Der Award für die Nutzlosigkeit des Jahres ging – meine Damen und Herren – an MICH. Ich war definitiv nicht fürs Krisenmanagement gemacht, verlor ich doch zu schnell die Nerven, sobald die Gefahr unmittelbar in meiner Nähe war. Komischerweise hatte ich Isaac niemals gefährlich genug gefunden, um mich auch vor ihm in ein zitterndes Nervenbündel zu verwandeln. Als wären Gewitter oder Brände bedrohlicher als ein wildgewordener Werwolf, aber gut. Es lag wohl im Auge des Betrachters und mein Hirn meinte, dass solche natürliche Phänomene schlimmer waren, als ein tollwütiger Ehemann, der mir an die Gurgel wollte. Ausgezeichnet, denn so musste ich nun selbst dabei zusehen, wie mir die Kontrolle mit einem Atemzug vollkommen entglitten war und ich nur mit heftig schlagendem Herzen in einem Raum stand, der sich stetig mit Rauch füllte, sodass ich hier und da schon zu husten begann. Kein guter Vorbote und eigentlich ein Zeichen dafür, sofort aus dem Zimmer raus zu müssen, aber da war noch immer die lähmende Angst und das eisige Gefühl in meinem Inneren, von dem ich mich nicht befreien konnte, um ebenfalls tätig zu werden. Die Wärme, die von Isaacs Händen ausging war anders als die ausgestrahlte Hitze des lodernden Feuers, ließ mich kurzfristig vergessen, wo ich mich eigentlich befand, als ich Hilfe in seinem Blick suchte, um vielleicht doch noch einen Ausweg aus dem unpraktischen Durcheinander in meinem Kopf zu finden, aber die Tür schien ins Schloss gefallen zu sein. Auf sein Kommando mühte ich mich ab, ruhig zu atmen, doch erneut plagte mich schnell ein Hustenreiz, unter dem ich mich ein bisschen zusammenkrümmte. Unkraut verging nicht? Mir war definitiv nicht zu scherzen, denn meine Familie hob nicht ab und ich wusste nicht, was los war. Wie sollte ich mich denn entscheiden?! Man durfte doch jetzt nicht von mir verlangen, dass ich zwischen der Suche nach meiner Familie oder Einsamkeit entschied. Außerdem wollte ein kleiner Teil in mir auch nicht, dass sich Isaac in Gefahr brachte: „Aber die Feuerwehr kommt schon, du musst nicht…“, brach ich jedoch ab, als der junge Mann mich in dem Moment losließ und die nächste Welle an Panik ungehalten über mir zusammenbrach, dass ich beinahe wie eine Ertrinkende nach Luft schnappte. Mein Ehemann nahm meine Hand, zog mich regelrecht hinter sich her, obwohl ich mich instinktiv dagegen wehrte, weiter auf die Tür zuzugehen, bekam jedoch ein Shirt bald in die Hand gedrückt, um seinem Beispiel nachzugehen. Mein Hals brannte bereits und ich hatte das Gefühl, den Rauch förmlich auf der Zunge zu schmecken, was beinahe einen Würgereflex heraufbeschwor, doch noch konnte ich mich zusammenreißen – eventuell sollte ich der Überforderung danken. „Ich…“, fing ich an, aber er konnte doch nicht erwarten, dass ich mich nun binnen einer Sekunde entschied, oder? Naja, wohl doch, denn sein Blick lag erwartungsvoll vor mir, während ich immer hektischer wurde. „Ich suche meine Eltern“, schoss es dann ohne viele Überlegungen hervor, obwohl ich es im nächsten Augenblick bereits berührte. Nur wusste ich ebenso, dass ich mich bei der anderen Wahl nicht anders gefühlt hätte. Zu einem überzeugenden Nicken kam ich gar nicht mehr, denn so schnell konnte ich nicht schauen, stand ich schon so gut wie alleine da und musste mich kurz erinnern, dass ich doch zu aller erst zu dem Zimmer meines Bruders wollte, wozu ich einen Stock nach unten musste, irgendwie. Also auch zur Wendeltreppe. Der Rauch nahm mir beinahe die Sicht, doch ich kannte mich in dem Palast natürlich auch, weshalb ich auch so wusste, wie ich zu der Treppe hinab kam. Eilig trugen mich beine geradezu automatisiert weiter durch die rauchverhangenen Hände, sodass ich die Augen zusammenkneifen musste, während der Gestank immer beißender wurde und die Tränen ungehindert über meine Wangen liefen.
Ungeduldig wartete ich auf Riccardas Antwort, bis ich sie schließlich bekam - sie wirkte zwar dann doch recht entschlossen, aber dass sie sich lieber aus allem rausgehalten hätte und geflüchtet wäre, sah ich ihr ganz deutlich an. Dem Engel widerstrebte es sichtlich, sich auch nur ansatzweise in Gefahr zu begeben, aber ihr blieb nun nichts Anderes übrig. So stürzten wir uns beide hinaus in den Flur und ich hielt mir das Shirt reflexartig dichter vor Mund und Nase. Es half nicht viel, würde uns aber wahrscheinlich ein paar Minuten mehr geben, bevor Bewusstlosigkeit eintrat. Flink folgte ich meiner hustenden Ehefrau, merkte, wie sich der Rauch neben dem Sauerstoff in meine Lunge zog. Zwar war ich Gelegenheitsraucher, aber meine Lunge regenerierte sich danach ja von selbst - das hier war allerdings eine ganz andere Liga und durchaus lebensbedrohlich. Meine Augen wurden schmaler und es fiel mir immer schwerer Etwas zu sehen, je näher wir der Treppe kamen. Immer weniger Sauerstoff kam in meiner Lunge an und das Bewegen fiel von Meter zu Meter schwerer. Es war verdammt heiß hier drinnen und es bildeten sich Schweißperlen an meinem gesamten Körper, die an meiner Haut hinunter rannen. Als wir an der Wendeltreppe ankamen, konnte ich kaum noch die Hand vor Augen sehen, ging an der Wand entlang in der Hoffnung, den Feuerlöscher so am schnellsten auszumachen. Immer wieder musste ich husten, während ich mit der Hand die Wand abtastete, schließlich etwas Metallenes griff. Hektisch knotete ich das Shirt an meinem Hinterkopf zusammen, um es nicht halten zu müssen, bevor ich den Feuerlöscher aus der Halterung löste und zielstrebig die Treppe hinunter ging, denn da schien das Feuer herzukommen. Kaum unten angekommen, schlugen mit Flammen entgegen, die sich rechts von mir an einem Vorhang nach oben hangelten. Ich schrie leicht auf, als das Feuer meinen rechten Oberarm touchierten und ein unsagbares Brennen zurückließen. Ich machte den Löscher startbereit und fing an, mich vorzuarbeiten, was nur mühsam von Statten ging. Erst nach gut einer Minute konnte Riccarda den linken Gang einschlagen, während der Rechte wohl erst einmal mein Metier bleiben würde. Vorausgesetzt ich wurde nicht gleich ohnmächtig, aber das würde sich zeigen.
Ich hielt mich so gut es ging an Isaac, hätte mich am liebsten an ihm festgeklammert oder an einem Shirt, das er trug, aber nope, mein hitziger Mann meinte, dass es nicht schaden konnte, wenn er den Ruß anschließend am nackten Oberkörper kleben hatte und wegen der hohen Temperaturen hier herinnen, die mir augenblicklich zu schaffen machten, sorgte er sich allen Anschein nach auch nicht, was ich einfach zutiefst ungerecht fand, denn ich hatte wohl nicht nur meiner Panik, sondern auch den körperlichen Beschwerden zu kämpfen, während er hier den Helden spielen wollte… oder es zumindest versuchte, denn das Zischen des Feuerlöschers versprach eigentlich kaum Erfolge, wobei wir uns dann doch Schritt für Schritt vorarbeiten konnten, was jedoch vielversprechender als alles andere war und mich dann doch immer wieder ein wenig hilflos gegen den jungen Mann stoßen ließ, da ich nicht richtig ausmachen konnte, wie weit er entfernt war, ehe ich mich durch den dichten Rauch vorbeistehlen konnte und den Gang entlang eilte, in dem auch das Zimmer meines Bruders lag, in das ich kurz darauf hineinstürmte und die Tür wieder hinter mir zuschlug, um mich einem Hustenanfall hinzugeben und zittrig gegen das Stück Holz lehnte, das mich vor dem meisten Rauch auf der anderen Seite schützte, denn die Schwaden traten nur langsam unter dem schmalen Schlitz hindurch, hatten dennoch schon zu viel von dem Zimmer eingenommen, um beruhigt durchatmen zu können. Bereits jetzt begannen meine Lungen zu streiken, meine Augen produzierten die Tränen immer weiter und doch konnte ich nicht sagen, ob es der beißende Qualm oder das leere Bett ist, das mich unweigerlich zum Weinen brachte. Wo war er denn? Auf einmal erklang ein absolut dämlicher Song, meine Hand vibrierte und da fiel es mir wieder ein: ich hatte mein Handy den kompletten Weg über gegen meine Brust gepresst und gehofft, dass mir das Ding vielleicht noch irgendwie helfen konnte, als ich die Nummer meiner Mutter auf dem Bildschirm leuchten sah und sofort hastig anhob. Ihre hysterische Stimme schlug mir entgegen, wo ich denn sei, das immer mehr Verwandte aus dem Schloss stürmten aber sie mich nicht finden konnten. Oh Himmel. Ich war noch nie in meinem Leben derart erleichtert, zu wissen, dass zumindest ein Teil meiner Familie bereits aus dem brennenden Gebäude draußen war, jedoch hatte ich nicht viel Zeit, da schlug die Sorge meiner Mam erneut zu, die augenblicklich verlangte, dass ich meinen Hintern aus dem Haus rausbewegen musste, was ich nur zu gerne tun würde, aber da war Isaac… und ich konnte ihn beim besten Willen nicht einfach hier drinnen versauern lassen! „Ich komme gleich, versprochen“, keuchte ich hastig in das Handy, ehe ich die Verbindung abbrach, die Augen kurz schloss, mich zu beruhigen versuchte, ehe ich erneut in das Höllenszenario eintrat, um mich den Weg zurück zu kämpfen, zurück zu den Flammen und dem stinkenden Rauch, der mich immer hektischer nach Atem ringen ließ, während ich mich mit einer Hand an der Wand entlangtastete. „Isaac?“, erkundigte ich mich heiser, versuchte wenigstens irgendetwas erkennen zu können, doch mein Sichtfeld zog sich immer mehr zu einem kleinen Punkt zusammen.
Während ich das Feuer stückweise ein klein wenig zurückdrängen konnte, fühlte es sich so an, als würde sich meine Lunge immer weiter zusammenfalten. Als wäre sie irgendwann so klein, dass sie gar keinen Sauerstoff mehr aufnehmen konnte. Die Kapazität des Feuerlöschers war glücklicherweise begrenzt, sonst hätte ich hier wohl - stur, wie ich es nun einmal war - eine Ewigkeit weiter gemacht. Einfach, weil mein Ego es so gewollt hätte, dass ich gefälligst bis zum Ende durchhielt. Der Feuerlöscher kam dem zuvor und war leer, als ich kaum mehr den Mund zum atmen offen halten konnte. Ich ließ den Feuerbekämpfer einfach fallen, dabei durchgehend hustend, keuchend. Mir wurde zunehmend schwindliger, als ich taumelnd den Rückzug antrat und mich an der Wand entlang den Gang entlang kämpfte. Meine Beine wurden immer schwerer, brachten mich von Meter zu Meter langsamer vorwärts. Wie immer, wenn es mir körperlich schlecht ging, schien meine Wolfshälfte auch jetzt der Meinung zu sein, sich zeigen zu müssen. Es war wohl beinahe ein Wunder, dass mein Körper die Verwandlung überhaupt noch zu Stande brachte. Auf allen Vieren schleifte ich meinen Körper weiter von den Flammen weg, als dumpf eine Stimme an mein Ohr drang. Konnte nur Riccarda sein, sonst würde sich hier wohl niemand um meine Wenigkeit sorgen. Wo sie war, konnte ich aber nicht ausmachen, weil der Rauch meine Sinne derart eindämmte, dass selbst ich die Orientierung verlor. Ich schleppte mich weiter durch den Rauch, bis ich schließlich grobe Umrisse einer menschlichen Gestallt vor mir erkennen konnte. Kurz darauf wurde mir schwarz vor Augen und ich taumelte gegen die Wand, an der ich ein wenig zusammensank. Wie in Watte gehüllt, genoss ich einen Moment der Ruhe. Das laute Knacken des Feuers und die draußen herannahenden Sirenen waren kaum für mich zu hören, nur ganz leise irgendwo im Hintergrund, als wären sie ewig weit entfernt. Ich hörte auf einzuatmen, hielt für den Moment gänzlich inne... für mehr hatte ich auch nicht mehr genug Kraft, nicht genug Sauerstoff. Das Feuer schien jedes einzelne Bisschen davon in sich aufgesaugt zu haben und meine Muskeln zitterten, als sich mein Sichtfeld gänzlich schwärzte.
Während ich mich durch den rauchverhangenen Korridor kämpfte beschlichen mich immer mehr Sorgen, drohten den pulsierenden Schmerzen in meinen Schläfen das Maximum abzuverlangen, während ich tapfer einen Schritt vor den anderen setzte, mich weiter in die qualmende Finsternis hineinbegab und dabei immer wieder kratzendes Husten versuchte zu verhindern, was sich leider nur schwer einschränken ließ, weshalb ich das Shirt nur umso verkrampfter vor Nase und Mund hielt, mich regelrecht in den Stoff krallte, um irgendwo Halt zu finden, nachdem mir immer häufiger schwindlig wurde, trotz der leitenden Hand an der Wand, an der sich mich entlanghangelte. Die Hitze legte sich wie ein dünner Schweißfilm auf meine Haut und dennoch merkte ich es kaum, herrschte in meinem Inneren doch eine eisige Kälte, die ihren Griff fest um meine Brust gelegt hatte, um mir jeden weiteren Atemzug zu erschweren. Entweder würde mein krampfhaftschlagendes Herz demnächst den Dienst versagen oder meine Lungen kollabierten, noch bevor ich überhaupt jemanden helfen konnte. Wo steckte er denn nur? Wie oft hatte ich Isaac in die Hölle gewünscht und nun befanden wir uns tatsächlich in einem der Höllenringe, aber der störrische Esel war weit und breit nicht zu sehen. „Isaac?“, erneut presste sich mein dünnes Stimmchen eher qualvoll hervor, als ich zu glauben meinte, eine vage Bewegung zwischen den Rauschschleiern erkannt zu haben. Automatisch tanzte das Adrenalin in neuen, heftigen Schüben durch mich hindurch und Hoffnung flammte in mir auf. Eventuell hing ich doch mehr an dem Flohzirkus, als mir lieb war. Laut aussprechen würde ich diesen Gedanken niemals, schob es auch jetzt auf meine Panikattacke, als ich den gewaltigen Wolf dabei beobachten konnte, wie er sich an die Wand lehnte und dann langsam, in Zeitlupentempo, zu Boden ging. Mit wenigen hastigen Schritten war ich bei ihm, strich ihm über das Fell zwischen den Ohren und stupste ihn an. „Komm schon. Jetzt ist keine Zeit zum Ausruhen, wir müssen hier weg“, quengelte ich ziemlich erfolglos und rüttelte den kräftigen Tierkörper noch ein paar Mal, dabei versucht, ihn vielleicht an den Schultern zu packen und aufzustemmen, aber vergebens. Ohne Hilfe des verwandelten Kerls schaffte ich es unmöglich, ihn hier rauszubekommen, weshalb ich in meiner Aussichtslosigkeit zu der aller letzten Möglichkeit griff, die mir einfiel: „Es tut mir wirklich leid und du hast dann auch was gut bei mir.“ Ich versicherte es ihm, drückte dann aber schon die Augen zu, kratze ein wenig der glühenden Energie in meinem Inneren zusammen, die schwach vor sich her glomm, um einen Impuls durch den ohnmächtigen Körper des Raubtieres zu jagen. Meine aufgelegte Handfläche prickelte dabei ganz typisch, als die Energie meine Haut verließ und sich stromartig in den armen Wicht ausbreitete, um ihn zurück in die Gegenwart zu holen.
Es waren keine Erinnerungen, die vor meinen Inneren Augen vorbeizogen. Schlicht in schwarz gehalten blieb alles dunkel, während weiter ganz dumpf ein paar Worte zu mir durchdrangen, die ich aber nicht verstand. Ich hörte nicht wirklich Etwas, spürte in diesem Moment Nichts und sah auch Nichts. Eine angenehme Ruhe, die ich wohl fast ein wenig vermisste. Die letzten Wochen waren für meine Psyche wahrscheinlich anstrengender gewesen, als ich es jemals zugeben würde und so genoss ich es, für den Moment einfach entspannen zu können. Ich fühlte mich leicht, unbeschwert, obwohl mein doch recht massiger Körper so schwer am Boden lag. Dass Riccarda versuchte, mich auf die Beine zu bekommen, schnitt ich gar nicht mit und wäre ich nicht bewusstlos gewesen, hätte ich etwas von ihrer "Vorab-Entschuldigung" mitbekommen können, was so aber nicht der Fall war. Erst, als ein heißes, elektrisierendes Gefühl meinen Körper heimsuchte, öffnete ich die Augen schlagartig wieder und all der Schmerz, der mir die Lunge förmlich zu zerreißen drohte, strömte wieder auf mich ein. Noch dazu kam der Schmerz der leicht versenkten Haut an meiner Schulter, der aber für den Augenblick wirklich irrelevant war. Es dauerte einen Moment lang, bis ich die Situation vollends realisierte und sammelte daraufhin die letzte verbleibende Kraft, die noch durch meine Adern pulsierte. Hechelnd rang ich nach Sauerstoff, als ich mich von Riccarda dabei unterstützen ließ, wieder auf die Pfoten zu kommen. Wirklich sicher stand ich nicht auf den Beinen, weshalb ich der Wand nahe blieb, als ich zum Gehen ansetzte. Naja, eher zum Taumeln, wenn man mich fragte. Ich hatte wohl Glück, dass die mir angetraute Frau ab und zu meine Schlenker mit leichtem Gegendruck ihrer Hand korrigierte, damit ich nicht fiel. Mein Sichtfeld war immernoch schwummrig, während wir uns den mühsamen Weg nach draußen bahnten, wobei ich mich einfach lotsen ließ. Zu mehr war ich ohnehin nicht im Stande und sobald wir endlich an der frischen Luft ankamen, machte ich wenns hochkam noch zehn weitere, schwere Schritte, bevor ich meinen zitternden Beinen nachgab und mich einfach wieder zu Boden sinken ließ. Ob ich da im Weg war, war mir recht egal. Auch, dass unweit hinter mir durch die Flügeltür noch dicke Rauchschwaden nach draußen flohen, interessierte mich kein Stück. Eigentlich war mir zu dem Zeitpunkt so ziemlich Alles vollkommen egal, solange ich hier liegenbleiben und nach Möglichkeit sofort Schlafen durfte. So hechelte ich weiter vor mich hin während ich auf der Seite lag, ließ meine Wolfsinstinkte wirken und meinen überhitzten Körper damit langsam runterkühlen, während endlich wieder genügend Sauerstoff meine Lunge erreichte.
Gerade konnte ich nur beten, dass mein impulsgesteuerter Versuch auch Früchte trug und ich den schweren Wolf wieder ins Hier und Jetzt – genauer genommen in den brennenden Palast – brachte, denn zurücklassen konnte ich den störrischen Esel wohl kaum, dazu hing ich irgendwie zu stark an ihm. Sei es der zusammen verbrachten Zeit zu verschulden oder warum auch immer: ich konnte mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, Isaac hier schlichtweg am Boden zwischen den hungrigen Flammen zurückzulassen, die zwar vorerst zurückgedrängt hatten, aber der Herd brodelte weiterhin wie ein kleiner Vulkan vor sich her, sodass es mir das Fürchten lehrte. „Komm schon“, schnaufte ich erschöpft mit heiserer Stimme, war schon versucht, ihm aus einer Angstreaktion heraus noch einen Schlag zu verpassen, als er sich langsam regte und ich schon die Problematik sah, dass das Raubtier nach mir schnappte, das ich ihm doch eindeutig Schmerzen zugefügt hatte. Würde es hier nicht ohnehin schon so verbrannt stinken, würde es sicherlich auffallen, wie versengt sein Fell an der Schulter roch, doch gerade bemühte ich mich einfach nur auf die wackligen Knie zu kommen, streckte die Hand aus, um so die Wand unter der schwitzigen Handfläche zu spüren und gleichzeitig mit meinem Körper damit einen Käfig um den taumelnden Wolf zu legen, während sich die Hitze in jede einzelne Pore meiner Haut grub und mich ganz schwindlig werden ließ, ungewiss, wie lang ich das hier noch dank des enorm hohen Adrenalinspiegels verkraften würde. Ich kannte den Weg hinaus, doch jeder einzelne Schritt kam mir wie eine Meile vor, nicht zuletzt, weil die schleppende Fortbewegungsart alles andere als zeitsparend ausfiel und ich das Knacksen wie ein böses Omen um mich herum hörte, als würde die Bude in den nächsten Moment zu einer keinen Blechbude zusammenfallen und alles unter sich begraben, was es nicht rechtzeitig rausgeschafft hatte. Aber da… schwaches Licht drang durch den Nebel aus Rauch und Ruß zu uns hinüber und meine Motivation erlangte einen letzten Aufschwung, weshalb ich die Zähne zusammenbiss, die kläglichen Überbleibsel meiner Energie zusammenkratzte und endlich aus dem Gebäude hinaus an die frische Luft platzte. Die wenigen Treppen fiel ich schon nur mehr irgendwie hinunter, landete auf allen Vieren unter einem heftigen Hustenreiz. Meine Augen tränten, meine Lunge japste erschöpft… und mein Magen drehte sich um. So schnell konnte ich gar nicht schauen, war ich schon wieder auf den Beinen und rannte los, um mich in dem hübschen Blumenbeet meiner Mutter zu übergeben. Unter anderem Umständen würde ich mir diese Schwäche niemals ansehen lassen, doch gerade versuchte ich einfach nur, nicht vorneüber in meine eigene Kotze zu fallen, als ich mich zurücksinken ließ und dabei auf meine heftig zitternden Finger starrte, die von einer feinen Pulverschicht überzogen waren. Ich realisierte gar nicht, dass sich jemand zu mir gesellte, mir aufhelfen wollte, aber schlussendlich landete ich nur in dessen Armen.
[ich spring mal ein bisschen, okay? x'D Riccardalein kann ja dann da sein und dem guten Wölfchen erklären, dass sie erstmal ausfliegen müssen.^^]
Keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Geschweige denn, wie ich in ein Bett gekommen war, das in einem Raum stand, der mir auf die ersten verschlafenen, blinzelnden Blick nicht wirklich bekannt vorkam. Der Einrichtungsstil mochte mir zwar irgendwie bekannt vorkommen, aber zuordnen konnte ich es im ersten Moment nicht. Das mochte aber auch unter Anderem daran liegen, dass mich unangenehme Kopfschmerzen plagten, selbst das Atmen schmerzte und allgemein sämtliche meiner Glieder ebenfalls von ziehendem, stechendem Schmerz heimgesucht wurde. Aus Gewohnheit setzte ich dazu an, mich ein wenig zu strecken, unterbrach dies aber nach einer Sekunde wieder, weil es sich mehr schlecht als recht auf meinen Schmerzpegel auswirkte. Ich lag bis dato noch auf der Seite und sah mich erneut um - war ich wieder im Schloss? Ich meine, in dem abgefackelten Engelstempel, der mindestens zur Hälfte ruiniert worden war? Vielleicht in einem der Gästezimmer, davon gab es ja mehr als genug und sicher auch dort, wo die Flammen das Haus nicht heimgesucht hatten. Wäre eine Möglichkeit, die ich mir allein aber nicht bestätigen konnte. Ich fühlte mich nämlich nach wie vor alles Andere als fit, was mir ein schmerzhaftes Husten kurz darauf auch noch einmal bestätigte. Ich röchelte danach noch ein wenig, ehe ich mich langsam auf den Rücken drehte und schon kurz darauf zusammenzuckte, weil ich nicht alleine im Bett war. Riccarda saß ein Stück weit neben mir und bedeckte ihre Beine ebenfalls mit der großen Bettdecke, während sie ein Buch in den Händen hielt, das sie wohl bis eben noch gelesen hatte. "Erschreck' mich nicht so.." murmelte ich leise, kaum hörbar, kurz bevor ich mich ein klein wenig aufsetzte. Dreckig war ich nicht mehr, was mir leicht spanisch vorkam, weil mich irgendjemand in meinem Schlafkoma unter die Dusche geschleift haben musste und ich das nicht einmal gemerkt zu haben schien. Demnach hatte mir der Rauch des Brandes wohl mehr zugesetzt, als ich es mir selber eingestehen wollte. "Wie lange war ich denn.. weg?" warf ich noch eine Frage in den Raum, sah zu der zierlichen, blonden Schönheit neben mir, die sich meine Ehefrau nannte. Ich sah sie an die gepolsterte Rückwand des Bettes gelehnt an, musterte sie nur flüchtig. Richtig fit sah sie nicht aus, aber besser als ich wohl allemal. Ich konnte förmlich spüren, wie tiefe Augenringe es mir schwer machten, die Augen überhaupt offen zu halten.
In ein normales Krankenhaus konnte man uns schwer bringen, so durften die Menschen nach wie vor nichts von diesen übernatürlichen Aspekten der beiden mächtigsten Familien in der Umgebung erfahren, sodass es an ein paar heilkundigen Engeln war, sich um die fliehenden Engeln plus das eingeweihte Personal zu kümmern, das sich glücklicherweise aus den Flammenmeer retten konnte. Das Husten und krächzende Stimmen waren überall gepaart mit dem Heulen von Sirenen zu hören, doch ich hatte keine große Lust, mich mit dem Trubel auseinander zu setzen, sondern verkroch mich an der Seite meines Bruder, der vorhin an meine Seite getreten war und nun dafür sorgte, dass sich um mich gekümmert wurde, obwohl ich mich apathisch an ihn geklammert hatte, nun, wo ich wusste, dass Isaac aus dem Haus draußen war, kümmerte ich mich überhaupt nicht mehr um ihn, was zwar furchtbar untypisch für einen Engel war, aber die Ereignisse und Konsequenzen brachen über mir ein, so sicher ich mich auch gerade fühlte, denn es schien überstanden zu sein. Die Erschöpfung zerrte an mir und der gesundheitliche Check ging ebenfalls vollkommen an mir vorbei, jedoch regenerierte ich sehr schnell wieder, was wohl tatsächlich den Fähigkeiten meiner Verwandten zu tun hatten, die mich überdurchschnittlich schnell auskurierten, sodass die sensiblen Atemwege und meine Lunge keine bleibenden Schäden davontrugen. Bei Isaac schien es heikler zu sein, warum auch immer. Ich driftete bald in einen Schlaf ab, also zu dem Moment, an dem wir im Auto saßen und weggebracht wurden. Der ramponierte Kerl wurde in das Bett verfrachtet, nachdem er im Badezimmer einmal durch die Badewanne gezogen worden war und auch ich durfte mich dem klebrigen Ruß entledigen, was gar nicht so einfach war, ehe ich ebenfalls in dem Bett einschlief, die Decke eng um mich geschlungen und als kleiner Ball zusammengerollt. Die Ruhe wehrte nur nicht lange, da wachte ich schon wieder auf, am nächsten Morgen, als dürfte ich doch eine ziemlich ruhige Nacht verbracht zu haben. Das Buch auf dem Nachttischchen erweckte meine Aufmerksamkeit und schon bald vertiefte ich mich in der Geschichte, fernab von einer brennenden Heimat und mit dem Wissen im Hinterkopf, dass frische Bergluft und ein friedlicher Wald nun genau das Richtige sei. Auch okay. Ich nahm es wirklich genau so hin, wie man es mir anschaffte, nicht gerade meine normale Vorgehensweise, aber die neuesten Ereignisse zeichneten mich weiterhin, weshalb das Lesen geradezu angenehm war und ich erst von den schnell dahinfliegenden Seiten aufsah, als sich Isaac neben mir regte. „Dein Schönheitsschlaf ist wohl auch noch nicht ganz beendet, Dornröschen“, konterte sie mit einem schmalen Grinsen, ließ das Buch dann aber auf ihre Oberschenkel sinken und betrachtete das zerzauste Haar und die Zeichen der Erschöpfung, die seine Augen unterlegten. „Mhm, zirka bisschen weniger als 24 Stunden, würde ich so grob schätzen“, überlegte sie mit leicht hin und her wiegenden Kopf. „Wie geht’s dir?“ Dabei fiel ihr Blick unweigerlich auf die gerötete Stelle, die ihrer Hand verdammt ähnlich sah.
24 Stunden. Einen ganzen Tag lang. Zu sagen, dass das für mich äußerst ungewöhnlich war, beschrieb es eher milde. Keine Ahnung, wann ich zuletzt einmal so lange vor mich hin gepennt hatte, es musste eine Ewigkeit her sein. Ich raufte mir seufzend die dunklen Haare, als mir die junge Frau erst einmal bestätigte, dass ich wie angenommen eher furchtbar aussah, ganz im Gegensatz zu sonst eben. Nach Grinsen war mir allerdings noch nicht zu Mute, obwohl es mir besser ging als in der vorherigen Nacht, in der ich mich tapfer dem Feuer gestellt hatte, solange noch keine Feuerwehr da gewesen war. Besagte Tapferkeit hatte aber auch deutlich ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie Riccarda, die mich nur mit eher unschönen Mitteln hatte aus der Nähe der lodernden Flammen hatte holen können. Bei ihrer Frage sah ich erst einmal auf meine noch deutlich gerötete linke Schulter, durch die sie ihre für mich schmerzhafte Engelsenergie - oder als was auch immer man den brennenden Mist bezeichnen wollte - in meinen ganzen Körper geleitet hatte. Nachdem sie mich dort aber nicht bewusst hatte verletzen wollen - zumindest nicht so mutwillig, wie an dem Tag, als sie mir das Gesicht verkokelt hatte -, hielt sich der Schmerz dort in Grenzen und hob sich damit kaum vom Rest ab. "Ging schon besser.." grummelte ich leise vor mich hin und lehnte auch den Kopf noch einmal nach hinten an die Lehne, weil er sich furchtbar schwer anfühlte. Ungefähr so, als hätte mir jemand einen Backstein auf den Kopf geschnallt. Weil ich das Gespräch aber ungern weiter auf meinem Wohlergehen halten wollte, weil ich Schwäche einfach sehr ungerne gestand, wendete ich das Thema ein klein wenig. "Was hab' ich alles verpasst?" hakte ich nach und ließ dabei mit meinem normalerweise stechenden, jetzt aber eher müden Blick nicht von der jungen Frau neben mir ab.
Immerhin brauchte er keine weitere Bestätigung für sein abgekämpftes Äußeres, jedoch wollte ich auch nicht in der Wunde herumstochern, fühlte ich mich selbst ebenfalls wie einmal durchgekaut und wieder ausgespuckt, was ich wirklich nicht zu empfehlen fand. Es gefiel mir schlichtweg nicht, mich so müde und mitgenommen zu fühlen, obwohl der Schwindel und die Kopfschmerzen schon längt sua fein erträgliches Minimum zurückgegangen waren, weshalb es sich auch leicht aushalten ließ und nicht verhinderte, dass meine Gedanken wie wild durch die Gegend sprangen, nun, wo ich wieder jemanden zum Reden hatte und dem das Verpasste möglichst prägnant zusammenfassen musste. Ob ich das alles überhaupt aussprechen wollte, interessierte dabei wohl keinen, aber darauf nahm auch ich in dem Augenblick keine Rücksicht, sondern seufzte nur leise. Seine abwimmelnde Antwort nahm sie schweigend hin, wollte sich da nun nicht auf eine ausufernde Unterhaltung einlassen, sondern schloss das Buch noch kurz, ehe sie sich die Seite gemerkt hatte, auf der sie unterbrochen wurde, legte das Objekt auf das kleine Tischchen neben sich, ehe sie mit einer Falte auf der Decke nach dem Umwenden sah, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und mit ihren Fingern nachgezogen werden musste, ehe sie noch verschwand. „Das Haus ist zu einem Großteil ausgebrannt worden und der Ruß lässt sich kaum beseitigen, was bedeutete, dass es ein ziemlich heftiges Feuer gewesen sein muss. Wir hatten alle ziemliches Glück“, meinte ich leise und knabberte dann einen Moment am Rand meiner Lippe, nahe einem Mundwinkel, herum. „Du bist ziemlich schnell noch mal ohnmächtig geworden, nachdem du dich gegen Hilfe gewehrt hast und meintest, dass du schon selbst gehen kannst, wenn du dich nur kurz ausruhen darfst. Naja… über die Definition von diesem kurz kann man jetzt diskutieren, aber ein Verwandter von mir hat sich um deine Verbrennungen und ja… ahm… meinen Verdienst gekümmert und dafür gesorgt, dass das Ruß von dir runterkommt. Du hast echt die ganze Zeit null mitbekommen, wie mir erzählt wurde und dann ist entschieden worden, dass Frischluft und ein bisschen Abstand von der Aufregung gut tut. Tja… hier sind wir“, endete ich meine Erzählung und zuckte leicht die Schultern, als ich doch wieder zu Isaac hinübersah, dessen Blick ich permanent auf meinem Gesicht gespürt hatte.
Mir passte nicht wirklich gut in den Kram, dass Riccarda mir meine Vermutung bestätigte und sich tatsächlich irgendeine fremde Person um meinen Körper gekümmert hatte, während ich im Delirium geschlummert hatte. Das war ein massiver Eingriff in meine Privatsphäre, den ich eigentlich nur ungern einfach so hinnahm, ohne den Engelsoberhäuptern klar zu machen, dass sie mich das nächste Mal gefälligst verdreckt wie ich war irgendwo ablegen sollten, statt mich ohne meine bewusste Anwesenheit einfach mal eben abzuduschen. Allerdings war das gerade eines meiner geringsten Probleme und ich nahm Riccardas Worte mit einem leisen Grummeln hin, ehe ich den Kopf wieder nach vorne drehte und für einen Augenblick erneut die schweren Augenlider schloss. Der hämmernde Kopfschmerz ging mir gehörig auf den Senkel und mein erster Gedanke daraufhin war, dass selbst ich als Wolf eigentlich ausnahmsweise Mal auf Tabletten zurückgreifen konnte. Was allerdings kurz nach Beendigung dieses Gedankenganges meine Aufmerksamkeit erregte, war das 'Tja... hier sind wir.' von Riccarda. Wo waren wir denn nun? Ich warf zum ersten Mal einen Blick aus dem Fenster und auch dann dauerte trotz der Baumstämme, die ich sah, noch einen Augenblick lang, bis ich realisierte, wo wir uns denn nun befanden: In der Hütte, die wir uns unfreiwillig gemeinsam in den Flitterwochen geteilt hatten. Rund um uns herum kilometerweit bewaldetes Gebiet und kleinere Gebirgszüge zwischendrin. Um ehrlich zu sein hieß ich es in diesem Moment mehr als nur willkommen, dass ich aus dem ganzen Clan-Kriegs-Zeug für die nächsten paar Tage raus war und nur einen Menschen - besser gesagt einen Engel - in meiner Nähe hatte, den ich leiden konnte. Ich für meinen Teil weigerte mich kaum noch dagegen, zu akzeptieren, dass mir ein Engel wichtig geworden war und ich die junge Frau nicht missen wollte, obwohl wir eine nach wie vor eigenartige Version von Beziehung führten. Mein Blick wanderte wieder zu ihr, als ich erneut zum Reden ansetzte: "Wir haben nicht zufällig Aspirin da? Ich glaube die Kopfschmerzen bringen mich gleich um." fragte ich nach und fast unmittelbar danach gab mein leerer Magen ein sehr lautes Grummeln von sich. Richtig - ich brauchte ja nach Möglichkeit rohes, blutiges Fleisch, um wieder zu Kräften zu kommen.
Alles gerade nicht so einfach. Aber wann war es jemals leicht gewesen, mit einem Werwolf und seiner katastrophalen Sippschaft verheiratet zu werden, vor allem, wenn besagter Wolf begann, einem ans Herz zu wachsen, was man am Anfang für vollkommen unmöglich gehalten hatte? Ich hatte keine Antwort darauf und ließ mich deshalb nur noch ein bisschen weiter in die gepolsterte Lehne des Bettes sinken, um mich in dem wärmenden Komfort der Decke zu verstecken, die ich mir am liebsten über den Kopf gezogen hätte, um anschließend die Augen zu schließen und mir keine Gedanken mehr machen zu müssen. Aber stattdessen beobachtete ich neugierig wie sich Isaac umsah, dann langsam die Erkenntnis über ihren Aufenthaltsort herausfand und ab dann wurde es interessant, denn er rastete weder aus, noch echauffierte er sich darüber, was mich durchaus erleichtert aufatmen ließ, hatte ich nun keine Lust, mich wegen der Zwangsbeurlaubung zu streiten. Eventuell ging es ihm genauso, weshalb es ruhig blieb und wir für einen weiteren Moment schweigend im Bett verbrachten, ehe sich mein Mann doch noch an mich wandte und meine Aufmerksamkeit zurück in sein verknautschtes Gesicht lenkte, was mir schon beinahe ein sachtes Lächeln abrang. „Ja, warte. Wir sollten hier irgendwo was haben.“ Ich war froh, mich nützlich machen zu können, um meine Gedanken ruhig zu halten und mich damit abzufinden, keine Ahnung zu haben, was nun daheim passierte, denn der Empfang mitten in der Pampa zwischen Wald und Wiese war alles andere als berauschend. Eben eine richtige Auszeit, die mich einerseits entspannte, andererseits aber auf brennenden Kohlen sitzen ließ. Langsam kletterte ich aus dem Bett heraus, um meinen Kreislauf nicht zu überfordern und stakste auf nackten Füßen in die kleine Küche hinüber, wo man nur das Kramen in einer der Laden vernehmen konnte, ehe das Rauschen von Wasser erklang und ich kurz darauf wieder im Schlafzimmer erschien, bewaffnet mit Tablette und etwas zum Nachtrinken. Beides reichte ich Isaac, nachdem ich mich auf seiner Seite auf die Matratze sinken gelassen hatte. „Du solltest aber aufstehen und was essen oder was auch immer tun. Ben hat gemeint, dass sich dein Blut schon regenerieren wird, aber die Schadstoffe müssen trotzdem abgebaut werden und dafür solltest du dich auch ein bisschen bewegen und darfst nicht nur liegen.“ Ich kannte mich herzlichst wenig aus, aber das waren die Worte meines Verwandten gewesen, sodass ich auch daran hielt, dass der wusste, wovon er sprach.
Wann hatte ich eigentlich mal zu einer Tablette gegriffen? Ich wusste nicht, wann das das letzt Mal der Fall gewesen war, aber es musste eine halbe Ewigkeit her sein. Sowas wie Kopfschmerzen bekam ich sowieso normalerweise nicht, war für mich sehr ungewöhnlich. Aber das lag wohl ganz einfach daran, dass ich eine nicht unwesentliche Rauchgasvergiftung erlitten hatte. Mein Körper war unweigerlich noch immer damit beschäftigt, die Schadstoffe auszuschwemmen und das Ganze schien mehr schleppend voran zu gehen. Wohl nicht zuletzt, weil ich einfach so gar nicht bei Kräften war. Nicht, was meine Muskeln anging, sondern weil einfach der Energielieferant fehlte. Dankend nahm ich Tablette und Wasser entgegen, schmiss erstere ohne zu zögern ein und trank das Glas auf Ex aus. Ja, Durst hatte ich wohl auch ordentlich gehabt, wobei der Hunger irgendwie präsenter gewesen war. Es folgten dann noch ein paar Worte seitens meiner Ehefrau, die wohl recht hatte. Von Nichts würde eben auch nur Nichts kommen. Ich sollte meinem Körper also bestmöglich dabei helfen, wieder auf die Beine zu kommen, anstatt hier noch weitere Stunden im Bett liegen zu bleiben. Dabei waren die Kissen doch so schön weich und die Matratze hatte den perfekten Härtegrad, um nicht zu weich, aber eben auch nicht zu hart zu sein. Das machte es nicht gerade einfacher, Motivation zum Aufstehen zu finden. Ich stellte das Glas erst einmal auf dem Nachttisch ab, bevor ich mich noch einmal tiefer ins Bett sinken ließ. Ohne darüber nachzudenken, zog ich Riccarda mit beiden Armen umklammert wieder ein Stück aufs Bett zurück zu mir, ehe ich meinen Kopf einfach auf ihre Beine sinken ließ. Dabei war ein Arm noch immer um ihre Hüfte gelegt, wenn auch recht locker. "Hmmm, noch fünf Minuten.." murmelte ich müde in ihren Schoß, schloss erneut die Augen. Ich hätte nicht sagen können, warum ich gerade die Nähe der jungen Frau suchte, aber sie tat gut und entspannte mich trotz des hämmernden Kopfschmerz' ein wenig. Zumal ich auch ehrlich nicht glaubte, dass sie Etwas dagegen haben könnte. Würde ihr Nichts an mir liegen, hätte sie mich wohl kaum aus dem Schloss geholt, als ich es selbst nicht mehr gekonnt hatte. "Danke, Riccarda.. für Alles." murmelte ich beinahe noch leiser ein, zwei Minuten später vor mich hin. Ich tat mir schon immer schwer, mich für Etwas zu bedanken, aber das war ich ihr mehr als schuldig. Sie hatte mich aus dem brennenden Haus geholt, als es wohl niemand sonst getan hätte und ich war ihr wirklich aufrichtig dankbar dafür. Wie das sonst geendet hätte, wollte ich nämlich lieber gar nicht erst wissen.
Was hatte mein Verwandter noch gesagt? Viel trinken und frische Luft. Sollte durchaus machbar sein, wobei diese Anmerkung schnell wieder ins Wanken geriet, als ich mir Isaac genauer ansah, der irgendwie im Bett lag, den Kopf schon wieder halb im Kissen vergraben und sich wohl innerlich erst dazu animieren musste, sich aufrecht hinzusetzen, um dann aber doch gierig nach der Tablette zu greifen, sich diese in einem Schwung einzuwerfen. So schnell konnte ich gar nicht schauen, war auch das gefüllte Glas Wasser wieder leer retour gekommen, sodass ich es auf den Nachttisch stellen konnte, um nun doch vorzuschlagen, dass wir etwas essen sollten, da mich ebenfalls ein leichter Hunger eingeholt hatte – wahrscheinlich ein anderes Hungergefühl als das des Wolfes, aber immerhin kniff mein Bauch ebenfalls ein bisschen. Die Worte erstarben nur sehr schnell, als ich auf einmal von einem starken Arm umschlossen wurde, der mich ein wenig zur Seite zog, sodass ich kurz darauf einen sachten Druck auf meinen Oberschenkeln spürte und nur erstaunt auf den Kopf des jungen Mannes – meines Ehemannes – schauen konnte, wie er es sich auf mir bequem machte. Verdutzt traf es dabei ganz gut, hatte ich damit kaum gerechnet, wo unser Verhältnis doch ziemlich angespannt war und wir gewiss nicht die Märchenbuchbeziehung führten, die wir den Menschen vorgaukelten. Trotzdem störte ich mich nicht an der unerwarteten Berührung, sondern ließ meine Hand kurz auf seine nackte Haut an der Schulter sinken, als mein Blick noch immer auf seinen dunklen Haaren hing. „Fünf Minuten gehen in Ordnung“, stimmte ich ihm leise zu, hatte ich doch keine Ahnung, ob er mir nun gleich wieder einschlief und ich so für die nächste Stunde gefangen gehalten wurde oder wie ernst er es mit der Zeiteingrenzung tatsächlich nahm. Ich konnte wohl nur auf das Beste hoffen, wartete ab, indem ich es mir zur Aufgabe gemacht hatte, ihm kurzerhand ein paar Strähnen seitlich aus dem Gesicht zu streichen, als ein genuscheltes Danke von ihm zu hören war, das mich kurzfristig ertappt innehielten ließ, ehe ich den Kopf ein bisschen schief legte. Für alles, meinte er. Erneut überraschte Isaac mich – im positiven Sinne! – und ich nickte ein wenig, nicht damit rechnend, dass er die Geste sah, es war auch eher ein Zeichen für meine persönliche Akzeptanz seiner Einsicht. „Schon okay, ich hätte dich ja wohl schlecht zu einem Grillhühnchen werden lassen können“, erwiderte ich mit einem sanften Grinsen in der Stimme, kam ich doch mit der ernsten Situation nicht so ganz zurecht. Es war ziemlich befremdlich und trotzdem durchaus angenehm. Manchmal meinte ich wirklich zu glauben, dass wir das doch irgendwie hinbekamen, trotz der Anfeindungen und eigens verursachten Komplikationen. Ich genoss den ruhigen Moment daher noch ein paar Atemzüge länger, ehe ich mich leicht zu regen begann und ihn nun nachdrücklicher an der Schulter berührte, leicht rüttelte. „Schauen wir jetzt, dass wir dir irgendwas auf den Teller zaubern oder beantragst du Verlängerung?“, stellte ich ihm die Optionen zur Verfügung, war aber durchaus gewillt, auch selbst etwas zwischen die Kiemen zu bekommen.
Grillhühnchen. Ich hätte jetzt ziemlich gern eines gehabt, um ehrlich zu sein. Selber eins werden wollte ich aber nicht, wobei ich wohl eher als Grillhündchen zu bezeichnen gewesen wäre. War ja aber zum Glück nicht der Fall dank meiner Ehefrau, der wohl als Einzige Etwas an der Erhaltung meines Lebens gelegen hatte. Wobei ich jetzt eher rohes Fleisch brauchte, bestmöglichst noch ein bisschen blutig. Zwar würde ich es sicher noch hinkriegen, irgendwie einen Hasen zu erlegen, aber eigentlich war hektische Jagd gerade das Letzte, worauf ich Lust hatte. Allein als mir das bewusst wurde, war mir klar, wie es momentan um mich stand - nicht besonders gut, wenn auch mein Leben keinesfalls auf der Kippe stand. Selbst jetzt, wo ich stark geschwächt und hungrig war, arbeiteten meine Selbstheilungskräfte vor sich hin, nur eben nicht besonders schnell. Da kam mir die kleine "Streicheleinheit" hier doch sehr gelegen, ließ mich das zumindest ein klein wenig entspannen. Für einen Moment lang schlang ich meinen Arm wieder fester um Riccarda, grummelte leise an ihre Oberschenkel und verharrte so noch ein paar Sekunden, ehe ich mich dann doch von ihr löste und mich langsam - ich wollte ja vermeiden, dass mir direkt wieder schwarz vor Augen wurde - aufrichtete, mir dann die Haare mit einer einzigen Handbewegung nach hinten strich. "Hilft ja nix, muss was essen..." stellte ich halb gähnend fest, bevor ich dann in aller Ruhe aufstand und kurzzeitig nach meinem Gleichgewicht suchte. Ja, Bewegung wäre wohl auch wirklich angebracht, um meinen Kreislauf in Schwung zu bringen. "Ich geh nur eben kurz ins Bad. Du kannst ja schonmal gucken, was du so in der Küche findest.." meinte ich noch an Riccarda gewendet und warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor ich mich dann ganz langsam auf den Weg zum Badezimmer machte, das zum Glück unmittelbar neben dem Schlafzimmer lag. Ein kurzer Blick in den Spiegel über dem Waschbecken bestätigte mir die Vermutung, dass ich beschissen aussah, bevor ich die Boxershorts loswurde und dann unter die Dusche stieg. Stinkig oder dreckig war ich zwar nicht, aber es half meinem Kreislauf ungemein, wenn ich zwischen warmem und kaltem Wasser wechselte. Gesagt, getan.
Ich fühlte eine gewisse Erleichterung, aber auch Freude, als sich Isaac zu entspannen begann und die Zuneigung offensichtlich zuließ, die ich ihm mit den Streicheleinheiten schenkte. Es war wohl doch ein ziemlich entscheidender Moment in der seltsamen Beziehung zwischen uns, doch ich wusste nicht, ob ich es eher befremdlich fand oder einfach nur ungewohnt, da ich bisher eher versucht hatte, den eigenwilligen Kerl auf Distanz zu halten – dabei war unser Verhältnis ohnehin schon sehr viel besser als vor ein paar Monaten, in denen er wir uns am liebsten in den Höllenschlund zurückgeschossen hätten, aus dem der jeweils andere angeblich kam. Es hatte sich schon ziemlich viel zwischen uns geändert, wie ich in dem Augenblick feststellte; und das nicht unbedingt zum Schlechten. Er legte seinen Arm für einen oder auch zwei Atemzüge enger um mich, grummelte etwas undeutlich vor sich her, sodass ich mich schon versucht war, näher nachzufragen, aber stattdessen schwieg und schlussendlich auch meine Finger zurückzog, als Bewegung in Isaac kam, der nun hörbar das Unvermeidliche angehen wollte. Zustimmend nickte ich, beobachtete dabei aber seine vorsichtigen Bewegungen. Er wirkte nicht schwach, unmöglich, wenn man sich seinen trainierten Körper einmal genauer angesehen hatte, aber gleichzeitig merkte ich ihm klar und deutlich an, wie es um ihn bestellt sein musste, sodass ich mich beinahe versucht war, sicherheitshalber einen Arm auszustrecken, hielt mich aber gerade noch zurück, beobachtete weiterhin schweigend, bis der zerzauste Kerl aufgestanden war und sich auf den Weg ins Bad machte. Nickend gab ich zu verstehen, dass ich ihn verstanden hatte, wartete dennoch einen Moment ab, ehe ich mich aufrappelte und in besagte Küche marschierte, um mir dort einmal den Inhalt des Kühlschranks durchzusehen. Hunger hatte ich keinen, mir lagen die jüngsten Ereignisse noch immer im Magen, aber die Energie brauchte ich wohl dennoch, um nicht nur pausenlos im Bett herumzuliegen, auch wenn ich mir dort gerade am liebsten vergraben würde. Ich fühlte mich noch dazu ziemlich planlos, was ich einem Werwolf vorsetzen konnte, Isaac nachzufragen kam mir dann aber auch ein wenig doof vor, vor allem, als ich das Wasser noch rauschen hörte. Daher begann ich damit, ein bisschen Gemüse aufzuschneiden, bevor ich der Überlegung eines Omeletts nachging, was einem Fleischesser wohl eher gegen den Strich ging. „Isaac?“, rief ich wahlweise, ob er mich dennoch verstehen würde, lauschte in die Richtung des Badezimmers und knabberte dabei auf einem Paprikastück herum.
Ich merkte, wie ich Stück für Stück doch ein wenig wacher, aktiver wurde, als ich immer wieder zwischen warmem und kaltem Wasser wechselte. Mein Kreislauf sprang gut darauf an und so fühlte ich mich doch wirklich ein wenig besser, als ich den Hahn letzten Endes wieder zudrehte und aus der Dusche stieg, um kurz darauf auch schon nach dem großen Handtuch zu greifen, um mich abzutrocknen. Zwar lief das Alles noch eher langsam und wenig schwungvoll ab, aber immerhin stand ich auf den Beinen. So band ich mir das Handtuch um die Hüfte und war dann - ganz ich selbst eben - natürlich eitel genug, um mir zumindest die Haare ordentlich zu machen, wenn ich schon sonst ziemlich scheiße aussah. So stand ich doch ein, zwei Minuten vor dem Spiegel und musterte mein Gesicht auch noch einmal, nachdem ich mit den Haaren fertig war. Herrje, wann hatte ich zuletzt so fertig ausgesehen? War eine Ewigkeit her, dass ich derart ausgelaugt und müde ausgesehen hatte. Mit einem leisen Seufzen wendete ich den Blick von mir selbst ab, als auch schon meine Ehefrau nach mir rief. Langsam, wie ich heute nun einmal war, rief ich nur ein "Komme gleich.." zurück, bevor ich aus dem Badezimmer zurück ins Schlafzimmer ging, um mir Klamotten aus dem Schrank zu suchen. War wohl jemand so nett gewesen, meine Sachen zu verstauen, wo ich Nichts gegen einzuwenden hatte. So kramte ich frische Unterwäsche, eine schwarze Jeans und ein weißes Shirt aus dem Schrank und zog alles an, bevor zu guter Letzt noch Socken folgten, weil der Boden leider nicht beheizt war. Ich verlor dann auch keine Zeit mehr, sondern schlenderte zu der schlanken jungen Frau rüber in die Küche. "Hmn?" hakte ich nach, was sie denn von mir gewollt hatte, überflog nur grob das bereits geschnittene Gemüse. Sie hatte also schon ein wenig Vorarbeit geleistet, wogegen ich weiß Gott Nichts einzuwenden hatte, weil kochen eher weniger mein Ding war. Ich öffnete den Kühlschrank, um nachzusehen ob auch Fleisch auffindbar war und tatsächlich, da waren zwei eingefrorene Stücken Schweinelende zu sehen. Das reichte... also für heute, meine ich, um eben erstmal nicht Jagen zu müssen. So nahm ich das Fleisch aus dem Gefrierfach und steckte es zum Auftauen - nicht garen, nur auftauen damit ichs nicht lutschen musste - erstmal in die Mikrowelle.
Ich ging mal ganz getrost davon aus, dass Isaac kein Omelette mit mir mitessen wollen würde, weshalb ich auch nur zwei Eier in eine Schüssel schlug und dann den Paprika kleingeschnitten ebenfalls dazu warf, ein bisschen Schnittlauch hineinschnippelte und am Ende fand ich sogar noch ein bisschen geriebenen Käse und ein Blatt Schinken, das ich in Scheiben schneiden konnte, um ebenfalls in die seltsam aussehende Flüssigkeit dazuzugeben, die dann anschließend in eine Pfanne kam und dort dann ein bisschen vor sich her prasseln durfte. Zufrieden mit meinem Werk nickte ich die Herdplatte einmal an, lächelte schwach und kam mir im nächsten Moment schon wieder dumm vor, weil ich tatsächlich stolz darauf war, Omelette zu machen, was man nicht mal kochen nennen konnte. Isaac hatte ich ein bisschen Gemüse übrig gelassen, von dem ich aber andauernd naschte, wie ich mich selbst ertappte… aufhören konnte ich dennoch erst, als besagter junger Mann frisch geduscht um die Ecke kam. Er sah bedeutend frischer aus, aber dennoch fertig, als hätte er tagelang kein Auge zugetan. Kurz lief meine Musterung über ihn drüber, ehe ich mich leicht gegen die Kante der Arbeitsplatte lehnte und ihm dabei zusah, wie er den Kühlschrank durchforstete. „Ich wollte dich eigentlich nur fragen, was du essen möchtest.“ Das Auftauen des Fleisches schien er ohnehin selbst hinzubekommen, obwohl ich meistens überhaupt keine Geduld hatte, um da wirklich so ewig zu warten und in der Mikrowelle dauerte es mir meistens auch noch zu lang. Naja. Hier und da stocherte ich mit einem langstieligen Kochlöffel in dem Ei herum, würzte das Ganze dann einmal, bevor ich es noch einmal in Ruhe ließ und mich wieder vermehrt dem werten Herrn zu meiner linken zuwandte. „Wir werden zwar sicher nicht verhungern, aber die Gourmetauswahl hast du trotzdem nicht, was Beilagen betrifft… oder brauchst du sowas gar nicht?“, fügte ich dann doch noch eher zögerlich hinzu, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Also ich konnte nicht nur Fleisch essen, eigentlich tat ich das ja gar nicht, aus moralischen Gründen, aber ein strenger Vegetarier… das schaffte ich einfach nicht, dazu war ich zu schwach, das gab ich auch einfach zu, denn wer besaß wirklich den Willen, einem herrlich duftenden Steak vom Grill zu widerstehen? Ganz ehrlich! Niemand; zumindest nicht ohne innere Qualen. „Der Arzt hat dir Ruhe und Erholung verschrieben, aber Ben kennt sich eben auch nicht mit den Feinheiten deiner Anatomie und Heilungsfähigkeiten aus… er hat das Schlimmste mit seiner Kraft behandelt, aber den Rest musst du wohl durch Schonung wegstecken“, griff ich das Thema noch mal an, in der stillen Hoffnung, dass er mir von sich aus sagte, was ich tun sollte, damit es ihm besser ging.
Während das Fleisch also gemütlich in der Mikrowelle vor sich hin taute, lehnte ich mich leicht gegen die Theke und sah zu Riccarda, die in dem Ei in der Pfanne auf der Herdplatte herumstocherte, ehe sie sich wieder mir zuwandte. Ehrlich gesagt war ich wohl an sich eigentlich verwöhnt, was Essen anging, weil wir doch einen ziemlich guten Koch im Schloss hatten, der wohl nicht kreativer mit Fleisch und dessen Beilagen hätte sein können. Er hatte mich oft mit seinen neuen Kreationen überrascht - im positiven Sinne. Aber ich kam auch mit wesentlich weniger aus, hatte das nicht dauerhaft nötig. Ich ging ja schließlich auch jagen, um mir blutiges, rohes Fleisch zu holen und da nahm ich mir auch nicht Pommes oder weiß Gott was als Beilage mit. Das kam dann so, wie ich es erlegt hatte, auch umgehend in den Magen und es war perfekt, schmeckte auch allein einfach absolut herrlich. Aber mit aufgetautem Fleisch war das dann doch was Anderes... das war zum einen nicht frisch, zum anderen auch noch nicht blutig. Da wäre eine Beilage schon ganz nett, fand ich jedenfalls. Wenn nämlich kein Blut da war, das das Fleisch auch saftig und geschmackvoller hielt, schmeckte es nach sehr viel weniger. "Sei doch einfach so lieb und mach noch ein, zwei mehr Eier... ja?" bat ich sie mit einem schiefen Grinsen darum, noch ein wenig mehr von dem Omelett zu machen. Eiweiß war nämlich allgemein auch sehr gut für meine Regeneration, konnte absolut nicht schaden und mit Gemüse drin... naja, brachte es mir eben noch ein paar andere wertvolle Nährwerte mit, die bei meinem Zustand wohl nicht schaden konnten. Schlimmer werden konnte es ohnehin nicht, das war rein theoretisch nicht möglich, schließlich arbeitete mein Körper ja permanent am Gegenteil, wenn gerade auch recht langsam. Dem würde ich ja in kurzer Zeit entgegen kommen. Ich stieß mich leicht von der Küchenzeile ab und nahm Geschirr und Besteck aus den Schränken, um den Tisch zu decken. Wenn der Engel schon so nett war, mir was mit zu machen, dann wollte ich mich doch irgendwo auch am Mahl beteiligen und nahm meiner Ehefrau die Arbeit mit dem Tischdecken ab. Als das erledigt war, piepte auch die Mikrowelle und ich sah nach dem Fleisch, das inzwischen aufgetaut war. Nicht zu vergleichen mit einem frisch erlegten Reh, aber wenigstens war das Fleisch hier auch ein kleines bisschen warm geworden, ohne zu wirklich zu garen. Kalt wärs dann doch... naja, nicht gerade appetitlich. "Und ja, ich weiß... was Anderes als einen ruhigen Ton anzuschlagen bleibt mir eh nicht wirklich übrig in meiner Verfassung." stellte ich ein wenig sarkastisch fest, als ich das Fleisch auf meinem der beiden Teller auf dem Tisch ablud. "Also sei so gut und lock' diesmal keinen Bären an, ja?" neckte ich sie und fing an zu grinsen, als ich mich auf den Stuhl hatte sinken lassen.