Na immerhin hatte dann einer von uns beiden eine beschwerdefreie Anreise gehabt. Ich nickte Iljah daraufhin bloß leicht zu, weil wir beide bisher nie wirklich erfolgreich einen langen Smalltalk geführt hatten und ich nicht das Gefühl hatte, dass sich das zeitnah ändern würde. Könnte immer noch daran liegen, dass ich versucht hatte, seinen besten Freund in seinem eigenen Haus abzustechen. Er schien einen Moment lang zu zögern, nahm die Zigarette dann aber doch an. Sobald er das Feuerzeug zurück in die Schachtel gesteckt hatte, schob ich die Raucheruntensilien in meine Hosentasche. Daraufhin warf ich einen etwas längeren Blick in Richtung des Lieferwagens. Iljah setzte zu einer Frage an und ich drehte den Kopf erst zurück in seine Richtung, als der Name seiner Schwester fiel. Das Verhältnis der beiden schien mir schon immer generell schwierig zu sein und Vahagn redete auch darüber nicht gerne. Ich hatte meine eigene Theorie dazu, warum das so war und würde mich damit jetzt auf ewig zufriedengeben müssen. Zumindest, wenn wir beide weiterhin stur blieben… und danach sah es ganz schwer aus, wenn Vahagn sogar schon zurück nach Russland geflogen war. Ich konnte nicht verhindern, dass ich den Russen für ein paar Sekunden lang völlig perplex ansah. Es nicht schaffte, mich schnell wieder zu fangen, weil ein Teil meines Herzens darauf hoffte, dass er einen blöden Scherz gemacht hatte, weil sein Humor und meiner noch nie derselbe waren. Aber es war kein Scherz. Vahagn hatte ihren Koffer gepackt und war weggerannt. So, wie sie es jedes verdammte Mal tat, wenn es schwierig wurde. Aber das hier war anders als sonst. Die Trennung fühlte sich von einer Sekunde auf die andere unfassbar viel endgültiger an, jetzt wo ich wusste, dass sie auf der anderen Seite der Erde in ihrer Heimat war. So weit weg von mir, wie nur irgendwie möglich. Mit einem Schlucken, dass meine Kehle spürbar träge auf und ab wandern ließ, versuchte ich mich aus der Starre zu lösen. Sah von Iljahs Gesicht weg auf die Zigarette zwischen meinen Fingern und zog einmal sehr ausgiebig daran, im verzweifelten Versuch, dadurch das laute Herzklopfen zu mildern. Vergeblich. “Sieht so aus, als hätten wir jetzt wenigstens eine Sache gemeinsam, du und ich…”, stellte ich beim Ausatmen fest, sah da aber noch immer nicht wieder in sein Gesicht. “...sie erzählt uns nichts mehr.” Ich hob den Blick in seinen an und versuchte dabei nicht wirklich konzentriert, den Schmerz aus meinem Gesichtsausdruck zu vertreiben. Entsprechend geknickt musste das schiefe Lächeln aussehen, das kaum bis zu meinen Augen hochkam. “Ich wusste nicht, dass sie nach Russland abgehauen ist. Sieht ihr aber ähnlich.” Ich versuchte wirklich, neutral zu klingen, aber meine Enttäuschung war trotzdem rauszuhören. Wie schaffte diese Frau es, mir selbst auf diese Entfernung noch Messer durch die Brust zu werfen? Solange ich das nächste Mal an der Zigarette zog, wägte ich ab, ob ich Iljahs eigentliche Frage beantworten sollte oder nicht. Wenn Vahagn wieder bei ihm wohnte und er nicht wusste, warum sie sich so verhielt, dann konnte er ihr auch nicht helfen… wobei ich mich bei diesem russischen Eisklotz hier sowieso ganz grundsätzlich fragte, ob er zu aufrichtigem Mitgefühl fähig war. Wenigstens seiner einzigen Schwester, seiner Familie gegenüber. Er konnte nur für sie da sein, wenn er wusste, warum sie sich so kratzbürstig verhielt. Außerdem wollte ein kleiner, wirklich winziger Teil in mir so gemein sein und Vahagn in den Rücken fallen. Wenn sie es nicht schaffte, sich mir weit genug zu öffnen, um endlich vollkommen ehrlich zu mir zu sein und mich wirklich ein Teil ihres Lebens sein zu lassen, dann brauchte ich mein loses Mundwerk auch nicht zurückhalten, oder? Wenn sie weiter die gleichen Fehler machte, dann durfte ich das auch. Trotzdem wusste ich, dass das nicht richtig war. Dass es nicht das war, was ich eigentlich wollte. Vielleicht würde ich mich dann für zwei Minuten besser fühlen, einen Hauch Genugtuung verspüren. Doch wenn ich Vahagns Bruder jetzt wieder etwas verklickern würde, dass sie selbst ihm offenbar nicht bereit zu erzählen war, dann würde ich sie für immer verlieren. Da war ich mir sicher. Zumindest einer von uns musste klare Stellung beziehen, wenn ich uns nicht für immer und absolut restlos zerstören wollte. “Wir standen schon mal an einem ähnlichen Punkt, erinnerst du dich? Ist letztes Mal nicht gut für mich ausgegangen, als ich dir etwas klarzumachen versucht habe, von dem sie nicht wollte, dass du es weißt… ich mache Fehler lieber nur einmal.”, bezog ich, meinem Charakter treu bleibend, meinen Standpunkt hinter Vahagn. Es spielte keine Rolle, wie weit weg sie gerade war. Ich konnte ihr nicht während unseres letzten Streits vorhalten, ständig dieselben Fehler zu machen und mich jetzt genauso verhalten, nur weil sie mir weh getan hatte. Das verdiente sie nicht und ich würde es nur bereuen. Jedoch reichte meinem hart gegen die Rippenbogen schlagenden Herz dieser gute Wille nicht, um sich zu beruhigen. Ich könnte so viel an die Tür ihrer Wohnung in Havanna hämmern, wie ich wollte – Niemand würde mir aufmachen. Sie war gegangen, ohne auch nur ein einziges Sterbenswort zu sagen. Kein Auf Wiedersehen. Kein Lebewohl. Sie ließ mich hier hängen und war dann noch nicht mal mutig genug, den seidenen Faden zwischen uns komplett durchzuschneiden. Lieber ließ sie mich ihren Wohnungsschlüssel behalten und für immer hoffen. Die Zigarette, die auch nicht ewig halten würde, war gerade das Einzige, das mich noch davon abhielt, zu implodieren… und der Schlüssel, nach dem ich tastete, weil er unweit der Kippenschachtel in meiner Hosentasche war. Außerdem brauchte ich den Schmerz, der sich in meine Handinnenfläche fraß, als ich mit angespannt gestrafften Schultern den Schlüsselbund gefühlt in der Hand zerquetschte. Ich konnte nur knapp verhindern, dass ein Zittern durch meinen Arm fuhr. Schreien wäre gerade auch gut gewesen. Ich hasste diesen Job.
Oh, scheinbar hatte ich genau ins Schwarze getroffen. Die entglittenen Gesichtszüge des Norwegers sprachen für sich, eigentlich hätte er meine Frage gar nicht mehr beantworten müssen. Das tat er aber kurze Zeit später, nachdem er sich wieder einigermaßen gefangen hatte und bestätigte mir somit auch verbal meine Vermutung. Ich konnte nicht anders, als über den Anblick, der sich mir bot, herzhaft zu lachen. Verschluckte mich dabei fast an dem Rauch in meinen Lungen. Wie er mich ansah! Ein Bild für die Götter. "Scheiße, ehy...", japste ich, als ich mich wieder eingekriegt hatte. Dann hob ich die freie Hand an, um sie Tauren auf die Schulter zu legen. "Das tut mir Leid, man, ehrlich. Aber sie hat lange durchgehalten, dass muss man ihr lassen.", fügte ich hinzu und klang dabei belustigter, als ich es hätte sein sollen, wenn ich einen Teil meiner Aussage tatsächlich ernst meinte. Es tat mir nämlich wirklich leid für den jungen Mann. Zwar konnte ich ihn wegen des Zwischenfalls damals in Russland nicht besonders gut leiden, aber ich war erwachsen genug, um da drüber zu stehen. Dennoch zu sehen, dass die beiden sich gut ergänzt und von der Beziehung profitiert hatten. Natürlich konnte ich nicht für Tauren sprechen, aber auf Vahagn hatte die gemeinsame Zeit einen durchweg positiven Einfluss gehabt. Ich hatte jedoch von Anfang an die Befürchtung, dass die Liebelei der Beiden nicht für immer war. Das sah meiner Schwester einfach nicht ähnlich, sie war nicht dazu in der Lage, sich längerfristig zu binden. War sie nie gewesen und würde es wahrscheinlich auch nicht mehr werden. "Schade eigentlich. Ihr habt so gut zusammen gepasst...", gab ich jetzt ein wenig nachdenklich noch ein paar Worte von mir und nahm einen weiteren Zug von dem Glimmstängel. Trauriges Thema, keine Frage, allerdings müsste ich lügen, würde ich behaupten, dass diese Neuigkeiten mir jetzt aufs Gemüt schlugen. Ich war nach wie vor eigentlich ganz gut drauf. Das konnte man von dem Norweger allerdings nicht behaupten. Ihm schien es damit ziemlich schlecht zu gehen, was gewissermaßen nachvollziehbar war. Wenn er Vahagn wirklich geliebt und tatsächlich nicht gewusst hatte, dass die Schwarzhaarige nach dem Streit zurück nach Russland gereist war, musste für ihn gerade eine kleine Welt zusammengebrochen sein. Er schien ein paar aufmunternde Worte zu brauchen und war damit bei mir an genau der richtigen Adresse. Meine Hand lag noch immer auf seiner Schulter und ich übte mit dieser jetzt einen fast freundschaftlichen Druck aus. "Mach' dir keinen so großen Kopf. Am Ende war es vermutlich das Beste, was dir hätte passieren können. Auf lange Sicht hätte dich meine Schwester vermutlich Stück für Stück kaputt gemacht. Und das hast du nicht verdient. Bist doch 'nen netter Kerl." Das war vermutlich nicht unbedingt das, was er hatte hören wollen, aber das Beste, was ich ihm anbieten konnte. Dass ich meine Schwester damit durch den Dreck zog, war natürlich nichts Neues, dessen war sich Tauren vermutlich auch bewusst. Es ließ sich aber auch nicht abstreiten, dass ich Recht hatte. Ich kannte die junge Frau nun schon eine ganze Weile und wusste, dass sie einen Hang dazu hatte, ihre Mitmenschen systematisch von Innen heraus zu zerstören. Wenn ich so darüber nachdachte, lag das bei uns aber irgendwie in der Familie. Naja. Ich ließ meine Hand jedenfalls wieder sinken, wandte außerdem den Blick von meinem Gegenüber ab und sah stattdessen wieder in die Sterne. Erst, als sich der Norweger erneut zu Wort meldete, um mich subtil wissen zu lassen, dass er mir den Grund für den Streit nicht nennen würde, sah ich ihn wieder direkt an. Zuckte schwach mit den Schultern. Gut, dann eben nicht. Wenn er mir nicht verraten wollte, was genau Vahagn so aufs Gemüt schlug - wobei die Trennung vermutlich schon Grund genug sein dürfte -, dann musste ich das wohl so hinnehmen. War schade, meine Neugier war immer noch enorm, aber ich würde ihn um diese Information nicht auf Knien anflehen. "Ich erinnere mich, sehr gut sogar." Wie könnte ich auch nicht? Er war schließlich drauf und dran gewesen meinen besten Freund abzustechen. Das war mir durchaus im Gedächtnis geblieben. "Das verstehe ich natürlich. Aber ich dachte, vielleicht könntest du ein wenig Licht ins Dunkeln bringen, damit ich versuchen kann, ihr irgendwie zu helfen, aber dann muss sie da wohl allein durch.", versuchte ich ein letztes und sehr indirektes Mal, ihm Informationen zu entlocken. Wenn er noch immer nicht mit der Sprache rausrücken wollte, dann würde ich nicht weiter nachhaken. Meine Schwester war immerhin alt genug, für sich selbst zu entscheiden, wem sie was erzählte, aber sie benötigte hier und da eigentlich einen Arschtritt, wenn sie sich so gar nicht mehr fing. Das war dann in aller Regel meine Aufgabe, aber wenn ich nicht wusste, wo ich ansetzen sollte, blieb mir wohl nichts anderes übrig, als sie sich selbst zu überlassen. Wenn der Druck irgendwann zu groß wurde, würde der Hilfeschrei schon kommen. Oder halt auch nicht und dann war es sowieso egal.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Was würde schlimmstenfalls passieren, wenn ich seine Hand wegschlage? Und was, wenn ich ihm für dieses dreiste Lachen mit einem gezielten Boxhieb die Nase breche? Normalerweise dachte ich über sowas schon gar nicht mehr nach, auch nicht in grenzwertigen Situationen. Hunter hatte mir mehrfach eingeprügelt und zweifach in den Nacken geritzt, wo seine Toleranzgrenze für meinen Ungehorsam lag. Das Maß dahingehend war voll und ich wäre dumm, mir jetzt auch noch selbst ein Bein zu stellen, indem ich Iljah ein weiteres Mal nicht den Respekt zollte, den alle Involvierten von mir erwarteten. Vielleicht wollte ich wirklich kein Teil dieser kaputten Familie werden, die sich so schamlos über die Schmerzen ihrer Mitmenschen amüsieren konnte. Das hatten die Gniwek-Geschwister untrennbar gemeinsam. Möglicherweise meinte Iljah es wirklich nicht persönlich, aber es fiel mir verdammt schwer, mich selbst davon zu überzeugen. Dieses Lachen und seinen schier endlosen Sarkasmus einfach über mich ergehen zu lassen, weil es in dieser Situation keine sinnvolle andere Option für mich gab. Ihn Zurechtzuweisen oder in die Scheiße zu reiten kam mit auf die Liste von Dingen, die ich mir für irgendwann später aufheben musste. Für den Moment, in dem ich keinem dieser beiden Arschlöcher mehr untertänig sein und brav mit dem Kopf nicken musste. “Hat sie schon.”, korrigierte ich Iljahs Aussage in stumpfem Tonfall. Nicht, weil ich ihm meine Gefühle oder seine kaputte Familie unter die Nase reiben wollte, sondern weil ich schlicht wusste, dass es so war. Vielleicht hatte Vahagn mich nicht so sehr kaputt gemacht, dass ich mir tatsächlich das Leben nahm. Sie hatte mich aber nah genug an den gefährlichen Abgrund geschubst, dass ich es zumindest in Erwägung gezogen hatte. Ich spürte mein Herz immer nur dann, wenn ich an sie dachte und ich wusste längst, dass die Beziehung zu der Russin etwas in mir verändert hatte. Nicht sofort, aber langsam und stetig, über all die Monate hinweg. Wir hatten es nicht mal ein Jahr lang miteinander ausgehalten, ohne kläglich zu scheitern. Was sie alles kaputt gemacht hatte, musste ich erst noch herausfinden. Irgendwann dann, wenn es nicht mehr nur Schmerz war, den ich beim Gedanken an sie spürte. Mein Herz würde irgendwann bei ihr im eiskalten Russland erfrieren. Mit den Augen folgte ich argwöhnisch Iljahs Hand, als sie nach einer viel zu langen Zeit endlich von meiner Schulter rutschte. Ich rechnete selbst nicht mit dem plötzlichen Schnauben, das ich loswurde, als der Russe mich erneut davon zu überzeugen versuchte, ihm mehr Informationen zu geben. Es war schon schlimm genug für mich, dass er sich über unsere gescheiterte Beziehung so amüsieren konnte, während ich nach wie vor absolut offensichtlich darunter litt. Die dunklen Ringe unter meinen Augen waren nicht typisch für mich. Wie er sich über ausgerechnet diese Gefühlsebene sogar noch meine Gutmütigkeit erkaufen wollte, schlug dem Fass jedoch komplett den Boden aus. Ich rauchte meine Zigarette mit einem letzten Zug auf und ließ sie dann auf den Boden fallen. Trat sie aus, während ich den Rauch ausatmete. “Von dir lass’ ich mich nicht auch noch manipulieren.”, stellte ich klar, ohne von meinem Sneaker aufzusehen. Ich hatte verdammt nochmal genug davon, mich rumschubsen zu lassen. Trotzdem sah ich Iljah nochmal einen Moment lang an und entschloss mich nach kurzem, stummen Blickwechsel dazu, Vahagn auf der einzigen mir möglichen Ebene zu helfen. Das wollte sie ganz sicher nicht, aber sich selbst zu helfen schaffte sie in dieser Sache bis heute nicht. Es gehörte zu den Dingen, mit denen sie umzugehen lernen musste. Sonst stand sie sich für immer selbst im Weg. Ich würde Iljah jetzt schließlich nichts sagen, was er nicht eigentlich schon wüsste, hätte er sich mal länger als nur zwei Minuten damit beschäftigt. “Aber es gibt trotzdem etwas, das du für sie tun kannst…” Ich machte einen Schritt auf den Russen zu, ließ die Zigarette damit hinter mir und stand dicht vor ihm. Wir befanden uns fast exakt auf Augenhöhe, unser Größenunterschied war fast nicht nexistent. Er hatte sich zuvor in meine Komfortzone gewagt, also minimierte ich jetzt seine. “...schau sie dir an, wenn Michail mit ihr redet. Wenn er sie ungefragt wegen der guten alten Zeiten anfasst, so als wären sie immer noch Freunde.” Schon nur der Gedanke daran, wie ich die beiden vorgefunden hatte, ließ mir die Halsschlagader anschwellen. “Schau Vahagn ganz genau in die Augen. Wenn du dann immer noch denkst, es wäre falsch gewesen, ihm ein Messer in den Rücken zu stechen, bist du entweder blind oder drückst ganz bewusst beide Augen zu.” Ich versuchte nicht, die Wut in meinen schimmernden Augen zu verstecken. Dabei wusste ich gar nicht, auf wen ich jetzt am wütendsten sein sollte. Auf Vahagn? Auf Iljah? Auf Michail? Auf mich selbst? Wahrscheinlich alles davon. Iljah kannte seine Schwester länger als ich. Wenn er die Wahrheit sehen wollte, dann würde er sie in den Augen seiner jüngeren Schwester erkennen können… und wenn er das nicht wollte, dann war er der schlimmste und nutzloseste große Bruder, den ich mir vorstellen konnte. Sie konnte die Angst nicht ganz verstecken, das hatte ich in Russland gesehen und sie mochte diesen Kampf vielleicht nicht kämpfen wollen, aber ich hatte ihn noch nicht aufgegeben. Das würde ich nie. Nicht wenn ich ganz genau wusste, dass dieser Bastard wieder in ihrer Nähe war. Ich hörte eine Tür aus Richtung der Lagerhalle aufgehen, dicht gefolgt von ein paar schweren Schritten.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass Tauren so gar nichts von meinen aufbauenden Worten zu halten schien, was mich ehrlich gesagt nicht besonders überraschte. Er wäre nicht der erste, dem es schwer viel, meine schräge Art richtig zu interpretieren und damit sicher auch nicht der letzte. Ich mochte zwar überwiegend so klingen, als würde ich die ganze Welt um mich herum verhöhnen und mich über alles und jeden ständig lustig machen, aber dem war eigentlich nicht so. Ich hatte auch ein gutes Herz, das wusste ich, nur brachte einem das in unserem Metier relativ wenig. Da hielt man einen Großteil der Menschen lieber auf Sicherheitsabstand. Was passierte, wenn man das nicht tat, sah man ganz gut an dem Beispiel von Irina und mir. Kaum hatte ich den Vorhang ein wenig angehoben, hatte sich dieses Miststück wie ein Parasit in mein Herz geschlichen und bereitete mir damit jetzt in aller Regelmäßigkeit Kopfschmerzen. An manchen Tagen stand ich wirklich kurz davor, mein Handy auf dem Weg zur Arbeit einfach aus dem Fenster zu schmeißen, weil es ständig vibrierte und mich damit in den Wahnsinn trieb. Dann wiederum erinnerte ich mich daran, wie sehr die Russin meinen Alltag mittlerweile bereicherte und schon wollte ich mich für den Gedanken, den Kontakt buchstäblich wegzuwerfen, selbst ohrfeigen. Aber genug von dem Geschwätz. Worum es mir eigentlich ging, bevor ich mit den Gedanken abgedriftet war, war, dass Tauren ganz und gar nicht begeistert von meinen Anmerkungen zu sein schien. Offenbar hatte ich ihn ziemlich getroffen mit meiner Aussage, was mich im Widerspruch zu meinen eigentlichen Intentionen schief grinsen ließ. "Vielleicht tröstet dich der Gedanke, dass sie dich sehr bald schon vergessen haben wird. Dann fällt es dir sicher leichter, sie loszulassen.", erwiderte ich schließlich neutral und zuckte mit den breiten Schultern. Auch meine Zigarette neigte sich langsam dem Ende entgegen und ich bereute schon jetzt, mein Vorhaben nur für ein kurzes Gespräch mit dem Norweger über den Haufen geworfen zu haben. Bevor ich nach Havanna fuhr, musste ich mir dringend noch irgendwo eine Schachtel Kippen besorgen... Ich hatte den Zigarettenstummel gerade über die metallener Brüstung in die Nacht geschnipst, als Tauren mich erneut zum Lachen brachte. "Dass du mein Vorhaben so schnell erkannt hast, sagt mir, dass mein Schwesterchen wohl die Art von Zauberer war, die dem Publikum Einblicke in die Illusion gewährt hat. Wie langweilig." Ich ließ ein belustigtes Schnauben verlauten, welches mir kurze Zeit später beinahe im Hals stecken blieb. Ich hatte Hunters Schoßhündchen gerade noch dabei beobachtet, wie er seinen Kippenstummel auf den Boden fallen ließ und einen Wimpernschlag später stand er plötzlich direkt vor mir. Wäre ich von Natur aus ein schreckhafter Mensch gewesen, hätte ich womöglich aus Reflex einen Schritt nach hinten gemacht, aber vor Tauren hatte ich keine Angst. Warum auch? Ich mochte ihm kräftetechnisch vielleicht unterlegen sein, aber es gab ausreichend andere Gründe, weshalb ich mich nicht von ihm beirren ließ. Er wollte Hunter nicht verärgern, was er definitiv täte, wenn er sich mir gegenüber aufmüpfig verhielt und zudem wäre er im Falle einer Auseinandersetzung zahlenmäßig unterlegen. Mit ihm im Transporter gesessen hatten lediglich zwei weitere Handlanger Hunters, meine Mannschaft zählte bei routinemäßigen Abholungen mindestens sechs. Zwei Piloten, die durch ihre Position nicht gleich weniger Ahnung vom Kämpfen hatten, zwei Lagerleute, die sich um das Palettisieren und die Verladung kümmerten und zwei bis unters Kinn tätowierte und nicht weniger bewaffnete Sicherheitsleute, die den Verladebereich im Auge behielten. Im Fall der Fälle stünde es also sieben zu drei. Keine gute Aussicht für den Norweger, wenn er mich fragte. Allerdings schien ihm auch gar nicht im Sinn zu stehen, die Hand gegen mich zu erheben. Stattdessen holte er mit Worten aus, die mir mindestens einen ähnlichen Schmerz in der Magengegend bescherten, wie seine Faust es getan hätte. Ich verzog keine Miene, während der junge Mann zu mir sprach, aber ein kaum auffälliges Zusammenkneifen beider Augen sowie der langsam mahlende Unterkiefer dürften wohl ein sehr offensichtliches Indiz dafür sein, dass seine Aussage einen Funken geschlagen hatte, der ein Feuer entfachte, welches ich seit einigen Monaten immer wieder zu ersticken versuchte. Es aber eigentlich nicht sollte. Die Sache mit Michail damals hatte mich irgendwie nicht mehr losgelassen. Ich stand seither zwischen zwei Stühlen und war hin- und hergerissen in meinem Glauben. Einerseits wollte ich meinem besten Freund nichts unterstellen, was unsere langjährige Freundschaft für immer verändern würde, andererseits machte Tauren auf mich nicht den Eindruck, als gehörte grund- und wahllos Leute abzustechen zu seinen Hobbys. Das sähe eher dem Amerikaner ähnlich, aber ihm ganz bestimmt nicht. Das Gespräch mit Michail hatte natürlich nichts ergeben, was aber nichts heißen musste. Ich an seiner Stelle hätte wohl auch lieber gelogen als eine aufgeschlitzte Kehle zu riskieren. Vahagn hielt sich zu dem Thema weiterhin bedeckt, blockte jeden Versuch, sie noch einmal darauf anzusprechen, ab - wie konnte ich so eine Entscheidung treffen? Gemessen an den Worten des Norwegers sollte ich mir aber eigentlich eine ganz andere Frage stellen - war ich blind? Oder verblendet? Denn offenbar gab es deutliche Anzeichen, die ich bisher schlichtweg übersehen haben musste. Sollte dem so sein, würde es mich nicht mehr wundern, dass meine Schwester sich mir kaum mehr anvertraute. Das hatte sie zwar noch nie wirklich getan, aber als Teenager war sie mir gegenüber deutlich offener gewesen, als das jetzt der Fall war. Tja. Und da stand ich nun. Sprachlos. Und ich hätte deshalb in dem Moment nicht dankbarer für die sich öffnende Tür sein können, welche meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Einer meiner mit einer AK47 ausgestatteten Angestellten trat durch den Türrahmen und raunte mir etwas auf Russisch zu. Gab eine Information der Piloten weiter, die zum Abflug drängten, weil ein besorgniserregender Funkspruch reingekommen war, der die Küstenwache in unmittelbarer Nähe ankündigte. Und auf deren sollten und wollten wir sicher nicht auftauchen. Ich erwiderte etwas, ebenfalls auf meiner Muttersprache, ohne dabei jedoch meine Miene zu verziehen, das den Mittzwanziger mit dem Boxerhaarschnitt den Kopf wie ein getretener Hund einziehen ließ. Ein klares Anzeichen dafür, dass er verstanden hatte, wie es gerade um meine Laune stand. Er wandte sich rasch von uns ab und richtete sich stattdessen an die Männer am Transporter, erst auf Russisch, anschließend auf Englisch machte er den Jungs klar, dass sie einen Zahn zulegen mussten. Ich beobachtete das Ganze noch für einen Augenblick, ehe ich mit meinem Blick wieder Tauren taxierte. "Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen, Tauren, aber wenn du mir gegenüber noch einmal den Gedanken äußerst, dass ich im Bezug auf Vahagns Wohlbefinden willkürlich die Augen verschließe, versenkte ich dich eigenhändig mit Betonschuhen in einem See irgendwo im tiefsten Sibirien.", sprach ich trocken meine letzten Worte an den Norweger gerichtet aus, untermauerte diese noch mit einem wütenden Funkeln in den Augen, bevor ich mich letztlich auch von ihm abwendete. Ich würde wohl oder übel noch einmal zu den Piloten ins Flugzeug zurückkehren müssen, um den weiteren Ablauf zu besprechen.
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Würde sie das? Ich hoffte, dass Iljah sich dabei in seiner Schwester irrte. Alles, was in meiner Macht stand, hatte ich für Vahagn getan. Natürlich hatte ich dabei Fehler gemacht, ich war auch nur ein Mensch. Wir waren beide nicht perfekt. Doch wenn das Beste, das ich ihr zu bieten und für sie zu sein versucht hatte, für die schöne Russin nicht einmal genug war, um mich nicht schon bald zu vergessen, dann hätte ich mich doch in ihr geirrt. Nicht nur ein bisschen, sondern verdammt gewaltig. “Du hast Recht, vielleicht würde es das… also lass’ mich gerne wissen, wenn sie sich wieder normal verhält.”, gab ich ihm mit einem tiefen Atemzug zuerst einmal Recht und hängte etwas später eine etwas trockene, nicht ganz ernst gemeinte Bitte an. Wir würden uns zwangsläufig noch mehr als einmal auf diesem Flugplatz über den Weg laufen, daran kam ich dank Hunter definitiv nicht vorbei. Es war jedoch nicht Iljahs Pflicht, mich über die Laune oder gar die Aktivität seiner Schwester auf dem Laufenden zu halten. Eigentlich wollte ich das auch gar nicht, weil ich mir sehr unsicher damit war, ob mir diese Updates wirklich helfen würden. Es würde nur schwerer werden, nicht mehr jeden Tag an sie zu denken, wenn ich immer wieder etwas von Vahagn hörte. Aber ich wollte es – wissen, wie es ihr ging. Was sie tat. Ob sie so litt wie ich. Ob und wann sie wieder auf die Beine kam. Wenn schon nicht mit mir, dann wenigstens alleine… der Gedanke, sie könnte so schnell über mich wegkommen, dass schon bald wieder ein anderer Mann in ihrem Bett lag, löste allerdings sofort pochende Eifersucht in meiner Brust aus. Besser keine Updates. Nochmal einen Mann im Haus Gniweks abzustechen kam wahrscheinlich nicht gut rüber. Unser Gespräch wurde von einem von Iljahs Anhängseln unterbrochen und mein Blick fiel ebenfalls auf den jungen Mann. Folgte ihm, als er mit neuer – natürlich russischer – Anweisung zurück an die Arbeit ging und Dampf in der Runde machte. Jedoch spürte ich schon bald wieder den Blick des älteren Gniweks auf mir, also nahm ich den Blickkontakt zu Iljah erneut auf. Dass er nicht erfreut davon war, wie unverhohlen ich ihm seinen vermeintlichen Fehler in Sachen Michail ins Gesicht sagte, war unschwer zu erkennen. Ich ließ mich von seinem Blick nicht einschüchtern – Haltung und Standhaftigkeit gegenüber Geschäftspartner zu wahren, war schließlich auch mein Job – obwohl ich zugeben musste, dass das Funkeln in seinen Augen mir eher Beine machen würde, als Vahagns. Das lag nicht daran, dass sie eine Frau war oder ich sie nicht ernst nahm, sondern daran, dass Iljah ein paar mehr gute Gründe hatte, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Außerdem hatte seine Schwester mich schlichtweg schon seit einer Ewigkeit nicht mehr dermaßen wütend angesehen. Verletzt oder enttäuscht, ja – nicht aber so angepisst, wie ihr älterer Bruder das gerade tat. “Mehr darf ich nicht erwarten.”, war alles, was ich kalkulierend dazu sagte. Ich versuchte ruhig zu klingen, aber der noch immer aufgewühlte Unterton ließ sich nicht ganz von mir ersticken. Meine Antwort war eigentlich darauf bezogen, dass ich einfach nur von ihm wollte, dass er seine Schwester beschützte, weil sie außerhalb meiner Reichweite war. Andererseits würden bestimmt auch noch Tage kommen, an denen ich ihm dankbar dafür wäre, er würde mich am kältesten Arsch der Welt abladen und nie wieder auftauchen lassen. Qualvolles Ersticken passte schrecklich gut zum Rest meines Lebens. Es hätte noch viel gegeben, was ich ihm hinterher rufen wollte. Doch das wäre dumm und ich plante nicht auf diesem gottverlassenen Flughafen abzukratzen. Einen Moment lang sah ich ihm schweigend nach, als der Russe sich umdrehte und ging – der eingeschlagenen Route nach wahrscheinlich zurück zum Flugzeug, aus nicht ganz irrelevanten Gründen. Ich löste meine verkrampften Finger vom Schlüsselbund und versuchte im selben Moment, auch die Anspannung in den Schultern endlich loszulassen. Als ich mir meine Hand ansah, hatten die kleinen Zähne der Schlüssel teilweise offene Druckstellen hinterlassen. Ich schüttelte den Kopf und lockerte beiläufig die Finger, als ich mit erhöhten Puls zu meinen Männern aufschloss. Vielleicht konnte ich helfen, um schneller von hier wegzukommen.
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Das war es dann wohl gewesen mit der guten Laune. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich Irina einmal hätte besuchen können, ohne mir vorher den Kopf über irgendeine Scheiße zerbrechen zu müssen. Vielen Dank dafür, Tauren, dachte ich, während ich alles andere als entspannt die Lagerhalle durchquerte, um den Flieger unweit der geöffneten Rolltore anzusteuern. Einer der Piloten stand auf dem Plateau der Flugzeugtreppe und setzte sich langsam in Bewegung, als er mich auf den ukrainischen Frachter zulaufen sah. Er schien bereits meinem unzufriedenen Gesichtsausdruck entnehmen zu können, dass ich keine besonders große Lust mehr hatte, mich für das kurze Briefing jetzt noch die Stufen nach oben zu quälen. Als ich zu ihm aufgeschlossen hatte, unterhielten wir uns etwa zwanzig Minuten über die neusten Erkenntnisse und besprachen das weitere Vorgehen. Nachdem das erledigt war und Hunters Gefolgschaft die letzten Kartons final auf den Blechen verteilt hatte, spannten meine Männer zur Ladungssicherung noch die Netze drüber, wobei ich noch einen Augenblick zusah. Hier und da auch selbst nochmal Hand anlegte, um die Gurte anständig festzuzurren. Ab da ging der Rest dann ziemlich schnell und reibungslos über die Bühne. Mit entsprechendem Equipment wurden die ULDs nur noch in den Frachtraum geladen und der Flieger war so gut wie abflugbereit - im wahrsten Sinne des Wortes. Ich blieb im Schutz der Lagerhalle noch so lange vor Ort, bis die Antonov sich in die Lüfte erhob und mein Soll für heute damit erledigt war. Mit einem langgezogenen Seufzen klemmte ich mir die vorhin auf einem Schrank abgelegte Lederjacke unter den Arm, schnappte mir meinen Reisekoffer und verließ das Flughafengelände. Taurens Worte hallten zum hundertsten Mal in meinem Schädel nach und ich begann mich mehr und mehr zu fragen, ob ich all die Jahre ganz offensichtliche Signale nicht wahrgenommen hat. Oder vielleicht gar nicht wahrnehmen wollte? Hatte ich vielleicht tatsächlich einmal etwas gesehen, das ich nicht hätte sehen sollen und es einfach verdrängt? So getan, als wäre es nie passiert und dass das alles gar nicht sein kann? Vermutlich. Wenn ich wieder in Russland war, musste ich unbedingt mit meiner Schwester reden. Ob sie das wollte oder nicht, sie würde mir zuhören und antworten müssen, dafür würde ich sorgen. Und sollte sich herausstellen, dass der Norweger damals berechtigterweise zu seinem Messer gegriffen hatte, konnte er sich sicher sein, dass er sich um Michail keine Sorgen mehr machen müsste. Vielleicht folgte sogar noch eine aufrichtige Entschuldigung meinerseits, aber so weit wollte ich jetzt noch nicht denken. Nach der ganzen Arbeit war erst einmal Entspannung angesagt... wenn ich die sieben Stunden Autofahrt hinter mich gebracht hatte, die ich realistisch gesehen nach dem Flug wohl kaum an einem Stück packte. Ich würde spätestens auf halber Strecke eine Pause einlegen und mich für eine Stunde aufs Ohr hauen müssen, wenn ich noch in einem Stück bei meiner Freundin ankommen wollte. Im Auto zu Schlafen war zwar nicht gerade meine Stärke, musste aber sein. Ich hatte mir für den heutigen Abend einen Leihwagen an den Flughafen bringen lassen. Die Schlüssel hierzu waren ein paar Meter abseits unter ein paar markierten Steinen deponiert worden. Es dauerte einen Moment, bis ich diese ausfindig gemacht hatte, bevor ich mein Gepäck im Kofferraum verstauen konnte. Vollkommen entnervt ließ ich mich hinter das Steuer fallen und blieb sicher an die zehn Minuten mit in den Nacken gelegten Kopf im Dunkeln sitzen, bis ich mich endlich dazu aufraffen konnte, den Motor zu starten und das Navi anzuschmeißen. Immerhin hatte ich jetzt eine Menge Zeit, um darüber nachzudenken, wie ich mit der ganzen Sache umgehen würde. Ein Blick auf die Uhr meines Wagen verriet mir, dass wir es inzwischen 03.48 Uhr hatten. Ich rechnete also damit, dass ich mit planmäßiger Pause um die Mittagszeit bei Irina sein würde. Tatsächlich würde ich vier Stunden länger unterwegs sein, als ursprünglich angenommen. Der Flug, die mehr oder minder unangenehme Konversation mit Tauren und nicht zuletzt die fünf Stunden Autofahrt steckten mir ziemlich in den Knochen, als ich den Audi zwei Stunden von Havanna entfernt auf einen heruntergekommenen Rastplatz lenkte, um mein Nickerchen zu machen. Dieser artete entgegen meiner ursprünglichen Annahme allerdings in einen mehrstündigen und festen Schlaf aus, der meinen ganzen Zeitplan total durcheinander warf. Eigentlich hätte ich schon längst im Bett mit der Schwarzhaarigen liegen sollen. Stattdessen zog ich mir mitten im Niemandsland erst einmal einen Kaffee und eine Packung Zigaretten, um wieder wach zu werden. Es war inzwischen hell geworden, was mir die restliche Fahrtzeit etwas angenehmer gestaltete. Gegen 16.00 Uhr hatte ich mein finales Ziel dann endlich erreicht und so beschissen wie ich mich fühlte, sah ich mittlerweile wohl auch aus. Ich hatte Irina eigentlich etwas präsentabler begrüßen wollen, jetzt musste sie jedoch mit zerzausten Haaren, tiefschwarzen Augenringen und dem Odeur gleich eines Ochsen vorlieb nehmen. Besagte junge Frau hatte mich auf dem Weg hierher wieder regelrecht mit Texten bombardiert, aber ich hatte weder die Zeit, noch die Lust oder gar eine freie Hand beim Fahren gehabt, um ihr zu antworten und war entsprechend gespannt, wie sie gleich reagieren würde, wenn ich die Tür aufgeschlossen hatte und ihr Haus betrat. War sie überhaupt Zuhause?
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Seit dem Einbruch ins Einkaufszentrum fühlte ich mich merkwürdig beflügelt. Der Adrenalinkick selbst war schon wunderbar gewesen, aber damit einfach so durchzukommen, ohne auch nur den Hauch von Konsequenzen abzukriegen, war nochmal eine andere Stufe. Leider war es Cosma da nicht genauso ergangen. Hunter war wider ihrer Vorhersage doch schon Zuhause gewesen und hatte sie noch im Flur abgefangen. Sie war vorgestern spontan zu mir gekommen und ich war ein bisschen schockiert über die schwer zu übersehenden Schnitte, die sie aus ihrer Bruchlandung davongetragen hatte. Ein bisschen verantwortlich dafür fühlte ich mich schon – die Ursache dafür war schließlich meine Idee gewesen. Doch es schien Cosma nicht wirklich zu stören. Fast so, als wäre das ein gewöhnlicher Zwischenfall in der Villa gewesen. Jedenfalls schienen wir beide ein bisschen Blut geleckt zu haben und das war ein Segen für unsere enger werdende Freundschaft. Am vorgestrigen Abend war ich einfach mal wieder froh darüber, nicht alleine auf dem Sofa sitzen zu müssen und jemanden bei mir zu haben, der mich in aller Regelmäßigkeit zum Lachen brachte. Der Einbruch hatte uns ein Stückchen enger zusammengeschweißt und es war jetzt schon Gold wert. Ich dachte seit dem Einbruch oft darüber nach, wie Iljah wohl reagieren würde, wenn er davon Wind bekam. Wägte auch ab, ob ich es ihm gerade heraus so ganz nebenbei erzählen oder vielleicht lieber wieder darauf warten sollte, bis es irgendwie rauskam. Letzteres würde das Echo für meinen Leichtsinn wahrscheinlich wieder verstärken. Wenn der blöde Schnitt an der Innenseite meines Unterschenkels – der im Vergleich zur Cosmas Ausbeute an Verletzungen dieses Abends kaum noch der Rede wert war – nicht ganz verheilt war, bevor er das nächste Mal vorbeikam, dann blieb mir sowieso keine Wahl. Schnitte waren nicht unbedingt dafür bekannt, besonders schnell zu verheilen. Dank Hunter sprach ich da aus sehr eindringlicher Erfahrung und es sähe Iljah nicht ähnlich, mich nicht genau unter die Lupe zu nehmen, wenn er hier bei mir war. Für einen so langen Einschnitt an der Wade fiel mir ohnehin keine plausible Ausrede ein. Sowas passierte nicht, wenn man sich die Beine rasierte. Lügen würden mich wieder ins Grab bringen, also war nur kalt servierte Wahrheit eine Option und er würde mir im Gegenzug wahrscheinlich mindestens ein bisschen die Hölle heiß machen. Aber damit kam ich schon klar, irgendwie. Bis hierhin hatte ich das ja immer überlebt, richtig? Ich telefonierte gerade mit Sam, weil mein fester Freund mal wieder auf ungefähr keine meiner Nachrichten reagierte und ich mich langweilte, heute aber ein ziemlich schwüler Tag war und ich wenig Lust hatte, rauszugehen, bevor es nicht etwas abkühlte. Also hatte ich es mir mit einem leicht improvisierten Eiskaffee in luftigen, figurschmeichelnden schwarzen Hotpants und einem bauchfreien, weißen Tshirt auf dem Sofa bequem gemacht. Der Italiener korrigierte mein Spanisch jedenfalls über den Hörer in Grund und Boden und war allgemein sehr unleidlich. Es war schwer, seine Laune anzuheben, während er sich im Gegenzug über ungefähr sein ganzes Leben bei mir auskotzte – dabei erinnerte er an mich, vor noch wenigen Monaten, als ich aufs Kuba-Abstellgleis verfrachtet wurde. Ich nahm es ihm nicht übel und konnte seine Probleme verstehen. Anstrengend war es trotzdem und deshalb konnte ich inzwischen sehr gut nachvollziehen, warum Iljah so genervt von meiner Reaktion damals war. Kaum dachte ich wieder an letzteren, weil Sam nur irgendwas über seinen Kater erzählte, ließ ich den Hörer plötzlich instinktiv sinken, weil ich etwas hörte. Für ein paar Sekunden schlug mein Herz einige ungesunde Takte zu schnell, in der stillen Angst, es könnte ein Einbrecher sein, der sich in diesem Randbezirk Havannas ein leichtes Spiel erhoffte. Als ich jedoch ein angestrengtes Durchatmen und parallel dazu das Rollen eines Koffers hörte, wusste ich, dass es nicht so war. Ich hatte ein bisschen darauf gehofft, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Iljah mich wieder besuchte. Seit er das von ihm oberflächlich erwähnte Problemgeschäft von vor drei bis vier Monaten in den Griff gekriegt hatte, kam er in beinahe regelmäßigen Abständen hier vorbei. Ich verschwendete keinen Gedanken an die Narbe, als ich wie von der Tarantel gestochen vom Sofa aufstand, meine halbvolle Kaffeetasse auf den Couchtisch stellte und gleichzeitig mit den Worten “Ich ruf’ dich zurück, versprochen.” auflegte. Ohne eine Antwort abzuwarten, was Sam mir irgendwann später übel nehmen konnte. Jetzt ließ ich das Handy achtlos aufs Sofa fallen, da ich es in den nächsten Stunden ganz bestimmt nicht brauchen würde und ging beschwingten Schrittes mit einem dazu passenden Grinsen auf den Flur zu. Ich brauchte nur nach links Richtung Haustür zu gucken, um einen letzten absichernden Blick auf Iljah zu erhaschen. Der Koffer stand mir ungünstig im Weg, weshalb ich ihn ein bisschen ungeduldig zur Seite schob. Der Russe hatte gerade noch Zeit, seine Jacke an einen Haken der Garderobe loszuwerden, bevor ich beide Hände an sein Gesicht legte, mich zu ihm hoch streckte und mir den ersten, sanften Kuss von seinen rauen Lippen abholte. “Hey.”, hauchte ich eine leise Begrüßung an seine Lippen. Dann folgte ein sehr flüchtiger zweiter Kuss. “Ich hab’ gehofft, dass du bald kommst.” Eine für mich sehr universell gewordene Aussage, weil ich ihn grundsätzlich schon nach einer halben Stunde vermisste, kaum hatte er seinen Rückweg nach Moskau angetreten. Das machte sie jedoch nicht weniger wahr. Fernbeziehungen waren offensichtlich nichts für mich. Langsam verlagerte ich mein Gewicht zurück auf die Fersen, was mitunter deshalb passierte, weil mir langsam aber sicher sein Schweißgeruch in die Nase stieg. Als ich mir Iljahs Gesicht das erste Mal seit seiner Ankunft dann genauer ansah, dauerte es kaum zwei Sekunden, bis mir all die kleinen Anzeichen für eine definitiv zu lange Anreise auffielen. Ich glaubte, dass er schon gar nicht mehr wahrnahm, wie er dann die Augenbrauen und die Lippen verzog. “Alles in Ordnung? Du siehst nach… überdurchschnittlich viel Stress aus.”, fragte ich ihn und kräuselte dabei kurz die Nase. Iljah war nicht wirklich weniger als ziemlich regelmäßig gestresst, was unvermeidbar war, weil selbst mir als eigentlich Unbeteiligte Person schnell aufgefallen war, dass er es hasste, wenn auch nur irgendeine Kleinigkeit nicht nach ursprünglichem Plan verlief. Ob Logistik da das richtige Business für ihn war? Die Ursache konnte ich definitiv nicht abstellen, aber ich konnte wenigstens versuchen, die Symptome zu bekämpfen.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Ich hatte Irina bereits im Flur mit jemanden reden hören, was mich argwöhnisch die Augenbrauen zusammenziehen ließ. Hatte sie etwa Besuch? Die gefühlt hundert Nachrichten, die sie mir während meiner Fahrt hierher geschrieben hatte, wiesen jedenfalls nicht darauf hin. Ehrlicherweise hatte ich diese vom Auto bis zur Haustür aber auch nur grob überflogen, weil ich davon ausging, dass ich mich mir meiner Freundin gleich noch genug unterhalten würde. Plötzlich wurde es ganz ruhig und kaum hatte ich die Lederjacke an der Garderobe aufgehangen, streckte Irina auch schon ihren hübschen Kopf in den Flur. Mit einem müden Lächeln sah ich sie an, streckte meine Arme nach ihr aus und zog sie ungeachtet meines aktuell nicht besonders angenehmen Körpergeruchs an mich. Bereits die zärtlichen Hände der jungen Frau an meinen Wangen, ließen mich von der einen auf die andere Sekunde ein gutes Stück entspannter wirken. Ich erwiderte den Kuss erschöpft und hob anschließend meine rechte Hand an, um ihr eine dünne schwarze Strähne aus dem Gesicht hinters Ohr zu streichen. "Hey, meine Hübsche.", murmelte ich zu ihr runter, das Lächeln konsequent auf meine Lippen getackert. Meine Laune hatte sich während der letzten Stunden zwar kein Stück verbessert, aber ich musste meine Unzufriedenheit ja nicht gleich an der Schwarzhaarigen rauslassen, die so gar nichts dafür konnte. Besagter jungen Frau fiel auch schnell auf, dass ich absolut beschissen aussah. Anders konnte ich mir ihre fragenden Worte zumindest nicht erklären, die ich mit einem leisen Seufzen und einem Kopfschütteln kommentierte. Gut, gestresst war ich zwar auch ununterbrochen, aber der war heute ausnahmsweise mal nicht der ausschlaggebende Punkt für meine schlechte Laune. An und für sich hatte mit der Verladung ja alles super geklappt und auch in Russland war es - bis auf Vahagn natürlich - verhältnismäßig ruhig. Ich konnte mich zum ersten Mal seit Langem also eigentlich nicht beschweren, wäre Tauren nicht dahergekommen und hätte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich überlegte für einen Moment, ob ich Irina direkt überfallen und ihr erzählen sollte, was vor einige Stunden am Flughafen passiert war, entschied mich jedoch dagegen. Vorher würde ich gerne duschen gehen und einen anständigen Kaffee trinken. Einfach etwas runter kommen, entspannen. Bis wir ins Bett gingen, hatten wir noch genug Zeit, uns ausgiebig zu unterhalten. Bis dahin musste sich die junge Frau mit einem knappen "Könnte besser sein." zufrieden stellen. Nur widerwillig löste ich mich ein Stück von ihr, aber es war zu ihrem Besten. "Ich würde gerne schnell duschen gehen, würdest du mir in der Zwischenzeit einen Kaffee machen?", kombinierte ich eine an sie gerichtete Information mit einer Frage. Rasieren könnte und müsste ich mich auch mal wieder, die leichten Bartstoppeln, welche im Licht der Nachmittagssonne einen leichten Schatten auf meinen kantigen Unterkiefer zeichneten ließen mich meines Erachtens nach immer älter aussehen, als ich eigentlich war. Vielleicht erledigte ich das gleich alles in einem Abwasch, wenn ich ohnehin schon unter der Dusche stand. Wenn ich mich im Anschluss mit einem Kaffee und meiner Freundin aufs Sofa setzten und meine tote Seele baumeln lassen konnte, würde es mir schon viel besser gehen. Wäre durch das Koffein ordentlicher Kaffeebohnen wahrscheinlich motivierter, ihr von meinem Tag zu erzählen. Klang für mich also nach einem ganz guten Plan. "Mit wem hast du eigentlich gerade geredet? Hast du Besuch?", stellte ich Irina noch eine Frage, die mich seit dem Betreten des Hauses beschäftigt hatte. In der Zwischenzeit angelte ich den kleinen Koffer vom Boden, weil ich das Laminat nicht unnötig strapazieren wollte. Wäre nicht das erste Mal, dass ein sich festgesetzter Stein in den Rollen unschöne Spuren in einem Holzboden hinterlassen hätte. Irinas Haus war beim Kauf zwar schon wirklich schön gewesen, sie schien sich mittlerweile auch gut eingelebt zu haben, aber hier und da musste trotzdem noch etwas gemacht werden. Der Boden gehörte jedoch nicht dazu und entsprechend war ich dahingehend etwas vorsichtig. Müden Schrittes setzte ich mich in Bewegung, um zuerst das Schlafzimmer der schwarzhaarigen Schönheit anzusteuern, um mein Gepäck dort abzustellen. Ich würde mir dort ein paar Klamotten raussuchen und anschließend ins Badezimmer verschwinden.
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Instinktiv schmiegte ich meine Wange an seine Hand, als Iljah mir eine Strähne aus dem Gesicht strich. Davon würde ich nie genug kriegen. Es erinnerte mich immer daran, wie das mit uns angefangen hatte und ich vermisste genau diese achtsamen kleinen Zärtlichkeiten. Neben dem ganzen Rest, versteht sich. Zum Beispiel den kleinen Kosenamen, die das Lächeln auf meinen Lippen nochmal richtig erstrahlen ließen. Es tat immer gut zu hören, dass er mich noch kein bisschen weniger attraktiv fand, als an dem Tag, an dem die Verlockung ihn in das üble Spiel der Sorokins gezogen hatte. Es fiel mir mit schmalerem Geldbeutel zwar etwas schwerer als vorher, meine Pflegeroutine auf demselben Niveau wie früher zu halten – Iljah ständig um Geld anzubetteln kratzte an meinem doch noch irgendwie vorhandenen Selbstwertgefühl – aber ich gab mir dennoch Mühe damit. Ich wusste ja nie, wann er hier wieder plötzlich auf der Matte stand. Die Devise war also, immer vorzeigbar auszusehen. Ganz so wie früher im Büro des Autohauses, wenn auch mit etwas anderem Klamottenstil. Jedoch schmälerte sich mein Lächeln, als der junge Mann seiner eher dürftigen Laune mit einem Seufzen Ausdruck verlieh. Es war offensichtlich, dass ihn etwas beschäftigte. Ich nahm die Hände langsam von seinem stoppeligen Kiefer, indem ich meine Finger nach unten über seine Brust abrutschen ließ, als Iljah sich von mir löste. Mit der Dusche gab ich ihm Recht, die war dringend nötig. Meine chronische Neugier wollte jedoch sofort dagegen protestieren, dass er mir nicht sagte, was es denn nun war, dass ihm aufs Gemüt schlug. Geduld war noch immer nicht meine Stärke, aber mit Iljah als oftmals etwas schwer zu knackende Nuss hatte ich keine andere Wahl, als besser darin zu werden, auf Antworten zu warten. Wenn er zuerst Duschen und bis zum Kaffee mit einer Erklärung warten wollte, dann würde ich mich bis dahin gedulden. Zwangsläufig, weil mir wirklich nicht der Sinn nach einem Streit stand, wenn er ohnehin schon erschöpft war. “Natürlich, mach ich… warm oder kalt?”, fragte ich nach etwaigen Extrawünschen und konnte dabei nicht anders, als meine Hand doch nochmal nach ihm auszustrecken. Nur ein kurzes Streicheln über seinen starken Unterarm, dann ließ ich die zierlichen Finger wieder sinken. Ich kam nie wirklich gegen den unbändigen Drang an, ihn berühren zu müssen – dazu musste man aber auch sagen, dass ich es gar nicht versuchte. Nie, außer wenn der Russe wirklich hundsmiserable Laune hatte. Das waren die einzigen Momente, in denen ich übervorsichtig wurde. Dass der Tätowierte sich nach Sam erkundigte, ließ ein kurzes Grinsen über mein Gesicht huschen. Ich empfand es gar nicht mehr wirklich als einen ungesunden Eingriff in meine Privatsphäre, dass er ständig alles wissen wollte. Es war eben einfach so, ich hatte mich daran gewöhnt. Ein bisschen war ich sowieso selbst daran Schuld, glaubte ich. Trotzdem ging von dem Italiener nun wirklich keinerlei Gefahr für ihn aus. “Ich hab’ mit Samuele telefoniert… er ist mit Richard zusammen und hilft mir mit dem Spanisch. Zum Rausgehen ist’s mir gerade noch zu schwül.”, erklärte ich Iljah lächelnd und ging ihm dabei aus dem Weg, damit er sich auf den Weg ins Schlafzimmer und dann zur Dusche aufmachen konnte. Ich steuerte die Küche an, hielt mit einer Hand am Türrahmen aber nochmal an und warf ihm einen vorübergehend letzten Blick zu. “Brauchst du sonst noch was?” Es sollte Iljah schließlich an nichts fehlen, wenn er hier bei mir war. Das war die einzige Sache, die mir dabei helfen konnte, ihn konsequent und nachdrücklich genug daran zu erinnern, dass ich immer hier auf ihn wartete. Klar, mit den zahlreichen Nachrichten fiel es ihm wahrscheinlich auch schwer, meine Existenz zwischen all der Arbeit zu vergessen. Die Option ließ ich ihm ja gar nicht. Die Messages waren aber kein guter Grund, zu mir zurückzukommen. Die Gründe musste ich ihm geben, solange er seine Kurzurlaube in diesem kleinen Häuschen machte.
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Irina schien keine Einwände zu haben, sich um eine Tasse Kaffee für mich zu kümmern. Hätte mich aber auch gewundert, lag mir die Russin doch mehr oder weniger zu Füßen, wenn ich sie mal wieder spontan besuchte. Nicht, dass ich es als selbstverständlich ansah oder gar darauf bestand, aber es war über die letzten paar Monate doch zur Gewohnheit geworden, die ich nicht missen wollte. Trotzdem war ich ihr dankbar, was ich ihr kurzerhand auch mitteilte. "Warmer Kaffee, bitte... und danke schon mal." Ein Eiskaffee wäre angesichts der von Irina angesprochenen schwülen Wetterlage zwar erfrischender gewesen, schmeckte mir aber nicht ansatzweise so gut. Was meinen Kaffee anging, war ich aber grundsätzlich noch von der alten Schule. Trank ihn am liebsten schwarz und so heiß wie möglich - egal, wie warm oder kalt es draußen war. Schlimm fand ich, dass es mittlerweile zu einem richtigen Trend geworden war, noch irgendwelche Zusätze reinzumischen, die in dem schwarzen Gesöff schlichtweg nichts verloren hatten. Sowas wie Karamell, irgendwelche Fruchtpürees oder weiß der Kuckuck was diese neu modernen Hippies sich da noch alles hatten einfallen lassen. Und damit schlossen sie eine ziemlich große Marktlücke, von der mir überhaupt nicht klar gewesen war, dass diese überhaupt existierte. Egal, wo ich in Moskau unterwegs war, an allen möglichen Ecken schoss ein Starbucks aus dem Boden, in dem sich sogenannte Kaffeeliebhaber tümmelten. Pah, dass ich nicht lachte. Einmal hatte ich den Fehler gemacht, mir den Schuppen mal anzusehen. Nachdem ich bestimmt an die zehn Minuten gebraucht hatte, die verschiedenen Zusammenstellungsmöglichkeiten zu studieren, hatte sich hinter mir eine lange Schlange aus wartenden Menschen gebildet. Die Bedienung war entsprechend ziemlich genervt gewesen, als ich sie darum bat, mir die Entscheidung abzunehmen und einfach irgendwas zu servieren. Etwas, wovon sie dachte, dass es zu mir passte und mir möglicherweise schmecken könnte. Tja und was sollte ich sagen. Kaum hatte ich den Laden verlassen, war ich mir nicht sicher, ob ich zu alt für den Scheiß war oder mich die blöde Zicke unterschwellig hatte beleidigen wollen. Kurzum: Es hatte furchtbar geschmeckt. Ich hatte das Behältnis im nächstgelegenen Abfalleimer entsorgt und war seitdem nie wieder so experimentierfreudig gewesen, wenn es um Kaffee ging. Nachdem ich meine Freundin entsprechend instruiert hatte, stand ich bereits auf der Türschwelle zum Schlafzimmer, als Irina mich darüber aufklärte, dass sie keinen Besuch sondern nur telefoniert hatte. Ich lehnte mich mit der Schulter in den Türrahmen und lauschte dabei ihren Worten, während mein Blick sie von oben bis unten musterte. Samuele also... na dann. Es war nicht die Tatsache, dass er der Russin spanisch beibrachte oder mit dem Engländer zusammen war, die mich irritiert die Augenbrauen tiefer ins Gesicht ziehen ließ, sondern vielmehr die auffällige Schnittverletzung an Irinas Bein, auf die ich von meiner Position aus einen ziemlich guten Blick hatte. Ich wollte gerade zu der Frage ansetzen, was passiert war, ermahnte mich aber dazu, auch das erst nach dem Duschen anzusprechen. Sie würde jetzt wohl kaum Reißaus nehmen, wenn ich für eine Viertelstunde im Bad verschwand. So schnell schlug das Wetter hier nämlich kaum um. Also nickte ich ihre Erklärung stumm ab. "Das war's, danke. Bin gleich zurück." Mit den Worten verabschiedete ich mich dann vorerst von der jungen Frau, um den Koffer im Schlafzimmer zu öffnen. Ich kramte sowohl einen Satz frischer Klamotten als auch meinen Rasierer aus meinem Gepäck und verschwand kurz darauf im Bad. Obwohl ich mich mit der Körperhygiene nicht hetzte, schloss ich gut zwanzig Minuten später mit einem schwarzen Shirt und einer beigen Cargo Hose bekleidete zu Irina auf. Die nassen Haare hatte ich lediglich zurückgekämmt, ohne mich mit dem Föhn unnötig aufzuheizen. Es war warm genug, bei der Länge würde es nicht lange dauern, bis sie von selbst getrocknet waren. Die Russin war gerade dabei, mir eine Tasse Kaffee einzuschenken, als ich mich ihr von hinten näherte und meine Arme um ihren Hals legte. Natürlich möglichst bedacht darauf, sie dabei nicht unnötig durchzurütteln, um eine Sauerei zu vermeiden. Während mein linker Arm locker über ihrer Brust hing, legte ich die Hand meines rechten Arms an ihr schmales Kinn. Bedeutete ihr damit, mich über die Schulter hinweg anzusehen. "Was hast du angestellt?", fragte ich relativ zusammenhangslos, war mir aber ziemlich sicher, dass sie wusste, worauf ich anspielte. Es interessierte mich aktuell weniger, was sie die letzten Tage über so gemacht hatte. Das schrieb sie mir ja regelmäßig. Aber wenn ich mich recht erinnerte, dann war von der relativ offensichtlichen Schnittwunde nie die Rede gewesen. Sollte sie entgegen meiner Annahme keine Ahnung haben, worauf ich anspielte oder mich anlügen wollen, konnte ich mit meinem Bein gerne ein wenig Druck auf die Wunde ausüben, um ihr auf die Sprünge zu helfen.
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Warmer Kaffee, kam sofort. Ich war mir nicht sicher, ob Iljah den Schnitt gesehen hatte, als er sich mit plötzlich kritischerem Gesichtsausdruck ins Schlafzimmer abwendete. Der Drang, das verletzte Bein hinter das andere zu schieben und damit seinem gefühlten Röntgenblick zu entziehen, war ziemlich groß gewesen. Es hätte mir aber nichts gebracht und wäre ihm dann wahrscheinlich erst recht aufgefallen, weil ich so plötzlich die Körperhaltung änderte. Etwas hinauszuzögern war nicht weniger als meine Königsdisziplin, aber davon hatte ich in dieser Sache nichts. Er würde es sowieso noch merken, ob früher oder später war da fast schon egal. Ich stellte mich mit einem etwas tieferen Atemzug schonmal mental darauf ein, bald einem unangenehmen Verhör unterliegen zu müssen. Deswegen rutschte mir auch ziemlich schnell das Lächeln aus dem Gesicht, kaum machte ich mich daran, Iljah den gewünschten Kaffee zuzubereiten. Dabei hielt ich in Gedanken hängend mehrfach inne und unterbrach mein Vorhaben mit einem kaum sichtbaren Kopfschütteln, um ins Wohnzimmer zurückzugehen. Mit dem Handy in der Hand schlich ich zurück in die Küche, tippte mit den Fingernägeln unruhig auf der Rückseite des Geräts herum und gab der ungesunden Angewohnheit nach, mir auf der Unterlippe herumzubeißen. ’Falls ich mich nicht mehr melde, bin ich wahrscheinlich tot. Er ist hier.’ Ich hängte der Nachricht für Cosma noch ein Emoji an, das der Information die Ernsthaftigkeit nehmen sollte. Trotzdem hatte ich dem Gefühl, sie darüber zu informieren, einfach nachgeben müssen. Nur für… irgendeinen Fall, den ich jetzt noch nicht kommen sehen wollte. Ich schaltete das Gerät auf lautlos und legte es bewusst mit dem Display nach unten unweit der Kaffeemaschine auf der Theke ab. Falls irgendeine sarkastische Drohung gegen Iljah von der Rothaarigen in Textform zurückkam, war das eher nicht für seine Augen bestimmt… sonst fing er genauso wie Hunter erst recht damit an, unsere Freundschaft in Frage zu stellen. Falls er das nicht sowieso machte, sobald er Bescheid wusste. Der Kaffee war schon fertig, kurz bevor ich die Tür des Badezimmers aufgehen hörte. Ich hatte das schwarze Gold bewusst auf der Platte gelassen, damit es nicht so schnell kalt wurde und zog deshalb erst jetzt eine Tasse aus dem Hängeschrank über der Maschine. Ganz fertig war ich noch nicht damit, den Kaffee in die Tasse zu gießen, als ich Iljahs Körper im Rücken spürte und sich mir die kleinen Härchen im Nacken aufstellten. Aus zwei Gründen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das angenehme Gewicht seiner starken, vermeintlich schützenden Arme war da nicht hilfreich. Ich gab dem Bedürfnis nach, mein Gewicht etwas auf den attraktiven jungen Mann zu verlagern, kaum hatte ich die Kaffeekanne abgestellt. Sein Frisch-Geduscht-Geruch schwemmte meine ohnehin anfälligen Sinne sintflutartig und raubte mir damit wahrscheinlich mindestens die Hälfte meines gesunden Menschenverstands, als ich Iljahs stummer Aufforderung nachkam und den Kopf weit genug drehte, um Blickkontakt erfolgreich herzustellen. Dann war's auch schon soweit, dass die Hölle unter meinen Füßen aufbrechen sollte. Hätte er damit nicht noch ein paar Minuten warten können? “Nichts… allzu Schlimmes, denke ich?”, murmelte ich, offensichtlich etwas geistig abwesend. Zu meiner Verteidigung: Es fiel mir wirklich schwer, mich auf diese unheilvolle Frage zu konzentrieren, wenn er mich mit diesen Augen ansah. Die dunklen Schatten darunter störten mich nicht mal. Mein ganzer Körper fing an zu kribbeln, weil ich seine Nähe genauso vermisst und mich danach gesehnt hatte, wie ich mich gerade auch davor fürchtete. Doch ich hatte Cosma versprochen, für diese Sache einzustehen und das würde ich einhalten. “Ich hab’ mich geschnitten, als ich durch eine kaputte Scheibe gestiegen bin…” Ich atmete etwas tiefer durch, wappnete mich damit für potenziellen Schmerz, ehe ich mit dem eindeutig schlimmeren Teil der Angelegenheit rausrückte. “...die wir eingeschlagen haben, um an die Klamotten dahinter zu kommen. Die nicht vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen in der Mall… waren verlockend.”, gestand ich den Einbruch mit indirekter, aber nicht weniger richtiger Wortwahl. Ich wendete den Blick nicht ab, obwohl alles in mir danach schrie, mich aus dem Gefahrenradius zu bringen. Das war mir jedoch ohnehin unmöglich, so berechnend, wie er die Arme um mich geschlungen hatte. Schon jetzt irgendwelche beschönigenden Worte zu verwenden, schien mir sinnfrei. Dafür war Iljah nie empfänglich, wenn er sauer wurde, sondern frühestens irgendwann später.
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Sie hatte bitte was getan? Mein eindringlicher und keine Lügen duldender Blick verfinsterte sich bei Irinas Erklärung, wie sie zu der Narbe gekommen war, ganz von selbst. Eigentlich hatte ich heute nicht vorgehabt, mich mit noch schlechterer Laune auseinander setzen zu müssen, aber das fiel mir von Sekunde zu Sekunde schwerer, je länger sich die Russin erklärte. Mein Griff um ihren Unterkiefer verfestigte sich kurzzeitig, bis ich mich dazu zwang, die Hand sinken zu lassen. Eben in weiser Voraussicht, dass ich manchmal ziemlich grob werden konnte. Mir stand nicht der Sinn danach, Irina hier und jetzt zu verletzen, nicht in der ersten Stunde, die ich seit Längerem mal wieder hier bei ihr auf Kuba war. Aber was zum Teufel hatte sie sich dabei gedacht? "Du machst Witze.", es war mehr eine Feststellung als eine Frage, weil ich ihr nicht glauben wollte, dass sie das wirklich ernst meinte. Wenn sie eins nicht nötig hatte, dann war das, sich Sachen anzueignen, ohne diese zu bezahlen. Ich sorgte schon dafür, dass es ihr an nichts fehlte und ihr reichte das trotzdem nicht? Ein wenig fassungslos über diese Erkenntnis machte ich einen Schritt zurück und distanzierte mich damit aus Irinas unmittelbarer Nähe. Sie war sich schon darüber im Klaren, was dabei alles hätte schief gehen können, oder? Und mit wem war sie in der Mall eingestiegen? Ihrer Erklärung nach zu urteilen war sie ja offensichtlich nicht alleine gewesen. "Bist du von allen guten Geistern verlassen?", grummelte ich zu ihr runter und der einzige Grund, warum es kein Knurren war, war die anhaltende Müdigkeit, welche ihr in dieser Situation sehr gelegen kommen dürfte. "Nicht Schlimmes... ein Einbruchdiebstahl ist also nichts Schlimmes? Ich glaube, Hunter sieht das Ganze ein bisschen anders. Verdammt, ich hab dir gesagt, du sollst die Füße stillhalten." Mir fiel just in dem Moment wieder ein, dass ich dem Amerikaner versprochen hatte, für die junge Frau zu bürgen, sollte sie sich daneben verhalten und das wusste Irina auch. Sie war sich dessen vollumfänglich bewusst, wir hatten mehrfach darüber gesprochen. Die Insel gehörte überspitzt gesagt dem anstrengenden Choleriker und ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie wenig Begeisterung er für die Anwesenheit meiner Freundin übrig hatte. Aber er tolerierte sie hier, was allerdings nicht von Dauer wäre, wenn sie anfing, sich plötzlich auffällig zu verhalten. Und so sehr Irina mein Herz auch erobert hatte, würde ich es nicht einsehen, Hunter noch abertausende Dollar in den Rachen zu stopfen, damit sie keine Konsequenzen zu befürchten hatte. Mal ganz abgesehen davon, dass er auf lange Sicht die Schnauze voll haben würde. Für die Verhältnisse des Amerikaners war es ohnehin schon äußerst großzügig gewesen, dass er Irina in seiner mehr oder weniger unmittelbaren Nähe - in Havanna - tolerierte, obwohl er genau wusste, was die Schwarzhaarige angestellt hatte. Also egal, aus welcher Perspektive man sich die Sache ansah, es würde die Tatsache, dass sie Scheiße gebaut hatte, nicht verändern. Angestrengt rieb ich mir mit der Hand über das Gesicht, atmete einmal durch und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Nicht sofort an die Decke zu gehen, sondern es erst einmal auf einer einigermaßen sachlichen und ruhigen Ebene zu versuchen. "Mit wem bist du da eingebrochen und warum? Weil es verlockend war?" Der gute Wille war schon jetzt wie weggeblasen. Schade. Mein Unverständnis über diese Aussage stand mir förmlich quer über das Gesicht geschrieben. Ließ sich quasi gar nicht übersehen, vor allem, weil ich, während ich sprach, mit der Hand vor meinem Gesicht herumwedelte, um ihr damit zu signalisieren, wie bescheuert sie sich anhörte. "Wenn du kein Geld mehr hast, dann frag mich. Ich sehe hier absolut keinen Grund, der es rechtfertigen könnte was du getan hast, aber vielleicht übersehe ich den auch einfach. Bitte, erkläre es mir.", forderte ich sie dazu auf, mir mitzuteilen, mit wem sie in der Mall eingebrochen war und - was noch viel wichtiger war - warum sie das getan hatte. Ich war eigentlich der Meinung, ziemlich großzügig mit dem Taschengeld gewesen zu sein, aber vielleicht hatte ich mich ja auch einfach verkalkuliert. Die Lebenserhaltungskosten waren auf Kuba anders als in Russland. War ich falsch informiert gewesen und sie musste hier deshalb in Armut leben? Ich glaubte es nicht, aber anders konnte ich mir nicht erklären, wie sie auf so eine schwachsinnige Idee gekommen war. Und das, obwohl sie wusste, dass Hunter nur auf einen Grund wartete, ihr den Garaus zu machen.
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Der Moment, in dem Iljah mit seiner Beherrschung rang, war genauso faszinierend wie beängstigend. Kurzzeitig hielt ich den Atem an, bis er wider Erwarten die Finger von meinem Kinn löste. Der Druck verflüchtigte sich in leicht pochendem Schmerz schnell wieder. Genauso wie der Halt in meinem Rücken. Ich drohte kurz, das Gleichgewicht nach hinten zu verlieren, hielt mich jedoch früh genug an der Kante der Theke fest, um eine hektische Bewegung zu vermeiden. Einen Moment lang schloss ich die Augen, weil das lebhafte dunkle Funkeln in Iljahs Augen noch zu deutlich vor meinem inneren Auge nachhallte, als dass ich schon dazu bereit war, mich zu ihm umzudrehen. Als er mich rhetorisch danach fragte, ob ich nun völlig den Verstand verloren hatte, fasste ich mir aber ein Herz und tat es doch. Ich würde allerdings lügen, würde ich behaupten, dass mir die Nervosität jetzt nicht doch schon auf den Magen schlug. Auf die langsam übel werdende, nicht mehr so angenehme Art. Ich warf einen kurzen Blick in Iljahs ziemlich unzufriedenes Gesicht, bevor ich leicht mit den Schultern zuckte, seinen Kaffee beiläufig mit der rechten Hand bei Seite schob und dann beide Arme auf die Kante der Theke stützte, um mich nach oben zu stemmen. Als ich auf der Arbeitsfläche saß, blickte ich kurz auf den gut verheilenden Schnitt an meinem Bein, bevor ich mich wieder traute, Iljah anzusehen. “Wolltest du wohl eine sich absolut gesetzestreu verhaltende Frau an deiner Seite? Weil dann hast du, glaube ich, an der ganz falschen Ecke danach gesucht.”, beantwortete ich ihm die Frage, auf die er gar keine Antwort wollte. Ja, ich hatte eine Schraube locker. Vielleicht eher zehn. Das wusste er aber schon, als er sich dafür entschieden hatte, mich trotzdem behalten zu wollen. Damit hielt ich mich aber nicht lange auf, um seine Geduld nicht auch noch unnötig zu strapazieren. “Es ist schon eine Woche her und es ist nichts passiert… Hunter war nicht hier, obwohl er es weiß. Bei dir gemeldet hat er sich ja offensichtlich auch nicht, um sich zu beschweren. Es scheint ihn also nicht genug zu stören, um sich bemerkbar zu machen. Da gibt es aktuell überhaupt kein Problem.”, erklärte ich ihm erstmal, dass der Amerikaner schon in Kenntnis gesetzt war. Dagegen, dass es sehr viel schlauer von mir wäre, mich weiter hier zu langweilen, statt Straftaten zu begehen und damit ins Visier des Amerikaners zu rücken, konnte ich nichts sagen. Damit hatte Iljah schlichtweg recht. Die Nacht nach dem Einbruch war ich auch ziemlich oft aufgewacht – aus Angst, Hunter könnte doch plötzlich bei mir auftauchen und mich erledigen wollen. Nur war das nicht passiert und das würde es auch nicht, da vertraute ich auf die Worte meiner Freundin. “Was daran liegen könnte, dass es Cosma war, die mich begleitet und rein zufällig einen sehr guten Draht zu ihm hat.”, stand ich ihm weiter Rede und Antwort und legte den Kopf ein bisschen schief. Ich versuchte, der langsam doch aufkommenden Angst nicht zu viel Raum zu geben, konnte aber trotzdem nicht verhindern, dass ich mit in den Schoß gelegten Händen an meinen Finger herumnestelte. Was den Grund für meine Idee, in das Einkaufszentrum einzubrechen, anging, konnte ich ihm jedoch nicht ganz so schnell antworten. Versuchte, mir ein paar Worte zurechtzulegen, damit ich nicht undankbar klang oder gar so, als würde ich Iljah irgendwelche Vorwürfe machen wollen. Ihn traf dabei nur eine… naja, untergeordnete Schuld der generellen Abwesenheit. Ich zog ein weiteres Mal meine Lippe unter die Zähne und so, wie die sich mittlerweile anfühlte, war sie schon ziemlich gerötet, als ich mit der Sprache rauszurücken versuchte. “Also soll ich dich das nächste Mal einfach fragen, wenn mir der Sinn nach einem 12’000 Pesos teuren Kleid steht?” Rhetorische Frage. “Versteh’ das bitte nicht falsch… aber das alles hier”, ich machte eine allumfassende Handgeste, die das schöne Haus und so ziemlich alles, was sich darin befand – abgesehen der alten Gegenstände aus meiner WG in Moskau – einschloss, “ist schon schwer genug für mich. Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du nur wegen mir auf dich nimmst… jeden Tag, immer. Aber ich hab’ dich schon bis hierhin unfassbar viel Geld gekostet. Das ungefähr letzte, was ich möchte, ist dir auch noch für Klamotten, die ich eigentlich nicht brauche, noch mehr Scheine aus den Taschen zu ziehen. Einen Job gibst du mir nicht mehr, was ich sehr gut verstehen kann, und hier arbeiten und mir selber was dazuverdienen kann ich noch nicht, weil ich mich dafür nicht gut genug verständigen kann. Welche legalen Optionen hab’ ich dann noch?”, nannte ich ihm, allem voran, erstmal dieses Dilemma. Geld war schlicht und ergreifend nicht das, was ich von Iljah wollte. Dann hätte ich mir genauso gut irgendeinen 70jährigen, stinkreichen Sack suchen können, um darauf zu warten, dass er abdankte und mir seine Kohle überließ. “Ich weiß, dass es leichtsinnig war. Das will ich gar nicht abstreiten. Aber ich kenne Cosma inzwischen ziemlich gut und es ist ja nicht gerade mein erster Diebstahl gewesen… einen Juwelier trau’ ich mir nicht zu, aber für ein paar schlecht abgesicherte Klamotten bin ich nun wirklich nicht zu blöd.” Ich hatte immer das Gefühl, dass Iljah dachte, er würde mit Jemandem reden, der erst seit vorgestern in diesen Kreisen verkehrte. Oder mit einem Kind… und manchmal, vielleicht auch dieses Mal, mochte er damit Recht haben, dass ich mich nicht wie eine Erwachsene verhielt. Nur wie sollte ich das auch lernen, wenn er mich nicht mit anderen Erwachsenen spielen ließ? Ich konnte meinen Platz nicht finden, wenn er mich ständig von allem fernzuhalten und abzuschirmen versuchte. Von Richard und Sam konnte ich mir nicht erhoffen, dass sie mir beibrachten, besser mit den Männern in diesen Kreisen zurecht zu kommen. Die waren nur immer froh, wenn ihnen keiner aufs Dach stieg. Den Kopf einzuziehen hatte ich längst gelernt und wie man an diesem Beispiel hier bestens sah, war das nichts für mich. Nicht mehr. “Hin und wieder muss ich einfach mal was für mich tun. Das, was ich möchte, wann ich es möchte. Nur für mich und für niemanden sonst. Ich weiß, dass du das wahrscheinlich nicht verstehen kannst, aus dem ganz einfachen Grund, dass du ein Mann bist. Einer, der sich einfach alles nimmt, was er haben will… aber meine Welt funktioniert so nicht und ich hab es langsam echt satt, mich immer von euch rumschubsen zu lassen und mich zu verstecken. Das ist verdammt nochmal kein Leben.” Oh – klang das jetzt doch wie ein Vorwurf? Wann hatte ich mich in unterschwellige Rage geredet? Konnte ich das nochmal zurücknehmen? Shit.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Mir war nicht neu, dass Irina ein Händchen dafür zu haben schien, sich immer dann auf unglaublich dünnem Eis zu bewegen, wenn meine Laune ohnehin schon angeschlagen war. Dass sie aber derart aufmüpfig, nein, sogar richtig frech wurde und sofort zurückschoss, ließ mich sie einen Moment lang erstaunt ansehen. Mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgte ich ihre Bewegungen, als sie sich auf die Theke hob, nur um dann noch ein paar Sätze nachzulegen. Mein Blick verdunkelte sich wieder, kaum kam sie auf Hunter zu sprechen, aber ich ließ sie trotzdem ausreden. Mir stand zwar nicht unbedingt der Sinn danach, aber anders als der Amerikaner war ich dahingehend noch etwas erzogen worden. Außerdem hatte ich gehofft, dass sie zum Ende ihrer Erklärung hin einsah, was für einen Mist sie gebaut hatte und sich dafür entschuldigte. Aber ich wartete vergebens. Vollkommen umsonst hatte ich mich so lange zusammengerissen. War nicht sofort wieder einen Schritt auf Irina zugegangen, obwohl jede Faser meines Körper förmlich danach geschrien hatte, ihr auf undenkbare Weise diesen verführerischen Mund zu stopfen, damit sie mein inneres Feuer nicht weiter schürte. Und nun stand ich da - die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen, positionierte ich mich direkt vor der jungen Frau. Stemmte meine Arme rechts und links leben ihren Oberschenkeln auf die Arbeitsfläche, um ihr somit die Möglichkeit zu nehmen, doch noch Reißaus nehmen zu können, sollte sie wieder zur Besinnung kommen. Wir würden das hier jetzt ausdiskutieren, ob sie das wollte oder nicht. "Hörst du dich eigentlich selbst reden?", stellte ich ihr knurrend eine rein rhetorische Frage, die ich im nächsten Atemzug für sie beantwortete. "Offenbar nicht, weil dir sonst auffallen würde, was für einen Quatsch du da gerade eigentlich von dir gibst. Also, zuerst einmal bräuchte ich überhaupt gar keine Frau an meiner Seite." Faktisch gesehen zumindest. Dass mein Leben mit Irina auf allen Ebenen mehr Spaß machte, bedeutete schließlich nicht, dass ich abhängig von ihr war. Warum auch? Sie bezahlte mich nicht, zickte mich ziemlich oft an und spielte mit meinen Nerven. Bisher bot sie mir also nichts, was eine andere Frau mir rein theoretisch nicht auch geben konnte. Natürlich hatte ich Gefühle für die Russin, keine Frage, sonst hätte ich sie schön lange zum Teufel gejagt, aber wenn es darauf ankäme, würde ich auch ohne sie weiterhin klar kommen. Nicht, dass ich es jetzt unbedingt darauf anlegte, aber sie nahm sich meiner Auffassung nach gerade etwas zu wichtig, also wollte ich ihr dahingehend ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. "Ich habe mich bewusst für dich entschieden. Dass du gesetzestreu bist, verlange ich überhaupt nicht von dir. Ein bisschen weniger lebensmüde wäre aber ganz schön.", fügte ich wenig später ein paar sarkastische Worte hinzu und schnaubte. Nur weil sich Hunter bisher nicht gemeldet hatte, bedeutete das nicht automatisch, dass die junge Frau damit aus dem Schneider war. "Entweder bist du ziemlich naiv oder dümmer, als ich dich eingeschätzt habe, Irina, wenn du ernsthaft glaubst, dass deine ach so tolle Freundin Cosma dich vor dem Muskelpaket beschützen kann, nur weil sie so einen guten Draht zu ihm hat. Was macht dich denn so sicher, dass sie nicht diejenige sein wird, die dir ein Messer in den Bauch rammt, während dich Hunter festhält, hm?" Meine Stimme war inzwischen ein gutes Stück lauter geworden, je länger ich redete, weil mir irgendwie klar war, dass es vermutlich keinen Unterschied machen würde. Egal, wie sehr ich versuchte, meine Freundin davon zu überzeugen, die Füße stillzuhalten, sie würde doch das tun, wonach ihr stand. Das hatte sie ja auch ganz explizit zum Ende ihrer Erklärung hin schon gesagt und das machte mich sauer. Ich wollte nicht der Spielverderber sein, aber ich konnte auch nicht tatenlos hinnehmen, dass sie so gar nicht einsehen wollte, wie gefährlich ihr Spiel mit dem Feuer eigentlich war. Und warum das alles? Für ein beschissenes Kleid? Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihre Gesichtszüge. Sie schien wohl doch nicht ganz so tough zu sein, wie sie mir versuchte weißzumachen, so nervös, wie sie sich auf der Unterlippe herumkaute. Ich schnalzte mit der Zunge, schüttelte fassungslos den Kopf über ihre widersprüchlichen Aussagen. Einerseits war sie unglaublich dankbar für alles was ich ihr spendiert hatte, andererseits war das anscheinend doch nicht genug. Es musste unbedingt noch ein teures Kleid sein. Natürlich konnte ich verstehen, dass sie sich gerne etwas gönnen wollte, wer tat das nicht gerne? Aber sie war auf dieser Insel und dann auch noch in unmittelbarer Nähe des Amerikaners schlichtweg nicht in der Position, sich auffällig verhalten zu dürfen. Kuba mochte technologisch vielleicht hinterherhinken, was aber nicht zwangsläufig bedeutete, dass es nicht trotzdem riskant war, einfach irgendwelche Klamottenläden zu überfallen. Dann auch noch darauf zu pokern, dass die Rothaarige Freundin des Amerikaners sämtliche Konsequenzen von ihr abwendete war selten dämlich. "Du hast gerade selbst gesagt, dass du die Klamotten nicht zwingend brauchst. Wenn du mich dann schon nicht nach wie viel Peso auch immer fragst, warum kannst du dich dann nicht noch etwas gedulden, bis du mit der Sprache weit genug bist, dass du hier einem Job nachgehen kannst? Oder besser noch... wenn du dich mit Cosma sooo gut verstehst, dann frag doch einfach, ob sie dir einen Job gibt. Sie hat doch eine Bar, wenn ich mich recht erinnere.", schlug ich zum Ende meines Satzes mit triefenden Sarkasmus vor, dass sie sich doch bei der Freundin ihres Henkers nach einer Stelle erkundigen sollte. Wohl wäre mir dabei zwar nicht, weil Hunter dort höchstwahrscheinlich des Öfteren sein Unwesen trieb, aber es war immer noch halbwegs ehrliche Arbeit und sie würde mit kriminellen Machenschaften - und sei es nur ein kleiner Diebstahl, vollkommen irrelevant - nicht weiter negativ auffallen. Bevor ich auf Irinas kleinen Ausraster einging, machte ich einen halben Schritt zurück und packte, ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden, ihr lädiertes Bein. Eigentlich wollte ich ihr wirklich nicht weh tun, aber vielleicht lichtete der Schmerz, den ich ihr zufügte, indem ich meine Finger auf den Schnitt drückte, den dichten Nebel um ihr Gehirn. Ließ sie wieder etwas klarer denken. "Ich sehe jetzt einfach mal darüber hinweg, dass du mich gerade beleidigt hast. Schlicht und ergreifend, weil du damit Recht hast. Ich kann es nicht verstehen und ich nehme mir gerne, wonach mir der Sinn steht. Dass ich dich herumschubse, hat aber einen ganz einfachen Grund: Du bist mir wichtig. Und ich möchte, dass du auf dieser Insel hier überlebst. Wenn dir das nicht passt, dann höre ich auf, kein Problem. Ich kann dir aber versichern, dass du beim nächsten Mal dann eine solche Aktion nicht überleben wirst. Ehrlich gesagt bezweifle ich auch stark, dass er das letzte Mal einfach so stehenlassen lässt, aber gut. Das ist jetzt deine Entscheidung. Du willst was für dich tun und das wann immer du möchtest, bitte. Aber ich werde dann nicht mehr hinter dir stehen, wenn du mit den Konsequenzen konfrontiert wirst." Damit ließ ich auch schließlich wieder das Bein der Schwarzhaarigen los. Sie dürfte meinen Standpunkt wohl verstanden haben und wenn nicht, dann würde das Gespräch hier ohnehin keine Früchte mehr tragen. Noch ein letztes hörbar unzufriedenes Schnauben, dann stieß ich mich von der Theke ab, nahm mir den von Irina zubereiteten Kaffee und drehte ihr anschließend den Rücken zu. Wenn sie noch etwas konstruktives zu sagen hatte, würde sie mich im Wohnzimmer finden.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Ich hatte mir nicht erhofft, Iljah würde sich von mir beeindrucken lassen. Das passierte wahrscheinlich höchstens in einem Paralleluniversum, in dem die Karten völlig anders auf dem Tisch lagen. Es reichte mir jedoch schon, ihn zumindest ein bisschen überrascht oder irritiert zu haben. Dieser kurze Moment war ohnehin schnell wieder vorbei, als er mir – wie üblich in solchen Situationen – jeden Freiraum nahm. Sich direkt vor mich stellte und demonstrativ seine Arme an meinen Seiten platzierte, damit ich nicht mal den sinnlosen Versuch wagen konnte, mich dieser Machtdemonstration zu entziehen. Denn im Grunde war es genau das. Ich schluckte leise und zuckte reflexartig zusammen, als mir sein wütender Ton entgegenschlug. Etwas zu erwidern wäre ich noch gar nicht bereit gewesen, als er nach der leeren Frage weitersprach. Iljah spuckte mir ins Gesicht, überhaupt keine Frau zu brauchen, erwischte damit einen wunden Punkt und trieb sofort ein Funkeln zurück in meine Augen. Mein Blick huschte zu dem Messerblock, der rechts von mir gut eineinhalb Meter weit entfernt auf der Arbeitsplatte direkt neben dem Kühlschrank stand. Mir so dreist ins Gesicht zu sagen, dass er mich nicht brauchte, tat nicht nur weh, sondern war respektlos. Würde er mich überhaupt jemals ernst nehmen? Ein Teil von mir hätte sich gerne eins der Messer gegriffen und ihm unter die Nase gerieben, dass er mir ruhig weiter solche Dinge an den Kopf schmeißen sollte, wenn er nochmal im Schlaf abgestochen werden wollte… nicht, dass ich das je wieder vor hatte – ich hätte nur gerne noch einmal die Verblüffung in dem schönen Gesicht gesehen, das ich ihm gerade wahnsinnig gerne mit den Fingernägeln runterkratzen wollte. Mein Blick lag längst wieder in seinem, als ich dem Rest seiner Predigt folgte, mich gedanklich aber immer noch am Anfang aufhängte. Ich versuchte trotzdem, auch dem Rest noch ansatzweise zuzuhören und zumindest ein bisschen was dazu zu sagen. Allem voran schüttelte ich ein wenig den Kopf, als Iljah der Rothaarigen mehr oder weniger unterstellte, mir ein Messer in den Rücken stechen zu wollen. “Natürlich kann sie ihn genauso wenig ausbremsen, wie ich dich…”, antwortete ich etwas leiser, aber mit eindeutig bockigem Unterton. Jedenfalls im Ernstfall würde sie das nicht schaffen, wenn er wirklich einfach nur die Waffe einsteckte und sofort in meine Richtung losfuhr, weil er mich postwendend aus der Welt schaffen wollte. Da machte ich mir nichts vor. “Aber sie steckt da genauso drin wie ich. Hat es genauso bewusst riskiert. Wir sind uns ähnlicher, als für euch beide gut ist… und sie würde mich warnen. Das weiß ich.” Das hatte sie versprochen. Ich sollte trotzdem mehr darüber nachdenken und es viel mehr hinterfragen, das wusste ich. Schließlich war ich es gewesen, die über Monate hinweg ein sehr falsches Spiel mit Iljah getrieben und ihn von vorne bis hinten geblendet hatte. Doch das mit Cosma war anders. Wir waren nicht vollkommen gleich, aber es gab mehr als genug Parallelen zwischen uns, die uns mit der Zeit nur enger zusammenschweißen würden. Eine solche Frauenfreundschaft war etwas ganz anderes, als die komplizierte Beziehung mit einem riesigen männlichen Ego, das am liebsten einfach alles im Umkreis von zehn Kilometer in den Boden stampfte. “Offensichtlich ist Geduld genauso wenig meine Stärke wie deine.”, stellte ich trocken fest, als er mich dazu anhielt, doch einfach ein bisschen zu warten, bis ich arbeiten gehen konnte. Was dachte er eigentlich, was ich die ganze Zeit tat? Mein halber Lebensinhalt bestand daraus, zu warten, weil der Russe nicht hier bei mir wohnte und das war schon schlimm genug. “Und nach so einem Job brauch ich nicht zu fragen, weil Hunter es nicht leiden kann, wenn ich in der Bar bin. Da wird er mich nicht auch noch hinterm Tresen wollen. Ich gehe da nur hin, wenn ich weiß, dass er nicht da ist.”, motzte ich. Ich war also sehr wohl dazu fähig, hier und da Risiken abzuschätzen. Das hieß offensichtlich nicht zwangsläufig, dass ich dann nicht trotzdem mittelmäßig lebensmüde etwas anderes riskierte, aber zum Teufel nochmal – diese Insel mit ihren ganzen überfreundlichen Einwohnern und ihrer abseits von Hunters Clan lächerlichen Kriminalitätsrate war unfassbar langweilig, im direkten Vergleich zu Moskau. Für Samuele mochte es ein mittlerweile zerschellter Traum sein, auf einer ruhigen netten Insel zu leben, doch für mich war es die Hölle. Ich brauchte die Aufregung, hier und da ein kleines bisschen Angst. Beides fand ich in Iljah und der war nie hier. Scheinbar hatte ich mir ohnehin erneut zu viel herausgenommen: Iljah nahm meine Verletzung in die Mangel und ich war kurz davor, einen verzweifelten Versuch zu starten, ihn mit dem anderen verdammten Bein zu treten. Doch stattdessen krallte ich nur die Finger in die Kante der Theke und kniff die Augen zu, weil ich ihm nicht die Genugtuung geben wollte, auch noch zu Wimmern. Ich konnte Schmerzen aushalten, tat seit Jahren schon nichts anderes. Wenn er glaubte, dass es ausgerechnet das war, womit er mich brechen konnte, sollte er sich lieber warm anziehen. Wieder musste ich Worte auf mich einrieseln lassen und schaffte es noch nicht, die Lider dabei anzuheben. Dafür war der brennende Schmerz an meiner Wade zu penetrant. Trotzdem war es nicht nur der massakrierte Schnitt, der meine Augen glasig schimmern ließ, als ich sie wieder öffnete. Noch einen kurzen Blick in seine Augen erhaschte, bevor er sich abstieß, einfach nach dem Kaffee griff und ging. Den Kaffee, den ich ihm vor ein paar Minuten noch gerne gemacht hatte. Jetzt hätte ich ihm den am liebsten aus der Hand geschlagen. Ich sah dem hochgewachsenen Russen nicht lange nach, sondern hob vorsichtig das Bein an, um nachzusehen, ob der Schnitt unter dem Druck wieder aufgegangen war. Es tat immer noch weh, als mir eine Träne die rechte Wange runterkullerte und ich mich von der Theke rutschen ließ. Bei jedem Schritt in den Flur flammte das Brennen erneut in der Wunde auf. Immerhin blutete es nicht wieder. Im Flur angekommen zögerte ich, sah zur Haustür. Ich hatte keine Lust mehr, mich in Iljahs Nähe aufzuhalten. Mein Herz protestierte pochend dagegen. Jedoch gab es noch eine sehr wichtige Sache, die ich mir vorhin verkniffen hatte – was ich jetzt wiederum nicht mehr wollte, aufgrund seiner letzten Worte. “Weißt du was? Dann tu’s nicht. Du bist sowieso nicht hier. Wenn Hunter mir das Genick brechen will, dann hat er’s schon zehn Mal getan, noch bevor du Russland überhaupt verlassen hast. Da hab ich selbst mit Cosma eine realistischere Chance darauf, lebend davonzukommen.” Ich stand im Türrahmen zum Wohnzimmer und traute mich nicht, vollkommen zu Iljah aufzuschließen. Wollte es eigentlich sowieso nicht. “Es ist wirklich verdammt schön für dich, dass du mich nicht brauchst… aber ich brauche dich. Nicht wegen deinem Geld und auch nicht, weil ich möchte, dass du dich vor mich wirfst, wenn dieses Arschloch wieder auf mich losgeht.” Was, realistisch betrachtet, vielleicht wirklich noch irgendwann passieren würde, wenn das hier so beschissen weiterging. “Ich brauche dich, weil ich dich liebe. Ich habe alles für dich aufgegeben, Iljah. Sogar meine Familie. Ich habe nichts, außer dich… und du wärst alles, was ich brauche, wenn ich auch tatsächlich mal das Gefühl hätte, dass du da bist.” Ich weinte nicht, doch meine Augen waren trotzdem nass. “Gut zu wissen, dass das absolut nicht auf Gegenseitigkeit beruht.” Ich atmete flatternd durch und drehte mich mit einem Kopfschütteln weg, um mir Schuhe aus dem Schrank zu nehmen. Dabei wischte ich mir beiläufig mit der Hand die feuchte Spur der einsamen Träne von der Wange. Keine Ahnung, wo ich hin wollte. Oder was ich eigentlich vor hatte. Oder was ich dachte, was passierte, wenn ich ihn jetzt hier alleine in seinem Urlaub versauern lassen würde. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren.
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Mit Irina zu streiten war in etwa so, wie mit einem Kind zu diskutieren. Jedes Mal wurde sie bockig, konnte nicht nachvollziehen, warum ich sauer war und provozierte mich dann auch noch so arg, dass ich etwas sagte, was sie ganz und gar nicht hören wollte. Dinge, die ich dachte, aber in der Regel einfach nicht aussprach, weil ich wusste, wie gemein und verletzend ich dabei sein konnte. Heute war mal wieder das beste Beispiel dafür gewesen. Ich war müde, erschöpft und wollte nicht mehr, als ein bisschen Ruhe und gemeinsam mit ihr die Zeit genießen. Anstatt einfach einzusehen, dass sie Scheiße gebaut hatte und sich dafür zu entschuldigen, versuchte sie die Sache lieber schönzureden und trieb mich damit innerlich zur Weißglut. Dann war aber wiederum sie diejenige, die zu Weinen anfing, wenn ich den Sinngehalt ihrer Aussagen aushebelte und lauter wurde. Es war anstrengend, wirklich. Allerdings war ich wohl selber schuld an meiner Misere - was lachte ich mir auch so eine junge Frau an? Silly me. Mochte sein, dass Irina im Kopf deutlich weiter war, als manch andere Frauen in ihrem Alter, aber in Situationen wie diesen fehlte ihr - zumindest meines Erachtens nach - noch ein gutes Stück Lebenserfahrung, um wirklich begreifen zu können, was alles hätte passieren können. Was für weitreichende Folgen dieser kleine Ladendiebstahl hätte haben können. Nicht nur auf sie bezogen, sondern auch in Hinsicht auf die restliche Sippschaft. Keiner von uns würde sich darüber freuen, ins Visier der Bullen zu geraten, nur weil Madame unbedingt ein neues Kleid haben wollte. Vielleicht hätte ich ihr neben Haus und Hof auch einen Babysitter zur Seite stellen müssen, dann wäre mir der Kindergarten hier möglicherweise erspart geblieben. Naja. Als Irina nochmals auf Cosma zu sprechen kam, wäre mir beinahe der Kragen geplatzt. Versuchte sie gerade allen Ernstes ihre Missetaten damit zu rechtfertigen, dass sich die blöde Ziege des Amerikaners ebenfalls völlig bekloppt verhalten hatte? Ähnlich wenig Weitblick für dieses Metier hatte? Dass die beiden sich in der Hinsicht ähnelten, war definitiv nichts, worauf Irina stolz sein konnte. "Was interessiert es mich, wie ähnlich ihr euch seid? Alles, was mir das sagt, ist, dass sie keinen guten Einfluss auf dich hat, wenn sie dich in deiner Idee, einen Einbruchdiebstahl zu begehen bestätigt hat.", blaffte ich zurück, dicht gefolgt von einem erneut ziemlich fassungslosen Kopfschütteln. Irinas Aussage bezüglich meiner Geduld ließ ich unkommentiert. Dass ich kein geduldiger Mensch war, sollte für die junge Frau eigentlich nichts Neues sein. Der kleine, aber feine Unterschied zwischen uns beiden war jedoch, dass ich durchaus einschätzen konnte, wann Geduld angebracht war und wann sich etwas nur unnötig in die Länge zog. Das konnte ich von der Russin nicht behaupten. Was ich jedoch wusste, war, dass sie nicht aufhören konnte, mir neuen Zündstopf zu liefern. Es stand ihr nicht im Ansatz im Sinn, diese Konversation irgendwie zu deeskalieren, sie war sich so sicher, im Recht zu sein, dass sie gar nicht zu merken schien, wie ich mich mehr und mehr anspannte. Meine rechte Hand kribbelte verdächtig, als Irina erklärte, dass sie den rothaarigen Teufel eher nicht wegen einem Job fragen würde, weil wegen da war ja Hunter. "Meine Güte, was hab' ich mir da angetan.", sprach ich meine Gedanken leise aus, redete dabei eher zu mir selbst und rieb mir mit der eben noch kribbelnden Hand einmal von oben nach unten über das Gesicht, um den Drang, auf die Arbeitsfläche oder gegen die Wand zu schlagen nicht nachzugeben. Das war einer der vielen Gründe, warum ich keine Kinder haben wollte. Ab einem gewissen Punkt fingen die an, vollkommenen Quatsch zu reden und man selbst musste irgendwie erwachsen bleiben. Konnte nicht einfach drauf hauen, wonach es mir gerade stark gelüstete. Aber ich hielt mich zurück, das würde nur meine eigenen Prinzipien untergraben. Ich atmete lieber tief durch, setzte anschließend etwas ruhiger zu folgenden Worten an: "Okay, hab' ich das jetzt richtig verstanden, dass du nicht in die Bar gehst, wenn Hunter da ist, weil du weißt, er kann dich nicht leiden. Schätzt deine Präsenz ganz einfach nicht... wiederum riskierst du aber mit Aktionen wie dem Einbruch, dass er dich ausfindig macht und abmurkst. Bin ich bis hierhin so weit richtig?" Ich sprach so, als würde ich zu einem Kind sprechen, welches schwer von Begriff war, weil ich langsam vermutete, Irina nur auf diesem Wege zu erreichen. "Das ergibt keinen Sinn, egal, wie du das jetzt drehst und wendest. Du versuchst dich hier gerade für etwas zu rechtfertigen, was keiner Rechtfertigung bedarf.", stellte ich anschließend trocken fest und setzte damit meinen Gang ins Wohnzimmer fort. Ich rechnete bereits fest damit, dass die Schwarzhaarige mir folgen würde, weil sie ebenso wie ich gerne das letzte Wort hatte und wenig überraschend trat meine Vermutung wenig später genau so ein. Allerdings schien ihr nicht im Sinn zu stehen, diese Unterhaltung mit versöhnlichen Worten abzuschließen. Nein, das wäre ja zu einfach. Stattdessen machte sie lieber eine Szene. Mit einem tiefen Seufzen hatte ich mich gerade auf das Sofa fallen lassen und einen Schluck von dem nur noch mittelmäßig warmen Kaffee genommen, als Irina aus der Wohnzimmertür heraus schwere Geschütze auffuhr. Nur langsam drehte ich mich zu ihr um, schwang meinen rechten Arm über die Sofalehne und rastete mich damit quasi in gedrehter Position ein, der andere Arm hielt weiterhin den Kaffee in der Hand. Einen Moment lang wusste ich nicht, ob ich lachen und schreien sollte, letzten Endes tat ich weder noch. Ich funkelte Irina nur wütend an, während in meinem Oberstübchen einige Zahnräder ratterten. Wahrscheinlichkeiten und mögliche Ausgänge dieses Gesprächs evaluierten. Ich hatte genau zwei Szenarien im Kopf, die jeweils davon abhängig waren, ob ich weiterhin auf meinen Standpunkt pochte oder selbst derjenige war, der beschwichtigend einlenkte. Eigentlich schrie alles in mir danach, Irina aufzuzeigen, dass sie sich in diese Scheiße ganz allein hineingeritten hatte, ich war nur das Sprungbrett gewesen. Die Schwarzhaarige selbst hatte die Entscheidung getroffen, mich hintergehen zu wollen, sie war es aber auch gewesen, die sich dann auf meine Seite und damit gegen die Sorokins gestellt hatte. Alles in allem war Irina, verdammt nochmal, selbst schuld daran, dass ihre Freunde gnadenlos abgeschlachtet worden waren. Was konnte ich denn dafür, dass sie sich ausgerechnet in mich verguckt hatte? Ich versuchte das Beste aus der Situation herauszuholen. Versuchte nichts weiter, als sie zu beschützen. Dass sie mir dann auch noch unter die Nase rieb, ich wäre nicht genug für sie da und Hunter hätte sie schon etliche Male umgebracht, bevor ich überhaupt im Flieger saß, fühlte sich an, als hätte sie mir gerade Säure in den Rachen geschüttet. Und ich war bereit, diese mit den Worten, die mir auf der Zunge lagen, direkt in ihr Gesicht zu spucken, als meine Freundin jedoch zum Gehen ansetzte. Ganz klassisch, in ihrer gewohnten Kindergartenmanier. Na wunderbar, dachte ich und seufzte. Ich wollte nicht, dass sie ging und ich wollte auch nicht, dass sie dachte, sie bedeutete mir nichts. Das tat sie sehr wohl, deswegen verhielt ich mich doch überhaupt erst - in ihren Augen - so anstrengend. Ich löste mich aus meiner eingedrehten Haltung und stellte den Kaffee auf dem Wohnzimmertisch ab. Anschließend kniff ich mir kurz mit dem Daumen und dem Zeigefinger die Müdigkeit aus dem Gesicht, indem ich die Haut zwischen meinen Augen zusammenpresste und stand dann auf. Langsamen Schrittes, weil ich nicht riskieren wollte, dass Irina sich von mir bedroht fühlte und davonsprintete, schloss ich zu ihr auf. "Irina bitte, so war das nicht gemeint.", stellte ich mit ruhiger Stimme klar, dass ich meine Worte vorhin nicht ansatzweise so verletzend hatte rüber bringen wollen. Natürlich liebte ich sie auch, sonst würde ich wohl kaum ein so großes Fass aufmachen, wenn es um ihr Wohlbefinden ging. "Lauf' jetzt nicht weg. Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Physisch wie psychisch. Es ist aber nicht fair, dass du mir jetzt Worte in den Mund legst, die so nicht stimmen und mir zudem unterstellst, ich wäre nicht da für dich. Ich tue mein Möglichstes, das Beste aus dieser Fernbeziehung zu machen, auch wenn ich weiß, dass es sehr zu deinen Lasten geht. Aber ich kann meine Zelte in Russland nicht einfach abbrechen. Das geht nicht und das weißt du auch. Dass ich ohne dich sein könnte, heißt nicht, dass ich es auch will. Sonst würde ich wohl kaum mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, dein Leben zu beschützen. Denkst du, das täte ich, wenn du mir vollkommen egal wärst? Wenn ich dich nicht auch lieben würde?" Inzwischen hatten sich auch meine Gesichtszüge wieder etwas entspannt. Ich sah Irina nicht mehr wütend, sondern vielmehr verzweifelt an. Verzweifelter, als ich eigentlich vorhatte auszusehen. Aber ich konnte nicht anders. Zu tief saß der Schmerz, den Irina mit ihren Worten in mir ausgelöst hatte. War ihr Vertrauen in mich wirklich so gering, dass sie sich mit der Freundin des Amerikaners bessere Chancen zu überleben ausmalte? Außerdem konnte ich es nicht ertragen, wenn ihre Augen glasig wurden. Sie mir damit unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie mit einer Situation gerade ganz und gar nicht zufrieden war. Sie weckte damit immer wieder das Bedürfnis in mir, sie einfach in meine Arme zu ziehen, auch wenn ich sie kurz zuvor am liebsten erwürgt hätte.
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Wahrscheinlich hatte Iljah damit Recht. Cosma und ich waren bisher eher nicht so gut darin gewesen, uns Dummheiten gegenseitig auszureden. Das lag weder ihr noch mir im Blut. Also sollte es meinen Freund vielleicht genau deswegen interessieren. Er würde es noch merken, irgendwann später, und dann würde ich diejenige sein, die das nicht mehr interessierte. Wenn ich so unfassbar anstrengend für ihn war, wie er mir hier gerade überdeutlich unter die Nase rieb, kam es jedoch möglicherweise gar nicht mehr dazu. Hunter einerseits bewusst aus dem Weg zu gehen, um ihn nicht zu sehen, gleichzeitig aber dennoch hintenrum seine Aufmerksamkeit zu erregen, das war bescheuert. Da gab ich ihm Recht – zumindest stumm. Aber tödliche Aufmerksamkeit war leider auch welche und ich brauchte mehr davon. Mit Hunter konnte ich mich zweifelsohne nicht messen, aber vielleicht fand ich noch jemand anderen, dem ich ein bisschen auf die Füße treten konnte, ohne anschließend erwürgt zu werden..? Was Cosma anging, ließ ich mich trotzdem nicht beirren und wenn sie zukünftig irgendetwas vorschlug, das den Amerikaner wahrscheinlich provozieren würde, dann konnte ich hier und jetzt nicht versprechen, nicht blöd genug zu sein, ja dazu zu sagen. Dieser ganze Teil der schrecklich verlaufenden Diskussion war in diesem Moment aber kaum noch wichtig. Iljah würde ja sowieso nicht da sein, um mich von Irgendetwas abzuhalten, richtig? Problem erledigt. Zumindest vorübergehend, in meinem illusionierten, gerade sehr hormon- und gefühlslastigen Gehirn. Offenbar stand dem jungen Mann, der mich eben noch über die Sofalehne hinweg wütend angesehen hatte, jetzt aber auch noch im Sinn, mich vom Gehen abzuhalten. Ich wurde schon argwöhnisch, als ich seine Schritte hörte. Da schlüpfte ich gerade in den zweiten flachen Sneaker und griff deswegen instinktiv nach meinem Schlüsselbund auf der Kommode, als Iljahs großer und in solchen Momenten immer tausend Mal dunklerer Schatten den Türrahmen passierte. Ich hasste es, dass ich immer noch Angst vor ihm hatte, aber ich kam nicht dagegen an. Nicht vollständig, nicht in solchen Situationen. Ich konnte ihn noch nicht mal wieder ansehen, sondern blickte auf den Läufer vor meinen Füßen, während er versuchte, mich zum Bleiben überreden. Je länger er sprach, desto mehr verkrampfte ich mich. Ballte zwischenzeitlich einmal kurz die Fäuste, weil ich einfach nicht wusste, wohin mit diesen ganzen, viel zu schwer wiegenden Emotionen. Es wurde auch nicht leichter, als er still wurde und ich langsam den Blick in seine hellen Augen anhob. So, wie er mich in diesem Moment ansah, erlebte ich Iljah selten. Der nächste Stich ins Herz und ich hatte ihn selbst provoziert. “Mach das nicht…” Ich schluckte und schüttelte kaum sichtbar den Kopf. “Bitte entschuldige dich nicht für etwas… von dem wir beide wissen… dass du’s wieder tun wirst.”, brachte ich nur mühsam stockend und deutlich leiser hervor. Er tat das, seit ich ihn kannte. Wenn es keine gezielte zärtliche Berührung war, mit der Iljah mich in die Richtung schob, in der er mich haben wollte, na dann war es halt Schmerz. Ich hielt nichts von Entschuldigungen, die kein Gewicht hatten – erst recht nicht, wenn es dabei um körperlichen Schmerz ging. Um die Gefühlsebene ging es bei diesen Worten nicht, denn ich zweifelte nicht an, dass er das eigentlich nicht ganz so gemeint hatte, wie ich das aufgefasst hatte. Er war nicht der Typ Mensch für solche Spielchen, sondern bombardierte mich lieber mit Fakten, um dafür zu sorgen, dass ich die Klappe hielt. Ich konnte es auch nicht leiden, wenn er sich genau die richtigen Worte dafür aussuchte, mich an meiner eigentlich schon getroffenen Entscheidung sofort wieder zweifeln zu lassen. Er liebte mich, er wollte nicht ohne mich leben, er wollte mich nur beschützen, er tat sein Bestes und versuchte sein Möglichstes. Das hatte ich alles schon einmal in etwa genauso gehört und doch erfüllte es wieder genau denselben Zweck: Weder wollte ich ihn hier alleine stehen lassen, noch wollte ich, dass er dachte, mein einziges Ziel hier wäre, ihn zu verletzen, obwohl ich nichts anderes wollte, als mich endlich mal so zu fühlen, als wäre ich tatsächlich in einer Beziehung. Nicht nur das Wochenend-Flittchen, wenn es gerade günstig mit den Geschäftsplänen zu vereinen war. Er musste sich ja noch nicht mal wirklich anstrengen, um mein Hirn sofort wieder zurück in seine Hände zu kriegen, damit er einfach da weitermachen konnte, wo er aufgehört hatte. “Ich will das gar nicht… mit dir streiten… dich… anschreien.”, falls man es im Vergleich zu seiner lauten Tonlage überhaupt so betiteln konnte. So richtig laut wurde ich ihm gegenüber ja gar nicht – traute ich mich auch nicht. Außerdem starrte ich schon wieder den Boden an, weil das einfacher war, als mich mit seinem Gesichtsausdruck zu konfrontieren. “Es ist nur so verdammt anstrengend, dich jeden Tag zu vermissen und zu wissen, dass sich das nicht ändern wird. Mich immer zu fragen, wo du bist und was du machst… ich hab hier keinen langen, anstrengenden Arbeitsalltag, der mich ablenkt und beschäftigt. Und alles andere… reicht einfach nicht, um nicht an dich zu denken.” Also ging ich mit Cosma irgendwo einbrechen, weil Samueles immergleiche Probleme mir auch langsam aber sicher an den Nerven zerrten. Ich schluckte wieder, weil der Kloß in meinem Hals allmählich immer dicker wurde und ich nicht schon wieder vor ihm heulen wollte. “Ich weiß, dass ich mich vernünftiger verhalten sollte… dass ich froh sein sollte, dass ich überhaupt noch lebe… dass es für dich auch nicht einfach ist, mit mir… aber ich hab’ wirklich das Gefühl, ich verlier' hier langsam den Verstand.” Vielleicht hatte ich diesen Punkt auch schon überschritten. Wer wusste das schon. Gab es einen wissenschaftlichen Begriff für eine Person, die so krankhaft besessen verliebt und so nähebedürftig war, wie ich? So blind für alles Schlechte in einem Menschen, nur, um bei ihm zu bleiben? Ich wollte Iljah nicht auch noch servieren, dass ich extrem eifersüchtig auf – hoffentlich – nicht mal existente Frauen in seinem Leben war. Von den anderen Frauen, die im Autohaus arbeiteten, wollte ich da gar nicht erst anfangen. Die waren nicht alle Mitte 40 und übergewichtig. Ich war nicht die einzige attraktive junge Dame, die da am Schreibtisch gesessen hatte. Er konnte jede davon haben, das wusste ich. Schließlich war ich es gewesen, die ihre Mittagspausen mit ihnen verbracht hatte.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Autsch. Gut zu wissen, dass sie so über mich dachte. Ich meine... ganz Unrecht hatte sie mit der Aussage ja nicht, aber sie traf mich damit trotzdem. Unweigerlich begann ich mit dem Unterkiefer zu mahlen und kämpfte erneut gegen den Drang an, ein Loch in die Wand neben mir zu schlagen, denn wieder einmal schlug mir blankes Unverständnis seitens der jungen Frau entgegen. Es schien, als wollte sie nicht einmal versuchen, sich in mich hineinzuversetzen und weiterhin lieber die Rolle des armen Opfers spielen. Wie lange könnte ich meinen Zorn darüber noch im Zaum halten? Wenn sie so weitermachte, vermutlich nicht mehr allzu lange. Denn hörte man Irina reden, könnte man glatt meinen, mir würde es total am Arsch vorbei gehen, wie holprig unsere Beziehung momentan lief. Dass es mich nicht störte, nicht jeden Abend neben ihr im Bett einschlafen zu können. Dass ich nicht jeden verdammten Tag an sie dachte und mir wünschte, sie wäre in meiner unmittelbaren Nähe. Aber mir ging es nicht anders als ihr. Ich war auch unzufrieden und trotzdem beschwerte ich mich nicht darüber, weil ich lieber die wenige Zeit, welche wir miteinander hatten, sinnvoller nutzen wollte. Warum also konnte Irina das nicht auch? Überraschenderweise zeigte sich die Russin kurze Zeit später aber immerhin etwas einsichtig, was schon mal ein guter Anfang war. So richtig zufriedenstellend war das zwar noch nicht, für den Moment reichte es jedoch aus, um mich wieder etwas runterzuholen. Was eine Achterbahn der Gefühle schon wieder. Als die junge Frau ihren Blick auf den Boden senkte, ergriff ich die sich auftuende Chance und überwand die noch verbleibende Distanz zwischen uns mit wenigen Schritten. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihrem Gesicht aus, um ihr zärtlich über die Wange zu streicheln. Meine Finger glitten sanft über die Konturen ihres Unterkiefers und ich hob mit Daumen und Zeigefinger schließlich ihr Kinn an. Zwang sie damit, mir wieder in die Augen zu sehen. Wohlwissend, dass ich für den Anblick, welcher sich mir bot, eher nicht bereit war. Irina so traurig zu sehen, löste ein unangenehmes Stechen in meiner Brust aus. "Wegzulaufen ist aber auch keine Option. Du weißt, wie sehr ich das hasse, hm?" Ein schmales Lächeln zierte meine Lippen. Es wirkte angestrengt, erschöpft, aber ehrlich. "Ich weiß, dass die Situation dir sehr viel abverlangt, aber was soll ich denn noch tun? Einfach alles hinschmeißen und dir niemals das Leben bieten zu können, das du verdient hast?" Es war mehr eine rhetorische Frage, auf die ich keine Antwort hören wollte. Anhand Irinas letzten Worte, konnte ich mir nämlich schon fast denken, dass ihr das lieber wäre. Aber für mich war das keine Option, meine Zelte abzubrechen, nur um hier auf Kuba rund um die Uhr bei ihr sein zu können. Ich war gerne mein eigener Chef, müsste mich in Havanna aber zwangsläufig Hunter unterordnen, weil die Insel nun mal zu klein für zwei egoistische Schwerverbrecher war. Außerdem trug ich in Russland nicht nur die Verantwortung für meine Geschäfte, sondern auch für meine Männer. Grundsätzlich könnte es mir zwar ziemlich egal sein, was mit ihnen passierte, sollte ich einfach verschwinden, aber so war ich einfach nicht gestrickt und das wusste Irina auch. Geld wuchs zudem auch nicht auf Bäumen. Ich hatte selbstredend noch ein bisschen was auf der hohen Kante, aber ohne mehr oder weniger geregeltes Einkommen, würde sich das Ersparte schnell schmälern und ich wollte ungern auf den Luxus verzichten, den ich mir hier und da gönnte. Den ich im Übrigen auch mit Irina teilte, so gut es mir möglich war. Also nein, solange sie also keinen besseren Plan hatte, als einfach die Flinte ins Korn zu werfen, würde sich an der Situation vorerst nichts ändern und es wäre zu unser aller Besten, wenn wir versuchten, damit irgendwie umzugehen. Ein guter Anfang wäre, die gemeinsame Zeit miteinander nicht mit Streitigkeiten zu verbringen, aber vielleicht sah das auch nur ich so. Langsam ließ ich meine Hand an ihrem Hals abwärts wandern, strich ihren Arm entlang, bis ich an der Hand angekommen war, die sich krampfhaft um den Schlüsselbund gelegt hatte. Bestimmt schob ich meine Finger in die geschlossene Faust, um diese so weit zu öffnen, dass ich ihr den Hausschlüssel abnehmen und diesen zurück auf die Kommode legen konnte. "Zieh' bitte deine Schuhe wieder aus und komm' mit mir ins Wohnzimmer. Ich habe dich so lange nicht mehr gesehen und würde es nicht ertragen, wenn du jetzt einfach davon läufst.", murmelte ich einem einem einlullenden Tonfall zu ihr runter, während ich meinen Arm um ihre Hüfte legte und sie näher an mich heran zog. Ich war mir durchaus darüber im Klaren, dass ich aktuell nicht viel mehr tat, als die junge Frau zu manipulieren. Zu meiner Verteidigung musste ich aber sagen, dass sie es mir auch unfassbar leicht machte. Irina, das naive, kleine Dummerchen... aber immerhin war sie mein Dummerchen.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Da war sie wieder. Die Hand, die ursprünglich überhaupt erst alles zum Einsturz gebracht hatte. Allem voran meinen Sinn für Gut und Böse. Dann meinen Verstand. Danach mein ganzes Leben, das ich allzu bereitwillig für ihn weggeworfen hatte. Für eine Illusion, die ich ganz offensichtlich nicht haben konnte. Ich machte die Augen zu und atmete tief durch, als Iljah die Distanz zwischen uns zunichte machte und dieses herrliche Kribbeln auf meiner Haut auslöste, damit nur fester an meiner ohnehin viel zu dünnen Mauer rüttelte und sie ohne große Anstrengung eintrat. Mein Herz stürzte sich förmlich auf diesen kleinen Bissen Zärtlichkeit und als ich seine Finger an meinem Kinn spürte, folgte ich seinem Wunsch – ich hob den Kopf und öffnete die Lider, blickte zurück in seine blauen Augen. Die Augen, die mich erst Minuten zuvor hatten steinigen wollen und mir jetzt schon weicher entgegen sahen, während er mir sagte, dass wegzulaufen auch keine Lösung war. Als wüsste ich das nicht. Wahrscheinlich hatte ich es genau deshalb tun wollen: Weil ich wusste, dass er das nicht leiden konnte. Vielleicht sollte mir sein gekränktes Lächeln erst recht Beine machen. Ich hatte ihn verletzt und ich wollte keine Konsequenzen davon erleben. Wenn jemand wusste, wie schnell sein Gemüt umschlagen konnte, dann ich. Was würde passieren, wenn ich jetzt trotzdem ging? Würde er mich daran hindern? Gewaltsam? Bevor ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, war der Russe schon dabei, mir den Schlüssel abzunehmen. Ich wehrte mich nicht mal richtig – es dauerte nicht lang, da lockerten sich meine verkrampften Finger unter seiner Berührung und der Schlüssel glitt mühelos in seine Hand. Von da aus weiter auf die Kommode, wo ich ihn aller Voraussicht nach heute nicht mehr aufheben würde. Nicht, wenn es nach Iljah ging und wir wussten beide, dass das hier immer nach seinen Wünschen ablief. Zumindest größtenteils. Ich hatte spätestens dann verloren, als er mich zu sich hinzog, auf diese Weise noch mehr Nähe aufbaute und diesen nach Frieden strebenden Tonfall anschlug. Begleitet von der leicht zu erfüllenden Bitte, ihn nicht zu verlassen. Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit, da ließ ich meinen Körper schon wieder an seinen kippen und lehnte meine Stirn einen Moment lang an seine Brust. Ich wusste, dass ich ihn nicht darum bitten konnte, für mich alles wegzuwerfen, was sein Leben ausmachen. Nur, weil ich das getan hatte, hatte ich nicht plötzlich ein Recht darauf. Er hatte mich nie danach gefragt, nicht darum gebeten. Es war trotzdem genau das, was ich wollte und genau das, was ich nicht haben konnte. Ich hatte ihm versprochen, ihn nie zu verlassen… und scheinbar schaffte ich es sowieso nicht mal bis vor die Tür, obwohl es dabei lediglich um ein bisschen frische Luft gegangen war, nicht um eine endgültige Trennung. Er hatte also genau gar nichts zu befürchten und so wie er sich verhielt, wusste er das ganz genau. Wunderbar. Einen Moment lang streichelte ich ihm mit den Fingerspitzen der linken Hand über die Seite, ehe ich den Kopf wieder etwas zurückzog und im selben Moment die Sneaker von meinen Füßen schob. Ich bugsierte sie bloß zur Seite weg, hatte keine Lust, sie zurück in den Schrank zu stellen. Konnte ich auch später noch machen. “Echt das einzige, was mir mehr zu Kopf steigt, als mein Wein, bist du.”, murmelte ich, in einer Mischung aus Unzufriedenheit und sehr tief verankerter Sehnsucht, als ich meine Hände nach seinem Hals ausstreckte. Die Zeiten, in denen ich der festen Überzeugung war, Wein sei mein Endgegner, waren lange vorbei. Cosma würde die Hände überm Kopf zusammenschlagen, wäre sie Zeugin dieser Situation. Trotzdem streckte ich mich jetzt schon wieder zu ihm hoch, um ihn zu küssen – mit Nachdruck, um ihn wenigstens auf dieser Ebene noch spüren zu lassen, dass er mich verdammt nochmal wahnsinnig machte. Ich suchte Iljahs Nähe, als wäre zwischen der Begrüßung vorhin, die fast an derselben Stelle stattgefunden hatte, und diesem Moment überhaupt keine Zeit vergangen. Als hätte er in der Zwischenzeit nicht schon wieder mit ungefähr allen meinen verwundbarsten Punkten gespielt. Nach dem Kuss löste ich mich langsam wieder von ihm, griff mir zögerlich eine seiner Hände und leistete seinem Wunsch Folge, steuerte das Wohnzimmer mit ihm an. “Sagst du mir jetzt, warum du so müde bist?” Tja, hinfort mit meinen eigenen Problemen und sofort zurück zu seinen, weil die scheinbar wichtiger waren. Zumindest immer dann, wenn er hier bei mir war und sich benahm, als wäre er das Zentrum der Welt... was aus meiner Sicht streng genommen sowieso zutraf. Für meine eigenen Probleme hatte ich schließlich all die anderen Tage lang Zeit, in denen er im kalten Russland festsaß.
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Es brauchte, nachdem ich Irina an mich gezogen hatte, nicht mehr viel Überzeugungskraft, um die Russin vom Gehen abzuhalten. Ich hatte mein Ziel erreicht und das beinahe ohne große Anstrengung. Es hatte mich lediglich ein paar Nerven und etliche Beinahe-Wutausbrüche gebraucht, aber sie hatte den Gedanken, mich hier jetzt alleine zu lassen, endgültig verworfen. Ich vergrub meine Nase in den Haaren der jungen Frau und strich ihr dabei zärtlich mit der Hand über den Rücken. Ein leises Lachen bahnte sich einen Weg über meine zu einem schwachen Grinsen verzogenen Lippen. "Der Wein schmeckt aber wahrscheinlich besser... nicht ganz so bitter.", kommentierte ich ihre Aussage belustigt und nahm mich damit selber aufs Korn, ehe ich für einen Augenblick die Augen schloss. Mich voll und ganz auf meine anderen Sinne konzentrierte, um mich von den liebevollen Berührungen Irinas in Kombination mit ihrem ganz eigenen Geruch berauschen zu lassen. Ich hätte genau hier, mitten im Flur stehend, mit der jungen Frau in meinen Armen einschlafen können. Da das Streitgespräch endlich ein Ende gefunden hatte, fiel auch ein ganzes Stück Anspannung von meinen Schultern und die Müdigkeit streckte wieder ihre gierigen Arme nach mir aus. Einzig und allein die Bewegungen meiner Freundin ließen mich die Augen wieder öffnen, als sie sich für einen Kuss zu mir nach oben reckte. Ich erwiderte diesen nur allzu gerne, wollte mich auch nur widerwillig wieder von ihr lösen. Allerdings wäre es wohl für beide Parteien entspannter, wenn wir uns zunächst ins Wohnzimmer begaben und unsere Liebeleien dort fortsetzten. Gemeinsam auf der Couch zu kuscheln klang auf allen Ebenen wie Musik in meinen Ohren. Irina ließ sich auch nicht zwei Mal bitten, sondern streifte sich kurz nach meiner Aufforderung bereits wieder die Schuhe von den Füßen und nahm mich bei der Hand, um gemeinsam mit mir das Sofa anzusteuern. Dort ließ ich mich erneut wie ein nasser Sack ins Polster fallen, zog die junge Frau mir mir und legte für wenige Minuten dann erst einmal meinen Kopf in den Nacken. Als ich mit einem zufriedenen Seufzen wieder eine gerade Position einnahm, streckte ich meine Arme nach den Beinen der Schwarzhaarigen aus, um mir diese über den Schoß zu legen. Mit zärtlichen Berührungen strich ich über die nackte Haut. Ich war Irina noch einer Erklärung meiner schlechten Laune schuldig und inzwischen bereit, ihr diese auch zu liefern. Also begann ich ihr davon zu erzählen, wie der gestrige Tag bis zu meinem heutigen Eintreffen verlaufen war. Dass der Flug an und für sich reibungslos lief, ich aber auf dem Privatflughafen auf der anderen Seite der Insel eine kleine Auseinandersetzung mit Tauren hatte. "Ich habe manchmal das Gefühl, als könnte ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.", gab ich nachdenklich von mir und senkte meinen Blick auf die nackten Knie vor mir, die ich mit kreisenden Bewegungen meiner Finger bearbeitete. "Irgendwie... hat mich das so aus dem Konzept geworfen. Dieser Vorfall damals und das er - also Tauren - immer noch glaubt, dass Michail meine Schwester belästigt. War ich wirklich die ganze Zeit über einfach blind? Habe ich das wirklich übersehen können?" Während ich sprach, überkam mich plötzlich wieder das tiefe Gefühl der Traurigkeit. Die Art, welche ich verspürte, wann immer ich über die wackelige Beziehung zwischen Vahagn und mir nachdachte und das kam gar nicht mal selten vor. Früher hatte ich immer gedacht, dieses unangenehme Kriseln zwischen uns war entstanden, weil wir einfach unterschiedliche Ansichten hatten. Sich jeder in eine andere Richtung entwickelt hatte, mit der der jeweils andere sich nicht identifizieren konnte. Wenn ich mir jetzt vorstellte, dass wir tatsächlich eine ganz normale, harmonische Beziehung zueinander hätten haben können, wenn ich meinen Job als großen Bruder ernst genommen hätte, ließ einen Knoten in meinem Magen heranwachsen. Dabei hätte ich auch dazumal schon Mittel und Wege gehabt, ein solches Problem aus der Welt räumen zu können. Aber vielleicht... vielleicht wusste ich ja, dass da etwas nicht ganz rund lief und war lediglich zu feige gewesen, etwas zu unternehmen? Hatte das bis jetzt einfach mit mir herumgeschleppt und versuchte nun das Versagen in Hinsicht auf meine eigene Schwester mit dem Umgang von Irina irgendwie zu rechtfertigen. Quasi wieder gutzumachen, dass ich einfach die Augen verschlossen und den letzten kläglichen Rest meiner Familie sich selbst überlassen hatte.
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