Ob mein wackerer Mut vom Alkohol stark beeinflusst wurde? Ich glaubte felsenfest an meine Grundeinstellung, dass sich der impulsive Wolf in Isaac mittlerweile ebenfalls ein Stück des Vertrauens erarbeitet hatte – damit meinte ich weniger die wölfische Angewohnheit, mit denen ich mehrmals konfrontiert wurde, sondern verstärkt seine überdurchschnittliche Stärke, der ich in seiner menschlichen Form permanent ausgeliefert war, oder die geschärften Sinne, die ihn zum optimalen Raubtier machten. All diese Details formten ihn zu jener Person, die Isaac nun mal darstellte und wenn ich den Mann ins Herz schließen und in mein Vertrauen einbeziehen wollte, dann musste ich auch die animalische Seite an ihm akzeptieren. Dies waren sehr nüchterne Ansichten, die mir nicht erst an diesem Abend oder gar erst in den letzten zehn Minuten bewusst geworden waren. Daran dachte ich bereits längere Zeit. Am starken Cocktail durfte es also nicht liegen. Ebenso wenig haftete meine Zuversicht, auch hier während meiner Halb-Nacktheit nicht zum Opfer irgendwelcher gewaltsamen Übergriffe zu werden, lediglich am Rausch. Die Offenheit verdankte ich den Spirituosen, aber die Natur meiner Gedanken blieb dieselbe. Wahrscheinlich hätte ich nur nicht so viel preisgegeben, sondern mehr dieser Welt in meinem Kopf unausgesprochen lassen. Warum auch immer. Ich öffnete mich nur sehr selten so ehrlich, also verdankten wir diese Ehrlichkeit wohl dem Alkohol. Trotzdem verschwieg ich meine Absichten, inwiefern ich vorhatte, Isaac in seine Schranken zu weisen, sollte er es mir zu bunt treiben. Ganz der Engel eben, verabscheute ich rohe Gewalt und lebte ein unscheinbares Leben als Pazifistin, weshalb mir der Einsatz meiner für den Wolf durchaus schmerzhaften Kräfte nur als aller letzter Ausweg in den Sinn kam. Ich arbeitete lieber mit Worten und wusste mich mit rhetorischer Eloquenz zu verteidigen – selten stolperte ich in Situationen, in denen Fäuste mehr bewirkten als gut formulierte Diplomatie. Dass Isaac diesbezüglich andere Erfahrungen machen musste, half nicht immer, um auf dieser Philosophie beharren zu können. Um so erfreuter stimmte mich die Erkenntnis jedes Mal aufs Neue, was für Fortschritte sein unbeherrschtes Temperament im Laufe der verbrachten Zeit an meiner Seite erreicht hatte und wie gesittet der junge Mann auftreten konnte. Nochmals fragte ich mich, ob Isaac ebenso stark Einfluss auf mich ausübte. Vielleicht schraubte er an meinem Selbstbewusstsein, meiner Schamlosigkeit? „Natürlich, der Plan kommt doch auch von mir“, neckte ich meinen Angetrauten grinsend, als er mir zugegebenermaßen nur zögerlich zustimmte. Sein Lächeln wirkte geradewegs schüchtern, aber dennoch ehrlich. Während Isaac sich meine Worte an ihn durch den Kopf gehen ließ, dachte ich ebenfalls noch einmal darüber nach und bemerkte bestürzt, dass ich eventuell eine wichtige Kleinigkeit zu erwähnen vergessen hatte. Kurz zeichnete sich eine Befürchtung in meinen Augen ab: „Aber das heißt nicht, dass du jetzt einen Freifahrtschein bekommst, mich immer wieder halb nackt in irgendwelche Situationen zu befördern, klar!“ Definitiv keine Frage, sondern eine hoffentlich verständliche Aufforderung an den verschmitzten Clown in seinem Kopf. Meine Bereitschaft für seine Überraschung hatte sich rapide verbessert, trotzdem bewegte ich mich nach wie vor lieber in einem abgesicherten Rahmen. Die Komplexität dieser Herangehensweise entfaltete sich ohnehin vor meinem geistigen Auge, wie ich Isaac vorhin auch bereits mitteilte – alles nicht so einfach. Doch er stimmte mir erneut zu. Mir gefiel es, wie einig wir uns waren; fast gab ich mich der Illusion hin, wir befänden uns auf derselben Wellenlänge. Meine Gedanken verstummten, als Isaac eine weitere Annäherung wagte und scheinbar seine körperlichen Reaktionen unter Kontrolle bekommen hatte. Abwartend sah ich auf seine Hände hinab, die meine Haut erneut erkundeten, sanft darüber strichen. Sein Blick bohrte sich spürbar in meinen Scheitel, sodass ich das Gesicht zu ihm anhob und ein wohlwollendes Lächeln zeigte. Niemand würde mir glauben, erzählte ich über die Anzahl an Küsse, die ich heute von Isaac geschenkt bekommen hatte. Ich glaubte es ja selbst kaum. Ich kostete den Augenblick der Zärtlichkeit aus, sehnte ich mich schon zu lange nach dieser Art der Wonne und Geborgenheit. Falls ich mich jemals daran gewöhnen würde, von Isaac derartig berührt zu werden, allzu bald würde dies sicherlich nicht eintreten. Wie ein lautloses Knistern prickelte es auf meiner Haut, selbst nachdem sich unsere Lippen voneinander getrennt hatten. Ich schwelgte dem Augenblick nach, sinnierte über das Gefühl, bevor ich ein leises, mädchenhaftes Lachen meinerseits zuließ. „Selbst wenn, ich werde dann dein kleines Geheimnis nicht weiterverraten“, entgegnete ich leise auf seine grummelige Annahme hin. Der Hauch von Amüsement und Begeisterung flocht sich in meine Stimme ein. Zwar brauchte ich keinen Jammerlappen an meiner Seite, doch so ein bisschen Softie tat sicherlich niemandem weh. Ich musste wohl eher aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr an diese Seite von Isaac gewöhnte, anderenfalls säße die Enttäuschung sicherlich tief, sollte es irgendwann mieser zwischen uns laufen. „Ehrlich gesagt würde es mich aber durchaus interessieren, wie du so als Softie wärst“, überlegte ich laut und drückte die Lippen bei einem schelmischen Lächeln leicht aufeinander, um nicht zu offensichtlich zu grinsen. Fairerweise blieb anzumerken, dass Isaac auch nicht meine Seite als Freundin in einer richtigen Liebesbeziehung kannte – eine Tatsache, die ich ihm nun gewiss nicht unter die Nase rieb.
Ein Kommentar in dieser Richtung war eigentlich vorprogrammiert gewesen, oder? Ich kam nicht umher die Augen flüchtig zu verdrehen, als Riccarda mir mehr oder weniger sagte, dass der Plan im Grunde nur gut sein konnte, weil er ja von ihr kam. Man könnte glatt meinen, sie würde sich hier ganz dreist eine Scheibe meiner eigenen, nicht selten zur Schau gestellten Überheblichkeit abschneiden. Andererseits war der Engel schon immer sehr eitel gewesen und gut sticheln können hatte sie auch schon seit Beginn unserer nähren Bekanntschaft, wenn sie es gerade darauf anlegen wollte. Ich erinnerte mich schließlich noch bestens an unsere ersten unschönen Wortgefechte, die selten gut geendet waren. Der Unterschied zur damaligen Zeit war eben, dass ich das jetzt nur noch mit Humor nahm, was auch das Grinsen deutlich machte, das sich kurzum parallel zu dem oberflächlichen Augenverdrehen auf meine Lippen schlich. "Ja, natürlich... wie konnte ich das nur vergessen.", erwiderte ich reichlich ironisch. Mit der Aufforderung mich mit Aktionen wie der heutigen aber alles in allem erstmal noch etwas zurückzuhalten, war ich natürlich eher weniger einverstanden. Wenn es nach mir ging, dann würde die hübsche Blondine wahrscheinlich fast täglich halb - oder lieber ganz - nackt vor meiner Nase herumlaufen, wenn auch bevorzugt irgendwo, wo wir allein waren. Erst recht dann, wenn wir erstmal wieder in unserer Heimatstadt waren. Wieder in meinem festen Territorium angekommen sollten Männer sich lieber davor hüten sie entblößt sehen zu wollen. Ich hätte nämlich keine Scheu davor sie einen nach dem anderen aufzuspüren und ihnen eine mit Pech tödliche Lektion zu erteilen. Was das anging hatte die Allgemeinheit wohl Glück, dass auch Riccardas Respekt vor ihren Eltern recht groß war und ich mir deswegen eher keine Sorgen darum machen musste, dass sowas wie die jetzige Situation auch in heimischen Gefilden passierte. Da dürften wir ziemlich auf der sicheren Seite sein. Trotzdem fand ein leises Seufzen den Weg über meine Lippen. "Na schön, also keine spontanen Aktionen zum Fast-Nacktbaden mehr... verstanden.", ließ ich mich auch darauf noch ein. Hatte eigentlich auch gar keine andere Wahl, wenn ich nicht wollte, dass der Engel gute Gründe dafür bekam etwas von dem wiedererlangten Vertrauen erneut abzubauen. Ich würde mich wohl oder übel demnach mit meiner skandalösen Ader zurückhalten müssen. "Aber halbnackte Situationen, wo wir allein sind, sind ok..?", versuchte ich mir schelmisch grinsend noch ein Schlupfloch zu arrangieren, obwohl ich mir nicht ernsthaft Chancen auf ein aussagekräftiges, eindeutiges Ja ausrechnete. Ich konnte schon von Glück reden, dass sie gerade so unbeschwert damit umging, hier so gut wie nackt im Meer an einem ziemlich öffentlichen Strand mit mir herumzustehen. Sicher war sie insgesamt wieder ein bisschen verklemmter, wenn der Alkohol sich verflüchtigt hatte, aber ich würde sie schon noch irgendwie weiter aus ihrem Schneckenhaus locken. Wenn sie mir wirklich vertraute, dann würde ich auch den Weg dafür noch zu ebnen schaffen. Sie davon überzeugen, dass sie keine Angst mehr vor mir zu haben brauchte - auch dann nicht, wenn sie mir splitterfasernackt ausgeliefert war. Den Gedanken an Letzteres versuche ich doch recht schnell wieder zu verdrängen. Das leise Lachen seitens der Bondine nach dem Kuss war da eine gute Ablenkung. Ebenso wie die Worte, die sie direkt im Anschluss fällte. "Das will ich auch schwer hoffen.", ließ ich sie mit skeptisch hochgezogener Augenbraue, aber nicht allzu ernst klingend wissen. Denn es gab einfach so ein paar Dinge, die besser nur zwischen uns beiden ausgesprochen bleiben sollten. Auf meiner Seite waren das definitiv Dinge an meinem Verhalten, die mich auch nur ansatzweise verletzlich zeigte. Erstens wegen meinem Ego und zweitens, weil es seinen Grund hatte, dass ich nur Riccarda gegenüber so offen war. Auf ihrer Seite waren das eher Dinge wie der sündige Ausflug hier mit mir, die zu kurz geratenen verbotenen Kleider, die damaligen, heimlichen Ausflüge mit ihren Freundinnen... oder gar die Tatsache, dass sie tatsächlich irgendwas für mich zu empfinden begann. Das zeigte mir ihr Puls vor allem während der Küsse vermutlich deutlicher, als es dem Engel lieb war - deswegen behielt ich dieses Wissen auch ganz gekonnt für mich. "Ich will nicht mal dran denken.", meinte ich schließlich sarkastisch, schüttelte leicht den Kopf und ließ meine linke Hand wieder sinken, um sie am unteren Rücken des Engels mit meiner rechten zu verschränken. "Aber wer weiß, was du noch alles aus mir rausholst... auch, wenn ich echt nicht weiß, ob ich den Softie in mir wirklich gutheißen soll.", dachte ich dann laut vor mich hin und begann dabei unterbewusst mit einem meiner Daumen in kleinem Radius an ihrem Rücken entlang zu streichen. Langfristig gesehen wäre es sicher gut für uns beide, wenn ich mich der jungen Frau noch mehr öffnen würde und daraufhin noch mehr Gefallen daran finden würde, ihr mit meiner scheinbar schon mehr oder weniger vorhandenen, soften Seite mehr Wärme zu schenken. Ich konnte ja durchaus schon jetzt zärtlich und sanft zu ihr sein, wenn meine Gemütslage das so wie gerade im Moment zuließ. Da war aber sicher noch recht viel Luft nach oben. Also vielleicht konnte ich mir einfach Mühe damit geben noch etwas einfühlsamer zu werden und Riccarda könnte im Gegenzug versuchen, sich ein bisschen öfter von meiner Spontanität anstecken zu lassen. Uns wäre mit beidem vermutlich sehr geholfen.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
So, wie ich mich kannte, hätte ich diese Meldung auch in vollkommen nüchterner Verfassung geschoben, da ich mittlerweile einzuschätzen glaubte, dass Isaac mit dieser Vermittlungsart meines Egos zurechtkam. Obwohl der werte Herr so ladylike mit den Augen rollte und sich eher mit seiner grenzenlos begeisterten Zustimmung zu dem Statement zurückhielt, verbogen sich meine Lippen zu einem gewissenhaften Grinsen. Sein Zuspruch blieb wirklich bedürftig, aber ich hatte bereits den nächsten flotten Spruch auf den Lippen liegen: „Um so ein derartiges Vergehen in nächster Zeit zu vermeiden, erinnere ich dich lieber hier und da ganz dezent darauf.“ Vollkommen bescheiden und berechtigt, wenn man mich nach meiner Meinung fragen würde – Isaac würde dies wohl kaum tun. Glücklicherweise bedarf es nicht die Hilfe von anderen, um mich meine Ansicht kundtun zu lassen, denn das schaffte ich auch in den meisten Fällen ganz gut auf eigene Faust hin. Ebenso meine Bitte, von derart entblößten Aktionen in naher Zukunft abzulassen, da ich mich trotz des Selbstbewusstseins nicht unbedingt gerne so freizügig an öffentlich zugänglichen Standorten präsentierte. Da ich Isaac niemals auf dieser Beziehungsebene kennen gelernt hatte – und mein Bedarf dazu vorerst auch nicht allzu ausgereift war – ließ es sich von meiner Warte aus nur schwer einschätzen, wie offensiv er zu derartigen Handlungen griff, um mich aus den Reserven zu locken und doch den ein oder anderen Blick zu erhaschen. Ob der sehnsüchtige Ausdruck in seinen Augen vorhin tatsächlich mir galt oder doch im Grunde nur meinem Körper, blieb zu fragen übrig. Etwas, das ich nun definitiv nicht näher beleuchtete. Zufrieden erhellte sich mein Gesicht, nachdem ich seine Zustimmung einkassiert hatte. Isaac durfte darauf vertrauen, dass ich trotz meiner minimal verhangenen Gedanken daran denken würde, sollte er mich vom Gegenteil seiner Aussage überzeugen wollen. „Danke, sehr aufmerksam“, zeigte ich mich lächelnd erkenntlich. Für mich lief es trotz des blanken Oberkörpers gerade ziemlich gut, beinahe wie am Schnürchen. Zu früh gefreut. Der Anflug eines Schmunzelns ließ sich so spontan nicht verbergen, deshalb kam Isaac in den vollen Genuss eines Anblicks meiner leicht vorgeschobenen Lippen, ehe ich zum Sprechen ansetzte: „Was schwebt dir nur rein hypothetisch vor?“ Vorsichtig tastete ich mich an einen potentiellen Gedanken Isaacs heran beziehungsweise die Richtung seiner Vorstellungen. „Halb nackt aus dem Badezimmer zu rennen, weil ich meinen BH vergessen habe, zählt wahrscheinlich nicht dazu“, vermutete ich vergnügt gerade aus heraus und zeigte ihm beim Grinsen zwei Reihen gerader, weißer Zähne. Meine Mundwinkel senkten sich allzu bald zu einem weitaus sanfteren Lächeln, mit dem ich Isaac in meinem Blick hielt. Ich gedachte nicht, seine offensichtlich nur allzu verletzliche, weiche Seite an die große Glocke zu hängen und ihm damit dem demütigenden Verrat der Partnerin auszusetzen. So ein Unmensch war ich für gewöhnlich wirklich nicht. Zudem lag mir sehr viel an dieser verschlossenen Seite und meinem Privileg, diese erleben zu dürfen. „Sei doch nicht so“, knuffte ich Isaac leicht in den Oberarm, als er die Dramaqueen raushängen ließ und gar nicht erst daran denken wollte. Mich störte die selbstverständliche Vertrautheit gar nicht mehr, mit der er über meinen Rücken strich, die Zentimeter Haut für sich beanspruchte. Ich nahm es weiterhin überdeutlich war, da ich derartige Berührungen lange nicht mehr gespürt hatte, aber meine Nerven reagierten längst nicht so angespannt wie vor unserem Gespräch im wogenden, glitzernden Meer. Wer wusste schon, was der junge Mann noch alles vor mir hinter seinem Ego und einer vorlauten Klappe verbarg? Ich hielt mich für sämtliche Wendungen und überraschende Offenbarungen bereit, tat mir jedoch ziemlich schwer dabei, mich richtig einzustellen und zu wappnen. Wie bereitete man sich auf das Ungewisse vor? Nichts erwarten… mit allem rechnen? „In der Hinsicht bist du wirklich wie ein Überraschungsei“, teilte ich ihm, amüsiert über die Assoziation, mit. „Ich setzte dich einer neuen Situation aus, du reagierst wie du nun mal spontan und typischerweise reagieren würdest und dann zeigst du auf einmal nach einer Zeit des Abkühlens eine weitere Facette. Irgendwann muss ich mir noch Notizen machen“, kommentierte ich meine Beobachtungen, die sich auch hier auf der Insel bereits bewahrheitet hatten, mit einem freundschaftlichen, gar liebevollen Lächeln. Natürlich überanstrengte es mich nicht, Isaac tatsächlich kennen zu lernen und mich von meinen Vorurteilen bekehren zu lassen, aber Veränderungen brauchten meistens eine Weile, um zu sickern und durchzudringen. Daher die scherzhafte Anmerkung mit den Notizen: wie reagiert Isaac im ersten Impuls --> womit ist in weiterer Folge zu rechnen.
"Zu gütig von dir." Ich hätte beinahe noch ein zweites Augenrollen angehängt, unterdrückte es jedoch erfolgreich. Mein Tonfall erledigte diesen Job aber glücklicherweise auch sehr gut. So oder so hatte ich ohnehin schon vor einer halben Ewigkeit damit aufgehört, mich daran zu stören, dass der blonde Engel von Zeit zu Zeit nicht weniger Selbstbewusstsein nach außen trug, als ich das selbst auch tat. In den meisten Fällen war ihr das also ohne jegliche Konsequenzen vergönnt, solange sie mich damit nicht auf dem falschen Fuß erwischte. Die Frage danach, was mir denn an Situationen, wo wir beide allein waren und sie halbnackt sein konnte, so vorschwebte, war irgendwie... schwierig. Einfach deswegen, weil meine Fantasie was das anging wohl wirklich grenzenlos war und wir ja nicht immer nur zwangsweise in unserem Schlafzimmer allein waren. Zwar war das Engelsschloss außerhalb unseres Privatgemachs für sie absolut sicheres Territorium, weil da nach wie vor ihr von mir verhasster Ex-Freund herumlungerte und ich ihn mindestens mit einem Prankenhieb erblinden lassen müssen würde, wenn er auch nur einen winzigen Blick erhaschte, aber was alles andere anbelangte... wirklich schwer zu sagen. Es war in den meisten Fällen absolut spontan, was mir so in den Sinn kam. Außerdem hatte ich eigentlich nicht vor die Sache mit den Dates einfach auf sich beruhen zu lassen, nur weil die offizielle Anzahl da schon erreicht war. Der Kette, die sie als Symbol zum Geburtstag bekommen hatte, war längst abgehakt. Trotzdem glaubte ich zu wissen, dass es unserer Beziehung keineswegs schaden würde, wenn ich derartige Ausflüge aufrecht erhielt und Riccarda ab und an mal eine Freude damit machte. Anfangs hatte mich der damit verbundene Aufwand noch häufig den letzten Nerv gekostet, aber selbst das empfand ich inzwischen ganz anders. Es fing an mir Spaß zu machen, weil die zierliche Blondine sich am Ende immer darüber freute. Ihre Augen funkelten, sie sich begeistert und überrascht umsah und sie für den Moment alle Differenzen zu vergessen schien, die wir je miteinander gehabt hatten - so wie auch jetzt, wobei dieses Date hier eher weniger geplant war. Seine Wirkung schien es dennoch nicht zu verfehlen. Wie immer, wenn wir nur zu zweit irgendwo unterwegs waren, war für den Moment der Rest unseres turbulenten Lebens vergessen. Vorhin noch mit der Frage zu unseren zukünftigen Geschäften auf der Insel herumgeschlagen, jetzt halbnackt im Meer badend. Die Situationen könnten unterschiedlicher kaum sein. "Also wenn's nach mir geht, dann darfst du deinen BH liebend gern regelmäßig vergessen...", setzte ich sie meiner Meinung diesbezüglich mit einem Augenbrauenzucken und einem vielsagenden Grinsen in Kenntnis. "...aber nein, das war eher nicht das, was ich meinte. Ich dachte nur ich würde dich auch weiterhin gern hin und wieder zu einem kleinen Überraschungs-Date entführen und ich bin eben einfach sehr spontan, wie du weißt. Vielleicht sitzen wir irgendwann nochmal ohne Pizza im Whirlpool... oder verlieren uns auf einer Dachterrasse unter eine Decke... oder machen nochmal irgendwo Kurzurlaub zu Zweit, ohne dass vorher euer Schloss brennt... hast du schonmal einen Yachtausflug gemacht?", ergab sich aus meinen Gedanken dazu am Ende eine Frage. War nicht so, als hätte ich einen Bootsführerschein. Oder auch nur einen Autoführerschein. Aber ich wusste trotzdem wie man beides sicher steuerte und setzte gedanklich - ganz gleich, wie ihre Antwort lautete - schon mal einen Haken hinter diese flüchtige Idee. War nämlich eigentlich egal, ob sie schon öfter mit einem Boot unterwegs gewesen war, oder nicht. Schließlich wurde mit mir so ziemlich jeder Ausflug einzigartig. Wieder erwartete mich ein mildes Zwicken am Oberarm, nachdem ich meine vermeintliche Abneigung gegen das noch weicher werden kundgetan hatte. Kurz darauf wurde ich dann noch als Überraschungsei betitelt und konnte nicht anders, als leise in mich hinein zu lachen. Ja, diese Beschreibung traf es wohl ganz gut. Manchmal überraschte es mich ja sogar selbst, was so alles passierte, wenn ich mich in der Nähe des Engels aufhielt. "Ich schenk dir ein Notizbuch beim nächsten Date.", grinste ich charmant wie eh und je zu ihr runter und löste dabei meine Hände wieder voneinander. "Aber mit deinem Gekneife kommst du mir trotzdem nicht davon.", kommentierte ich meine folgende Handlung vorab. Während die linke Hand brav am Rücken des Engels verweilte, machte die rechte sich ziemlich flink auf den Weg nach unten und kniff sie schließlich in den Hintern. Auf spielerische, neckische Art und Weise. Ich wollte Riccarda weiß Gott nicht weh tun, aber das war wohl in etwa so wie vorhin auf dem Bett - ich piekte sie, sie schmiss mir das Kissen ins Gesicht. Nur jetzt eben andersherum. Außerdem suchte ich mir wohl auch einfach gerne einen Grund dafür, meine Hand bis zur vermeintlich verbotenen Frucht wandern zu lassen... wobei ich ja ohnehin nicht wusste, was jetzt okay war und was wiederum nicht. Vielleicht war dieser herrlich knackige Hintern gar nicht tabu. Und wenn doch, dann würde ich das gleich bestimmt merken.
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Mein Anflug grenzenloser Selbstüberschätzung nahm ein subtiles Ende in Form eines schelmischen Grinsens auf Isaacs Kommentar hin und dabei beließ ich es dann auch. Ich genoss den Spielraum, den unsere verbalen Wortgefechte mittlerweile ausnutzen durften, ohne dass wir uns schlussendlich angegriffen und provoziert fühlten, aber zu viel des Guten sollte es dennoch nicht sein. Wir befanden uns weit weg sämtlicher Probleme und Sorgen, weshalb ich den Moment nicht mit kindischer Überheblichkeit zerstören wollte. Ohnehin lag meine Konzentration schon bald wieder auf einem anderen Thema; einem, mit dem ich mich nach wie vor ein wenig überfordert fühlte. Ich konnte nur hoffen, dass Isaac dies einzuschätzen wusste und mich hier nicht aufs Glatteis schubste. Mir missfiel es allgemein – also im Grunde bei sehr vielen Personen, selbst jenen, die mir nahe standen oder mein vollstes Vertrauen genossen – noch, wenn ich in unsicheres Terrain geführt wurde und mich nicht auf mein eigenes Wissen und Urteilsvermögen stützen konnte, sondern zusätzlich auf eine weitere Person und deren Erfahrungsschatz zugreifen musste. Bei dieser Art der Beziehung entsprach meine Kenntnis den Erlebnissen, die ich aus erster Hand mit meinem Angetrauten durchgemacht hatte und die wurden erst nach der Zeit positiv behaftet. Demnach dürfte ich eine große Anzahl an Ideen noch gar nicht kennen, die Isaac hier und da durch den Kopf schossen und niemals an die Oberfläche durften, weil ich schlichtweg die falsche Person dafür war – dies zu ändern würde kompliziert und anstrengend werden, aber ich blieb gewillt, dieser Weiterentwicklung eine faire Chance zu geben. Mich ausgerechnet auf einen Werwolf einzulassen brauchte schon wirklich Überzeugungskraft und einen starken Willen. Ein bisschen Humor schadete ebenfalls selten. Unweigerlich grinste ich ein wenig vor mir her, amüsiert und nicht weiter überrascht. Nicht, dass ich eines jeden Schönheitsideals entsprach, aber normalerweise waren Männer, die auch auf Frauen standen, nie abgeneigt, wenn sich eine ausgezogene Lady vor ihnen räkelte oder anderweitig in Szene setzte. Nicht, dass ich derartige Absichten hegte, dafür fehlte mir noch der Wohlfühleffekt in Isaacs unmittelbarer Nähe, aber unterm Strich wunderte mich seine freche Aussage auch nicht und wurde von mir mit einem belustigten Schmunzeln zur Kenntnis genommen. „Klar“, funkte ich dem jungen Mann kurz mit meinem Sarkasmus dazwischen, ehe ich schon wieder die Klappe hielt, nachdem ich anhand seiner Mimik erkennen konnte, dass er noch nicht fertig mit seinem Gedankengang war. Nun wurde ich wiederum ehrlich neugierig. Oh. Ohne es zu wollen reagierte ich etwas verdutzt auf diese Enthüllung. Zwar dachte ich mir schon, dass wir nun ein gemütliches Miteinander an dem einen oder anderen Abend bewerkstelligen konnte, aber ich hätte nicht gedacht, dass auch Isaac an dem Aufwand der Dates Gefallen finden würde und dies weiterhin in einer spontanen Art fortzuführen gedachte. Die angenehme Überraschung sorgte für ein zurückhaltendes, dennoch augenblickliches Leuchten meiner Augen. Ja, damit gewann der Dunkelhaarige gewiss meine Aufmerksamkeit. Whirlpool, Dachterrasse, Urlaub zu zweit… aus Isaac musste man wirklich einmal schlau werden! Da lauerten tatsächlich unzählige Ideen in seinem Hinterstübchen und ich traute es mich kaum in Gedanken zu fassen, aber Freude brachte mein Herz zu einem beflügelten Klopfen. Vorfreude… sowas hatte ich wirklich lang nicht mehr empfunden, da meistens eine gewisse Schattenseite in Form von Sorgen oder Befürchtungen angehaftet war. Wie er jetzt aber aus heiterem Himmel auf eine Yacht kam? „Ähm… nein… ich war allgemein noch nicht sehr oft auf einem Boot unterwegs“, gestand ich Isaac ein, obwohl ich darin nun keinen großen Nachteil sah. Meine Familie hatte es mit Wassertransportmittel im Allgemeinen nicht so und das flüssige Element lag den Engeln auch am wenigsten. Das eine führte eben zum anderen. Es hieß aber nicht, dass ich es nicht gerne probieren würde. Ich hatte mich noch nie mit Yachten oder dem dahintersteckenden Hobby auseinandergesetzt, ich wusste nur, dass man dafür recht viel Kleingeld auf dem Konto brauchte, um so ein Boot durchzufüttern und in Schuss zu halten. Als ob Geld jemals in meinem Leben eine tragende Rolle gespielt hätte… dennoch kannte ich die extravaganten Luxusgüter und -freizeitbeschäftigung der gutbetuchten Gesellschaft beziehungsweise wie wohlhabend eine Familie sein musste, um sich den Spaß leisten zu können. Segeln und Boote gehörten definitiv zur kostspieligsten Liga. Also gab es keinen Grund für mich, nicht davon auszugehen, dass Isaac sich als Captain entpuppte. „Aber dann hätte ich gerne ein glitzerndes“, kam auch schon lachend meine Bedingung auf sein Geschenk hin über meine Lippen. Ich hatte das funkelnde Ding schon deutlich vor Augen, als mich Isaac zurück in die Gegenwart holte und unweigerlich eine Vorahnung in meinem Kopf Gestalt annahm. „Vage es nicht“, warnte ich den großgewachsenen Kerl grinsend und hob mahnend eine Hand an, jedoch hatten sämtliche Androhungen keinerlei Wirkung auf Isaac und kurz darauf kniff er mir auch schon herzhaft in den Hintern. „Heeeeey“, quickte ich empört auf, machte dabei sogar einen kleinen Satz. Der Knuff schmerzte nicht, es schockierte mich nicht einmal und trotzdem wollte ich diese freche Spielerei nicht auf mir sitzen lassen. Intuitiv nutzte ich das einzige Medium zur Verteidigung, dass mir gerade zur Verfügung stand – so unschuldig die Wasseroberfläche im milchigen Weiß des Mondes auch glänzte, von dem Schein erkannte man in den in alle Richtungen davonfliegenden Tropfen nicht, als ich zur Gegenwehr überging und Isaac eine Ladung Wasser vor den Latz geknallt bekam. Egal, ob ich mit dem Kneifen und Ärgern begonnen hatte, demnach die Revanche wahrscheinlich sogar verdiente, ich hatte einfach gerne das letzte Wort und gerade verspürte ich eine geradezu kindliche Verspieltheit in mir aufleben.
Ich merkte, dass es automatisch auch mich freute, dass der blonde Engel durchaus angetan davon war sich auch weiterhin zu dem einen oder anderen Abend zu zweit entführen zu lassen. Wobei es sich natürlich auch problemlos auf einen längeren Zeitrahmen legen ließ. Beispielsweise eben mit gemeinsamem Urlaub oder einem Bootsausflug über Nacht, oder eben auch über mehrere Tage. Da gab es so einige Möglichkeiten, die ich hin und wieder sicher gerne mal ausschöpfen würde, um meine Ruhe mit der der zierlichen Blondine zu haben. So oder so war Riccarda sichtbar erfreut über diese vermutlich ziemlich unerwartete Neuigkeit von meiner Seite aus. Jetzt, wo sie mir auch weit mehr Vertrauen zu schenken bereit war, als noch vor ein paar Monaten, fächerte das die Möglichkeiten für nette bis heiße Ausflüge doch deutlich breiter. Ihre Vorfreude darauf war berechtigt. "Dann weiß ich jetzt, was wir demnächst mal abhaken werden.", ließ ich die junge Frau mit einem angetanen Grinsen wissen, dass ich die kleine private Bootsfahrt geistig auf die Liste setzte. Ich freute mich schon darauf. Dass keiner von uns beiden schnell seekrank wurde, hatten wir ja glücklicherweise auch schon bei einem vorherigen Date herausgefunden. Ich erinnerte mich noch sehr gut an unseren gemeinsamen Tanz auf dem Deck des Schiffs im Hafen unserer Heimatstadt. Auch daran, dass ich sie da geküsst hatte, obwohl das eigentlich eine Grenze gewesen war, die ich bis zum letzten Date nicht hatte überschreiten wollen. Na ja, was sollte ich da sagen - meine Beherrschung war damals eindeutig schlechter gewesen als heute. Das Notizbuch für Riccarda schien eines mit Glitzer sein zu müssen, was prompt meine rechte Augenbraue nach oben wandern und ein leises Lachen meine Kehle hochwandern ließ. Dafür, dass sie sich nicht gerne Engel von mir nennen lassen wollte, passte sie gerade wieder etwas zu gut in jenes Bild. Glitzer war einfach wahnsinnig mädchenhaft und kitschig. Lag meiner Welt so fern, dass ich es gar nicht in Worte fassen konnte. Die Tatsache, dass ich ein Mann war, spielte da natürlich an sich schon immens mit rein. Der Werwolf tat dann selbstredend den Rest, was meine Abneigung diesbezüglich anging. "Soll auch gleich noch ein fliegendes Einhorn mit aufs Cover, wenn wir schon dabei sind..?", stellte ich ihr eine sehr ironische Frage, die an sich schon sehr deutlich machte, wie ich Glitzerkram gegenüberstand. Auch, wenn sie mich sehr sicher inzwischen lange und gut genug kannte, um auch ohne diesen Wink mit dem Zaunpfahl zu wissen, dass ich Blutspritzer als dekoratives Stilmittel bevorzugte. Ich war schon jetzt wieder erpicht auf den zeitnah eintretenden Vollmond und die aufregende Jagd, die er mit sich bringen würde. Es war jedes Mal aufs Neue ein Fest. Auch hinsichtlich dessen, dass ich mich dabei immer stärker als sonst fühlte. Der Mond hatte so seine ganz eigene Wirkung auf uns Gestaltwandler und ich genoss das. Aber zurück zum Hier und Jetzt: Eigentlich hatte ich erwartet, dass Riccarda es entweder bei meinem Kniff belassen oder zumindest nur sehr mild zurück sticheln würde. Vermutlich deswegen, weil ich nicht gewusst hatte, inwiefern es überhaupt okay war ihren herrlich knackigen Hintern anzufassen und ob ich sie damit gar erschrecken würde. Andererseits wusste ich inzwischen eigentlich auch, dass sie sich genauso wie ich selbst nur selten mal gerne geschlagen gab. Sicherlich spielte auch der Alkohol seine Rolle in dem eher albernen Gezanke, aber nach dem ersten Schockmoment, in dem ich den Kopf zur Seite drehte und gerade noch rechtzeitig die Augen zukniff, weckte sie damit unweigerlich wieder meine dominante Ader. Die, die sich in den niemals endenden Rangeleien mit meinen Brüdern in früheren Jahren immer gut durchzusetzen gewusst hatte. Man musste natürlich auch dazu sagen, dass ich ohnehin der Größte und Stärkste von uns dreien war - ebenfalls zum Missfallen meines Vaters -, aber Spielereien aufzugeben lag mir eben einfach nicht im Blut. "Weißt du, was ich glaube?" Die Frage war absolut rhetorisch, aber auch vollkommen ruhig und ließ deswegen noch nichts Böses vermuten. Ich hob parallel dazu die Hand an, die bis gerade eben noch an ihrem Hintern gehabt hatte, um mir mit den Fingern das Salzwasser von den geschlossenen Augen zu wischen. Danach sah ich die zierliche Blondine wieder sehr direkt an und beugte mich langsam zu ihr runter, um nahe ihrer Lippen innezuhalten. "Die Küsse steigen dir ein bisschen zu Kopf.", raunte ich ihr ein paar letzte Worte zu. Dann löste ich meine Hand von ihrem Rücken und legte sie stattdessen beide vorne an ihre Schultern, um ihr einen Schubs nach hinten zu verpassen. Im selben Moment legte ich auch meinen Fuß hinter ihren Knöchel, um ihr sehr gezielt jeglichen Halt zu nehmen und sie rückwärts im Wasser abtauchen zu lassen. Ziemlich amüsiert beobachtete ich die blonden Locken im Wasser abtauchen und drehte mich dann grinsend zurück zum Ufer, um in aller Ruhe den Rückweg zum Strand anzusteuern. So weit zumindest meine vorübergehende Planung. Ob Riccarda mir hier gleich nachjagen würde, sobald sie wieder auf den Beinen stand, war natürlich noch eine Unbekannte in meiner Gleichung.
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Damals hatte mich die Aussicht auf eine abzuzählende Zahl an Dates mit Isaac noch etwas ungehalten gestimmt, um es diplomatisch zu umschreiben. Es war eine brillante Idee von Isaac gewesen, aber zu früheren Zeiten scheiterte bereits das harmloseste Gespräch zwischen uns, weshalb eine Verabredung eher in einer Katastrophe zu enden drohte – meine Vorfreude hielt sich dementsprechend in Grenzen und da brauchte sich niemanden beschönigenden Illusionen hingeben. Bestünde nicht der Zwang, miteinander auszukommen, hätte es die Dates nie gegeben und wir würden definitiv nicht an dem Punkt stehen, an dem wir mittlerweile angekommen waren. Immerhin tanzte in mir die Freude und Neugierde einen begeisterten Tanz bei der Aussicht auf Ausflüge mit dem jungen Mann. Niemals brächte ich diese Emotionen verbal über die Lippen, wenn meine Eltern anwesend waren oder sonst jemand Anteil an dieser heimlich gewachsenen Zufriedenheit mit der derzeitigen Situation haben lassen. Es war meine Sache; und die von Isaac. „Denkst du denn nicht, dass Glitzer und ein Einhorn zu viel des Guten ist?“, rätselte ich laut, als ob ich ernsthaft einen tieferen Gedanken darauf verschwenden würde. Zugegebenermaßen hatte ich als Mädchen ebenso meine Feen- und Prinzessinnenphase, aber dieser war ich mittlerweile entwachsen und durfte mich lediglich noch den allbekannten Klischees bedienen. So ein bisschen Funkeln und Glitzern durften die Gegenstände oder Kleidungsstücke durchaus, aber eben alles in einem angenehmen Maß. Ob Isaac meine Ironie verstand oder nicht machte dabei keinen großen Unterschied. Er durfte sich ruhig zu einem späteren Zeitpunkt berichtigen lassen, doch nun gefiel mir die Aussicht auf ein kitschiges, rosa Notizbuch, bei dem einem die Hände glitzerten, sobald man es nur einmal kurz zwischen den Fingern gehalten hatte. „Es mag halt nicht jeder, wenn alles nach Mord und Totschlag schreit“, verteidigte ich meinen spielerischen Standpunkt grinsend und prangerte dabei seinen Wolf dezent an. Ich wusste ohnehin, dass es ausreichend andere, erwähnenswerte Seiten an seinem wölfischen Naturell gab, aber die Bereitschaft zu Gewalt und Blutvergießen blieb eben sehr dominant und stach den Fakt einer guten Nase oder feinen Gehörs schnell mal aus. Als Isaac mich dann mit einer derart kryptischen Frage ansprach, zog ich die Brauen zu einer fragenden Mimik zusammen und sah ihn abwartend an. „Was denkst du denn zu glauben?“ Wahrscheinlich brauchte es keiner konkreten Aufforderung, um den Dunkelhaarigen zum Sprechen zu bekommen, aber ich konnte mir die Erwiderung nicht verkneifen. Da ich mich ansonsten aber ruhig verhielt, bekam Isaac freies Spiel und ich ließ ihn ebenfalls gewähren, als er sich langsam wieder näher schob. Einzelne Tropfen hafteten noch auf seiner Haut und reflektierten das helle Mondlicht. Ich verspürte keine Angst vor einer anbahnenden Bedrohung. Trotzdem bedeutete mir meine Intuition, dass ich mit meiner frechen Gegenwehr einen Stein ins Rollen gebracht hatte, der mir nun selbst über die Füße poltern würde. Blöderweise hatte mein Stolz da auch noch ein Wörtchen mitzusprechen, weshalb ich nicht vor seiner großen Gestalt zurückwich, sondern den Kopf gerade ausreichend anhob, um zu verdeutlichen, dass ich mich von seiner ruhigen Art nicht einschüchtern, aber auch nicht täuschen ließ. Mein Blick verengte sich leicht, doch ein süffisantes Schmunzeln zupfte an meinen Mundwinkeln. Seine Küsse stiegen mir zu Kopf? Das hätte sein Ego wohl ganz gerne, aber diesen Triumph sollte er mal lieber dem Mojito überlassen. Der gluckerte nach wie vor munter durch meinen Organismus hindurch. Es brauchte geschätzte zwei Sekunden, nachdem seine Pranken auf meinen Schultern landeten, ehe die Erkenntnis sich sichtbar in meinem Gesicht ausbreitete und ich gerade noch die Zeit bekam, um überrumpelt nach Luft zu schnappen, ehe sich die Wasseroberfläche klatschend über meinem Kopf schloss. Das Nass fühlte sich weder kalt noch unangenehm an, trotzdem ruderte ich mit den Armen, um möglichst schnell wieder einen sicheren Stand zu erhalten, auftauchen zu können. Japsend brach ich zurück an die nächtliche Luft und holte Atem. Lang war ich zwar nicht abgetaucht, trotzdem brauchte ich den Sauerstoff, um die Überraschung zu verdauen. Die vorher noch locker fallenden Strähnen klebten mir nun vollkommen durcheinander auf der nassen Haut und ich musste sie mir teils aus dem Gesicht streichen, um wieder freie Sicht zu bekommen. „Isaac“, rief ich ihm warnend nach, als ich dem Hund dabei zusah, wie er sich ganz gemütlich aus dem Staub machte. „Jaja, lauf nur lieber weg“, lachte ich amüsiert und stiefelte ihm bereits nach. Über meine Absichten war ich mir in diesem Augenblick noch nicht klar. Wir befanden uns in einem neuen Szenario – früher war es undenkbar gewesen, sowas abzuziehen… ich hätte Isaac wahrscheinlich in seine Einzelteile zerlegt, sobald ich ihn in die Finger bekam und nun? Vielleicht schlenderte Isaac absichtlich so demonstrativ gelassen zurück ins seichtere Wasser, während ich regelrecht durch das Wasser pflügte. Endlich war ich bei ihm angekommen, nach wie vor ohne direktem Plan, weshalb ich es der alkoholisierten Seite meines Bewusstseins zuschob, dass ich mich mit ausreichend Schwung auf seinen Rücken beförderte und dadurch versuchte, sein Gleichgewicht zu sabotieren. Das Verhältnis unserer Körpermassen fiel definitiv nicht zu meinem Vorteil auf, weshalb ich frustriert schnaubte und an seinen Schultern ruckelte. „Fall um, verdammt“, beschwerte ich mich empört; ein Lachen hellte meine Stimme unterschwellig auf. Diesen Sieg durfte Isaac für sich verbuchen, ich nahm die Niederlage hin.
Die Ruhe, die nach Riccardas Abtauchen eingekehrt war, hielt nicht wirklich lange an. Ruhe war bei meinen empfindlichen Ohren zwar immer relativ, weil es nie still für mich war, aber ich hörte sie schon bald wieder an die Wasseroberfläche stoßen. Ihr prustendes Atmen war danach auch nicht zu überhören und es ließ mich unweigerlich gleich noch breiter vor mich hin grinsen. Es ließ sich nichts dran rütteln, dass ich einfach ein wahnsinnig schadenfroher Mensch war und ich hatte auch nie Scheu davor das nach außen zu tragen. Das war vielleicht nicht die feine, englische Art, aber man wusste bei mir immer, woran man war. Der Engel hätte eigentlich schon absehen können, dass ich mir früher oder später einfach meine Kraft zu Nutze machen würde, wenn sie mir eine Spur zu frech wurde. Offenbar hatte sie das aber tatsächlich nicht kommen sehen, was es für mich nur noch besser machte. Der kleine Ausflug ins Wasser leitete mit dem Abtauchen der zierlichen Blondine ein perfektes Ende ein und es hätte insgesamt nicht viel besser laufen können, oder? Ich würde ihn wohl erst morgen in Ruhe Revue passieren lassen können, weil ich Riccarda schon bald hinter mir durchs Wasser hechten hörte. Natürlich war ich nicht ansatzweise sowas wie wirklich auf der Flucht vor ihr, weshalb mich ihre Worte diesbezüglich nur mehr leise auflachen ließen. Es gab ohnehin nur sehr wenige Situationen in meinem Leben, die wirklich mal sowas wie eine aktive Flucht verlangten. Meine Ehefrau gehörte selbstredend nicht zu den wenigen Dingen, die mir genug Furcht einflößten, um besser einen fluchtartigen Abgang machen zu wollen. Dass ich damit goldrichtig lag bewies sie mir auch schon weniger als eine Minute später, als sie mich förmlich ansprang. Sie verdankte es wohl dem Schwung, den sie dabei mitnahm, dass sie mich mit ihrem Fliegengewicht im ersten Moment tatsächlich zum Ausbalancieren zwang. Aber ich geriet nicht einmal wirklich ins Stolpern oder gar in ernsthaftes Schwanken, während ich wegen ihres Kommentars auflachend nach ihren Oberschenkeln direkt oberhalb ihrer Kniekehlen griff. Riccarda hätte sich vermutlich genauso gut an einen Baumstamm werfen können, so wenig Einfluss wie sie hier auf meinen Gleichgewichtssinn hatte. "Wieso? Willst du unbedingt nochmal mit baden gehen?", fragte ich durchweg amüsiert, während ich unbeirrt weiter in Richtung Strand ging, das entspannte Tempo unverändert. Würde ich fallen, würde zwangsweise auch die Blondine noch ein zweites Mal abtauchen müssen. Wahrscheinlich störte sie das aber wirklich nicht, solange sie mich nur irgendwie zu Fall bringen konnte. Leider musste ich sie was das anging enttäuschen. Ich ließ mir von ihr schon genug andere Dinge auferlegen. Halbwegs zivilisiertes Verhalten - woran ich mich nach wie vor nicht immer hielt, aber ich gab mir zumindest Mühe damit - und immer wieder für meine eigene Person zurückzustecken beispielsweise. An meiner körperlichen Überlegenheit würde sich hingegen rein gar nichts ändern und wenn ich der Ansicht war, dass der Engel mal wieder auf milde Art spüren musste, dass sie was das anging bei mir auf ewig den Kürzeren ziehen würde, dann würde ich nicht zögern ihr das zu demonstrieren. So wie jetzt zum Beispiel. Es war für mich gleich doppelt amüsant, dass sie selbst mit dem festen Willen mich zu Fall zu bringen ungefähr gar nichts ausrichten konnte. Natürlich - sie könnte ihre glühenden Lichtfinger einsetzen, wenn sie es wollen würde. Aber dass sie es sich damit verscherzen würde wussten wir sicher beide. Deswegen kamen wir auch absolut unbeschadet wieder am Strand an, wo ich nahe unserer Klamotten schließlich zum Stehen kam. Ja, ein Handtuch wäre jetzt wohl nicht schlecht. In wölfischer Gestalt hätte ich mir das Wasser einfach aus dem Fell geschüttelt, da machte es mir der menschliche Körper schon deutlich schwerer und die nasse Hose war definitiv nicht angenehm. Aber gut, der Weg bis zum Haus ihrer Verwandten war ja zum Glück nicht wirklich weit. Im Grunde lohnte sich das trocken werden auch gar nicht, würde ich mich wegen dem Salz auf der Haut doch ohnehin noch mal unter die Dusche verziehen. War einfach unangenehm. Ich ließ Riccardas Beine los, damit sie zurück auf ihre Füße konnte. Als sie wieder auf eigenen Beinen stand beugte ich mich kurzerhand zu unseren Sachen runter, um sowohl ihr Kleid, als auch mein Hemd aufzusammeln. Ich hielt der Blondine den sommerlich leichten Stoff hin, warf dabei noch einmal einen flüchtigen Blick auf ihre nackte Haut. Trauerte jener gedanklich einen kurzen Moment lang nach, bevor ich die Augen von der Blondine ab und den Gästen am Strand zuwendete. Ich merkte es intuitiv, wenn Jemand in meine Richtung sah und wollte damit, dass ich demonstrativ zurückschaute, wohl einfach vermeiden, dass sie den zierlichen Engel länger als nötig ansahen. Zwar war es um den teuren Stoff des Hemds schade und es war weiß Gott nicht als Handtuch konzipiert worden, aber ich hielt es der zierlichen jungen Frau schließlich ebenfalls hin. "Dann wirst du schneller trocken... mir ist sowieso nicht kalt.", kommentierte ich das Ganze mit einem schwachen Schulterzucken. So schnell fror ich nicht und im Gegensatz zu Riccarda war mein Oberkörper bis auf die nassen Spuren am Rücken und die paar Spritzer von ihrer Aktion im Wasser auch nicht wirklich nass.
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Hatte ich mir überhaupt irgendwelche Chancen ausgerechnet? Nein. Kümmerte mich das im Entferntesten? Nein. Wahrheitsgemäß und ohne verräterischem Schmollen konnte ich behaupten, dass mir meine physische Unterlegenheit selbst im betrunkenen Zustand vollkommen bewusst war und ich mir deshalb keine Hoffnungen machte, jemals auf diese kraftbasierende Art ebenbürtig zu sein. Im Grunde dachte ich mir bei meiner Attacke allgemein nicht viel, sondern handelte intuitiv und nach einem primitiven kindlichen Wunsch in mir, dennoch eine kleine Trotzreaktion zu zeigen – immerhin ließ ich mich nicht vollends geschlagen einfach so pudelnass im Regen stehen. Selbst mit schlechten Aussichten holte ich zu einem noch so kümmerlichen Rückschlag aus, was neutral gesehen bereits ein relativ grundlegender Aspekt unserer damaligen Streitigkeiten war. Isaacs Dominanz und meine Unfähigkeit, nachzugeben. Schön, dass es inzwischen in keiner Diskussion mit wütend verzerrten Mienen ausartete, sondern stattdessen ein sehr unterdrücktes, leises Lachen zu vernehmen war. Meinen Stolz hinunterzuschlucken lag definitiv nicht im Bereich meiner Talente, aber falls es für meine bockigen Mann wichtig war, hier als Sieger aus der Situation zu marschieren – und wahrscheinlich werden ähnliche Szenarien auch in Zukunft noch auftreten –, dann würde ich bereitwillig den Kürzeren ziehen und ihm diesen Triumph überlassen (samt minimaler Gegenwehr). „Nass bin ich ja ohnehin schon“, erwiderte ich leichthin auf seine amüsant klingende Frage, ehe mir einfiel, dass Isaac meine locker-flockige Antwort ebenso gut als Aufforderung interpretieren könnte, mich gleich erneut auf Tauchstation zu schicken. Ihm schien der Sinn jedoch nicht nach einem weiteren Plantschen meinerseits zu sein, denn statt einer abschüttelnden Gestik griff er in meine Kniekehlen und sicherte damit meine Position als Rucksack auf seinem Rücken. Prinzipiell mochte ich es nicht, hochgehoben und durch die Gegend getragen zu werden, jedoch änderte sich meine Einstellung, sofern ich von mir aus den Willen dazu zeigte und nicht mehr oder weniger gezwungen wurde. So aber lebte es sich ziemlich gut mit dieser Aussicht von weiter oben, die ich normalerweise nicht mitbekam. Unterm Strich misslang mir mein im Vorfeld bereits zum Scheitern verurteilter Versuch, aber ich bekam einen gratis Transport zurück zum Strand, wo mich Isaac sogar bis wenige Schritte vor unsere Kleidung brachte und erst dort meine Beine wieder freigab, sodass ich in einer überraschend eleganten Bewegung von seinem Rücken rutschte und sicher auf beiden Füßen aufkam. Nun, wo ich bereits lang genug halb nackt in der Gegend herumgestanden war, störten mich die wenigen weiteren Minuten außerhalb des Wassers auch nicht mehr, weshalb ich unbekümmert damit begann, meine Haare auszudrücken, sodass diese aufhörten an meiner Haut zu kleben. Ein Gefühl, das ich nur bedingt ausstehen konnte. Ebenso hielt sich meine Begeisterung in Grenzen, nass in Kleidung schlüpfen zu müssen; sei es auch nur ein luftig sitzendes Sommerkleid. Trotzdem beklagte ich mich nicht, sondern griff nach dem angebotenen Kleidungsstück, bedankte mich murmelnd und hielt dann aber doch kurz noch inne, weil mir Isaac zusätzlich sein Hemd anbot. Fragend erwiderte ich seinen auffordernden Blick. Die Erklärung erfolgte schnell und recht nebensächlich, trotzdem lächelte ich leicht. „Danke.“ Eine Banalität, trotzdem fand ich es sehr aufmerksam von Isaac und wollte deshalb sein Angebot nicht ablehnen, obwohl uns beiden sicherlich bewusst war, dass der heikle Stoff diese Begegnung mit Salzwasser nur semioptimal aufnehmen würde. Mit der neuen Aussicht, halbwegs trocken in das Kleid zu kommen, kam auch das unangenehme Gefühl der entblößten Nacktheit wieder vermehrt zurück, weshalb ich eher grob über meine Haut fuhr und nicht ewig herumwerkte. Sobald ich halbwegs zufrieden mit meiner Trockenheit war, zog ich mir das gemusterte Kleid wieder über den Kopf und steigerte damit mein Wohlbefinden um 100 Prozent. Meine kleine Tasche war ebenfalls unbeschadet im Sand unter den Kleidungsstücken versteckt liegen geblieben, weshalb ich mir diese schnappte und den langen Riemen über die Schulter hängte. Isaacs nun nasses Hemd legte ich über Tasche, sodass die Ärmel um meine Beine schlackerten und ich eine neue Lösung finden musste. Schlussendlich hatte sich das Stück Stoff so falten lassen, dass es mir nicht bei jedem Schritt runterfiel oder mein Gehen behinderte – mit anderen Worten: ich war ebenfalls endlich aufbruchbereit. Der Weg zurück zu dem pompösen Anwesen verlief sehr ereignislos und ruhig. Ich hatte kein Problem damit, zu schweigen, wenn es absolut nichts zu sagen gab. Die Stille blieb auch angenehm, prägte sich nicht durch peinliches Schweigen oder unangenehmes Grübeln. Auch in der ruhig daliegenden Villa regte sich bei unserem Eintreffen nichts mehr, weshalb wir unbemerkt – und vor allem ungestört – hinauf in unser Zimmer kamen. „Geh du zuerst ins Bad, ich werde sicher länger brauchen“, forderte ich Isaac auf, während ich meine Tasche auf dem kleinen Beistelltisch ablegte und sein Hemd ausschüttelte, danach über die Stuhllehne hängte.
Meine Mundwinkel zuckten zu einem kleinen Lächeln nach oben, als die zierliche Blondine das Hemd an sich nahm. Danach waren wir beide erstmal einen Moment lang mit uns selbst beschäftigt, was auf meiner Seite lediglich bedeutete, dass ich versuchte den Sand möglichst effektiv von den Füßen runterzukriegen. Niemand stieg gerne mit sandigen Füßen in Socken und Schuhe. Ich war zwar keiner dieser typischen Schnösel in meiner Familie und deren Bekanntenkreis, aber es war einfach kein schönes Gefühl mit dem krümeligen Zeug an den Sohlen herumzulaufen. Dementsprechend froh war ich darüber so gut wie alles wegzukriegen, bevor ich mir Socken und Schuhe wieder anzog. Bis dahin waren meine Beine unterhalb der Shorts auch wieder halbwegs trocken, auch wenn natürlich weiterhin etwas von dem salzigen Meerwasser von der Hose tropfte. Die Shorts extra auszuziehen, nur um sie auszuwringen, war mir den Aufwand dann auch nicht wert. Der Heimweg war nicht lang und das bisschen Wasser würde mich nicht umbringen. Da litt mein Hemd wahrscheinlich mehr darunter als meine Haut. Als Riccarda bereit zum Aufbruch war verließen wir das Party-Ambiente. Zugegeben hatten wir von der Party an sich im Endeffekt gar nicht so sehr viel mitbekommen. Nicht zuletzt deswegen, weil die junge Frau der Ansicht gewesen war mich auf der Tanzfläche etwas zu sehr provozieren zu müssen, aber ich würde mich was das anging nicht beschweren. Am Ende war es vermutlich genau das, das mich dazu bewegt hatte sie von der tanzenden Menge wegzutragen und sie zu mehr Zweisamkeit zu verführen. Der Alkohol war mir bei Alledem zweifelsfrei natürlich zu Gute gekommen, aber eigentlich war mir das auch egal. Die Hauptsache war, dass ich den Engel langsam aber sicher davon überzeugen konnte, dass ich nicht nur der große böse Wolf war, der einem schaurig gruseligen Märchen alle Ehre gemacht hätte, sondern auch ganz anders konnte. Sie hatte lange dazu gebraucht das aus mir herauszukitzeln, da war es nur fair, dass von nun an auch etwas davon hatte. Weil sie angefangen hatte mir zu vertrauen und sich bei mir wohlzufühlen. Es reichte mir auch vollkommen, wenn sie mir das nur zeigte, wenn wir unter uns waren. So gerne ich früher auch mit meinen Bettgeschichten geprahlt hatte, galt das nicht für Riccarda und mich. Natürlich war sie viel mehr wert als die damaligen Betthäschen und bezog inzwischen einen vollkommen anderen Stellenwert in meinem Leben, aber unsere Beziehung zueinander hatte schlichtweg eine viel tiefere Bedeutung, die nicht jede x-beliebige Person etwas anging. Vielleicht würde das irgendwann anders sein, wenn sich diese Art von Beziehung gefestigt hatte und das vorsichtige Herantasten abgeschlossen war. Aber jetzt wäre wohl kaum ein guter Zeitpunkt dafür aller Welt unter die Nase zu reiben, dass wir uns inzwischen meistens wirklich gut verstanden. So auch im Alltag - kaum waren wir nach dem Heimweg schließlich wieder im Gästezimmer der Villa angekommen, ließ Riccarda mir aus freien Stücken den Vortritt im Bad. Gebraucht hätte ich den Vorrang nicht unbedingt, aber es machte in dieser Reihenfolge schon mehr Sinn, weil sie wirklich länger brauchen würde als ich. "Ja, da hast du vermutlich recht... Frauen und Badezimmer eben.", kommentierte ich ihre Worte mit einem unbeschwerten Grinsen auf den Lippen, als ich mir die Schuhe von den Füßen schob. Ich schnappte mir nur noch frische Klamotten, danach ging ich zur Badezimmertür, hielt im Rahmen aber nochmal kurz inne und sah über meine Schulter zurück zu dem blonden Engel. "Es hat übrigens was, wenn du mit meinem Hemd durch die Gegend spazierst.", ließ ich sie wissen, bevor ich endgültig den Abgang ins Badezimmer machte. Ich mochte es wohl einfach, wenn sie sich von selbst als meins markierte. Auch, wenn das in meiner direkten Anwesenheit kaum nötig sein durfte, um andere Männer fernzuhalten. Die nassen Klamotten wanderten vorübergehend erstmal in die Badewanne, damit ich zuerst das Salzwasser unter der Brause loswerden konnte. Lange brauchte ich dafür auch nicht, ging es doch nur darum das Meer abzuwaschen um frisch ins Bett rollen zu können. Demnach trocknete ich mich schon bald wieder ab und rieb auch die dunklen Haare grob mit dem Handtuch trocken, bevor ich noch einmal ans Waschbecken trat und auch den Rest der abendlichen Routine abschloss. Als das alles erledigt war widmete ich mich noch einmal kurz den improvisierten Badeklamotten, um sie ein bisschen auszuwringen und sie danach auf die Heizung an der Wand zu hängen. Die würden wohl einfach morgen mal mit dem Rest der bereits getragenen Klamotten in die Waschmaschine fliegen. Ich zog mir noch die Boxershorts und die grauen, bequemen Stoffshorts an, dann verließ ich nach etwa zehn Minuten das Badezimmer und ging mit Umweg über den Minikühlschrank zum Bett rüber. Auf der Kante sitzend nahm ich ein paar Schlucke aus der kleinen Wasserflasche, ehe ich sie auf dem Nachttisch abstellte und die Beine unter die Bettdecke schob. Dabei war es kaum dem Alkohol zu verdanken, dass ich wohl so entspannt wie schon lange nicht mehr war. Machen wir uns da nichts vor - ich mochte ja gerne den egoistischen Einzelgänger geben, aber eigentlich brauchte ich sehr wohl auch sowas wie gesunde soziale Kontakte.
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Natürlich musste ich mir einen Kommentar auf meine Kosten gefallen lassen. Grinsend verdrehte ich die Augen für Isaac sichtbar: „Sag einfach Danke und mach weiter.“ Mein Tonfall war warm und von einem unterschwelligen Grinsen geprägt. Nichts Boshaftes oder Anmaßendes, weil ich gewiss keine Lobeshymne auf meine Rücksicht gesungen brauchte oder sonst irgendeine Art der Anerkennung. Mir erschien es nur aufmerksamer und einen gewissen Eigennutzen hatte es für mich eben auch, da ich mir deshalb absolut keinen Stress unter der Dusche machen musste, weil niemand im Anschluss wartete, um ebenfalls ins Bad zu können. Und da es zwischen uns zu einer unterhaltsamen Tradition wurde, schmiss ich auf seine Bemerkung hin ebenfalls mit Sarkasmus um mich. Da Isaac seinen Luxushintern tatsächlich endlich ins Badezimmer schob, machte ich mich daran, mir ebenfalls saubere Kleidung für später herzurichten, wobei es sich im Grunde auf meinen Pyjama begrenzte, der hier in den Tropen ebenfalls luftig und locker ausfiel. Zwar besaß das Zimmer eine funktionierende Klimaanlage, aber ich verzichtete gerne auf diesen Luxus in der Nacht und noch dazu mit nassen Haaren – am Ende verkühlte ich mich trotz der geringen Wahrscheinlichkeit. Noch während ich also gedankenversunken nach Unterwäsche kramte, richtete Isaac noch einmal das Wort an mich und forderte damit indirekt, dass ich über meine Schulter hinweg zu ihm blickte, wie er da so lässig am Türrahmen lehnte und mich frech anfunkelte. Meine Mundwinkel bogen sich willkürlich zu einem Lächeln nach oben, aber eine Erwiderung bekam der junge Mann nicht mehr. Einerseits verschwand er zu schnell hinter einer verschlossenen Tür, andererseits fiel mir keine passende Antwort auf diese Aussage ein. Ihm gefiel es, wenn ich mit seinen Sachen herumspazierte. Eine Frage der wölfischen Territorialität oder ging dieses Gefallen von unserer besseren Beziehung zueinander aus. Wo wohl der Ursprung lag? Da ich allein kaum eine Antwort fand und gewiss nicht nachstochern würde, ließ ich die Überlegung bald wieder fallen und vertrieb mir die Wartezeit stattdessen mit dem Beantworten meiner Nachrichten am Handy. Natürlich fluteten meine Eltern den Chat, aber ich hielt mich dennoch recht bedeckt in den Informationen, die ich ihnen zuspielte und erwähnte mit keinem einzigen Wort das Angebot meines Onkels. So blöd war ich nicht! Als nächstes las ich die Nachricht von Jago, der mir abschließend einen schönen Aufenthalt wünschte und sich allen Anschein nach dem einen oder anderen Urlaubsfoto sehnte. Ich schmunzelte ein wenig vor mir her, bevor ich zu den restlichen Freunden überging, die ebenfalls eine rasche Antwort erhielten – meistens ging es um irgendwelche Nichtigkeiten oder Sommerpartys, zu denen ich wahrscheinlich nicht erscheinen würde, weil es der Terminplan – wie schade – einfach nicht zuließ. Ich musste noch mit ein paar hartnäckigen Überredungsversuchen rechnen, aber denn würde ich mich ein anderes Mal widmen, denn mit einem Klicken signalisierte mir die sich öffnende Badezimmertür, dass nun ich an der Reihe war. Ehrlich gesagt hasste ich es ohnehin, dass ich noch immer in dem salzigen, nassen Höschen steckte. Schnell wie ein blonder Wirbelwind huschte ich an Isaac vorbei und war dann auch schon im Bad verschwunden, wo ich mich in Windeseile von der Kleidung entledigte und diese eher dürftig unter dem Wasser auswusch, dann neben Isaacs über die abgeschaltete Heizung hängte. Selbst gönnte ich mir mehr Zeit unter dem lauwarmen Wasserstrahl mit den blumig duftenden Seifen – trotzdem fühlte es sich nach rekordverdächtigem Tempo an, indem ich mir die Haare wusch, Conditioner verwendete und auch meinen Körper vom Salz befreite und in eine wohlriechende Duftwolke hüllte. Noch ein kleiner Freundschaftsdienst: ich nutzte absichtlich dezente Noten, um Isaacs Nase nicht zu penetrieren seitdem wir mehr Zeit miteinander verbrachten. Nach dem Abtrocken und dem Verpacken der lockigen Strähnen in einem extra Handtuch widmete ich mich dem Abschminken und Zähneputzen, sowie allen anderen alltäglichen Vorgehensweisen vorm Schlafengehen. Abschließend schlüpfte ich noch in die kurzen Shorts, zog mir das dazu passende Top über den Oberkörper und schüttelte meine feuchten Haare aus. An der warmen Luft würden sie ohnehin sehr schnell trocknen; aufs Föhnen hatte ich schlichtweg keine Lust mehr. Frisch und gut gelaunt tänzelte ich wieder zurück ins Zimmer und warf mich auf meine Seite des Bettes. „Irgendwie hab ich noch Hunger… wie sieht’s bei dir aus?“, erkundigte ich mich aus heiterem Himmel heraus bei Isaac, der an der Bettkante saß. Zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit handelte es sich um keinen richtigen Hunger, sondern vom Alkohol induzierten Appetit, den ich unbedingt noch stillen musste, um vollends zufrieden schlafen zu gehen – so viel zur Sinnhaftigkeit meines vorherigen Zähneputzens.
Es war jedes Mal aufs Neue eine nicht zu überriechende Duftwolke, die sich aus dem Badezimmer mit ins Zimmer rollte, wenn Riccarda geduscht hatte. Eigentlich roch ich das mit meiner sensiblen Nase ohnehin schon währenddessen, weil unter der Tür grundsätzlich ein paar Duftstoffe durch huschten. Wenn die Tür dann aber letztendlich aufschwenkte war es in den meisten Fällen kurzzeitig gefühlt das einzige, das ich noch roch. Gerade am Anfang unserer von Zwang behafteten Beziehung zueinander hatte mich das gestört, aber inzwischen empfand ich das schon länger nicht mehr so. Zumal ein weiblicher Duft ohnehin nicht per se etwas Schlechtes war, ich hatte ihn halt nur früher für gewöhnlich nicht in dem Raum, der mein Schlafzimmer war. Selbst dann, wenn ich tatsächlich mal eine Frau mit bis nach Hause ins Schloss meiner Familie genommen hatte - was ohnehin sehr selten war, verlegte ich die One-Night-Stands doch weit lieber in Hotels -, dann war das ein ganz anderer und einfach weniger... blumiger Geruch. Aber wie auch immer. Meine Nase fühlte sich davon längst nicht mehr so irritiert wie noch vor Monaten, also war das Ganze auch nicht so wichtig. Zumal ich zweifelsfrei lieber eine frisch geduschte Riccarda neben mir im Bett liegen hatte, als eine, die nach einer Mischung aus salzigem Meerwasser und Alkohol roch. Es hatte in meinen Augen also alles seine Richtigkeit. Dass der Engel mich kurz nach dem Verlassen des Badezimmers danach fragte, ob ich denn Hunger hatte, kam zugegeben ziemlich unerwartet. Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, wann die zierliche Blondine sich direkt vor dem vermeintlichen Schlafengehen mal nach meinem Hungergefühl erkundigt hatte. Deshalb wanderten auch meine Augenbrauen etwas überrascht nach oben, ehe ich mich dem Engel vermehrt zuwandte. Sie schien die Frage ihren Gesichtszügen nach zu urteilen aber tatsächlich ernst zu meinen und nahm mich damit nicht nur auf den Arm, weil ich nicht selten über einen Bärenhunger verfügte. Nur jetzt gerade eigentlich nicht. "Ausnahmsweise hab ich grade tatsächlich mal keinen Hunger, nein.", stellte ich amüsiert fest, zuckte leicht mit den Schultern. Zwar wäre es nochmal was anderes, wenn Riccarda mir ein frisch erlegtes Tier servieren wollen würde, aber das würde eher nicht passieren. Zu Frischfleisch sagte ich nie nein, nur musste ich mir das in der Regel grundsätzlich selbst jagen und das war auch gut so, bot die Jagd an sich doch immer ihren ganz eigenen Nervenkitzel. Ich spürte schon jetzt wieder die nicht mehr weit entfernte Vollmondnacht in meinen Venen kitzeln. "Aber wenn du dich besser fühlst, wenn ich dir in die Küche folge oder auch was mitbestelle, falls irgendein wahnsinniger Restaurantinhaber wegen dem Tourismus um diese Uhrzeit noch liefert, lass ich mich bestimmt überreden.", machte ich dem zierlichen Engel ein durchaus ernst gemeintes Angebot, auch wenn ich dabei weiterhin belustigt klang und ein wenig vor mich hin grinste. Die letzte Mahlzeit lag inzwischen schon ein paar Stunden zurück und es war längst wieder genug Platz in meinem Magen, um etwas zu essen, auch wenn ich gerade noch nicht so wirklich hungrig war. Dank meines schnellen Metabolismus musste ich mir um ansetzende Kilos ohnehin keine Sorgen machen. Riccarda hatte bei mir niemals zu befürchten, dass ich Speckrollen am Bauch ansetzen würde, weil das genetisch meines Wissens nach gar nicht möglich war. Zwar wurde auch bei uns Wölfen der Stoffwechsel schwächer, aber nicht mal mein Vater setzte Fett an und meines Wissens nach tat der schon seit Jahren nicht mehr wirklich viel für seine körperliche Fitness. Wobei ich nicht wusste, ob er damit inzwischen nicht vielleicht zur Sicherheit wieder angefangen hatte, seit wir beide mehr auf Kriegsfuß standen als jemals zuvor. Er war schließlich nicht vollkommen blöd - oder zumindest nicht in jeder Hinsicht - und ahnte bestimmte schon, dass ich ihm früher oder später die Kehle durchbeißen wollte. Jedenfalls war es auch nicht so, als würde ich jeden Moment vor lauter Müdigkeit auf die Matratze kippen und müsste jetzt unbedingt sofort schlafen gehen. Wenn die zierliche Blondine also gerne noch meine Anwesenheit wollte, um während ihrem Mitternachts-Snack noch ein Pläuschchen zu halten oder was auch immer, dann konnte sie das auch haben. Ein paar Worte reichten dazu vollkommen aus.
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Ich sah meine simple Frage nun nicht als wissenschaftliche Forschungshypothese, weshalb ich den fragend-verwirrten Ausdruck in Isaacs Gesicht nicht ganz nachvollziehen konnte. Sofern man sich gegenseitig nicht länger regelmäßig an die Kehle ging beziehungsweise das Verhältnis ein wohliges Beisammensein ermöglichte, sah ich kein Problem darin, mich auch nach dem Wohlbefinden meines Partners zu erkundigen und in dem Fall eines Werfwolfes an meiner Seite musste ich damit rechnen, dass Hunger womöglich ein dominantes Bedürfnis war. Selbst wenn ich ihm kein Reh auf dem Silbertablett servieren würde, konnte ich ihm zumindest die Aufmerksamkeit entgegenbringen, ihn ebenfalls in meine spontane Abendgestaltung einzugliedern. Denn ich würde mir sowas von noch etwas zu essen machen. Isaac dachte merklich über das Angebot nach, weshalb ich mir die Zeit nahm, um auf seine Entscheidung zu warten. Ironie des Schicksals – einmal sah ich mich in der Lage, ein ganzes Wildschwein zu vertilgen (metaphorisch gesprochen, da mir kein passendes Synonym für die vegetarische Option einfiel) und ausgerechnet dann stieg mir Isaac aus, weil er sich gesättigt fühlte. „Okay, dann nur was für mich“, fasste ich beiläufig zusammen und setzte mich dabei auch schon wieder auf. Eigentlich bestand mein Plan darin, die Küche zu plündern, da mir die Idee des Lieferservices um diese Uhrzeit gar nicht in den Sinn gekommen war. Trotzdem nahm ich mir nun einen Augenblick, um die Optionen abzuwägen. „Nein, bestellen will ich mir nicht extra etwas, die Vorratskammern werden schon genug hergeben“, zeigte ich mich zuversichtlich und lehnte deshalb die telefonische Bestellung ab, ehe ich mich zu sehr an den Gedanken einer Pizza gewöhnte. Zwar verhielt sich mein Stoffwechsel recht gnädig, aber bedenkenlos in mich hineinschaufeln lag dennoch nicht im Bereich des Möglichen. „Über deine Gesellschaft würde ich mich trotzdem freuen“, umschrieb ich die Tatsache, dass ich mich wirklich besser fühlte, nicht allein zu Gast die Küche meines Gastgebers zu plündern; trotz meines Verwandtschaftsgrades wollte ich im schlimmsten Fall nicht allein dabei ertappt werden. Da dies nun geklärt war, sah ich keinen Grund mehr, meine Essensbeschaffung weiter hinaus zu zögern. Ich schwang meine Beine also über die Bettkante und nutzte den Schwung direkt, um aufzustehen. Mit den Händen in die Hüfte gestützt wartete ich darauf, dass auch Isaac Bewegung in seinen Körper brachte, ehe ich auf leisen Sohlen aus dem Zimmer huschte. Obwohl ich nicht sonderlich oft bei meinem exzentrischen Onkel zu Besuch war, kannte ich die wichtigsten Zimmer in dem Anwesen recht gut und fand problemlos den Weg in die modern eingerichtete Küche. Meine Tante kochte nicht unbedingt viel, aber sie backte recht gerne, weshalb es hier wohl auch nicht wie in einer Hotelküche aussah, sondern etwas Heimisches an sich hatte. Der riesige Kühlschrank lächelte mich bereits beim Betreten der Küche aus seiner Ecke heraus an, nachdem ich den Lichtschalter betätigt und die Tür wieder hinter Isaac geschlossen hatte. Wir mussten ja niemand aus durch den Lichtschein aus den Federn locken. „Und du möchtest wirklich nichts?“, versicherte ich mich noch einmal mit einem Blick über die Schulter bei Isaac, während ich schon den Kühlschrank öffnete und mich im weiteren Sinne dem Innenleben widmete. Es gab unglaublich viele Schüsseln und Behältnisse, die mit Salaten, Kompotten und Aufstrichen oder Gerichten gefüllt waren, weil niemand die Mengen mit einer Mahlzeit verspeisen konnte. Ich suchte mir ein paar Schüsseln mit diversen Aufstrichen zusammen, stellte alles auf die Arbeitsplatte mittig des Raumes und brachte zudem nach wenig Stöbern eine Käseplatte zum Vorschein, vom Frühstück übrig geblieben war. „Hier gibt es sicher irgendwo Gebäck zum Aufbacken“, tigerte ich weiter durch die Küche, ehe ich fündig wurde und den Backofen schon mal anschmiss. Zusätzlich fand ich eine Handvoll Weintrauben, die ich rasch abwusch und dann in eine Schale verfrachtete und ebenfalls bei dem bereits hergerichteten Essen abstellte. Ein leiser Ton verriet mir, dass das Backrohr vorgeheizt war und ich die zwei Kornspitze aufs Blech legen konnte, zögerte aber noch einen Moment, da mir Isaac noch nicht verraten hatte, ob ihn der Appetit nicht vielleicht doch zu einem belegten Weckerl überreden konnte - dann würde es nämlich ein Gebäckstück mehr auf dem Rost werden.
Es ging der zierlichen Blondine scheinbar nur um einen kurzen Zwischenstopp unten in der Küche, bei dem ihr ihr gerne Gesellschaft leisten sollte. Ich nickte nur noch begleitet von den Worten "Gut, dann komm ich mit runter.", bevor ich mich ebenfalls wieder von der Matratze des Doppelbetts schob. Auf den Füßen angekommen dehnte ich mir einen kurzen Moment lang den Nacken, dann setzte ich auch schon zur Begleitung der jungen Frau an. Ich trampelte jetzt nicht wie ein Gehbehinderter den Flur entlang, gab aber doch deutlich weniger auf extra leise Fortbewegung als Riccarda. Was hätten ihr Onkel und ihre Tante auch dagegen sagen sollen, dass wir nachts noch runter in die Küche gingen? Wenn man mit eigenständigem Besuch in den eigenen vier Wänden nicht leben konnte, dann sollte man ihn in meinen Augen ganz einfach gleich von vornherein in ein Hotel ausquartieren. Außerdem machten wir ja auch gar keinen großen Lärm auf dem Weg nach unten. Ich für meinen Teil hatte bisher noch keinen einzigen Fuß in die Küche gesetzt und sah mich deswegen erst einmal ein wenig um, als Riccarda schon drauf und dran war den Kühlschrank leerzuräumen. Ich verfolgte jene Geräuschkulisse stetig mit den Ohren, während meine Augen mit dem Rest des Raums beschäftigt waren. Irgendwas wahnsinnig Interessantes gab es da aber eigentlich nicht zu sehen - war halt eine Küche - und so fand mein Blick schon bald zurück zu dem blonden Engel, der hier wild hin und her wuselte. Ich ging ein paar Schritte mehr in ihre Richtung und stützte mich mit den Unterarmen auf die freistehende Kücheninsel in der Mitte. Ich hatte eigentlich nach wie vor keinen Hunger und auch keinen nennenswerten Appetit, als die junge Frau mich erneut danach fragte, ob ich denn wirklich nichts wollte. Es waren seit ihrer ersten Frage diesbezüglich jetzt noch nicht wahnsinnig viele Minuten vergangen, es hatte sich dementsprechend also nichts dran geändert. Aber ich ließ mir mit der Antwort Zeit, bis sie schließlich den vorgeheizten Ofen aufmachte, um das hervorgeholte Gebäck hineinzulegen. Erst ihr Blick, der meinen dann über ihre Schulter hinweg traf, hatte ich die Augen ganz das Raubtier doch nie wirklich von ihr abgewendet, ließ mich schließlich ergeben mit den breiten Schultern zucken. "Na also gut, leg mir eins mit rein.", gab ich mich mit einem schwachen Grinsen geschlagen und richtete mich daraufhin wieder zum Stehen auf, um selber einen kurzen Abstecher zum Kühlschrank zu machen. Mit unseren Essgewohnheiten würden Riccarda und ich uns sehr sicher niemals mehr einig werden, war doch das erste wonach ich suchte ein totes Tier in Form von Aufschnitt. Was das anging kam mir die Anwesenheit von Harry im Haus wieder zugute, weil er sich genauso wenig wie ich den vegetarischen bis veganen Gepflogenheiten der Engel gebeugt hatte. Solange ich regelmäßig jagen ging brauchte ich die ohnehin schlechtere Energiequelle von nicht frischem Fleisch zwar eigentlich überhaupt nicht, aber es schmeckte mir als geborenem Fleischfresser auch schlichtweg besser als Käse und der ganze andere Kram. Auch was das anging würde der Wolf in mir immer die Nase vorne haben. Ich zog eine entsprechende Platte mit Wurstaufschnitten aus dem Kühlschrank und stellte sie auf einem freien Platz neben dem ganzen anderen Zeug ab, das Riccarda sich schon aus den kühlenden Fächern genommen hatte. Ihr nächtlicher, sehr sicher von Alkohol ausgelöster Hunger war schon ein Stück weit faszinierend. Ich kam einfach nur selten selbst in diesen Zustand, weil ich dafür unheimlich viel gebechert haben musste. Ich hatte inzwischen längst wieder das Gefühl absolut nüchtern zu sein, als hätte mein Körper den Alkohol schon wieder vollständig abgebaut. Ganz so schnell ging es zwar wahrscheinlich nicht wirklich, aber es fühlte sich so an. Bis ich mich für einen Brötchenbelag meiner Wahl entschieden hatte, war das Zeug im Ofen dann auch schon fertig und der blonde Engel holte das nach wenigen Minuten fertige Gebäck wieder heraus, damit nichts anbrannte. Einmal mehr merkte ich dabei wie dringend ich es inzwischen nötig hatte, während mein Blick die schlanken Beine und auch den Hintern der jungen Frau streiften, solange sie noch am Ofen zugange war. Umso besser war es, dass ich mich daraufhin bald mit dem Aufschneiden meines Gebäckstücks auf andere Gedanken bringen konnte. Ich ließ die aufgeschnittenen Hälften dann aber erst einmal kurz abkühlen, waren sie mir so ganz heiß doch nicht ganz recht. "Haben wir für morgen schon irgendwelche festen Pläne..?", hakte ich indessen nach, was Riccarda für den morgigen Tag vorschwebte. Ich wusste nicht, ob sie ihren Onkel schon so zeitnah bezüglich der Einblicke in sein Geschäft fragen wollte oder ob sie sich schon irgendwas anderes vorgenommen hatte, wovon ich nur bisher noch nichts wusste.
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Hey du (: ich bin momentan noch mitten in der Laborphase bei der Übung, die sich noch bis nächsten Donnerstag zieht - danach hab ich wieder regelmäßiger zum Schreiben Zeit! :3
Streng genommen kannte ich auch keine schlüssige Erklärung für mein plötzliches Bedürfnis, in Gesellschaft zu sein. Zwar unterhielten wir uns nicht, aber die bloße Anwesenheit von Isaac machte es mir leichter, nicht permanent zur Tür zu schauen und zu warten, dass auf einmal jemand im Türrahmen stand. Woher diese minimale Paranoia kam, fragte ich mich zwar wirklich, aber ich fand so schnell keine Antwort – stattdessen war ich primär auf der Suche nach einem guten Snack und zog allerhand Köstlichkeiten aus dem riesigen Kühlschrank. Meine Verwandtschaft ließ es sich hier wirklich gut gehen und für einen kurzen Augenblick schweiften meine Gedanken ebenfalls in diese Richtung ab, dass ich es mir hier ebenfalls vorstellen könnte. Nicht direkt im selben Haus meiner Tante, sondern in einem eigenständigen Gebäude, jedoch schien man hier ebenfalls auf nichts verzichten zu müssen. Trotz meiner gesunden Bodenständigkeit lebte ich nun bereits mein ganzes Leben in einem gehobenem Luxus, auf den ich wahrscheinlich rein aus gewohnter Bequemlichkeit nicht allzu leicht ausbrechen konnte. Ob es meine Tante geängstigt hatte, ihre vertraute Heimat hinter sich zu lassen, um ihrer Liebe um die halbe Welt zu folgen und sich vollkommen abgeschottet irgendwo zwischen den Palmen nieder zu lassen? Es fiel mir zugegebenermaßen schwer, Evangelina hierbei richtig einzuschätzen… daher ließ ich es sogleich wieder und widmete mich der richtigen Einstellung des Backofens. Das Gerät dürfte entweder recht neu oder qualitativ sehr hochwertig sein, denn die Vorheizdauer bemaß nur wenige Minuten, die für mich ohnehin wie im Flug vergingen – mein Zeitgefühl litt nach wie vor unter den eingeflößten Cocktails. Mir fiel es überhaupt nicht auf, wie lästig ich mit meiner Fragerei eigentlich wirken musste, sondern wartete erneut geduldig auf eine Antwort, während mein Magen ein zaghaftes Brummen von sich gab. Alles an mir schien nicht allzu viel Geduld übrig zu haben. Dass sich Isaac schlussendlich doch für eine spätabendliche – nächtliche – Mahlzeit breitschlagen ließ, verlockte mich zu einem amüsierten Lächeln, ehe ich noch ein Gebäckstück hervorholte und ebenfalls auf den Rost legte, ehe ich die Klapptür des Ofens wieder schloss und mich nun selbst damit begnügte, die Zeit tot zu schlagen, indem ich Isaac dabei zusah, wie er nun seinerseits den Kühlschrank plünderte. Wieso ich dermaßen erpicht darauf gewesen war, ob der junge Mann ebenfalls noch etwas essen wollte, wusste ich ebenfalls nicht, aber irgendwie fühlte ich mich direkt wohler, nachdem nicht nur ich dem Appetit nachgab, sondern Gesellschaft dabei bekam. Die Weckerl brauchten nicht allzu lang, obwohl es sich für mich dennoch wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, bis ich nach einem kontrollierenden Blick durch die Scheibe entschied, dass der Braunton genau richtig war und ich das Küchengerät wieder abstellen konnte. Mit spitzen Fingern fischte ich die drei Exemplare vom Rost und beförderte sie schwungvoll auf die bereits hergerichteten Teller, die ich in meiner Voraussicht oberhalb abgestellt hatte – natürlich konnte ich nach einem Geschirrtuch oder Handschuh suchen, doch so funktionierte es ebenfalls gut. Mit der Hüpfte klappte ich die Tür des Ofens im Weggehen zu und stellte Isaac seinen Teller vor die Nase. Dieser hatte inzwischen ein geeignetes Messer aufgestöbert, mit dem wir nacheinander das Gebäck aufschnitten. Qualmender Dampf stieg kaum sichtbar von der Innenseite auf und zwang mich zum weiteren Abwarten. Lang hielt ich es ohnehin nicht aus, da begann ich bereits eine Schicht Aufstrich aufzutragen, suchte mir ein paar Scheiben Käse aus und anschließend noch Gemüse und ein paar der Weintrauben von der Käseplatte. Da mein Auge immer mitaß und einer der schärfsten Kritiker war, drapierte ich alles hübsch auf dem Teller und nickte anschließend zufrieden mit meinem Werk. Die Lebensmittel würden es sicher überleben, sollten sie noch ein paar Minuten länger draußen stehen, wollte ich direkt wieder aufräumen – wahrscheinlich verbrannte ich mir sonst eh noch die Zunge am Essen. Mit wenigen Handgriffen geriet alles wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück. Zaghaft drückte ich leicht mit den Fingern auf die Oberseite eines Kornspitzes, um so die Temperatur abzuschätzen, ehe ich mich entschied, dass es das Risiko definitiv schon wert war und herzhaft in das knusprige Stück hineinbiss. Unweigerlich formten sich meine Lippen zu einem zufriedenen Lächeln, während ich kaute. Ja, manchmal war es tatsächlich so einfach, mich glücklich zu machen. Isaacs Frage war jedoch nicht an mir vorbei gegangen, ich hatte die verstrichene Zeit nur dazu genutzt, mir Gedanken darüber zu machen, ob in meinem verschwommenen Gedächtnis ein Hinweis auf eine Tagesplanung haftete und schüttelte schließlich den Kopf. „Nein, ich denke nicht. Schwebt dir denn etwas vor beziehungsweise möchtest du was Spezielles unternehmen?“, erkundigte ich mich nun meinerseits bei Isaac. Ich verlangte nicht, dass er die Initiative ergriff und den Ideengeber spielte, aber womöglich war ihm im Laufe des Tages etwas ins Auge gesprungen, dass er nun näher begutachten und ausprobieren wollte.
Heyo, ist gar nicht schlimm. Hatte am Montag meinen ersten Tag in einer neuen Firma und da am Anfang ja immer alles noch ziemlich anstrengend ist, hatte ich sowieso keinen Kopf fürs Tippen leider... :'D und bei Frühschicht kommt da sowieso selten was Gutes raus, haha. x'D _____
Es war doch ziemlich ungewohnt, den Engel so gierig über das Essen herfallen zu sehen. Riccarda war nur selten bis eher nie so unbeherrscht, was einen knurrenden Magen anging. Allerdings war an dieser Stelle wohl auch zu erwähnen, dass wir beide nur selten mal ganz allein etwas aßen und das allein war wohl schon ausreichend Begründung dafür. Im Beisein ihrer Familie galt es grundsätzlich sowas wie Manieren an den Tag zu legen, das galt auch gleichermaßen für jeden am Tisch. Außerdem war das Engelchen normalerweise eben auch nicht betrunken und gönnte sich dementsprechend auch nicht oft sowas wie spontane Mitternachtssnacks, weil sie plötzlich der vom Nervengift angetriebene Hunger packte. Die aktuelle Situation war also durchaus sowas wie ungewöhnlich. Eigentlich war es wenn dann eher ich, der nicht schnell genug etwas zu essen in die Finger kriegen konnte, weil ein Werwolf wohl grundsätzlich etwas mehr zu futtern brauchte, als ein Engel. Mehr oder weniger aß ich schließlich gleich für zwei und sämtliche meiner dem Menschen erhabenen Fähigkeiten verbrannten wohl einfach zusätzliche Energie. Also brauchte ich einfach zusätzliche Energiequellen, da war nichts zu machen. Witzig war es trotzdem, dass die zierliche Blondine jetzt beim ersten Bissen ins Brötchen förmlich nach dem Himmel zu tasten schien. Ein belustigtes Grinsen zierte also meine Lippen, als ich den Blick wieder von Riccarda abwandte und stattdessen damit anfing, mich um mein eigenes, inzwischen angemessen abgekühltes Gebäckstück zu kümmern. Währenddessen beantwortete die junge Frau mir dann auch meine Frage. Offenbar hatte sie selbst für den morgigen Tag noch nichts weiter geplant und das war im Grunde auch alles, was ich wissen musste. Dabei war es gar nicht so, als hätte ich schon irgendwas vor oder als würden mir explizite Vorschläge bezüglich Ausflügen oder Ähnlichem vorschweben. Ich hatte eigentlich nur wissen wollen, ob ich mich nach Irgendwas oder Irgendjemandem richten musste, was eventuelle eigene, spontane Einfälle anbelangte. Das Einzige, was ich für wirklich sinnvoll hielt, war das Frühstück am Tisch ausfallen zu lassen, weil eben der Vollmond nicht mehr weit weg war. Wenn ich jetzt im Voraus schon ein bisschen Jagen ging, dann artete die Nacht unter rundem Mond in den meisten Fällen weniger schlimm aus. Zwar ließ sich der vehemente Drang zum Töten unter dem Einfluss des Himmelskörpers nicht unterdrücken, aber vorher schon ausgelastet zu sein konnte nur von Vorteil sein. Vor allem hier auf unbekanntem Terrain, wo ich grundsätzlich etwas vorsichtiger sein sollte. So weit zumindest die Theorie - mit dem Denken fiel es im Blutrausch schließlich nicht selten ziemlich schwer. "Nein, nicht wirklich... ich werd' nur das Frühstück überspringen und lieber jagen gehen. Kann nicht schaden, wenn der Vollmond nicht mehr weit weg ist. Wenn ich ausgelastet bin läuft das meistens etwas glimpflicher ab.", setzte ich Riccarda mit einem schwachen Schulterzucken sehr neutral darüber in Kenntnis, dass ich zumindest nach dem Aufstehen erstmal ein bisschen für mich sein würde. Wann genau es uns nun aus den Federn trieb, war dabei unerheblich. Ich für meinen Teil würde mir sehr sicher auch keinen Wecker stellen, weil meine innere Uhr tadellos funktionierte. Sobald ich um die acht Stunden Schlaf erreicht hatte, wachte ich auf. Außer natürlich, wenn ich verletzt war. Dann brauchte mein Körper die zusätzliche Energie, wie beispielsweise nach dem Kampf mit dem fiesen Grizzly oder nach der Rauchvergiftung im Schloss der Engel. Jedenfalls war sie mich nach dem Aufstehen wohl erstmal für eine Stunde oder gar ein bisschen mehr los, weil ich mich nicht hetzen würde. Unerforschtes Terrain war auch unabhängig vom wilden Tierbestand interessant für mich und ich würde mich einfach mal ein bisschen umsehen. Wenn es den Engel und mich irgendwann wirklich hierher verschlug, wollte ich mich immerhin schon ein bisschen auskennen und wissen, was auf meine wölfische Persönlichkeit zukam. Als ich meinem Brötchen noch den finalen Schliff in Form von Belag verliehen hatte und es zugeklappt hatte, nahm ich es vom Teller von lehnte mich seitlich mit der Hüfte an die Theke, um die zierliche junge Frau besser ansehen zu können. "Aber unabhängig davon gehör ich dann ganz dir.", ließ ich sie mit ein paar kecken Worten, einem frechen Grinsen auf den Lippen und einem flüchtigen Zwinkern wissen, dass sie mich danach gerne für sich beanspruchen durfte. Danach biss ich dann erstmals selbst in meinen Mitternachtssnacks und bereute es ganz und gar nicht, mit runter in die Küche gekommen zu sein. Vielleicht war das kein fünf Sterne Menü, aber Gebäck frisch aus dem Ofen schmeckte eben trotzdem gut.
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Hast du dich mittlerweile gut einleben können? :3 bezogen aufs Play: vielleicht sollten wir mal eingrenzen, auf welcher Insel sich unsere Turteltäubchen befinden? ^^" _____________
Wenn man mich genau in diesem Augenblick nach meinem Befinden fragen würde, würde die Antwort großartig oder dergleichen lauten. Ich fühlte mich tatsächlich ungewohnt sorglos und zufrieden mit dem Weltgeschehen. Zwar weigerte ich mich prinzipiell gegen das Klischee eines kausalen Zusammenhang zwischen dem Hungergefühl einer Frau und deren Launenhaftigkeit, aber gerade traf eben jene Unterstellung ziemlich konkret auf mich zu. Nicht, dass ich zuvor heftigen Stimmungsschwankungen unterlegen wäre, aber die strudelnden Gedanken waren in den Hintergrund verschwunden und ich konzentrierte mich hauptsächlich auf den Verzehr des untypischen Mitternachtsnacks. Vielleicht ging es nur mir so, aber im Urlaub tendierte ich ohnehin zu einem höheren Ernährungsbedarf als daheim, wo wahrscheinlich die harmonische und allzeit friedliche Atmosphäre stark auf meinen Appetit drückte; an Tagen wollte man sich so fest umarmen, dass dem anderen der Sauerstoff knapp wurde. Oder man musste in dem Reisedomizil mehr Köstlichkeiten gleichzeitig ausprobieren und erhöhte deshalb die Nahrungsaufnahme. Was auch immer, ich betrachtete es nicht als philosophische Sinnfrage des Lebens, sondern biss lediglich ein weiteres mal von meiner nächtlichen Mahlzeit ab, lehnte dabei entspannt mit der Hüfte gegen die Kante der Arbeitsplatte mittig im Raum und kaute. Ich hatte im Grunde nichts zu sagen, sondern wartete auf Isaacs Antwort, der vielleicht genauere Vorstellungen von unserem ersten ganzen Tag hier auf der tropischen Insel im Kopf hatte. Dass seine Pläne eher bescheiden ausfielen, erfuhr ich direkt im Anschluss, was mich bestätigend nicken ließ, um so die gewonnene Zeit zum Hinunterschlucken zu verwenden, bevor ich doch noch meinen Senf dazu gab: „Kein Problem. Darf ich dich nur darum bitten, möglichst nicht wie ein blutbeschmierter Horrorfilm-Charakter zurückzukehren?“ Ich fügte ein kleines Grinsen hinzu, damit mein Gegenüber es nicht als Kritik oder Regel verstand, ich machte mir lediglich Sorgen um die Hausbewohner, die den Anblick eines zurückkehrenden Raubtieres nicht gewohnt waren. „Wegen meiner Verwandtschaft habe ich weniger Bedenken… es sind eher die Angestellten, die wahrscheinlich aus den Latschen kippen würden“, setzte ich deshalb noch nachdenklich hinzu und zuckte schlussendlich aber doch mit den Schultern: sollte ein Aufeinandertreffen passieren, ließ es sich auch nicht ändern, jedoch musste man eine Konfrontation ja nicht provozieren. Ich hatte ihn um ein wenig Nachsicht gebeten und damit mein Soll meines Erachtens nach erfüllt. „Wie ist das eigentlich so mit dem Mond und euch Werwölfen? Ich kann mir darunter nicht viel vorstellen, wenn einer von einer Verbindung zu dem Trabanten spricht. Ist es ein Zwang, wie in den Hollywoodfilmen oder wieder was ganz Anderes?“, wechselte ich das Thema, ohne richtig das Thema zu wechseln. Interesse züngelte neugierig in meinen Augen auf, als ich Isaac mit einem fragenden Blick über die Ecke der Kücheninsel hinweg anschaute. Der wissbegierige Ausdruck haftete lediglich kurz in meinen Augen, da eröffnete mir Isaac noch, was ich ohnehin geschlussfolgert hatte. „Sehr gut, dann werde ich mich mit dem Freizeitangebot hier auseinandersetzen und dann spielen wir Touristen“, weihte ich ihn in mein spontanes Vorhaben ein und grinste dabei selbstzufrieden vor mich hin. Die Insel war vielleicht nicht das beliebteste Urlauberziel, hatte aber dennoch eine Menge Auswahl und Vielfalt in Sachen Tagesplanung zu bieten, weshalb wir sicherlich auf unsere Kosten kommen würden – zudem gefiel mir die Organisation solcher Unternehmungen ganz gut, weshalb ich wahrscheinlich ohnehin übers Ziel hinausschießen würde.
Was das Frühstück, beziehungsweise in meinem Fall dass Jagen anging, bat mich der zierliche Engel darum, mich vielleicht nicht von oben bis unten mit Blut besudelt zurück ins Haus zu schleichen. Damals, als ich noch noch im Haus meiner Familie gewohnt hatte - was mir inzwischen wie vor einer halben Ewigkeit vorkam - war das nicht selten gewesen. Es gab dort ja Niemanden, der nicht von uns Gestaltwandlern gewusst hatte und die Bediensteten waren es durchweg gewöhnt. Zurückhaltung war nicht notwendig gewesen. Anfangs hatte ich mich auch im Schloss der Engel noch wenig dafür interessiert wie ich nach Hause kam, hatte meine Gewohnheiten diesbezüglich dann aber langsam ein wenig angepasst. Das sollte nun nicht heißen, dass ich ausnahmslos immer mit optisch weißer Weste nach Hause kam - zumal ich ohnehin nicht oft weiße Hemden trug -, aber ich versuchte zumindest es nicht allzu häufig vorkommen zu lassen. Zwar hatten sich die Engel inzwischen vermutlich zwangsweise daran gewöhnt, aber begeistert war davon nach wie vor Niemand und ich wollte nicht auch noch dieses Dach über dem Kopf verlieren. Vermutlich sollte ich mich dann auch hier von einer guten Seite zeigen, nicht zuletzt wegen des sehr wahrscheinlichen Erbes von Harry, das ich nicht unbedingt vereiteln wollte. Immerhin war das kein schlechtes Ticket, um aus meinem, beziehungsweise unserem alten Leben endgültig herauszukommen. Nachdem in alten Gefilden alles erledigt war, das ich zu erledigen müssen glaubte, könnte ich sicher getrost Abschied von meiner Vergangenheit nehmen und mich hier neu einleben. Aber erstmal... "Weiß nicht. Krieg ich was dafür?", zeigte ich mich noch nicht allzu nachsichtig mit dem Personal unserer Gastgeber, ohne dass das Grinsen von meinen Lippen erlosch. Das tat es auch beim nächsten Bissen vom Brötchen nicht, blieben doch selbst beim Kauen meine Mundwinkel noch angehoben. Gutes Benehmen würde für mich wohl nie selbstverständlich werden und bis ich zumindest ein bisschen mehr Reife durchs Altern bekam, würde ich weiterhin versuchen bei einer guten Möglichkeit was für mich rauszuschlagen. Es pumpte nach wie vor das Nervengift in den Adern des hübschen Blondine und ich wäre wohl nicht ich, wenn ich das nicht weiterhin zu meinem Vorteil nutzen wollen würde - ohne ihr dabei aber etwas Böses zu wollen selbstverständlich. Was die Sache mit dem Vollmond und uns Wölfen anging, musste ich jedoch erst einmal mit auf die Küchentheke gesenktem Blick kurz nachdenken. Nicht, weil ich das Gefühl jener Nächte inzwischen noch nicht in- und auswendig kannte, sondern weil es gar nicht so leicht für Jemanden zu beschreiben war, der diesen Trieb selbst nicht hatte. Deswegen nahm ich auch erst noch einen weiteren Bissen und kaute den in aller Ruhe zu Ende, bevor ich zu einer Antwort ansetzte. Allem voran mit einem leichten Schulterzucken. "Es ist jetzt nicht so, als würde uns der Mond dazu zwingen, uns auf die Jagd zu machen... aber er gibt uns mehr Kraft. Wir sind ja sowieso nachts stärker als tagsüber, eben wegen dem Mond. Und wenn Vollmond ist, fühlt man sich als Wolf einfach... unbesiegbar. Er löst Kräfte aus, die wir sonst nicht in diesem Ausmaß haben und da ist es schwer Nein dazu zu sagen. Man kann die Verwandlung schon unterdrücken, wenn man's wirklich will, aber man hat halt nicht viel davon stattdessen total aufgekratzt auf dem Sofa zu sitzen. Und was mich betrifft... bin ich einfach ein bisschen weniger gierig, wenn ich nicht eine Woche vorher gehungert habe.", fasste ich die Sache nicht ohne eine Prise Sarkasmus am Ende möglichst verständlich zusammen, bevor ich erneut ins schon beinahe verschwundene Brötchen biss. Wenn ich mich so mit anderen Werwölfen verglich, waren meine Triebe insgesamt etwas stärker ausgeprägt als beim Durchschnitt. Ich wusste nicht woran genau das lag, mutmaßte aber, dass es schlichtweg damit zusammenhing, dass ich insgesamt auch etwas größer und stärker war als der gewöhnliche Wolf. Was das anging stand ich meinem Vater auf Augenhöhe gegenüber und ich war der Meinung, dass er das Ende seiner Regentschaft deshalb quasi schon riechen konnte. Ich war gerade in meiner Blütezeit und er baute jeden Tag Stück für Stück ein bisschen mehr ab. Aber alles zu seiner Zeit - jetzt war ich erstmal ein bisschen Tourist, wie mir schien. "Wie gut, dass ich in der Regel für jeden Scheiß zu haben bin.", meinte ich nur ironisch, kaum war der letzte Bissen in meinem Rachen verschwunden und damit der Mitternachtsausflug in die Küche beendet. Ein bisschen gespannt war ich schon darauf, was der Engel nun genau an touristischen Attraktionen für uns raussuchte, aber ich würde mich einfach überraschen lassen. Jetzt galt es wohl nur noch das kleine Chaos hier auf der Kücheninsel zu beseitigen und dann ins Laken zu fallen... sofern Riccarda nicht noch irgendwas anderes vorhatte.
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Mir kam meine an Isaac gerichtete Bitte vernünftig vor und doch fiel es mir schwer, seine Reaktion darauf überzeugend einzuschätzen. Es gab ausreichend Variablen, die sein impulsives Gemüt in Wallung brachte und ihn dazu brachte, sich von seiner weniger ansehnlichen Seite zu präsentieren. Da er anfangs gegen jegliche Sitten im Engelspalast rebelliert hatte, war mir die Erscheinung eines blutbesudelten Mannes nicht fremd, doch würde ich diese Erfahrung lieber in der Vergangenheit verblassen lassen als hier in den vermeintlichen Ferien – abseits der Familie und damit einhergehenden Problemen – erneut aufleben zu sehen. So gesehen sprach auch nichts gegen meine Anmerkung, jedoch blieb meine Neugierde wachsam auf dem Dunkelhaarige auf der Breitseite der Arbeitsinsel inmitten der modernen Küche haften. Ich merkte förmlich, wie die Zahnrädchen in seinem Kopf ineinander ratterten, wertete dies aber nicht direkt als schlechtes Zeichen. Erst die zarten Auswünsche meiner spontan aufkommenden Ungeduld brachten mich dazu, merklich wartend von einem Bein auf das andere zu treten und ihn mit mehr Nachdruck in den Augen zu einer Zusage oder einer Diskussion bringen. Dass Isaac sich wieder einen Spaß aus dem Ganzen machen musste, hätte mich weniger überraschen dürfen und doch brachte diese im Grunde zu erwarten gewesene Frechheit leicht zum Schmunzeln. „Natürlich willst du etwas dafür“, seufzte ich theatralisch auf und legte den Kopf leicht schief, einzelne Locken sich über meine Schulter wanden und seitlich ins Gesicht rutschten. Mit einer nebensächlichen Handbewegung sorgte ich wieder für ein freies Sichtfeld. „Ich zeige mich mal kulant und frage dich nach der Richtung deiner Vorstellungen. Welche Gefälligkeit würde deine Rücksicht auf unsere Gastgeber und deren Bedienstete deiner Meinung nach aufwiegen?“ Dieses Spielchen konnte ich durchaus auch mitspielen, obwohl ich mir in dem Fall nicht sicher war, ob wir uns nur grinsend den Ball zuwarfen oder es sich tatsächlich um ein Spiel handelte, dessen Regeln meinem schummrigen Geist unbekannt waren. Mein Wunsch durfte klar auf dem Tisch liegen, aber Isaacs Absichten verbargen sich einmal mehr hinter einem undurchsichtigen Schleier. Trotzdem ließ ich mich darauf ein… wieder und wieder. Manchmal war es beim Umgang mit Isaac so viel einfacher, ihn zum Reden zu bringen und den Part der Zuhörerin zu übernehmen. Da stolperte ich weniger über Fettnäpfchen oder musste überanalysieren, wie es der werte Herr nun gemeint haben könnte. Mir schwirrte der Kopf ohnehin und der Mitternachtssnack linderte diese Symptome nur mäßig, was nicht hieß, dass ich mit weniger Appetit über den letzten Rest meines Weckerls herfiel, während der junge Mann nach einer passenden Beschreibung für seine wölfischen Triebe suchte. Erneut sah ich ihm an, wie seine Gedanken um ein Thema kreisten und zugegebenermaßen machte mich dieses verhaltene Schweigen nur noch neugieriger. Endlich brach Isaac die Stille. In meinen Augen glomm das Interesse bei jedem ausgesprochenen Wort weiter auf, ehe ich langsam nickte. „Also ist dieser Blutrausch aus diversen Horrorstreifen keine überspitze Darstellung von irgendwelchen veralteten Volkssagen, sondern durchaus ein Aspekt des Vollmondes?“, überlegte ich laut und warf einen fragenden Blick auf mein Gegenüber. „Sagen wir, es ist eine dieser Vollmondnächte und du triffst auf einen Wanderer in den Bergen… kannst du dich soweit kontrollieren oder würdest du… naja, du weißt schon“, beendete ich meine Frage dann eher zögerlich. In dem Moment war es mir aber wichtig zu wissen, immerhin kannte ich die Gruselgeschichten und vor Abneigung triefenden Schauermärchen über blutrünstige Werwölfe und deren unkontrolliertes Jagdverhalten. Mir wäre es lieb, die zaghafte, kleingehaltene Angst vollständig auslöschen zu können. Ich stellte es mir schwierig vor, mit einem Mann zusammen zu sein, vor dessen animalischer Hälfte ich mich insgeheim doch fürchtete – ohne es natürlich direkt jemals so offen zuzugeben, wie ich es mir gerade in diesem betrunkene Zustand gedanklich eingestand. Isaac hatte ein Händchen dafür, von seinen schlechten Eigenschaften oder bedenklichen Seiten abzulenken. Allein die lockere Erwähnung im Hinblick auf unsere weiteren Aktivitäten oder eher meine Planung der Tagesausflüge ließ mich wieder grinsen. „Na dann will ich keine Beschwerden zu hören bekommen“, hielt ich ihm belustigt vor, wobei ich selbstredend für Alternativen zu haben wäre, aber es gab gewisse Attraktionen, die ich mir nicht entgehen lassen wollte und den jungen Mann deshalb wohl oder übel mitschleifen würde. Vor meinem geistigen Auge spielten sich bereits ein paar Szenarien ab, während der knusprige Spitz des Weckerls, damit das Ende meiner Mahlzeit, hinter meinen Lippen verschwand und ich mich noch kauend daran machte, auch von Isaac den angebröselten Teller zu nehmen und in den Geschirrspüler zu verfrachten. Nachdem alle Spuren unseres nächtlichen Ausflugs beseitigt waren, schickte ich mich an, zurück ins Zimmer zu schleichen und dort ins Bett zu fallen. Die Müdigkeit machte sich ja doch langsam, aber deutlich bemerkbar.
Natürlich wollte ich etwas dafür. Aber wie sollte es auch anders sein? Ich war eher nicht der Typ Mensch - oder Wolf - der anderen gerne aus reiner Güte oder Freundlichkeit Gefallen tat. Zwar war das bei Riccarda inzwischen etwas anders und ich forderte schon länger nicht mehr grundsätzlich irgendwas dafür ein, dass ich einer ihrer Bitten nachkam, aber ab und zu war das einfach wahnsinnig unterhaltsam. Auch jetzt gerade zog mich die Spielerei diesbezüglich an wie ein Magnet eine Büroklammer. Außerdem war es jedes Mal aufs Neue witzig anzusehen, wie der Engel ungeduldig auf eine Antwort von mir wartete - nicht als wäre ich geduldiger als sie. Ich brachte Ungeduld nur ganz anders zum Ausdruck als die zierliche Blondine, die mich lediglich mit ihrer milden Körpersprache dazu bringen wollte den Mund aufzumachen. Mein Grinsen versuchte ich etwas dadurch im Zaum zu halten, dass ich mir kurzzeitig auf die Unterlippe biss. Allerdings funktionierte das nicht halb so gut, wie ich das geplant hatte. "Hmmm... lass mich dir drei Auswahlmöglichkeiten geben, ich bin ja flexibel." Die unterschwellige Ironie ließ sehr offensichtlich grüßen. Wir beide wussten schließlich sehr gut, wie sehr ich nicht flexibel war, wenn mir beispielsweise irgendwas nicht in den Kram passte. "Du könntest ausnahmsweise mal bei mir statt nur neben mir schlafen. So ohne zwei Kilometer Matratze dazwischen. Alternativ könntest du mich mindestens eine halbe Stunde lang massieren... oder du beantwortest mir 5 Fragen. Allerdings würde ich da drauf bestehen, dass du direkt vor oder neben mir bist, damit ich merke, wenn du lügst." Mein Grinsen hatte sich inzwischen zu einem fast schon versöhnlichen Lächeln geschmälert, was daran lag, dass ich sehr wohl wusste, dass das alles in allem eine nicht unbedingt angenehme Auswahl für den Engel war. Vielleicht erleichterte der Alkohol es ihr im Hier und Jetzt noch ein bisschen mit Körperkontakt zu mir klarzukommen. Es war für mich schwer einzuschätzen, inwieweit der Alkohol ihren Kopf noch vernebelte und wo sie ihre verklemmte Bremse zog. Wobei verklemmt nicht das richtige Wort war... dass sie nicht spießig war, wenn keine allsehenden Augen auf ihren Handlungen lagen, hatte Riccarda mir vorhin im Meer mehr oder weniger bewiesen. Es hatte einen Schubs von mir gebraucht, aber der Rest war dann von ihr gekommen. Mehr oder weniger eben. Die zur Auswahl stehenden Fragen wirkten auf den ersten Blick womöglich harmlos, aber ich würde auf diesem Weg vielleicht die eine oder andere Frage stellen, die sonst nie wirklich irgendwann zum Moment passte. Also welche von der Sorte, die potenziell unangenehm oder sehr persönlich waren. Meistens wahrscheinlich beides gleichzeitig. Wenn der Engel sich mit gar nichts von alledem anfreunden konnte, müsste dann halt doch das Personal leiden. Der Engel war so fein auch meinen Teil der winzigen Unordnung in der Küche mit zu beseitigen und ich folgte ihr dabei aufmerksam mit den Augen. Bevor ich jedoch begann auf eine ihrer Fragen zu antworten, folgte ich ihr dann noch schweigend nach oben. Dabei konnte ich mir nebenbei überlegen, was ich auf ihre Fragen eigentlich antworten wollte. Ich könnte natürlich lügen und sagen, dass ich den wehrlosen Menschen in den Bergen verschonen würde. Womöglich ließe das den Engel sehr viel ruhiger schlafen. Jedoch war ich inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem es mir lieber war keine Geheimnisse vor dem Engel zu haben. Zumindest nicht so viele wie früher, meistens sagte ich ihr lieber die Wahrheit. "In manchen Fällen trifft die Filmindustrie den Nagel ganz gut auf den Kopf, glaube ich. Aber ich kanns dir nicht wirklich sagen, weil ich mir solche Filme normalerweise nicht ansehe.", stellte ich etwas belustigt fest, während ich die Zimmertür hinter mir schloss und damit den unkomplizierten Teil beantwortete. Wozu sollte ich mir solche Streifen auch geben? Ich kannte das Gemetzel aus dem realen Leben und ging dann doch lieber einfach selbst jagen, als mir sowas auf der Leinwand oder dem Fernseher anzusehen. Was den Wanderer anging... "Wenn er nicht gerade eine steile Felswand hochklettert, an der mit vier Pfoten schlecht hochzukommen ist... würde ich ihn umbringen, ja.", nahm ich kein Blatt vor den Mund und drehte mich dabei wieder zu der jungen Frau um. Meine kurz darauf folgenden Worte machten es vermutlich auch nicht besser. "Ich kann tatsächlich auch gar nicht ganz ohne. Wenn ich mich dauerhaft nur von Wild ernähre werde ich irgendwann schwächer, weil es nicht das Gleiche ist. Das kann ich mir nicht leisten, ich hab ja kein Rudel mehr im Rücken... sondern eins im Nacken.", seufzte ich und zuckte schwach mit den Schultern. Es mochte ja etwas tollkühnes haben sich so als einsamer Wolf durchzuschlagen, aber allem voran war das gefährlich, unpraktisch und fernab von strategisch klug. Ich gestand das nicht gerne, aber am Ende würde ich ja doch einfach nur klanglos untergehen, wenn sich das ganze Rudel gleichzeitig auf mich stürzen würde. Körperliche Überlegenheit hin oder her, das wäre mein Tod. Deshalb entfernte ich mich für die Jagd selten weiter vom Engelsschloss als ich es musste, um an Beute zu kommen. Selbst wenn ich ein paar Stunden lang weg war, dann lag das überwiegend daran, dass ich meine Ruhe brauchte und deshalb irgendwo unweit des Schlosses gemütlich im Gras lag. Mich in der Stadt allein zu bewegen war kein Problem, jede Fläche ohne genügend Augenzeugen hingegen gefährlich. "Ich hab's aber schon aufs Minimum runtergeschraubt seit einer Weile und ich hab mich insgesamt viel besser im Griff, seit ich... nicht mehr so kopflos bin.", meinte ich abschließend und lehnte mich dabei dann unterbewusst mit dem Rücken an die geschlossene Zimmertür, senkte den Blick nachdenklich auf den Boden. Es erschien mir wohl einfach nicht richtig dem zierlichen Engel näher zu kommen, während ich über Mord redete. Meine letzten Worte waren ein vermutlich wenig von Erfolg gekürter Versuch Riccarda zu verdeutlichen, dass ich im Gegensatz zu früher nicht mehr ohne jeden Funken Verstand durch die Nacht rannte und mir jeden schnappte, der nicht niet- und nagelfest war oder der mich etwas zu wütend machte. Trotzdem würde ich zwangsweise immer ein Serienmörder bleiben und etliche der Vermisstenanzeigen in unserer Heimatstadt gingen auf meine Kappe. Die eher heiteren Gedanken an den morgigen Ausflug waren deswegen für den Moment ausgelöscht.
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