Oh, vielleicht morgen. Heute stand mir der Sinn ganz und gar nicht nach einer potenziellen Auseinandersetzung, auch dann nicht, wenn sie nur spielerischer Natur war. Ich wollte die einvernehmliche, unerwartete Harmonie zwischen uns genießen, solange sie noch anhielt. Falls sie morgen aber nochmal so süß aussah, wie sie es im ersten Moment in meinem Hoodie getan hatte, sagte ich es ihr vielleicht trotzdem wieder. Zumindest wenn unsere noch wie eine drohende Gewitterwolke über unseren Köpfen schwebenden Differenzen bis dahin aus dem Weg geräumt waren. Um ehrlich zu sein, fürchtete ich mich ein Stück weit davor, unsere Probleme überhaupt anzusprechen. Nicht, weil ich glaubte, dass wir es nicht schaffen würden, sie zu beseitigen und gemeinsam im Guten daraus zu lernen, sondern weil es schlichtweg unangenehm sein würde. Das war es immer und wir waren beide nicht gerade optimal mit der Situation umgegangen. Außerdem war ich mir nicht sicher, inwiefern Vahagn tatsächlich begriff, warum sie mich mit der Geheimhaltung unseres ungeborenen Kindes so verletzt hatte. Ihr warmer Körper schmiegte sich an meinen, kaum war ich zu ihr unter die Decke geschlüpft und das Lächeln auf meinen Lippen wurde breiter. Die schöne Russin schmiegte sich an mich, als wären wir nie voneinander getrennt gewesen, so als hätten wir erst gestern Abend das letzte Mal so beieinander gelegen. “Ich hab’ eine ungute Vorahnung…”, ließ ich Vahagn mehr amüsiert als ernsthaft besorgt wissen, während ihre Hand bereits an meinem Körper abwärts wanderte. Ich genoss das kurze Streicheln oberhalb des Shirts unheimlich, zuckte dann aber leicht zusammen, als ihre kühlen Finger auf die empfindliche Haut knapp oberhalb meines Hosenbunds trafen und sich auf meiner Haut weiter nach oben stahlen. “Vielleicht nicht kalt-kalt, aber kälter als ich.”, kommentierte ich meine körperliche Reaktion und verzog dabei für einen kurzen Moment das Gesicht, bis ich mich an die zumindest nicht direkt warmen Finger gewöhnt hatte. Es dauerte zum Glück nicht lange, bis ihre Hand sich meiner Körperwärme anpasste und ich die Berührung in vollen Zügen genießen konnte. Es war eine dieser Kleinigkeiten, die ich schrecklich vermisst hatte. Ich legte den Arm um ihren Rücken, griff gleichzeitig mit dem zweiten nach ihrem Oberschenkel und musste mich dabei aber mehr strecken, als mir lieb war – also zog ich das ohnehin schon angewinkelte Bein noch ein klein wenig mehr nach oben, wenn auch nicht gefährlich oder unbequem hoch, um Vahagn fortan etwas für die Zärtlichkeiten zurückzugeben. Ich hielt ihr Bein locker in der Hand und streichelte sachte über ihren Oberschenkel. Allerdings verhältnismäßig nahe an ihrem Knie, damit ich weniger schnell auf dumme Gedanken kommen konnte. Das Lächeln auf meinen Lippen wurde dank ihrer Worte zuerst nur breiter, bis es unter den kleinen Küssen an meinem Hals schließlich zu einem schmalen Grinsen wurde. Ihr warmer Atem kribbelte fast schon zu angenehm an der sensiblen Haut. “Das Bett war verdammt leer ohne dich… die ganze Wohnung eigentlich.”, stellte ich zufrieden seufzend fest und schloss einen Moment lang die Augen. Als Vahagns Lippen vermeintlich ein letztes Mal meinen Hals berührt hatten, stahl’ ich mir noch einen sanften, aber nicht allzu langen Kuss von ihren weichen Lippen. Danach sah ich weiter zu ihr runter, doch es war einige Sekunden lang still zwischen uns, bevor ich den Mund wieder aufmachte. “Hat der Jetlag dich schon im Griff..?”, fragte ich mit indirekter Wortwahl danach, ob ich zeitnah damit rechnen musste, dass sie mir einnickte. Zwar hatte ich die ganzen letzten Wochen über bescheiden bis gefühlt gar nicht geschlafen, doch ich war schrecklich aufgeputscht von ihrem plötzlichen Auftauchen und mein Schlafrhythmus war auf etwa 3 Uhr nachts eingestellt – es war jetzt noch nicht mal 23 Uhr. Wenn sie mir hier bald einschlief, musste Vahagn also leider damit rechnen, dass ich sie beim Schlummern beobachtete, weil aufzustehen gar nicht in Frage kam.
Es musste der Alkohol sein, der mich daran hinderte, bei Richards zurecht aufgebrachtem Tonfall zusammenzuzucken. Ich senkte den Blick erneut und blinzelte ein paar Mal, so als müsste ich mir erst selbst begreiflich machen, was hier eigentlich gerade passierte. Dass der Engländer eine völlig abweisende Körperhaltung einnahm, war mir ganz und gar nicht zuträglich und ich bekam immer weniger Lust dazu, überhaupt noch einen einzigen Ton von mir zu geben. Wozu denn? Richard wirkte so, als würde es überhaupt gar keinen Unterschied machen, was ich jetzt sagte. Er war wütend und verletzt und hatte jedes Recht dazu, doch sich auf diese Art mit ihm zu unterhalten wäre… naja, keine Zeitverschwendung, weil das Gespräch an sich notwendig war, aber es wäre nicht zielführend. Für keinen von uns. “Du klingst nicht so, als würdest du gerade wirklich irgendwas von mir hören wollen.”, stellte ich überaus kleinlaut fest, mir meiner Schuld vollumfänglich bewusst. Wenn er jedoch nichts besseres zu tun hatte, als mich mit Worten und dieser verdammt einschüchternden Art von Blick in den Boden stampfen zu wollen, dann konnte ich auch gleich wieder zur Tür rausgehen. Mich den Konsequenzen meiner Taten stellen zu müssen war eine Sache, Richard so zu erleben aber nochmal eine ganze andere. Natürlich war das meine Schuld, aber ich konnte damit nur schwer umgehen. So hatte ich ihn noch nie gesehen und er machte mir, um ehrlich zu sein, ein bisschen Angst. “Ich kann verstehen, dass du wütend bist… du hast jedes Recht dazu.”, stellte ich murmelnd klar und hob dabei erneut vorsichtig den Blick. So als müsste ich prüfen, ob er in der Zwischenzeit ein Messer gezückt hatte oder so. Obwohl das nicht zu ihm als Person passte, es entsprang eher meiner Paranoia im Hinblick auf vorbestrafte und kriminelle Menschen. Ich war zwar rechtzeitig aus Italien geflohen, um solche Ausschreitungen nicht am eigenen Leib zu erfahren und auch Hunter war bisher noch nicht gewalttätig mir gegenüber geworden, aber ich war damit aufgewachsen. Ein paar Bilder aus meinen jungen Jahren verfolgten mich zweifellos bis heute noch in solchen Situationen. “Das hier…”, ich hob mit einem tiefen Atemzug die linke Hand und deutete ansatzweise auf die roten Flecken, von denen ich ganz genau wusste, dass sie da waren. Ich schluckte leicht, bevor ich weitersprach. “...ist alles. Ich hab’ nicht mit… ihr geschlafen, falls… falls du das denkst.”, brachte ich nur äußerst schwer ein paar Worte dazu hervor. Machte es die Tatsache, dass es eine Frau gewesen war, eigentlich besser oder schlimmer? Machte es überhaupt einen Unterschied? Am Ende kam es eigentlich auf dasselbe heraus, zumindest meiner Meinung nach. Jedoch fühlte von uns beiden nur ich mich zu beiden Geschlechtern hingezogen, also konnte Richard das ganz anders sehen. “Ich wollte nicht, dass es so weit kommt… und ich weiß, dass ich vorher mit dir hätte reden sollen. Dass ich das, was passiert ist… willentlich in Kauf genommen hab und das alles nur noch schlimmer macht. Aber ich… ich hab mich nicht getraut. Es fühlte sich so… so falsch an, weil ich nicht möchte, dass du…” Ich schaffte es nicht mal, den Satz zu vollenden, mir blieben die Worte einfach im Hals stecken. Weil ich ihm keinen Strick daraus drehen wollte, dass er sein Trauma noch nicht überwunden hatte? Weil ich nicht wollte, dass er sich gedrängt oder gar von mir genötigt fühlte? Vermutlich war es das, beides. Er konnte nichts dafür, dass er noch nicht bereit dazu war, mich an sich heranzulassen und ich würde ihm niemals einen Vorwurf dafür machen. Nur änderte das eben auch nichts daran, dass ich mich nicht nur nach dieser rein intellektuellen, mentalen Verbindung zu einem Menschen sehnte. Die war mir schon auch sehr wichtig, vor allem für eine langfristige Beziehung – ich könnte nicht mit jemandem zusammen sein, der das kulturelle Interesse oder ganz generell den Intellekt eines Toasters hatte. Trotzdem war das offensichtlich nicht alles, was ich in einer Beziehung brauchte, um glücklich zu sein. Was, wenn Richard nie über Agnolos Schandtaten hinwegkam? Wenn er mir niemals weit genug vertrauen würde, um sich sicher genug mit mir zu fühlen? Allein der Gedanke daran tat schon weh.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Taurens Reaktion auf meine scheinbar noch nicht wieder richtig warm gewordene Hand ließ mich leise kichern. Wann war ich eigentlich zu einem kleinen Schulmädchen mutiert, wenn ich mit dem Norweger zusammen war? Ich klang ja ätzend, konnte mich selbst kaum hören. Das Kichern zu unterdrücken war aber leider auch keine Option, es bahnte sich seinen Weg über meine Lippen ganz von selbst. Außerdem schien es den jungen Mann gar nicht zu stören, nur ich hatte aus unerfindlichen Gründen wieder ein Problem damit. Naja. Vielleicht würde ich im Laufe der künftig hoffentlich besser funktionierenden Beziehung in dem Punkt noch wachsen und verstehen, dass loszulassen manchmal eben bedeutete, sich unter anderem auch mal kindlich zu verhalten. Gerade bei uns beiden, deren Kindheit nicht ganz so unbeschwert verlaufen war, war ein Teil unserer jüngeren Persönlichkeit in der Entwicklung einfach auf der Strecke geblieben. Es auf diesem Wege zu heilen, brachte langfristig inneren Frieden und davon konnten sowohl Tauren als auch ich selbst echt was gebrauchen. Dass die Wohnung ohne mich recht leer gewesen war, konnte ich gut verstehen. Es war mir zuerst auf Kuba, dann in Russland ähnlich ergangen. Zwar hatte ich immer entweder Iljah, Michail oder irgendeinen One-Night-Stand - deren Namen mir bereits am Morgen danach schon wieder entfallen waren - um mich herum gehabt, aber das Gefühl der Leere hatte mein Herz dennoch heimgesucht. Und das hatte sich scheiße angefühlt. Richtig scheiße sogar. Umso mehr genoss ich es, jetzt neben dem Norweger im Bett zu liegen und mich seinen Streicheleinheiten hinzugeben. Was die Sache mit dem Jetlag anging... "Schwer zu sagen.", setzte ich murmelnd zu einer Antwort an, rollte mich dann mit dem Oberkörper ein Stück weit auf den Rücken. Eben so weit, wie es mir möglich war, wenn Tauren mein Bein im Griff und ich den Arm unter seinem Shirt hatte. Dann sah ich nach oben an die Decke, als müsste ich erst in mich hineinfühlen, wie müde ich denn wirklich war. "Ich bin schon... müde irgendwie. Aber... nur körperlich, weißt du? Ich glaube, ich hatte heute einfach ein bisschen zu viel Action. Der Flug, die Autofahrt, das Wetter... unser Gespräch. Das geht schon ein bisschen an die Substanz. Andererseits möchte ich eigentlich noch gar nicht schlafen, sondern lieber noch ein bisschen kuscheln. Wir haben viel aufzuholen.", fuhr ich fort und rollte mich gegen Ende der Aussage wieder in meine Ausgangsposition zurück. Ich zog den Arm unter Taurens Shirt hervor und legte die Hand stattdessen an seine Wange, erhob mich dann doch wieder ein wenig und stützte mich auf dem Ellbogen meines zwischen uns befindlichen Armes ab, um so von oben auf ihn herabzusehen. Mein müder Blick suchte seine Augen und für einen Moment besah ich mir dieses wunderschöne Gesicht. Ich hätte hier sicherlich noch Stunden damit verbringen können, ihn einfach nur anzusehen und mich glücklich zu schätzen, dass er mich zurückgenommen hatte. "Hattest du etwa noch was vor oder warum fragst du?", stellte ich ihm mit hochgezogener Augenbraue und einem schiefen Grinsen eine Gegenfrage. Dabei hielt ich mit der Hand an seinem Kinn inne und hob meinen Kopf auf etwa die gleiche Höhe an, sodass sich unsere Lippen beinahe berührten. Ich konnte seinen Atem bereits sehr deutlich spüren. "Und lüg' mich jetzt nicht an. Du weißt, ich kann dich lesen wie ein Buch.", säuselte ich und stahl mir einen weiteren Kuss von den mittlerweile leicht angeschwollenen Lippen. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, intensivierte sich das weiche Gefühl noch einmal und ich brachte mich damit beinahe selbst um den Verstand. Dabei wollte ich ihn doch eigentlich nur ein bisschen ärgern. Blöd nur, dass mein Körper sich mindestens genauso nach ihm sehnte, wie mein Kopf. Und da änderte leider auch meine körperliche Erschöpfung oder die Tatsache, dass das vermutlich keine gute Idee war, nichts dran.
War das denn verwunderlich? Würde er denn gerne etwas von mir hören wollen, wenn ich Scheiße gebaut hatte, mit der ich unsere Beziehung potenziell aufs Spiel setzte? Vermutlich eher nicht. Vielleicht würde er sich anhören, was ich zu sagen hatte, um sich im Nachhinein darüber Gedanken machen zu können, aber von wollen konnte wirklich nicht die Rede sein. Und genau so ging es mir jetzt auch. Ich erinnerte mich daran, wie ich Tauren vor nicht allzu langer Zeit einmal gesagt hatte, dass ein von Emotionen geleitetes Gespräch selten gut enden würde. Man hörte einander nicht mehr richtig zu, verletzte sich gegenseitig und ging als Resultat daraus oftmals getrennte Wege - mindestes kurzzeitig. Dessen war ich mir vollumfänglich bewusst. Zwar war ich hier und da definitiv ein Vertreter der Doppelmoral, aber in diesem Fall hatte ich wirklich kein Interesse daran, Samuele unnötig zu verletzen, wenn es sich vermeiden ließ. Ihn schien das zwar nicht sonderlich gestört zu haben, mir ein Messer in die Brust zu rammen, aber das bedeutete nicht gleich, dass ich es ihm gleichtun musste. Er war mir wichtig, ich hatte ihn durch unsere gemeinsame Zeit und die vielen schönen Dinge, die wir bereits miteinander erlebt hatten, lieben gelernt. Ich würde nicht zulassen, dass ich mich durch meine Emotionen jetzt dazu hinreißen ließ, ihm gegenüber unfair zu werden. Aber er konnte sicher auch nachvollziehen, wie beschissen es mir nach seiner Beichte jetzt ging, oder? Dass er sich zudem von einer Frau diesen hässlichen Knutschfleck hatte verpassen lassen, machte die Sache nicht unbedingt besser. Ich wusste von Anfang an, dass Sam Interesse an beiden Geschlechtern hatte, aber dass ihm ausgerechnet eine Frau den Verstand geraubt hatte, ließ mich schnaubend den Kopf schütteln. Da änderte auch der Fakt nichts dran, dass da scheinbar nicht mehr gelaufen war. "Hör' zu, Sam. Du hast Recht, ich habe eigentlich gerade nicht wirklich Lust dir zuzuhören, wie du versuchst dich dafür zu rechtfertigen, dass sich eine Frau an deinen Hals geschmissen hat und du nichts dagegen unternommen hast. Hören möchte ich es trotzdem, damit ich mich, sobald ich mich wieder etwas beruhigt habe, damit auseinandersetzen kann, weißt du? Ich weiß, du bist nicht dumm und dir dessen vollkommen bewusst, was du getan hast. Genauso weißt du auch, dass du mich damit furchtbar verletzt hast und ich dich gerade nicht in meiner Nähe haben möchte. Ich brauche Zeit, um mir Gedanken darüber zu machen. Ein anständiges Gespräch ist wegen meinen negativen Emotionen für mich gerade schlichtweg nicht möglich." Obwohl ich wusste, dass meine Worte nur zum Besten für uns beide waren, fühlten sie sich an wie Säure, die meinen Mundraum gnadenlos verätzte. Sich erwachsen zu verhalten, wenn die Gefühlte drohten einen zu übermannen, war nicht ganz einfach. Scheinbar schienen dem Italiener noch ein paar Worte im Hals steckengeblieben zu sein und ich forderte ihn mit einer Bewegung meiner Hand dazu auf, fortzufahren. Als er nicht reagierte, fügte ich meiner vorherigen Aussage noch ein paar Worte hinzu. "Weil du was nicht wolltest, Samuele? Mir sagen, dass du mit einem traumatisierten Krüppel nicht zurechtkommst? Angst hattest, dass ich irgendeine Dummheit anstellen würde, wenn du mir sagst, wie du dich fühlst? Dass dich dein neues Leben so unglücklich macht, obwohl ich an allen Ecken und Enden versuchte, dir zu helfen." Ah. Scheinbar hatte ich schon ein bisschen zu viel gesagt und mich im Laufe meiner Aufzählung doch ein wenig in Rage geredet. So viel dann zum Thema, mir später in Ruhe Gedanken machen zu wollen. Naja. Es war wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es bei uns harmoniebedürftigen Spinnern mal richtig krachen würde.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Mein Kopf folgte Vahagns Bewegung ganz von selbst, damit ich sie weiter ansehen konnte und mein Arm um ihre Taille wurde vorübergehend mehr oder weniger unter ihr begraben. War aber nicht schlimm, solange sie so nicht bis morgen darauf liegen blieb. Ich konnte nur schwer die Augen von ihr lassen und wenn sie so an die Decke sah, war sie schon wieder… naja, irgendwie süß. Die entsprechende Bemerkung dazu verkniff ich mir aber, um nicht doch noch eine Diskussion vom Zaun zu brechen. Oder etwas anderes, das heute eigentlich nicht mehr auf der Agenda stand. Falls man davon überhaupt sprechen konnte – mein ganzer Abend war komplett anders geplant gewesen. Jedenfalls schien es der Russin nicht viel anders zu gehen als mir. Zwar war mein Tag bis auf eine Runde mit dem Skateboard und eine Sporteinheit ziemlich entspannt gewesen, aber das änderte nichts an dem über Wochen hinweg aufgebauten Schlafmangel. “Hmmm, versteh ich… geht mir ähnlich und seh’ ich auch so.”, zeigte ich mich wahrheitsgemäß voll und ganz mit ihrem Wohlbefinden kompatibel. Zur Untermauerung meiner Worte strich ich einmal mit der ganzen Hand an ihrem Bein nach oben und wollte sie danach – in weiser Voraussicht – zurück nach unten schieben, dorthin, wo sie vorher gelegen hatte. Doch dazu kam ich irgendwie nicht mehr, weil Vahagn meinem Hirn einen kurzen Aussetzer verpasste, indem sie den direkten Blickkontakt wiederherstellte und ihre schmalen Finger an mein Gesicht legte. Sich dabei fast schon beiläufig noch weiter über mich schob und mir eine Frage stellte, die ich am liebsten mit ’Ja und Nein’ beantwortet hätte. Wenn sie mich so ansah, ich bis in ihre – heute vielleicht ein bisschen erschöpfte – Seele schauen konnte und ihre Lippen, auf die ich kurz hinab blickte, mir so herrlich nahe waren, dann erweiterte sich meine Wunschliste an Aktivitäten von ganz allein. Erst recht dann, wenn ich sie so lange nicht gesehen hatte. Mir würde auch kein guter Grund dafür einfallen, an dieser Stelle einen Hehl daraus zu machen und ich kam ohnehin nicht dazu, ihr eine Antwort zu geben: Vahagn überbrückte das letzte bisschen Distanz zwischen uns und mir fielen die Augen zu, als ich den Kuss liebevoll erwiderte. Zuerst zumindest. Unsere Lippen trennten sich kurz voneinander, aber ich nahm nicht mehr als einen einzigen Atemzug, bevor ich den Kuss fortsetzte und mehr von meiner Sehnsucht aus der schlecht gesicherten Kiste springen ließ. Ich beanspruchte ihre Lippen ganz für mich und nahm meine Hand von der Matratze, um sie an Vahagns unterem Rücken unter den sehr dazu einladenden, viel zu weiten Pullover zu schieben. Mein Griff an ihrem Bein verstärkte sich und so zog ich sie noch näher zu mir hin. Schlaf war sehr eindeutig nicht das, was mir in diesem Moment am meisten fehlte. “V…”, hauchte ich atemlos an ihre feuchten Lippen, als wir den Kuss einvernehmlich für einen Moment unterbrachen, weil wir vermutlich beide keine Luft mehr bekamen. Es war eine stark verkürzte Form ihres Namens, eine Art Kosename, den ich bis heute noch nicht oft benutzt hatte. Damit hatte ich angefangen, kurz bevor die Russin sich urplötzlich wie ein anderer Mensch verhalten hatte und dann war es nie wieder dazu gekommen. Dazu war ausnahmslos jede Unterhaltung viel zu angespannt verlaufen. Bis heute eben. “Wir… wir sollten nicht…” Mein dunkler Blick lag in ihren Augen. Warum musste es so schwer sein, das Richtige zu tun? Sie fühlte sich zu gut an, als dass ich sie einfach auf Abstand hätte schubsen können. “Wir müssen erst…”, versuchte ich ein zweites Mal mit dünner Stimme, meine in dieser Sache theoretisch berechtigten Einwände in Worte zu fassen. Dabei lenkte ich mich jedoch selbst ganz erfolgreich davon ab, indem ich meine Hand an ihrem Bein weiter aufwärts wandern ließ. Über den dünnen, flüchtigen Bund ihres Slips, wo meine Hand seitlich an ihrer Hüfte zum Erliegen kam und ich mit dem Daumen über Vahagns leicht hervorstehendem Hüftknochen streichelte. Es war dumm von mir, ihr ausgerechnet in dieser Situation jetzt die entscheidenden Zügel in die Hand zu drücken, nur weil meine eigene Willenskraft nicht stark genug war. Mit dem davon noch übrigen Funken kam ich nicht gegen die starke Anziehung an, die wie ein Magnet von der schönen Schwarzhaarigen ausging und sich in Windeseile durch jede Faser meines Körpers schlich. So als bräuchte ich sie zum Überleben, als hätte mein Leben ohne sie niemals je einen Sinn ergeben. Denn ja, im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen konnte sie mich lesen wie ein Kinderbuch mit dem einfachsten Satzbau überhaupt: In diesem Moment war das aber auch echt nicht gerade schwer.
Mich zu rechtfertigen? Das war es, was er dachte, was ich hier tat? Mein Augen blitzten ihm für eine Sekunde lang empört entgegen. Ich wusste ganz genau, dass das nicht hätte passieren dürfen. Dafür gab es keine Gründe, die gut genug waren, also war das hier auch überhaupt keine Rechtfertigung. Es war mir lediglich ein Anliegen gewesen, ihm gleich von vornherein zu gestehen, was passiert war und alles, was ich danach gesagt hatte, war ein verzweifelter Versuch gewesen, das Gespräch in die richtige Bahn zu lenken. Richards Schnauben machte es nicht besser, obwohl ich eigentlich wusste, dass er mit der Situation lediglich ähnlich überfordert war wie meine eigene Wenigkeit. Ich sollte wirklich besser gehen und morgen mit ihm darüber sprechen. Oder aber… “Ich versuche überhaupt nicht, mich hier für irgendetwas zu rechtfertigen.”, stellte ich trocken fest. Gefühlt war dieser eine Satz ganz zu Beginn alles, was ich aus seinem Schwall an Worten mitgenommen hatte. Wenn ein Gespräch ohne jegliche Vorwürfe für uns beide hier gerade sowieso nicht möglich war, warum versuchten wir es dann? Ich war von Schuldgefühlen zerfressen und stand gleichzeitig noch immer schrecklich unter Strom. Das war nicht gerade besser geworden, seit ich die Erektion am Tisch hatte aussitzen müssen. Deswegen sah ich keinen Sinn mehr in dieser Auseinandersetzung. Wir sollten damit erst weitermachen, wenn wir beide runtergekommen waren – das machten auch Richards Worte deutlich, die er mir noch an den Kopf warf, weil ich mich weigerte, meinen angefangenen Satz zu beenden. Ich konnte nichts dagegen machen, dass mir der Puls nach oben schoss und ich ihn fortan völlig befremdet ansah. Das stechende Funkeln kehrte in meine Augen zurück, als ich die Augenbrauen nach unten zog. “Du weißt ganz genau, dass ich dich noch nie so gesehen habe.”, zischte ich ihm entgegen. Für mich war Richard kein traumatisierter Krüppel. Es hatte ein bisschen gedauert, bis ich mich mit der Vergangenheit des Engländers hatte anfreunden können, aber ich hatte niemals bloß sein Trauma in ihm gesehen. Natürlich war es immer da gewesen, schon seit wir uns kannten – aber vielleicht war genau das der Grund dafür, dass ich in ihm nicht bloß eine posttraumatische Belastungsstörung sah. Ich kannte ihn nur so und wusste überhaupt nicht, wie er vor der Entführung war. Wie er sich seitdem verändert hatte. Auch alles andere, was Richard im selben Atemzug noch gesagt hatte, tat weh. Auf so vielen Ebenen. Ich sollte es nicht persönlich nehmen, das wusste ich – trotzdem tat ich es. “Oh, tut mir leid, dass ich dir so zur Last falle… nachdem ich deine Probleme schon monatelang mitgetragen habe, obwohl wir uns da noch überhaupt gar nicht kannten. Wie kann ich nur erwarten, dass du jetzt auch für mich da bist… das ist ja unfassbar unfair von mir.”, motzte ich weiter und die Ironie triefte immer schlimmer von meinen Lippen, je länger ich sprach. Ich hatte mich Richard angenommen, als er in der mit Abstand übelsten Phase seiner Existenz daherkommen war. Vielleicht hatte ich das anfangs nicht aus freien Stücken getan, aber es hatte nicht lange gedauert, bis mir sein Wohlergehen persönlich am Herzen gelegen hatte. Damals vielleicht noch als platonischer Freund und nicht als sein Liebhaber, aber das war für mich an diesem Punkt irrelevant. Ich hatte ihn unterstützt, so gut es mir neben einem Vollzeit-Job möglich gewesen war und hatte ihn, einen völlig Fremden, in meinen eigenen vier Wänden umsorgt. Da war es doch wohl echt nicht zu viel verlangt, dass er mich jetzt auch unterstützte, oder? Ich hatte ihm die Wahrheit auch nicht deshalb verschwiegen, weil ich glaubte, dass er sie nicht verkraften konnte. Da war er auf dem Holzweg. “Ich wollte einfach nur nicht, dass du dich schlecht fühlst… und das ausgerechnet wegen dem Trauma, das dich sowieso immer noch verfolgt. Das Letzte, was ich möchte, ist, dass du dich von mir gedrängt oder genötigt fühlst… oder dass du dich nur für mich quälst, aus Angst, mich sonst zu verlieren.”, rückte ich jetzt zwangsläufig, nur ein bisschen ruhiger als vorher, doch mit der Sprache heraus. Dabei fing ich an, mit beiden Händen etwas auf Bauchhöhe vor mir in der Luft zu gestikulieren. Auch das war keine Rechtfertigung, aber es war eine Tatsache – der Grund, warum ich Scheiße gebaut hatte, der Grund, warum ich ihn nicht schon vorher auf die mir offensichtlich entgleitende Kontrolle angesprochen hatte. “Aber dein Trauma ändert nunmal einfach nichts an meinem völlig intakten Verlangen nach Sex.” Gut, das völlig intakt war vielleicht auch nicht ganz korrekt. Durch meine lange Experimentierphase, kaum war ich damals auf Kuba gestrandet, war ich stellenweise sicher in das eine oder andere Extrem gerutscht. Das war an und für sich nicht so schlimm, solange man es nicht permanent übertrieb, aber in diesem Moment und vor allem in der Beziehung mit Richard könnte sich das rückwirkend als immer größer werdendes Problem herausstellen.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
V... Es war ein einzige Buchstabe und doch ließ er mir aus Taurens Mund einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen, was sehr wahrscheinlich der aktuellen Situation geschuldet war. Wie wir ineinander verschlungen dalagen und nicht von den Lippen des jeweils anderen wegkamen... da klang wahrscheinlich jedes gesprochene Wort für mich außerordentlich verführerisch. Naja, bis auf den kläglichen Versuch seitens des Norwegers, dem ganzen Spaß hier einen Riegel vorzuschieben. Ich hatte mich gerade zwangsläufig ein wenig von ihm distanziert, um wieder etwas von dem absolut überbewerteten Sauerstoff in meine Lungen zu lassen, als Tauren mehr schlecht als recht seine Bedenken in Worte zu fassen versuchte. Einen Moment lang sah ich ihn etwas wehleidig an, streichelte atemlos mit dem Daumen seitlich seinen Unterkiefer entlang, ehe ich langsam, nicht sehr überzeugt nickte. Mein Körper sagte mir zwar, einfach weiterzumachen, denn irgendwann würde er sich ganz bestimmt darauf einlassen, so wie er jetzt schon um seine Beherrschung rang, aber er hatte ja Recht. Es gab noch eine Dinge, die wir besser vorher aus der Welt schaffen sollten, bevor wir wieder miteinander intim wurden. Ein sehr wichtiger Punkt stand sogar im direkten Zusammenhang mit einer dieser leidenschaftlichen Nächte. Aber... aber es war einfach so schwer, mich ihm jetzt nicht vollends hinzugeben. Zwei verdammt lange Monate hatten wir absolut nichts voneinander gehabt, uns beide so sehr nach der Nähe unserer besseren Hälfte gesehnt, da lud der erste gemeinsame Abend einfach dazu ein. "Hmm, wahrscheinlich hast du Recht.", murmelte ich unzufrieden an seine Lippen, wollte es eigentlich nicht wahrhaben. Das zeigte ich auch ganz deutlich, indem ich mich kein Stück weiter von ihm distanzierte. Selbst wenn ich wirklich gewollt hätte, wäre das auch gar nicht so einfach gewesen, denn Tauren hielt mich ziemlich vehement weiter an sich gedrückt, was mir deutlich signalisierte, dass auch er nicht hundertprozentig von seinen eigenen Worten überzeugt zu sein schien. Meine Hand, die bis eben noch an seiner Wange gelegen hatte, wanderte ein Stück weiter nach oben, verschwand sehr bald in den zerzausten Haaren und spielte dort vereinzelten mit ein paar Strähnen. "Dann solltest du mich jetzt lieber loslassen, bevor wir uns hier doch noch vergessen.", flüsterte ich verheißungsvoll und funkelte ihn dabei herausfordernd von oben herab an. Marilyn Monroe wäre in diesem Moment wahrscheinlich unheimlich stolz auf meinen Schlafzimmerblick gewesen, den ich vollkommen mühelos an den Tag legte. Zwar rührte dieser eher daher, dass ich tatsächlich müde war und mein Körper sich nur schwer dazu animieren ließ, in so einer zum Schlafen einladenden Umgebung die Augen aufzuhalten. Andererseits brodelte da auch aber dieses Verlangen nach mehr in mir, womit ich gerade definitiv nicht allein war. Der Norweger konnte zwar versuchen mich davon zu überzeugen, dass er es für zu früh hielt, schon wieder miteinander zu schlafen, aber sein Körper verriet mir definitiv das Gegenteil. Grund genug für mich, eher keinen Gang runter zu fahren. Stattdessen überwand ich die ohnehin schon kaum vorhandene Distanz zwischen uns, um meine geröteten Lippen an die sensible Haut am Hals, knapp unter seinem Ohr zu legen und dort ein paar zärtliche Küsse zu verteilen. Währenddessen bewegte ich mich mit meinem Körper in die einzige Richtung, die mir aus der aktuellen Position heraus möglich war - nämlich weiter auf ihn drauf. Ich schob mein Bein vorsichtig - schließlich wollte ich ihn jetzt nicht unnötig durch Ungeschicklichkeit verletzten - über seine Körpermitte und saß schließlich breitbeinig auf seinem Bauch. Taurens Hand, die bis eben noch an meiner Hüfte gelegen hatte, rutschte dadurch ein gutes Stück weiter nach unten und ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass die mehr oder weniger unfreiwilligen Berührungen mich nicht bereits unglaublich elektrisierten. Das war es, was ich die letzten zwei Monate über ständig gesucht und doch nicht gefunden hatte. Kaum war es die Hand dieses bestimmten jungen Mannes, die an meinem Hintern lag, wich auch schon jegliche Müdigkeit förmlich aus meinem Körper und wurde durch bloßes Verlangen abgelöst.
Es dauerte nicht lange, bis wir an dem Punkt angekommen waren, den ich von Anfang an eigentlich gar nicht hatte erreichen wollen. Es brauchte nur ein paar blöd formulierte Sätze und wir traten einander auf den Schlips, fühlten uns vom jeweils anderen absolut missverstanden und fassten die Worte in einem völlig falschen Kontext auf. Der Zug, dieses Gespräch einigermaßen wohlwollend zu beenden, war damit abgefahren und wenn jetzt niemand einlenkte, dann würden wir uns hier und heute noch richtig in die Haare kriegen. Anfangs sah es noch ganz danach aus, dass ich derjenige war, der klein bei geben und die Fortsetzung der Unterhaltung vertagen würde, bis Samuele meines Erachtens nach ein bisschen zu frech wurde. Mit etwas zu viel Ironie um sich warf und dann auch noch erwartete, dass ich Verständnis für die beschissene Situation hatte, in die er sich ganz alleine hineinmanövriert hatte. "Ich wäre für dich da gewesen, Samuele, wenn du mit mir darüber geredet hättest, was dich belastet, bevor du dich von irgendeiner Schlampe hast angraben lassen - das weißt du ganz genau." Ich konnte nicht vermeiden, nun doch auch etwas aufbrausender zu klingen. Dabei war meine Stimme nicht ansatzweise so fest, wie ich es mir in dieser Situation gewünscht hätte. Sams Worte hatten mich nämlich ziemlich getroffen, entsprechend schwang ein leicht verletzter Unterton mit. Dachte er wirklich, ich war ihm nicht unglaublich dankbar dafür, dass er mir durch diese schwere und absolut unschöne Zeit meines Lebens geholfen hatte? Scheiße, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass er mit einer der Hauptgründe gewesen war, wieso ich überhaupt wieder auf den rechten Pfad gefunden hatte. Er hatte viel zu viel gegeben und war zudem eine so großartige Bereicherung für mein Leben gewesen, als dass ich seinen Intellekt nicht vollumfänglich und vor allem clean genießen wollte. Dass er mir jetzt vorwarf, als Dank für die Hilfe nicht für ihn da zu sein, obwohl er derjenige gewesen war, der den Mund nicht aufbekommen und große Scheiße gebaut hatte, war nicht nur ein Messerstich ins Herz, sondern auch in den Rücken. Meine Arme lösten sich wie von selbst aus der defensiven Haltung vor meiner Brust und baumelten nun ein wenig verloren neben meinem Körper, auch mein Blick verzog sich etwas, weil der Schmerz langsam doch die Überhand gewann und die Wut auf den jungen Mann in den Hintergrund rückte. "Ich bin vielleicht traumatisiert, aber nicht blöd. Natürlich weiß ich, wie wichtig Sex für einen Menschen sein kann. Mir ging es doch mal ähnlich, aber... du kannst nicht von mir erwarten, dass ich jetzt Verständnis für dich aufbringe, wenn du mir noch nicht einmal die Chance eingeräumt hast, mir auch nur irgendwie Gedanken darüber zu machen.", stellte ich mit einem angespannten Schulterzucken fest. Irgendwie war mir das Thema gerade unglaublich unangenehm, denn bis heute hatte ich eigentlich nie das Gefühl gehabt, dass die fehlende Intimität ein Dorn im Auge des Italieners war. Gut, ehrlicherweise hatten wir darüber bisher auch noch nie wirklich gesprochen, weil das nach Agnolos Entführung für mich ziemlich schwere Kost gewesen war, aber Samuele wusste, dass ich von allen, mit denen er aus dem kriminellen Metier bisher zutun gehabt hatte, mit Abstand derjenige war, mit dem man sich am ehesten auf erwachsener Ebene unterhalten konnte. Und wie ich bereits angesprochen hatte, war ich mir durchaus darüber im Klaren, dass Sex für viele Paare ein sehr wichtiges Thema war. Nur weil ich nach wie vor überhaupt keinen Drang verspürte, sogar noch immer ziemliche Angst davor hatte, hieß das nicht, dass ich ihn nicht verstanden hätte. Aber eine gesunde Beziehung baute nun mal auf ehrlicher Kommunikation auf und wie hieß es so schön - nur den Redenden kann auch geholfen werden. Wenn er größere Angst davor hatte, dass ich mich durch ein solch wichtiges Gespräch genötigt, gedrängt oder schlecht fühlte, dann war das sein Problem und er durfte es jetzt nicht zu meinem machen. Ich würde eine solche, wenn auch nur indirekte, Schuldzuweisung nicht akzeptieren.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Ich hatte sogar ganz definitiv Recht und offenbar war uns beiden das vollauf bewusst. Es änderte jedoch nichts daran, dass ich schon in dem Moment, als mir der Ton der Schwarzhaarigen an den Lippen abprallte, ziemlich sicher alle ansatzweise brauchbaren Karten verspielt hatte. Sie wusste, dass wir aufhören sollten und ich wusste es auch. Trotzdem vergrub Vahagn ihre Hand in meinen Haaren und löste nur durch diese verspielte Berührung gefühlt alle Anspannung, die sich über die letzten beiden Monate an meinem Haaransatz eingenistet hatten. Spätestens aber dann, als der angeregte Klang ihrer Stimme mir all die Dinge versprach, die ich mir gerade nicht wünschen sollte, war ich mir sicher, dass ich verloren hatte. Vahagn schickte nur mit diesen paar Worten – die mich ironischerweise sogar nochmal an meine Vernunft hätten erinnern sollen – ein aufregendes Kribbeln durch meinen ganzen Körper und ließ mich angetan seufzen, schon bevor sie mir noch näher kam und mit den Küssen an meinem Hals das letzte Bisschen Anstand in mir ausradierte. Ich unternahm überhaupt nichts dagegen, dass sie ihren rechtmäßigen Platz über mir einnahm und mit jedem weiteren Kuss mehr angenehme Anspannung in mir aufwallte. Stattdessen schluckte ich nur tonlos, als sie bei ihrem Positionswechsel die Beule in meiner Hose streifte und schlang den Arm eng um ihren Rücken, kaum hatte sie ihre vorübergehend endgültige Haltung erreicht. “Kann ich nicht.”, raunte ich mit geschlossenen Augen an ihr nicht weit entferntes Ohr und griff fester in ihren viel zu perfekt runden Arsch. Man konnte mir später weismachen, was man wollte – das hier ging absolut nicht mit rechten Dingen zu und ich hatte genau gar keinen Trumpf zu Spielbeginn bekommen, während die junge Frau sämtliche Asse in den Händen hielt. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn mir die Kontrolle über eine Situation so vollkommen entglitt, aber gerade war es genau das, was ich haben wollte. Wochenlang hatte ich mich krampfhaft auf allen Ebenen zusammengerissen und bestmöglich eine monotone Miene aufgesetzt. In kopflosen Gefühlen zu ertrinken war da jetzt genau das Richtige. Ich nahm die Hand schließlich nur wieder von ihrem Hintern, um mit einer festen Berührung an ihrem Rücken nach oben zu streichen. Dabei löste ich den anderen Arm schon von ihrem Körper und legte die Hand unweit meines Körpers auf die Matratze. Kurz darauf drückte ich uns beide in eine mehr oder weniger aufrechte Sitzposition und ein kühler Lufthauch empfing meinen hitzigen Rücken. Wenn der Pullover zwischen unseren Körpern klemmte, weil Vahagn auf mir lag und förmlich an meinem Bauch klebte, war das mit dem Ausziehen zu kompliziert. Ich griff also jetzt mit den frei gewordenen Händen nach dem Saum und zog ihn einfach nach oben, ohne vorher nochmal irgendeine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Mein Kopf war leer und ich wollte sie. Jetzt, nicht erst morgen. Als das Kleidungsstück irgendwo neben dem Bett mit einem dumpfen Geräusch auf den Dielen landete, legte ich die rechte Hand zurück in Vahagns Nacken und mein verhangener Blick lag nur kurz in ihrem, bevor ich mit den Lippen wieder an ihren klebte. Der Engel auf meiner Schulter schlug wahrscheinlich gerade kopfschüttelnd die Hände vors Gesicht und der Teufel schwang auf der anderen Seite amüsiert seinen Stab durch die Gegend. Ja, den Hoodie hätte sie dann wohl gar nicht erst anziehen müssen. Unnötig vergeudete Zeit. Unnötige Hindernisse.
Ja, vielleicht wäre er das. Vielleicht hätte Richard mich verstanden – ziemlich sicher sogar. Wir beide konnten im Normalfall mit relativ viel Geduld und auch Verständnis aufwarten, nur war diese Situation hier nicht unbedingt, was ich als alltäglich betiteln würde. Wir stritten uns eigentlich nie. Klar, man zickte sich im Alltag mal an und dann waren beide Parteien mal kurz angesäuert, aber das war nach ein paar Minuten dann auch wieder vergessen. Das hier war unser erster ernsthafter Streit und ich hasste es. All die Gefühle, die dabei in mir hochkochten, wollte ich gar nicht spüren. Dass ich selbst der Grund dafür war, machte es nur schlimmer, weil ich ganz genau wusste, dass sich das Problem nicht einfach in Luft auflösen würde. Richard würde sich weiterhin nicht von mir anfassen lassen und mich genauso wenig anfassen wollen – wo führte das also hin? Ich würde ihn nochmal verletzen, früher oder später. Eigentlich hatte ich bis hierhin nie geglaubt, dass mir die Treue zu einem Menschen, den ich liebte, so verdammt schwer fallen konnte. Doch die lange Enthaltsamkeit zerrte zusätzlich zu allem anderen jeden Tag mehr an meinen Nerven. Es war einfach alles zu viel und ich wusste nicht, wie ich da wieder rauskommen sollte. Ich konnte nur gerade so die Worte herunterschlucken, die mir auf seinen berechtigten Vorwurf beinahe über die Lippen gesprungen wären. “Ich hab’ doch überhaupt keine Zweifel daran, dass du mich verstehen kannst. Aber was ändert das dann? Glaubst du überhaupt daran, dass sich an deiner… Angst noch was ändert? Jemals?”, grummelte ich stattdessen und merkte, wie meine Schultern sich zunehmend verspannten. Jetzt gerade mochte Richard noch zu geblendet von negativen Gefühlen sein, aber er würde es verstehen. Nur, damit wir dann in derselben Pattsituation wie jetzt saßen. Wir hatten schon geklärt, dass das, was sich hier gerade abspielte, schlichtweg meine Schuld war. Das änderte aber trotzdem nichts an den vorhandenen Tatsachen. Obwohl ich – zumindest nüchtern – ganz genau wusste, dass ein solches Trauma so eigentlich überhaupt nicht funktionierte, hatte ich immer mehr das Gefühl, er würde mir nie genug vertrauen, um sich sicher damit zu sein, dass ich ihm niemals auf dieser so verletzlichen Ebene weh tun würde… und das war ein verdammt beschissenes Gefühl. “Wärst du blöd, würde ich nicht trotz allem mit dir zusammen sein wollen.”, stellte ich stumpf fest und konnte nicht verhindern, mit den Augen zu rollen. Mein italienischer Stolz war zuweilen ungesund für alle Beteiligten. Trotzdem ein bisschen ironisch, dass dem schlauen Engländer nie in den Sinn gekommen zu sein schien, dass mir etwas in dieser Beziehung fehlte. “Aber wenn du jetzt sowieso kein Verständnis haben kannst, sollte ich wirklich gehen, damit ich uns nicht noch mehr versaue. Das kann ich heute verdammt gut.”, schnaufte ich, wirbelte abwehrend mit der rechten Hand und drehte mich mit einem Kopfschütteln wieder meinen Schuhen zu. Ich tat ihm nur weh, weil der Alkohol offensichtlich meine Zunge lockerte und, wie das eben so üblich war, sämtliche Gefühle ungesund verstärkte. Er war verletzt und verärgert, ich fühlte mich aktuell noch nicht verstanden und war beschwipst – war doch scheiße. Keine Ahnung, ob Irinas Sofa zum Schlafen taugte, weil ich da normalerweise nur darauf saß, aber es konnte nicht schlimmer sein, als schlaflos neben Richard zu liegen. Alles in mir sträubte sich gerade dagegen: Die Schuldgefühle und vor allem auch die Angst, ihn am Ende möglicherweise ganz zu verlieren. Vielleicht nicht allein durch meine heutige Tat, aber definitiv, wenn wir keine Lösung für dieses Problem finden würden. Wenn ich seine Nähe immer nur ein bisschen und nie ganz haben konnte, dann war ich mir auch nicht sicher damit, ob ich uns wirklich wollte.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Wie ich es bereits erwartet hatte, brauchte es nicht mehr viel, bis Tauren einknickte und die weiße Fahne hisste. Aufgab, gegen das Verlangen anzukämpfen, mich genauso sehr spüren zu wollen, wie das umgekehrt der Fall war. Ein breites Grinsen zierte meine Lippen, als der junge Mann fast schon etwas resigniert klingend verlauten ließ, dass er mich nicht mehr loslassen konnte. An dem Punkt wusste ich, dass wir beide alle berechtigten Einwände restlos über Bord geworfen hatten und uns einander einfach hingeben würden. Es dauerte nicht lange, bis sich der junge Mann unter mir zu regen begann und wir uns wenig später in einer mehr oder minder sitzenden Position wiederfanden. Tauren verlor keine Zeit und kümmerte sich ohne Umschweife darum, mir den gerade erst übergezogenen Hoodie wieder über den Kopf zu ziehen und gen Boden zu befördern. Kaum war das erste lästige Stück Stoff weg, griff ich mit der freien Hand an meinen eigenen Rücken, um den Verschluss meines Sport-BHs mit einer geübten Handbewegung zu öffnen. Dieser fand sich schließlich keine zehn Sekunden später neben dem Pullover auf den Dielen wieder und auch das dünne Shirt des Norwegers sollte recht bald folgen. Natürlich nicht, ohne dass wir uns zwischenzeitlich gegenseitig mit durch und durch leidenschaftlichen Küssen und Zungenspielchen den Atem raubten. Das Gefühl, als ich mich mit meinen nackten Brüsten an den warmen Oberkörper des jungen Mannes schmiegte, war unbeschreiblich. Die Schmetterlinge, die sich bei dieser Berührung im unteren Bereich meines Körpers schlagartig ausbreiteten, riefen eine angenehme Gänsehaut hervor und entlockten mir ein zufriedenes Seufzen, welches an den vollen Lippen meines Liebsten relativ schnell verebbte. Ich warf meine noch immer leicht feuchten Haare über meine Schultern und löste mich Sekunden später schwer atmend von den Lippen meines Freundes, um ihn mit der weiterhin in seinem Nacken ruhenden Hand dazu zu animieren, die Liebkosungen an meinem Schlüsselbein und Dekolleté fortzuführen. Letztlich war mir wohl aber ziemlich egal, wo genau ich seine Lippen nun eigentlich spürte. Auch an meinen Armen oder den Beinen hätten sie wahrscheinlich ein ebenso entzückendes Kribbeln hervorgerufen. Auch wenn ich mir liebend gerne Zeit damit ließ, Tauren noch etwas auf die Folter zu spannen, indem ich mich provokant an seiner Körpermitte rieb, ging mir das alles hier irgendwie nicht schnell genug. Dabei hetzte uns niemand und Zeit hatten wir definitiv auch genug, es war nur... alles so unfassbar schön. Mir hatte das gefehlt, denn auch vor unserer Trennung war die Intimität aufgrund meiner Geheimniskrämerei in Hinsicht auf die Abtreibung relativ kurz gekommen. Ich selber hatte kaum mehr selbst die Initiative ergriffen und Taurens Versuche mehr und mehr abgeblockt. Weil der Gedanke an die unschöne Auseinandersetzung, woraufhin ich schließlich einen Keil zwischen uns geschlagen hatte, aber gerade gut verwahrt in einer der dunkelsten Ecken meines Gehirns verstaut war, ließ ich mich davon gar nicht weiter beirren. War so leidenschaftlich, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen, als ich meine Hände an Taurens Armen hinabwandern ließ. Ungeduldig zupfte ich am Saum der Jogginghose und bedeutete dem jungen Mann damit - und mit einem lüsternen Blick -, dass er sich diese gefälligst von den Beinen streifen sollte. Wenn es nach mir ging, dann war ein langes Vorspiel heute auch nicht unbedingt notwendig. Ich persönlich war überraschenderweise schon ausreichend in Stimmung. Wie es um den Norweger dahingehend stand, würde er mir sicher unmissverständlich zu verstehen geben. Wenn nötig, dann hatte ich jedenfalls kein Problem damit, noch ein paar Minuten mehr in das Liebesspiel zu investieren. Wir hatten so lange ohne einander ausgehalten, da machte ein Vorspiel mehr oder weniger jetzt auch keinen großen Unterschied mehr.
Auch wenn ich mich für diesen Gedanken gerade selber hasste, hatte ich wirklich das Gefühl, ich unterhielt mich hier gerade mit einem zickigen Kleinkind. Ja, ein Streit war immer nochmal etwas anderes, als die gängigen Auseinandersetzungen, die irgendwann jede noch so harmonische Beziehung heimsuchten. Und ja, auch der beschwipste Zustand des Italieners mochte einen negativen Einfluss auf den Verlauf der Unterhaltung haben, aber was Samuele da von sich ließ... also das ging wirklich auf keine Kuhhaut mehr. Ich konnte nicht anders, als den jungen Mann einen Moment lang sprachlos und mit fassungsloser Miene anzustarren. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde noch einmal die Kurve kriegen, je länger er sprach, aber nein... es wurde kein Stück besser. "Was ist das denn für eine bescheuerte Frage?", platzte es auf seine Frage, ob ich denn daran glaubte, dass ich meine Angst irgendwann nochmal wieder in den Griff bekam aus mir heraus und warf dabei vollkommen unkontrolliert meine Arme in die Luft. Im Anschluss daran drehte ich mich von Samuele weg und lief ein paar Schritte im Kreis, in der verzweifelten Hoffnung, so das Gefühl einer aufkommenden Episode - so hatte ich damals zu meinen aktiven Konsumzeiten den Punkt genannt, an dem ich länger schon nichts mehr geraucht hatte und drohte, den Verstand zu verlieren - beschwichtigen zu können. Es funktionierte, allerdings nicht so gut, wie ich mir das gewünscht hatte. Ich spürte den Anflug von Hysterie, diese unangenehme Aufregung, wie sie durch meine Blutbahnen schoss und als ich nach etwa fünfzehn Sekunden wieder vor Sam zum Stehen kam, glich mein Gesichtsausdruck einer Grimasse, die so auch aus einem schlechten Horrorfilm hätte stammen können. Meine Lippen waren zu einem unnatürlich schrägen Grinsen verzogen, meine Augen weit aufgerissen. "Warte, ich schau' mal eben in meine Glaskugel." Um diese Worte zu untermauern, formte ich mit den Händen vor den Augen des Italieners eine unsichtbare Kugel, die ich mir erst von rechts, dann von links ansah. "Soll ich dir vielleicht auch noch die Lottozahlen von Morgen sagen?", flötete ich weiter vor mich hin und wenn uns ein Außenstehender jetzt beobachtete, dann würde er sicher denken, ich hätte unfassbar gute Laune. Dabei war das genaue Gegenteil der Fall. Statt gut gelaunt war ich überfordert, verletzt und absolut nicht mehr Herr meiner Sinne, so viel war sicher. Ich konnte gar nicht sagen, was plötzlich los war, aber Samuele hatte mit seinen Worten, vor allem in Hinblick auf mein Trauma, einen absolut unangenehmen Triggerpunkt in mir getroffen. Jetzt war ich derjenige, der sich wie ein Kind verhielt, so unreif und lächerlich, wie ich mich gerade aufführte. Genauso schnell, wie das unter ADHS leidende Kind in mir die Kontrolle an sich gerissen hatte, so schnell hatte es diese auch wieder abgegeben. Mein Gesichtsausdruck verdunkelte sich schlagartig und die von mir imaginär geformte Kugel zerschellte nach einer wegwerfenden Handbewegung meinerseits vor unseren Füßen. "Ich hab' echt versucht, mich hier zusammenzureißen, aber was soll die Scheiße? Jetzt mal ehrlich, woher soll ich das denn wissen? Mir wäre es auch lieber, wenn mein Magen sich nicht jedes Mal bei dem Gedanken an einen nackten Schwanz verkrampfen würde, aber so funktionieren Traumata nun mal nicht. Und dann... und dann... kommst du hier rein...", ich deutete mit der linken Hand schwungvoll in Richtung Tür, dann auf die Stelle, auf der Sam gerade stand, zeichnete so symbolisch den Weg nach, den er gegangen war, ehe ich fortfuhr: "Und beichtest mir, dass du Scheiße gebaut hast, nur um dann die Rolle der zickigen Diva einzunehmen, die genau weiß, was sie verbockt hat und sich trotzdem noch in Selbstmitleid suhlt, nachdem sie ihrem Gesprächspartner Worte in den Mund gelegt hat, die absolut gar keinen Sinn ergeben. Also ja... ja, ich glaube, es wäre das Beste, wenn du für heute einfach verschwinden würdest. Vielleicht läuft das nächste Gespräch besser, wenn der Alkohol nicht mehr dein logisches Denken beeinflusst." Samuele machte auf mich nicht den Eindruck, als war er stark betrunken, da hatte ich ihn schon ganz anders erlebt, aber er verhielt trotzdem absolut untypisch und das konnte ich nicht länger ertragen. Auch wenn das normalerweise nicht meine Art war, war es mir gerade auch ziemlich egal, wo er heute Nacht schlafen würde. Hauptsache nur nicht in meinem Haus.
# You son of a bitch, I'm in. I'm in, what's the job? I'm in. I'm out - I quit! Whos kidneys are these? #
Jetzt wars komplett vorbei. Das wusste ich in der Sekunde, als Richard rein optisch aus dem Nichts eine zweite Persönlichkeit aus seiner inneren Schublade kramte und mich auf unfassbar groteske Art angrinste. Die folgenden Sekunden reihten sich bei den zahlreichen anderen Angst-Momenten meines Lebens ein und ich wünschte mir schlagartig, ich hätte das nicht provoziert. Es wäre besser gewesen, erst morgen nach Hause zu kommen. Das hatte sich aber auch verdammt falsch angefühlt. Das Geheimnis dieses Beinahe-Seitensprungs noch bis morgen für mich zu behalten, wäre wohl dennoch für alle das Beste gewesen. Ich zog die Schultern zusammen, ging dabei einen Schritt rückwärts von ihm weg und sah den jungen Mann einfach nur völlig überfordert mit der Situation an. Hob unbewusst die Hände, so als müsste ich ihn möglicherweise jeden Moment davon abhalten, mir wie ein wildes Tier ins Gesicht zu springen. Obwohl ich bis gerade eben noch felsenfest davon überzeugt war, er würde nie wieder rückfällig werden, war ich mir damit jetzt nicht mehr sicher. Dieses völlig schlagartige Umschlagen seines Verhaltens kam mir aus dieser Zeit noch viel zu bekannt vor und ich war wirklich nicht scharf auf eine Wiederholung. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich freiwillig zurück nach Italien verschiffen und mich ohne zu Murren auf die Schlachtbank legen würde, wenn ich selbst jemals der Grund dafür sein würde, dass Richard doch wieder zu Drogen griff. Doch er fing sich, mehr oder weniger. Mir schlug das Herz jedoch weiterhin in den Hals, als der Engländer so richtig los wetterte und mir die Leviten las. Er zermalmte damit alles, was bis gerade eben noch heftig durch meinen Kopf gegeistert war, zu Staub und es blieb nichts übrig. Was im Grunde egal war, weil es an dieser Stelle nichts gab, was ich noch hätte erwidern können, um die Situation zu entschärfen. Es scherte mich nicht einmal mehr, dass er mir vorwarf, ihm Worte in den Mund zu legen, obwohl er das bei mir stellenweise genauso machte. Wir waren wohl beide prädestiniert dafür, weil wir Silben gerne auf die verdammte Goldwaage legten. Normalerweise war das egal, wir konnten über alles reden – nur nicht über das hier, wie’s schien. Zumindest nicht jetzt. Außerdem hatte er Recht: Ich war eine Zicke. Nicht oft, aber wenn doch, dann ziemlich schlimm. Vielleicht würde es mir tatsächlich besser gehen, wenn er die Lottozahlen für mich hätte. Zumindest die Geldprobleme wären dann weg… auch wenn das wahrscheinlich mein mit Abstand kleinstes Problem war. Ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen. Dann schüttelte es mich aber regelrecht und ich stieg in die Schuhe. “Na wenigstens bin ich nicht derjenige, der sich hier gerade aufführt wie ein gottverdammter Wahnsinniger…” Es war eine rein rhetorische Feststellung, die ich mit verschlagener Sprache nur ziemlich leise vor mich hin murmelte, als ich die Schuhe anzog. Dann wandte ich mich der Garderobe zu und zog meine Jacke vom Haken, schlüpfte mit beiden Armen hinein, richtete den verkrempelten Kragen und griff nach meinem Schlüsselbund. Der fühlte sich bis heute noch befremdlich leicht an, seit all die Schlüssel vom Café nicht mehr daran hingen. Ich warf nur noch einen kurzen Blick in Richards wütendes Gesicht, dann schüttelte ich mit einem schweren Atemzug den Kopf und griff nach der Klinke, um zu gehen. Ich machte mir auch nicht die Mühe, die Tür leise zuzumachen. Erst, als es schon geknallt hatte, dachte ich an Bandit, dessen Ohren ganz und gar nicht erfreut darüber sein würden. Ich blieb nochmal stehen und wäre beinahe umgedreht, nur um den Kater einzusammeln… doch ich wusste, dass der Engländer sich um den einzigen richtigen Krüppel im Haus kümmern würde. Das hatte er bisher immer getan. Also setzte ich mich wieder in Bewegung, um die einsame Straße hinabzugehen und zückte im Gehen das Handy. Nicht aber, um Irina vorzuwarnen, sondern um mir direkt ein Taxi zu rufen. Wäre Iljah aktuell bei ihr, wüsste ich das. Sie wurde nie müde, von dem Kerl zu schwärmen.
Vahagn machte keinen Hehl daraus, dass sie genauso ungeduldig war wie ich – dass sie mich genauso schrecklich vermisst hatte und dieses Gefühl ebenso dringend vollständig loswerden wollte. Ich konnte nicht anders, als ein oder zweimal kurz in unsere Küsse hineinzugrinsen, weil all die Glücksgefühle mir förmlich die Brust sprengten. Erst das Gefühl ihrer nackten, seidig weichen Haut auf meiner sorgte dafür, dass ich völlig in blankem Verlangen verloren ging. Vielleicht lag es auch an ihrem wohligen Seufzen oder an ihrem unverkennbaren Geruch, der mir zu Kopf stieg, als ich Vahagns Aufforderung nachkam – den Kopf an ihren Hals senkte und dabei mit einer Hand in ihrem Rücken dafür sorgte, dass sie ihn durchbog und bloß nicht auf die Idee kam, auch nur einen Millimeter zu weichen. Während ich mit den Lippen heiße Spuren über ihren Hals zog und dabei ganz bewusst auf Vahagns empfindlichsten Punkte abzielte, kam die Provokation ohne Umschweife von ihr zurück. Sie reizte mich ohne jede Scham und ein leises Stöhnen prallte am einst gebrochenen Schlüsselbein der Schwarzhaarigen ab. Wenig später gingen ihre Hände auf Wanderschaft und dann spürte ich leichten Zug am Hosenbund. Als ich daraufhin den Kopf wieder anhob, um zurück in ihre Augen zu sehen, waren Worte völlig überflüssig. Unser letzter Sex mochte schon eine Weile zurückliegen, doch ich kannte Vahagn. Es gab Tage, da brauchte sie länger, aber heute war keiner davon… und ich brauchte offensichtlich auch keine Motivation mehr, dafür hatte sie mir ihrer Hüfte wirklich ausreichend gesorgt. Ich küsste sie trotzdem innig, bevor ich die schöne Russin mit dem Arm in ihrem Rücken auf die Matratze verdonnerte und mich dabei noch halb über sie beugte, weil es mir schwerfiel, mich ganz und gar von ihren süßen Lippen zu lösen. Trotzdem musste sie dann vorübergehend ohne mich auskommen, weil ich kurzzeitig damit beschäftigt war, die zum Glück unkompliziert locker sitzende Jogginghose mitsamt den darunterliegenden Boxershorts loszuwerden. Währenddessen schoss mir dann aber doch noch der Gedanke an Verhütung durch den Kopf… aus einem sehr triftigen Grund, über den wir uns bisher erfolgreich zu reden geweigert hatten. Außerdem wusste ich nicht, was Vahagn während unserer Trennung getrieben hatte und ich war auch nicht scharf darauf, es zu erfahren. Was in Russland passierte, konnte von mir aus auch dort bleiben, solange mich niemand direkt damit konfrontierte. Ich griff also direkt im Anschluss nach der Schublade am Nachtkästchen, um uns wegen des für uns eher unüblich gewordenen Kondoms später nicht noch einmal unterbrechen zu müssen. Weil Vahagn in der Zwischenzeit nicht wirklich was besseres zu tun gehabt hatte, war ihr Slip mittlerweile auch schon als letzte Instanz auf dem Boden gelandet. Ich lag noch neben ihr, als ich mir einen weiteren gierigen Kuss von ihren geschwollenen Lippen holte, dann arbeitete ich mich zügig bis zu ihren Brustwarze runter. Ich umspielte sie mit der Zunge und schob gleichzeitig meine Hand über ihren flachen Bauch abwärts, bis hin zu ihrer Körpermitte. Hauptsächlich, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich bereit war, damit ich ihr gleich nicht weh tat. Aber wenn ich sowieso schon da war und behutsam mit zwei Fingern in sie eintauchte, dann ließ ich es mir auch nicht nehmen, die Finger kurz an ihrer Klitoris kreisen zu lassen. Erst danach rollte ich mich über Vahagn und schob mich zwischen ihre Beine, verteilte die Restfeuchtigkeit an meinen Fingern um meine Eichel und setzte dann dazu an, in sie einzudringen. Doch bevor ich damit weitermachte, kam ich ihr mit dem Oberkörper wieder so nah wie nur möglich: Ich stützte mich mit dem frei gewordenen Arm ab und schlang die Hand unter den dunklen Haaren um ihren schmalen Nacken. Erst als ich sie sanft aber bestimmt im Griff hatte, drang ich stetig in sie ein. Langsam, weil ich jede Sekunde davon genießen wollte, aber so tief wie nur möglich, was mir das nächste Stöhnen entlockte. Sie fühlte sich unheimlich gut an und ihr Gesichtsausdruck war ein Bild für den Olymp. Vahagn war nicht weniger als eine Göttin… und sie gehörte mir.
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Tauren und ich mochten in vielerlei Hinsicht ziemlich verschieden sein, waren durch und durch ein ungleiches Paar, aber wenn es um den Sex ging, dann waren wir mittlerweile wirklich ein eingespieltes Team. Obwohl das letzte Mal bereits einige Monate zurücklag, wusste der junge Mann noch immer, welche Knöpfe er drücken musste, um mich um meinen Verstand ringen zu lassen und ich liebte alles daran. Es war einfach herrlich unkompliziert, wenn man Hand in Hand arbeitete, ohne dabei auch nur ein einziges Wort miteinander wechseln zu müssen. Es gab wenig, was mich akut störte, sobald wir anfingen, miteinander intim zu werden, aber sich währenddessen zu unterhalten war irgendwie... naja, noch nie wirklich meine Stärke gewesen. Klar, am Anfang hatten wir das natürlich getan, um auf beiden Seiten festzuhalten, was man so mochte oder vielleicht mal ausprobieren wollte und, ganz wichtig, was ein absolutes No-Go war. Das hatte mit der Zeit aber immer mehr nachgelassen, weil weder Tauren noch ich in der Hinsicht auf den Kopf gefallen waren. Irgendwann hatten wir uns an der heuristischen Methode Trial and Error versucht und so unsere Erfahrungen gesammelt. Es war ja auch keinesfalls so, als hörte ich den Norweger nicht gerne reden, aber als Frau hatte man es bekanntlich ohnehin schon schwerer, weil man sich unfassbar auf die Zielgrade konzentrieren musste, da war jede Ablenkung in etwa wie Fahrradfahren mit einem Stock in den Speichen. Außerdem verstand der junge Mann sein Handwerk und ließ sich nicht zwei mal bitten, meiner Aufforderung nachzukommen. Genießerisch legte ich den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich diesen Mann einfach liebte? Wie geschickt er mit seinen Lippen umgehen konnte, um auch noch der letzten verkrüppelte Faser meines Körpers Leben einzuhauchen war einfach unglaublich. Ich hätte Stunden hier sitzen und mich einfach von ihm berühren lassen können - Tauren hätte sich sicher ohne Umschweife dazu bereit erklärt. Allerdings war das noch lange nicht alles und es sollte - nein, würde! - ganz bestimmt noch ein ganzes Stück besser werden, wenn die Beule, gegen die ich meine Hüfte weiterhin rieb, nicht zu viel versprach. Es fiel mir wirklich schwer, noch länger einen einigermaßen kühlen Kopf zu bewahren und so war ich ganz froh, dass der Norweger mich alsbald auf die Matratze beförderte, um sich den beiden letzten Kleidungsstücken an seinem Körper anzunehmen. Damit räumte er mir zudem genug Zeit ein, um mich um meine eigene Unterwäsche kümmern zu können. Weil ich damit deutlich schneller war als er, hatte ich im Anschluss noch die ein oder andere Gelegenheit, ihn lüstern bei seinem Treiben zu beobachten. Ich verfolgte jede seiner Bewegungen mit Argusaugen, damit mir auch die noch so kleinste Reaktion nicht verborgen blieb. Was die Verhütung anging, um die sich Tauren zwischenzeitlich kümmerte, hätte ich beinahe eingeworfen, dass er sich keine Sorgen machen müsste, weil ich direkt nach dem unschönen Zwischenfall einen Frauenarzt aufgesucht hatte, um künftig noch mehr auf der sicheren Seite zu sein, aber ich schluckte die auf meiner Zunge liegenden Worte einfach runter. Ich nahm an, er war sich im Klaren darüber, dass ich in Russland nicht enthaltsam gelebt hatte, weil genau dieser Punkt in der Vergangenheit bereits ein heiß diskutiertes Streitthema gewesen war. Zwar hatte ich natürlich sehr viel mehr Wert auf entsprechenden Schutz gelegt, weil man nie wusste, was die Männer so mit sich herumschleppten, aber wenn es Tauren ein besseres Gefühl gab, heute ein Kondom zu benutzen, dann war ich die Letzte, die etwas dagegen einzuwenden hatte. Deshalb lächelte ich ihn auch nur an und nickte leicht. Wartete nur darauf, dass er mir endlich wieder näher kam, war er für meinen Geschmack deutlich zu langsam mit dem Ausziehen gewesen. Aber wie hieß es so schön? Gut Ding will Weile haben... oder so. Es dauerte aber eigentlich auch gar nicht besonders lange, kam mir wohl nur so vor, bis ich die feuchten Lippen des jungen Mannes wieder auf den meinen spürte. Kurze Zeit später begannen sie zu wandern und ich schloss in voller Vorfreude auf das was gleich folgen würde die Augen. Das anfängliche Seufzen ging nahtlos in ein leises Stöhnen über, als sich Taurens Finger zielstrebig ihren Weg zwischen meine Beine bahnten. Schon jetzt war mein Blick ziemlich diesig, als ich die Augen wenig später wieder aufschlug, weil sich der Norweger neben mir regte. Er ließ sich von meiner offensichtlichen Feuchtigkeit nicht zwei Mal bitten, endlich loszulegen, was ich mit einem erfreuten Japsen quittierte. Ich hatte fast schon vergessen, wie gut sich der junge Mann anfühlte... und was für ein Arschloch er eigentlich sein konnte, indem er sich so quälend langsam bewegte, dafür aber definitiv nicht an Tiefe sparte. Es dauerte nicht lange, bis mir in regelmäßigen Abständen ein lustgetränktes Stöhnen über die Lippen rollte und ich mich ihm im Rahmen meiner Möglichkeiten immer mehr entgegen drängte. Dabei schlang ich meine schlanken Arme um seinen Hals. Streckte sie anfangs recht weit aus, um ihm zärtlich, nicht zu grob über den Rücken zu kratzen, bis meine Hände schließlich in seinem Nacken zum Erliegen kamen, um dort erneut vereinzelt mit ein paar Haarsträhnen zu spielen. Wenn ich mir bis eben noch nicht ganz sicher gewesen war, ob ich es für eine gute Idee gehalten hatte, ihn mit meinen Berührungen getriezt zu haben, dann war ich es jetzt auf jeden Fall. Nachdem die ersten Wellen der Lust meinen Körper förmlich gelähmt hatten, entspannten sich meine Muskeln allmählich wieder und ich war in der Lage, mich langsam entgegen der gleichmäßigen Stöße zu bewegen.
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Obwohl Sex eine sehr körperliche Sache war, konnte ich förmlich spüren, wie sich in den ersten Momenten nach unserer Wiedervereinigung auch ein paar Bruchstücke meines Herzens ganz von selbst zusammenfügten. Das innige Vertrauen, das Vahagn mir in der Zeit unmittelbar vor unserer Trennung immer mehr verwehrt hatte, war plötzlich wieder da. Zumindest fühlte es sich so an, als sich ihre Arme um mich legten und wir uns aneinander festhielten, als wäre es das einzige, das je wieder irgendwas bedeuten würde. Ihre Finger auf meiner Haut, das noch zurückhaltende Krallen an meinem Rücken, die Symphonie aus erregtem Stöhnen und ihr enges Becken, das mir immer wieder im Einklang entgegenkam – das Zusammenspiel aus Anzeichen dafür, dass Vahagn der Meinung war, ich hielt mich ein bisschen zu sehr zurück, raubte mir die Sinne. Sie stachelte mich ohne große Mühe noch weiter an und es kostete mich ein halb unterdrücktes, leises Knurren, ihrem Willen nur ein wenig nachzugeben. Nur ein bisschen schneller und fester zuzustoßen, statt mich einfach gehen zu lassen, weil ich wusste, dass ich sonst nicht lange durchhalten würde. Nachdem wir so lange nicht miteinander geschlafen hatten, fühlte es sich umso intensiver an und ich wollte es genießen. Wir hatten das Vorspiel schon übersprungen, da wollte ich den Akt erst recht genießen. Ich setzte unter schwerer werdenden Atemzügen vereinzelte Küsse an ihren nahen Arm, doch auch das war irgendwann nur noch ein Streifen meiner Lippen, weil ich mich einfach nicht darauf konzentrieren konnte, wenn sie sich… so anfühlte. Ihre Brust streifte immer wieder an meiner und irgendwann schlitterte ich, so wie beinahe immer, gefährlich nah an einen eindeutig zu früh kommenden Höhepunkt heran. Doch das passierte bewusst – wenn ich in genau diesem Moment kurz innehielt, um stattdessen wieder runterzukommen, konnte ich danach gefühlt ewig weitermachen… und auch das wussten wir längst beide. Ich küsste Vahagn leidenschaftlich, umspielte ihre Zunge mit meiner, solange ich den kurzen Moment aussitzen musste. Dann aber schob ich den Arm, dessen Hand in ihrem Nacken lag, ein wenig unter ihren Rücken und hielt sie so fest, als ich mich kontrolliert, entsprechend vorsichtig auf den Rücken rollte und sie dabei mitnahm, ohne aus ihr hinauszugleiten. So hatte sie die Chance, den Rhythmus erstmal selbst zu bestimmen und musste dabei nicht mehr darum fürchten, heute leer auszugehen. Außerdem konnte ich wunderbar eine Hand an ihren Hintern legen, um sie in der Bewegung zu unterstützen und so ihre Muskeln zu schonen, während ich mich gleichzeitig im süchtig machenden Anblick ihres nackten Oberkörpers und ihres lüstern verzogenen Gesichts suhlen konnte, als gäbe es kein Morgen mehr. Es wurde nur besser, als ich die andere Hand an Vahagns Brust legte und sie zusätzlich reizte. Sie entlockte mir mit ihren Hüftbewegungen immer wieder ein Stöhnen. Der letzte Stellungswechsel war das aber nicht, es folgte noch mehr als einer. Ich wollte nicht, dass es vorbei war und liebte es, wie der Druck immer größer wurde, ohne Erlösung dafür zu finden, obwohl es irgendwann beinahe unerträglich war. Für uns beide, wie die Laute, die inzwischen über Vahagns Lippen rollten, mir unmissverständlich klarmachten. Sie klang immer angestrengter, aber nur das leise, sich unterschwellig einmischende Wimmern, das fast schon nach einer dringenden Bitte klang, ließ mich nachgeben. Ich lag inzwischen hinter ihr auf der Seite, stützte mich mit dem Ellbogen auf der Matratze jedoch ab, um sie immer wieder an den Hals küssen zu können und auch ihr Gesicht im Blick zu haben. Ich nahm meine andere Hand von ihrer Brust und griff nach dem oberen ihrer geschlossenen Schenkel, um ihr Bein über meins zu legen. Meine Finger strichen an der Innenseite ihres Schenkels direkt auf Vahagns Körpermitte zu, während ich immer wieder in stetigem Rhythmus in sie eindrang. Meine Lippen hingen mit einer Mischung aus Keuchen und atemlosem Stöhnen an ihrem Hals, als ich anfing ihre längst nass gewordene Klitoris gleichmäßig zu stimulieren. Um sie sehr gezielt in den Orgasmus zu schubsen, ohne dass sie dabei selbst etwas dafür hätte tun müssen, weil wir irgendwann herausgefunden hatten, dass es ihr so am leichtesten fiel – wenn sie sich einfach fallen lassen konnte, weil sie wusste, dass ich sie festhielt und ihr an diesem Punkt niemals irgendwelche Streiche spielte. Gleichzeitig passte ich den Winkel meiner Hüfte ein wenig an, damit ich noch tiefer in sie hineinkam und stieß etwas fester zu. Sehnlichst darauf wartend, dass sich ihr Becken verkrampfte und sich auch bei mir damit der unfassbare Druck auflöste, der mich jeden Moment innerlich zu zerreißen drohte.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
~ le sprüng zu le nächste tag, morgens, irgendwann... 08:30 Uhr, weil er konnte nicht schlafen und möchte, dass tauren es auch nicht kann ~
Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass ich nach dem Streit von vor wenigen Stunden überhaupt in den Schlaf gefunden hatte. Kaum war Samuele aus dem Haus gestürmt, war ich auf dem Sofa unter Tränen zusammengebrochen und naja... scheinbar irgendwann der Erschöpfung wegen eingenickt. Freiwillig eingeschlafen war ich auf keinen Fall, dafür war mein Hirn viel zu beschäftigt damit gewesen, die Auseinandersetzung auf Dauerschleife wieder und wieder vor meinem inneren Auge abzuspielen. Sammys Geständnis, dann die Offenbarung seiner Gefühle und wie er mich kurz vor seinem Verschwinden genannt hatte - gottverdammter Wahnsinniger. Es versetzte mir mit jedem neuen Durchlauf einen erneuten Stich ins Herz. Der einzige Grund, warum ich nach gut anderthalb Stunden wieder einigermaßen zur Besinnung gekommen war, war Bandit. Der Kater hatte sich im Laufe unserer immer lauter werdenden Unterhaltung und dem finalen Türknallen seines Besitzers ans andere Ende des Bungalows verzogen und traute sich nur vorsichtigen Schrittes wieder heraus. Checkte vorsichtig die Lage ab. Als er mich auf dem Sofa hatte sitzen sehen, war er behutsam um meine Beine geschlichen und hatte sich anschließend auf meinem Schoß niedergelassen. Bestand dann darauf, dass ich ihm durch das kurze Fell strich und das hatte irgendwie eine unfassbar beruhigenden Wirkung gehabt. Ich war zwar immer noch viel zu aufgewühlt, als dass an Schlaf wirklich zu denken war, aber ich weinte immerhin nicht mehr. Nur ein leises Schluchzen hier und da, bevor ich schließlich wider Erwarten zur Seite weggekippt und eingepennt war. Irgendwann, es müsste gegen sechs Uhr früh gewesen sein, riss ich die Augen wieder auf. Ein Albtraum hatte mich zurück in die kalte Realität katapultiert und mich schweißgebadet vom Sofa aufspringen lassen. Mein Kreislauf schien gar nicht begeistert darüber zu sein und ich musste mich wenig später kurz an der Sofalehne festhalten, weil meine Beine unter meinem plötzlichen Gewicht wegzubrechen drohten. Ich atmete einmal tief durch, strich mir eine an der Stirn klebende Strähne aus dem Gesicht, bevor ich meinen Blick durch das, mit Ausnahme auf den Kater, leere Wohnzimmer gleiten ließ. Es fühlte sich an, als würde die plötzliche Leere mich förmlich erdrücken und ich musste ganz dringend hier raus. Ich beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen und mir unterwegs eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Normalerweise rauchte ich nicht, hatte es auch noch nie gerne getan, aber ich brauchte gerade etwas, um meine strapazierten Nerven zu beruhigen. Am liebsten wäre mir natürlich etwas Härteres gewesen, aber diesen Gedanken verwarf ich genau so schnell wieder, wie er mir gekommen war. Niemals wieder würde ich mich freiwillig in dieses Rabbit Hole werfen, wenn ich noch genug mentale Stärke aufbringen konnte, dies zu verhindern. Es war kurz nach 08.00 Uhr in der Früh, als ich mich auf dem Rückweg befand. Bereits fünf Zigaretten hatte ich schon verqualmt und ich fühlte mich immer noch kein Stückchen besser. Auch der Anblick des Sonnenaufgangs, die noch halb schlafenden Randbezirke der Stand und das Meer hatten es nicht geschafft, mich auf andere Gedanken zu bringen. Ständig dachte ich darüber nach, ob ich mich während unseres Streits falsch verhalten hatte, ob es vielleicht sogar meine Schuld gewesen war, dass Sam sich zu diesem Schritt gezwungen gesehen hatte, sich hinter meinem Rücken anbaggern lassen zu müssen, aber so richtig einsehen wollte ich das eigentlich nicht. Ja, ein Gespräch wäre mit mir vermutlich nicht sehr einfach geworden und hätte mich sicherlich auch ziemlich verletzt, aber ich kam trotzdem zu dem Entschluss, dass es das Beste gewesen wäre, was Sam in seiner Situation hätte tun können. Der Fehler hatte nicht bei mir gelegen, warum fühlte ich mich dann trotzdem so schlecht? Ich seufzte, kaum hatte ich das Haus wieder betreten, die Tür hinter mir geschlossen und mir die Schuhe von den Füßen gestrichen. Ein Blick auf das Display meines Handys ließ mich überlegen, ob ich Samuele nicht anrufen sollte, weil ich das Ganze doch gerne geklärt hätte, aber dafür war es sicherlich noch viel zu früh. Zum einen schlief der Italiener bestimmt - wo auch immer, ich wollte es vermutlich gar nicht so genau wissen - und zum anderen lag der Streit gerade einmal vier Stunden zurück. Ich war meine angestauten Emotionen noch lange nicht los und jetzt ein klärendes Gespräch zu führen war mindestens genauso sinnlos, wie der Streit, den wir vom Zaun gebrochen hatten. Aber ich musste mit irgendwem reden, wollte nicht alleine sein mit den Stimmen in meinem Kopf, weshalb ich schließlich seufzend die Nummer des Norwegers wählte. Er schien mir in der Kontaktliste der Einzige zu sein, dem ich es am ehesten zutrauen würde, jetzt schon wach zu sein und den Willen zu besitzen, mir ein wenig Gesellschaft zu leisten. Sich meine Probleme anzuhören, auch wenn er rein gar nichts unternehmen konnte, damit ich mich wirklich, wirklich besser fühlte. Aber es würde mir schon helfen, einfach nicht alleine zu sein. Es dauerte eine ganze Weile, bis die müde Stimme Taurens sich zu Wort meldete. "Hey... ehm... sorry, wenn ich dich... eh... schläfst du noch?", stammelte ich nervös eine vollkommen überflüssige Frage. Wenn er noch schlief, würde er jetzt wohl kaum mit mir reden. "Tut mir leid, ich wollte dich eigentlich nicht wecken, aber... aber hast du Zeit? Ich meine... kannst du vorbei kommen? Mir... mir geht es nicht so gut und ich bräuchte jemanden, mit dem ich reden kann.", fuhr ich fort, während ich auf müden Beinen und mit gesenktem Blick in Richtung Küche schlurfte. Bandit, der bis eben noch auf dem Sofa residiert hatte, folgte mir auf leisen, aber schnellen Pfoten, weil er genau wusste, dass es an der Zeit war, eine Dose Nassfutter zu öffnen.
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Wir verbrachten den Rest der Nacht im siebten Himmel. Nach dem Sex waren wir beide eindeutig erledigter als vorher, aber ich stand trotzdem nochmal auf. Für den Gang ins Bad, inklusive einer kurzen Dusche, bei der ich nur schwer zu Grinsen aufhören konnte und danach sammelte ich erstmal die Kippen im Wohnzimmer ein. Ich hoffte zwar inständig, dass mein Konsum sich normalisieren würde, jetzt wo Vahagn endlich wieder bei mir war, aber die verspätete Zigarette nach dem Sex musste trotzdem sein. Pflichtprogramm. Dabei hatte V sich, nach ihrem eigenen kurzen Abstecher ins Bad, schon wieder ins Bett verkrümelt und ich sah sie einfach vom Fenster aus an, konnte auch gar nicht woanders hinschauen. Selbst als ich zurück zu ihr ins Laken kroch und wir uns endgültig für die Nacht einnisteten, lagen wir noch eine Weile wach. Wir schnitten die potenziell schlimmsten Themen, die uns zur Aussprache noch bevorstanden, dabei wohl beide bewusst noch nicht an, weil wir den Moment nicht kaputt machen wollten, aber ein paar weniger aufwühlende Dinge klärten wir noch. Zumindest der erste Schritt war also gemacht, als wir kuschelnd gegen 2 Uhr einschliefen und uns dabei beide bewusst keinen Wecker stellten. Meine innere Uhr tickte gut, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen würde kein Problem werden. Jedoch vibrierte mein Handy eindeutig zu früh. Es dauerte lange, bis ich überhaupt begriff, warum ich aufwachte. Nur langsam schlich sich das Vibrieren in der Hosentasche der Jogginghose auf dem Boden bis in mein Bewusstsein. Weil es theoretisch immer der Amerikaner sein könnte, der anrief, hatte ich keine andere Wahl, als zumindest nachzusehen, wer auf die grandiose Idee gekommen war, meine erste gute, nicht schlaflose Nacht seit Monaten zu stören. Murrend löste ich meine Arme von Vahagn und lehnte mich dann über die Bettkante, um nach meinem Telefon zu angeln. Richard. Um 8.34 Uhr. Sonst noch was? Es konnte eigentlich nichts wirklich Wichtiges sein, da war ich mir sicher. Trotzdem brachte ich es nicht übers Herz, ihn einfach ins Leere laufen zu lassen. Er war nach meiner Trennung für mich da gewesen und ich rechnete es ihm hoch an, auch wenn ich das nicht immer offensichtlich gezeigt hatte, wegen der konstant beschissenen Laune. “Richard..?”, fragte ich völlig verpennt, statt eine richtige Begrüßung zu verwenden. Ja, ich hatte geschlafen. Danke der Nachfrage. Es dauerte kurz, bis ich realisierte, wie aufgewühlt der Engländer war. Er druckste herum und außerdem konnte ich hören, dass er beim Telefonieren in Bewegung war. Auch ohne seine wörtliche Bestätigung wäre klar gewesen, dass er durch den Wind war, es ihm nicht gut ging. Mit einem kurzen Blick auf die schöne Schwarzhaarige im Bett direkt neben mir verstärkte sich mein Wille, jetzt aus der Wohnung zu taumeln, so gar nicht. Aber sie würde ohnehin noch eine Weile schlafen und wenn ich jetzt aufstand, musste ich mich später sowieso nochmal hinlegen. Wir würden uns heute nochmal für ein paar Stunden wiedersehen, so oder so. Bis ich Richard eine Antwort lieferte, dauerte es aber ein paar stille Sekunden. “Ja, ich… ich komme. Aber es dauert ein bisschen, bin noch nicht richtig wach.”, willigte ich ein, ihn zu besuchen, dicht gefolgt von einem kurzen Gähnen. Ich erkundigte mich nur noch kurz bei ihm, ob ich das richtig verstanden hatte und er bei sich Zuhause im Bungalow war, wartete seine Antwort ab und verabschiedete mich mit den simplen Worten “Bis gleich.”, ehe ich das Telefon auf dem Nachtschrank ablegte. Vahagn grummelte, offensichtlich genervt von der Ruhestörung. Ich musste mir erstmal fest übers Gesicht reiben, um ansatzweise lebensfähig zu werden und beugte mich dann zu ihr rüber. Küsste sie auf die Stirn und strich ihr ein paar wirre, störende Strähnen aus dem Gesicht. Nach der kurzen Info an sie, dass ich zu Richard fahren und aber sicher nicht allzu spät wiederkommen würde, stand ich auf und zerrte mir Klamotten aus dem Schrank. Ich zog mir die schwarze Jeans und das bis auf das Brustlogo weiße Shirt an, bevor ich mit eingestecktem Handy noch schlaftrunken ins Bad ging, mir die Zähne putzte und meine Haare in Form brachte, damit ich einigermaßen zivilisiert aussah. Gefühlt erledigte ich das alles in Zeitlupe und ich musste in der Küche erst noch ein großes Glas Wasser runterkippen, weil ich mich völlig dehydriert fühlte. Auf den Kaffee verzichtete ich zwar ungern, aber den konnte ich sicher auch bei Richard bekommen. Also schlüpfte ich in die schwarzweißen Vans und warf mir die ebenso schwarze Bomberjacke über, bevor ich mit Auto- und Hausschlüssel die Wohnung verließ und zum Truck ein paar Meter weiter am Straßenrand schlurfte. Es war noch ein bisschen frisch und roch nach dem gestrigen Starkregen, aber ausnahmsweise schien heute offenbar endlich mal wieder die Sonne – sie blendete mich unbarmherzig direkt durch die Frontscheibe, als ich ins Auto stieg und trotzdem fing ich an zu lächeln. Heute würde ein schöner, hoffentlich mal wieder so richtig warmer Tag werden. Ich drehte den Schlüssel und griff nach der schlichten Sonnenbrille im Handschuhfach, setzte sie auf und fuhr zu Richard. Die Musik auf der Fahrt hatte mich allmählich wach gemacht und ich war ganz entspannt gecruist, hatte mich über keine einzige rote Ampel oder Verkehrsbehinderung beschwert. Nicht mal ein winziges bisschen Stresshormone wanderten durch meinen Körper und es war unfassbar angenehm, endlich mal wieder entspannt zu sein – nicht ständig nur genervt oder wütend oder enttäuscht. Dabei vergaß ich ganz und gar, dass mein Besuch bei Richard eigentlich gar kein erfreulicher sein würde. Als ich den Wagen hinter seinem in der Einfahrt parkte, stieg ich trotz der gottlosen Uhrzeit beschwingt aus und vergaß sogar, dass mir die Sonnenbrille noch auf der Nase saß. Den Truck schloss ich noch ab, bevor ich zur Haustür ging. Klingeln musste ich jedoch gar nicht – der Engländer zog die Tür schon auf, als ich noch auf dem Weg dahin war. Nur wegen seiner ungewöhnlich dunklen Hautfarbe wurde ich mir der Brille bewusst und schob sie nach oben in meine Haare. “Krieg’ ich ‘ne Tasse Kaffee..?”, fragte ich ihn noch immer ein bisschen gerädert klingend. Jedoch mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, das so gar nicht zu dem Tauren passte, der ihm vor Kurzem erst noch motzend gesagt hatte, dass er seinen freien Tag lieber allein verbringen wollte. Tja, so schnell konnte es gehen.
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Es war einen Moment lang still am anderen Ende der Leitung und ich befürchtete kurz, Tauren habe einfach aufgelegt. Etwas irritiert nahm ich das Handy vom Ohr und prüfte, ob die Verbindung noch stand. Ich wollte gerade dazu ansetzen, ihn zu fragen, ob er noch dran war, als er mir mit verschlafener Stimme versicherte, sich zeitnah auf den Weg zu machen. Ich nickte stumm und als ich realisierte, dass er mich gerade gar nicht sehen konnte, murmelte ich ein leises "Okay, danke, bis gleich." Nachdem ich dem Norweger bestätigt hatte, wo er mich vorfinden würde, legte ich auf und das Handy wanderte etwas energisch auf die Theke. Dass es dabei zu Bruch gehen könnte, interessierte mich nicht. Ich seufzte, dann versorgte ich den Kater, der ungeduldig um meine Bein schlich, mit frischem Nassfutter und setzte eine Kanne Kaffee auf. Das Koffein würde mir zwar wohl kaum dabei helfen, wieder einen klaren Gedanken zu fassen, aber über den Punkt, wo das schwarze Gold mir effektiv dabei half, wacher zu werden, war ich ohnehin schon lange hinaus. Ich trank Kaffee nur noch, weil er mir schmeckte. Während die Filtermaschine mit einer Mischung aus monotonen Brummen und Gurgeln neben mir arbeitete, lehnte ich mich mit der Hüfte an die Theke und verschränkte die Arme vor der Brust - mein Blick dabei auf dem fressenden Kater geheftet. Als mir einige Minuten später das verheißungsvolle Klack der Kaffeemaschine signalisiert, die vorgesehene Arbeit vollbracht zu haben, löste ich mich aus der Starre und angelte zwei Tassen aus dem Schrank hinter mir. Tauren würde sicherlich auch etwas trinken wollen, richtig? Fürs Erste goss ich jedoch nur mir etwas ein, weil ich nicht wollte, dass das Getränk komplett kalt war, bis der Norweger eintraf. Mit der Tasse und meiner Schachtel Zigaretten bewaffnet schlurfte ich schließlich raus auf die Terrasse und zog die Tür hinter mir zu, damit der Kater nicht auf dumme Ideen kam. Wieder vernichtete ich binnen kürzester Zeit zwei Glimmstängel und als ich von meiner Position hinter dem Haus aus hörte, dass ein Wagen in die Auffahrt rollte, drückte ich gerade den kläglichen Rest der Zigarette im Aschenbecher aus. Diesen hatte ich eigentlich extra für rauchende Gäste - was in aller Regel nur Tauren war - angeschafft, denn wenn es etwas gab, was ich noch mehr verabscheute als Rauchen an sich, dann war es Rauchen in der Wohnung. Entsprechend hatte ich den jungen Mann immer noch draußen gescheucht und nun saß ich selber hier. Sehr ironisch. Ich erhob mich und durchquerte den Bungalow, um dem Norweger die Tür zu öffnen, noch bevor er überhaupt dazu kam, die Klingel zu betätigen. Aus müden und erschöpften Augen sah ich ihn an und... Moment mal - irgendwas stimmte hier nicht. Einige Sekunden lang beäugte ich meinen Freund nachdenklich. Warum war er so gut gelaunt? Das letzte Mal, als ich Tauren gesehen, beziehungsweise gehört hatte, war er ziemlich genervt gewesen, von guter Laune keine Spur in Sicht. Und jetzt stand er vor mir, ein breites Lächeln zierte seine Lippen. Ich konnte nicht anders, als verwundert die Augenbrauen nach oben zu ziehen. Das war auch der Grund, weshalb ich verzögert auf seine Frage nach einer Tasse Kaffee antwortete. "Ehm... hi.", begrüßte ich ihn zögerlich, dann schüttelte ich den Kopf und machte ihm Platz, sodass er eintreten konnte. "Ja, klar. Hab' dir schon eine Tasse rausgestellt.", fügte ich wenige Sekunden später hinzu, dass ich bereits an ihn gedacht hatte. Ich schloss die Tür hinter ihm, kaum hatte er das Haus betreten, bevor ich mich an dem jungen Mann vorbei schob und erneut die Küche ansteuerte. Inzwischen war der Kaffee vermutlich nicht mehr so heiß, wie noch vor einigen Minuten, aber immer noch angenehm temperiert. Mit der halbvollen Tasse schloss ich wenig später wieder zu ihm auf und bedeutete Tauren mit einem Kopfnicken, mir nach draußen zu folgen. Dort war es inzwischen recht angenehm und jede Minute, die ich nicht in dem Wohnzimmer verbringen musste, war eine gute Minute. Auf der Terrasse angekommen stellte ich die Tasse auf dem kleinen Tischchen, an dem jeweils rechts und links ein Stuhl stand, ab, ehe ich mich mit einem Seufzen wieder auf meine vier Buchstaben fallen ließ. Ich griff zu der Zigarettenschachtel, zog eine Kippe heraus und bot dem Norweger im Zuge dessen ebenfalls eine an. "Wie geht's dir?", fragte ich, weil ich ihn nicht sofort mit meinen Problemen zumüllen wollte. Außerdem interessierte mich ernsthaft, ob etwas vorgefallen war, von dem ich bisher nichts wusste. Nachdem Tauren seit der Trennung täglich mit unfassbar schlechter Laune um sich warf, war sein verhältnismäßig entspanntes Auftreten gleichermaßen überraschend wie besorgniserregend.
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Der Engländer war offensichtlich von mir irritiert und es dauerte einen kurzen Moment, bis ich verstand, warum er mich so ansah. Dann aber wurde das Lächeln kurzzeitig zu einem Grinsen und ich ging an ihm vorbei nach drinnen. Im Flur des Bungalows sah es aus wie immer und ich sah das schwarze Fellbündel hastig von der Küche ins Wohnzimmer traben, was möglicherweise an meiner Präsenz lag. Er schien irgendwie etwas misstrauisch mir gegenüber geworden zu sein, seit ich – laut Richard, erinnern tat ich mich daran nicht – den Kater betrunken auf dem Sofa herumgezerrt hatte. Ich war heute trotzdem zuversichtlich, dass er sich irgendwann wieder einkriegen würde. Schon nur deswegen, weil ich jetzt hoffentlich wieder öfter mit guter Laune hier aufkreuzen würde. “Vorausschauend wie eh und je.”, seufzte ich zufrieden, als Richard mir sagte, dass das schwarze Gold quasi schon auf mich wartete, weil er an mich gedacht hatte. Solange er noch in der Küche war, warf ich einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, wo der Kater mit energisch pendelndem Schwarz und eingezogenem Kopf auf dem obersten Punkt seines Kratzbaumes lag. Vielleicht war ich doch eher ein Hundemensch..? Ich nickte Richard mit einem ehrlichen “Danke.” zu, als er wieder aus der Küche kam und wir weiter zur Terrasse gingen. Eigentlich saßen wir da fast immer, wenn ich hier war, weil ich früher oder später gerne zur Schachtel griff. Was jedoch sehr ungewöhnlich war, waren die Überreste im Aschenbecher. Der war sonst immer leer, wenn ich hier ankam – wohl weil keiner der beiden hier hausenden Männer es ertragen konnte, wenn da was drin liegen blieb. Von der Zigarettenschachtel, die daneben lag, wollte ich gar nicht erst anfangen. Ich hatte mich gerade auf den freien Stuhl am Tisch sinken lassen und schob die Ärmel der Jacke ein bisschen nach oben, weil es allmählich warm wurde, als Richard nach den Kippen auf dem Tisch griff. Ich hielt inne und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, weil ich ihn schon seit seinem Entzug keine Zigarette mehr hatte anfassen sehen. Er mochte die gar nicht. Ich stieß den Rauch nicht umsonst immer gezielt dahin aus, wo er nicht war. Schon Passivrauchen war ihm zuwider. Nach kurzem Zögern streckte ich die Hand nach der Schachtel aus, als der Engländer mich dazu einlud und bediente mich auch an dem zur Verfügung stehenden Feuerzeug. Richard stellte mir eine Frage, die mich im ersten Moment daran hinderte, ihn nach seiner neuen schlechten Angewohnheit zu befragen. Nachdem ich die ersten beiden Züge vom Glimmstängel wieder ausgeatmet hatte, sah ich mit zuckendem Mundwinkel zu ihm rüber. “Besser… viel besser.”, antwortete ich ihm ehrlich auf die Frage nach meinem Wohlbefinden und ließ mich dabei entspannt ein bisschen tiefer auf dem Stuhl rutschen. Eigentlich ging es hier heute ziemlich sicher nicht um mich, doch es war Richard scheinbar lieber, erst ein wenig um den heißen Brei herum zu reden. Zufällig tat es mir sowieso gut, Jemandem zu sagen, warum wieder Schmetterlinge in meiner bis gestern Abend noch gefühlt abgestorbenen Brust tanzten. “V ist wieder da.”, eröffnete ich ihm lächelnd und griff gleichzeitig mit der freien Hand nach meiner Tasse, um den ersten Schluck zu nehmen. Das Koffein konnte zwar niemals die zu kurze Nacht kompensieren, doch es half immerhin ein bisschen. “Und nein, ich hab sie nicht vorher angebettelt, zurückzukommen. Es war ganz allein ihre Entscheidung.”, eliminierte ich von vornherein etwaige Befürchtungen, von wegen ich wäre bloß wieder eingeknickt und auf allen Vieren vor ihr herumgekrochen, damit sie mir noch eine Chance gab. Zwar hatte ich übers Hintertürchen indirekt ein bisschen nachgeholfen und ihrem Bruder gehörte definitiv auch mein Dank, aber die Entscheidung, zurück nach Kuba zu fliegen und zu mir zu kommen, hatte ganz bei Vahagn gelegen. “Aber… was hat es mit den Zigaretten auf sich, Richie?”, hakte ich nach, als ich die Tasse wieder abstellte und in diesem Zug auch einen Blick mit hochgezogener rechter Augenbraue zu ihm rüber warf. Es fehlten schon ein paar mehr Kippen aus der Schachtel, er hatte also nicht gerade eben erst mit dem Rauchen angefangen, sondern schon vorher. Samuele rauchte auch nicht, ich war hier normalerweise der einzige Raucher. Oh, Moment… war Sam gar nicht da? In dem Moment, in dem mir der Gedanke kam, warf ich einen kurzen Blick über meine Schulter in Richtung Terrassentür.
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Na immerhin schien es wenigstens einem von uns einigermaßen gut zu gehen. Nicht, dass es mir dadurch mit meiner eigenen Misere besser ging, aber ich freute mich, dass Tauren endlich wieder lächeln konnte. Zwar sah ich ihn einen Moment lang verwirrt an, während ich meine eigene Zigarette ansteckte, weil mir nicht sofort klar war, wen er mit V meinte, aber die nachfolgenden Worte seinerseits schafften dahingehend Klarheit. Ich nickte langsam und mein Blick richtete sich abwesend nach vorne. "Ich hab' doch gesagt, es wird alles wieder gut." Hatte ich zwar nicht gesagt und genauso wenig daran geglaubt, aber so oder so ähnlich hatte ich ihm beschrieben, wie es ablaufen könnte, wenn Tauren der Russin wirklich am Herzen lag. Dass er eben nicht derjenige sein musste, der zu Kreuze kroch, sondern Vahagn sich auch etwas bemühen würde, wenn ihr die Beziehung zu dem Norweger wirklich wichtig war. Es hatte augenscheinlich eine ganze Weile gedauert, die den jungen Mann zum Teil wirklich unausstehlich hatte werden lassen, aber naja. Wenn sie nun wieder da war, sollte sich die schlechte Laune bei Hunters Handlanger alsbald gänzlich in Luft auflösen. Er war ja jetzt schon kaum wiederzuerkennen, ihm stand die Glückseligkeit förmlich quer über das Gesicht geschrieben. Sehr zu meinem Bedauern wohlgemerkt, denn ich hätte gerne mit jemandem gesprochen, der sich in einer ähnlich beschissenen Situation befand, damit wir uns beide gegenseitig bemitleiden konnten. Ich nahm einen tiefen Zug von dem Glimmstängel, ließ das Nikotin förmlich jede Faser meines Körpers langsam vergiften, ehe ich den Rauch mit einem tiefen Seufzen in die Luft pustete. "Brauchte was, um meine Nerven zu beruhigen.", murmelte ich und drehte langsam meinen Kopf in Richtung des Norwegers. "Ich... wir... Sam und ich hatten gestern Streit.", fuhr ich fort und so gerne ich auch mit offenen Karten spielen wollte, es fiel mir irgendwie schwer, darüber zu reden. Allerdings hatte ich den jungen Mann herbestellt, um eben genau das zu tun. Um ihn nach seiner Meinung zu fragen. Ich wollte wissen, was er davon hielt und mir eine zweite Meinung einholen. Vielleicht hatte ich ja tatsächlich ein wenig überreagiert und Sam zu Unrecht verurteilt. "Er kam heute Nacht nach Hause und... erst mal wusste ich überhaupt nicht, dass er unterwegs ist, was ja jetzt nicht schlimm ist. Ich meine... er ist erwachsen, kann seine eigenen Entscheidungen treffen und so, aber eigentlich sind wir da ziemlich transparent miteinander. Ich sag ihm, wenn ich was vorhabe, wo ich hin gehe und Sam mir normalerweise auch.", fing ich erst einmal an, eines der weniger dramatischen Probleme zu erläutern. Wie gesagt, so richtig gestört hatte es mich auch nicht. Ja, es war untypisch für ihn gewesen, mir einfach nichts zu sagen, aber jeder hatte so seine Tage, wo man manches einfach vergaß. Also alles gut, kein Ding. "Und... als er dann die Tür rein ist, sehe ich einen fetten Knutschfleck an seinem Hals, der er definitiv nicht von mir hatte. Sam...", ich zögerte, nestelte mit Daumen und Zeigefinger ein wenig an dem Filter der Zigarette herum, den Blick auf den Boden gerichtet. "Er hat mir dann gesagt, dass irgendeine Frau ihm um den Hals gefallen ist. Ich... ich weiß nicht, es war alles irgendwie total seltsam und ist dann auch schnell eskaliert. Eigentlich wollte ich das Gespräch gestern nicht führen, weil ich, wie du schon weißt, der Meinung bin, dass das zu nichts geführt hätte, aber dann sind die Emotionen einfach übergekocht. Er hat sich angegriffen gefühlt, ich hab' mich angegriffen gefühlt. Aber... Also klar, ich hab' sicher auch nicht so nette Sachen gesagt, aber man. Sam lässt sich abknutschen und bittet mich dann im Nachhinein um Verständnis. Das kann er doch nicht ernst meinen, oder?" Je länger ich redete, umso leichter fiel es mir auch und ich spürte, wie die Wut auf den Italiener langsam zurückkam. Ich würde behaupten, ein ziemlich verständnisvoller Mensch zu sein. Nachtragend, aber verständnisvoll. Keine Ahnung, wie ich reagiert hätte, wenn er von Anfang an ehrlich das Gespräch mit mir gesucht hätte. Ob ich erwachsen genug gewesen wäre, nicht beleidigt oder verletzt zu sein, sondern empathisch. Das hatte ich ihm zwar vor einigen Stunden zugesichert, aber jetzt war ich mir da gar nicht mehr so sicher. Nachdenklich griff ich nach meiner Tasse, lugte hinein und musste feststellen, dass ich den Inhalt bereits restlos vernichtet hatte. Super. Warum hatte ich sie nicht vorhin mit nach drinnen genommen, um mir nachzuschenken? Weil du mit deinen Gedanken gerade woanders bist, Richie, erinnerte mich mein Verstand und ich stellte das Behältnis entnervt zurück. "Es gab dann auch ein paar Sachen, die mich richtig sauer gemacht haben. Er hat mich gefragt, ob ich glaube, dass ich mein Trauma irgendwann überwinden würde." Mit einem Schnauben beförderte ich die Überreste der Zigarette schnipsend über das Ende der Terrasse hinweg ins Grüne. Rügte mich kurze Zeit später dafür selbst, weil das eigentlich nicht meine Art war und nahm mir vor, den Stummel später wieder einzusammeln. Aber es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, weil ich immer noch nicht darüber hinweg war, dass Sam mir so eine blöde Frage gestellt hatte. Wenn ich Hellseher gewesen wäre, dann würde ich wohl kaum hier auf Kuba meinen Alltag in einem Drogenlabor verbringen. Da konnte Sammy sich sicher sein.
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Hatte er das? „Dabei reden wir wieder über meine bodenlos besoffene Nacht, oder?“, fragte ich schnaubend, klang dabei jedoch ziemlich amüsiert und nahm daraufhin den nächsten Zug. Mittlerweile konnte ich darüber lachen – weil Vahagn wieder da und dieser Absturz völlig umsonst gewesen war. Es war mir aber immer noch ziemlich peinlich, dass ich mein Limit so weit überschritten hatte, obwohl ich genau wusste, wo meine Grenze bei Alkohol lag. Ich war absolut bewusst darüber hinaus gegangen und auch, wenn das vermutlich jeder gut nachvollziehen konnte, der schon eine hässliche Trennung hinter sich hatte, war das einfach bescheuert. Eine Wiederholung würde es davon nicht geben, so viel war sicher. Die Erinnerungslücke war unfassbar nervig und einer von vielen guten Gründen für mich, nicht regelmäßig tief ins Glas zu schauen oder gar andere Drogen zu konsumieren. Dadurch wurde es etwas schwieriger, mein Gewissen hinsichtlich Mord und Totschlags im Zaum zu halten, aber ich trug lieber dieses schwere Päckchen, als Abhängigkeit zu riskieren… und schlimmstenfalls wie Hunter zu enden. Alkoholismus war nur eines seiner gefühlten tausend Probleme. Richard bestätigte mir kurzerhand meine stumme Vermutung, als er die Begründung für den plötzlichen Zigarettenkonsum lieferte — Ablenkung von dem Problem, das er mir kurz darauf mitteilte. Na das war ja super Timing. Ich kam hier gut gelaunt an, weil ich meine Freundin endlich wieder in den Armen halten konnte, und Richard hatte Streit mit Sam. Für einen Moment lang sah ich etwas betreten auf meinen Schoß. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich meine vorherigen Worte abgekürzt oder zumindest etwas weniger beschwingt vorgebracht. Tja, zu spät. Ich sagte erstmal noch nichts, sondern signalisierte dem Engländer mit einem abwartenden Blick, dass er fortfahren sollte. So lief ich weniger Gefahr, gleich ins nächste Fettnäpfchen zu stapfen. Ein ums andere Mal zog ich nachdenklich der Zigarette, während Richard Stück für Stück erzählte, was vorgefallen war. Gleichzeitig wanderten mir die Augenbrauen immer höher. Mein Blick folgte dem unerwartet durch die Luft segelnden Überrest seiner Zigarette. Ein weiteres Indiz dafür, wie aufgekratzt er war. Ich atmete tief und schwer wieder aus, während meine Hand mit der Zigarette auf der Armlehne ruhte und ich versuchte, passende Worte zu finden. “Phew, das… ist harter Tobak.” Das war nicht das, was ich dazu sagen wollte, aber es diente dazu, ihm zu vermitteln, dass ich noch einen Moment brauchte. Ich nahm einen weiteren Schluck Kaffee, dann versuchte ich meine Gedanken zu der Sache für den Engländer zu formulieren: “Ich meine, ich weiß aus erster Hand, dass man im Streit sehr oft Dinge sagt, die man hinterher lieber zurücknehmen oder anders sagen würde… aber dich nach einem Ablaufdatum für dein Trauma zu fragen, das… ist echt fies, man.” Unterbewusst schüttelte ich ein wenig den Kopf. Sowas konnte auch nur Jemand fragen, der selber kein schlimmes Trauma erlebt hatte. Glaubte ich zumindest. “Ich hab’ ja auch unter den Italienern leiden müssen, weil Hunter mich denen zum Fraß vorgeworfen hat… es wird zwar besser, aber Keller, die ich nicht kenne, sind mir bis heute noch scheiß unheimlich. Ich weiß nicht, was da bei dir genau passiert ist, aber… es kann nur schrecklich gewesen sein.”, stellte ich seufzend fest. Die Folter im Untergeschoss des Hotels war die Hölle gewesen. Die starken Schmerzmittel danach hatten auch mein Hirn eine Weile lang betäubt, aber die Folgen waren immer noch da. Jedes Mal, wenn ich einen Keller betrat, den ich nicht kannte – egal ob beleuchtet oder dunkel – musste ich die Flashbacks runterschlucken. Ich war gezeichnet fürs Leben und zweifelte daran, dass das jemals vollständig verschwinden würde. “Was das Fremdgehen angeht…”, setzte ich zum nächsten Knackpunkt an, zog dann aber erst nochmal an der Zigarette und schnippte sie im Aschenbecher ab, ehe ich fortfuhr. “...weiß ich nicht, ob ich der richtige Ansprechpartner bin. Es soll Menschen geben, die das alles ziemlich locker sehen oder zumindest auf irgendeiner Ebene gut verstehen können… aber ich gehör’ absolut nicht dazu. Ich bin wirklich eifersüchtig. Dass er dir vorher nicht gesagt hat, dass er unterwegs ist, macht‘s nicht gerade besser.”, brachte ich meinen eigenen Standpunkt zu solchen Aktionen zum Ausdruck. Dabei war ich nicht deshalb so eifersüchtig, weil ich eine extrem besitzergreifende oder kontrollsüchtige Persönlichkeit hatte, oder meiner Partnerin keinen Freiraum geben konnte – den bekam sie auf genug anderen Ebenen – sondern weil eine Partnerschaft für mich Treue bedeutete. Nicht nur, aber eben auch auf körperlicher Ebene. Da machte ich keine Kompromisse und das hatte ich schon zu Beginn unserer Beziehung klargestellt. “Deswegen frage ich Vahagn gar nicht erst danach, ob in Russland irgendwas gelaufen ist. Ich könnte nicht gar nichts dazu sagen, wenn es so ist.”, seufzte ich und ließ den Kopf dabei nach hinten an die Lehne kippen, machte kurz die Augen zu. Wir waren in den letzten zwei Monaten getrennt gewesen und ich konnte ihr rein sachlich betrachtet keinen Vorwurf dafür machen, ihren Schmerz in anderen Menschen ertränken zu wollen. Trotzdem müsste ich jedes Fünkchen Selbstbeherrschung zusammenkratzen, um es nicht trotzdem zu tun. Es war ein weiterer Punkt, indem wir uns grundlegend unterschieden und es war besser, das gar nicht erst aufzuwühlen. Davon hätten wir nichts, außer den nächsten Streit. “Habt ihr euch heute schon mal unterhalten?”, fragte ich nach und blickte dabei ohne den Kopf von der Lehne zu nehmen zu Richard, drückte gleichzeitig die Überreste meiner Zigarette im Aschenbecher aus. Mittlerweile war ich mir sogar todsicher, dass Samuele nicht da war, ohne nachfragen zu müssen. Es schien ein wirklich hässlicher Streit gewesen zu sein und danach hatten sie sich vermutlich gegenseitig nicht mehr ertragen können. Das war das Gute an zwei Wohnungen — Vahagn konnte sich jederzeit in ihre zurückziehen oder ich in meine, wenn wir uns gestritten hatten. Es war schlichtweg nicht immer möglich, trotz allem Verständnis sofort alles mit für alle zufriedenstellendem Ergebnis zu klären. Manchmal brauchte es die räumliche Distanz… nur bis nach Russland zurückziehen sollte sie sich nie wieder. Nicht so. Nochmal ließ ich das nicht mit mir machen.
Pain? I Love It. Anything else can be fake - happiness, crying, smiles, hugs... even the sweetest kisses. But Pain? Daaamn, that shit's real.
Auch wenn mir gerade wirklich nicht nach lachen zumute war, gab ich zumindest ein im Ansatz belustigtes Schnauben von mir, als Tauren auf die Nacht zu sprechen kam, die auf die ein oder andere Art in einem Desaster geendet hatte. "Ja, genau über diese Nacht spreche ich... sorry, hab' vergessen, dass du dich nur vage daran erinnerst, was ich zu dir gesagt habe.", stimmte ich ihm zu und entschuldigte mich im selben Atemzug weniger ernst gemeint dafür, dass ich ein kleines Vergesserchen war. Anschließend richtete ich mich auf dem Stuhl etwas auf und beugte mich nach vorne, um die Ellbogen auf meinen Knien abzustützen und meinen Kopf nachdenklich zwischen den Schultern baumeln zu lassen, während ich gespannt auf eine Antwort des Norwegers wartete. Das dauerte allerdings einen Augenblick und ich stand kurz davor, aus der Haut zu fahren, weil mir Tauren viel zu lange brauchte. Dabei waren es eigentlich nur ein paar Sekunden, bis er mir schließlich seine Meinung zu dem ganzen Spektakel kundtat. Und wie ich erwartet hatte, waren wir ziemlich genau der gleichen Ansicht. Fanden beide, dass es ein absolutes Unding war, mein Trauma hinzustellen, als würde es sich irgendwann schlicht und ergreifend in Luft auflösen. Auch die noch folgenden Worte des jungen Mannes bestätigten mich zunehmend mehr darin, dass mein Standpunkt absolut nachvollziehbar und Sam derjenige war, der sich daneben benommen hatte. Es wäre zwar Quatsch zu behaupten, dass es mir mit der Erkenntnis jetzt besser ging, aber ich fühlte mich zumindest ein bisschen weniger... delulu. Dass Tauren selbst unter den Italienern gelitten hatte, war mir gar nicht mehr so bewusst, was nicht daran lag, dass es mir egal war oder ich mich nicht dran erinnerte - ich hatte es, wie so vieles aus der Zeit, einfach verdrängt. Demnach wanderten meine eigenen Augenbrauen nun auch etwas nach oben und ich drehte den Kopf in Richtung des Norwegers, um ihm als Zeichen dafür, dass ich zuhörte und verstand, ein wenig zuzunicken. "Die Schweine haben uns wirklich fürs Leben gezeichnet...", stellte ich stumpf fest und konnte ein weiteres, dieses Mal deutlich abfälligeres Schnauben nicht unterdrücken. "Ich... ich meine...", setzte ich an und musste feststellen, dass ich bei dem Gedanken daran, was mir widerfahren war, unweigerlich zu Stottern anfing. Tauren wusste, wie er selbst schon sagte, nicht, was hinter geschlossenen Türen alles passiert war und ich wiederum bezweifelte, ihm gegenüber Lichts ins Dunkle bringen zu können, ohne dabei in Tränen auszubrechen, aber: "Ich glaube, dass das, was für dich Keller sind, für mich der Sex ist. Nur, dass ich wirklich in Panik ausbreche.", umschrieb ich vorsichtig und ohne weiter ins Detail zu gehen, wie schlimm es um mich stand. Wenn Keller, die er nicht kannte, ihm schon mulmig zumute werden ließen, dann konnte er sich ausmalen, wie es für mich war, wenn ich... naja, nackte Männer sah und etwaige sexuelle Interaktionen im Raum standen. Ob ich vielleicht doch noch ans andere andere Ufer schwimmen und meine Zukunft lieber mit einer Frau verbringen wollen würde? Denkbar unwahrscheinlich. Vielleicht fiel es mir leichter, mich auf intimer Ebene wieder mehr einzulassen, ja, weil ich kaum darum fürchten musste, einer Frau unterlegen zu sein, aber irgendwie konnte ich es mir trotzdem nicht vorstellen. Der Gedanke an einen fraulichen Körper reizte mich gar nicht, wobei auch ein männlicher Körper momentan keine anregende Wirkung auf mich hatte. Jetzt einen aussagekräftigen Vergleich zu ziehen war also eigentlich gar nicht wirklich möglich. Außerdem war ich ja verliebt, Hals über Kopf sogar, wenn man das so sagen konnte. Samuele hatte ein paar verstorben geglaubten Schmetterlingen in meinem Bauch neues Leben eingehaucht und ich fand, dass das schon ein verdammt großer Fortschritt war. Wir kuschelten regelmäßig und auch das Küssen war mir von Mal zu Mal leichter gefallen. Dass er sich jetzt daran aufhing, dass ich mir an dieser einen Herkulesaufgabe noch immer die Zähne ausbiss, brachte mich mehr aus der Fassung, als ich es mir eingestehen wollte. Ich sah Tauren entsprechend betreten an, als er mir seine Sicht der Dinge im Bezug auf das Fremdgehen mitteilte und über seine Feststellung bezüglich seiner eigenen Freundin sowie seine abschließend an mich gerichtete Frage hätte ich beinahe gelacht, wenn mir nicht grundsätzlich nach Heulen zumute gewesen wäre. "Also was Vahagn angeht, kann ich dich komplett verstehen. Manchmal ist es besser, einfach nicht zu wissen, was möglicherweise gelaufen ist, damit man sich selbst besser fühlt.", stellte ich erst einmal ruhig und mit einem schwachen Schulterzucken fest, dass es mir in seiner Situation vermutlich ähnlich gegangen wäre. Vor allem, wenn man einen begründeten Verdacht hatte, dass eben Irgendwas passiert war. Bevor ich zum Beantworten seiner Frage ansetzte, warf ich beinahe entgeistert die Arme in die Luft und konnte mich nur durch äußerste Anstrengung dazu zwingen, auf dem Stuhl sitzenzubleiben. Am liebsten wäre ich eigentlich aufgesprungen und hätte losgewütet. "Ich wünschte, wir hätten es... darüber geredet, meine ich. Er wollte es wohl, hat sich aber anscheinend nicht getraut. Ich kann es ja auch irgendwo verstehen, weil ich selber nicht so richtig weiß, wie ich reagiert hätte. Aber ich bin der Meinung, dass alles besser gewesen wäre, als... naja, das jetzt halt. Im Nachhinein oder auch vorab kann man Vieles sagen, was man in der Situation aber vielleicht ganz anders gesehen hätte, weißt du?" Vor allem, wenn man ein so sensibles Thema besprach, war eine sachliche Unterhaltung manchmal gar nicht so einfach. "Nur was gibt es in der Hinsicht für Möglichkeiten, die beide Parteien gleichermaßen zufriedenstellen? Korrigier' mich, wenn ich falsch liege, aber eigentlich gibt es doch nur drei Optionen: Entweder wir trennen uns, weil Sam sagt, er besteht auf Sex und ich ihm den nicht bieten kann; ich stimme zu, dass er sich anderweitig vergnügt, was mich definitiv unglücklich machen würde oder er steckt zurück und akzeptiert, dass ich vielleicht niemals dazu in der Lage sein werde, mit ihm intim zu werden... Also auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, wenn du mich fragst." Aber irgendwas mussten wir tun. Es war zwingend notwendig, dass wir uns aussprachen und eine Lösung fanden. Ich wollte die Beziehung zu ihm zumindest äußerst ungerne so enden lassen.
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“Na wenigstens sind wir beide vergesslich.”, sagte ich mit trockener Ironie, ehe ich ein wenig den Kopf schüttelte und das Thema damit zu den Akten legte. Zwar war das Thema, das daran anschloss, sehr viel düsterer und unerfreulicher, aber ich war von vornherein nicht zum Lachen hergekommen. Obwohl mir grundsätzlich danach zumute gewesen wäre, zumindest noch als ich hier angekommen war. Es fiel Richard offensichtlich schwer, näher auf das Thema Folter einzugehen. Trotzdem schien er irgendwie darüber reden zu wollen und weil ich mich ohnehin nicht auf ein nur fünf Minuten langes Gespräch eingestellt hatte, wartete ich geduldig ab, was er noch dazu zu sagen hatte… nur, um ihn dann kurzzeitig erschrocken blinzelnd anzusehen. Ja, mich hatten die Italiener auch fürs Leben gezeichnet, aber das? Wenn ich jetzt daran dachte, wie gut der Sex mit Vahagn mir gestern getan hatte und wie sehr auch das ein essentieller Teil der meisten Partnerschaften war, wusste ich kaum noch, was ich dazu sagen sollte. Vielleicht hätte ich darauf schon von allein kommen sollen, weil der Engländer meines Wissens nach oben bei Agnolo und nicht irgendwo anders im Keller festgesessen hatte, aber man… das tat mir echt leid für ihn. Es rechtfertigte absolut nicht, dass Samuele ihm fremdging, doch es machte jetzt mehr Sinn für mich. “Jetzt fühlen sich meine schlotternden Knie vor Kellergewölben lächerlich an.”, seufzte ich schwer. “Dich hat’s eindeutig persönlicher getroffen.”, fügte ich murmelnd noch hinzu, schaffte es aber nicht, Richard dabei anzusehen. Ich wollte nicht ’das tut mir wirklich leid für dich’ sagen, weil ich viele Menschen kannte, die diese Phrase nicht leiden konnten. Deshalb versuchte ich, dem Engländer auf diese andere Art mein Mitgefühl und mein Verständnis für die immense Tragweite solcher Erlebnisse auszudrücken. Folter war eine Sache, Vergewaltigung aber nochmal eine ganz andere. Ich wollte mir nicht mal vorstellen, was dabei im Detail passiert war. Ich hatte diese Neuigkeit noch gar nicht ganz verdaut, als er kurz auf Vahagn einging, weshalb ich was das anging nur noch einmal nickte. Wir waren uns jedenfalls einig damit, dass was in Russland passiert war, besser in Russland bleiben sollte. Ich hatte so auch noch genug Pfeile aus der Brust zu ziehen, das würde ein Weilchen dauern. Offenbar hatten die beiden jungen Männer heute noch nicht wieder miteinander gesprochen, was zwangsläufig hieß, dass gerade jeder für sich in Selbstvorwürfen oder Unverständnis badete. Sam war mir bisher eigentlich immer vernünftig vorgekommen, aber jetzt war ich mir da gar nicht mehr so sicher. Ich kannte ihn nicht wirklich gut, unterhielt mich normalerweise deutlich mehr mit Richard. Den kannte ich schließlich deutlich länger. Schon in der alten Smith And Wesson hatten wir Gespräche bei meinem regelmäßigen nächtlichen Dienst dort geführt… gefühlt glückselige Zeiten, verglichen mit unseren jetzigen Problemen und Geisteszuständen. Ich hob die rechte Hand und massierte mir mit einem tiefen Atemzug den Nasenrücken, so als würde das meine Denkvorgänge effektiv beschleunigen. Richard war in einer wirklich beschissenen Lage und ich kam nicht umher, Sam und V miteinander zu vergleichen. Sie schienen beide einen mindestens ausgeprägten Drang für sexuelle Aktivität zu besitzen, aber wenigstens musste ich bloß um Männer und nicht auch noch um Frauen fürchten. “Das ist echt ‘ne beschissene Angelegenheit…”, murmelte ich grummelnd. Erst ein paar Sekunden später hob ich den Kopf und sah wieder zu dem Dunkelhaarigen rüber. “Ich will dir jetzt eigentlich wirklich keinen Ratschlag dazu geben, weil ich das alles viel zu schlecht einschätzen kann.” Sowohl Richards nachvollziehbare Angst vor Sex, als auch Samuele und seine zwangsläufige Enthaltsamkeit. “Ich fänds schade, wenn ihr euch trennt… weil ich eigentlich schon das Gefühl hatte, dass er dir – abgesehen von dieser Misere – ganz gut tut.” Zumindest bevor seine Psyche leicht instabil geworden war, was ich allerdings ebenso wenig exakt einordnen konnte, wie alles andere. Schließlich lebte ich nicht mit dem Italiener zusammen. “Aber ich möchte auch nicht, dass du unglücklich wirst im verzweifelten Versuch, ihn bei der Stange zu halten. Das… kann irgendwie nicht der richtige Weg sein.” Das nächste Seufzen, weil es in dieser Sache gefühlt einfach keine richtige Lösung oder Antwort zu geben schien. Alle drei Optionen waren, gelinde gesagt, scheiße. “Und wenn er… ich trau’ mich fast nicht, das auszusprechen.”, stellte ich kopfschüttelnd fest und tastete gleichzeitig nach meiner Hosentasche, nur um festzustellen, dass ich die Kippen im Auto hatte liegen lassen. “Wenn er sich nur so mit anderen trifft, dass es euren Alltag nicht tangiert? Außerhalb eurer gemeinsamen Zeit und ohne Spuren? Ich meine, du wüsstest es trotzdem und es wäre… immer noch nicht das gelbe vom Ei, aber es… nimmt dir vielleicht zumindest den Druck bezüglich deiner Angst, gibt dir etwas mehr Zeit. Es ist nicht ganz dasselbe, wie Vahagns… Russlandausflug, aber… es würde dir den schmerzhaften Teil, bei dem er mit nicht abgesprochenen Knutschflecken nach Hause kommt, ersparen. Ich meine, ich könnte das nicht… wirklich nicht, aber ich stecke auch nicht in deiner Situation oder deiner Beziehung. Nur glaube ich nicht, dass Sam… dass er dich wegen sowas verlassen würde. Oder glaubst du, er zieht das schon in Betracht?” Ich sah Richard vorsichtig fragend an, wohlwissend, dass es gut möglich war, mich mit all diesen Worten viel zu weit aus dem Fenster gelehnt zu haben. Deswegen auch der Phantomgriff an die nicht vorhandene Kippenschachtel.
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Ja, ein mulmiges Gefühl war wohl kaum zu vergleichen mit der Panik, die mich ergriff, wenn ich nur daran dachte, mich vor einem Mann - egal auf welcher Basis, ob vertraut oder nicht - zu entblößen. Und ich spürte, dass es Tauren leidtat, was mir widerfahren war, auch wenn er es nicht aussprach und schon gar nichts dafür konnte, dennoch sollte er sein eigenes Trauma nicht kleiner reden, als es eigentlich war. Schlimmer war schlimm, aber trotzdem nicht weniger... schlimm. Ließ einen nicht nennenswert weniger leiden. Meine Narben waren überwiegend psychisch, nicht sofort sichtbar. Taurens körperliche Blessuren hingegen schon. "Nur weil mir etwas, in deinen Augen vielleicht schlimmeres, widerfahren ist, musst du dein Unwohlsein deswegen nicht gleich degradieren. Du hast genauso gelitten.", stellte ich ruhig fest und schenkte dem jungen Mann ein schwaches Lächeln. Sein Leid war genauso schlimm wie mein eigenes, nur eben auf eine andere Art und dafür verdiente er mindestens das gleiche Maß an Einfühlsamkeit und Verständnis, was er mir gegenüber gerade an den Tag legte. Außerdem war das hier kein Wettbewerb. Es ging nicht darum, wer es mit mehr Schäden aus diesem gottverdammten Hotel geschafft hatte. Wir beide lebten noch und hatten gleichermaßen mit den Folgen zu kämpfen. Ich seufzte und ließ mich nach hinten gegen die Lehne fallen, drehte meinen Kopf aber direkt wieder in Richtung des Norwegers, welcher aufgrund der prekären Situation augenscheinlich zu seinen Zigaretten greifen wollte, weil sein Kopf das Nikotin brauchte, um wieder einen einigermaßen klaren Gedanken fassen zu können. Zumindest vermutete ich das, weil mich in diesem Moment ein ähnliches Gefühl heimsuchte. "Nimm' ruhig...", murmelte ich und streckte meine Hand nach der auf dem Tisch liegenden Zigarettenschachtel aus. Ich selbst nahm mir ebenfalls einen Glimmstängel und schob die Packung anschließend zum untermauern meiner vorangegangenen Worte ein Stück in Taurens Richtung. Während ich nach dem Feuerzeug angelte, ließ ich mir die Worte des Norwegers einen Augenblick lang durch den Kopf gehen. Er musste sich nicht scheuen, mir Ratschläge zu geben. Ich war alt genug, selber zu beurteilen, ob ich diese für gut befand oder in die Kategorie Ablage P rund einordnete. Genau aus dem Grund war es mir ja überhaupt so wichtig gewesen, dass er herkam und sich mein Gejammer anhörte. Nicht nur, weil ich mir meine Meinung bestätigen lassen oder mir eine andere anhören wollte, sondern eben auch einen Ratschlag gebrauchen könnte, wie ich in dieser Situation weiter verfahren sollte. Und was Tauren sagte, hatte schon Hand und Fuß. Der Gedanke daran, Sammy einen Freipass dafür zu geben, sich den Sex, dem ich ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in naher Zukunft bieten konnte, woanders zu holen, vergiftete zwar jede einzelne Faser meines Körper - und sprach dazu noch gegen ziemlich viele meiner bisherigen Prinzipien -, aber nüchtern betrachtet war es tatsächlich der einzige Weg, ihn auf lange Sicht nicht zu verlieren. So zumindest die Theorie. Allerdings barg das Ganze auch ein gewisses Risiko. Was wäre, wenn er sich plötzlich anderweitig verliebte und sich früher oder später von mir lossagte? Wenn ihn plötzlich jemand anderes mit genügend Intellekt verzauberte und ihn mir somit aus meinen kraftlosen Händen riss? Alleine die Vorstellung daran ließ mein Herz ganz schwer werden und in einem von Anfang an zum Scheitern verurteilten Versuch, sich dem Druck auf meinen Lungen zu entziehen, zog ich einmal zu heftig an der Zigarette. Ich hustete und saß binnen Sekunden kerzengerade, um besser nach Luft ringen zu können. Mir standen die Tränen in den Augen, als ich mich nach etwa dreißig Sekunden wieder gefangen hatte und ich verzog unzufrieden das Gesicht. "Deswegen rauche ich eigentlich nicht...", stellte ich grummelnd fest und schnippte den Glimmstängel am Aschenbecher ab. Ich hasste dieses Gefühl, wenn sich die Lunge durch die Schadstoffe allein schon perforiert anfühlte. Sich dann auch noch zu veratmen war die Hölle. Aber zurück zum eigentlichen Thema. "Tut er auch...", bestätigte ich den Norweger kurzerhand in seiner Aussage, dass Sam mir guttat. "Ich bin viel glücklicher, seit er an meiner Seite ist. Und der Kater ist auch ein nettes Plus. Eigentlich bin ich ja kein Katzenfreund, aber Bandit... er ist schon süß." Der Gedanke an das dreieinhalbbeinige Fellknäuel ließ mich wieder schwach lächeln. "Vermutlich ist das genau der Grund, warum mich das heute Nacht so getroffen hat... ich weiß nicht. Ich hab ihm vertraut, wir waren bisher immer auf einer Wellenlänge und ich war der Meinung, ihm das Gefühl gegeben zu haben, dass er über alles mit mir reden kann. Aber offenbar nicht." Suchte ich die Schuld letzten Endes jetzt doch bei mir? Versuch' es gar nicht erst, ermahnte ich mich selbst. Ich versuchte wohl nur ziemlich verzweifelt, mir irgendwie schönzureden, was ich selbst bereits gedacht hatte und Tauren letzten Endes auch aussprach: Ich würde Samuele wohl teilen und darauf hoffen müssen, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Es fiel mir wirklich schwer, dem jungen Mann zuzustimmen und doch nickte ich langsam. "Vermutlich hast du Recht... ich sehe bisher auch keinen anderen Weg." Und damit nahm ich einen weiteren Zug, unentschlossen, ob ich künftig mehr rauchen würde, um die schrecklichen Bilder aus meinem Kopf zu kriegen oder doch wieder aufzuhören, weil es ein guter Kompromiss war.
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Damit hatte der Engländer vermutlich mal wieder Recht. Selbst wenn nicht, änderte mein Empfinden bezüglich seines Traumas ohnehin nichts an meinem eigenen. Es mochte mir jetzt rein logisch betrachtet weniger schlimm vorkommen als vorher, aber ich war mir ziemlich sicher, dass das meiner Angst völlig egal war. Allerspätestens dann, wenn ich das nächste Mal eine unbekannte Kellertür aufzog. “Stimmt wohl…”, erwiderte ich mit nach oben zuckenden Mundwinkeln, hielt das Lächeln und den Blickkontakt einen Moment lang aufrecht. Meine sich instinktiv verhaltende Sucht blieb dem Engländer nicht unbemerkt, was mich innerlich seufzen ließ. Ich war ihm dankbar für das Angebot, schnorrte mich aber grundsätzlich ungerne bei irgendjemandem durch. Wenn er die Schachtel so zu mir rüberschob, konnte ich jedoch nicht nein sagen. “Mit dem Kopf in den Wolken…”, machte ich mich ironisch über meine eigene Vergesslichkeit lustig, bevor ich mir mit einem “Danke.” die nächste Zigarette aus der Packung stahl. Richard reichte mir kurz darauf das Feuerzeug und ich nahm es entgegen, um mir die Kippe anzuzünden. Danach wurde es einen Moment lang recht still, bis der Dunkelhaarige einen mittelschweren Hustanfall erlitt, was ich mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete. Sein anschließender Kommentar ließ mich schnell grinsen. “Och, der Hustenreiz gibt sich relativ schnell…”, bemerkte ich beiläufig. Meine Lunge war nach all den Jahren des konstanten Konsums komplett immun gegen jegliche Reize geworden, gefühlt war sie tot. “Was nicht heißen soll, dass ich dich zu dieser Sucht animieren möchte. Du solltest sobald wie möglich wieder aufhören.”, schoss ich vor dem nächsten Zug an der Zigarette noch hinterher, damit hier kein falscher Eindruck entstand. Rauchen war ungesund, aber da ich aller Voraussicht nach in diesem Metier stecken blieb, würde ich ohnehin nicht alt werden. Richard hatte da vielleicht noch eine andere Chance. Schwer vorherzusagen. Jedenfalls ging ich richtig in der Annahme, dass Samuele bisher eigentlich einen positiven Einfluss auf den niedergeschlagenen jungen Mann hier am Tisch gewirkt hatte. Wenn man den Kater mit einbezog, dann hatte der Italiener scheinbar sogar die Toleranzgrenze des Engländers erhöht. In Norwegen oben war Richard nicht unbedingt für seine Kompromissbereitschaft bekannt gewesen. Unter anderem deswegen war Hunter mit ihm so aneinander gerauscht, wie die großflächige Narbe in seinem Gesicht bis heute noch deutlich zeigte. “Du wirst ja noch richtig tolerant auf deine alten Tage.”, grinste ich, als sich ein Lächeln in den Zügen des Engländers einnistete. Zumindest vorübergehend. Richard sprach weiter und ich zog zwischenzeitlich erneut an der Kippe. Als ich den Rauch ausatmete schüttelte ich jedoch entschieden den Kopf, bevor ich ihn ansah. “Es ist echt nicht deine Schuld, dass er nicht die Eier in der Hose hatte, ein Problem anzusprechen. Ich tue mir damit auch leichter als V und trotzdem muss sie das genauso lernen. Egal worum es dabei geht.”, stellte ich fest. An dieser Einstellung von mir würde auch Niemand je rütteln können. Manche Themen waren natürlich sehr viel schwieriger anzusprechen als andere und ich selbst spürte dabei zuweilen ebenfalls eine Hemmschwelle. Trotzdem funktionierte eine Beziehung langfristig nur mit guter Kommunikation, den Mund aufzumachen war für mich also seit jeher die einzige logische Option. Richard schien es wirklich ernsthaft in Betracht zu ziehen, dem Italiener Freifahrtscheine auszustellen. Schneller und mit weniger Gegenwehr, als ich erwartet hatte. Mein Blick ruhte etwas überrascht auf ihm, dann blickte ich geradeaus ins Grüne und nahm zwei Schluck Kaffee. Dachte dabei darüber nach, ob ich den Engländer mit diesem Ratschlag nicht vielleicht erst so richtig ins Verderben gestürzt hatte – ob ich irgendetwas tun oder anraten konnte, um das zu vermeiden. “Dann braucht ihr aber Regeln dafür. Um so gut es geht zu vermeiden, dass das schiefgeht.”, murmelte ich nach kurzzeitiger Stille nachdenklich vor mich hin, während mein Blick noch an einem Busch mit sehr unauffälligen Blüten klebte. Ich mochte zwar meinen Balkon Zuhause mit der netten Aussicht wirklich extrem gerne, aber hier am Rand der Stadt, wo man noch was anderes als nur Motorengeräusche wahrnahm, ließ es sich noch ein Stück besser entspannen und nachdenken.
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Auch Tauren schien der Meinung zu sein, dass ich das Rauchen besser schnellstmöglich wieder einstellte, was ich mit einem schwachen Nicken kommentierte. Wahrscheinlich würde ich das auch, konnte aber nicht versprechen, es in der Zukunft gänzlich sein zu lassen. Wenn es hart auf hart käme, dann griff ich lieber wieder zu den Zigaretten, anstatt mich erneut in den Drogensumpf zu stürzen. Kippen ließen einen wenigstens nicht derart am Rad drehen, wie es etwaige andere abhängig machende Konsumgüter taten. Der Gedanke an all die zurückliegenden Zwischenfälle, die ich während meiner aktiven Konsumphase provoziert hatte, ließ mich leise seufzen und einen weiteren Zug von dem Glimmstängel nehmen. Dieses Mal allerdings bedacht darauf, nicht zu viel von dem Rauch meine Lungen fluten zu lassen. Mit dem Handrücken wischte ich mir im Anschluss die Tränenflüssigkeit aus den Augen, bevor auch nur ein Tropfen auf die Idee kam, meine Wange hinunterzulaufen. "Ich denke, nach der Schachtel bin ich ohnehin erst mal bedient...", mutmaßte ich und zuckte nachdenklich mit den Schultern. Die Packung war beinahe leer. Es würde mir zwar kein Loch in den Geldbeutel reißen, den Bestand aufzufüllen, denn Tabakwaren waren auf Kuba verhältnismäßig günstig, aber was man nicht mit Geld zahlte, zahlte man dafür mit der Gesundheit und die war mir irgendwie... naja, wichtig? Ein bisschen ironisch war das jetzt schon, immerhin hatte ich vor noch nicht allzu langer Zeit alles menschenmögliche daran gesetzt, mich und meinen Körper ins Verderben zu stürzen, bis ich auf kalten Entzug gesetzt wurde und schließlich Samuele in mein Leben getreten war. Wenn man so wollte, konnte man durchaus sagen, dass mich das toleranter hatte werden lassen, ja. Mit einem schiefen Grinsen sah ich zu dem Norweger rüber, aber meine Mundwinkel waren nicht besonders ausdauernd. Je länger Tauren sprach, umso mehr sanken sie wieder ab, bis ich mich schließlich wieder von ihm abwandte und meinen Blick auf die Zigarette zwischen meinen Fingern heftete. Vahagn und Samuele schienen sich laut Aussage des jungen Mannes relativ ähnlich zu sein, was mich nicht besonders glücklich stimmte. Bisher hatte ich das Gefühl gehabt, die beiden waren wie Äpfel und Birnen - komplett unterschiedlich eben, nicht zu vergleichen. Dass ich jetzt auf eine ähnlich verkorkste Beziehung zusteuerte, wie die zwischen dem Norweger und der Russin war besorgniserregend, eigentlich wollte ich das nicht. Sammy einfach so gehen zu lassen kam aber auch nicht infrage, so viel war sicher. Dass es dafür Regel brauchte, musste mir Tauren nicht zwei mal sagen. Sollte ich den Italiener in meinem Haus mit einer anderen Person intim werden sehen, gäbe es höchstwahrscheinlich Mord und Totschlag und um genau das zu vermeiden, mussten wir vorab klären, was in Ordnung war und was nicht. Ich schluckte schwer. Eigentlich war für mich absolut gar nichts in Ordnung, alleine der Gedanke daran, wie er sich von jemand anderem anfassen ließ, trieb mir förmlich die Gallensäure in die Speiseröhre. "Da hast du Recht. Ehrlich gesagt muss ich aber selber noch überlegen, ob ich das mit mir vereinbaren kann... irgendwie... fühlt es sich nicht gut an.", stellte ich unzufrieden fest. Vielleicht würde mir ja noch etwas anderes einfallen. Vielleicht musste ich mir selber einfach in den Arsch treten? Was, wenn ich schon längst nicht mehr so panische Angst vor Sex hatte und mein Gehirn einfach nur eine kurze Schocktherapie brauchte, um wieder anständig zu funktionieren? Wieder normal zu denken, wie vor dem Zwischenfall. Es klang gleichermaßen absurd wie auch einleuchtend und ich beschloss, Tauren diesbezüglich nach seiner Meinung zu fragen. "Meinst du... der Kopf hat vielleicht eine Art Reset-Button? Vielleicht geht es mir ja tatsächlich schon wieder besser und ich denke nur noch, dass dem nicht so ist? Wer weiß, wenn ich mich darauf einlasse - auf Sex mit Sam, meine ich -, vielleicht... eventuell bin ich ja schon wieder der Alte und weiß es nur noch gar nicht?" Es war überraschend, wie viel Überzeugung und Hoffnung in meinen Worten mitschwang, obwohl ich wusste, dass nun ich derjenige war, der den Anschein machte, nicht zu verstehen, wie ein Trauma funktionierte. Die Taktik, die ich dem jungen Mann vorschlug, mochte vielleicht bei weniger gravierenden Ängsten funktionieren, bei kleinen Schatten, die sich eigentlich leicht überspringen ließen, aber eine Vergewaltigung? Ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich so dumm war, von meinen eigenen Worten derart überzeugt zu sein.
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