Kein Ding, mir haben die Profs auf einmal lauter Prüfungen vor die Weihnachtsferien aufm Silbertablett hingeklatscht und da ich nächstes Jahr fertig werden will, musste ich die Termine wahrnehmen. *Augenverdrehendes Emoji, wo bist du?* jedenfalls muss ich jetzt auch mal wieder kurz reinlesen, bin wahrscheinlich nach wie vor etwas wirr im Kopf, aber ich geb mein Bestes :3 _____________
Isaac bewies im Rahmen unser gemeinsamen Zeit und wahrscheinlich auch zur Genüge darüber hinaus, aber davor verschloss ich weiterhin meinem Seelenheil zuliebe die Augen, dass er tatsächlich sehr viel darstellte, jedoch wollte das Bild eines noblen Ritters in glänzender Rüstung nicht so ganz vor mein geistiges Auge rücken. Der junge Mann zeigte so viele unterschiedliche Facetten auf – vom eingebildeten Arschloch bis hin zum aufmerksamen Charmeur – und wechselte zwischen diesen Gesichtern manchmal so schnell, dass mir allein beim Zuschauen schon schwindlig wurde. Trotzdem tat ich mein Bestes, um ihn vor allem aus diesen negativen Nuancen zu locken, da er bei Weitem mehr anzubieten hatte, als ihm womöglich selbst bewusst war. Wie auch immer: in diesen Worten und derart direkt würde ich es seinem Ego sicherlich nicht unter die Nase reiben und genau deshalb lachte ich auch erstmal bestens amüsiert über seine Selbstdarstellung und hob eine dünn gezupfte Augenbraue fragen nach oben. „Irgendwie sehe ich, wenn ich dich anschaue, höchstens die Möglichkeit eines murrenden Kerl in Alufolie eingewickelt“, neckte ich Isaac lachend, wog dann aber den Kopf in einem zustimmenden Nicken, dass er lieber die Finger von einem Pferd als Transportmittel lassen sollte – ganz abgesehen davon würde er sich vielleicht noch an meinem eigenen Ross vergreifen, was ihm einen saftigen Tritt in den Hintern bescheren würde. „Solltest du aber wirklich irgendwo eine Rüstung finden und einen Drachen, mit dem du angeflogen kommen kannst, dann werde ich bereit stehen und theatralisch mit dem Taschentuch winken“, obwohl man das wohl eher zum Abschied machte, aber diesen kleinen Logikfehler überging ich einfach selbstbewusst. „Und was ist dein sechster Sinn?“, hakte ich interessiert nach, wobei ich vielleicht ein wenig zu amüsiert für den wahren Prozentanteil meiner Neugier klang. Ich erwartete mir nun durchaus eine für Isaac schlagfertige, passende Antwort und nicht nur den Wink auf seine manipulativen Fähigkeiten. Bisher hatte ich ihn das noch nie gefragt und irgendwie sträubte sich mein ganzes Selbst dagegen, zu erfahren, ob er seine geistigen Manipulationen bereits auf mich auch angewandt hatte – der Scheiß stellte sich nun mal darin heraus, dass man es als Opfer tendenziell nicht mitbekam, sollte jemand Fremdes Hand an die eigenen Gedanken legen. Etwas, das mir wirklich sehr unangenehm war und ich ehrlich nicht wüsste, wie ich auf eine zutreffende Offenbarung reagieren würde. Ebenso überraschte mich meine positive Reaktion auf seine einnehmende Handhabung in Form des Nichtloslassens, weshalb wir tatsächlich nebeneinander – na gut, ein wenig versetzt, da ich ihn die Arbeit des Durchdrängelns übernehmen ließ – bis zur Tanzfläche kamen und somit den Anschein eines vollkommen durchschnittlichen Paares auf Urlaub erweckten. Ich genoss diesen Hauch von Normalität und fühlte mich sogar gut in meiner eigenen Haut. Irgendwie fand ich es sehr entspannend, diesen Schutzschild in Gestalt eines zur Eifersucht fähigen Wolfes bei mir zu wissen. Es zeigte sich also durchaus als Nutzen, seine von Natur aus eher grimmigen Gesichtszüge auf meiner Seite zu haben, weshalb ich ihm auf verbalem Wege entgegen kommen wollte und zart lächelte. Mir schoss sogar eine warme Röte ins Gesicht, für die ich mich im nächsten Augenblick schon wieder verfluchte. Lieber zeigte ich meinem Umfeld – vor allem aber Isaac – meine starke und unkaputtbare Seite, jedoch passierte es teilweise geradezu willkürlich, dass meine Schutzschilde nachgaben und sich das kleine Mädchen dahinter für einen schnellen Blick in die Welt hinaus zeigte, ehe ich sie wieder zurückschließen konnte. Wahrscheinlich erlag ich irgendwo zwischen den sarkastischen Sprüchen und Gratwanderungen seinem kompliziert zu genießenden Charme. „Sei froh um dieses angenehm Anziehende“, grummelte ich leise vor mich her, weil ich es gerade absolut nicht leiden konnte, wie eiskalt Isaac mich erwischt hatte beziehungsweise mir bewusst gemacht hatte, obwohl es wahrscheinlich gar nicht seiner Intuition entsprach, dass ich ihm tatsächlich irgendwo auch auf den Leim gegangen war. Isaac Blick brannte mir im Gesicht, weshalb ich ein kleines Schmollen zeigte, dass ihm hoffentlich signalisierte, dass meine Laune nun nicht in unterirdische Abgründe gesunken war, sondern ich nur kurz schmollen wollte, um meinen kindischen Trotz zu befriedigen – ohne nun alle Frauen in die gleiche Schublade zu stocken, aber so ein bisschen trotziges Schmollen tat meistens gut und wenn es nur fürs eigene Wohlbefinden gedacht war. Jedenfalls war bereits wieder ein geschwungenes Lächeln in meinem Gesicht zu erspähen, als wir einen geeigneten Platz auf der Tanzfläche gefunden hatten und sich Isaac, der den Rammbock gespielt hatte, nun wieder mit dem Blick zu mir stand. Viel Platz blieb uns nicht vergönnt, aber zumindest ließ es sich auf der Stelle ausreichend bewegen, sodass schon bald der Beat der aufgelegten Musik von mir Besitz nahm und der Rhythmus meine Bewegungen lenkte. Das Tanzen machte mir Spaß, glücklicherweise besaß ich ausreichend Körperbeherrschung um nicht unkontrolliert zu wirken und so verfestigte sich meine freudige Ausstrahlung schon sehr bald. Dem Alkohol war es zuzuschieben, dass ich Isaac hier und leicht (vor allem aber absichtlich, wie mein herausforderndes Blitzen in den Augen verriet) anstupste beziehungsweise mich bei der einen oder anderen Drehung spürbar an ihn schmiegte. Mir schossen die Promille wohl wirklich erst jetzt richtig in den Kopf.
Manchmal war ich mir nicht so recht sicher damit, was ich von Riccardas durchaus frecher Art nun genau halten sollte. Einerseits konnte sie mir damit hier und da ja schon etwas auf die Nerven gehen und auch, wenn ich gelernt hatte damit umzugehen, dass sie mir immer gerne die Stirn bot, würde sowas immer sein Potenzial auf ein ungutes Ende behalten. Ich wollte dem Engel nun wirklich nichts Böses mehr, aber mein wölfischer Körperanteil war eben ein Restrisiko, das immer bestehen bleiben würde. Andererseits genoss ich genau diese kleinen Gefechte aber ungemein. Sie boten mir Abwechslung und es war auf erschreckende Weise sehr angenehm, dass sie keine Ja-Sagerin war. Dass das Blondchen sich höchstens dann zurückzog, wenn es merkte, dass die Diskussion etwas zu hitzig wurde - was allgemein deutlich seltener vorkam als früher, wusste doch auch ich inzwischen, wie man frühzeitig mal einen Schritt zur Umgehung rückwärts machen konnte -, war oft sehr unterhaltsam und es machte die Beziehung zu ihr spannend für mich. Riccarda hielt mich mit ihrer oft sturen Art und ihren kecken, provokanten Aussagen bei Laune, was mit meinem eigenen Dickschädel ironischer nicht sein könnte. "Pass auf was du sagst, sonst wickel' ich dich heute Nacht in Alufolie... mehrschichtig. Ich find' bestimmt auch was zum zubinden, damit du sie nicht so leicht kaputtmachen kannst.", drohte ich der jungen Frau spielerisch damit, den Spieß ein bisschen umzudrehen. War nicht gut, wie sehr mich das parallele Kopfkino Gefallen an der Sache finden ließ. Ein bisschen Kind geblieben war ich eben doch und ich mochte Streiche schon immer gern, aber das hielt ich für gar nichts Schlechtes. Der Gedanke an den Drachen war dann doch deutlich angenehmer als der an die Alufolie. "Ein Werwolf auf einem Drachen, der einen Engel retten kommt... vielleicht solltest du anfangen Bücher zu schreiben.", amüsierte ich mich kopfschüttelnd mit einem belustigten Grinsen über Riccardas blühende Fantasie, die meiner wirklich gute Konkurrenz machte. Das galt eben auch für ihre Schlagfertigkeit und einen kurzen Moment lang tat ich so, als würde ich wirklich erst darüber nachdenken müssen, was denn nun Sinn Nummer Sechs war. "Hmm... da wäre die Fähigkeit meines Körpers, Verletzungen ganz gezielt unnatürlich schnell zu heilen. Dabei die gravierendste auch immer zuerst. Und ich rieche es, wenn Gefahr droht, das ist den meisten Menschen evolutionsbedingt irgendwann abhanden gekommen... wortwörtlich übrigens, ich kann um die 3 Kilometer weit riechen. Weht der Wind in meine Richtung sogar noch viel weiter. Außerdem kann ich im Dunkeln ziemlich gut sehen, das ist bei Menschen auch so eine Sache... und mein Tastsinn ist viel ausgeprägter. Ich muss Dinge in meiner Nähe gar nicht berühren oder sehen, damit ich dir auf den Millimeter genau sagen kann, wie weit sie von mir weg sind, weil ich die Luftströme wahrnehme... allerdings funktioniert das tatsächlich deutlich besser mit Fell, wegen den Tasthaaren. Dass ich in anderer Köpfe ein bisschen Unfrieden stiften gehen kann dürfte dir auch nicht neu sein. Ich nehme es zum Beispiel auch ganz anders und viel deutlicher wahr, wenn eine Frau sich zu mir hingezogen fühlt... Titulieren wir meinen sechsten Sinn also vielleicht einfach als Wolf, weil fast alle meine Vorteile gegenüber meinen Mitmenschen exakt darauf beruhen. Die Liste wird sonst zu lang, sieben Sinne reichen da kaum.", redete ich förmlich beschwingt vor mich hin, weil es mir wahnsinnig viel Spaß machte dem Engel unter die Nase zu reiben, dass ich sehr vieles wahrnahm, was ihr und vor allem aber dem durchschnittlichen Menschen ganz einfach unmöglich war. Das war zwar bei üblen Gerüchen oder extrem schrillen Tönen ebenso ein Nachteil, aber im Großen und Ganzen würde ich meine stark erweiterte Sinneswahrnehmung und meine Fähigkeit dazu, anderer Gedanken bis zu einem gewissen Grad manipulieren zu können, doch als sehr großen Gewinn für mich ansehen. Es machte mein Leben einfach sehr viel lebenswerter, nicht normal zu sein. Wer wäre ich schon, wenn ich nicht in diese Familie hineingeboren worden wäre? Was meinen Charme anbelangte gab die zierliche, junge Frau sich sehr zu meiner Freude ohne jegliche Gegenwehr geschlagen. Allerdings rührte diese Freude nicht nur aus der gewonnenen Debatte, sondern ganz einfach auch daher, dass Riccarda mit ihren Worten offen zugab etwas an mir zu finden. Ob ihr das nun passte oder nicht mal dahingestellt. Das für Frauen so typische Schmollen auf ihren Lippen ließ mich grinsend die Augen verdrehen und war ein recht eindeutiges Zeichen dafür, dass ich ihr das zukünftig lieber nicht mehr unter die Nase reiben sollte. Allerdings war das scheinbar irgendwie eine einseitige Sache. Denn kaum hatten wir unseren Platz gefunden und uns erstmal jeder für sich in den Takt der Musik eingefunden, war der Engel doch bald schon wieder sehr provokant unterwegs. Dass sie den Körperkontakt - und sei er noch so unauffällig auffällig dezent - ganz zufällig suchte, war dank ihres Gesichtsausdrucks dabei eindeutig auszuschließen. War das jetzt die Quittung für die mentale Entblößung von gerade eben? War nicht unwahrscheinlich, aber in jedem Fall nicht ewig auszuhalten. Ich hatte mir schon immer einfach genommen, wonach mir der Sinn gestanden hatte und bei Gott, ich saß jetzt wirklich eine Ewigkeit auf dem Trockenen. War auch noch nie zu einhundert Prozent Herr über mein Testosteron gewesen, was ich ebenfalls gerne meiner animalischen Seite zuschob. Anfangs hielt ich mich allerdings wirklich bemüht im Zaum und es streiften zumeist nur meine Finger mal kurz den Stoff ihres Kleids oder ich mahlte leicht mit dem Kiefer. Einfach weil ich nicht wusste, wo genau nun eigentlich noch eine Grenze zwischen uns beiden bestand. Wann, wo und wie durfte ich sie denn inzwischen wieder anfassen? Ich stellte es mir gerne leicht vor, sie einfach zu packen und zu küssen, aber so war das Ganze nun mal einfach nicht. Es war kompliziert und noch komplizierter, was mir langsam aber sicher den letzten Nerv raubte. Vermutlich mehr noch auf Gefühlsebene als körperlich. Das war es letztendlich auch, das mich dazu bewegte Riccarda nach einer Weile, in der sie mich immer wieder mit ihrem eigenen Körper gestreift hatte und ich versuchte das einfach weiter mit dem Tanzen zu überspielen, bei genau so einer Aktion beide Hände nach ihrer Taille ausstreckte und sie recht eng bei mir festhielt. Nicht grob, aber doch sehr bestimmt, damit sie mir dieses Mal nicht wieder davon huschte. Ich neigte den Kopf langsam seitlich zu ihr runter, war damit schon bald nahe an ihrem Ohr. "Du machst mich echt fertig damit, weißt du das eigentlich..?", raunte ich ihr eine rhetorische, leicht gegrummelte Frage ans Ohr. Es war aber gar kein negativ behaftetes Geknurre, wie sie das wohl schon zu Genüge von mir gehört hatte, sondern nur ein grummeliger Unterton meiner ohnehin schon eher tiefen Stimme, der ausschließlich der Begierde nach dem Engel entsprang. Natürlich hätte mich in meiner aktuellen Lage auch so ziemlich jede andere hübsche Frau mit solch anschmiegsamen Berührungen auf die Palme gebracht, aber Riccarda traf damit inzwischen einen Nerv, zu dem keine andere durchdringen konnte. Es war ein bisschen beängstigend das festzustellen, ließ mich zugleich jedoch in angenehmer Sicherheit darüber schwelgen, dass ich gar kein so einsamer Wolf war - zumindest nicht, falls ich gleich nicht irgendwas tat, das sie nicht wollte.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Obwohl ich nun schon oft über das Verhältnis von Isaac und mir nachgedacht hatte – und in dem Fall fehlte mir eindeutig eine beste Freundin, mit der ich über diese Aspekte hinter den glänzenden Kulissen meines angeblichen Lebens in der High Society sprechen konnte und deren Rat mir vielleicht auch eine neue Perspektive vor Augen führte, denn so hatte ich einzig und allein meine subjektive Betrachtung auf jede Kleinigkeit in dieser komplexen Beziehung – und dennoch wusste ich beim besten Willen nicht, wie ich dieses Etwas zwischen uns genauer definieren sollte. Auch in diesem Augenblick fehlte mir ein wenig das Vertrauen in die feste Bindung zwischen uns, da unsere Sympathie durchaus noch auf wackligen Beinen stand und wie eine empfindliche Pflanze behandelt werden musste. Zu gerne würde ich ihm an den Kopf knallen, dass er es nicht zu wagen bräuchte, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, mich irgendwo anzubinden oder gar in Alufolie einzuwickeln. Da ich das Kind in dem jungen Mann aber ebenfalls schon bei so manch einer Gelegenheit kennen lernen durfte, wusste ich Bescheid, mich nicht allzu weit bei derartigen Herausforderungen aus dem Fenster zu lehnen, denn am Ende hätte ich es selbst provoziert und würde aber einen mittelschweren Wutanfall bekommen, da ich durchaus unter klaustrophobischen Problemen litt, die speziell dann an der Tagesordnung standen, wenn ich mich bewegungsunfähig fühlte. Ein nettes Detail am Rande, mit welchem ich Isaac nicht noch eine Schwäche meinerseits auf dem Tablett servieren wollte, weshalb ich zu einer anderen Erwiderung greifen musste, um ihm den Ball zurück zu spielen. „Pass du lieber auf, sonst kett‘ ich dich im Schlaf noch ans Bett, dann bist du das gefangene Burgfräulein“, warf ich ein und grinste dabei süffisant. Normalerweise kannte ich die Redewendung des ans Bett Fesselns ja primär in einem anderen Kontext… oder eher in zwei Sachverhalten, wobei ich davon ausging, dass Isaac nicht an die Krankheits-bedingte Version denken würde, jedoch überließ ich ihm das Interpretieren gerne ohne weitere Andeutungen, in welche Richtung ich selbst gedacht haben könnte. Meine beschwipsten Gedanken gewährten mir ja auch nicht, kluge Entscheidungen über meine Aussagen zu treffen; warum sollte Isaac dann leicht haben? Nun würde ein nüchterneres Ich zugeben, dass das ruckartige Leeren des halben Cocktailglases rückblickend gesehen als keine meiner brillanten Ideen in die Chroniken meines Lebens eingehen würde. „Falls das mit dem reich erben nichts wird, behalt ich mir die Idee mit dem Wolf am Drachen im Hinterkopf“, erklärte ich lachend und zuckte dabei mit den Schultern. Natürlich pochten meine Eltern darauf, dass sich weder Brüder noch ich auf dem Reichtum der Familie ausruhten und davon ausgingen, fürs Leben ausgesorgt zu haben, nur weil wir den passenden Nachnamen trugen. Wir mussten dennoch Leistungen erbringen, weshalb das Angebot von Harry unweigerlich wieder in meinem Bewusstsein auftrat und ich energisch dagegen ankämpfte, um nicht doch in letzter Sekunde noch in Grübeleien zu versinken. Isaacs regelrechter Wortschwall half mir da direkt auf die Sprünge, während ich mit angehobenen Augenbrauen darauf wartete, dass er in seiner Aufzählung mal langsam zu einem Ende kam. „Du hast deine grenzenlose Bescheidenheit vergessen, alter Angeber“, unterstellte ich ihm spitz, legte aber eine wohlwollende Wärme in die Stimme als ich ihn des Prahlens beschuldigte. Zwar fühlte ich mich für einen kurzen, brennenden Moment dazu verleitet, hitziger zu antworten und mich automatisch mit Isaac zu vergleichen, aber physisch gesehen kam ich schlichtweg nicht mit seiner zweiten Gestalt weg, deren Merkmale zum Teil auch in der menschliche Hülle noch erhalten blieben. Da befand ich mich auf einem verlorenen Posten. Aber es gab andere Wege, um mir süße Genugtuung zu gewährleisten. Meine Annahme entsprach nicht für alle Männer dieser Erde, aber definitiv für Isaac: sein promiskuitiver Ruf war ihm meilenweit voraus in unserer Heimat und sollte er nicht engere Freundschaften mit seiner Hand eingegangen sein oder anderweitig Befriedigung gefunden haben, so müsse er nun doch bereits relativ ausgehungert sein – vielleicht sogar sexuell frustriert. Mein primitives Verlangen danach, meinen Stolz wenigstens minimal zu verteidigen, verdankten wir diese flüchtigen, spielerischen Berührungen, deren Effekt ich durchaus abwägen konnte. Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass ich dadurch jene Bestätigung erhielt, dass der werte Herr, der sich meiner Aufmerksamkeit sicher sein durfte, der lockenden Herausforderung nicht allzu lang widerstand und ich also doch auch um das letzte Wörtchen konkurrieren konnte. Gerade sah ich es weniger als Machtkampf, mehr als Ausreizen der derzeitigen Grenzen zwischen uns – in welchem Rahmen befanden wir uns und würde erneut der Alkohol dazu führen, dass dieser metaphorische Raum ausgedehnt wurde? Isaac hielt lang eisern stand, doch irgendwann spürte ich nach einer weiteren anschmiegsamen Berührung seinen festen Griff um meine Hüfte und wie er unweigerlich dafür sorgte, dass ich nur mehr wippend vor ihm stehen konnte. Unweigerlich zuckte ein wissendes Blitzen durch meine Augen hindurch und ich grinste ihn frech von unten hinauf an. Mein Plan war aufgegangen, mein Ego erstrahlte in neuem Glanz und ich spürte die wohlige Zufriedenheit förmlich in mir aufsteigen. Klar wusste ich das! Das neckische Funkeln sollte ihm diesbezüglich Antwort genug sein, aber ich legte dennoch den Kopf leicht schief, genoss noch das sanfte Prickeln auf meiner Haut, wo mich sein warmer Atem gestreift hatte. „ich bin mir nicht sicher…“, zwitscherte ich diabolisch und wanderte mit meinen Händen über seine kräftigen Oberarme entlang bis zu den Schultern. „Meinst du das?“, erkundigte ich mich, als meine Hände weiter über seine trainierte Brust tanzten, die Knopfleiste mit Schlangenlinien umrundete, dabei folgte ich meinen sich mit nur leicht ausgeübten Druck bewegenden Berührungen mit dem Blick, bevor ich den Blick anhob: „… oder das?“ Dabei rutschten meine Hände doch wieder zurück in höhere Gefilde, gerade als ich mich zirka der Höhe seines Bauches näherte und machte damit den Platz zwischen uns beiden frei, um mich erneut an ihn zu schmiegen. Damit standen wir uns nun so unglaublich nah, wie Monate zuvor nicht mehr, da wir selbst bei den verhaltenen Küssen stets einen kleinen Sicherheitsabstand walten ließen. Neugierig, wie er auf meine Offensive reagieren würde, bedachte ich Isaac mit spitzbübischen Grinsen aus meiner nun doch sehr untersetzten Position aus. Die Musik war längst im Hintergrund abgetaucht und diente lediglich meinem Unterbewusstsein, um nicht aus dem Takt zu fallen. Immerhin musste ich doch eruieren, ob es die flüchtigen Berührungen waren oder doch eher der immer wieder anwährende, jedoch nur kurz gehaltene Körperkontakt, der ihm zusetzte. Er verstand das bestimmt.
Ans Bett ketten? Mich? Meine Augenbrauen stiegen von ganz allein nach oben, weil das für mich auf sehr vielen Ebenen irgendwie nicht ganz richtig klang. Allem voran war ich kein Fräulein. Selbst, wenn man sich die Kettengeschichte auf erotischem Wege ableitete und ich dabei ein Mann blieb, war es irgendwie nicht viel besser. Ich hatte bisher wirklich nur selten mal eine Frau das Ruder beim Sex übernehmen lassen und das waren dann meistens Tage gewesen, an denen ich schlicht und ergreifend müde war. An denen ich das kurze Hochgefühl trotzdem haben wollte, ohne aber Irgendwas dafür tun zu müssen. Ansonsten war ich was das anbelangte doch bisher immer wirklich ziemlich dominant gewesen. Zu allem Überfluss würden die Ketten ohnehin nur unwahrscheinlich halten, wenn sie sich keine Spezialanfertigung liefern ließ. Zumindest nicht, wenn ich keine Lust hatte angekettet zu werden, was ziemlich sicher der Fall sein würde. Egal wann und unter welchen Umständen. Was das anbelangte hatten mich die langen Straf-Nächte im Schlosskeller meiner Eltern wirklich unschön geprägt. "Sehr ambitionierte Drohung.", war schlussendlich aber alles, was ich dazu noch durchweg amüsiert loswurde. Zugegeben fand ich den Gedanken daran aber gar nicht so furchtbar. Ich wusste ja, dass sie damit nicht weit kommen würde - allein schon meiner Kraft wegen - und könnte das Ganze auf spielerische Weise ein bisschen ausreizen. Vielleicht würde ich einfach ein bisschen so tun, als würde sie mein Handgelenk tatsächlich fast mit all ihrer Kraft in die Fessel kriegen, nur um es ihr dann zu entreißen und sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Damit sie auf meinem beim Schlafen meistens nackten Oberkörper segelte und dabei am besten wieder so putzig , versteht sich. Aber ich schweifte ab... mehr oder weniger jedenfalls. Denn irgendwie rutschte sowohl die Sache mit der Bücherschreiberei, als auch meine eigenes Geprahle ziemlich schnell in den Hintergrund. Zumindest für mich, weil sich sämtliche meiner ach so sensiblen Sinne auf eine einzige Sache zu konzentrieren vermochten: Riccardas Hände. Denn ihre zierlichen Finger bewegten sich begleitet von ein paar wenigen Worten der jungen Frau über meinen Körper und das auf nur allzu provokante Art und Weise. Normalerweise würde ich solch kleine Spielereien sorgenfrei genießen, mich gewohnt begehrt fühlen, die jeweilige Frau kurz damit gewähren lassen und den Spieß dann umdrehen. Selber ein paar sehr unmissverständliche Schritte auf die Auserwählte zu machen, damit sie begriff, dass ich ungerne nur mit mir spielen ließ. Man bekam von Isaac Garcia für gewöhnlich immer nur alles oder gar nichts - anfassen und dann weglaufen wie beim Fangenspielen tolerierte ich nicht. Nur stand hier eben gerade keine x-beliebige Frau vor mir, sondern der mit einem Ehering an mich gekettete Engel. Riccarda war wirklich die einzige Frau, die ich kein bisschen einschätzen konnte. Das einzige, das ich hier gerade mit Sicherheit wusste, war, dass sie sich gerne erneut vom Alkohol tragen ließ und deshalb etwas lockerer wurde. Trotzdem würde ich es ihr zutrauen, dass sie mich wirklich einfach nur mit dieser Aktion ärgern wollte, während ich ihren Fingern an meiner Brust mit den Augen folgte. Es war mir nicht ganz geheuer, was für eine angenehme Art von leichtem Kribbeln sie auf der Haut unter dem Stoff meines Hemds damit hinterließ... aber bei Gott, konnte sie die Finger nicht lieber gleich an die Knöpfe legen, das Hemd aufmachen und mit dieser Folter aufhören? Ich würde noch irgendwann eingewiesen werden, weil mich dieses ständige hin und her ohne wirklich zufriedenstellendes Ergebnis langsam verrückt machte. Erst recht, wenn sie mir in einer alkoholischen geistigen Umnachtung wie dieser hier förmlich um den Hals fiel. Sie sich in einer eleganten und trotzdem ziemlich frechen Bewegung mit ihrem Körper an meinen schmiegte. Es war wirklich ätzend, dass ich selbst das wie gewohnt in Frage stellte, weil es inzwischen einfach das war, was ich immer tat - sämtliche von Riccardas Reaktionen auf meine Wenigkeit gründlich analysieren, um zu erfassen, in welchem Rahmen wir uns bewegten. Nur kam ich mit dieser Analyse gerade keinen einzigen Zentimeter vorwärts, weil der Alkohol einen unberechenbaren Part darin spielte, weshalb mein Kopf kurzerhand den ursprünglichen Pfad einschlug: Deutlich weniger denken, mehr nur fühlen und einfach sehen, worauf die Sache hinauslief. Quasi mein früherer Autopilot in Hinsicht auf Frauen. Wohl wissend darüber, dass gleich noch mehr als nur bloße Worte folgen würden, lächelte ich einen Moment lang in mich hinein, ließ dabei den Blick erneut auf mein Hemd sinken. Einen kurzen Augenblick lang passierte demnach nicht viel, bis ich die Augen schließlich in Riccardas anhob und noch dabei setzten sich meine Hände in Bewegung, begannen unter leichtem Druck von ihrer Taille abwärts zu streichen. "Ganz zufällig beides.", ließ ich den Engel überflüssigerweise wissen, dass sie mich mit beidem unheimlich reizte. Als täte sie das nicht ohnehin nur, weil sie genau das schon längst wusste. Kaum hatten meine knappen Worte ihr Ende gefunden, griff ich mit einer ziemlich zügigen Bewegung unter dem Kleid nach den nackten Oberschenkeln meiner Frau und hob sie hoch. Brachte ihre Hüfte damit unweigerlich meiner eigenen ziemlich nah, weil der Stoff des Kleides sich der gespreizten Beine wegen ein bisschen verdünnisierte. War gut, dass das Kleid nicht zu eng war, dann bedeckte es der Schwerkraft nach unten folgend zumindest noch ihren Hintern. Wobei es mich wohl auch nicht gestört hätte, wäre es anders gewesen. Was solche Dinge anbelangte war ich bekanntlich ziemlich schamlos. "Den Mut plötzlich doch wieder mit Löffeln gefressen, Engelchen?", stellte ich ihr nicht weniger herausfordernd eine Frage, ohne ihre Augen aus meinem verspielt funkelnden Blick zu entlassen. Betonte den verwendeten Spitznamen noch ein bisschen extra, weil die schöne Blondine für mich vieles war, aber ganz bestimmt kein Engel, wie er in der Bibel stand. Dann setzte ich mich ohne langes Zögern in Bewegung. Hatte nicht vor, mit ihr hier auf der Tanzfläche stehenzubleiben, weil das über kurz oder lang mein psychischer Ruin geworden wäre. Nein, die Möglichkeit mich weiter fröhlich zu betatschen, ohne mich in den Genuss von auch nur irgendwas kommen zu lassen, weil man das Getanze ja so wunderbar als Ablenkung davon nutzen konnte, wollte ich lieber gleich unterbinden. Heim wollte ich allerdings nicht - zum einen würde das sicher gleich den Eindruck bei ihr erwecken, dass ich sie wieder auf Biegen und Brechen ins Bett holen wollte. Außerdem waren wir noch gar nicht so lange unterwegs und ein kleines Abenteuer inmitten der Partynacht konnte dem spießig erzogenen Blondchen kaum schaden.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Ambitioniert beschrieb meine laute Überlegung wahrscheinlich am besten, da meine Erfolgschancen für den Versuch, Isaac tatsächlich mit Eisenketten an ein Bett zu fesseln – oder sonst wohin – und dort auch zu halten, in bodenlosen Tiefen anzusiedeln waren. Allein sein Blick besiegelte diesen Verdacht meinerseits und brachte mich nun ebenfalls zum Grinsen. Als ob ich jemals den Wunsch verspürt hatte, jemanden derartig seiner Freiheit zu berauben, obwohl manche in vertrauter Zweisamkeit womöglich ziemlich scharf darauf waren, weigerte sich mein Verstand die Sinnlichkeit unter derartigen Fesselspielchen zu erkennen. Es war wohl meiner Klaustrophobie zuzurechnen, dass mir die Vorstellung allein ein Gefühl der Enge in der Brust einbrachte und so hakte auch ich das Thema sehr schnell wieder ab. „Groß müssen die Ziele sein, um auch etwas im Leben zu erreichen“, äffte ich zu guter Letzt meinen Vater noch nach, dessen Motivationsansprachen meistens in diese Richtung tendierten und bei seinen Kindern auf wenig Begeisterung trafen. Der Spott in meiner Stimme machte es leicht, die zarte Abneigung herauszufiltern beziehungsweise ohne weitere Hilfe zu verstehen, dass ich da anderer Meinung war. Wobei… vielleicht nicht in jeglicher Hinsicht, denn ich wünschte mir durchaus für die Zukunft, dass ich in der Ehe mit Isaac tatsächlich glücklich werden würde und das bedarf dann über kurz oder lang auch ein bestimmtes Maß an zärtlichen Gefühlen für den facettenreichen Mann mit dem launenhaften Wolf im Inneren. Wenn das nicht mal eine überdimensionale Herausforderung war, an der ich im Grunde nur wachsen oder scheitern konnte, dann wusste ich es beim besten Wille nicht. Jedenfalls befand ich mich auf einem Weg, zuzüglich zu dem aufkeimenden Vertrauen durchaus auch andere Emotionen mit Isaac zu verbinden. Da ich selbst kein Eisklotz oder gefühlskalter Engel war, brauchte ich meine Dosis an Wärme und Zuneigung, um glücklich sein zu können und da ich diese körperliche Zärtlichkeit Dank des Rings an meinem Finger nur mehr von einem Mann bekommen konnte – zumindest auf dem loyalen Weg, den ich wegen einer Bettgeschichte nicht zu verlassen gedachte –, musste ich eben meinen Teil beitragen. Überflüssigerweise machte es mir der Alkohol nicht gerade einfacher, einen angemessenen Weg für die weitere Annäherung zu wählen, denn mein Unterbewusstsein war schon längst mit der Tür ins Haus geknallt und nun jagte ich mit rasendem Herzen dem davonrollenden Stein hinterher; metaphorisch formuliert. Meine vorherige Frage hatte zwar nach einer Antwort verlangt, doch dass ich auf diese Erwiderung richtig gewartet hätte, stimmte so auch nicht ganz. Ich vertiefte mich eher in das Zeichnen meiner Muster, hielt aber doch inne, als Isaacs stechender Blick mich taxierte und schlussendlich auch festhielt. Mein Verstand raste, doch ich erinnerte mich an keinen einzigen Moment, an dem wir zwei absichtlich miteinander geflirtet hätten oder ähnliche Avancen aufgetreten wären – vielleicht verschleierte der getrunkene Cocktail aber auch jene interessanten Passagen, an die ich mich prinzipiell nach dem Erwachen nicht mehr erinnern wollte. Trotzdem genoss ich den Augenblick der Aufregung, das nervöse Flattern und Vibrieren der Nervenstränge und den simplen Spaß dahinter, obwohl ich mich noch nie als Meistern des Flirtens bezeichnet hätte. Genau deshalb ersparte ich mir auch eine Meldung, die am Ende blöd rüberkam und grinste stattdessen mit einem wissenden Funkeln in den Augen keck zu ihm empor. Natürlich gab ich es nicht gerne zu, aber Isaac konnte einen schon in seinen Bann ziehen, anderenfalls wüsste ich nicht, wie der junge Mann es vollbracht hätte, seine Hände unter meinen Rock zu schieben und mich mit Schwung von den Beinen zu reißen. „Wa-?“, stockte mir der Atem, als mich ein kurzweiliger Schwindel überkam und ich verdutzt blinzelte, um meine Welt wieder in eine fixierte Stellung zu bringen. Immerhin schwankte ich selbst nicht, trotzdem wunderte ich mich einen Augenblick, wie intuitiv mein Körper reagiert hatte: unweigerlich schlangen sich meine Beine um seine Hüfte und auch meine Hände ruhten auf seinen Schultern. Wann kam ich schon zu der Möglichkeit, so hoch erhoben über die Menschheit hinwegblicken zu können, da Isaac eigentlich ein Riese war mit seinen knappen zwei Metern oder sogar mehr, weshalb ich die Chance nutzte, um mich verstohlen umzusehen, sozusagen die Aussicht genoss, bevor mich Isaac wieder ausreichend in Anspruch nahm, dass ich ihn interessiert bedachte. „Gab’s zum Frühstück“, schoss ich vor Sarkasmus triefend zurück und spitzte die Lippen leicht. „Außerdem sollst du mich nicht so nennen“, gebot ich ihm so herrisch, wie es mir in meiner Situation möglich war und versuchte mit empor gerecktem Kinn zu überspielen, dass ich vollkommen in seinen Händen lag – wortwörtlich. In meinem Kopf drehte sich noch immer alles, weshalb es zu einer zeitlichen Verzögerung von ein paar Sekunden kam, ehe ich überriss, dass sich Isaac in Bewegung gesetzt hatte und ich einen fragend Blick zu ihm warf. „Entführst du mich jetzt?“, wollte ich durchaus mit einer gewissen Ernsthaftigkeit wissen, lachte dabei aber gleichzeitig fröhlich, als würde mir selbst die Idee des Kidnappens gerade nur ein weiteres Abenteuer versprechen. Zu gerne würde ich wissen, was ihm nun durch den Kopf ging, während er mich durch die wogende Menge der Tanzenden wegtrug.
So, wie Riccarda diesen überaus ironischen Satz loswurde, war leicht darauf zu schließen, dass sie dabei mit Sicherheit entweder ihren Vater, oder ihre Mutter beschrieb. Dass sie mit ihren Eltern des öfteren Mal ein kleines bisschen kollidierte - wenn auch bei weitem nicht in solchem Ausmaß wie ich mit meinem Vater, sondern verhältnismäßig harmlos - war mir ja nun kein Geheimnis. Im Gegensatz zu ihren Geschwistern war das kleine Blondchen nämlich relativ stur und das war gewiss keine Eigenschaft, die ich immer an ihr mochte. Genau deswegen rauschten ja auch wir beide immer wieder mal unangenehm zusammen. Dennoch entlockten mir ihre Worte ein leises Lachen, weil ich es einfach genoss, dass wir durchaus auch in dieser Hinsicht einer Meinung waren. "Hey, immerhin hast du mich im übertragenen Sinne in Ketten gelegt... das allein war schon ein ziemlicher Meilenstein, wenn du mich fragst.", erwiderte ich nicht wirklich viel weniger ironisch. Zwar waren es eher nur die dummen Köpfe unserer Eltern gewesen, die sich diesen Hokuspokus in Form unserer Zwangsehe ausgedacht hatten, aber bekehrt hatte Riccarda mich selbst. Was hatte ich mich am Anfang gegen all die auferlegten Pflichten und immensen Einschränkungen meiner Freiheit wehren wollten, das war fast nicht in Worte zu fassen. Mittlerweile konnte ich dem Ganzen sogar fast ausschließlich positive Dinge abgewinnen. Natürlich war die Ehe mit dem Engel nach wie vor manchmal anstrengend, aber ich war dadurch ruhiger geworden. Zwar würde der impulsive Wolf in mir sicher immer bestehen bleiben, aber dadurch, dass ich nicht mehr so rastlos umherwanderte, war ich doch insgesamt etwas weniger angespannt. Ich wusste jetzt wo mein Platz war, wo ich hingehörte und der blonde Engel war unweigerlich zu meinem Anker geworden. Selbst dann, wenn ich mal ein Stück weit aus dem Hafen hinaus schipperte, zog sie mich ja doch wieder dahin zurück. Sie war schleichend zum Mittelpunkt meines Lebens geworden und es störte mich nicht mehr, vertraute ich ihr doch inzwischen so sehr wie Niemand anderem sonst... was immer noch irgendwie ein bisschen grotesk für mich klang. Ich beobachtete mit freudigem Funkeln in den Augen Riccardas Reaktion auf den spontanen Höhenflug für sie, begann auch wieder damit ganz dezent vor mich hin zu grinsen, weil mir zumindest ihr Körper sagte, dass sie so große Angst eigentlich gar nicht mehr vor der Nähe zu mir haben konnte. Während ihr Kopf womöglich noch kurz damit beschäftigt war zu realisieren, was ich hier gerade tat, waren ihre Beine und Hände längst da, wo sie hingehörten. Wie bereits erwartet folgte auch jetzt wieder eine freche Antwort der zierlichen Blondine, die mir aber nicht nur ihren Übermut bestätigte, sondern auch den kleinen Köder quasi perfekt geschluckt hatte. Es mir nun wirklich einfach machte, das Spielchen mit ihr weiterzuspielen. Zugegeben hatte ich es in den letzten Jahren vor der Ehe aber auch einfach schon ziemlich perfektioniert, um die Gunst einer Frau zu spielen und dabei so gut wie immer zu gewinnen. Ein paar seltene Ausnahmen bestätigten bekanntlich nur die Regel. Ich trat gerade den letzten Schritt von der befestigten Tanzfläche, als ich meine Stimme wieder erhob. "Na dann gib mir lieber einen guten Grund es sein zu lassen, sonst kann ich leider für nichts garantieren... du könntest zum Beispiel wirklich mein Hemd aufknöpfen, statt wie ein frommer Engel nur dran rumzuspielen, hm?", fuhr ich erstmal auf der wesentlich offensiveren Schiene weiter. Legte meinen verspielt herausfordernden Blick dabei wieder für ein paar Schritte lang in Riccardas, weil der Weg außerhalb der überfüllten Tanzfläche deutlich weniger durch Menschen versperrt war und ich meine Aufmerksamkeit ruhig kurzzeitig gänzlich auf ihre Gesichtszüge verlagern konnte. Danach sah ich jedoch über ihre Schulter hinweg auf den Weg vor uns, steuerte den Übergang von der geebneten Fläche der Strandbar zum sandigen Untergrund in der Nähe des Wassers an. "Nein, keine Entführung... nur ein kleiner Ausflug.", grinste ich wissend vor mich hin und spitzte gleichzeitig parallel dazu einen Moment lang die Ohren. Natürlich war es für mich und mein sensibles Gehör hier grundsätzlich sehr laut, aber es war doch deutlich zu orten, wo es etwas leiser war. Am Strand war es allgemein ruhiger und es saßen in den dort platzierten Klappstühlen ganz offensichtlich die weniger aktiven Partygäste, denen nicht so nach tanzen war. Beinahe am heute Nacht sehr ruhigen Gewässer angekommen blickte ich zuerst einmal nach links, dann noch nach rechts. Die Bar war zur linken Seite hin am Strand offen. Meinem Gehör nach befand sich auf der rechten Seite ein weiterer Club, während es zur offenen Seite hin deutlich stiller war. Deshalb trugen mich meine Füße ziemlich zielstrebig, wenn auch alles andere als gehetzt in genau diese Richtung. Beim Passieren des offenen, optisch insgesamt sehr dezenten Zauns, der wahrscheinlich überwiegend als Sicht- und Windschutz diente, bestätigten mir meine Augen dann auch, was ich gehört hatte: Ganz allein war ich mit dem Engel hier zwar nicht, aber bis auf eine kleine, sich unterhaltende Gruppe aus vier Personen weiter oben am Strand und einem Pärchen, das gemeinsam auf einem mit hierher geschleiften Strandstuhl saß, war hier Niemand. Trotzdem ging ich noch ein paar Meter weit ganz entspannt am Wasser entlang, um noch ein bisschen mehr Abstand zu den Leuten zu gewinnen. Würde die Chancen auf mein Vorhaben ziemlich sicher eher steigern als senken. Dennoch befanden wir uns nach wie vor im Sichtfeld der anderen paar Gäste, als ich schließlich anhielt und einen Moment lang nach rechts auf die fast nicht vorhandenen Wellen hinaussah, ehe meine Augen erneut ganz unverblümt Riccardas fanden.
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Ich musste zugeben, dass ich soweit noch gar nicht gedacht hatte. Im Moment war mein Fokus auf den realen, anfassbaren Ketten gelegen und weniger auf metaphorischen Äquivalenten. Unweigerlich grinste ich ein wenig verschmitzt. „Dann bin ich wohl einer dieser Kerkermeister, die sich selbst aus einer spontanen Laune heraus an den Gefangenen ketten, anstatt sie an ein Heizungsrohr zu binden“, schlussfolgerte ich meine eigene Anteilnahme in dem minimalen Desaster, das ich schon längst nicht mehr mit derselben Tragik betrachtete. Obwohl ich es niemals vor meinen Eltern zugeben wollen würde, sah ich mittlerweile sogar überwiegend gute Dinge in der Vereinigung mit Isaac. Was damals eine katastrophale Strafe darstellte, schien mir nun wie eine neue Chance, um endgültig aus dem einengenden Griff der Familie zu entfliehen. Wer aber kam auch auf die glorreiche Idee, um zwei Rivalen einfach so zu verheiraten und auf das Beste zu hoffen? Ich bezweifelte nämlich stark, dass ein derart verträgliches Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit im Kurs gestanden war. Speziell unsere Väter hätten auch mit dem Tod eines ihrer Kinder rechnen müssen, was ohnehin kurzfristig beinahe eingetroffen wäre. Also wie kam man bitte auf die Idee? Und wie extrem mussten sich die beiden Eheleute tatsächlich, unbemerkt vor den eigenen Augen, weiterentwickelt haben, um von einem tödlichen Risiko zu einer annehmbar-stabilen Freundschaft zu werden. Meine Gedanken schwammen zwar im Alkohol, aber da gab es bei mir ohnehin nur zwei Optionen: entweder ich machte den schlimmsten Blödsinn, der einem auf die Schnelle einfiel oder ich verfiel in Überlegungen, die mir am nächsten Morgen nach dem Erwachen wie ein ferner Traum vorkamen. Eine zeitliche Fixierung zwischen diesen beiden Einstellungen gab es nicht, ich schaffte es, binnen Sekunden zwischen diesen Zuständen zu schwanken, weshalb ich auch den Erwartungen entsprechend rasch wieder vom Nachdenken abließ und den Kopf leicht in den Nacken legte, als ein amüsiertes Lachen meine Kehle verließ. Meilenstein… so nannten wir dieses einschneidende Erlebnis in unserer Vergangenheit also, das uns unweigerlich aneinanderband. Er forderte mich heraus. Im Grunde fühlte ich mich von Isaac permanent herausgefordert und angestachelt, doch mittlerweile wusste ich einerseits seine Art zu interpretieren, andererseits schaffte ich es nun auch schon besser, über gewisse Provokationen hinwegzusehen. Gerade wankte meine Überzeugung, nicht auf seine Anspielung einzugehen. Frommer Engel… ich wusste, dass er mich nur weiter aus dem in dieser Hinsicht offensichtlichen Schneckenhaus herauslocken wollte. Obwohl wir uns gerade so nahe war, wie es vor einigen Monaten kaum auszudenken war, fühlte ich mich trotzdem noch nicht in der Lage, nüchtern ebenso sorglos an seinem Körper angeschmiegt zu bleiben, wie es mir nun die Vernunft beeinträchtigenden Substanzen erleichterten. Da gab es durchaus Unterschiede, über die ich jetzt mit Sicherheit nicht grübeln wollte. Ich genoss es, durch die Gegend getragen zu werden und ich genoss es sogar ein wenig, nicht darüber nachdenken zu müssen, wie wir auf andere wirkten. Es juckte hier niemanden… niemand kannte uns. Erneut lachte ich gut gelaunt auf und hob anschließend eine Augenbraue. „Und was, wenn ich nicht will, dass irgendeine andere auch schauen kann?“, hakte ich nach, erlaubte es meiner eigenen Territorialität kurzfristig an die Oberfläche zu kommen, entschied mich dann aber dazu, dass zumindest die obersten drei Knöpfe aufgemacht werden konnte, ohne dass direkt Blicke auf seinen trainierten Körper fallen konnten. Was das betraf, machte ich keine Unterschiede – was mir gehörte, gehörte mir und Aus. Erst im Nachhinein stellte ich fest, dass Isaac mich erneut erfolgreich übers Ohr gehauen hatte. Ein leises Seufzen glitt bei der Erkenntnis über meine Lippen und ich schloss die Augen für den Moment, ehe ich Isaac vorwurfsvoll anblickte. „Spiel mich nicht gegen mich selbst aus“, beschwerte ich mich bei ihm, ohne dabei einen Einsturz der sonnigen Stimmung zu erleiden. „Ein kleiner Ausflug also“, nahm ich seine Beschreibung noch einmal auf, verkniff mir die Bemerkung, dass man eine Entführung auch hübsch umschreiben konnte, aber ich blieb mal auf der naiven Schiene und legte mein Vertrauen in Isaacs Hände. Statt weiter über seine Hintergründe nachzudenken, schwenkte ich meinen Blick wieder über die Umgebung hinweg. Der junge Mann schien die Abgeschiedenheit des Strandes vorzuziehen, was mein Herz unweigerlich schneller schlagen ließ und sich ein leichtes Zupfen in meiner Magengegend bemerkbar machte, doch ich ignorierte diese leisen Alarmglocken und blieb ruhig. Wir passierten das abgegrenzte Areal der Strandbar, wobei es hier wohl ineinander überlappende Gebiete der einzelnen Strandbars gab. Mein Blick flackerte zu den bunten Lichter der anderen Discotheken und Bars, die sowohl den Strand erhellten; als auch den nächtlichen Himmel. Als ich meinen Kopf einmal um 180° Grad drehte, erkannte ich ein angenehmere Alternative, die auch von weniger Menschen bevölkert wurde: der Strand lag hier abgesehen von der Straßen- und Clubbeleuchtung im Dunklen, wobei einzelne kleine Fackeln hier und da in den Sand gesteckt und entzündet worden waren. Zwar machte es sich eine Gruppe aus vier Leuten lustig und ein Paar verbrachte wahrscheinlich einen romanischen Abend am Meer, aber davon ließ ich mich nicht abschrecken. Isaac würde schon nicht mitten am Strand über mich herfallen. Isaac schien sich für einen passenden Spot entschieden zu haben, weshalb ich meine Konzentration zurück auf ihn lenkte und dabei zusah, wie er kurz auf die kaum wogenden Wellen hinausblickte. Ich folgte seiner Aufmerksamkeit hinaus auf die glitzernde Wasseroberfläche, bevor ich spürte, wie mich jemand aus nächster Nähe – Isaac – beobachtete und wandte mich ihm wieder zu. Ich erwiderte seinen Blick, hielt mich jedoch bei einem weniger bohrenden, eher fragenden Ausdruck. Falls er gerade überlegte, mich ins Wasser zu werfen oder zu küssen… mir wäre der Kuss bedeutend lieber. Ich schob es zumindest zum Großteil auf den Alkohol, aber irgendwo wollte ich diesem minimalen Etwas nachgeben, das da mittlerweile zwischen Isaac und mir existierte, als ich die wenigen Zentimeter zwischen uns überbrückte und den Dunkelhaarigen küsste. Meine Hände lagen seitlich an seinen Kieferknochen, eher auf seinem Hals als ein paar Augenblicke vergangen waren und ich gegen seine Lippen grinste, da ich mitbekommen hatte, wie ich ihn doch für einen kurzen Moment überraschen konnte. „Bevor du auf blöde Gedanken kommst und mich noch im Meer versenkst“, murmelte ich gegen seine Lippen, während meine Mundwinkel weiterhin nach oben gezogen blieben.
Dass Riccarda sich unweigerlich gleich mit in Ketten gelegt hatte, als sie den Ehering an den Finger gesteckt bekommen hatte, ließ sich wohl nicht leugnen. Deshalb lachte ich leise in mich hinein, fand die bildliche Vorstellung einfach mal wieder sehr amüsant. War schon gut, dass wir die Sache mit den Ketten in keiner Weise wirklich praktizierten und auch, dass es sich inzwischen für mich nicht mehr so anfühlte, als wäre ich zwangsweise an die zierliche Blondine gebunden. Natürlich war da weiterhin der Druck aus der Oberetage - seitens unserer Eltern - und es hatte deshalb nie wirklich zur Debatte gestanden sich aus diesem Vertrag zu winden oder einfach abzuhauen, aber inzwischen wollte ich gar nicht mehr weg und das war irgendwie ein gutes Gefühl. "Na ja, wenigstens hast du dich dann spontan an den beliebtesten Junggesellen der Stadt gekettet. Seh's positiv.", amüsierte ich mich ironisch darüber, dass sie immerhin keine schlechte Wahl getroffen hatte. Als hätte sie sich diese Heirat mehr ausgesucht als ich. Als hätte sie sich nicht genauso vor dem gestellten Kuss am Hochzeitsaltar gesträubt, den uns mit Sicherheit Niemand wirklich abgekauft hatte. War schon merkwürdig, wie weit das alles jetzt zurücklag. Es kam mir vor als wären seitdem schon Jahrzehnte vergangen, wo ich Riccarda jetzt doch viel besser kannte als damals und wir beide eine wirklich enorme Wandlung durchgemacht hatten. Die folgenden Worte des Engels ließen mich aber doch die Augenbrauen nach oben ziehen, hatte ich mit so einer Antwort doch nicht gerechnet. Nicht, als würde es mir übermäßig gefallen, wenn andere Männer sie ansahen, aber solange ich bei ihr war störte mich das tatsächlich nicht übermäßig. Einfach weil sich die Blicke mit einem drohenden Gesichtsausdruck meinerseits sehr leicht vertreiben ließen. War aber natürlich was anderes, wenn ich das nicht kontrollieren konnte, weil ich nicht da war. Jago war dafür ein etwas zu gutes Beispiel. "Spielt das denn wirklich so eine große Rolle, wenn meine Augen sowieso nur dir gehören?", beantwortete ich ihre Frage mit einer Gegenfrage, während sie ihre Finger an den ersten Knopf legte und sich scheinbar doch dazu entschied, meiner Bitte nachzugeben. Nicht so sehr, wie ich das gerne hätte, aber es war schon mal besser als eine abblockende Reaktion. Meine Augen beobachteten ihre Finger aufmerksam und erst währenddessen fiel mir auf, dass meine vorherigen Worte irgendwie schon etwas kitschig klangen, was sonst gar nicht meine Art war, blieb ich für gewöhnlich doch eher bei neckischen Aussagen. Aber es war eben die Wahrheit, hatte ich vorhin doch selbst schon gemerkt, dass mich die anderen Frauen hier schlichtweg nicht kümmerten. Zumindest eben nicht, wenn der Engel auch hier war. Ihre nur mehr oder weniger unzufrieden klingende Aussage im Anschluss ließ das Grinsen gleich wieder etwas breiter werden. "Aber ich kann das so gut... und du hast es mir grade auch echt nicht schwer gemacht.", grinste ich zufrieden vor mich hin. Ich war eben einfach gut darin gewisse Worte von Frauen ziemlich gezielt zu provozieren und Riccarda war herrlich leicht darauf angesprungen. Solange sie mitspielte würde ich also eher nicht damit aufhören, erhellte die Flirterei gerade doch ungemein mein Gemüt. Zwar machte ich mir selbst da nichts vor, weil ich ganz genau wusste, dass der Alkohol es mir wieder einmal leichter als gewöhnlich machte, aber es war eben doch schön zu sehen, dass die junge Frau mir zumindest wieder ein klein wenig mehr vertrauen konnte. Ganz gleich ob nun mit oder ohne Alkohol im Blut. Wenn sie es jetzt tat, dann vielleicht auch noch morgen, wenn sie wieder nüchtern war. Ich war schließlich nicht betrunken, hatte höchstens sowas wie einen minimalen Schwips und das auch nur, weil ich nicht langsam getrunken hatte. Demnach änderte sich von meiner Seite aus im Grunde gar nichts, wenn sie in einigen Stunden wieder Herrin ihrer Sinne war. Ich war dann immer noch derselbe Isaac und es lag einzig an Riccarda, was sie daraus machte. Allerdings sollte die aufkeimende Eifersucht des Engels noch gar nicht alles sein, das mich heute kalt erwischte. Es lag wohl einfach daran, dass sie selten bis eher nie so etwas wie Eigeninitiative ergriff, dass ich auch jetzt nicht mit solcher rechnete. Vermutlich war es auch an diesem Punkt wieder das flüssige Nervengift, das der hübschen Blondine mehr Selbstvertrauen einhauchte und sie leichtsinniger werden ließ. Wobei man das so eigentlich ohnehin nicht mehr sagen konnte - wenn sie jetzt immer noch nicht verstanden hatte, dass ich ihr nichts mehr antun würde, dann hatte ich wenig Hoffnung, dass sich das zukünftig noch ändern würde. Es war unvermeidbar, dass ich zu Beginn des Kusses ein wenig überrumpelt wirkte, aber ich fing schnell ganz automatisch damit an, die Lippenbewegung zu erwidern. Zum einen, weil es nicht das erste Mal war, dass wir uns küssten und zum anderen, weil ich kaum etwas mehr wollte, als dass Riccarda mir endlich auch von sich aus näher kam. Ich genoss das und wenn wir schon bei Ehrlichkeit waren, dann war der Kuss auch viel zu schnell wieder vorbei. Für meinen Geschmack zumindest. Ein kleines bisschen überrascht sah ich den Engel wohl immer noch an, als sich unsere Blicke danach wieder trafen und sie eine kurze Erklärung loswurde. "Was heißt hier blöde Gedanken... erstens ist das Wasser hier nicht kalt und zweitens geh ich ja mit. Dachtest du ich lass dich jetzt schon wieder runter?", musste ich ihr leider spielerisch lächelnd mitteilen, dass ihr Plan so nicht ganz funktionieren würde. "Deswegen sollte ja auch das Hemd weg. Ich hätte zumindest obenrum gerne was Trockenes zum Anziehen, wenn wir wieder rauskommen.", redete ich vollkommen ruhig weiter vor mich hin und erläuterte ihr damit auch die vorherige, kleine Spielerei mit den Knöpfen genauer. Es wäre mir weit lieber, wenn auch die Shorts hier im Sand bleiben würden, aber es würde sehr sicher ihren Rahmen von Wohlfühlzone sprengen, wenn die nicht mehr zwischen uns lag. Riccarda konnte mir eben nicht in den Kopf sehen und nicht wissen, dass ich gar nicht vorhatte sie in diesem Moment wieder dingfest zu machen. Selbst ich hätte dafür gerne ein bisschen mehr Privatsphäre, aber es war eben auch nicht abwegig, mir absolut alles in dieser Hinsicht zuzutrauen. "Wärst du also bitte so freundlich..? Im Wasser sieht mich dann ja keiner mehr.", bat ich sie erneut darum, mich von dem blöden Stoff zu befreien, weil er eben ausschließlich hinderlich war. Dass sie selbst noch aus dem Kleid raus sollte, wenn es nach mir ging, erwähnte ich an dieser Stelle lieber noch nicht. Und ja - mir war durchaus noch sehr bewusst, dass sie heute Abend keinen BH trug.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die Erwähnung, dass ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich ja in einer festen Beziehung und noch dazu eigentlich sehr glücklich damit war, ließ ich des Friedens halber außen vor und grinste Isaac amüsiert aus leicht glasigen Augen an. Der Alkohol war mir immer schneller anzusehen als mir lieb war – meistens gab ich dadurch auch mitgenommener aus als es dem realen Zustand meinerseits gerecht wurde. „Vielleicht hätte ich die Dankeskarten nach unserer Hochzeit nicht allzu zynisch verfassen sollen, wo ich doch eh den Traum vieler Frauen lebe“, schmunzelte ich nun ebenfalls über die Ironie des Schicksals. Alle wollten den Kerl, nur ich nicht und wer bekam ihn? Ich. Eigentlich die perfekte Geschichte für einen dramatischen Liebesfilm, nur dass ich unser Ende überhaupt nicht vorhersagen konnte. Ob ich jemals wirklich eine tiefgreifende Liebe für meinen erzwungenen Ehemann empfinden konnte? Eine schwierige Frage, die gewiss nicht in einen alkoholisierten Kopf gehörten, noch dazu nicht dann, wenn ich mich eigentlich von sämtlichen Problemen distanzieren wollte und frühestens morgen nach dem Frühstück wieder mit den Ungerechtigkeiten dieser Welt konfrontiert werden wollte. Es gab ohnehin amüsantere Optionen zu den eher philosophischen Fragen, die mir durch den Kopf geisterten und ich entschied mich spontan dazu, lieber auf Isaacs wahrscheinlich rhetorisch gemeinte Frage einzugehen, indem ich im ersten Moment etwas überrascht aus der Wäsche schaute und dann nicht so recht wusste, ob es für ihn als Kränkung gleichkam, über diese vollkommen untypisch schnulzige Erwähnung zu lachen. Ich ging davon aus, dass es mir sein Ego zumindest übel nahm, weshalb ich mich auf ein belustigtes Grinsen beschränkte. „So ist das also?“, stichelte ich ein wenig nach und entspannte mich wieder in seinen Armen. „Dann lass ich mir die Sache vielleicht noch einmal durch den Kopf gehen.“ Es brauchte natürlich weitaus mehr als ein paar kitschige Worte, bei denen es mir zudem wirklich schwer fiel, deren Ernsthaftigkeit Glauben zu schenken, um den grünen Teufel auf meiner Schulter zu besänftigen, aber im Grunde hatte ich noch nie wirkliche Besitzansprüche an meinen Mann, an Isaac, gestellt und es irritierte mich selbst, dass sich diese anscheinend durchaus vorhandenen Dränge nach nur zwei Cocktails und ein bisschen provokanter Körpernähe offenbarten. Außerdem verwirrte mich der junge Mann… mehr als mir lieb war. Selbstverständlich verstand er sich darauf, Frauen um den kleinen Finger zu wickeln und natürlich schloss das mich nun ebenfalls ein, nur dass ich mich bisher strikt dagegen gewehrt hatte und diese Weigerung nun langsam zu Staub zerbröselte. Sollte er mich doch umwerben, mir Honig ums Maul schmieren und seine zugegebenermaßen verlockenden Spielchen mit mir spielen. Isaac hatte schon richtig festgestellt, dass wir aneinandergebunden waren, also was sollte mir schlimmsten Falles passieren? Scheiden konnte sich der Wolf schwer lassen, wenn er meiner überdrüssig geworden ist. „Aber ich kann das doch so gut“, äffte ich ihn leise nach und mutete ihm einen weiteren anklagenden Blick zu. „Das heißt aber nicht, dass du meine Gutmütigkeit ausnutzen brauchst“, berichtete ich ihm im Widerspruch zu meinen eigentlichen Gedanken, von denen Isaac nur keine Ahnung haben sollte. Immerhin schaffte ich es ebenfalls, ihn hier und da auf angenehme Weise zu überrumpeln, genoss nun auch sichtlich meine Überlegenheit, während Isaac mich mit purer Verwunderung in den Augen musterte. Seine Ausführungen waren detailliert oder kamen mir zumindest während des Zuhörens logisch argumentiert vor, trotzdem… mein Verstand arbeitete nicht so, wie er eigentlich sollte und im nächsten Moment dachte ich mir schon wieder gar nichts: eigentlich wollte ich ihm keineswegs eine fiese Falle unterstellen, irgendwie hatte ich einfach die Lust dazu gehabt, ihn zu küssen. Diese Tatsache sollte an sich bereits erschreckend genug sein, aber mehr machte mir gerade meine Ahnungslosigkeit zu schaffen, da ich nichts auf seine Erklärung zu erwidern bekam. „Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich bezüglich deines weiterführenden Vorhabens denken soll“, lachte ich also einfach locker und zuckte dabei leicht mit den Schultern, hatten sich meine Hände wie von allein bereits an der restlichen Knopfleiste zu schaffen gemacht, sodass es nun einen entschiedenen Ruck brauchte, um das bisschen Stoff seines Oberteils zwischen uns hervorzuholen und damit auch zum Ende des Aufknöpfens zu kommen. Mir fiel aber etwas anderes auf, während ich seiner Bitte nachgekommen war: „Und bei mir ist es okay, wenn ich dann wie ein begossener Pudel neben dir herwatschel?“ Wahrscheinlich störte es Isaac wirklich nicht im Geringsten beziehungsweise es kümmerte ihn einfach nicht, was leider absolut nicht mit meiner Sorglosigkeit diesbezüglich übereinstimmte. „Oder bist du der Ansicht, dass ich hier halb nackt im Meer planschen soll?“, erkundigte ich mich in weiterer Folge, grinste aber nun wieder amüsiert. Noch lachte ich darüber, schließlich blieb ich der festen Überzeugung, dass er das kaum von mir erwarten würde.
Ich hätte die Dankeskarten mal lesen sollen, oder? Es war für Jedermann offensichtlich gewesen, dass ich mich von allen Hochzeitsangelegenheiten so weit wie nur irgendwie möglich distanziert hatte. Ich hatte mir die Karte mal flüchtig angesehen, hatte aber nicht einmal unterschreiben müssen, weil die Pseudo-Unterschriften schon draufgedruckt worden waren. Nicht mal an das Bild darauf erinnerte ich mich. Besonders toll konnte es nicht gewesen sein, waren die Fotos doch allesamt gestellt und ich danach froh gewesen, dass ich mich nicht eine Sekunde länger in Riccardas Nähe hatte aufhalten müssen. Jetzt hingegen saß - oder hing - das Fliegengewicht genau da, wo es hingehörte. "Nein, das passt schon so. War der Situation angemessen.", stellte ich wahrheitsgemäß, aber durchaus amüsiert klingend fest und zuckte leicht mit den Schultern. Außerdem stand Zynismus zumindest mir sowieso hervorragend. Man konnte es Riccarda kaum übel nehmen, dass sie von der auch für mich eher überraschenden Aussage nicht wirklich überzeugt war. Sie passte halt so gar nicht zu mir, wenn wir ehrlich waren. Andererseits war es mir aber auch nicht mehr neu, dass die zierliche Blondine so einige Dinge aus mir herauszukitzeln vermochte, die vorher nicht mal im Ansatz an die Oberfläche meiner Persönlichkeit gekrochen waren. War trotzdem gewöhnungsbedürftig - für uns beide. "Ja, ist so… sonst würdest nicht du hier rumhängen", ich gab ihr einen kleinen Ruck, "sondern eine andere. Auswahl gab's drüben genug, ich wollt' sie nur gar nicht haben.", bekräftigte ich meine vorherigen Worte und nickte kaum merklich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ob das nun die Glaubwürdigkeit steigerte oder nicht, sei mal dahingestellt. Ich wusste, dass es der Wahrheit entsprach und das sollte mir für den Augenblick genug sein. Auch, wenn es mir lieber wäre der Engel würde mir glauben. Vielleicht tat sie das später dann - vorausgesetzt sie spielte überhaupt weiterhin mit und setzte mir keinen Korb vor die Nase. Um letzteres zu umgehen musste ich vermutlich ein kleines bisschen auf die Hilfe des Alkohols hoffen. Dass sie das Spielchen nüchtern mitmachen würde, glaubte ich nicht. Dass Riccarda wenig begeistert davon war, dass ich sie hier ein bisschen ausspielte, machten ihre folgenden Worte doch recht klar. Allerdings ließ es mich doch leise auflachen, dass sie meinte ich würde ihre Gütmütigkeit ausnutzen. "Gutmütigkeit? Ich arbeite jetzt schon seit endlos vielen Monaten daran, dass du ein bisschen lockerer wirst. Gönn' mir wenigstens das.", erinnerte ich sie ironisch daran, dass ich ziemlich lange ziemlich leer mit allem ausgegangen war, was ich versucht hatte und ich es vermutlich hauptsächlich deswegen gerade so genoss, dass sie den ganzen Spaß mitmachte. Klar - das war nach wie vor meine eigene Schuld und das war mir auch bewusst. Trotzdem war es doch langsam an der Zeit, dass sich die ganze Mühe immerhin ein kleines bisschen bezahlt machte, wenn man mich fragte. Ich war für meine Verhältnisse unnatürlich geduldig mit der jungen Frau. Zwar konnte ich der nur mühsamen Annäherung tatsächlich auch einen gewissen Reiz abgewinnen, weil es eben doch spannender war, wenn Frau einem nicht freiwillig sofort immer breitbeinig auf den Schoß sprang, aber irgendwann wurde das trotzdem frustrierend. Mit dem Kuss hatte sie mir zumindest mal den kleinen Finger gereicht, aber ich hätte doch lieber gern die ganze Hand. Der Engel war auf einem guten Weg dazu, als auch die restlichen Hemdknöpfe ihrem Zweck abdienten und der teure Stoff von da an nur noch von meinen breiten Schultern geholt werden musste. "Du sollst ja auch nicht denken, sondern dich nur festhalten.", meinte ich sarkastisch mit einem leichten Augenrollen und nahm dann die Hände von ihren Oberschenkeln, als ich mir sicher war, dass sie auch ohne meine Arme nicht zum Boden abrutschte. Ich nutzte die frei gewordenen Hände, um hinter meinem Rücken einen Ärmel nach dem anderen von meinen Armen zu ziehen. Riccarda das zu ersparen schien mir nur sinnvoll, weil der hochgekrempelte Stoff an meinen Ellenbogen doch etwas fester saß. Außerdem konnte ich nebenher gut ihren noch folgenden Worten lauschen. Anschließend auch ihrer Frage, bei der ich gerade das Hemd vollständig von meinem Körper gezogen hatte und ich hätte kaum noch Worte für eine Antwort verwenden müssen. Das Grinsen, das sich auf meinen Lippen breit machte, während das Hemd mit einer lockeren Armbewegung drei, vier Meter weit von uns in den Sand flog, hätte vollkommen ausgereicht. Ich sah noch einen Moment auf das Oberteil, dann legte sich mein verspielt funkelnder Blick wieder in ihren. "Eins Plus mit Sternchen, Sherlock.", bestätigte ich Riccarda in ihrer Annahme, die wahrscheinlich eher nur als rhetorische Frage zu verstehen gewesen war und legte meine Hände gleichzeitig wieder an ihre Schenkel. "Was spricht schon dagegen? Die paar Leute wird's kaum interessieren und selbst wenn, dann sehen wir sie trotzdem nie wieder... hier passiert sowas sicher sowieso ständig, wir sind auf einer Urlaubsinsel.", erklärte ich dem Engel erstmal, dass sich darüber Gedanken zu machen wirklich überflüssig wäre. "Wenn du nah genug an mir dran bleibst sieht man nicht mal was.", redete ich vor mich hin grinsend weiter, während ich aus den Schuhen stieg - jedoch ohne die Augen von Riccardas abzuwenden. Die Socken waren etwas umständlich, aber auch das ging ohne die Hände wieder von der Haut des Engels nehmen zu müssen. Danach drehte ich mich dem Wasser zu, ging aber noch nicht hinein. Einen Moment schwieg ich, ergriff dann aber doch nochmal das Wort. "Und ich glaube, dass du am besten verstehen würdest, dass du mir jetzt wirklich vertrauen kannst, wenn ich's dir einfach zeige." Das Grinsen hatte sich zu einem Lächeln geschmälert und ich lehnte mich langsam nach vorne zu ihrem Ohr. "...du musst mich nur lassen.", hängte ich etwas leisere, rauere Worte hintenan und streckte dabei die Finger nach dem Saum ihres Kleids nahe meiner Hände aus. Mehr aber nicht. Ich hatte es schließlich ernst gemeint, als ich grade gesagt hatte, dass ich sie hier nicht ausziehen würde, bevor es kein eindeutiges Einverständnis ihrerseits gab.
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Selbst wenn Isaac nun nicht meiner Meinung bezüglich der damals verschickten Dankeskarten nach unserer Hochzeit wäre und lieber voll Frust und Hass irgendwelche Schimpftiraden verfasst hätte, ließe es sich nun im Nachhinein nicht mehr ändern. Dennoch tat es gut, seine Bestätigung zu bekommen. Mir wurde während dieser Beziehung immer bewusster, wie stark ich vor allem innerhalb meiner Familie jedes Mal um Akzeptanz für meine Meinung oder Handlung hatte kämpfen müssen. Auch Jago zeigte bei diesem Thema gewisse Schwachpunkte auf, jedoch brachte es nichts, meinen Ex-Freund hierbei zu vergleichen. Es stand außer Frage, dass jeder Mensch ausreichend Vor- und Nachteile in sich einte, über die niemand erhaben war. Mir gefiel es jedoch, endlich nicht alles rechtfertigen zu müssen und bedachte dies auch mit einem zufriedenen Lächeln, dessen voller Kontext – oder eher Hintergrund – für Isaac unergründlich blieb, aber im Grunde beruhte es auf seiner Zustimmung und galt deshalb auch ihm. Dafür, dass sich der junge Mann dafür nun zu erklären hatte, konnte ich nur bedingt etwas. Wer erwartete auch schon von einem jähzornigen Wolf mit notorischen Beziehungsängsten, dass dieser Mal so etwas wie ein Eingeständnis dieser Natur über die Lippen brachte? Für andere Paare sicherlich keine Ausnahme, aber für unser Verhältnis schien dies doch eine gewichtige Situation zu sein; ohne allzu viel Bedeutung in eine einfache Tatsache zu legen. Bei dem kleinen Hops, den er mir mit seinen Armen verpasste, weiteten sich meine Augen für einen Moment erschrocken, während mein Lachen ein kleines Stocken verpasst bekam. Die ersten paar Worte reichten, um ihm einen empörten Klaps auf den Oberarm zu verpassen. Nichts, das ihm Schaden zufügte oder Schmerzen verursachte, aber es ging eher um die dahintersteckende Message. Eine Tat, die ich ohnehin gleich wieder zurücknehmen wollte und deshalb versöhnlich (entschuldigend) über die Stelle an seinem Arm streichelte. Wahrscheinlich zog Isaac mich ohnehin gleich wieder auf, weshalb ich mir eine verbale Verteidigung sparte und darauf wartete, auf seine Bemerkung zu reagieren. Ein Teil, der misstrauische, meiner Vernunft schenkte seinen Worten wenig Glauben, doch das Mädchen in mir fühlte sich dennoch geschmeichelt genug, um nicht länger darauf herumreiten zu wollen, dass sogar ein Isaac Garcia eine zärtliche Seite besaß – die entscheidungstreffenden Hintergründe blieben nach wie vor im Dunklen. Soweit waren wir noch nicht. Wir nahmen, was wir vom anderen an Zuneigung und Positiven in die Finger bekamen und damit funktionierte es momentan gut. Und Isaac hatte mit einem recht: er bemühte sich wirklich. Ohne eingebildet zu klingen, meinte ich zu wissen, dass er für keine andere Frau so einen Aufstand machte, um wieder in ihrer Gunst zu stehen. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, diesem Schwein niemals zu vergeben, hatte sich Isaac dennoch mein Vertrauen in mühsamer Geschwindigkeit zurückerarbeitet und baute weiterhin auf. Einen gewissen Knacks würde es immer geben, doch ich sah über die Dummheit von damals hinweg, da wir beide kontraproduktiv gehandelt hatten. Jeder auf seine Art und in anderem Ausmaß, trotzdem hatten wir beiden Dreck am Stecken. „Und hat es dir geschadet? Nö“, entgegnete ich ihm mit einem Funkeln in den Augen. Weder keck noch herausfordernd. Eher ein minimaler Stolz auf seine Leistung und ja, da vergönnte ich ihm meine Nachsicht durchaus. Vor allem aber, weil ihm allen Anschein nach wirklich etwas daran lag. „Sag bloß, dass du den Job des Denkens übernimmst?“, zog ich Isaac nun doch spontan auf und lachte über meinen eigenen Scherz amüsiert auf. Ich sollte als nicht denken, sondern nur weiterhin an ihm geklammert bleiben? Bisher gab es weiterhin einen ausreichenden Spielraum zwischen unseren Oberkörpern, jedoch irritierte es mich minimal, warum ich ausgerechnet jetzt darauf hingewiesen wurde, mich einfach weiterhin festzuhalten. Das Ganze erfolgte binnen einer Sekunde, als ich auch schon den stützenden Halt seiner Hände auf meinen Oberschenkeln verlor und mich ihm aufgrund meiner nach wie vor funktionstüchtigen Reflexe nun sehr viel näher wiederfand. Okay. Er hatte mich zwar gewarnt, indirekt, dennoch kam es unerwartet und ich linste neugierig über meine Schulter hinweg, ob ich einen Blick auf sein Tun erhaschte. Falsch gedacht, doch sein Werken lockte meine Aufmerksamkeit in die entgegengesetzte Richtung und ich durfte belustigt dabei zusehen, wie er sich mit einem Klammeräffchen vor der Brust abmühte, aus seinem gut sitzenden Hemd zu schlüpfen. Der Stoff segelte schon bald durch die Luft und landete mit Abstand zu uns im von der Sonne erwärmten Sand. Ja gut, mittlerweile ließ sich seine Absicht sogar von meinem dezent vernebelten Gehirn erfassen und das zuvor noch belustigte Grinsen erstarrte langsam. Was dagegen sprach? Ich sah ihn einen Moment abwartend an, ob seine Argumentation ernst gemeint war oder er mich gleich auslachen würde, weil ich ihm einmal mehr an diesem Abend voll auf den Leim gegangen war. Ich mochte es nicht, wie er mich gerade verunsicherte. „Du bist ein Depp“, beschwerte ich mich und schlug ihm doch wieder auf die Schulter, musste aber gleichzeitig lachen. Ich sollte mich halb nackt an ihn drängen, damit andere nichts sahen. „Du bist doch so selbstlos, danke Isaac“, spottete ich sarkastisch und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Er behielt recht, dass es die wenigen Anwesenden am Strand sicher nicht juckte, wie bekleidet wir uns ins Meer stürzten, aber für mich machte es durchaus einen Unterschied. Verklemmt traf es dabei nur zu einem kleinen Prozentsatz. Mir missfiel es schlichtweg, ausgeliefert zu sein und genau so fühlte ich mich ohne Kleidung am Leib. Ich zeigte mich gerne in schicken Kleidern oder modischen Outfits, aber man sah mich selten bis nie in Bikinis in der Gegend herumstolzieren, um ja gesehen zu werden. Ich mochte diese Art des Gaffens nicht, zu dem manche Männer gerne neigten. Hier sicherlich keine Sorge, trotzdem ließ sich das ungute Gefühl nicht gänzlich einstellen. Aber hatte Isaac mich nicht ohnehin schon nackt gesehen? Was hinderte mich daran? Ein leises Seufzen kündigte meine Kapitulation an. „Na gut, aber zu meinen Bedingungen, also lass mich runter“, stellte ich ihm meine Forderung und reckte dazu entschieden das Kinn ein wenig nach oben. Ich hielt mich nach wie vor bei ihm an, aber hatte meinen Griff längst wieder gelockert, als ich darauf vertrauen konnte, dass Isaac mich wieder hielt. Der junge Mann schien einen Moment nachzudenken, was an meiner Aussage dran war, gab dann aber glücklicherweise nach. Gute Entscheidung, da mir diese Nachsicht für den letzten Schritt zur Überwindung sozusagen verholfen hatte. Sobald ich den körnigen Untergrund wieder unter meinen dünnen Sohlen spürte, schlüpfte ich zuerst – weitaus eleganter trotz Alkoholeinflusses als Isaac – aus meinen Schuhen und schupste sie in die Richtung von Isaacs Hemd. Kurz musste ich meinen Willen suchen gehen, ehe ich mich leicht schräg von dem jungen Mann abwandte, um anschließend nach dem Stoff des luftigen Kleides zu greifen und es mir in einer flüssigen Bewegung über den Kopf zu ziehen. Immerhin funktionierte das ohne Komplikationen, sodass ich das Kleid darauf schlampig zusammenfaltete und die wenigen Meter ebenfalls auf den Boden warf und mich dann im Grunde schon dem Wasser zuwandte. Ich tappte – nur mehr im Spitzenhöschen steckend – auf die sanft wogenden Wellen zu, sah auf halbem Weg aber zu Isaac über die Schulter zurück, da ich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden, aber dass er mir nicht folgte. „Kommst du?“, erkundigte ich mich grinsend, drehte mich dann aber schon wieder zum Wasser vor. Ich verhielt mich zwar koordiniert und empfand keinen Schwindel, dennoch sah ich es als sicherer an, den Blick beim Gehen gerade aus gerichtet zu halten.
Ein Schlag auf den Arm war die Resonanz für das wortwörtlich holprige Geständnis. Wobei Schlag nichts ganz die richtige Titulierung dafür war, glich es eher einem kleinen Tätscheln für meine Verhältnisse. Wenn überhaupt. "Wie man indirekte Komplimente annimmt haben dir deine übermäßig förmlichen Eltern nicht beigebracht, was?", stellte ich ihr eine rein rhetorische, sehr ironische Frage. Ließ dabei mal ganz außen vor, dass sich der Klaps sehr wohl auch auf den kleinen Ruck beziehen konnte, der sie kurzzeitig verblüfft hatte, weil ich mir dann den neckischen Kommentar hätte sparen müssen. Ich musste dem zierlichen Blondchen wohl oder übel eingestehen, dass mir der ganze Aufwand um sie herum tatsächlich keinen Abbruch getan hatte. Es war selbst nach außen hin recht offensichtlich mehr das genaue Gegenteil der Fall, hatte ich in all der Zeit doch eine ziemliche Wandlung durchgemacht. Natürlich würde ein Teil von mir immer der zynische, wenig berechenbare Wolf bleiben. Mein animalisches Inneres ließ sich nicht oder zumindest nur sehr bedingt ändern, indem meine menschliche Seite ein klein wenig dominanter und entscheidungskräftiger wurde. Seit ich denken konnte, handelte ich nach Gefühl. Nach dem, was mir gerade im Sinn stand, weil mir kaum Jemand dabei im Weg stehen konnte. Ich vertraute noch immer stark auf meine Intention, weil man ja immer so schön sagte, dass Tiere dafür ein weit besseres Gespür hatten als der Mensch. Dennoch dachte ich in meinem jetzigen Zustand mehr über meine Taten nach als jemals zuvor. Wägte zumindest in vielen Fällen zuerst ab, was theoretisch für negative Konsequenzen aus meinen Taten folgen konnten - was nicht zwangsweise hieß, dass ich nicht mehr gewillt war Dinge aufs Spiel zu setzen. Das sah man an der aktuellen Situation nur allzu deutlich, war mein Annäherungsversuch doch durchaus mit einem nicht zu kleinen, möglichen Rückschlag für Riccarda und mich verbunden. Aber eins nach dem Anderen: "Ich geb's wirklich nur sehr ungern zu... aber nein, hat's nicht.", bestätigte ich sie leise seufzend in ihrer Feststellung. Ich gestand mir das halt nicht gern selbst ein, ihr noch weniger. Aber das war eine Wahrheit, die ich nicht zu vertuschen versuchen brauchte. Ganz gleich wie sehr das und die ewige Enthaltsamkeit an meinem riesigen Ego kratzten. Umso mehr lechzte es deshalb danach den blonden Engel stückweise weiter zu bekehren. Riccarda warf zwar noch eine milde Beleidigung in meine Richtung und natürlich war der Vorschlag nahe bei mir zu bleiben zu mindestens fünfzig Prozent vollkommen eigennützig, aber letztendlich schien sie hinter ihren Kommentaren dazu dennoch darüber nachzudenken, tatsächlich mit mir ins Wasser zu waten. Deshalb erwiderte ich daraufhin auch erst einmal nichts mehr. Aufmerksam musterte ich stattdessen ihre Gesichtszüge, versuchte die noch so kleinste Regung darin ausfindig zu machen, während ich auf eine endgültige Entscheidung warten musste. Für meinen Geschmack natürlich viel zu lange, aber das mit der Ungeduld hatte ich inzwischen ja zumindest dann im Griff, wenn ich es für notwendig hielt. Also eher jetzt und weniger dann, wenn der gute Onkel irgendwelche Heimlichtuereien veranstaltete. Das hier war wichtig, also sah ich davon ab sie zu einem klaren Ja überreden zu wollen und ich sollte in der ewigen Geduld mit der jungen Frau nicht enttäuscht werden - sie wirkte noch nicht zu einhundert Prozent überzeugt und aufgrund dessen war ich mir im ersten Moment auch nicht ganz sicher, inwieweit ich ihrer Einwilligung trauen konnte, aber es war trotzdem ein Ja und das wollte ich nicht unbedingt zu arg in Frage stellen oder gar lange zögern. Wenn auch nur ein Ja unter ihren Bedingungen, aber das war schon okay. Hauptsache ich konnte damit aufhören mich mit ihr im Kreis zu drehen und ein paar Schritte vorwärts machen. Gemeinsam mit ihr, versteht sich. Erstmal ließ ich sie jetzt mit den Worten "Okay, einverstanden." und einem vorfreudigen Grinsen langsam zurück auf den Boden. Hatte dabei noch immer Bedenken, ob sie nicht gleich einfach Reißaus nehmen würde, aber sie blieb tatsächlich hier. Begann sich zuerst die Schuhe auszuziehen und bald darauf sollte auch das Kleid folgen. Meine Augen wanderte von ihren Füßen aus die schlanken Beine nach oben, folgten schließlich dem sich anhebenden Stoff. Als es dann eigentlich erst richtig interessant wurde, weil sich das Kleid bis über ihren Hintern anhob, sah ich aber doch einen Moment weg. Irritiert darin, ob ich mir nicht gerade selbst ein Bein mit dieser Idee gestellt hatte, sah ich lieber aufs Wasser. Rief mir dabei besser noch einmal ins Gedächtnis, wer ich inzwischen war und dass nackte Haut nicht automatisch ein vollumfängliches Go bedeutete. Dass es hierbei mehr um den Engel und weniger um mich selbst gehen sollte. Meine Augen verloren sich automatisch an den nackten Rücken der jungen Frau, als sie die ersten Schritte zum Wasser ging und damit mehr in mein Sichtfeld rückte. Es musste auch unbedingt Spitze sein, oder? Stellenweise durchsichtiger Stoff hatte - wenn er nicht gerade aussah wie Omas uralte Gardinen und Tischdecken - so seinen ganz eigenen, unwiderruflichen Reiz. Ich merkte gar nicht, dass ich mich noch immer keinen Zentimeter vom Fleck rührte, bis Riccarda ihr Wort an mich richtete. Ja, ich sollte ihr folgen. Tat ich auch, aber vorerst schweigend, weil der Kopf noch ziemlich beschäftigt war. Während ich mich in Bewegung setzte atmete ich etwas tiefer durch und wahrte erst einmal noch freiwillig die Distanz zwischen uns, die sich durch ihr Vorausgehen gebildet hatte. Trat demnach ein kleines Stück hinter ihr ins Wasser, während ich mich noch an den Anblick ihrer nackten Haut gewöhnte. Es schien keinen großen Unterschied zu machen, dass ich die zierliche junge Frau bereits nackt gesehen hatte. Das war inzwischen so lange her, dass das hier eher wie ein neues erstes Mal wirkte, obwohl ich den Anblick keineswegs vergessen hatte. Ich näherte mich ihr erst dann unweigerlich, als sie schließlich stehen blieb und ich die letzten Schritte zu ihr aufschloss. Allzu gerne hätte ich mit beiden Händen nach dem Bund ihrer Unterwäsche gegriffen und sie an mich gezogen, aber ich besann mich weiterhin eines besseren. Blieb leicht versetzt hinter ihr stehen und warf einen kurzen Blick in den Himmel. Lang würde es bis Vollmond nicht mehr dauern und sowohl der Mond, als auch die Sterne spiegelten sich hier draußen noch so viel besser sichtbar auf der Wasseroberfläche, wo wir von den störenden Lichtern am Strand jetzt entfernt waren. Ich senkte nach ein paar Sekunden nicht nur den Blick, sondern auch den Kopf. Neigte ihn nach vorn zu Riccardas Schulter und atmete ihren Duft ein, wobei meine Lippen und auch meine Nase unweigerlich ganz leicht ihre Haut berührten. Als könnte ich sie nicht sowieso zehn Kilometer gegen den Wind riechen. Ich hauchte einen Kuss auf ihre schmale Schulter, dann hob ich den Kopf wieder etwas an und im gleichen Atemzug auch die linke Hand, um sie an ihren Oberarm zu legen. "Weißt du, was wirklich schräg ist? Ich fand früher immer, dass du komisch riechst. Und jetzt...", würde ich mich am liebsten in ihrem Geruch wälzen, nur um ihn überall mit hintragen zu können. Nur sagte ich das nicht, weil das ziemlich merkwürdig klingen würde und ich mir außerdem recht sicher war, dass der Engel sich den Rest auch ungefähr denken konnte - immerhin hatte ich grade erst vollkommen freiwillig förmlich ihren Duft inhaliert und stand weiterhin recht dicht hinter ihr, auch wenn ihr Rücken meinen Oberkörper nicht berührte. Meine Stimme klang jetzt nach dem schweigsamen Moment auch insgesamt deutlich ruhiger und weniger aufgekratzt, als noch bei den Sticheleien am Strand. Ich hätte meinen Arm gerne um ihre Taille nach vorne an ihren Bauch gelegt. Wusste aber wieder nicht, ob das in Ordnung war, also beließ ich es doch lieber dabei ihr sanft den Arm abwärts zu streicheln, ohne sie anderweitig festzuhalten.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Komplimente allgemein anzunehmen fiel mir eher schwer. Ich litt gewiss nicht unter eingebildeten Minderwertigkeitskomplexen oder wollte prinzipiell nichts Gutes an mir akzeptieren, es war viel mehr mein Misstrauen gegenüber zu freundlichen Personen. Wenn man mit einem gewissen Einfluss bedacht war, dann bekam man super schnell falsche Freunde an die Seite gestellt, die einem mit ganzen Lobeshymnen in den Himmel sangen, aber wahre Funken sprangen hierbei selten über. Ich mied es schlichtweg, Komplimente oder Lob allzu ernst zu nehmen beziehungsweise zu glauben, dass es mein Gegenüber ehrlich meinte. Von dem her hatte Isaac also zumindest ein bisschen recht, obwohl das Übel ausnahmsweise mal nicht der konservativen Erziehung meiner Eltern entsprang. „Nicht ganz“, äußerte ich mich deshalb nur vage und hob kurz die Schultern. Er musste das Problem der Schleimer doch kennen, wahrscheinlich juckte es ihn nur nie sonderlich und er nutzte die Heuchelei stillschweigend zu seinem eigenen Nutzen aus. Sowas traute ich dem aalglatten Dunkelhaarigen durchaus zu, mir entsprach es jedoch überhaupt nicht. Ich fuhr die Leute eher auf gerader Linie an oder fehlinterpretierte ihre Aussage. Auch von Isaac schien es mir noch zu unnatürlich, weshalb ich auch für zukünftige Komplimente nichts versprechen konnte oder gar wollte. Dazu saß mein Misstrauen noch zu tief, hatte aber tatsächlich nichts mit Isaac im Speziellen zu tun. Von meiner Seite aus mussten wir diese Angelegenheit auch nicht weiter vertiefen, überraschte mich der junge Mann ohnehin von Neuem – heute schien er mit den Enthüllungen nur so um sich zu werfen. Unweigerlich zauberte sich ein sanftes Lächeln in meine Züge. Es missfiel dem sturen Bock vielleicht, mir dieses Eingeständnis auch noch laut auszusprechen, aber mir bedeutete es durchaus etwas. Deshalb ritt ich auch nicht weiter auf der Bestätigung herum, sondern begnügte mich mit der ruhigen Gewissheit, dass selbst der störrische Wolf erkannte, dass die Dinge auch ohne mit dem Kopf durch die Wand oder blutverschmierter Schnauze zu lösen waren. Ebenso mussten wir beide – an der Stelle unbedingt zu erwähnen – lernen, dass nicht immer nur der eigene Wille zählte, sondern man auch Rücksicht nehmen musste. Es handelte sich um ein Geben und Nehmen. Eine fragile Balance, die wir in unserer Beziehung erst finden mussten, doch die erste Hürde stellte wohl nach wie vor das wankelmütige Vertrauen dar. In dieser Situation lag es an mir, ihm keine miesen Absichten zu unterstellen, sondern einen Schritt auf ihn zuzugeben, den Riss zuwachsen zu lassen, aber es lag auch an ihm, in meinen Worten die Versicherung zu erkennen, dass ich ihm nicht bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken fiel; eigentlich hielt ich zu dem Gesagten, denn bevor ich log, verschwieg ich einfach gewisse Details oder Parts der ganzen Geschichte. Wir hatten beide auf unterschiedliche Weise Vertrauensbrüche aufzuarbeiten, egal in welcher Form und ich fand, dass wir uns bisher ganz gut anstellten. „Schau doch nicht so“, zog ich ihn deshalb ein wenig auf und grinste bei seinem zwiegespaltenen Blick: er schien zu erwarten, dass ich mit aufwirbelnden Sand davonrannte, gleichzeitig blitzte aber auch das Verlangen auf, das Risiko einzugehen, um einen weiteren Schritt zu tätigen. Ich verstand ihn. Ich verspürte eine ähnliche Ungeduld, lediglich in zahmerem Ausmaß. Nicht nur Isaac sah sich zur Enthaltsamkeit gezwungen, obwohl ich mich nach wie vor nicht unbedingt darum riss, mit meinem Mann intim zu werden, fehlten mir auch die anderen Formen der körperlichen Nähe. Es bedarf doch mehr Überzeugungskraft und Mut als ich zuerst gedacht hätte, doch mein Zögern ging in der Entschlossenheit, nun keinen Rückzieher mehr zu machen, unter. Ich tappte also nur in Höschen über die paar Meter Strand und fühlte die neugierige Musterung wie eine warme Berührung auf der Haut. Es kribbelte regelrecht. Erst einen Moment später kam ich drauf, dass ich nervös war. Aufregung zupfte an meinen Nerven, während ich bedächtig meinen Weg zum leise rauschenden Meer suchte. Der Mond stand hoch am Himmel und leuchtete in seinem weißlichen Licht auf meine ohnehin sehr helle Haut, die dadurch einen sanften Glanz erhielt. Meine Figur entsprach einem schlanken, femininen Typus, der von manchen Männern womöglich als zu flach deklariert wurde, aber gewisse Kurven ließen sich in angenehmer Proportion dennoch vorweisen. Als Model müsste man mir mittels Computerprogramme sicherlich größere Brüste verpassen, um im Bikini eines Modekatalogs aufzutauchen, aber ich pflegte stets ein recht gesundes Verhältnis zu meinem Körper und ließ mich diesbezüglich selten bis gar nicht einschüchtern. Diese Situation verhielt sich dennoch ein wenig anders. Isaac hatte sich mich nicht ausgesucht – ebenso umgekehrt – und trotzdem gehörte es zu einer funktionierenden Beziehung auch dazu, dass man sich gegenseitig anziehend fand. Oberflächlich… irgendwie natürlich schon, aber wenn einen das Äußere nicht ebenfalls ansprach, fehlte etwas meines Erachtens. Warmes Wasser umspülte zuerst nur meine Knöchel, ehe ich tiefer ins Meer spazierte. Isaac behielt Recht: hier in den Tropfen brauchte ich wirklich keine Angst vor einem Kälteschock zu haben. Ich ließ mir dennoch Zeit, gewöhnte mich an die Umstände, wobei es eher meine Nacktheit war, die den gewöhnungsbedürftigen Faktor implizierte. Die sanft wogende Oberfläche reichte mir nach einigen Schritten bis zur Hüfte, was der Moment war, an dem ich entschied, stehen zu bleiben und mit den Handflächen leicht durch die wogenden Wellen zu streichen. Ich vernahm das stetige Plätschern von Isaacs Körper im Wasser, bevor auch dieses verstummte und ich den Mann stattdessen dicht hinter mir wahrnahm. Es war ein Moment, in dem Worte wohl einiges zerstören würden, weshalb ich den Mund geschlossen hielt und nur den Kopf leicht gen Schulter richtete, um im Augenwinkel zu sehen, was Isaac gedachte zu tun. Ich spürte seine Nähe geradezu penetrant, was zum Großteil wohl auch an seiner einnehmenden Ausstrahlung lag. Dazu brauchte man ihn nicht einmal übermäßig anzustarren, dennoch wusste man sofort, dass Isaac da war. Vielleicht lag es auch schlichtweg an meinen Sinnen, die sich ganz auf ihn gepolt hatten. Eine leichte Gänsehaut lief über meine Arme, als ich den Kuss auf meiner Schulter fühlte. Ich wandte mein Gesicht nicht ab, richtete meinen Blick nur hinunter zu seiner großen Hand, die nun auf meinem Oberarm lag. Isaac war groß, übertrumpfte mich in jeglicher Hinsicht, obwohl ich unbedingt zu der kleinen Sorte Frau gehörte – eher lang gestreckte Beine, die mir zu einer gewissen Größe verhalfen und trotzdem fühlte ich mich wie eine Maus neben Isaac. Natürlich wollte ich wissen, was er schräg fand! Unweigerlich spitzten sich meine Ohren und ich wurde wieder aufmerksamer. Ein kurzes, stoßartiges Lachen huschte über meine Lippen, weil diese Feststellung tatsächlich der Definition von schräg sehr gerecht wurde. Ich beabsichtigte nicht, ihn auszulachen, nickte deshalb langsam. Er musste nur verstehen, dass ich nun wirklich nicht mit einer vergleichbaren Bemerkung gerechnet hatte. „Ist tatsächlich ein bisschen verrückt“, stimmte ich ihm verträglicher zu und brauchte kein Ende des Satzes, um zu wissen, worauf Isaac hinaus wollte. Bisher hielt sich der Dunkelhaarige auch vorbildhaft zurück, sowohl mit Worten als auch mit Taten, weshalb ihm die Ausblick lediglich auf meinem Rücken vergönnt gewesen war. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, als ich mich leicht lächelnd umwandte und automatisch den Kopf ein wenig in den Nacken legte, sodass einzelne Locken hinter meine Schultern glitten und ich ihn aber aufgrund der geringen Distanz zwischen uns ins Gesicht sehen konnte. „Ich weiß, was du meinst. Ich fand dich auch nicht gerade anziehend und jetzt… naja“, ich grinste bei dem letzten Wort zaghaft verschmitzt und deutete mit einer Hand vage an mir herab bis meine Fingerspitzen ins Wasser tauchten. Nun stand ich halb nackt im tropischen Meer vor ihm, was definitiv mit seiner neu entwickelten Anziehungskraft auf mich zu tun hatte. Auch wenn wir momentan noch recht scheu umeinander herumtänzelten, funktionierte es und ich verspürte nicht den dringenden Impuls, mich sofort in Sicherheit zu bringen. „Ich denke, ich habe begonnen dir wirklich zu vertrauen“, fand ich als einzige Erklärung, da es bei mir normalerweise selbst im dezenten Schwips mehr brauchte, um mich aus der Kleidung zu bekommen – hier lag weitaus mehr Entscheidungsgewalt meinerseits im Raum als man mir vielleicht noch zumutete.
Es waren wohl ausnahmsweise nicht ihre gewöhnungsbedürftigen Eltern gewesen, die etwas versäumt oder zu kritisch behandelt hatten. Allerdings hatte ich auch gar nicht das Bedürfnis dazu dieser Sache richtig auf den Zahn zu fühlen, weil ich einfach insofern wie immer ausreichend von mir selbst überzeugt war, dass ich mir sicher damit war, dass auch der Engel sich irgendwann über Komplimente von mir freuen konnte. Ohne mir dabei einen Klaps zu verpassen, meine ich. Sie hatte noch den Rest ihres Lebens Zeit dazu sich daran zu gewöhnen und früher oder später würde Riccarda schon noch merken, dass es gar nicht so verkehrt war hier und da ein paar nette Worte zu hören. Auch von mir. Nicht nur, weil ich in den meisten Fällen recht gut darin war, sondern auch, weil ich es ernst damit meinte. War vielleicht nicht so leicht zu glauben, wenn man die Tatsache bedachte, dass ich früher doch immer nur dann mit irgendwas Nettem um mich geworfen hatte, wenn als Resonanz darauf eine schöne Frau auf meinem Schoß Platz nahm. Natürlich war keine davon nicht schön anzusehen gewesen und dementsprechend war an meinen Worten schon auch irgendwie etwas dran gewesen, aber das hier war etwas anderes. Ich meinte es ernst und sagte es nicht nur so daher, versprach mir davon eben auch keinen Sex. Wollte einfach nur, dass Riccarda irgendwann verstand, dass sie mir etwas bedeutete. In welchem Ausmaß mal außen vor gelassen, weil ich auf dem Gebiet hinsichtlich ernsthafter Gefühle so gar nicht bewandert war. "Du wirst dich schon noch irgendwann dran gewöhnen.", meinte ich nur noch recht zuversichtlich, was das anbelangte. Vielleicht noch nicht heute und auch noch nicht morgen, aber das bekamen wir schon noch hin. So, wie wir alles andere eben auch nach und nach in die richtige Bahn rückten. Geduld war sicher auch in diesem Fall die Devise. Nicht so zu gucken war gerade aber ganz allgemein gar nicht mal so leicht für mich. Ganz gleich, worauf genau nun bezogen. Erstens fiel es mir wohl einfach noch ein bisschen schwer zu glauben, dass ich den zierlichen Engel nun tatsächlich zu einem solch unsittlichen Verhalten gebracht hatte. Die öffentliche Fast-Nacktheit sah ihr schließlich so gar nicht ähnlich. Noch weniger, dass sie sich in meiner Gegenwart freiwillig auszog. Jetzt also beides auf einmal zu kriegen war fast schon surreal und glich eher einem meiner nächtlichen Träume, die der sexuellen Frustration entsprangen. Noch vor einigen Monaten hatte Riccarda in jenen selten bis nie eine Rolle gespielt, aber selbst was das anging schien sie sich inzwischen so weit in mein Unterbewusstsein vorgearbeitet zu haben, dass sie nicht mehr wegzudenken war. Zwar schlich sich ab und an immer noch gerne eine mysteriöse Unbekannte in meine Traumwelt, aber mein Kopf schien doch mehr Gefallen an dem schwer zu knackenden Engel zu finden. Vielleicht lag das an der makellosen Haut, die sich jetzt, wo ich ihr den Arm hinunter strich, so deutlich von mir spüren ließ. Ich bildete es mir bloß ein, dass sie sich glatter und weicher anfühlte als die jeder anderen Frau, die ich zuvor angefasst hatte, oder? Es könnte schon sein, dass das wirklich so war, wo die Engel im Gegensatz zu uns Wölfen doch genetisch bedingt automatisch immer schöner waren als der durchschnittliche Mensch. Einfach eine natürliche Schönheit ausstrahlten, die auch der zierlichen Blondine vor mir zuteil geworden war. Trotzdem bildete ich mir das vermutlich eher nur ein, weil ich einfach nur schon ewig lange Zeit keine andere Frau mehr angefasst hatte und es wahrscheinlich auch nie wieder tun würde. Auch, wenn das eher nicht erklärte, warum mir das jetzt gerade erst auffiel. Also schüttelte ich die wirren Gedanken einfach innerlich ab und konzentrierte mich lieber drauf, nicht blöd zu gucken. War nämlich gar nicht so leicht hier draußen auf dem Wasser, wo sie doch so herrlich unbekleidet vor mir stand und ich am liebsten jeden einzelnen nackten Quadratzentimeter ihrer Haut eingehend gemustert hätte. Der weibliche Körper war einfach schön anzusehen und irgendwie eine Kunst für sich, aber sie anzustarren schien mir gerade nicht richtig, auch wenn sie es kaum hätte sehen können, solange sie mir den Rücken zuwandte. Ein für meine Verhältnisse kurzer Blick auf den nur minder bedeckten, sicher immer noch herrlich knackigen Hintern war also alles, was ich mir selbst für den Moment gewährte. Ich war ganz froh darüber, dass die junge Frau dank meiner Worte kurzzeitig lachen musste und dadurch wieder vermehrt meine Aufmerksamkeit von ihrem Körper ablenkte. Ihr das Lachen krumm nehmen tat ich auch gar nicht, weil ich einfach wusste, dass das Ganze für Jemanden, der nicht meinen übersensiblen Geruchssinn hatte, einfach komisch klang. War schließlich nicht so als könnte sie mich so riechen, wie das umgekehrt der Fall war. Sie würde meinen Geruch nur dann wahrnehmen, wenn ich nahe bei ihr war und das kam nur selten vor. Ich hingegen roch sie quer durchs ganze Engelsschloss und eben ganz besonders immer dann, wenn wir schlafen gingen. Sie neben mir lag und die Bettwäsche von ganz allein neben meinem auch ihren Geruch annahm. Er wehte mir ständig um die Nase und früher war mir das unangenehm gewesen. Inzwischen ließ mich ihr Duft aber viel mehr angenehme Vertrautheit und auch eine gewisse Ruhe spüren. Nicht so vehement, dass ich automatisch selbst zum absoluten Ruhepol wurde, sobald sie in der Nähe war, aber sie hatte mittlerweile doch eine beeindruckende Wirkung auf mich, die sich nicht leugnen ließ. Von dem furchtbaren Engelsgeruch von früher hatte sie für mich jetzt gar nichts mehr. "Du hast ja auch nicht meine Nase... nicht mal das Salzwasser verdeckt dich und das will echt was heißen.", ging ich leicht sarkastisch, aber durchaus wahrheitsgemäß noch ein klein wenig mehr ins Detail. Salziges Meerwasser war selbst für Menschen nicht zu überriechen und hier draußen war es für mich schwer überhaupt irgendwas anderes mit der Nase auszumachen, wo es doch überall um mich herum war. Nur Riccardas Geruch war sonst präsent und irgendwie war er das immer. Ich entfernte mich nur selten so weit von ihr, dass sie aus der Reichweite meines Geruchssinns rückte. Meist nur zum Jagen oder wenn ihre Eltern sie irgendwo mit hinschleppten, wo ich nicht zwangsweise auch von Nöten war. Allerdings war der Gedanke daran sehr schnell nicht mehr präsent, als der Engel sich ganz aus freien Stücken zu mir umdrehte und damit automatisch meine Hand von ihrem Arm rutschte. Hätte ihr Blick danach nicht gleich in meinem gelegen, hätten meine Augen sich wohl sofort in tiefere Regionen verloren. So hingegen hielt ich den Augenkontakt aufrecht, während ich ihren Worten mein Gehör schenkte. Es passierte von ganz allein, dass sich meine Mundwinkel wieder zu einem leichten Grinsen anhoben, das ich jedoch eher dezent zu halten versuchte. Es war aber keinesfalls möglich meine Freude darüber zu verbergen, dass trotz aller Differenzen nicht einmal mehr der Engel mir noch abgeneigt war. Während sie mit diesen Worten also unweigerlich mein Ego streichelte folgte ich mit den Augen mehr oder weniger ihrer Hand ihren Körper abwärts. Konnte dann ja doch nicht an mich halten und musste zumindest einen kurzen Blick auf ihren nackten Oberkörper werfen, wo er doch so herrlich direkt vor mir war. Bei ihrer noch folgenden Feststellung hob ich den Blick jedoch schon wieder in ihren an und meine Augen begannen zu funkeln. Diese paar wenigen Worte wogen so viel mehr als das vorherige Geschmeichel für mein ohnehin schon zu großes Selbstbewusstsein. Waren der Beweis dafür, dass sich all die Mühe doch lohnte. Dass das Vertrauen, das ich inzwischen zu dem Engel aufgebaut hatte, nicht dank meiner Taten für ewig einseitig bleiben musste. Es fühlte sich besser an, ging so viel tiefer. Vielleicht war Riccarda auch gar nicht bewusst, was sie mit diesen Worten auslöste. Aber das war nicht schlimm, weil ich ihr das gerne zeigte. Ich hob nur zwei, drei Sekunden nach ihrem Geständnis die rechte Hand an und kam ihr dabei insgesamt etwas näher. Streichelte sanft mit dem Daumen über ihre Wange und sah sie dabei nur noch einen Moment lang an, bevor ich die letzte Distanz zwischen uns überbrückte und meine Lippen auf ihre legte. Sie innig küsste, wenn auch nicht drängend, sondern auf sehr gefühlvolle, einfühlsame Weise. Auch zog ich den Kuss etwas in die Länge, legte irgendwann in der Zwischenzeit die linke Hand an ihre Taille. Musste mich abermals dazu ermahnen, sie nicht aufdringlich an mich zu drücken, sondern sie nur zu halten. Erst einmal ausschließlich das leichte Touchieren ihrer Brust an meiner zu genießen, bis sich meine Lippen wieder von ihren lösten. Ich blieb aber ganz nah bei ihr, distanzierte mich nur so weit von ihrem Gesicht wie nötig war, um sie ansehen zu können. "Ich hab angefangen langsam dran zu zweifeln, dass das überhaupt noch möglich ist...", ließ ich sie mit eher nur gemurmelten Worten daran teilhaben, dass sie es tatsächlich geschafft hatte selbst mich daran zweifeln zu lassen, dass ich sie noch irgendwie von mir überzeugen konnte. Mich. Isaac Garcia, der doch sonst immer so wahnsinnig überzeugt davon war, dass ihm alle Frauen bedingungslos zu Füßen lagen, wenn er das nur genug wollte. Natürlich hätte ich mir das Vertrauen des Engels theoretisch schon früher erschleichen können, indem ich ihr immer mal wieder etwas in den Gedanken herum gepfuscht hätte... aber komischerweise hatte das für mich nie zur Debatte gestanden. Dabei hatte ich es einmal an ihr ausprobiert und wusste sogar, dass die Manipulation bei ihr funktionierte. Mir schien also tatsächlich der ehrliche Weg der einzig richtige gewesen zu sein.
+ .Es kommt, wie es kommt - aber so, wie man es ruft. +
Die Menschen bezeichneten sich selbst als Gewohnheitstiere; und Engel hatten ein sehr menschliches Naturell. Es gab nur wenige Unterschiede zwischen den Spezies und auf den ersten Blick sah man überhaupt keine Differenzen. Kaum einem Außenstehenden schien es möglich zu sein, einen Engel als solchen aus einer Vielzahl von Personen zu identifizieren und das sollte auch so bleiben. Wir mussten unsere wahre Identität nicht hinter einer menschlichen Hülle verbergen wie die wölfischen Gestaltwandler. Ich passte so ebenfalls in das Gesamtbild der Menschheit und dennoch gab es gravierende Fakten, die mich immer ein wenig anders sein ließen – eine Tatsache, mit der ich vor wenigen Jahren noch stark zu kämpfen hatte, als ich schlichtweg dazu gehören wollte und mein übernatürliches Sein verflucht hatte. Mittlerweile arrangierte ich mich damit, entwickelte einen gewissen Stolz auf das, was ich war und trug den Kopf wieder erhoben. Trotzdem verspürte ich eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass ich den Menschen so ähnlich war und traute mir deshalb auch zu, mich an sämtliche Veränderungen zu gewöhnen und in weiterer Folge auch anzupassen. Die allbekannte Engelsgeduld verwechselten zwar viele mit der puren Engstirnigkeit konservativer Wesen, die nicht viel von der Moderne und den damit einhergehenden Variationen von Glaube, Kultur und Perspektive hielten, aber trotzdem überdauerten wir die Jahrhunderte. Alles schien möglich: also auch mein Glaube an die Ehrlichkeit eines Werwolfes, wenn er mir etwas Nettes sagte. Ein womöglich theatralischer Gedankengang – und ich gab mir selbst zu, dass ich teilweise stark zur Dramatik neigte –, aber in eine Zwangsehe mit dem natürlichen Feind gepfercht zu werden, gab mir das Recht, meine Überlegungen im großen Stil anzustellen. „Vielleicht“ murmelte ich mich einem leichten Lächeln auf den Lippen, das aber ebenso wenig aussagte, wie mein kurzes Einlenken. Ich sah mich mittlerweile nicht mehr bereit dazu, halbherzige Zuversicht zu zeigen, nur um das dünne Eis, auf dem sich Isaac und ich bei Interaktionen miteinander bewegten, nicht zu gefährden. Darüber war unser Verhältnis hinaus. Ebenso legte ich doch auch nach und nach meine Scheu vor dem Dunkelhaarigen ab. Ich stand halb nackt mitten im Meer einer tropischen Insel und ließ ihn mit seinen vorsichtigen Berührungen gewähren. Eine Grundspannung haftete meinem Nervenkostüm an, jedoch lockerten sich meine Muskeln mit den Streicheleinheiten zunehmend. Auch für mich kostete es eine gewisse Überwindung, wahrscheinlich in die entgegengesetzte Richtung der Kraft von Isaac. Er zappelte am Haken, lag schon etliche Monate wie ein Fisch im Trockenen und ich… ich musste wieder ein paar Schritte auf ihn zugeben, nicht nur, um den jungen Mann bei Laune zu halten, sondern auch, um die sanfte Blüte der Zuneigung zwischen uns nicht mutwillig zu zerstören. Mir gefiel seine Hand auf meinem Arm, damit kam ich gut zurecht. Ich schloss für einen Moment die Augen, um mich gänzlich auf seine Berührung zu konzentrieren und stellte fest, dass ich tatsächlich frei von Angst blieb. Trotz des Wissens im Hinterkopf, dass ich seinem Willen ausgeliefert war. Kräftetechnisch hatte ich ihm weder am Land noch im Wasser etwas entgegen zu setzen. Ich fand Gefallen an den Momenten zwischen uns, die in einem Moment noch von vielversprechender Spannung beherrscht waren und im nächsten Augenblick wieder zurück zur Normalität wechselten. Andere mochte es wahnsinnig machen, aber fand es schön, dass wir jederzeit vom Thema abkommen konnten, ohne dass es deshalb gleich komisch wurde. Anderenfalls wäre mein Lachen ziemlich taktlos und unpassend rüber gekommen. „Nicht mal Salzwasser verbirgt mich… ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll“, gab ich ihm ehrlich zu und trug einen amüsierten Unterton in der Stimme mit, der fast wie ein unterschwelliges Lachen mitschwang. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Eher nicht, ich sah dafür keinen Grund. Viel mehr freute ich mich über seine Reaktion: Isaac stand mir lange Zeit sehr teilnahmslos und abwesend gegenüber, Luft wurde besser behandelt, immerhin brauchten wir die beide trotz unserer Fähigkeiten zum Überleben – was man damals von der Anwesenheit des anderen nicht gerade behaupten durfte – und auch sonst lag es meistens eher an dem Dunkelhaarigen, mich zu überraschen und mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Nun aber erhellten sich seine Augen beim Vernehmen meiner Worte, wohlwissend, dass es seinem Selbstbewusstsein einen unnötigen Schups in überdimensionale Höhen verpasste. Dennoch meinte ich zu wissen, dass er mein Zugeständnis wertschätzte. Mir gingen die Worte sogar sehr leicht über die Zunge, viel leichter als ich mir jemals erwartet hätte. Es fühlte sich richtig an, ihn genau jetzt und hier von meinem neu gewonnenen Vertrauen in Kenntnis zu setzen. Obwohl ich wusste, wie vielschichtig der Kerl war, so erwischte er mich dennoch immer wieder aufs Neue mit seinen versteckten Tiefen, die einen ganz anderen Charakter zu Schau stellten, als es der werte Herr normalerweise zuließ. Seine Hand lag leicht an meinem Gesicht an, gerade so, um mich indirekt darauf vorzubereiten, was als Nächstes kam und mein Körper reagierte intuitiv. Obwohl ich nicht allzu klein war, maß Isaac doch noch gut ein bis zwei Köpfe mehr und so streckte ich mich ihm leicht entgegen, als er sich zu mir herabbeugte. Ich glaubte es ja selbst kaum, doch meinem Herz versetzte es einen kurzen Schlag bei der ruhigen Intensität des Kusses. Nicht die Leidenschaft oder die Aufregung beflügelten mich, sondern viel mehr die zärtliche Intimität zwischen uns. Von Liebe ließ sich nach wie vor nicht sprechen, trotzdem rührte sich ein zartes Gefühl in meiner Brust, welches ich nicht weiter definierte. Meine Hände lagen locker an seinem Oberkörper auf, nicht, um ihn notfalls von mir wegstoßen zu können, sondern um meinem stillen Verlangen nachzugehen, seine Körperwärme wahrzunehmen. Natürlich könnte ich mich ebenso gut stürmisch gegen ihn drücken, doch das schien mir die falschen Signale zu senden und nur für Verwirrung zu sorgen. Er löste sich eher langsam von mir, gab mir nur wenige Zentimeter Freiraum, gerade genug, um die Lider aufzuschlagen und nicht direkt in seine dunklen Augen zu schauen, sondern sein gesamtes Gesicht in Augenschein nehmen zu können. Ein Mundwinkel bog sich etwas nach oben. Meine Zweifel waren wohl nie außer Frage gestanden. „Ich habe den Glauben eigentlich auch schon fast daran verloren, aber du kannst sehr überzeugend sein“, teilte ich ihm das Offensichtliche dennoch mit, ehe ich hinzufügte: „Sofern du das auch willst.“ Und er hatte gewollt… und ich hatte darauf reagiert. Es brauchte nur eine sanfte Woge und meine Bereitschaft, Isaac näher zu kommen, dass auch der letzte Abstand zwischen uns überbrückt wurde und mein Körper ohne viel Druck an seinen anschmiegte. Eine Hand wanderte in seinen Nacken, um ihn von dort mit etwas Kraft wieder zurück zu mir zu dirigieren. Ich wollte an diesem Abend definitiv nicht mit Isaac schlafen, aber körperliche Nähe ließ sich auch anders erlangen und deshalb küsste ich ihn.
Ein Vielleicht reichte mir vollkommen. Wahrscheinlich war das auch alles, was Riccarda mir wirklich zusichern konnte, ohne, dass ich am Ende womöglich eine Enttäuschung erfahren würde. Auch, wenn ich da natürlich nicht wirklich dran glaubte. Schließlich war an der aktuellen Situation bestens zu sehen, dass nicht nur sie ihren Einfluss auf mich spielen ließ, sondern das andersherum ab und an auch der Fall war. Nur brauchte es bei dem Engel wohl noch wesentlich mehr Zeit, als das umgekehrt war. Ihre Angst mir gegenüber war schließlich nicht unbegründet und es dauerte nun mal länger ein Trauma zu verarbeiten und stückweise abzulegen, als sein Ego und seine Sturheit einfach mal ein bisschen hinten anzustellen. Ich bereute das bis heute noch. War deshalb umso dankbarer dafür, dass der zierliche Engel mir überhaupt noch eine Chance in Form der unzähligen Dates gab, die wir inzwischen hinter uns hatten. Danach war es dann doch einmal kurz ruhig um uns geworden, weil ich tatsächlich nicht gewusst hatte, wie ich am besten dazu ansetzen sollte, ihr noch näher zu kommen. Natürlich aber auch deswegen, weil ihr dämlicher Architekten-Ex-Freund im Schloss herumgelungert hatte und es für Niemanden gesund war, wenn er sich in meiner Reichweite aufhielt. Angesichts meiner permanenten Anspannung war es also sicher auch gut gewesen, dass ich nicht versucht hatte Riccarda näher zu kommen. Ein Urlaub auf einer weit entfernten Insel mit perfekten Sandstränden, gutem Party-Ambiente und ein paar guten Drinks waren die weit besseren Voraussetzungen, also war es für uns beide sicher am besten gewesen, einfach noch ein bisschen zu warten. Mein großes Ego gestand es sich zwar nur ungern ein, aber langsam war selbst dieser Teil von mir an einem Punkt angekommen, wo er die Beihilfe des Alkohols gerne annahm. Ich war eigentlich immer der Meinung gewesen, kein bisschen harmoniebedürftig zu sein. Immerhin hatten die Umstände in meinem Elternhaus von ganz allein dafür gesorgt, dass ich eine immer härtere Schale um mein Herz und meine Seele legte. Natürlich war die auch immer noch in genau diesem Zustand aus reinem Selbstschutz vorhanden, weil sich Rückschläge und Streits damit leichter ertragen ließen. Ich ignorierte also gerne, dass mindestens der Wolf in mir sich sehr wohl nach sozialen Kontakten sehnte. Wölfe waren schlicht und ergreifend Rudeltiere, keine Einzelgänger. Und so gern ich auch den harten Macho implizierte, verzehrte sich meine Seele wohl doch nach wesentlich mehr als Mord, Totschlag und gefühllosem Sex. Was die Geschichte mit dem Salzwasser anging musste ich jetzt selbst kurz in mich hinein lachen. "Hey, das ist nichts Schlechtes. Du riechst gut. Es ist nur... dich meinem Geruchssinn zu entziehen dürfte für dich schwerer sein, als für jede andere Person." Aus dem anhaltenden Grinsen wurde ein schiefes. Das war so eines der Dinge, die ich vielleicht nicht unbedingt sagen sollte. Es könnte dem Engel durchaus wieder Angst machen, dass es inzwischen grundsätzlich schwer für sie geworden war, sich außerhalb von meinem Radar zu bewegen. Dass ich nur den Hauch einer anhaltenden, schon Tage alten Spur brauchen würde, um sie mit der Wolfsnase zu finden. Dabei hatte das theoretisch gesehen durchaus auch Vorteile. Ich hatte einen sechsten - siebten, achten, neunten,... - Sinn dafür zu wissen, wann Jemand in Gefahr war, der mir nahe stand. Nicht, dass ich hoffte, dass eine solche Situation mal eintreten würde, aber sollte sie jemals schnell gefunden werden müssen und es gab keine für Menschen oder Engel tauglichen Hinweise darauf, wo sie sich befand, dann war auf meine Nase in jedem Fall Verlass. Solange sie nicht auf der anderen Seite der Erdhalbkugel saß zumindest. Apropos Sinneserweiterung - mir entging die kleine Unregelmäßigkeit in ihrem Puls keineswegs. Normalerweise würde mir das wohl nicht allzu viel bedeuten und maximal Genugtuung in mir auslösen. Selbst das war gerade aber ganz anders. Es freute mich auf einer ganz anderen Ebene. Freute mich, weil auch das ein kleiner Beweis dafür war, dass ich endlich zu dem blonden Engel durchdringen konnte. Die kleinen Angsthopser, die ihr Herz früher oft in meiner Nähe gemacht hatte, waren nämlich ganz anders. Ich konnte das klar differenzieren und auch auf ihrer Seite die klammheimliche Freude spüren. Obwohl sie natürlich an Alledem hier gezweifelt hatte, wie sie mir eher überflüssigerweise noch einmal wörtlich einräumte. Viel wichtiger war das, was sie am Ende noch anfügte. Meine Empathie ließ hier und da zu wünschen übrig, aber an Charisma fehlte es mir nicht und das spielte mir auch Riccarda gegenüber inzwischen in die Karten. Deshalb hoben sich meine Mundwinkel auch wieder an noch bevor der Engel die Lippen erneut mit meinen verschloss, mich mit ihrer zierlichen Hand zu sich runter holte. Ich grinste ein kleines bisschen in den Kuss hinein, aber das verlief sich schon bald wieder in der Lippenbewegung. Wohl auch deswegen, weil sich ihre nackte Haut inzwischen an meine legte und ihre Worte deshalb schnell vergessen waren. Ich ihre schmalen Finger in meinem Nacken spürte, während sich ihre Brust an meine schmiegte. Einen Moment lang lag meine Hand noch reglos an ihrer Taille, dann aber schob sie sich langsam an ihren nackten Rücken. Bewusst in einer nach wie vor eher leichten, streichelnden Berührung. Während ich den Kuss nicht weniger gefühlvoll erwiderte als schon den vorherigen, schoben sich meine Finger ein wenig an ihrem Rücken nach oben und strichen schließlich an ihrer Wirbelsäule wieder hinab. Danach legte sich mein Arm aber doch etwas enger um ihren schlanken Körper, weil ich ganz einfach das Bedürfnis dazu hatte sie nahe bei mir zu halten. Der Daumen meiner rechten Hand strich indessen ihren Kiefer entlang und ich teilte ihre Lippen nach einer Weile vorsichtig mit meiner Zunge. Hielt den zärtlichen, einfühlsamen Zungenkuss an sich aber eher kurz und switchte bald wieder zu normalen Küssen. Letzten Endes machte das aber kaum einen Unterschied, als ich nach ein paar Minuten doch widerwillig meine Lippen von Riccardas löste und innehielt. Mein Puls hatte damit angefangen sich zu beschleunigen und ich war eben nur wesentlich ruhiger als früher, nicht aber immun gegen so viel nackte Haut. Bei den langsam abdriftenden Gedankengängen war es nur noch eine Frage von nicht allzu langer Zeit, bis sich das Blut meines Körpers in niederer Region sammeln würde. Es war ziemlich sicher besser für uns beide, wenn der Engel nicht mit der sich anbahnenden Beule in meinen Shorts in Berührung kam. Da wäre kaltes Meerwasser jetzt doch etwas vorteilhafter gewesen. "Gib mir zwei, drei Minuten...", seufzte ich an ihre Lippen, wobei ein leiser, bedauernder Unterton rauszuhören war. Dann löste sich auch mein Arm langsam wieder von ihrem Rücken, als ich einen halben Schritt rückwärts ging. Die rechte Hand fiel indessen gänzlich von ihr ab, während die linke sich schwer damit tat ihre Taille vollends loszulassen und sie nur locker noch weiterhin festhielt. Riccarda loslassen wollte ich nämlich eigentlich gar nicht. Nur konnte ich das, was ich haben wollte, jetzt ziemlich wahrscheinlich nicht kriegen, also lieber ein kleines bisschen Sicherheitsabstand..? Im Grunde wusste ich selber nicht genau, was ich hier gerade tat, weil mir eine Situation wie diese einfach absolut fremd war. Ich hatte noch nie freiwillig Distanz zu einer beinahe nackten Frau gesucht, die mit ihrem Körper auch noch förmlich an meinem geklebt hatte... wobei freiwillig hier relativ war. Ich stand in dieser Angelegenheit eben leider nur an zweiter Stelle und würde mich deshalb bestmöglich weiterhin nach dem blonden Engel richten. Bevor ich dabei versehentlich noch eine Schwelle übertrat, hinter der ich die Kontrolle über meinen Kopf verlor, ging ich wohl besser auf Nummer Sicher.
+ .Don't wait for the dust to settle. Don't wait til you've had enough. +
Nichts Schlechtes an sich zu haben, lag bekanntlich im Auge des Betrachters, weshalb ich ein eher amüsiertes Lächeln zuließ. Selbstredend hatte es etwas Nettes an sich, wenn man vom Partner – egal ob freiwillig erwählt oder an die Seite getackert – nicht als kleines Stinktier bezeichnet wurde, aber sonderlich geschmeichelt fühlte ich mich dennoch nicht. Es war für mich eine signifikante Verbesserung zu seinen Anschuldigungen von früher, als er nicht einmal fünf Minuten im selben Raum verbringen konnte, ohne mich wissen zu lassen, dass er die Nase im wahrsten Sinne der Worte voll von mir hatte. Also sah ich es ebenfalls als etwas Gutes, verzog nur leicht die Miene, als er seine unfaire Überlegenheit deutlicher zur Sprache brachte. Ich fühlte mich deshalb nicht großartig eingeschüchtert und ich hatte auch keine dubiosen Machenschaften zu verbergen, dennoch spürte ich den Hauch von Beklommenheit, als ich näher darüber nachdachte, jederzeit für Isaac auffindbar zu sein. Im Falle einer Entführung würden sich all meine Hoffnungen auf sein Riechorgan klammern, aber beim Versteckspielen bekam er eindeutig einen Vorteil, den ich nicht auszugleichen wusste. „Ein übernatürliches Lokalisierungsradar also, na wundervoll“, seufzte ich ironiebehaftet und zuckte dann aber entschlossen mit den Schultern. Isaac musste ebenso damit leben, dass ich ihn bei jeder Berührung in ein zappelndes Grillhühnchen verwandeln konnte, wenn ich mich nicht ausreichend konzentrierte, sondern gedankenlos meine Emotionen überschwappen ließ. Diese Beziehungen mit übernatürlichen Kräften brachten gewisse Risiken mit sich, wie mir immer offensichtlicher vor Augen geführt wurde. An Spannung mangelte es uns gewiss niemals, egal in welchem Sinne der Interpretation, wobei ich diese Form der Aufregung gerade deutlich bevorzugte. Mein Herz hopste munter vor sich her, pendelte sich aber schon bald im normalen Ruhepuls wieder ein. Die Zeit der Zugeständnisse schien hiermit beendet zu sein. Isaacs schiefes Grinsen ließ sich kaum noch toppen, womit mein Ziel vorerst als erfüllt galt. Noch vor der Abreise oder gar dem Betreten des Fliegers hatte ich meine Hoffnungen darauf fokussiert, dass wir uns nicht im körperlichen, aber dafür im geistigen Bereich näherkamen. Ich mochte unsere gemeinsame Zeit, wenn die Wogen geglättet blieben und wir uns nicht wegen irgendwelcher irrationaler Kleinigkeiten aufregten. In den Tropen Urlaub zu machen schien mir ein sicheres Pflaster, um den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen… und hier standen wir, schneller als ich zugegebenermaßen erwartet hatte. Die Geschwindigkeit übermahnte mich beinahe, doch das hielten meine Nerven noch gut aus. Ich bekam sogar ein Gespür dafür, wie sich Isaacs Lippen auf meinen anfühlten. Normalerweise fasste mich der Mann nicht derart vorsichtig an, als bestünde ich aus rissigem Glas, das jede Sekunde zu zerspringen drohte, aber mir schien seine Sanftheit auch nicht dem zugrunde zu liegen, dass er Angst um meine körperliche Stabilität in sich trug. Ich tippte viel mehr auf das Validieren seiner eigenen Grenzen. Wie weit traute er sich zu gehen, ohne die Überhand an sich zu reißen und eine negative Wende herbeizuführen? Diese Gefahr, abzurutschen, lauerte spürbar am Rande meiner Wahrnehmung; Isaac musste es ebenfalls bemerken. Trotz alledem gewährte ich ihm, die Linie meiner Wirbelsäule nachzufahren, seine Hände über meinen Rücken gleiten zu lassen und selbst den umschlungenen Griff um die Taille nahm ich als angenehm wahr. Für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich regelrecht behütet in seinem Arm. Kurzfristig blitzte eine Ahnung in meinem Geist auf, aber ich schreckte nicht vor Isaacs weiteren Absichten zurück. Meinem Körper zufolge wollte ich diese Art des Kusses selbst, richtete mich aber auch teils nach dem jungen Mann selbst. Sein Temperament stand außer Konkurrenz in Dingen Explosivität und Unvorhersehbarkeit. Im Hinterkopf hielt ich den Gedanken der Vorsicht fest, dass ihn die Leidenschaft oder das Verlangen nach Sex überrollen könnte und ich die Anzeichen erkennen müsste. Ein wenig stresste mich diese Einstellung durchaus, was sich im Nachhinein als vollkommen unnötig erwies. Unsere Zungen tanzten einen neugierigen, zärtlichen Tanz, fernab jeglicher wilden Begierde. Meine Sorgen blieben unberechtigt, was ich erst richtig realisierte, nachdem sich Isaac wieder ein Stück weit zurückzog und mich normal küsste. Ich brauchte den Moment ohnehin, um mich neu zu sortieren. Alles schien gerade gleichzeitig zu passieren, viel zu schnell für mein Gehirn und doch passend. Manche Angelegenheiten musste man nicht in all seinen Einzelteilen verstehen, um es genießen zu können. An diesem Punkt befand ich mich derzeit. Leider dauerte der Moment zufriedener Kenntnisnahme nur wenige Sekunden an. Meine Lider blieben noch verschlossen, als ich den warmen Atemzug über meine Lippen streichen spürte. Mein Gesicht kitzelte leicht, weshalb ich nun doch den Blickkontakt suchte. Bedauern sprang mir entgegen. Ein Ausdruck, den ich bei Isaac bisher nur so selten wahrgenommen hatte, dass sich die Male auf einer einzelnen Hand abzählen ließen. Unweigerlich legte ich den Kopf ein paar Grade schief, als würde das meiner dezent eingeschränkten Denkleistung auf die Sprünge helfen. Sprangen gerade Isaacs Sicherungen an? Ich versuchte ihn mittels einer ausgiebigen Musterung von Kopf bis Wasseroberfläche zu analysieren, aber mir fehlten die nötigen Anhaltspunkte, weshalb ich doch auf die simple Frage zurückgreifen musste: „Alles in Ordnung?“ Mich plagte keine richtige Sorge, viel mehr die Neugierde – und ein klein wenig Enttäuschung, da mir der Augenblick bestehend aus dem angenehmen Zugehörigkeitsgefühl entrissen worden war. „Du siehst grad ehrlich gesagt ein bisschen gequält aus“, berichtete ich dem Dunkelhaarigen von dem Ergebnis meiner Analyse. Seine Hand lag nur mehr locker an meiner Taille und er war einen kleinen Schritt von mir zurückgetreten. Ich meinte, die Anzeichen nun doch erkennen zu können, als würde ich seine Zerrissenheit spüren können. Dumm, aber wahr: eine Welle der Zuneigung wogte durch mich hindurch. Er schien tatsächlich besorgt darum, zu weit zu gehen und unser neu gewonnenes Vertrauen nicht sabotieren zu wollen. Mir bedeutete das durchaus etwas! Die Aussprache hingegen hinkte da teilweise noch hinten nach, weshalb ich mir gerade unsicher war, ob ich meine Vermutung ansprechen oder überhaupt auf das Thema Sex herantreten sollte. Es konnte so oder so ausgehen. Meine Karten wirkten für mich sehr deutlich, dennoch lag meine Absicht nicht offen auf dem Tisch. Ob Isaac die Bestätigung brauchte, dass wir heute nicht miteinander schlafen würden… und morgen oder übermorgen wohl auch noch nicht?
So konnte man meinen hervorragenden Geruchssinn in Kombination mit der engen Bekanntschaft zu Riccarda sicher auch nennen. Glücklicherweise sagte der Engel das nicht wirklich negativ behaftet, was mich doch erleichterte. Wenn sie etwas dagegen gehabt, beziehungsweise es als hochgradig unangebracht angesehen hätte, hätte ich schließlich nichts dagegen tun können. Meine Nase mal eben einfach so abzuschalten funktionierte leider nicht, wir mussten also in jedem Fall beide damit leben. Ich ließ es jetzt einfach mal so stehen, gab es dazu doch kaum noch mehr zu sagen. War ja nicht so, als würde ich wirklich davon Gebrauch machen wollen in einem Moment, in dem der Engel mich nicht sehen wollte. Ich hatte irgendwo auf unserer gemeinsamen Reise - die noch lange nicht zu Ende war - gelernt ihre Grenzen zu akzeptieren. Zwar würde ich nicht Brief und Siegel darauf geben, dass ich sie in Ausnahmesituationen nicht doch auch mal übertreten würde, aber das bestätigte dann eben nur die Regel. Ich respektierte ihre Privatsphäre und hatte inzwischen auch ein Gespür dafür, wann ich mich auch als Ehemann besser aus jener heraushalten sollte. War ja nicht so, als wäre ich nicht lernfähig. Was meine eigene Grenze in Hinsicht auf den Schalter in meinem Kopf anging, hatte ich jedoch wirklich keine Ahnung. Früher war es für mich vollkommen irrelevant gewesen, wann sich der umlegte, also warum hätte ich darauf achten sollen? Das war überflüssig gewesen, wo sich mir die Frauen doch ohnehin so freiwillig entgegen gebracht hatten. Jetzt gab es aber leider eine Linie, die ich nicht zu übertreten gedachte. Die Frage des Engels danach, ob denn alles in Ordnung war, konnte ich ebenso gut mit einem Ja, wie mit einem Nein beantworten. Dass wir uns küssten war mehr als nur in Ordnung und ich genoss die Zuneigung nach einer so endlos langen Durststrecke wirklich sehr. Trotzdem war und blieb diese Angelegenheit gleichzeitig auch wahnsinnig kompliziert für mich und meinen nicht selten zu impulsiven Schädel. Ich hatte letzteren schon merklich besser unter Kontrolle als noch vor einigen Monaten, aber ich sollte mich besser nicht darauf verlassen, dass ich den Unterschied zwischen Richtig und Falsch weiterhin bewusst sehen konnte, wenn wir noch eine halbe Ewigkeit so innig zusammen im Wasser herumstanden. Gerade auch deswegen nicht, weil ich sexuell so unausgelastet war. Das allein war schon Alarmglocke genug, um besser auf Nummer Sicher zu gehen. Mich nicht zu sehr von all den körperlichen Bedürfnissen einnehmen zu lassen, die gerne bei der nächsten guten Gelegenheit gestillt werden wollten. "Doch, schon...", gab ich Riccarda schließlich eine sehr oberflächliche Antwort auf ihre Frage, die kaum Klarheit darüber bringen dürfte, warum ich mich nun von ihr distanziert hatte. Dass die zierliche Blondine fand ich sah gequält aus, traf den Nagel auch ziemlich auf den Kopf. Es war schön, dass ich nun endlich genug Vertrauen in ihr geweckt hatte, dass sie mir von sich aus wieder näher kommen wollte. Offenbar auch ebenso viel Gefallen an den Küssen fand, wie ich selbst. Aber es hatte eben einfach noch eine blöde Schattenseite. Schließlich zuckte ich schwach mit den Schultern, sah einen Moment lang aufs Wasser zwischen uns runter. "Nur... fährt mein Körper langsam hoch und ich weiß nicht, ob und wo genau die Grenze liegt.", erörterte ich meine Lage nun doch ein wenig. Erst einige Sekunden später hob ich den Blick langsam wieder an, ließ ihn an ihrem nackten Oberkörper nach oben bis zu ihren Augen wandern. "Ich glaube eigentlich gar nicht, dass ich dir wirklich noch weh tun kann.", dachte ich laut nach. "Mit Sicherheit ausschließen kann ich's aber nicht, also... werden wir uns leider erstmal noch mit ein paar Kusspausen arrangieren müssen. Ich will nichts riskieren.", hängte ich noch ein paar mehr Worte an. Ich glaubte ehrlich nicht, dass ich jemals wieder so die Kontrolle über mich verlieren würde, wie das in damaligen Streits oder der einen, verheerenden Nacht in Riccardas Bett passiert war. Dafür war mir die zierliche Blondine inzwischen viel zu sehr ans Herz gewachsen, bedeutete mir zu viel. Aber es wäre doch schon sehr riskant, sich einfach darauf zu verlassen, das Risiko zu ignorieren und es drauf ankommen zu lassen. Ich wollte sie nie wieder so enttäuschen wie damals, ihr nie wieder so weh tun. Ich fing unterbewusst bei all jenen Gedanken an ihr mit dem Daumen über die Haut an ihrer Taille zu streicheln. "Sag mir einfach, wenn du irgendwann so weit bist, okay?", bat ich sie ein paar schweigsame Sekunden später murmelnd darum, mir die irgendwann hoffentlich wieder auf Grün umschaltende Ampel offensichtlich mitzuteilen. Bis dahin würde ich mich nur stückweise weiter vortasten und in verhältnismäßig sicheren Gewässern bleiben. Zumindest, wenn sie bei den Küssen so gut wie nackt oder Alkohol im Spiel war. Ich war nicht wirklich betrunken, aber das Nervengift floss trotzdem durch meine Blutbahnen.
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Da die Antwort auf meine prinzipiell sehr simple Frage doch auf sich warten ließ, musste ich davon ausgehen, dass es für Isaac doch nicht so einfach zu sagen war. Ich beobachtete ihn geduldig abwartend, bis er zu einer Erkenntnis gelangt war. Mittlerweile kannte ich die Anzeichen, wenn er über etwas angestrengter nachdachte: unweigerlich zogen sich seine dunklen Brauen dann immer ein wenig zusammen und es bildete sich eine steile Falte zwischen diesen. Meine Interaktion mit dem impulsiven Mann beruhte sehr lange Zeit darauf, seine Mimik und Gestik verstehen zu lernen, weshalb es mir nun in Kombination mit der Aussprache leichter fiel, ihm in die Karten zu schauen. Ausnutzen wollte ich diesen Vorteil nicht, denn anders herum lag es wohl ähnlich. Dieses gewonnene Verständnis sollte nicht dazu genutzt werden, sich gegenseitig auszuspielen, weshalb ich schwieg und darauf hoffte, dass mir Isaac doch noch einen Einblick in sein Denken gab. Tat er dann auch… sehr unzureichend. Doch, schon. Na, wer ließ sich von dieser zögerlichen Wortwahl nicht sofort beeindrucken? Kurz huschte eine Augenbraue nach oben, ehe sich meine Gesichtszüge wieder glätteten und ich nickend nachgab. Es brachte nichts, weiter nachzubohren. Außerdem meinte ich die ganze Antwort ohnehin schon zu einem gewissen Anteil zu erahnen. Es lief momentan ziemlich gut zwischen uns, im Grunde am besten, wenn man einen Rückblick auf unsere gemeinsame Zeit warf, was er eventuell nicht aufs Spiel setzen wollte, um seinem eigenen Verlangen nachzukommen? Es blieben Überlegungen, doch ein Teil von mir blieb davon überzeugt, dass ich gar nicht so falsch mit meiner Annahme lag. Ein kurzes Lächeln offenbarte sich für Isaac. „Na dann“, beendete ich offiziell die aufgrund meiner Frage aufgekommenen Stimme – ohne Anflug von Bitterkeit in meiner Stimme, sondern sehr neutral und abgeklärt – und signalisierte auch dem jungen Mann dadurch, dass er nicht weiter nach passenden Worten suchen musste. Ich gab mich fürs Erste damit zufrieden. Schließlich überraschte Isaac mich doch, indem er nach und nach mit weiteren Worten rausrückte. Aufmerksam lauschte ich dem inzwischen so vertrauten Klang seiner Stimme. Da lag also das Problem. Verständnis spiegelte sich in meinen Augen wider, als ich den Dunkelhaarigen weiterhin anschaute, obwohl sein Blick an der Wasseroberfläche klebte. Es ging ihm um die nach wie vor herrschende Grenze zwischen uns; wozu ich bereit war und wofür er erneut eine kalte Abfuhr erteilt bekäme. Mir fiel gerade selbst keine passable Erwiderung ein, weshalb ich entschied, noch zu warten, denn Isaac wirkte ohnehin so, als müsse er noch mehr los werden. Ich stand dieser Öffnung mir gegenüber sicherlich nicht im Weg. Ich hielt nur still, selbst als er quälend langsam Zentimeter für Zentimeter über meinen Körper blickte bis er endlich über dem Schlüsselbein angekommen war. Diese Vertraulichkeit war für mich sehr ungewohnt und vor Isaac überhaupt neu. Am liebsten hätte ich mich gewunden, aber es wäre überwiegend falsch interpretierbar gewesen und so riss ich mich lieber zusammen, ließ ihn gewähren. Isaacs folgende Aussage machte mich kurz stutzig. Einerseits umspülte mich die Behauptung warm und wohltuend, andererseits hing sich mein Verstand an dem Können ziemlich auch. Können und wollen sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge. Wahrscheinlich durfte ich diesem minimalen Detail keine allzu große Aufmerksamkeit geben und doch haderte meine Vernunft in dem Augenblick ein wenig mit der Aussage, ehe meine – dank des Alkohols dominantere – Naivität ein Lächeln zustande brachte und die positive Seite in den Vordergrund rückte. Ich fokussierte mich auf die Nachsicht, die seine Aussage transportierte, auf die Rücksicht auf mich. Willkürlich verzogen sich meine Lippen zu einem leichten Schmunzeln: „Die Kusspausen werde ich verkraften und du musst dir auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob du mich unabsichtlich zu etwas zwingst, dass ich noch nicht will. Ich vertraue dir“, erklärte ich ihm ruhig, besonnen und kam wieder einen kleinen Schritt auf ihn zu, „und du vertraust mir im Gegenzug, dass ich dich frühzeitig ausbremse, sollte es mir zu schnell gehen, ohne dass am Ende eine Katastrophe daraus entsteht.“ Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, denn wir arbeiteten nun auf derselben Seite an einer Herausforderung. Trotzdem bedeutete mir seine Vorsicht viel. Auch jetzt während des Gesprächs entging mir die Wärme seiner Anwesenheit an meiner Taille nicht, ich hieß sie sogar willkommen. „Meine Grenzen wurden heute bereits gedehnt“, gestand ich Isaac leise, „aber ich habe bemerkt, dass diese Ausschreitung längst wieder im Rahmen war, ohne zu wissen, dass sich dieser im Laufe der letzten Wochen anscheinend ausgeweitet hat.“ Der Alkohol spielte sicherlich eine ausschlaggebende Rolle dabei, dass ich derart freizügig unterwegs war, aber meine Absichten wurden höchstens bestärkt und nicht erst durch meinen Zustand ins Leben gerufen. „Ich werde es dich also bestmöglich wissen lassen, wenn ich… es hinter mir gelassen habe, gut?“, bot ich ihm an. Mehr konnte ich Isaac momentan nicht versprechen, da ich wohl mit der Erkenntnis über die Entscheidung meines Unterbewusstseins oder Körpers etwas hinten nach war und immer wieder einen kleinen Schups brauchte, um die Feststellung zu tätigen, dass ich längst weiter war, als ich eigentlich angenommen hatte. Ich hoffte, Isaac verstand meine Erklärung halbwegs, konnte mich nachvollziehen. Aufgrund der Ernsthaftigkeit der Situation schenkte ich ihm ein aufbauendes Lächeln. Er durfte nicht an seinem eigenen Willen zweifeln, immerhin vertraute ich mittlerweile auf seinen kühlen Kopf und würde diesen auch nicht absichtlich provokant auf die Probe stellen. Was ich im Einfluss von mehr Cocktails so tat, das blieb einmal außen vor. Dafür musste ich mir erst einen Notfallplan überlegen.
Für jedes normale Paar müsste dieses Gespräch doch schon ziemlich merkwürdig klingen. Wobei mir selbst das Maß von normal vermutlich ohnehin in wirklich jeglicher Hinsicht fremd war. Es beruhigte mich jedoch tatsächlich ein wenig, dass Riccarda sich was das anbelangte fast weniger Sorgen zu machen schien, als ich selbst. Vielleicht kam mir das aber auch nur so vor. Oder es war der Alkohol, der sie die gesamte Lage einfach etwas entspannter sehen ließ. So oder so war es aber gut zu hören, dass der Engel noch einmal betonte mir zu vertrauen und dass ich mir ein bisschen weniger Gedanken machen sollte, was die Sache zwischen uns anging. Sowas aus ihrem Mund zu hören war zugegebenermaßen noch ein wenig komisch, aber sie unterstrich ihre Worte sogar damit mir wieder ein klein wenig näher zu kommen, was mich gar nicht erst an ihrer Aussage zweifeln ließ. Daran, was passieren würde, falls der Engel mich tatsächlich an irgendeinem Punkt ausbremsen und mir einen Riegel vorschieben musste, wollte ich aber doch lieber nicht denken. Es war nun nicht so, als hätte ich förmlich Angst vor ihren zierlichen Glühfingern, aber ich konnte eben doch sehr gut auf den Schmerz und die Verbrennung verzichten. Würde meine Einstellung eher als einen gesunden Respekt vor ihrer übernatürlichen Fähigkeit betiteln, weil ich mich nach wie vor extrem gut daran erinnerte, wie hässlich meine betroffene Gesichtshälfte ausgesehen hatte und wie unsagbar unangenehm das Ganze gewesen war. Ich war sehr gut darin Schmerzen wegzustecken, aber das brennende Licht ihrer Fingerspitzen war nicht wirklich mit dem Biss oder der Kratzspur eines anderen Wolfes - oder Gizzlys - vergleichbar. Zumal die Brandwunden des Engels auch länger zum Heilen gebraucht hatten als jede andere Form von Verletzung, die ich zuvor gehabt hatte. Ich hoffte also doch ein Stück weit darauf, dass es zu einer solchen Situation nicht kam - auch, wenn Riccarda mir vielleicht nur aus Reflex oder Angst heraus damit weh tun würde, statt ihre Kräfte gezielt einzusetzen. Meine Mundwinkel hatten sich nach ihren Worten zu einem schwachen, aber aufrichtigen Lächeln nach oben gebogen. "Klingt nach einem guten Plan.", gab ich der zierlichen Blondine zu verstehen, dass wir uns damit einig waren. Danach dauerte es auch gar nicht lang, bis sie erneut zu ein paar Worten griff und mir sagte, dass sich ihr eigener Wohlfühlradius langsam ausdehnte, ohne, dass sie bewusst darüber nachdachte. Das hieß zwar, dass sie sich nicht immer ganz im Klaren darüber war, was sie eigentlich wollte und was nicht, aber im Gegenzug bedeutete das ebenso, dass es vielleicht gar nicht so verkehrt war, sie hier und da ins kalte Wasser schubsen zu wollen. Natürlich in angebrachtem Ausmaß - mit der Fast-Nacktbaden-Aktion hatte ich mich doch etwas waghalsig aus dem Fenster gelehnt -, aber wenn sie selbst ohnehin auch nicht wusste, wo ihre persönliche Grenze lag, dann musste sie das wohl einfach in der Praxis rausfinden. Zwar machte das die Mittelung an mich, wann sie denn bereit für einen finalen Schritt war, ein bisschen schwierig, aber sie würde das schon merken. Und wenn sie's nicht tat, dann ich vielleicht. Auf letzteres sollten wir uns zwar lieber nicht verlassen, aber normalerweise war es für mich doch ziemlich eindeutig zu erkennen, wann Frau für den Akt bereit war. Wäre hingegen leider nichts Neues, wenn Riccarda auch dabei wieder eine Ausnahme bilden wollte. "Ja, ist gut.", willigte ich etwas überflüssig mit einem leichten Nicken ein und streckte dabei nun auch meine rechte Hand wieder nach ihr aus. Legte sie an ihre Hüfte, um auch meinerseits nochmal ein klein wenig auf sie zuzugehen. Einen Moment lang sah ich ihr einfach nur mit anhaltendem Lächeln in die Augen, dann aber hob ich meine linke Hand vorsichtig an ihr Kinn und stahl mir den nächsten zärtlichen Kuss. Ließ mich auch dieses Mal nicht hetzen, kostete den Moment der Zuneigung voll aus. Allerdings etwas flüchtiger als zuvor, löste ich mich doch relativ bald wieder von ihren sinnlich weichen Lippen, hielt danach die Augen noch ein paar Sekunden geschlossen. Erst, als ich dem blonden Engel wieder in die Augen sah, fand ich meine Stimme noch einmal wieder. "Wenn das so weiter geht machst du mich noch zum Softie.", seufzte ich leise, während ich ihr mit dem Daumen sanft am Kiefer entlang strich, aber es schwang ein amüsierter Unterton mit. Ich war immer gern der Regelbrecher, Draufgänger und Frauenheld gewesen. Ich glaubte nicht daran, dass Riccarda sämtliche meiner sehr dominanten Züge eindämmen oder gar auslöschen würde, aber mindestens in Hinsicht auf den Umgang mit dem Engel selbst war ich eben doch schon eine ganze Weile lang wesentlich... weicher unterwegs. Ob das noch extremer werden würde? Hing wohl ganz davon ab wie sich unsere Beziehung noch weiter entwickelte.
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