Fahrzeugs einer unserer Soldaten aus dem hinteren Wagen vorbei. Sofern ich den Kopf heben und es sehen konnte, kam er auch unversehrt am Wrack an, schien den beiden Frauen beim Tragen - oder besser gesagt Schleifen - helfen zu wollen. Sie sollten sich da vorne nicht länger aufhalten als nötig, standen sie da doch ziemlich schutzlos, was den Guten wohl zum Handeln verleitet hatte. Immerhin bekam der Mann hinterm Steuer es jetzt auch hin zu schießen und das sogar recht effektiv, erwischte er doch einen oder zwei, bevor es wieder ein jähes Ende nahm. Es kam ein erstickter Schrei seinerseits und ich duckte mich wieder, um gefahrlos zu ihm nach vorne sehen zu können. Für ihn war das vermutlich jetzt wieder der Weltuntergang, aber es war nur ein Streifschuss an seinem Oberarm, nicht mal tief. Er würde also überleben, was meinen Fokus ohne Umschweife wieder auf das Abschießen des gegnerischen Lagers legte. Es fing an besser zu laufen, vom Invaliden auf dem Vordersitz abgesehen. Ich erwischte den ersten, wenige Sekunden später dann den zweiten.
Naja, dann werde ich mich wohl damit abfinden, dass es keine Übersetzung gibt und wir das jetzt Zeltplane nennen müssen. x’D __________
„Sag mir, was ich ihnen ausrichten soll, Kyle. Ich kann es mir merken, ich werde ihnen alles sagen“, ihre Stimme war ruhig, fast sanft. Aryana sprach vollkommen kontrolliert, während sie sich neben den Überresten des noch heute Morgen nur so vor Kraft strotzenden jungen Mannes kniete. Sich in den Schatten des Autos duckte und sich zwang, ihm ins bleiche, panische Gesicht zu blicken und den Rest nicht zu beachten. Die elende Blutspur, die sie gezogen hatte, als sie ihn hierher geschleift hatte. Sein halb weggerissener Unterleib. All die Wunden, all das Blut... Sie hielt einfach nur seine Hand, strich immer wieder über sein verzerrtes Gesicht, das sich seit der Spritze langsam aber beständig entspannter zeigte. Und er schien ihr zuzuhören, erinnerte sich. Er sagte ihr alles, während die Schüsse ihnen um die Ohren pfiffen. Es grenzte an ein Wunder, dass die junge Frau nicht getroffen wurde - wo sie doch gegen eine Seite fast vollkommen schutzlos dasass, egal wie sehr sie sich gegen das Heck des Autos presste. Kyle stiess immer wieder ein paar mühsame Worte aus, hustete erneut, bis Aryana komplett mit seinem Blut besprenkelt war. Die Worte wurden immer weniger, immer zusammenhangsloser. Aber sie merkte sich jedes einzelne, speicherte alles ab und blieb sitzen. Sie wusste, dass ihr die Zeit davon rannte. Aber wie sollte sie aufstehen und weg, während er starb und noch so viel zu sagen hatte?? Was, wenn ihr Bruder genau so gestorben war? Alleine, ohne dass ihm jemand zugehört hatte bei den wichtigsten Worten, die er in seinem Leben hatte sprechen wollen? Es war nur ein kurzer Gedanke, aber er reichte aus, dass sie Kyle noch etwas näher zog, sich etwas kleiner machte. Nur noch eine Minute, eine einzige kleine Minute. Das musste reichen. Doch der Schleier um sie lichtete sich. Der Staub senkte sich ab. Es wurde immer gefährlicher und sie wusste es. Ihre Schwester war immer noch draussen, zwar nicht mehr alleine, aber sie hatte sich nicht in Sicherheit gebracht. Aryana strich ein letztes Mal über sein Gesicht. Seine Augen waren mittlerweile zugefallen. Fast zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab, eindeutig dem Betäubungsmittel zu verdanken. "Geh in Frieden, ich werde deine Geschichten erzählen, Kyle Sanders. Niemand wird dich je vergessen", flüsterte sie, drückte seine Hand ein letztes Mal und er nickte halb, kraftlos. "Danke... du... solltest... gehen... Sie brauchen... brauchen dich", hauchte Kyle und genau das war es, was sie tat. "Es tut mir leid. Es sollte nie so sein", sie ging. Mit Tränen in den Augen, die nie jemand sehen würde. Ohne ihn. Denn er war tot. Und sie lebte. Aryana riss Sekunden später vollkommen mechanisch Matts Tür auf, die sowieso längst eingeschossen war. Sie zerrte den unter Schock stehenden Mann aus dem immer stärker brennenden Wagen, rannte mit ihm zum zweiten Fahrzeug und verfrachtete ihn auf den Rücksitz. Hauptsache in Deckung. Er nestelte noch immer mit einer Hand an seiner Waffe rum und sie wies ihn dazu an, damit aufzuhören und sich einfach nur zu ducken, was ziemlich gut funktionierte, da es das Einzige war, wozu er gerade im Stande war. Sie selber schwang sich wieder auf den Beifahrersitz, riss die Tür hinter sich zu und begann unmittelbar zu schiessen. So weit sie das erkennen konnte, waren alle wieder in den Autos. Ein weiteres Wunder. Jetzt hielt es durchhalten, bis die Verstärkung hier war und hoffen, dass es reichte. Das war alles, was sie tun konnten - schon wieder Beten und Schiessen und Hoffen.
Faye konnte nicht mehr tun, als an den schlaffen Körpern zu zerren und zu versuchen, sie in Deckung zu bringen. Michael erschien wie ein Engel, als er auf sie zu eilte, sich sofort Simon über die Schulter warf und diesen auf die Rückbank des dritten Wagens, der mittlerweile direkt hinter dem Zweiten stand, versorgte. Michael bewegte sich schnell und flink wie ein Schatten, während ihre Deckung immer weiter schwand. Er kehrte zu ihr zurück griff Kenan unter die Arme, schleifte ihn hinter sich her. "Hinten rein, ich muss schauen, ob ich was machen kann", wies Faye ihn an, während sie sich ihren Rucksack schnappte und Michael beim Tragen half. In diesem Moment war nicht mal ersichtlich, ob sie eine Leiche oder einen Schwerverletzten herumtrugen, Faye hatte keine Ahnung. Umso dringender mussten sie alle wieder irgendwo hinter die Barrikaden. Noch während sie sich den Fahrzeugen entlang schleppten, schrie Michael plötzlich auf, knickte ein und schleifte sich weiter. Die Hose an seinem Oberschenkel tränkte sich mit Blut. Seinem Eigenen. Viel davon. Und schon wieder konnte sie absolut gar nichts tun. Sie war so hilflos - es machte sie fertig! Michael versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, schaffte es irgendwie, Kenan hinten in den engen Frachtraum des zweiten Wagens zu heben, wo Faye sich direkt neben ihm rein schwang. Es war wenig Platz, aber genug, um Kenan hinzulegen, damit sie endlich die Wunde an seinem Bauch anschauen konnte. Michael kauerte neben ihr, hinter den wieder verschlossenen Türen. Er war dabei, sich einen Druckverband anzulegen, während die junge Frau mit immer mehr Klarheit feststellen musste, dass die Bauchwunde ihres Kollegen von ihr nicht behandelt werden konnte. Sie hatte mittlerweile seine Kleidung aufgeschnitten um es sich anzuschauen. Aber das Metall steckte genauso tief, wie sie vorher schon vermutet hatte. Sie konnte es nicht rausreissen, ohne dass er verbluten würde, bis sie wieder im Camp waren. Sie konnte nichts tun, ausser alles zu fixieren und abzubinden. Das Gleiche galt für sein Auge. Machtlos. Das war alles, was sie fühlte. Vollkommene Hilflosigkeit. Sie half Michael mit dem Verband. Zwang ihm auf ihr Drängen hin ein Schmerzmittel auf. Beträufelte Kenans Lippen mit Wasser. Und sie wartete. Es war zu gefährlich, um nochmal auszusteigen. Und sie konnte niemandem helfen, da wo sie jetzt sass. So viele Jahre Ausbildung - für das. Damit sie dann hier sass und einfach gar nichts tun konnte, ohne jemanden zu töten oder selber getötet zu werden!
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
[du kannst auch einfach das andere Wort benutzen, ich weiß ja jetzt, was es ist XD haha. Ich hoff ich werf' die Namen der Soldaten jetzt nüsch durcheinander, wenn doch tuts mir leid XD bin heute sehr verpeilt. ]
Es verlangte mir wirklich Alles ab, meinen Pflichten nachzukommen und so gut es ging Deckung und Ablenkung für die beiden Schwestern zu bieten. Das Problem war weniger das Schießen an sich, sondern der Weg bis dahin. Den Kopf klar genug zu kriegen, um zu handeln und halbwegs fokussiert schießen zu können. War ich dann tatsächlich bis dahin gekommen schaltete mein Gehirn auf Automatik, hatte ich diesen Ablauf doch früher schon unzählige Male durchlaufen und wusste sämtliche einzuleitende Schritte in- und auswendig. So fiel es mir jetzt an sich auch nicht mehr allzu schwer die Waffe zu nutzen und zu schießen so gut es in meiner Position ging, bot der vordere Teil des Wagens weniger Deckung als der hintere. Dementsprechend eingeschränkt war meine Handlungsfreiheit, aber ich schoss so gut es möglich war. Dann durchschnitt eine Kugel hörbar die Luft und nutzte meinen Oberarm als Bremse. Der sofort einsetzende Schmerz presste mir die Luft aus der Lunge und ich ließ die Waffe sinken, um mich stärker in den Fahrersitz zu drücken. Ich versuchte tief durchzuatmen, aber es fühlte sich nicht so an, als würde Sauerstoff in meiner Lunge ankommen. Als mein Blick auf meinen Oberarm sank und ich mir die Wunde besah, bekam ich noch immer keine Luft. Das Adrenalin pumpte weiter durch meinen Körper, den Schmerz konnte es mir aber nicht nehmen. Ich kniff die Augen zusammen und legte den Kopf in den Nacken, als die freie Hand ihren Weg zu der Wunde fand und den Stoff der Jacke, der an der Stelle noch übrig war, auf die Wunde presste. Sie war nicht besonders tief, blutete aber ordentlich, vergleichbar mit einer ziemlich großen Schnittwunde, nur hatte die Kugel etwas mehr als die oberen Hautschichten mitgenommen. Die Augen geschlossen zu halten war keine gute Idee - vor meinem inneren Auge blitzten vergangene Bilder meines zerschundenen Körpers auf, die mich die Lider schnell wieder öffnen ließen. Ich atmete schnell und unregelmäßig, aber Sauerstoff? Immernoch Fehlanzeige. Es dauerte noch einige weitere Sekunden in denen uns die Kugeln um die Ohren flogen, bis ich selbst realisierte, dass ich hyperventilierte. Es war nicht das erste Mal, dass mir das seit dem Trauma passierte, aber ich tat mir auch jetzt wieder schwer damit, es in den Griff zu kriegen.
Auch, wenn ich mit den beiden Coopers nicht sonderlich dicke war, war ich doch froh, als beide wieder unversehrt bei uns ankamen. Michael hatte es auf dem Rückweg erwischt, weshalb er sich die Aufgabe den hinteren Teil des Wagens voll zu bluten mit dem anderen Soldaten teilte. Ich wollte ja nicht negativ eingestellt klingen, aber für Kenan sah es schlecht aus. Verdammt schlecht. Die Sekunden, in denen sie am Wagen vorbei gehuscht waren, hatten ausgereicht, um das zu erkennen. Das war verdammt viel Blut gewesen, zu viel. Selbst wenn er es auf Biegen und Brechen noch lebend bis zum Camp schaffen würde, bis dahin noch atmete, musste ein Wunder her, damit er derartige Verletzungen überlebte. Mann Nummer Vier hatte es gar nicht mehr bis zu einem der Wagen schaffen müssen, war gefallen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ich Jemanden auf sehr unschöne Weise hätte sterben sehen, aber ich war dennoch immer froh, wenn ich derartige Verletzungen, Verstümmelungen nicht mit ansehen musste. Das war eines der wenigen Dinge, die selbst einem Kerl wie mir gerne Alpträume bescherten. Ich warf zwischen den Schüssen einen Kontrollblick auf den Kerl neben mir auf der Rückbank. Sein Zustand schien stabil - er war bei Bewusstsein und atmete. Sein Arm sah alles Andere als gesund aus, vermutlich mehrfach gebrochen. Ob er den wieder vollständig nutzen können und sich alle Nerven wieder regenerieren würden war fragwürdig, aber immerhin war er noch dran. Die Schnittwunden waren übel und würden ihm ohne Schmerzmittel sicher einige Zeit sehr zu schaffen machen, aber er würde überleben. Ich war auch froh darüber, dass Aryana ihm förmlich verbot zu schießen - er wäre in seinem Zustand keine Hilfe, käme mir am Ende nur unnötig in die Quere. Der Kugelhagel wurde dichter. Vermutlich als letzte harte Instanz, ich hörte von weitem Motorengeräusche. Es wurde wirklich Zeit, dass die Verstärkung hier eintraf, lange hätten wir die Stellung hier zweifelsohne nicht mehr halten können. Zwar hielt der Stahl der Verkleidung den Kugeln lange stand, aber früher oder später hätten sie auch den durchsiebt. Die Nachhut kam deutlich besser ausgerüstet als wir daher, hörte ich kurz darauf die noch einmal wesentlich lauteren Schüsse eines Dach-Geschützes. Gut zwei Minuten mussten wir den Lärm noch aushalten, dann wurden es zunehmend weniger Kugeln und schließlich kehrte die lang ersehnte Ruhe ein. Ich zog den Lauf der Waffe vom Fenster und atmete einmal hörbar tief durch, stieß die Luft angestrengt wieder aus. Von Glück konnte ich reden, weil ich nicht getroffen worden war und das Karma es noch immer gut mit mir zu meinen schien. Als kurz darauf sicher war, dass keine weiteren Schüsse fliegen würden, richtete ich mich noch immer auf der Hut wieder auf, bevor ich aufstand und auf den freien Platz auf dem Rücksitz sank. Matt hatte auch da schon Blut verloren, was mir aber herzlich egal war. Einfach einen Moment lang sitzen und durchatmen... apropos Durchatmen: Unserem Häschen da vorne schien ordentlich die Pumpe zu gehen.
Ja, stimmt eigentlich. xD Und ich glaube, die Namen waren richtig. :3 _______________
Sie hatte vollkommen abgeschaltet. Das musste sie immer tun, wenn sowas passierte. Sonst verlor sie den Verstand, sonst begann sie, irrational zu handeln, sich und alle anderen vollkommen leichtsinnig in Gefahr zu bringen. Das wusste sie, weil es schon passiert war. Früher. Jetzt nicht mehr, denn jetzt wusste sie, wie sie sich taub stellen konnte. Einfach schiessen und abwarten. Und sie zielte gut - besser als die meisten Kerle, aber das war auch kein Wunder, nachdem die junge Perfektionistin Jahre ihres Lebens genau dieser Aufgabe gewidmet hatte. Irgendwann wurden die Schüsse weniger und das Funkgerät kündete überflüssigerweise die Verstärkung an, die sie längst hatten kommen hören. Die Gegner verzogen sich und als der Letzte von ihnen verschwunden war, legte Aryana die Waffe nieder. Erst jetzt fiel ihr Blick auf Victor und das auch nur, weil sie ihn atmen hörte in der Stille, die für ein paar Sekunden einkehrte. „Victor, atme ein, sofort. Bis in den Bauch. Es ist vorbei“, ihre Stimme hatte einen anderen Ton angenommen, als dies üblicherweise der Fall war - aber dem Kerl hinterm Steuer dürfte das gerade wenig auffallen. Sie nahm seine Hand von der Wunde, presste stattdessen ihre eigenen Finger drauf, während sie Victors Hand auf seinen Bauch legte. „Deine Finger müssen die Luft in deinen Lungen spüren, hörst du?“, wies sie ihn klar zu einer klassischen Technik an, die er selber sicher schon des Öfteren kennen gelernt hatte, so wie sie ihn einschätzte. Dann wühlte sie einen Moment unter ihrem Sitz, bis sie den Verbandkasten hervorriss und ihm gleich darauf einen Druckverband um den Arm bastelte. Musste für den Moment reichen. Dann schwang sie sich auch schon aus dem Wagen, um dabei zu helfen, alle Verletzten irgendwie sicher zu lagern, und die Überreste von Kyle einzusammeln. Eine grausame Arbeit. Aber sie tat es, weil sie wusste, dass es auch sonst niemand gerne machte. Und ihn liegen lassen kam gar nicht in Frage. Als sie damit innert kürzester Zeit fertig waren, die Brünette mittlerweile blass wie eine Kalkwand, während die gleiche, ausdruckslose Maske ihre Gefühle verbarg, löste sie Victor hinter dem Steuer ab, bedeutete ihm, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Die Autos wurden gewendet und der Rückweg angetreten. Ein Toter. Einer arg auf der Kippe. Und mindestens vier weitere Verletzte. Ein absolutes Desaster, das nie hätte passieren müssen. Welch sinnlose Verschwendung.
Es fielen so viele Schüsse und alles fühlte sich an wie ein schrecklicher Alptraum. Genau das war es, wovor Faye sich so gefürchtet hatte: Alleine mit einem Schwerverletzten im Gefecht ausharren zu müssen und absolut nichts tun zu können. Es musste doch etwas geben, sie hatte sicher was gelernt, wieso fiel es ihr nicht ein?! Sie klammerte sich an Kenans Hand, betrachtete mit grossen Augen voller Angst sein malträtiertes Gesicht. Aber er kam nicht zurück, stöhnte zwischendurch aber regte sich sonst überhaupt nicht. Die Schüsse wurden weniger, aber es spielte keine Rolle. Sie müssten längst im Camp sein, wenn sie den Blonden noch retten wollte. Aber weitere Minuten verstrichen, bis der Lärm verklang und alle in den verbleibenden Fahrzeugen Platz gefunden hatten. Sie fuhren zurück, der Weg war holprig und schrecklich und Faye verbrachte die Fahrt damit, Kenan mit allem, was in ihrer Macht stand, am Leben zu erhalten. Irgendwie schaffte sie es auch und nach der kurzen Fahrt, die sich für sie wie Stunden anfühlte, waren sie zurück. Der Arzt, welcher während ihrer Abwesenheit von einem anderen Camp eingeflogen worden war, war sofort zur Stelle und sie rannte neben ihm her auf die Krankenstation, wo Kenan gerade auf eine Art Operationstisch gelegt wurde. Der Arzt tat, was in seinen Mächten stand, sie unterstützte ihn dabei mit allem, was sie gelernt hatte und allem, was sie irgendwie tun konnte. Aber es sollte trotzdem umsonst sein. Nichtmal zehn Minuten vergingen und der Ausdruck der Ernüchterung zeichnete sich auf dem Gesicht des älteren Mannes ab. Sie hatten den Blonden verloren. Es war zu spät gewesen. Sie hatte zu wenig gemacht. Faye brauchte nichts mehr zu probieren, sie wusste, dass es zwecklos war, auch wenn sie es nicht akzeptieren wollte. Der Arzt hatte das eine Metall aus der Haut und das andere aus dem Auge entfernt und begann bereits, das Blut von der blassen Haut zu waschen, um den Mann anschliessend in ein weisses Tuch zu hüllen. Sie verliess den Raum - wortlos aber so eindeutig verstört, dass ein Blinder ihr den Schock und die Vorwürfe aus den Augen hätte lesen können. Ihre Schritte trugen die Brünette nur ein Zelt weiter, wo die anderen Verletzten warteten. Sie sagte weiterhin kein Wort, als sie die Schnitt und Schusswunden versorgte, die sich ihr offenbarten. Und keiner sagte ein Wort zu ihr, denn sie wussten alle, warum sie schon bei ihnen war. Faye reinigte konzentriert all die Schnittwunden auf Matts zitterndem Körper. Renkte seine Schulter wieder ein. Den Rest seines Arms behandelte sie nicht. Dieses Camp war nicht für eine solche Operation ausgerüstet, er würde mit dem Arzt und den Toten wegfliegen. Sie pulte die Kugel aus Michaels Oberschenkel, nähte die Einschussstelle und verband sein Bein. Auch er würde fliegen, war momentan ja kaum mehr im Stande, normal zu gehen. Sam hatte einen Streifschuss an der Rippe erlitten, die gereinigt werden musste. Er war ebenfalls nicht mehr im Stande weiter zu kämpfen und würde sie verlassen. Sie wandte sich dem nächsten Patienten zu, ohne ihn anzuschauen. Im ersten Moment erkannte sie Victor nicht mal. Sah nur seine Wunde und griff zu den passenden Instrumenten, um diese zu reinigen und nähen. Ohne zu denken. Das waren Abläufe, die sie tausend Mal geübt hatte. Nichts leichter als ein Streifschuss. Nichts einfacher als das.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Nachdem ich - mit Aryanas Hilfe, was mir auch unangenehm war - meine Atmung wieder im Griff hatte, vergingen die folgenden Minuten wie im Flug. Der Schmerz am Arm hielt an, während ich die Rückfahrt über mit Flashbacks zu kämpfen hatte. Ich war darum bemüht, es mir nicht ansehen zu lassen - was mit Sicherheit wie immer eher weniger gut funktionierte -, aber mein Kopf fuhr Achterbahn. Die Stimmen von außen drangen nur wenig bis gar nicht zu mir durch, klangen allesamt nur sehr dumpf im Hintergrund. Der chronische Pseudoschmerz der Narben am Rücken sagte auch mal wieder Hallo, hatte er sich doch die letzten Tage über ziemlich zurückgehalten. Diese Glückssträhne war jetzt beendet und ich schleppte mich kraftlos vom demolierten Fahrzeug bis zum Zelt der Sanitäter, als letzter und wohl am wenigsten stark verletzter. Dort versuchte ich den Fokus mehr auf die Anderen, als auf mich zu legen, bis ich an der Reihe war. Dabei kam ich mir nach und nach immer mehr wie der größte Jammerlappen auf dem ganzen Planeten vor. Es war nicht mehr als ein ungefährlicher Streifschuss, den ich da am Arm hatte, während die Anderen weit schlimmer betroffen waren, auch an weitaus ungünstigeren Körperstellen. Den Arm nicht zu belasten war leicht, aber nur ein Bein zum Gehen war beschissen. Genauso wie der Schuss an den Rippen, der bei jedem Atemzug schmerzen würde, bei jeder noch so kleinen Regung des Körpers. Warum konnte mein gottverdammter Schädel sich nicht einfach zusammenreißen? Es war nur eine weitere Narbe, die bei den zahlreichen anderen nach ein paar Wochen nicht einmal mehr wirklich auffallen würde. Angeblich sollten Dinge, die einen nicht umbrachten, ja stärker machen, aber ich fühlte mich viel mehr so, als würde es immer schlimmer werden. Als würde das Karussell sich immer schneller drehen und die Fahrt nie ein Ende finden. Erst als dann Jemand gezielt in meine Richtung kam, unterbrach das meinen Gedankenfluss und ich sah zu der Person auf, die sich als Niemand geringeres als Faye herausstellte. Auf dem Feldbett sitzend musterte ich die junge Frau und stellte dabei recht schnell fest, dass es ihr wohl kaum besser ging als mir. Der Gesichtsausdruck der Brünetten war so ungewohnt ausdruckslos und sagte trotzdem unfassbar viel aus, während sie dabei war meine Wunde zu reinigen. Letzteres ließ mich kurz zucken, obwohl ich das Brennen von Desinfektionsmittel zu genüge kannte. Es war erschreckend, dass ich die Einstiche der Nadel hingegen schon fast gar nicht mehr spürte. Ob das jetzt gut oder schlecht war, darüber ließ sich streiten. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte, hatte aber den Drang dazu. Es war komisch, dass wir so schweigsam waren, war doch sonst eher das Gegenteil der Fall. "Gib dir nicht die Schuld, hm..?" war das Einzige, was mir in diesem Moment einfiel. Der Tod ging nicht auf ihre Kappe und wenn sie damit anfing, sich die Schuld für so Etwas zu geben, würde sie vermutlich bald mit posttraumatischer Belastungsstörung das Camp zwangsverlassen müssen.
Es kehrte das kraftlose, bedrückte Schweigen ein. Keiner sagte die Heimfahrt über Etwas und doch wussten Alle, dass das verdammt schlecht gelaufen war. Man musste auch kein Genie sein, um das zu erkennen. Es gab hier nichts Schlimmeres, als Tote verzeichnen zu müssen. Nicht nur aus strategischer Sicht. Es waren Kollegen und auch immer für manche Freunde, die sie verloren. Es waren Familien, die sich Zuhause die Augen ausweinen würden, sobald sie davon erfuhren. In diesem Fall war es noch dazu ein so unfassbar unnötig gebrachtes Opfer. Sie waren gestorben, weil die Regierung wieder zu ungeduldig war, um die Lage in Ruhe einzuschätzen und richtige Schritte abzuwägen. Nein, es wurde wie fast immer lieber direkt drauf los geschossen, was mir nur wieder bestätigte, dass dieser verdammte Krieg baldmöglichst enden musste. Das Schlimmste daran war, dass den Verursachern nicht einmal eine Strafe drohte. Das Einzige, was sie bekommen würden, waren anklagende, vielleicht auch wütende Blicke bei der wie immer in Kürze stattfindenden Gedenkveranstaltung. Mehr nicht. Sie würden weiter auf ihren Hintern sitzen und mehr Leute in den Tod schicken. Im Camp angekommen half ich zusammen mit den anderen Unverletzten dabei, die Fahrzeuge auszuräumen. Das eine oder andere Polster würde wegen des Bluts auch getauscht werden müssen, aber das übernahmen wie immer die dafür ansässigen Mechaniker. Das reinigen der blutverschmierten Waffen hingegen ging auf die Kappe der Soldaten, aber tatsächlich fand ich persönlich das nicht schlimm. Es regte zum Nachdenken an und brachte mich gleichzeitig zur Ruhe, weil ich dabei so konzentriert und perfektionistisch war. Man konnte nur so gut schießen, wie der Zustand der Waffe war, man machte das also besser gründlich. Deswegen meldete ich mich dazu oft freiwillig - so auch jetzt. Nachdem ich von einem unbeteiligten Kumpanen ein Wasser gereicht bekommen und es innerhalb kurzer Zeit leer getrunken hatte, machte ich mich ans Werk, trug mit zwei Anderen die Schusswaffen zu dem Raum, in dem der Großteil gelagert war. Hier fand sich auch Alles, was ich dazu brauchen würde, um das allmählich angetrocknete Blut wieder ab zu kriegen und die Läufe zu reinigen.
Sie schaute genauso wenig in sein Gesicht, wie sie in die Gesichter der anderen geblickt hatte. Sie wusste, was sie darin sehen würde. Vorwürfe und Anklagen trauernder, verletzter Seelen. Faye konnte niemanden anschauen. Trotzdem wurde ihr, als sie vorsichtig die Wunde auswusch, natürlich klar, wer da vor ihr sass. Ganz kurz trafen ihre Augen auch seine, aber sie wandte den Blick nach nicht mal dem Bruchteil einer Sekunde wieder ab, konzentrierte sich mit aller Kraft auf seinen Arm, den sie gleich darauf mit wenigen sauberen Stichen nähte. Sein Arm… Er hätte nur ein Bisschen anders stehen müssen, der Gegner hätte die Waffe nur ein Bisschen anders halten müssen und es wäre sein Herz gewesen. Dann hätte sie noch einen Menschen nicht retten können. Gott, sie durfte nicht so denken, sie wusste es doch. Es war ihr beigebracht worden und sie hatte heute nicht zum ersten Mal Menschen sterben sehen. Bis jetzt hatte es sie nie so schlimm mitgenommen. Aber bis jetzt war sie auch nie die Einzige gewesen, die sie hätte retten können. Victors Worte rissen sie wohl oder übel aus ihrem Gedankenstrudel und sie hielt einen Moment - ganz offensichtlich aus dem Konzept der absoluten Stille geworfen - inne, ehe sie stockend die Bewegung fortführte, mit der sie gerade dabei gewesen war, ein Pflaster auf die Wunde zu kleben und diese dann zu verbinden. Sie erwiderte nichts, blickte ihn auch nicht an, während ihr Herz nervös klopfend Tränen ankünden wollte. Aber Faye zwang die nutzlose Unruhe zurück, bevor auf einmal auch noch ihre Finger zittern würden und sie hier wie ein naives Mädchen heulte, das nicht erwartet hatte, dass im Krieg geschossen wurde. Was hatte sie denn erwartet, als sie sich für diese Scheisse angemeldet hatte?! Dass nie jemand in den Tod gerissen wurde?? Faye ging ein paar Schritte zur Seite, kam mit einer Reihe Pillen zurück. „Entzündungshemmende Schmerzmittel - kannst alle vier Stunden eine davon Schlucken, aber nicht mehr, ok? Morgen wechsle ich den Verband. Wenn die Schmerzen trotzdem zu gross sind, musst dus mir sagen“, dann fliegst du nämlich auch weg. Aber das sprach sie nicht aus, wusste er selber. Fayes Stimme war leise, nicht wirklich fest, aber doch kontrolliert genug, um nicht zu zittern. Sie wusste, dass er was anderes hören wollte, zum Beispiel, dass sie wusste, dass es nicht ihre Schuld war. Aber sie konnte ihm nichts anderes sagen, weshalb es bei diesen einfachen Instruktionen zum Heilungsprozess, den er aus der Vergangenheit eh längst auswendig kannte, blieb. „Gute Besserung, Victor“, murmelte sie leise, nickte ihm zum Abschied knapp zu und ging weiter. Da keiner mehr auf sie wartete – der Arzt hatte den letzten Verletzten, Simon, übernommen – verliess sie kurzum das Zelt, um nebenan ins nächste zu schlüpfen und dort die ganze Sauerei aufzuräumen, die geblieben war, nachdem man Kenan weggetragen hatte. Alles roch nach zu viel Blut und alles war rot gefärbt. Zumindest kam es ihr so vor, auch wenn sie wusste, dass ihre Fantasie zu viel davon einfach selber malte. Sie sah es trotzdem und es unterstützte sie nur noch weiter in ihrer Trauer. Faye verbrachte sehr viel Zeit mit aufräumen und putzen, bis jedes einzelne Instrument und jede Fläche wieder glänzte als wäre nie was passiert. Auch das andere Zelt putzte sie akribisch genau, drückte sich so die längste Zeit davor, die medizinischen Berichte zu schreiben, die sie zu den Akten legen musste. Letztendlich tat sie es doch. Zwang sich dazu, alles in vollkommen tauben Fakten darzulegen, die klangen, als hätte sie überhaupt nichts dabei gefühlt, diese Wunden zu behandeln. Der Arzt war noch bei ihr gewesen, bevor er wieder abgereist war. Hatte ihr freundlicherweise mitgeteilt, die Berichte für Kenan und Kyle selber zu schreiben, was doch eine riesige Erleichterung für die junge Frau war. Sie wusste nicht mal, ob sie das geschafft hätte, obwohl sie es doch so oft gelernt hatte. Als sie alles abgearbeitet hatte, was sich dank diesem verheerenden Ausflug angestaut hatte, suchte sie sich andere Dinge, mit denen sie sich beschäftigt halten konnte, bestellte Nachschub an Medikamenten, ordnete die Schränke neu, räumte ihren gesamten Rucksack aus und in perfekter Ordnung wieder ein. Irgendwas, um ihre Finger zu bewegen und ihren Kopf zu unterhalten, die Gedanken und Bilder zu verdrängen. Es dauerte Stunden, alle Arbeit zu verrichten, die sie sich selber machte. Irgendwann, Faye hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, kam ein Soldat rein – sie schenkte ihm nicht einmal genug Aufmerksamkeit um festzustellen, wer es war - und meinte, sie sollte Feierabend machen. Sie wusste, dass er Recht hatte. Und doch konnte sie sich erst eine halbe Stunde später von dem Bildschirm losreissen, der all ihre Lehrgänge vor ihren Augen aufführte. Sie betrachtete die Zeilen seit Stunden, auf ihrer dämlichen Suche nach dem Fehler, den sie gemacht hatte. Sie wusste es nicht. Es war so wenig Zeit und sie hatten so wenig Möglichkeiten… Faye schaltete den Laptop aus, erhob sich und verliess schwerfällig und zögernd das Zelt um sich auf den Weg zu ihrem Eigenen Bett zu machen. Sie erschien nicht zum Abendessen, weil sie wusste, dass sie keinen Bissen runter bekommen würde. Stattdessen ging sie duschen, um endlich die Kleidung los zu werden, an der so viel Blut und Dreck und Schuld und Staub klebte. Aber auch in den frischen Klamotten ging es ihr kaum besser. Sie liess sich auf den Boden vor ihrem Bett sinken und zog die Beine an. Und Faye fühlte sich das erste Mal, seit sie vor einem Monat hier angekommen war, so richtig verloren.
Zurück im Camp ging das ganze hässliche Spiel weiter. So sehr sie sich auch noch an die Hoffnung gekrallt hatte, kam die Nachricht von Kenans Tod doch kein Bisschen überraschend, tränkte die Leere, die sie erfüllte, in noch tieferes Schwarz. Von den Zwölf, die rausgefahren waren, kamen Zwei nicht wieder zurück, Fünf waren verletzt und die anderen Fünf mit einem weiteren Trauma gesegnet. Wozu? Sie hatten nichts erreicht, rein gar nichts. Das Einzige, was sie jetzt wussten, war, dass ihre Gegner wohl mehr oder weniger über Nacht ein Minenfeld gelegt hatten. Oder es sie zumindest glauben lassen wollten, schwer zu sagen. Aryana half kurz dabei mit, alle aus den Autos zu bekommen und verschwand dann ins Büro des Lieutenants, um diesem Bericht zu erstatten. Sie war so wütend auf ihn und all die anderen, die immer wieder vergassen, wie viel ein Menschenleben wert war. So unglaublich wütend. Aber sie sagte es nicht. Sie schilderte die Geschehnisse, zeigte ihre Bilanz auf und legte ihm wärmstens ans Herz, so eine Scheisse nie wieder zu veranlassen. Sie brauchte nicht zu betonen, dass sie es ihm schon vorher gesagt hatte. Denn sie kannte Warrens Antworten darauf: ‚Wir hatten keine Wahl‘, ‚was hättest du denn sonst getan‘, ‚du bist nicht lange genug dabei, um zu wissen, wie man einen Krieg führt‘, ‚das war dein Zug‘, ‚hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, sowas zu entscheiden‘, ‚Verluste tun weh aber sie gehören dazu‘, ‚es ist tragisch, aber diese Männer wissen, worauf sie sich einlassen‘…. Jedes Mal die Selbe Leier, sie konnte seine Sprüche längst auswendig zitieren. Warren war zu lange dabei, um sich von einzelnen Toten in seinen Reihen noch abschrecken zu lassen. Er kannte die Soldaten zum Teil nicht mal beim Namen. Die Kriegsführung war seine Leidenschaft, aber er war zu rücksichtslos in ihren Augen. Handelte mehr nach dem ‚opfere Einen, rette Zehn‘ Prinzip, um ja kein Land und keine Schlacht zu verlieren. Sie wartete lieber einmal mehr ab und bemühte sich um Möglichkeiten, keinen zu opfern und Elf zu retten, dabei vielleicht Land und auch mal eine Schlacht zu verlieren, Hauptsache kein weiterer Bruder zahlte das mit seinem Leben. Nach dem ernüchternden Gespräch, zog sie sich in ihr eigenes Büro zurück. Sie sollte Protokolle schreiben und das so schnell wie möglich. Würde sie auch machen. Aber nachher – zuerst widmete sie sich nämlich etwas anderem. Sie schrieb zwei Briefe, an diejenigen, die Kyle und Kenan zurückgelassen hatten. Briefe, in denen sie nicht nur ihr persönliches Beileid und den wertlosen Versuch, sie zu retten, beschrieb, sondern auch alles, was die beiden Männer in der Zeit, in der sie sie gekannt hatte, ausgemacht hatte. Sie beschrieb Kyles letzte Worte, gab jedes Einzelne auf dem Papier wieder, auch wenn sie für Aryana keinen Sinn ergaben. Sie würde gerne schreiben, dass das Opfer, welches die beiden Männer dargebracht hatten, nicht umsonst gewesen war und sie dadurch irgendwas gewonnen hatten. Aber das wäre schlicht gelogen. Es war komplett umsonst gewesen, was umso mehr weh tat. Erwähnte sie natürlich nicht. Sie konnte nicht mehr für die Hinterbliebenen tun, als ihnen diese Briefe zu schicken, sich zu entschuldigen und ihr Mitgefühl auf das weisse Papier zu kritzeln. Die Briefe würde sie mit der nächsten Post an die Adressen der Trauerfamilien, die sie hervorgesucht hatte, schicken. Vorher würde sie die Kollegen der beiden fragen, ob sie ebenfalls etwas in den Umschlag legen wollten. Anfangs hatte sie das nicht getan. Aber wieso sollten ihre Worte die Einzigen sein, die zu Hause vom Krieg erzählten? Von ihren Erinnerungen und den Momenten, die sie mit den Verstorbenen in den letzten Monaten erlebt hatte? Manchmal füllten diese Erinnerungen nur wenige Zeilen, aber es gab auch schon Soldaten, für die sie viele Seiten geschrieben hatte. Es war zum einen ihre Art, das alles zu verarbeiten und zum anderen ein Ausdruck des Dankes, ein Weg, zu zeigen, dass es nicht egal war, dass die Männer nicht einfach nur ein Name auf einer Liste waren. Nach den Briefen schrieb sie die Protokolle und nach den Protokollen schrieb sie die Verlustmeldungen und nach den Verlustmeldungen schrieb sie die Begründungen und dann den Antrag auf neue Soldaten. Als sie endlich alles geschrieben hatte und sich mit Kopfschmerzen aus ihrem Büro bewegte, wusste sie, dass sie eigentlich zu ihrer Schwester sollte. Aber was sollte sie sagen? Jeder dachte, dass sie das hätte verhindern können, dass es in ihrer Macht lag, solche Aktionen abzusagen. Tat es aber nicht. Und sie konnte nicht einfach zu Faye, was sollte sie ihr denn bitte sagen? Dass sie es immer gesagt hatte? Dass sie nie hierher hätte kommen sollen? Dass dieser Krieg hässlich und sinnlos war und Leute starben, die nie hätten sterben müssen? Waren das Neuigkeiten? Nein. Und was würde sie von ihr denken, wenn ihr klar wurde, wie oft Aryana dieses Desaster schon mitgemacht hatte? Dass sie ein Monster war, weil sie den Anschein machte, dass es ihr egal wäre. Das war ein weiterer Grund, weshalb sie ihre Schwester nicht hatte hier haben wollen. Sie sollte nicht sehen, was sie tat. Sie sollte sie so in Erinnerung haben, wie sie zu Hause war - keine mordende Kampfmaschine, die Freunde verlor und am nächsten Tag genau gleich weiter machte... Aryana ging duschen. Sie wusch eine halbe Stunde den Dreck von ihrer Seele, der niemals verschwinden würde. Und das, obwohl sie wusste, dass sie Wasser sparen und kurz duschen sollten, was sie sonst auch immer sehr gewissenhaft tat. Nach der Dusche war sie so müde, dass sie im Stehen hätte Schlafen können. Jetzt, wo das Adrenalin und die Aufregung abklangen, merkte sie immer mehr, dass sie mal wieder einen Tag in kompletter Anspannung verbracht hatte und keine Sekunde zur Ruhe gekommen war. Natürlich war das ein kleines Problem verglichen mit dem, was heute anderen zugestossen war. Aber sie hatte ziemlich früh gemerkt, dass sie diesen Ort nicht überlebte, wenn sie nicht zwischendurch irgendwie runter kam. Das war auch der Grund, weshalb Aryana sich letztendlich zum Rand des Camps bewegte. Zu ihrer Schwester konnte sie wie erwähnt nicht. Sonst wollte sie auch gerade niemanden sehen. Sie musste alleine sein und nachdenken, denn es gab so viel, worüber sie nachdenken sollte… Sie ging auf einen kleinen Wachturm, von dem sie wusste, dass er selten benutzt wurde. Auch heute war er glücklicherweise leer, was ihren Wunsch nach Einsamkeit stillte. Aryana stellte sich an die Brüstung, direkt neben der wehenden Flagge ihres Vaterlandes. Oh sie würde den Stoff manchmal so gerne einfach anzünden…
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Die nüchterne Kälte, die mit Fayes Worten einkehrte, machte es irgendwie so gar nicht besser. Es führte nur dazu, dass ich mich noch schlechter fühlte. Zum einen, weil ich es ganz einfach nicht ertragen konnte, wenn Jemand, den ich gerne mochte, litt. Zum Anderen, weil mich die sachliche Tablettenübergabe direkt zurück in die Gedankenspirale warf. Ich hätte nicht einmal mehr sagen können, wie viele, unzählige verschiedene Tabletten ich in den letzten Jahren nach dem Bombeneinschlag schon geschluckt hatte. Zum einen gut ein Jahr lang fast täglich Schmerztabletten, obwohl der Schmerz schon viel früher hätte weg sein sollen und rein von der Psyche her rührte. Und Psychopharmaka? Es waren sicher sechs oder sieben verschiedene gewesen, keines davon hatte eine ausreichende Wirkung gehabt. In den ersten Tagen nach dem Unglück hatten sie mich komplett ruhig gestellt und ich erinnerte mich auch kaum noch daran. Zum einen, weil mein Kopf das verdrängen wollte und zum Anderen, weil ich dauerhaft völlig benebelt von den Opiaten war, die mir die Ärzte eingeflößt hatten. Letzteres zu meiner eigenen Sicherheit, war ich doch ziemlich durchgedreht - gelinde gesagt. Die junge Frau war ebenso zügig wieder weg, wie sie gekommen war und so war ich wieder allein mit meinem Schädel, der mir auch den Rest des Tages keine Ruhe gönnen wollte. Normalerweise würde ich in einem solchen Fall ganz einfach eine Runde Sport machen, aber das fiel mit dem angekratzten Arm auch komplett flach. So wusste ich mir nicht recht zu helfen, stand auch erst ein paar Minuten später nach der Tabletteneinnahme von dem Feldbett auf, um den Weg in mein eigenes Zelt anzutreten. Dort wurde ich erstmal einen Teil der Klamotten los. Das Blut auf der Kleidung gab den Flashbacks nur noch mehr Zündstoff und so wurde ich Shirt und Jacke gleich los, bevor ich mich mit sauberen Klamotten auf den Weg zu den Duschen machte. Das Blut auf meiner Haut war ebenfalls getrocknet und fing an ein unangenehmes Ziehen auszulösen. Im ersten Moment löste das kalte Wasser sogar Leere in meinem Kopf aus, jedoch war dieser Augenblick der Stille leider viel zu schnell wieder vorbei. Ich stand nicht lange unter der Dusche, aber die wenigen Minuten reichten schon völlig aus, um mich auf eine neue Achterbahnfahrt zu schicken. Kurzzeitige Entspannung, dann begann der nächste Nervenzusammenbruch, der sogar zwei oder drei Tränen fließen ließ, was zum Glück nicht sichtbar war. Allein war man als Kerl hier im Duschraum selten, dafür war der Männeranteil im Militär viel zu hoch. Nach der Dusche, die ich ziemlich ruckartig beendete, trocknete ich mich nur fix ab - so schnell, wie es mir mit dem Arm, den ich so gut es ging vom Wasser ferngehalten hatte, eben funktionierte - und schlüpfte in die Klamotten. Eine der Armeehosen und eines meiner wenigen simpel schwarzen Tanktops. Der Ärmel der Armeeshirts würde über die frische Naht reiben, weshalb ich es für unnötig hielt, davon eines anzuziehen. Würde mit Sicherheit Niemand was dagegen haben. Ich war den Rest des Abends überwiegend alleine im Zelt, was mich fast in den Wahnsinn trieb. Einer meiner Zeltkollegen - Reese - schaute mal vorbei und erkundigte sich nach meinem Wohlergehen, aber die Wahrheit sagte ich ihm natürlich nicht. Ich kannte ihn nicht gut genug, um ihm von dem Tornado in meinem Kopf zu erzählen und so blieb es bei recht trockenen Fakten, weshalb das Gespräch bald wieder vorbei war. Zum Abendessen wurde ich förmlich genötigt, weil mein Körper die Energie zwecks der Verletzung gut brauchen konnte, aber wirklich viel runter bekam ich trotzdem nicht. So zog ich mich zuerst einfach wieder in mein Zelt zurück, versuchte schon gegen 21 Uhr verzweifelt in den Schlaf zu finden. Ganz in der Hoffnung, dass ich damit dem Horror für heute ein Ende setzen konnte. Aber mit Schlafen war natürlich nicht, weshalb ich mich gut eine halbe Stunde später mit einem schweren Seufzen wieder aufrichtete und für ein paar Minuten schweigsam auf der Bettkante saß, das Gesicht in den Händen verborgen. Ob Faye noch wach war? Ich konnte wirklich nicht abschätzen, ob sie in der Stimmung für Gesellschaft war, aber sie schien mir - wie so oft in den letzten Tagen, Wochen - der letzte Ausweg zu sein, um meinen Kopf zu beschäftigen. So stieg ich wieder zurück in die Hose, das Tank - kalt war es bisher nämlich noch nicht, obwohl es am Abend oft schnell sehr kühl wurde - und die Stiefel, bevor ich mich auf den Weg machte. Es war ruhig im Lager, weshalb ich nur zwei anderen Soldaten auf meinem Weg zu der jungen Frau begegnete. Im Gegensatz zu mir würden die jetzt wohl schlafen. An Fayes Zelt angekommen lugte ich erst etwas zögerlich zwischen den Blachen (! XD) am Eingang hindurch. Mit Anklopfen war bei einem Zelt schließlich nicht. "Hey..." begrüßte ich die Brünette zögerlich, sah sie fast etwas unsicher, abwartend an. "..darf ich?" hakte ich nach, trat nur so halb ins Zelt ein. Ich wollte ihr wirklich nicht auf die Nerven gehen und würde sie mir sagen, dass sie allein sein wollte, würde ich das akzeptieren. Nur zähneknirschend, aber ja.
Um ehrlich zu sein war ich wirklich froh, dass ich die Gabe besaß, Menschen mit simplen Worten ohne direkten Angriff zu vergraulen. Nach einem derartigen Fehlschlag von Operation hatte ich ganz einfach am liebsten meine Ruhe und so schlug ich gezielt einen bestimmten Weg der Unterhaltung mit denen noch im Waffenraum anwesenden Soldaten ein. Einen sehr ernsten, mürrischen Tonfall schlug ich ebenfalls an. Viele hier konnten eine posttraumatische Belastungsstörung nur dadurch umgehen, dass sie Vieles einfach totschwiegen. Demnach war es ihnen unangenehm, dass ich nüchtern darüber redete, was für eine verdammt schlechte Aktion das heute gewesen war. Einige Minuten lang gaben sie sich dem Thema zwangsweise hin, bis sie fragten, ob ich mit dem Rest der Waffen allein zurecht kam. Darauf hatte ich sehnlichst gewartet, weshalb ich sie abziehen ließ und mir die verbliebenen 7 Waffen alleine vornahm, während sie stattdessen weiter beim Verstauen der restlichen Ladung halfen. Ich genoss die Ruhe und ließ mir alle Zeit der Welt damit, die Werkzeuge - denn viel mehr waren Waffen in einem Krieg nicht - wieder auf Hochglanz zu bringen, innen wie außen. Es gingen allein dafür schon gut zwei Stunden drauf und ich war dankbar dafür. Die Stille nach einem Verlust war bei mir nötig, damit ich es Revue passieren und anschließend halbwegs gut verarbeiten konnte. Als psychisch intakter Mensch erreichte man zwar niemals das Stadium, in dem einem der Verlust von Brüdern egal wurde, aber man war schon wirklich gut dabei, wenn man es überhaupt halbwegs unbeschadet überstand. Viele in diesem Krieg waren kaputt und eigentlich am Ende - nach Hause gingen sie aber trotzdem nur im "Urlaub", kamen immer wieder zurück. Es hatte einen triftigen Grund, warum viele Veterane in der Zeit nach dem Krieg ihren Verstand verloren. Viele landeten in Psychiatrien, andere wiederum auf der Straße, was sie nur weiter kaputt machte. Die Scheidungsrate war ebenfalls verdammt hoch, wenn man mit einem Soldaten - oder einer Soldatin, aber das war ja seltener der Fall - verheiratet war. Die meisten Ehen gingen den Bach runter, weil man nie wieder richtig ins normale Leben zurück fand und die ganze Familie da mit rein zog. Das war der einzige Punkt, in dem ich mich glücklich schätzen konnte, keine Familie zu haben. Ich hatte niemanden, den ich mit mir in den Abgrund ziehen konnte. Im Gegensatz zu den meisten anderen am Einsatz beteiligt Gewesenen aß ich wie gewohnt zu Abend. Ich hatte zwar nicht wirklich Hunger oder Appetit, aber ich wusste um die Notwendigkeit der Energie. Der Tag war kraft- und nervenraubend gewesen, es war also angebracht. Nach dem Essen fand ich noch den Weg zu den Duschkabinen, bevor ich mich im Zelt der leider schon wieder ziemlich leer gewordenen Zigarettenschachtel widmete. Ich nahm mir eine Kippe raus und verstaute sie hinter meinem Ohr, bevor ich das Zippo in meine Hosentasche schob und mich langsam auf den Weg machte. Ich hatte im Grunde nur zwei feste Plätze, an denen ich regelmäßig meine Entspannungszigaretten rauchte. Der Platz an den Schächten fiel jetzt flach - würde man mich da nochmal sehen, käme nämlich ziemlich sicher der Verdacht auf, dass ich am Auschecken war, ob man nicht doch noch Irgendwas aus den Gesprächen hinter den Wänden heraus hören konnte. Das konnte ich mir nicht leisten, weshalb mich meine Beine zu einem der wenigen Wachtürme führten. Wie gewohnt kletterte ich die Metallstreben der Leiter hoch, den Blick dabei überwiegend nach unten gerichtet. Demnach merkte ich erst, dass sich hier schon jemand eingenistet hatte, als ich bereits oben stand. Es handelte sich dabei um meine ach so geliebte Chefin, deren Anwesenheit ich jetzt eigentlich nicht unbedingt teilen wollte. Die anderen Posten waren, wie ich nach kurzen Blicken nach links und rechts feststellte, wie sie oft aber besetzt. Ich verkniff mir ein Seufzen, lehnte mich stattdessen mit der Hüfte gegen die Außenwand rechts von der jungen Frau, ehe ich die Zigarette von meinem Ohr nahm. "Na sowas.. wenn das kein netter Zufall ist." sagte ich etwas ironisch, wobei das tatsächlich nicht wirklich böse gemeint war. Ich war nur einfach nicht unbedingt entspannt und frohsinnig nach Tagen wie diesem - verstänlicherweise. "Öfter hier?" fragte ich Aryana, nachdem ich mir die Kippe angezündet und das Feuerzeug wieder in meiner rechten Hosentasche verstaut hatte. Erst dann sah ich das erste Mal wirklich in ihre Richtung.
Faye hatte auf dem Boden gesessen, je länger je weniger fähig, einen rationalen Gedanken zu fassen. Sie wusste, dass sie aufstehen sollte, um sich entweder irgendein sehr starkes Schlafmittelchen einzuwerfen und sich ins Bett zu legen, oder um sich sofort Gesellschaft zu suchen und zu reden. Sie hatte wirklich gehofft, ihre Schwester würde kommen. Aber sie tat es nicht und Faye verstand nicht, wieso. Vielleicht arbeitete sie noch… Vielleicht kam sie aber auch einfach nicht, weil sie nicht über diesen Tag reden wollte. Sie hatte mitgenommen ausgesehen heute, vollkommen fertig und doch mit einem so tauben Gesichtsausdruck, dass die Brünette keine Ahnung hatte, was in ihrer Schwester wirklich vorgegangen war. Und offenbar wollte diese ihr auch nicht sagen, wies ihr ging. Vielleicht tat man das hier nicht. Aber wie kamen all diese Leute darauf klar, wenn sie mit niemandem redeten? Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, steckte jemand seinen Kopf in ihr Zelt, was sie erstmal ordentlich zusammenzucken liess. Sie sass auf dem Boden vor ihrem Bett - eigentlich hatte sie keinen Besuch erwartet. Nur eben ihre Schwester, aber die war bekanntlich nicht gekommen. Aber Victor? Es sollte sie nicht überraschen, dass er wohl kaum schlafen konnte an diesem Tag, aber sie hatte ihn heute schon einmal ziemlich klar abgewiesen, nicht damit gerechnet, dass er sich so schnell wieder in ihre Nähe traute und ihr das einfach verzieh. Nun - durfte er denn rein kommen? Sie merkte etwas verspätet, dass das eine Frage gewesen war, weshalb auch die Antwort eine Weile dauerte. Sie zog mühsam ihre Nase hoch, wischte sich verstohlen über die Augenwinkel im Versuch, jegliche Tränen zu verstecken, die sie geweint hatte. Dann sprang sie auf die Füsse und stand dumm mitten im Raum, während sie mit den Schultern zuckte. „Klar…“, meinte sie dann, blickte ihn nach wie vor nicht an, während sie versuchte, locker zu wirken. Es blieb jedenfalls eindeutig beim Versuch. Ihre Stimme klang zittrig und belegt, sagte alles andere als 'klar' aus. Aber sie konnte nichts anderes sagen. Wenn es ihm schlecht ging, würde sie ihn sicher nicht weg schicken. Sie hatte längst genug Schaden angerichtet an diesem Tag. "Kann ich dir helfen?", fragte sie also, als wäre das der Grund, warum er gekommen war. Eine dumme Frage, aber es fiel ihr nichtmal auf.
Sie blickte in die Weite und konnte nicht anders, als sich einfach nur ständig zu fragen, wie es immer wieder dazu kommen konnte. Wieso es immer und immer wieder passierte, während sie so mühevoll versuchte, es zu verhindern. Wieso war sie so schlecht darin, Leben zu retten, wenn es doch ihr allerhöchstes Ziel war? Wieso versagte sie immer wieder in dieser einen Mission, die ihr so sehr am Herzen lag?? Es war ihr fast egal, wenn sie einige Quadratkilometer an Land verloren, von ihr aus auch ihr halbes Einzugsgebiet. Das konnten sie zurückgewinnen. Die Menschenleben waren verloren, das war ein irreparabler Schaden, der viel mehr weh tat, so vielen Leuten so viele Schmerzen zufügte. Wie konnte das so oft vergessen gehen? Sie ging diese Gedanken im ewigen Strudel der sich stets wiederholenden Reihenfolge durch, begann ständig von Vorne auf diesem Karussell, das sich in ihrem Kopf viel zu oft drehte. Nach jedem Tag wie diesem, der sich nie wiederholen dürfte. Diesmal wurde sie jedoch jäh darin unterbrochen, die Antworten auf ihre Fragen wieder nicht zu finden, als eine nur allzu bekannte Person neben ihr auftauchte. Wieso war er hier? Ihr Gesichtsausdruck blieb einen Moment verwirrt, schien ihm genau diese Frage zu stellen, während ihre Augen die seinen trafen. Ein netter Zufall... Naja. Sie waren beide hier, weil sie allein sein wollten, da war sie sich relativ sicher. Er war ihr wohl kaum gefolgt, dazu hatte er nämlich absolut keinen Grund. Sie seufzte, wandte sich wieder der Aussicht und der Nacht mit den unzähligen Sternen toter Seelen zu. "So oft wie ichs nötig habe... Normalerweise leistet mir hier keiner Gesellschaft", antwortete sie leise auf seine Frage, atmete den Rauch ein, den seine Kippe in ihre Richtung wehte. Es war ihr egal, obwohl sie normalerweise nicht rauchte. Was spielte der Rauch schon für eine Rolle? Wenn das hier so weiter ging, könnte sie sich auch gleich selber eine Zigarette anzünden - Lungenkrebs war kein Thema, wenn sie in den nächsten Jahren eh starb. "Und was treibt dich genau hierher? Meine Nähe hast du wohl kaum gesucht", stellte sie die Gegenfrage, warf ihm einen kurzen Seitenblick zu.
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.
Hm... konnte sie mir denn helfen? In ihrem Zustand war das stark anzuzweifeln. Schlimmer machen konnte sie meinen Zustand aber auf jeden Fall auch nicht, also trat ich mit einem ratlosen Schulterzucken ins Zelt. Im ersten Moment war ich selber noch unschlüssig, was ich denn jetzt genau tun oder machen sollte. Obwohl sie mich reingebeten hatte, war ich mir nicht sicher, ob sie mich denn jetzt wirklich ertragen konnte und wollte. Ob sie nur aus Höflichkeit einwilligte, oder ob es wirklich okay für sie war, dass ich hier war. Ich war augenscheinlich genauso angespannt und rastlos wie Faye, wusste nicht recht, ob ich nicht doch lieber wieder Kehrt machen sollte. Es war einfach... total komisch. Schließlich wagte ich aber nach einigen schweigsamen Sekunden, die mir schier endlos vorkamen, doch einen weiteren Schritt. Ich setzte mich erneut in Bewegung, ging in Richtung ihres Bettes, von welchem sie nur unweit entfernt stand. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht." stellte ich im Vorbeigehen fest und ließ mich kurz darauf auf das Bett sinken, machte es mir so bequem wie es eben möglich war. Schob mir die Schuhe von den Füßen, bevor ich die Beine angewinkelt vor mir auf der Bettkante platzierte. Mit dem Rücken lehnte ich mich an eine nicht besonders bequeme, aber willkommene Metallstange des Zelts, was immernoch besser war als die Arme um die Knie zu schlingen, um nicht umzukippen. Ich musterte Faye ein wenig und schwieg für weitere Sekunden, bevor ich erneut das Wort ergriff und eine kleine Beichte ablegte. "Ich kann nicht schlafen.. und wollte ungern allein sein. Aber wenns dir unangenehm ist, kann ich auch weder gehen... ehrlich, ist okay." verdeutlichte ich ihr noch einmal, dass sie mich mit simplen Worten wieder loswerden konnte. Ich wollte es mir nicht mit einer der wenigen Personen, mit denen ich mich hier bisher gut verstand, gleich wieder verscherzen. Erst recht nicht mit Faye, schienen wir doch einfach auf der selben Wellenlänge zu sein. Aber ich konnte sehen, dass es ihr nicht gut ging, würde also keinerei Widerstand leisten. Sie schien geweint zu haben, waren ihre Augen noch immer etwas glasig und leicht gerötet. Wundern tat mich das nicht wirklich, weil sich innerhalb der letzten zwei Wochen doch ziemlich klar in meinen Augen abgezeichnet hatte, dass die Brünette nur ungern hier war. Ich kannte den Hintergrund nicht und würde mich auch nie erdreisten zu fragen, wenn sie nicht von sich aus mit dem Thema anfing. Aber für mich war es dennoch deutlich erkennbar.
Ja, da waren wir wohl schon zwei. Normalerweise war ich nämlich auch allein hier und das aus triftigem Grund. Man war hier meistens den ganzen lieben langen Tag mit Anderen um sich herum beschäftigt, gezwungen sich Konversationen und gemeinsamen Aufgaben zu widmen. Es war also auch nach Tagen ohne schwerwiegende Verluste einfach angenehm, wenn man hier oben Mal ein paar Minuten Ruhe für sich allein hatte. Die kalte Nachtluft - neben dem Zigarettenrauch, haha - einatmen und einfach mal runterkommen. Aryana schien ebenfalls öfter die Einsamkeit hier oben zu suchen und umso witziger war es, dass wir uns dabei bis dato noch nie begegnet waren. "Nicht? Vielleicht will ich den Anderen ja ein bisschen Gesprächsstoff liefern." erwiderte ich erst einmal nur sarkastisch auf Aryanas Feststellung, bevor ich ein oder zwei weitere Züge von der Zigarette nahm, sie weiter auf eine brauchbare Antwort warten ließ. "Aber nein, normalerweise bin ich hier auch ziemlich allein. Die Zigaretten lassen sich bei der Aussicht angenehmer rauchen. Sie ist zwar nicht gerade perfekt, aber immernoch besser als Zelt an Zelt." stellte ich mit durch den Rauch in meiner Lunge gedämpfter Stimme und einem Schulterzucken fest, bevor ich ausatmete. Wenn ich schon nicht mehr viel rauchte, dann musste ich das Gift der im Normalfall einzigen Kippe am Tag schon auskosten. Gesund war das nicht, aber ich rechnete inzwischen ohnehin nicht mehr wirklich damit diesen Posten lebend zu verlassen. Ich war einer der wenigen Männer, die seit Anbeginn dieser Stellung noch da waren. Die Glückssträhne hielt schon ziemlich lange, würde also sicher in Zukunft noch ein jähes Ende finden. Mein Blick lag mal auf dem Profil der jungen Frau, dann wieder in der Ferne. "Runterkommen muss jeder hier irgendwie irgendwann mal."