„Danke.“ Ein Wort, dass ich bisher noch nicht oft zu Isaac hatte sagen können, geschweige denn, wirklich so gemeint hatte, aber es war durchaus eine ziemliche Erleichterung, das schwere Gepäck abgenommen zu bekommen, sodass ich mich lediglich mit dem Tragen einer recht leichten Tasche begnügen durfte, die dann auch im Fußraum auf der Beifahrerseite des flotten Schlittens verschwand, wo ich mich in den gemütlichen Ledersitz sinken ließ. Eindeutig nicht zu unterschätzen, mit was für Luxus man in einer wohlhabenden Familie gesegnet war und doch lag es eindeutig an einem anderen Faktor, dass ich mich derart entspannen und wohlig seufzen konnte. Abgesehen davon, dass ich nach wie vor ein wenig Müdigkeit in mir trug, hatte das Lächeln meines Mannes einen äußerst beruhigenden Effekt auf mein nervöses Inneres gehabt, was mich einerseits ziemlich erstaunte, andererseits aber positiver stimmte und mir ein wenig die Angst vor dem Unklaren nahm. Was war inzwischen zuhause passiert? Hatten meine Eltern irgendwelche Rachepläne entwickelt? Wie sah es mit meinem Zuhause aus, jenem Platz, an dem ich aufgewachsen war und viele schöne Erinnerungen verknüpfte? Ein mulmiges Gefühl hatte sich in meinem Unterleib eingenistete und doch hielt ich die Autofahrt über an meiner Fassung fest, grinste sogar einmal schief, als mir Isaac tatsächlich zustimmte. Wo war der rote Stift für einen Eintrag im Kalender? Diesen denkwürdigen Moment durfte man nicht vergessen, immerhin schienen wir derselben Meinung bezüglich gemeinsamer Urlaubspläne in der Zukunft zu sein; zugegebenermaßen einer sehr fernen Zeit, aber dennoch! In Gedanken schwelgend und mit der einen oder anderen kurzen Konversation vergingen die Stunden recht schnell, die wir brauchten, um die Idylle hinter uns zu lassen und in die Großstadt einzutauchen, in der das Leben anscheinend unbeeindruckt weitergezogen war. Dieses Phänomen der Schaulust und Sensationsgeilheit war wirklich ein ganz eigenes Thema: zuerst rissen sich die Leute um Neuigkeiten und keine sieben Tage drauf war es schon wieder vom Tisch, sollte man nicht direkt davon tangiert werden. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln, sparte mir aber ein paar herabfällige Worte und fokussierte mich eher daran, meinen Standpunkt zu festigen und mich kein zweites Mal in die Natur abschieben zu lassen. Hier konnte ich schließlich am besten helfen… und Isaac sicherlich auch, wenn man ihn ließe. Das Auto geparkt und nach den Eltern Ausschau gehalten, aber vorerst konnte ich nur meine Mutter ausmachen, die mit einem großgewachsenen Mann gemeinsam auf der Treppe zum ehemaligen Schlösschen stand, an dem riesige Gerüste aufgezogen worden waren und überall Menschen fleißig am Werken waren. Ihr Blick blieb undefinierbar – eine Mischung aus Freude, Schrecken, Überraschung und Empörung, wahrscheinlich noch einiges mehr, aber darüber sah ich gekonnt hinweg und machte mich schlichtweg auf den Weg, um ein Update der Lage zu verlangen. Isaac brav im Schlepptau, doch der rutschte von einer Sekunde in die andere komplett in den Hintergrund, als sich auch der Fremde zu mir umdrehte. Naja… es handelte sich dabei definitiv um kein unbekanntes Gesicht, sondern viel mehr um einen Menschen, bei dem mir das Herz in die Hose rutschte. „Jago?“, purzelte es perplex über meine Lippen, als ich mich in der nächsten Sekunde auch schon in einer festen Umarmung befand, die mir sogar ein wenig den Boden unter den Füßen nahm, im wahrsten Sinne der Worte, hob mich der Kerl ein paar Zentimeter in die Höhe und ließ mich erst nach tausenden Herzschlägen wieder los, um mich mit einem besorgten Blick zu mustern. Noch ehe er eine einzelne Silbe aussprechen konnte, fuhr ich ihn etwas schroff an: „Was machst du denn hier?“ Klang kratzbürstiger, als ich es wollte, doch die Situation überforderte mich, noch dazu, wo mir siedend heiß einfiel, wer mir da wohl gerade Löcher in den Rücken starrte oder mit Blicken zu töten begann. Doch noch stand ich wie ein kleines bedröppeltes Mädchen auf den Stufen zu einer abgebrannten Ruine und starrte meinen Exfreund an, der ein strahlendes Lächeln zeigte und mit einer ausgreifenden Handbewegung auf das Gebäude verwies. „Ich bin der Architekt deines neuen Zuhauses und leite das Ganze mehr oder weniger gemeinsam mit deinen Eltern und dem Baumeister. Freut mich aber auch dich zu sehen, kleiner Stern“, fügte er mit seinem charmanten Blick fest, wohlwissend, was er mit der Erwähnung meines damaligen Kosenamens wahrscheinlich auslösen würde. Und ja: mir wurde definitiv anders, nur wusste ich es nicht in Worte zu fassen, sodass ich weiterhin wie angewurzelt stehen blieb. Sollte ich nun nicht eigentlich meinen Mann vorstellen, Isaac irgendwie als rettenden Anker verwenden?!
Ich war mir meiner Rolle hier im Schloss durchaus bewusst. Viel zu sagen hatte ich bis dato nicht, aber ich war immerhin weitgehend akzeptiert. Das war aber auch Etwas, das sie mir schlicht und ergreifend schuldig waren, nachdem ich mich in einem Kampf bewusst gegen mein eigen Fleisch und Blut gestellt hatte. Ich ihre Tochter inzwischen wohl mit Allem beschützte, was ich hatte. Mir selbst war klar, dass es dazu lange nicht so viel Überwindung kostete, wie es das früher getan hatte. Ich stand freiwillig hinter ihr - oder eher vor ihr, sollte es zum Ernstfall kommen. Riccarda konnte sich zwar auch gut selbst beschützen, wie sie mir schon das eine oder andere Mal sehr deutlich gemacht hatte... zumindest gegen Werwölfe, für die ihre Glühfingerchen hochgradig schmerzhaft waren, woran sich mein Gesicht noch sehr gut erinnern konnte. Dennoch wäre ich irgendwo gern ihr wölfisches Schutzschild, das mit Vorliebe seine Zähne fletschen würde. Eben gerade wegen dieser Bindung - was auch immer das für eine sein mochte - machte es mich nicht gerade glücklich, als meine Frau so überaus herzlich, innig von diesem mir unbekannten, schleimigen Typen begrüßt wurde. Jago? Bescheuerter Name. Wäre ich noch so unkontrolliert wie vor einigen Monaten hätte ich gerade nicht dafür garantieren können, kein Blutbad anzurichten. Zwangsehe hin oder her - kein Kerl hatte sie so zu umarmen, mal abgesehen von ihrem Vater vielleicht. Mein innerer Wolf klopfte auch ziemlich penetrant an meine Schläfen, an denen die Venen leicht hervortraten. Später, wenn ich Zeit dafür hatte, würde ich mir auch sicherlich noch den Kopf darüber zerbrechen, warum mich das so exzessiv reizte, wie nahe er ihr kam, aber für den Moment stellte ich das hinten an. Mit mahlendem Kiefer schluckte ich soweit es ging meinen Stolz hinunter und obwohl man meine Anspannung wohl deutlich nach außen hin sehen konnte, besonn ich mich halbwegs zur Ruhe und reichte dem Ekelpaket meine Hand, nachdem ich mich hörbar geräuspert hatte. "Isaac Garcia, Riccardas Ehemann." stellte ich mich inklusive kleinem Zusatz vor, weil ich ganz einfach betonen musste, dass er die Pfoten bei sich behalten sollte. Allerdings sagte mir mein wölfischer Instinkt, dass ihn das vermutlich weniger kümmerte, als es gut für ihn war. "Ihr kennt euch woher?" hakte ich nach und ließ dabei meinen versucht ruhigen Blick zwischen den beiden hin und her wandern, war gespannt darauf, wer von ihnen nun das Wort zuerst ergreifen würde. Wenigstens hatte ich durch die Begrüßungsgeste wieder ein klein wenig Abstand zwischen sie bringen können, auch wenn es für meinen Geschmack nach wie vor viel zu wenig war. Und obwohl ich nachfragte hatte ich schon eine unschöne Vorahnung - die Frage war nur ob die beiden lügen oder die Wahrheit sagen würden. Wie allseits bekannt war ich sehr gut darin, Lügen zu erkennen und sollte mir gleich eine solche zu Ohren kommen... sagen wir, es würde mein zukünftiges Handeln deutlich beeinflussen und das eindeutig auf negative Art und Weise.
Ob es einer aufkeimenden Eifersucht oder dem wölfischen Beschützerinstinkt zu verschulden war, dass Isaac sich genau im richtigen Moment dazu drängte und in den Mittelpunkt schob, ich war ihm dankbar, egal welche Option zutraf. Im Schatten meines Mannes konnte ich zumindest eine Sekunde durchatmen und meine aufgewühlten Gedanken sortieren, sofern dies in dem kurzen Zeitraum auch wirklich möglich war, aber ein Herz pochte weiterhin übertrieben intensiv, als müsse es noch einmal verdeutlichen, wie bescheiden die Situation gerade wurde. Obwohl mir die Worte im Hals stecken geblieben waren, fand ich es schon beinahe lächerlich, wie der Dunkelhaarige an meiner Seite betonte, mit mir verheiratet zu sein. Noch vor ein paar Monaten war er alles andere als scharf darauf, mich als seine Frau zu bezeichnen und nun schwang da beinahe ein drohender Unterton in der herben Männerstimme mit. Ein primitiver Teil in mir sprang augenblicklich auf das territoriale Gehabe an, aber die Vernunft blieb zum Glück übermächtig, immerhin musste hier irgendwer möglichst diplomatisch verhandeln. Falls dies denn überhaupt möglich war – ich kannte sowohl Isaac, als auch Jago lang genug, um deren impulsive Eigenheiten als kritisch einstufen zu können. Die Begrüßung fiel sogar recht gesittet aus, meine Mutter nickte ganz zufrieden und wurde dann von einem der Bauunternehmer aber mittels Formalitäten von der unangenehmen Szene entführt. Dürfte ich womöglich mitgehen? Nein? Schade aber auch. „Jacob van Lloyd, freut mich“, spielte mein damaliger Freund das kleine Spielchen mit und gab sich der vornehmen Etikette hin. Er nannte sogar seinen vollen Namen, was schon irgendwo auch etwas zu bedeuten hatte; im unglücklichsten Fall nichts Gutes. Innerlich stöhnte ich bereits auf, als mir das stumme Blickduell zwischen den beiden Herren der Schöpfungen auffiel, ehe sich Isaac doch mit einer Frage and Jago und mich wandte, die mir prompt Bauchschmerzen bereitete. Im ersten Moment dachte ich wirklich darüber nach, die Beziehung zu dem Kerl zu vertuschen, aber ob Besagter dabei mitmachen würde blieb zu bezweifeln, daher erklang vorerst nur ein schwaches Seufzen von mir, aber bevor mir die Offenbarung geklaut wurde, setzte ich doch zu einer Antwort an. Unwillig, aber doch. „Wir waren mal ein Paar“, nuschelte ich irgendwie hervor, um es ja schnell hinter mich zu bringen. Vielleicht war es damit auch schon erledigt? Wieder nein? Wundervoll! Jago hatte nämlich noch ein kleines Extra hinzuzufügen: „Zumindest bis ihr Vater dann entschieden hat, meine Freundin zu verheiraten.“ Oje. Allein für die Wortwahl hätte ich meinen Ex umbringen können, was ich nun auch mittels bösen Blicken versuchte zu tun, aber ich fürchtete eher Isaacs Reaktion auf die Anschuldigung, denn er konnte ebenfalls herzlichst wenig dafür, nun mit mir zusammen sein zu müssen. Dass die Beziehung nicht öffentlich war, dafür hatten wir damals akribisch gesorgt, schließlich konnte ich gut verzichten, permanent Schlagzeilen in den Tratsch-Blättern der lokalen Zeitungen zu werden.
Der arme Kerl, ich konnte ja fast Mitleid mit ihm haben - in einem Paralleluniversum zumindest. Ich behielt das verächtliche Schnauben, das sich meine Kehle hinaufringen wollte, ausnahmsweise für mich und hielt mich weiterhin im Zaum, obwohl der Typ mit seiner Art da wirklich in zweihundert Metern Höhe über ein ziemlich dünnes Drahtseil marschierte. Statt also mit meiner in solchen Situationen für gewöhnlich verachtenden Art zu reagieren, fing ich an zu grinsen und lachte ein wenig in mich hinein, senkte dabei den Kopf etwas. Meine Hände hatte ich derweil in meine Hosentaschen geschoben, besonn mich dazu eine lockerer wirkende Körperhaltung einzunehmen. Jacob, Jago oder wie auch immer er heißen mochte, konnte wohl wirklich von Glück reden, dass ich in Riccardas Gegenwart toleranter war als für gewöhnlich. Hätte er mir das irgendwo abseits des Engelsgrundstücks so dreist ins Gesicht gesagt... nun, er wäre mir eine sehr willkommene Beute gewesen. Es war ohnehin schon viel zu lange her, dass ich mich zuletzt an einem Menschen vergangen hatte. Der Kick fehlte mir ein wenig und mit seiner arroganten Art wäre er mir im Normalfall ein wirklich angenehmes Mittagessen gewesen. Sowas wäre mir auf dem Grundstück meiner eigenen Familie niemals passiert. Ich hätte ihn einfach in Stücke gerissen, jegliche Überreste von ihm gefressen und die Putzfrauen hätten mit Bleichmittel die Blutspuren entfernt. War wirklich ein dicker Minuspunkt an meinem Leben im Engelshaus, aber ich hatte mich dafür entschieden und so musste ich jetzt gerade wohl oder übel damit leben. "Ja, das war wohl eine seiner besten Entscheidungen." erwiderte ich nach wie vor mit einem Grinsen auf den Lippen, den Blick wieder angehoben und funkelnd auf ihn fixiert, wobei meine Stimme die Ruhe selbst zu sein schien, obwohl in mir gerade alles danach schrie, ihm mindestens das Gesicht zu ruinieren. Seines würde im Gegensatz zu meinem nämlich nicht makellos verheilen. Das hätte er dann davon, sich in Kreisen zu bewegen, für die er nicht gemacht war. Er war ein Mensch, hatte hier Nichts außer Arbeit zu suchen und mir schlichtweg Nichts entgegen zu setzen. Das Einzige, was er hatte, was ich nicht hatte, war wohl die enge Vergangenheit mit Riccarda. Ich meine, wir teilten nun auch schon einige Monate unser Leben miteinander, aber das konnte man wohl kaum mit deren vorheriger Beziehung vergleichen. "Und wenn ich mich recht entsinne, bist du eigentlich zum Arbeiten hier und nicht, um jemandem seine wertvolle Zeit zu stehlen. Also wie wärs, hm?" waren meine vorerst letzten Worte an ihn, weil ich wusste, dass ich seinem selbstgefälligen Auftreten nicht lange standhalten würde. Es mochte ja sein, dass ich mich inzwischen fast sowas wie unter Kontrolle hatte - das hieß aber nicht, das ich für Irgendetwas garantieren würde. Seine Chancen stünden wohl besser, wenn ich "gesättigter" wäre. Das war aber auch nicht nur auf die Menschenjagd bezogen, sondern leider Gottes auch auf mein verkümmertes Sexleben. Letzteres hatte ich mir selbst zuzuschreiben, das wusste ich, aber das änderte Nichts an den aktuellen Umständen, die wirklich... ungünstig waren, gelinde gesagt.
+ .Sie benehmen sich wie Hunde, die bellen und nicht beißen und für solche Kläffer hab' ich keine Zeit. +
Hahnenkampf oder wie bezeichnete man dieses vom Testosteron gesteuerte Verhalten zweier Vollidioten denn? Ich wusste es beim besten Willen nicht, hielt mich aber auch nicht mit der Suche nach des Rätsels Lösung auf, sondern trat von einem Bein aufs andere. Isaac machte mich zugegebenermaßen ein wenig nervös. Ich hatte mit gereizter Explosivität gerechnet, aber er verhielt sich sogar regelrecht vorbildhaft. Wer war der Kerl zum Teufel? Ich sollte es eventuell nicht hinterfragen, sondern mich viel mehr darüber freuen, aber die Zweifel blieben beständig und so hob ich eher fragend eine Augenbraue. Fingen die beiden Typen nun mit Balzgehabe an oder wie durfte ich die Spannung in der Luft – wahrscheinlich schwirrten die Pheromone wie blöd durch die Gegend - interpretieren? Am liebsten hätte ich Isaac bei seiner Meldung den Ellbogen in die Seite gerammt, aber das wäre dann doch too much, offensichtlicher könnte ich gar nicht agieren, weshalb ich einen anderen Weg einschlug: „Ich kann mich noch zu gut an deine ungezügelte Freude über eine Eheschließung erinnern.“ Damit wollte ich meinem Mann gewiss nicht in den Rücken fallen, aber er brauchte sich hier nun nicht in ein falsches Licht rücken, denn ich wusste es besser. Viel besser. Unsere internen Auseinandersetzungen musste niemand im vollen Ausmaß erfahren, aber dass wir beide nicht begeistert waren… das stand nicht einmal zur Debatte, es war schlichtweg eine Tatsache. Daher musste Isaac nun nicht wie ein Pfau das Rad schlagen und so tun, als wäre ihm die Hochzeit damals ganz gelegen gekommen. Ich meinte mich zu erinnern, hasserfüllte Blicke zur Genüge von ihm geerntet zu haben – ganz auf Gegenseitigkeit beruhend. Die Abfuhr kam schlussendlich doch sehr harsch rüber, aber es war wirklich intelligenter, Jago ziehen zu lassen. „Vielleicht ist es echt besser, wenn wir weiterschauen und Jago seine Arbeit machen lassen“, versuchte ich alles auf einer neutralen Basis zu halten. Ob mir der Versuch gelang, würde ich in naher Zukunft noch herausfinden, aber gerade wünschte ich mir nur, ein bisschen Luft zum Atmen zu kriegen. Das hier war ja echt nicht geil. „Hat mich jedenfalls gefreut, Sternchen, wir sollten uns eindeutig mal treffen und plaudern… zu zweit“, fügte Jago dann doch noch auf einen Seitenblick auf Isaac hinzu und konnte es sich aber nicht nehmen lassen, einen Arm um mich zu legen, mich ein wenig an sich zu ziehen und einen provokanten Kuss auf meine Wange zu pflanzen. Ach verdammt. „Ähm ja, mal schauen, man siehst sich“, erwiderte ich schnell, wand mich dann auch wieder aus seinem so vertraut anfühlenden Arm und trat einen Schritt zurück. Verdammt. Ich fühlte mich echt komisch zerrissen. Gar nicht gut. Schlussendlich nickte Jacob meinem Mann noch einmal knapp zu und ging dann seiner Wege, die beschäftigte Miene zur Perfektion gebracht und makellos. Womöglich sah ich ihm eine Sekunde zu lang nach, aber es kam mir vor, als würde ich regelrecht zusammensacken, als ich das nächste Mal durchatmete. „Wunderbar… und schau mich jetzt nicht so an“, warnte ich Isaac direkt im Vorfeld, ehe ich ihm einen nichtssagenden Blick zuwarf und mir durch die blonden Locken fuhr.
Ja, da hatte sie wohl Recht. Ich hätte an meinem Hochzeitstag wohl wirklich alles lieber gemacht, als den blonden Engel zu heiraten. Das war kein Geheimnis in unseren Familien, aber dennoch hätte sie sich einen wesentlich besseren Zeitpunkt aussuchen können, das von sich zu geben. Oder hätte es einfach gar nicht sagen müssen, das wäre der Idealfall gewesen. Inzwischen wusste ich leider ab zu gut, dass Riccarda sich zu keinem Zeitpunkt, und sei die Luft noch so scharf im Raum, den Mund verbieten ließ und sich davor nicht scheute. Egal, ob sie unterbewusst noch wahrnahm, dass ich ein Wolf und kein Engel war, sie ließ das gänzlich außen vor. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann konnte ich ihr vermutlich auch wirklich nicht mehr weh tun - aber wie gesagt, Garantie gab es von mir auf gar Nichts. "Was zum Teufel macht der hier?!" knurrte ich zu der Blondine runter, als ich mich zu ihr gedreht hatte und so mehr oder minder wieder vor ihr stand, wenn auch mit ein wenig Abstand. Auf Kuschelkurs war ich ganz bestimmt nicht. Die aufgesetzte Miene, die ich zuvor gewahrt hatte, brach damit auch gänzlich in sich zusammen und ich zog die Augenbrauen tiefer ins Gesicht, während die Mundwinkel komplett abgesackt waren. Das war wohl auch eher die Art von Wut, die Riccarda auch von mir kannte, schon sehr oft selbst miterlebt hatte. Die mahlenden Kiefermuskeln, der aggressive Blick und noch dazu eine zum Zerreißen angespannte Körperhaltung. Die Hände ballte ich zu Fäusten, auch wenn das nach außen hin nicht wirklich sichtbar war, wenn man nicht gezielt dort hin sah. "Was denken sich deine Eltern bei dieser Aktion? Sehe ich aus wie jemand, auf dessen Meinung man scheißen kann?!" wetterte ich weiter vor mich hin, wenn auch nach wie vor nicht besonders laut, sondern eher drohend leise, weil es weiß Gott nicht jeder hier hören musste. Es könnte ein Hauch von Verrat sein, den ich da spürte. Es war mehr als unfair, hier Riccardas Exfreund vor meiner Nase herumtanzen zu lassen. Gerade nach Allem, auf das ich verzichtete und was ich bisher für diese Familie getan hatte, obwohl mir von Geburt an eingetrichtert worden war, dass sie der reinste Abschaum waren. Ich war ein Wolf, mir kam es nicht auf viele Werte in meiner Gesellschaft an. Aber wenn ich eines nicht leiden konnte, dann war es der Bruch von Loyalität oder hinterrücks abgezogenem Mist in welcher Form auch immer. "Es gibt genug gute Architekten, die sich um dieses Projekt reißen würden, also warum dieser Vollidiot?" zischte ich zu ihr runter, ließ wohl alles an Ärger an ihr aus, was ich bis eben noch zurückgehalten hatte. Wenn Riccardas Eltern oder gar sie selbst erwartete, dass ich diese Made hier für längere Zeit dulden würde, dann hatten sie sich ganz gehörig ins eigene Fleisch geschnitten.
+ .Sie benehmen sich wie Hunde, die bellen und nicht beißen und für solche Kläffer hab' ich keine Zeit. +
Wenn ich diese Frage beantworten könnte, dürfte man mich allwissendes Genie nennen, denn ich wusste es beim besten Willen nicht und sah Isaac auch dementsprechend an. Er brauchte mir hier nun nicht eine Standpredigt halten. „Falls du dich daran erinnerst: ich war gemeinsam mit dir in der Pampa und hab nicht per Rauchzeichnen mit meinen Eltern Kontakt gehalten“, fauchte ich ihn nun durchaus beleidigt an. Er brauchte sich nicht so haben. Ich war mindestens genauso überfordert, wenn nicht sogar noch schlimmer vor den Kopf gestoßen, schließlich hatte ich den Typen mit akribischer Sorgfalt gemieden. Ich hatte Jago aus meinem Leben gesperrt, um nicht am Ende im Selbstmitleid zu versinken. Nun war er aber wieder da, in meinem Umfeld… und ich hatte den Ärger. Es vermieste nicht nur Isaac die Laune, darauf durfte er wetten. Ich kannte die Mimik, die Gestik, die Körpersprache. Ich kannte meinen Mann diesbezüglich ausgezeichnet, lernte ich den Typen vorrangig mit dieser Einstellung kennen, aber dennoch war da nun etwas anders. Ich wollte mich genauso wenig streiten, wie mich hier unterbuttern lassen, sodass es am Ende der Versuch war, möglichst neutral zu bleiben, ohne dass Isaac sich das Recht herausnahm, mich hier nun zusammenzustauchen. Ich wollte meinen Ex hier genauso wenig. „Wahrscheinlich haben sie sich gar nichts dabei gedacht“, ärgerte ich mich selbst über die Entscheidung meiner Eltern, also da hatte ich gewiss noch ein dutzend Hühnchen mit ihnen zu rupfen. Auf wessen Mist war die Idee gewachsen? „Glaubst du denn, dass ich es so geil finde, wenn der Kerl nun vor meiner Nase herumrennt und ich dann nicht nur meine scheiß Laune hab, sondern deine beschissene Stimmung auch noch ausbaden darf?“, brachte ich ihm erbost entgegen. Die Arme hatte ich entschieden in die Hüfte gestützt und auch sonst baute ich mich auf, wobei ich dennoch bei aller Liebe nicht mal ansatzweise an die Größe meines Mannes herankam. „Warum regt es dich überhaupt so auf? Ich hab doch auch nichts dagegen gesagt, als du irgendwelchen Ischen, die du geknallt hast, noch immer beim Vorbeigehen auf den Arsch geschaut hast“, fuhr ich ihn nun an, wobei mir erst im Nachhinein ein Geistesblitz kam, der mich augenblicklich innehalten ließ, denn parat hätte ich noch so die eine oder andere Anmerkung. Sprach da vielleicht die Eifersucht aus Isaac? „Sag mal… du bist aber nicht auf ihn eifersüchtig?“, wollte ich mich bei meinem Gegenüber versichern, aber als nicht direkt ein überzeugendes Nein erklang, verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Isaac?“ Schon langsam verunsicherte mich das schon. Und sauer war ich auch noch auf alles und jeden! Keine gute Kombination.
Es konnte sie aber nicht ansatzweise so sehr ärgern wie mich. Immerhin setzte sie ihm nicht den Hauch eines Zeichens davon, dass sie nicht von ihm angefasst werden wollte. Oder dass er diese albernen Kosenamen sein lassen sollte. Sie ließ seine Avancen einfach so auf sich herabprasseln wie einen seichten Landregen, der einem nicht weiter unangenehm war. Ihre bisherige Körpersprache hatte lediglich Akzeptanz ausgesagt, nicht den Ansatz von Missfallen oder gar Ablehnung. Das war wahrscheinlich das Eigentliche Ding, das mich so störte. "So wie du dich verhalten hast, kannst du mir nicht erzählen, dass du was gegen sein... Getatsche hattest, Sternchen." grummelte ich weiter zynisch vor mich hin, wenn auch mit entsprechender Betonung, und sah sie dann für einen Moment lang nicht mehr an, stattdessen in Richtung des Hauseingangs. Meine Fingerknöchel mussten durch den Druck meiner Hände derweil Einiges aushalten, es war fast schon ein wenig schmerzhaft. Aber genau dieser Schmerz war es, der mich gerade daran hinderte, vollkommen kopflos zu werden. Ich wollte nicht behaupten, dass ich mich voll unter Kontrolle hatte, aber es half zumindest ein wenig. Riccardas folgende Unterstellung riss mich allerdings für ein paar Sekunden aus der engstirnigen Wut, die mir bis eben jeden klaren Gedanken verwehrt hatten. War ich wirklich eifersüchtig? Gute Frage, auf die ich im ersten Moment selbst keine gute Antwort wusste. Wenn es Eifersucht war, dann äußerte sie sich bei mir auf jeden Fall in blanker Wut. Da war nach außen hin also kaum ein Unterschied sichtbar, was meine Gestik und Mimik anging. Aber die aktuelle Situation ließ rein sachlich gesehen wohl wirklich darauf schließen, dass ich eifersüchtig war. Aber sowas zugeben? Bekanntlich war ich eher nicht gerade ein Verfechter von romantischen Worten oder Zugeständnissen von Gefühlen, was würde ich also jetzt antworten? Ich war für einige Sekunden wohl in eine Diskussion mit mir selbst verwickelt und gab erst dementsprechend spät eine Antwort. "Was würde es denn ändern, wenns so wäre?" sagte ich nur trocken und noch immer leicht knurrend, streifte ihren Blick nur für einen kurzen Moment mit meinen dunkelbraunen Augen, bevor ich kopfschüttelnd in Richtung des Wagens sah, den ich vor wenigen Minuten erst auf dem Kies geparkt hatte. Alles in mir sträubte sich dagegen, hier noch stehen zu bleiben, mich weiterhin Riccarda und dieser ins Nichts führenden Unterhaltung zu stellen. Aber wie sah es aus, wenn ich jetzt ging? Ich konnte nicht wie ein Kind immer davonlaufen oder jemanden umbringen, wenn mir Etwas unangenehm wurde oder gegen den Strich ging. Stattdessen lehnte ich mich an das Steingeländer hinter mir, den Blick weiter in die Ferne gerichtet und für den Moment noch ausharrend.
+ .Sie benehmen sich wie Hunde, die bellen und nicht beißen und für solche Kläffer hab' ich keine Zeit. +
Boah. Mehr viel mir spontan nicht auf das dumme Gehabe von Isaac ein, weshalb ich mir das Augenrollen nur verdammt knapp verkneifen konnte und viel mehr ein tiefes, langgezogenes Seufzen von mir gab. Ja, ich hatte mich komplett dumm benommen, was nicht fair gegenüber Isaac war, aber ich konnte doch auch nichts dafür, dass mein Inneres komplett verrücktspielte. Ehrlich gesagt wollte ich darauf nicht weiter eingehen, da ich ein bisschen Angst vor dem Endergebnis hatte. Demnach sprach ich das Chaos der Überraschung zu, nichts Besonderes also, weshalb ich meinem Mann weiterhin ebenso wütend entgegentreten konnte. Das klappte eigentlich recht gut. „Jetzt komm mir nicht auf die Tour. Er sagt das nur, um dir eins auszuwischen und du fällst auch noch voll auf sein dämliches Verhalten rein und regst dich darüber auf. Warum glaubst du denn, dass er so übertrieben gehandelt hat, hm? Wir haben damals einen Schlussstrich damit gezogen, nimm es so hin“, feuerte ich dem Dunkelhaarigen entgegen, nutzte dabei aber auch die Energie, um meine Zweifel oder eher Ängste zum Schweigen zu bringen. Es war aus. Genau. Fertig. Daran gab es ohnehin nichts mehr zu rütteln. „Wenn ich noch was von ihm wollen würde, hätte ich dann nicht längst die Zeit gehabt, mit ihm eine Affäre anzufangen, weil unser Start war jetzt nicht gerade liebevoll genug, um in mir den Anreiz zu erwecken, treu zu bleiben. Aber ich bins gewesen, also schalt gefälligst einen Gang zurück“, stauchte ich Isaac weiter zusammen, ließ nun auch meine Verzweiflung ein wenig aus mir sprechen Jago war mir egal. Indem ich meinem Gegenüber das klarmachte, versuchte ich auch mich davon zu überzeugen. Womöglich funktionierte es ja. Ich bekam, selbst in Gedanken versunken, die kurze Pause nicht mal so richtig mit, aber als ich das Schweigen realisierte, überriss ich auch, dass ich da eventuell einen wahren Kern getroffen hatte, was mir durchaus weiteren Wind in die Segel trieb. Nur wusste ich das gerade nicht auszuspielen, weshalb ich Geduld bewies und Isaac zu Wort kommen ließ. Seine Frage war berechtigt und brachte mich ein wenig in die Klemme. Keine Ahnung, man! Was bedeutete das für mich beziehungsweise was würde das ändern? Auf die Schnelle überhaupt nix, wobei… ein wenig würde ich mich geschmeichelt fühlen und so kam es nicht anders, als dass ich schwach lächelte. Nur kurz, kaum merklich, aber es war da. Schlussendlich musste ich aber doch was sagen, aber die Worte hielten sich stark zurück. Da war auf einmal die Luft draußen. „Vielleicht sagt es mir, dass unter deiner ach so coolen, unantastbaren Attitüde doch ein Teil steckt, der mich gern hat und der nicht will, dass ein anderer Kerl noch in meinem Leben ist“, konfrontierte ich Isaac dann aber doch und warf ihm einen forschenden Blick zu. Begannen wir hier nun ein tiefgründiges Gespräch oder in welche Richtung ging das? Wenn ja, dann war ich definitiv nicht bereit dazu.
Was erwartete sie denn von mir? Dass ich sein idiotisches Verhalten einfach so spurlos an mir vorbeigehen lassen konnte? Riccarda musste mich inzwischen sehr viel besser kennen und wissen, dass ich wohl wirklich jederlei Möglichkeiten wahrnahm, um mich über irgendwas aufzuregen, mich hineinzusteigern und sei es noch so grundlos. Das hatte sich bisher eben nicht geändert und ich wagte auch sehr stark zu bezweifeln, dass sich das zukünftig irgendwann bessern würde. Also ja, ich ging auf sein blödes Machogetue ein, weil ich es selbst in seiner Haut vermutlich auch nicht anders machen würde. Es war nicht selten vorgekommen, dass ich mit meinen One-Night-Stands eine Beziehung beendet oder stark ins Straucheln gebracht hatte. Das war eigentlich mein Ding. Nur irgendwie schien ich gerade zum ersten Mal auf der anderen Seite zu stehen, was jetzt nicht gerade Selbstsicherheit in mir hervor ruf. Wenn auch nach außen hin wenig oder gar nicht sichtbar, verunsicherte mich das ein wenig und ich hatte weiß Gott jetzt nicht vor, dem Engel mein Herz auszuschütten oder irgendwas in dieser Richtung. Bis es zu sowas kam, musste wohl eine ganze Menge passieren... gut, ja, wir hatten auch schon Viel durchgemacht, aber das war bei Weitem nicht genug, um einen Isaac Garcia zum rosa Herzchen kotzen zu bringen. "Was erwartest du denn von mir, Riccarda?" setzte ich an, seufzte tief, wobei das wohl von einer Mischung aus völliger Genervtheit und Anstrengung sprach. Vielleicht auch ein ganz kleines bisschen Verzweiflung, aber darüber schwiegen wir mal gekonnt. Hätte ich gewusst, dass meine wutentbrannten Anschuldigungen jetzt in so einer Art von Unterhaltung endeten, hätte ich vermutlich gleich auf dem Absatz Kehrt gemacht. Sowas war einfach nicht... mein Ding. "Es mag ja sein, dass ich mich im Durchschnitt unserer Beziehung überwiegend wie ein egoistisches, arrogantes Arschloch verhalten habe. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich keine.. Bindung zu dir aufgebaut habe. Wäre das so, dann würde ich mich wahrscheinlich noch immer so bescheuert wie am Anfang aufführen und das ist ja, falls es dir in irgendeiner Art und Weise aufgefallen ist, schon länger nicht mehr der Fall." redete ich leicht grummelnd vor mich her, den Blick aber nach wie vor nicht ihr zugewandt. Und ja, ich sah tatsächlich ein, dass ich mich zu Beginn unserer Ehe und in der Zeit davor, weiß Gott nicht wie ein Kerl benommen hatte, der schon in seinen Zwanzigern war. Eher wie ein 15jähriger mit starkem Aggressionspotenzial und einem Minderwertigkeitskomplex, der dafür gesorgt hatte, dass mein Ego regelmäßig gefüttert werden wollte. "Du bist die einzige Frau mit der ich überhaupt so viel Zeit zusammen verbracht habe, das geht nicht spurlos an einem vorbei... nicht mal an mir." fügte ich noch an, wenn auch etwas leiser. Ich wollte es mir wohl selbst nicht ganz eingestehen, dass es jetzt so war, wie es nun einmal war. Immerhin war ich noch immer ein Wolf und uns wurde nicht gerade ein Hang zur Melodramatik nachgesagt. Letztendlich sah ich die blonde junge Frau dann aber doch wieder an, wenn auch nicht mehr mit so einem stechenden Blick wie noch zuvor. Das Funkeln war nicht mehr so aggressiv, deutlich abgeklungen, wenn es sich auch noch immer nicht ganz vertreiben lassen wollte.
+ .Sie benehmen sich wie Hunde, die bellen und nicht beißen und für solche Kläffer hab' ich keine Zeit. +
Manchmal kam es mir vor, als würde ich gegen eine Wand reden, dabei wusste ich es doch eh besser. Wir hatten viel Zeit miteinander verbracht, da lernte man sich sehr schnell recht intensiv kennen und doch erhoffte ich mir hier und da doch zu weichen Teilen vorzustoßen, die die Aussage, dass Isaac ein dämliches Arschloch ist, widerlegten. Manchmal fürchtete ich wirklich, erfolglos zu bleiben, obwohl er durchaus schon bewiesen hatte, dass er auch anders konnte, sofern es für ihn auch von Interesse war. Meinen Ehemann hatte ich mir so gewiss nie vorgestellt, aber daran ließ sich eh nicht rütteln, daher musste ich mich eben damit abfinden, wie es gerade war. Jubilieren tat ich nach wie vor selten, vor allem dann nicht, wenn es dermaßen aufwühlend war, mit ihm ein Gespräch zu führen; bei einem Thema, das mich zutiefst verunsicherte. Was tun, wenn die alte Liebe wieder auf der Matte stand, mit der man sich eigentlich eine Zukunft aufzubauen angefangen hat? „Ich erwarte mittlerweile gar nichts mehr von dir“, giftete ich ihn dann aber doch an, weil ich mich in die Ecke gedrängt fühlte. Ich wusste nicht, was ich in dem Fall wollte und ob es mir nicht vielleicht auch ein wenig imponierte, wie besitzergreifend Isaac sich gezeigt hatte. Ein kleines bisschen funktionierte das ja, aber nicht, wenn er mich dann anging. Das fand ich weniger toll. Musste ich wohl nicht weiter breittreten und am liebsten würde ich ihn nun einfach so stehen lassen, wie er da lässig gegen das Geländer gelehnt hing. Allein für diese lockere Haltung würde ich ihm gerne eine reinhauen, aber ich musste mich im Zaum halten. Isaac schaffte es schließlich auch… größtenteils. „Es kann nicht nur sein… es ist so“, stellte ich direkt einmal klar, ignorierte dabei die Unhöflichkeit, dass ich ihm einfach so ins Wort gefallen bin, aber da gab es keine Eventualität, es war einfach so. Mit dem Rest hatte er jedoch recht. Er verhielt sich weitaus gesitteter, wofür ich ihm wirklich dankbar war, aber trotzdem wünschte ich mir manchmal einfach mehr von meiner Beziehung. Es war lächerlich, mit einem Kerl verheiratet zu sein, der meinte, dass er gewissermaßen eine Bindung zu mir aufgebaut hatte und ich ihm nicht gänzlich egal war. Der Traum eines jeden Mädchens. Auf jeden Fall. Zynische Gedanken tränkten mein Bewusstsein. Es erweichte mich dann doch ein wenig, als Isaac noch einen Satz hinzufügte, der mich auch wieder eine entspanntere Haltung einnehmen ließ. „Ich hab gerade eigentlich überhaupt keine Lust, mit dir zu streiten, okay? Es tut mir leid, dass Jago hier ist und ich werde mal mit meinen Eltern reden“, brach ich die Richtung dann doch entschieden ab, denn dazu war ich nicht gänzlich bereit. Isaac widerstrebte es, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte und daher ließ ich es vorerst lieber bleiben. Eventuell klappte so ein Thema irgendwann, aber an diesem Tag gewiss noch nicht. Wenigstens hob mein Mann den Blick wieder zu mir, auch wenn es mir gerade wenig half. „Ich kann halt nichts versprechen. Scheint so, als wäre ich nicht mehr ganz Daddys kleines Engelchen, das seinen Sturschädel immer durchsetzen kann“, bemerkte ich spitz und verzog die Miene. Vielleicht ließ es sich damit ein bisschen auflockern, obwohl meine Hoffnungen sehr niedrig eingestuft waren. Die Erwartungen waren kaum vorhanden. „Nehmen wir uns eigentlich ein Hotel? Ich schätze mal, du hast nicht sonderlich viel Bock auf meine Familie beziehungsweise bei der herumzulungern“, ging ich einfach mal nach Bauchgefühl aus und sah Isaac dabei abwartend an. Er durfte auch mitentscheiden… ein bisschen.
Es war vermutlich auch besser, wenn sie nicht wirklich was von mir erwartete. Wir waren noch weit davon entfernt, auf der selben Wellenlänge zu sein und ich persönlich... hatte ich noch Erwartungen an Riccarda? Keine Ahnung. Irgendwie scheinbar schon. Zumindest in Hinsicht auf unsere Ehe, Beziehung. Was auch immer. In meinem Sturschädel trafen wohl gerade unzählige Gedanken und verschiedenste Emotionen aufeinander, was mich nicht unbedingt gerade klar denken ließ. Dass in den Wänden des Gebäudes direkt neben mir eine gewisse Person weiterhin der Meinung war, mit dem Engel anbändeln zu müssen, machte es nun wirklich nicht besser. Immerhin schien Riccarda aber wohl auch der Meinung zu sein, dass er verschwinden sollte. Und, dass diese Unterhaltung gerade weder am richtigen Ort, noch zur richtigen Zeit stattfand. Also erst einmal Waffenstillstand - mir würde es wohl auch nichts bringen, außer mich noch mehr zu ärgern, wenn wir uns hier gegenseitig weiter anfauchten. Davon hatte wohl niemand was, ich selbst schon gar nicht und ich war mir nach wie vor selbst der liebste "Mensch". Daran würde wohl auch meine Ehefrau nie wirklich etwas ändern können, dafür wurde ich schon zu oft von meinen eigenen Reihen hintergangen und gedemütigt, mein Vater natürlich allen Anderen voran. "Ja, mach das.." lenkte ich nur leicht grummelnd ein und hielt dann weiter inne, die junge Frau aber nach wie vor ansehend. Dabei wusste ich nicht einmal, was genau ich in ihren Augen oder ihren Gesichtszügen eigentlich suchte. Auf jeden Fall fand ich auch darin Nichts, was mich hätte wieder runterfahren lassen. Dank dem netten Besuch, den wir hatten, würde ich wohl den Rest des Tages völlig unter Strom stehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Gespräch eben schlichtweg komisch und viel zu emotionsgeladen gewesen war. Die ganze Situation ließ in mir mehr Adrenalin frei, als gut für mich war und bis dato war ich mir auch ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich in einem Hotel irgendwie einen ruhigen Schlaf hinkriegen würde. Wenn, dann war es wohl eher noch der übrig gebliebene Teil meiner Rauchvergiftung, der meinen eigentlich absolut nicht fitten Körper zur Ruhe zwingen würde. "Klingt nach einer Alternative, mit der ich gut leben kann..." stimmte ich ihr auch ihrem letzten Vorschlag sowohl wörtlich, als auch mit einem Nicken zu. Wirklich nur, weil ich jetzt selbst langsam merkte, wie sehr ich sie eben in die Enge getrieben hatte, hängte ich noch ein paar Worte dran, die ich eigentlich gar nicht sagen wollte. Aber mein 'neues Ich' schien sich irgendwie dazu verpflichtet zu fühlen. "..du kannst aber auch hier bleiben, wenn du bei deiner Familie bleiben möchtest." überwand ich mich mit einem kaum sichtbaren Lächeln, Riccarda deutlich die freie Wahl zu lassen, obwohl ich wohl erst Recht keine Ruhe finden würde, wenn sie mit diesem Ekelpaket von Exfreund allein in dem Schloss wäre. Aber der Engel war bereits die letzten Tage von seiner so geliebten Familie getrennt gewesen und ich sollte mich mit meiner Arroganz nicht dazwischen stellen, wenn es Fehl am Platz war.
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Da hatte der feine Herr dann auch nichts zu entgegnen. Immerhin etwas, wo wir uns mal wieder einig waren. Davon gab es ja bekanntlich nicht so viele Dinge. Vielleicht sollte ich mich einfach mehr über die kleinen Dinge im Leben freuen… wenn das halt nur so einfach wäre. Ein wenig nervte es mich ja auch, dass Isaac nicht mehr sonderlich viel dazu zu sagen hatte, sondern nur zustimmte. Er schien nicht selbst Initiative ergreifen zu wollen, was mich im ersten Impuls doch aufregte, aber nach einem kurzen Moment des Nachdenkens erschien es mir doch sinnvoller. Am Ende machte der werte Herr Wolf es nur noch schlimmer. Da sollte ich lieber nichts dem Zufall überlassen, sodass ich es mir selbst auf die Agenda schrieb, mit meinen Eltern ein ausführliches Gespräch bezüglich Jago und seiner Anstellung zu führen. Morgen… übermorgen. Gerade fühlte ich mich nicht selbstsicher genug, um gefestigt vor meinen Vater zu treten, geschweige denn vor meine Mutter. Gott sei Dank! Hätte mir Isaac jetzt auch noch gesagt, dass ihm das Hotel nicht in den Kram passte, ich hätte ihn wahrscheinlich im wahrsten Sinne der Worte gegrillt. Irgendwann war auch meine Grenze erreicht und der Rahmen sollte keinesfalls gesprengt werden, wie der Schönling eh schon mal am eigenen Leib herausfinden musste. Es ging mir schwer auf den Zeiger, aber ich nahm die Umstände vorerst so hin und schluckte den Twist in meinem Inneren hinunter. Eines nach dem anderen. Zumindest redete ich mir das stur ein, vielleicht glaubte ich es dank Audiosuggestion noch wirklich. Man wollte ja mal nicht allzu pessimistisch eingestellt sein, nicht?! „Gut“, gab ich recht einsilbig von mir, anhand der Tonlage ließ sich schon eruieren, dass ich Wiederworte mit vernichtender Endgültigkeit bekämpft hätte, von Toleranz war momentan nicht unbedingt die Rede. Damit konnte ich mich selten rühmen. „Besser nicht, anderenfalls gibt’s heute noch gebratenes Hühnchen“, knirschte ich und schüttelte entschieden den Kopf. Bei Isaac musste ich mich nicht zusammenreißen UND ich würde keine Gefahr laufen, Jago noch mal über den Weg zu stolpern. Einmal reichte für heute eindeutig. „Komm, lass uns fahren… ich hab keinen Bock mehr“, murmelte ich und drehte dann schon halb um. Das runtergebrannte Schloss deprimierte mich irgendwie zusätzlich; deshalb hatten wir ja erst die Scherrerein und ich sah mich durch aus gewillt, die Schuld demnach auch wieder dem Rudel in die Schuhe zu schieben, aber dies passierte nur in meinem Kopf. Sicher vor Isaac verwahrt.
Also nein, sie wollte hier scheinbar gerade ebenso gerne weg, wie ich selbst auch. War mir wie bereits gedacht auch wesentlich lieber und innerlich ließ mich das wohl auch wieder ein wenig aufatmen. Sie gab mir damit einen Grund weniger, weiter vor mich hin zu wettern und Alles und Jedem die Schuld an meiner Lage zuzuschreiben. So stieß ich mich mit einem Nicken von dem kalten Geländer ab und ging kurz darauf neben Ricarda die steinige Treppe hinunter. Dabei atmete ich einmal etwas tiefer ein, hielt inne, und stieß die Luft wohl hörbar wieder aus. Es brachte zwar nicht viel, aber immerhin ein kleines bisschen trug es zu meiner Beruhigung bei. Ich nahm die Hände wieder aus den Hosentaschen und fuhr mir auf dem Weg zum Wagen mit der rechten Hand durch die dunklen Haare, schloss dabei kurz die Augen. "Ich hätte da einen Vorschlag, was die Hotelwahl anging." meinte ich dann, als wir beim Auto angekommen waren und kurz darauf stieg ich auch wieder auf der Fahrerseite ein. Also wenn es nach mir ging, dann hätten wir den Besuch hier im Schloss heute wirklich überspringen und direkt in ein Hotel fahren können... vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir einfach noch ein paar Tage in den Wäldern geblieben wären. Da ging mir niemand auf den Sack, sofern meine Ehefrau sich nicht dumm anstellte und mich reizte, da hatte ich einfach Ruhe und nur Natur um mich. Also eigentlich das, was ich mit Abstand am liebsten hatte - wenig Menschen und vor allem keine, die mir auf die Nerven gingen. Aber gut, im Hotel würden wir wohl auch unsere Ruhe haben, sofern kein Paparazzi auf dumme Gedanken kam oder ein Zimmermädchen bei meinem Anblick in Ohnmacht fiel. Nein, ich würde entspannen können. Hoffentlich. Was das Hotel anging, hatte eben eines im Sinn, in dem ich schon des Öfteren gewesen war. Nicht für One Night Stands oder was in der Richtung, sondern wenn ich für mich sein wollte. Es war kein billiges, was auch einfach dafür sprach, dass der Pöbel da gar nicht erst hinein kam. Fünf Sterne und das beste - nicht menschliche - Steak, das ich bisher hatte finden können. Ausgezeichneter Zimmerservice... und außerdem hatte die Suite im Penthouse eine Minibar mit reichlich gutem Alkohol und einen eigenen, kleinen Spa-Bereich. Mal von der herausragenden Aussicht ganz abgesehen. Als der Engel neben mir sich angeschnallt hatte, zögerte ich auch gar nicht mit dem Losfahren - Hauptsache weg hier.
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Nichts und niemand konnte uns bei dem Rückzug aufhalten. Entschlossen marschierte ich also schon mal Richtung Auto, davon überzeugt, dass Isaac mir schon folgen würde. Egal, ob ich dann womöglich einen Moment warten müsste, egal, ich wollte einfach von den verkohlten Ruinen meines Heims wegkommen, Abstand aufbauen. Das tat mir sicherlich auch nichts Gutes, wenn ich mir die Zerstörung genauer anschaute. So richtig hatte ich es noch nie begutachten können, aber ob ich das wirklich wollte? Vielleichte in anderes Mal, wenn mein Nervenkostüm etwas stabiler war und ich mich darauf verlassen konnte, nicht einen Wutausbruch ins Rollen zu bringen. Da zog ich sicher irgendwen mit hinein, in den Strudel aus destruktiven Emotionen. Nicht gut, daher verschob ich das und setzte mich schlussendlich auch auf den Beifahrersitz, gurtete mich an und wartete darauf, dass wir das Weite suchen konnten. „Das da wäre?“, verlangte ich nach weiteren Informationen, obwohl es mir irgendwo auch ziemlich egal war. Ich hegte keine allzu hohen Ansprüche, sofern das Personal diskret war und man nicht sofort an die Klatschzeitungen verpfiffen wurde. Es war eine der wenigen Anforderungen, genauso wie ich mein Bett gerne mit ein paar Polster zu viel ausgestattet hatte. Kleinigkeiten im Vergleich. „Eigentlich ist es mir eh egal, solange ich dort keinem Engel über den Weg laufe“, aber in Gedanken fügte ich auch noch und keinem Exfreund hinzu. Das laut auszusprechen kam mir wie die dümmste Entscheidung des Tages vor, weshalb ich das Schweigen favorisierte und mir stattdessen die vorbeiziehende Landschaft anschaute. Wir fuhren etwas aus der Stadt hinaus, wobei man eher in einem Vorort war, sodass ich schon wusste, wohin die Reise ging. Ein gewaltiger Park umfasste das gesamte Hotelareal mitsamt der Pools und Sportanlagen, für die ich aber gerade wenig Interesse hegte. Schicke Wahl. Keine Frage. Etwas exklusiver, aber es war ja nicht so, als würden wir es uns nicht ohnehin leisten können und wahrscheinlich war es meinen Eltern auch lieber, wenn Isaac – und ich – vorerst abtauchten. Besser so. Dann genehmigten wir uns eben noch ein paar Stunden im Hotel, wobei man von diesem hier wusste, dass das Rudel es eine Zeit lang für sich beansprucht hatte, weshalb es von mir eher gemieden worden war. Die Lage dürfte sich geändert haben, anderenfalls wäre Isaac nicht so zielstrebig darauf zugefahren. Soweit mein Gedankengang. Gepäck hatten wir ohnehin ausreichend in den Taschen, um die sich der bereitstehende Page sofort kümmerte, nachdem auch der Autoschlüssel abgegeben worden war. Ein kleiner Vorteil unserer Bekanntheit: wir waren wohl das exklusivste Paar in der Gegend und wurden mit dementsprechender Demut behandelt – Samthandschuhe waren da kaum etwas im Vergleich. "Keine schlechte Wahl", ließ ich meinen Mann dann doch mit einem leichten Grinsen wissen.
Ich nannte ihr ungeniert den Namen des Hotels, war mir auch ziemlich sicher damit, dass ihr der Name ein Begriff sein würde. Ob sie da schon einmal gewesen war oder nicht, spielte nicht weiter eine Rolle, es würde ihr dort an absolut Nichts fehlen. Wölfe brauchte sie hier auch nicht zu vermuten, denn heute war gewiss keines der exklusiven Meetings in einer der beiden Veranstaltungsräume geplant. Es sei denn natürlich, meine Familie hatte ihre festen Termine geändert, seit ich mich dort nicht mehr blicken ließ. Aber auch als wir ankamen nahm ich keinerlei wölfische Präsenzen war, also war die Luft vollkommen rein. "Na wenn ich schon sonst zu nix zu gebrauchen bin, brauchst du wenigstens gutes Ambiente." sagte ich sarkastisch, als mit dem Fahrstuhl nach oben fuhren. Natürlich gesondert vom Dienstpersonal, verstand sich von selbst. So fühlte ich mich doch fast ein Stück weit daheim, als ich die Suite neben Riccarda betrat und der Page hinter uns das Gepäck rein trug. "Stells einfach da rüber, Deniro, danke." wies ich ihn auf seine Frage zwecks des Gepäcks an, es nahe dem großen Spiegelschrank abzustellen, ehe er sich vornehm mit der typischen "Falls Sie noch etwas benötigen, rufen Sie einfach durch."-Ansage aus dem Zimmer verabschiedete. Der Typ hatte sich auch nicht die Bohne verändert in den letzten paar Jahren. Ganz gleich, was meine Ehefrau davon halten würde, ging ich einfach rüber zu der kleinen Bar, suchte zwischen den Flaschen eine ganz bestimmte Sorte Whiskey. Nicht, weil ich mich betrinken wollte, sondern weil es mir einfach half, zu entspannen. So nahm ich die Flasche aus dem gekühlten Regal und ein Glas aus der Vitrine dahinter, ehe ich mir einen sehr füllig geratenen Schluck eingoss. "Ich nehme mal nicht an, dass du zur Tagtrinkerin wirst..?" fragte ich Riccarda indirekt mit einem Seitenblick, ob sie einen Schluck von was auch immer hier alles stand mit trank. Ich erwartete zwar ein klares Nein, aber hey, was solls. Der Tag war für mich eh gelaufen.
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Wie wahr. Am liebsten hätte ich ihm die freche Bemerkung bestätigt, aber beizupflichten kam mir nicht klug vor, denn die Stimmung war weiterhin etwas angespannt, sodass ich mir den Scherz schenkte. Ich traute mich zwar, aber ein weiterer Streit musste nicht unbedingt sein. So war es mir lieber. Daher überlegte ich mir meine folgenden Worte auch, sprach nicht einfach aus einer Laune heraus irgendwas: „Wie nett von dir.“ Ein bisschen Sarkasmus in der Tonlage durfte ich mir durchaus gönnen, so viel stand schon mal fest und ich war auch sichtlich zufrieden mit unserem Zufluchtsort. Es schien im Notfall groß genug zu sein, um sich ewig lang aus dem Weg zu gehen, ohne sich dafür in ein separates Zimmer schließen zu müssen. So ließ es sich aushalten. Außerdem genoss ich den Luxus, obwohl ich ansonsten ein sehr bodenständiger Typ war. Aber manchmal mochte mein Ego das ja doch, weshalb ich auch hier ganz die Etikette der verwöhnten Tochter Keerlow raushängen ließ und den Pagen mit leicht überheblichen Blick musterte, während er die Reisetaschen an den angeordneten Platz stellte, sogar eine hastige Verbeugung andeutete, nachdem er sein einstudiertes Sätzchen runtergespult hatte, um auch schon in Windeseile wieder zu verschwinden. „Du kennst seinen Namen? Wie oft hast du ihn schon hin und herrennen lassen?“, interessierte mich jetzt schon, lockte auch wieder ein amüsiertes Grinsen in meine Züge. Ich konnte mir Isaac schließlich ziemlich gut als mühsamen Gast vorstellen, bei dem man lieber sofort kuschte und gebührend Respekt zeigte. Womöglich war der Junge deshalb schnell wie ein Pfeil wieder weg gewesen. Nun aber hatte Isaac eigene Pläne, die ihre Erfüllung in der Minibar fanden, was ich eigentlich so absolut nicht gut hieß, kurz auch die Nase rümpfte, die Abneigung schlussendlich aber sein ließ. Die Diskussion wollte ich mir nicht antun, morgen oder ein anderes Mal gab es sicher noch genug Gelegenheiten, um sich in die Haare zu kriegen, weshalb ich mich einfach auf die weiche Couchlandschaft fallen ließ, die Beine von mir streckte und seufzend nachgab: „Weißt du was, ist heute schon egal. Haben die hier Bacardi?“ Mein Standardgetränk, auch wenn es viele nicht mochten, aber mit der richtigen Menge an Cola war das Zeug wie Wasser für mich runterzukippen. Demnach schadete ein Gläschen sicher nicht… tat keinem weh. Und ich würde womöglich ein wenig Entspannung finden, was auch nie schadete. Kollegiales Besäufnis nannte man das doch für gewöhnlich, oder?
Wie oft ich hier gewesen war? Puh, ziemlich oft würde ich sagen. Eigentlich immer dann, wenn ich wirklich meine Ruhe gebraucht hatte und sie sonst nirgends hatte finden und genießen können. Quasi immer dann, wenn mir nicht danach war, mich in einen Wolf zu verwandeln und in die Tiefen der Wälder zu verschwinden, sondern lieber in menschlicher Gestalt das Weite gesucht hatte. Dass ich dabei nicht auf meinen Luxus verzichten wollte, war wohl so ziemlich Jedem in der Stadt hier bekannt. "Keine Ahnung... oft eben. Ist ja kein Geheimnis, dass das Leben beim Rudel oft unangenehm geworden ist." erwiderte ich auf Ihre Frau und zuckte mit den breiten Schultern, schraubte dabei die edle Whiskey Flasche wieder zu und ließ sie aber auf dem Tresen stehen. War mit Sicherheit nicht der letzte Schluck, den ich heute zu mir nahm. Zugegeben kam Riccardas Antwort doch recht unerwartet. Sie war nun wirklich nicht der Typ Frau, der sich sorglos die Kante gab, wenn sie Lust dazu hatte. Zumal die zierliche junge Frau ja ohnehin nicht wirklich viel vertrug. Und dann wollte sie auch noch Bacardi? Sehr ungewöhnliche Wahl, standen Frauen doch oft eher auf den süßeren Cocktailkram. Bei ihr war das aber scheinbar nicht so, was eine willkommene Abwechslung war und auch leichter zu mischen. "Bacardi für die Dame, kommt sofort.." redete ich so vor mich hin, während ich die Flaschen mit den Augen absuchte. Kurz darauf fand ich den hochprozentigen Schnaps und nahm ihn heraus, ebenso wie aus ddm Kühlfach eine Flasxhe Cola. Das war so die gängigste Variante an Mischungen für die Spirituose, also würde sie schon damit Vorlieb nehmen können. Nachdem ich aber nicht wissen konnte, wie sie ihr Mischverhältnis gern hatte, nahm ich einfach beide Flaschen und ein Glas für sie mit zur Couch, stellte es vor ihr auf dem gläsernen, flachen Tisch ab. Anschließend holte ich noch mein eigenes Glas und die Whiskey Flasche vom Tresen, ehe ich mich zu der jungen Frau aufs Sofa gesellte. Dabei hielt ich aber doch ein Stück Abstand zu ihr, brauchte ein Stück weit jetzt meinen Freiraum. Ich saß schräg in der Ecke, den einen Arm auf der Rückenlehne und den anderen mit dem Glas in der Hand auf der Armlehne. Dann legte ich den Kopf ein wenig in den Nacken, atmete durch und versuchte einfach den Kopf leer zu machen, was aber nur semi gut funktionierte.
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Im Grunde tat es doch eh nichts zur Sache, aber nun nickte ich doch knapp, um zumindest irgendeine Antwort zu geben. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Isaac sofort wieder auf seine Familie in dem Bezug zu sprechen kam – irgendwelche Meetings oder sowas hatte ich schon eher kommen gesehen, aber dass es sich hierbei um den Rückzugsort des Mannes ging, damit rechnete man doch nicht. Schon gar nicht, dass er mich mitschleppte. Da ich aber wusste, mir darauf nichts einbilden zu dürfen beziehungsweise zu viel in das Verhalten hinein zu interpretieren, hielt ich den Mund und zuckte noch mal mit den Schultern, ehe ich aus den Schuhen schlüpfte und meine Füße auf der Couch hochlagerte. Schon viel besser. Nun brauchte ich nur noch meinen Drink und schon konnte die Entspannung losgehen. Dabei ließ sich nur deutlich wiederholen: normalerweise gönnte ich mir Alkohol nicht nach Lust und Laune bereits am Nachmittag, sondern benötigte schon einen guten Grund, denn Wein zum Essen zählte ich jetzt ganz frech nicht mit. „Bitte, danke“, entgegnete ich Isaac, schloss dann aber die Augen, ehe ich die Schritte auf dem sicherlich teuren Boden vernahm und meine Lider sich wieder langsam öffneten. Als der Dunkelhaarige die Flaschen und das Glas vor mir abstellte, richtete ich mich auf und griff schon mal nach dem Bacardi. Es schmeckte einfach gut, aber übertreiben wollte ich dennoch nicht, weshalb ich die Mischung zumindest jetzt noch recht seicht machte. Cola trank ich so selten, weil es mir nur unter bestimmten Bedingungen schmeckte – eine davon war eben in Kombination mit Alkohol – und so durfte ich durchaus auch einmal maßloser mit der Limonade sein. Für den Anfang sollte es reichen, weshalb ich mich anschließend mit dem Glas wieder zurücklehnte, die Beine erneut auf die Couch legte und aufseufzte. Es konnte echt schlimmer sein. Mir war aber nun wirklich nicht danach, mit Isaac auch noch anzustoßen, weil ich mich dafür erst recht wieder hätte aufrichten müssen und so hob ich das Glas einmal kurz und nippte dann bereits an dem Getränk. Jup, so mochte ich das. Jetzt durfte ich nur nicht übereilig werden und das Zeug einfach so hinunterkippen, wonach mir irgendwo auch war, aber nein. Das ging nicht. So viel vertrug ich nicht und da musste ich nicht direkt übers Ziel hinausschießen; ich wusste ja, wie es das letzte Mal in Anwesenheit von Isaac geendet war.
Ich hatte nicht einmal erwartet, dass sie mir für das bisschen Laufen und Hinstellen überhaupt danken würde. Oder dass sie überhaupt darauf reagieren würde, abgesehen davon, dass sie eine Mixtur aus den beiden Getränken vor ihr herstellte. War zwar nett, dass der Engel mir mehr oder weniger einen Dank zukommen ließ, aber das nahm ich nicht einmal wirklich zur Kenntnis. Zu groß war noch die Anspannung und die Unruhe in meinem Inneren, als dass ich den Höflichkeitsfloskeln jetzt große Aufmerksamkeit schenken, Irgendwas abgewinnen konnte. So warf ich ihr nur einen kurzen Seitenblick zu und nahm dann einen Schluck von meinem Whiskey, bevor ich den Kopf erneut nach hinten sacken ließ und die Augen zumachte. Für den Moment genoss ich Nichts mehr als die fast vollkommene Stille im Raum. Nur Riccardas Herzschlag ganz unauffällig im Hintergrund, das kurze Aufheulen einer Polizeisirene irgendwo draußen in der Stadt und ein paar Schritte draußen im Gang vor der Suite, die wohl von den Bewohnern der anderen Hälfte der obersten Etage kamen. Als es dann aber noch ruhiger wurde, die Sirenen draußen verstummten und auch die Schritte verklangen, holten mich meine Gedanken langsam wieder ein. Ob ich vorhin zu viel gesagt hatte? Vielleicht hätte ich einfach den Kopf schütteln und abfällig zischen sollen. Das hätte mir eventuell Etwas erspart, andererseits meine Frau womöglich aber noch wütender werden lassen, wenn ich es so hinstellte, als wäre es das abwegigste der Welt, dass ich Etwas an ihr finden konnte. Früher hatte ich das ja tatsächlich auch gedacht, aber die Karten lagen inzwischen vollkommen anders und mussten aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Wir verbrachten viel Zeit zusammen und auch, wenn wir wirklich oft mit Meinungsverschiedenheiten zu kämpfen hatten, sah der Engel eben schlichtweg auch wirklich gut aus. Ich stand ohnehin mehr auf Blondinen und weniger auf Brünette und auch sonst hätte ich auf Anhieb wohl Nichts an ihr bemängeln können, obwohl ich die junge Frau bisher nur einmal nackt gesehen hatte. Und scheiße, das war verflucht lang her. Wenn es nach mir ginge, dann könnte jetzt ruhig ein Gewitter aufziehen. Aber ob sie selbst betrunken noch ein zweites Mal darauf reinfallen würde? Nein, vermutlich eher nicht. Das war wie die "Klokarte" bei Trinkspielen, die lange dauerten - man konnte die einmal ausnutzen und dann nie wieder, musste mit den Gegebenheiten leben. Vermutlich sollte ich nicht zu lange darüber nachdenken, dass ich seit einer Ewigkeit auf dem Trockenen saß, es wurde dadurch sicher nur schlimmer. Mit einem innerlichen Kopfschütteln beendete ich diesen wirren Gedankengang und nippte erneut an meinem Whiskeyglas, bevor ich mich nach vorne beugte und nach der Fernbedienung für den großen Flachbildfernseher an der Wand uns gegenüber griff. Nicht wirklich zu meiner Überraschung kam kein besonders guter Spielfilm, weshalb ich beim Sport hängen blieb. Wenn das jemandem hier im Raum nicht passte, musste sich zu Wort gemeldet werden. Ich selber hatte in der Privatschule ziemlich erfolgreich Football gespielt, hatte dabei natürlich den entscheidenden Vorteil meiner wölfischen Stärke gehabt. Darum hatte ich mich aber nicht ansatzweise geschert, immerhin hatte mir die Quarterback-Position nur noch mehr Privilegien eingebracht, als ich sie ohnehin schon gehabt hatte. Auch mal davon abgesehen, dass die Mädels am Spielfeldrand überwiegend meinen Namen geschrien hatten und nicht aber den von Michael oder Baldwin. Ich sank erstmal tiefer ins Sitzpolster und schob mir die unnötigen Schuhe von den Füßen, ehe ich erneut am Whiskey nippte. Mir persönlich war Schweigen im Moment einfach lieber und so schnitt ich auch kein neues Thema an.
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