Er schwieg relativ lange auf die Frage, die Solane ihm gestellt hatte. Sie machte aber auch keine Anstalten ihre Frage nochmal zu wiederholen, weil er sie vielleicht auch einfach überhört hatte, auch wenn das bei dieser Stille ziemlich unmöglich sein musste. Außer er war in seinen Gedanken versunken. Vielleicht wollte er aber auch einfach nicht antworten, vielleicht wusste er keine Antwort, vielleicht aber blieb er gar nicht ruhig und es wirkte nur so auf sie. Keine Ahnung was es war, sie wollte es auch. Das Bedürfnis nach einem Schuss war gerade so groß wie schon seit dem kalten Entzug nicht mehr. Mit dem Zeug konnte man zumindest zeitweise alles was einen Bedrückte von sich schieben, nichts an sich heran lassen. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich danach. Dabei spielte es für Solane gerade keine wirkliche Rolle welche Art von Droge: Hauptsache sie benebelte ihre Gefühle. Aber da nichts in greifbarer Nähe war und sie gewiss nicht das Bedürfnis hatte zu Fuß den Weg zurück in die Stadt zu gehen, musste sie fürs erste damit leben. Auch wenn gerade definitiv kein Fünkchen Verstand sie davon abhalten würde wieder zu bunten Pillen oder sogar der Nadel zu greifen, je nachdem was sich ihr als erstes anbieten würde. War also eine gute Idee von Icarus gewesen hier raus zu fahren und nicht irgendeine Bar anzusteuern und sich zu besaufen, da kam man nämlich bekanntlich viel leichter an so Zeug ran. Irgendwann setzte Icarus doch zu einer Antwort an, wirklich zufriedenstellen tat es Solane aber nicht, weil sie es nicht selbst umsetzen konnte. Wäre es ihr schließlich möglich das alles nicht so an sich heran kommen zu lassen, würde sie das immerhin tun und nicht wie ein Häufchen Elend neben Icarus auf der Decke sitzen. "Und wie lange hat es gedauert, bis... dahin?" Jetzt drehte sie den Kopf doch in seine Richtung, sah ihn mehr oder minder aufmerksam an. Sie war an der Antwort wirklich sehr interessiert; was musste sie tun um das Gefühl loszuwerden sich am liebsten selbst an die Stelle des Leichnams zu wünschen? Noch mehr Menschen töten? Gras drüber wachsen lassen? Einfach erst mal leiden, weil es nun mal auch nicht okay war jemanden zu töten und es nur fair war? Sie löste die Arme wieder von ihren Beinen und zog sich die Ärmel ihres Pullovers über die zittrigen Hände, bevor sie wieder nach vorne aufs Meer sah. "Hast du was dabei?" Bei der Frage wollte sie lieber nicht sein Gesicht sehen, dabei war ihr diese Antwort fast noch wichtiger wie die Antwort auf ihre Frage zuvor.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Wie lange war ich jetzt schon bei den Massics? Eine gefühlte Ewigkeit auf jeden Fall, es müssten inzwischen Etwas um die neun bis zehn Jahre sein. Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, wie viele Tote ich seitdem gesehen hatte. Manche einfach nur, als sie schon tot gewesen waren, andere wiederum hatte ich selbst umlegen müssen. Zum eigenen Schutz in der Regel, das heute war Etwas Anderes gewesen. Das war nicht zum Überleben notwendig gewesen, hatte im Grunde genommen rein gar niemanden etwas gebracht und trotzdem wühlte es mich innerlich nicht mehr auf, als es das sonst tat, wenn ich jemanden umgebracht hatte, weil ich sonst selbst dran hätte glauben müssen. Es war wirklich erstaunlich, wie sehr mich die letzten Jahre zweifelsohne geprägt hatten und was sie für einen... nunja, kalten Menschen aus mir gemacht hatten. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich zuletzt sowas wie ein Schuldgefühl hatte oder dergleichen. Das Einzige, woran ich mich wohl noch erinnerte, war mein erster eigens verursachter Mord. Es war schlimm gewesen und bis ich mich dann mit Drogen weggebeamt hatte, war ich auch am Erdboden zerstört gewesen. Wahrscheinlich hielt es überhaupt nur noch aus, den ganzen Mist mit mir rumzuschleppen, weil ich sogut wie jeden Tag irgendwann kiffte. "Lang. Du solltest froh sein, wenn du nie an den Punkt kommst, wo dir sowas egal ist..." antwortete ich gemurmelt und cuttete alle meine Gedanken diesbezüglich dann einfach bewusst, weil ich mich nicht doch noch dazu hinreißen lassen wollte, sentimental zu werden oder so'n Mist. Konnte ich nicht brauchen, ich fühlte mich so schon beschissen genug. Solanes noch folgende Frage ließ mich aber doch einen kurzen Moment stutzig werden - hatte sie nicht aufgehört? Ich meine, nicht, als wäre ich es nicht gewohnt, dass Leute um mich herum Drogen konsumierten, aber ich hatte sie schon ewig nicht mehr dabei gesehen. Ich beschloss aber, sie darauf nicht anzusprechen, weil es ihr wohl noch zusätzlich Unbehagen bereitet hätte und saß da ohnehin schon wie ein Häufchen Elend. "Keine Ahnung.." stellte ich erstmal fest, bevor ich die Taschen der Lederjacke mit meinen Händen durchkramte. In den Äußeren ließ sich Nichts ausfindig machen, aber in einer der beiden inneren Taschen war tatsächlich noch ein kleines Plastiktütchen, in dem sich ein kleiner Rest befand. Für einen Joint würde es aber wohl noch reichen, musste man eben öfter ziehen. "Ich guck mal eben im Auto nach, ob ich noch Papes hab." informierte ich Solane kurzerhand, bevor ich zurück zum Auto ging und das Fach in der Fahrertür, sowie auch das Handschuhfach durchsuchte. Fündig geworden stapfte ich dann durch den Sand zurück zu der zierlichen jungen Frau, ließ mich wieder neben ihr auf der Decke nieder und fing an zu drehen.
Auch diese Antwort war wenig zufriedenstellend für Solane - und trotzdem hatte sie nichts anderes erwartet. Wobei sein 'du solltest froh sein, wenn du nie an den Punkt kommst' ihr ein leises Schnauben entlockte. Gerade wäre ihr wirklich so ziemlich alles recht, um das Gefühl, welches sie innerlich wortwörtlich zerfraß, los zu werden. "Dir scheint's gerade aber deutlich besser zu gehen wie mir.." quittierte sie, mehr gemurmelt als deutlich und eigentlich auch mehr zu sich selbst, weil sie nicht vor hatte ihm irgendetwas zu unterstellen oder anzukreiden, auch wenn ihr durchaus danach war ihre Gefühle einfach an wem aus zu lassen; vielleicht brachte es ja etwas. Während sie wieder die Sterne und den Mond im spiegelnden Wasser beobachtete, kramte Icarus in seiner Jackentasche, stand wenig später auf um im Auto nach ein par Papes zu suchen. Innerlich betete sie dafür, dass er auch welche fand. Einerseits wäre sie gerade lieber alleine - Solane gehörte manchmal durchaus zum Typ 'im Selbstmitleid ertrinken' - und andererseits war sie froh, dass sie eben nicht alleine war. Vor allem nicht aus dem bitteren Grund, das alle mit denen sie unterwegs gewesen war, im Haus der Eagels erschossen worden waren. Wobei es trotz allem mehr als genug gewesen waren. Sechs um genau zu sein - das waren genau sechs zu viel und sie gingen allesamt auf Dwaynes Konto. Als Icarus zurück kam, sich wieder auf die Decke neben der Blondine sinken ließ, richtete sie sich wieder ein wenig auf, drehte sich gleichzeitig ein kleines bisschen vom Wasser weg und in Richtung des jungen Mannes, der gerade dabei war einen Joint zu drehen. Besser wie Nichts, oder? Auch wenn er ziemlich klein wurde. Fürs erste sollte es ausreichen zumindest die erdrückendsten Gefühle bei Seite zu schaffen und sie in einen Nebel aus 'ist-mir-egal' zu hüllen. Der Gedanke daran ließ sie sogar fast ein wenig ungeduldig werden, während ihr Blick auf Icarus Händen klebte. Ihre eigenen Hände hatte sie bis dato noch immer im Pullover vergraben. Hier draußen war es ganz schön frisch, es ging ein leichtes Wind, wie es am Strand eben meistens so war. Aber frieren tat sie trotzdem nicht, dazu war die Luft doch noch zu Lau. Es war eher angenehm - sah man einmal davon ab, dass sie ab und an von Hitze und Kälte heimgesucht und von einem Zittern durchgeschüttelt wurde; das war aber definitiv nicht dem lauen Lüftchen zu verdanken. Und würde bestimmt auch bald aufhören, fürs erste zumindest. Vielleicht konnte sie dann auch wieder ein wenig klarer denken - nicht.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ja, gut, da mochte sie wohl recht haben. Für den Moment ging es mir mit meiner antrainierten Einstellung wesentlich besser, als meiner Kumpanin, die sich mit ihren Gewissensbissen hin und her wandte. Aber auf Dauer würde bei mir wohl auch mal wieder was an die Oberfläche schwimmen, es war eben nur die Frage, wann das passieren würde. Wie ich mich kannte, artete das dann aber rein in einem Wutausbruch aus und nicht in irgendwas Anderem wie beispielsweise Selbstmitleid oder Reue. Irgendwie kompensierte ich so ziemlich Alles mit meinem ohnehin nicht gerade kleinen Aggressionspotenzial. Ich vertiefte diese Gedanken noch ein wenig weiter, während ich mit Drehen beschäftigt war, brach sie dann aber wieder ab. Reine Vorsichtsmaßnahme, nichts weiter. "Sooo..." murmelte ich langgezogen mehr an mich selbst gewandt, als ich das Zippo aus meiner Hosentasche zog und den Blunt schließlich anzündete. Als Raucher hatte ich mit dem Geschmack keine Probleme, war es ja ohnehin gewohnt, weil ich regelmäßig Gras konsumierte. Das kam wohl auch meinem Umfeld zu Gute, wären meine Launen doch sonst eher ziemlich unkontrolliert. So hielt sich das Alles im Rahmen und ich nahm zwei, drei Züge, bevor ich Solane die etwas andere Kippe reichte. Sie schien sich innigst danach zu sehnen, ihren Kopf ausmachen zu können und weil ich bekanntlich kein minderwertiges Zeug rauchte, würde ihr das als zierliche Person selbst bei der Menge vollkommen ausreichen, um den gewünschten Zustand zu erreichen. Es brannte mir förmlich auf der Zunge, sie nicht doch danach zu fragen, ob sie nicht eigentlich aufgehört hatte und ich konnte es nur mit Mühe unterdrücken, schwieg für den Moment einfach, während mich dann langsam auch ein sehr entspannendes Gefühl beschlich. Ich sackte zwar nicht regelrecht in mich zusammen, aber meine recht angespannten Muskeln entspannten sich doch merklich recht schnell.
Auf sein langgezogenes 'soooo' packte sie ihre Hände schon mal aus ihren Pulloverärmeln aus. Zwar hatte Kiffen früher eher selten bis gar nicht zu ihrem Drogenkonsum gezählt, aber es würde seinen Zweck erfüllen, gerade war ihr egal wie sie den Zustand der Schwerelosigkeit erreichte, Hauptsache war einfach nur, dass sie ihn erreichte. Die Hemmungen dem gegenüber war schließlich und augenscheinlich schon längst über Bord geworfen worden. Daher zögerte sie auch keinen Moment, als er ihr den Joint entgegen hielt, führte ihn recht langsam zu ihren Lippen, um dann erst zaghaft, beim zweiten Versuch deutlich stärker daran zu ziehen. In diesem Fall war es - wieder einmal - von großem Vorteil weder sonderlich groß, noch kräftig gebaut zu sein. Bei ihr würden schon wenige Züge ausreichen um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wie auch wenige Gläser Alkohol ausreichten um sie abzufüllen. Manchmal war es zwar auch weniger vorteilhaft klein und zierlich zu sein, in den meisten Fällen konnte Solane ihre Statur aber durchaus zu ihrem Vorteil nutzen oder eben auch etwas positives darin sehen. Wie eben jetzt, wo sie schon nach einigen Minuten und wenigen Zügen langsam spüren konnte, wie sich ein dumpfes Gefühl in ihr ausbreitete, das alles andere regelrecht zu verschlingen schien. Nach einem weiteren Zug reichte sei Icarus den Joint zurück, bevor sie sich nach hinten auf den Rücken sinken ließ, die Hände auf dem Bauch miteinander verschränkte, die Augen schloss und darauf wartete, dass das Gras seine volle Wirkung entfaltete. Wobei es schon jetzt sehr viel erträglicher war wie noch einige Minuten zuvor. Schon jetzt machte sich die leichte 'was-passiert-ist-ist-passiert'-Einstellung in ihr breit, was sie sichtlich erleichterte. Die angespannten Gesichtszüge wurden deutlich sanfter und auch das Zittern ebbte nach und nach immer mehr ab und war kaum noch vorhanden.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ich beobachtete Solane dabei, wie sie sich an dem Joint bediente. Zögerlich war sie eher nicht, was man ihr in ihrem derzeitigen Zustand aber auch nur schwer verübeln konnte. So nahm sie doch recht kräftige Züge, bevor ich den Rest der umfunktionierten Kippe für mich beanspruchen konnte. Dem leistete ich auch Folge und kurz darauf landete der nicht rauchbare Rest des Blunts neben mir im Sand, wo ich ihn nur spärlich ausdrückte, bevor ich mich ebenfalls nach hinten auf den Rücken sinken ließ. Ich hatte den Rauch immer bewusst lange in meiner Lunge behalten, um die bei der Menge bestmögliche Wirkung zu erzielen und war dann doch auch recht benebelt, als ich nach oben in die Sterne sah. Es bildete sich unwillkürlich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen, als ich die Arme als Stütze hinter meinem Kopf verschränkte, den Kopf darauf ablegte. So sah ich doch eine Weile schweigsam nach oben in die Sterne, die dank der recht klaren Nacht gut sichtbar waren. Es war nicht Vollmond, aber der Mond schien trotzdem recht hell, wenn man mich fragte. Konnte aber auch Einbildung sein und ich nahm es einfach nur so war, weil das Marihuana sich vollends in meinem Körper ausgebreitet hatte. "Gleich viel besser.." säuselte ich leise vor mich hin, nach wie vor das leichte Lächeln auf den Lippen. Einen Moment lang schloss ich die Augen und genoss die vollkommene Entspannung, ehe ich meinen Kopf in Solanes Richtung drehte. "Sag mal.. wo kommstn du ursprünglich her? Nicht aus den USA, oder?" fragte ich vollkommen vom vorherigen Thema abschweifend, machte mir gerade über Gott und die Welt Gedanken. So, wie es halt immer war, wenn ich mit dieser Art von Droge in Berührung kam. Meine Gedanken schweiften überall und auch nirgendwo hin und Solane war gerade die einzige anwesende Person. Da war es naheliegend, dass ich gedanklich auch über sie philosophiert.
Sie schwiegen sich relativ lange an. Wobei es kein unangenehmes Schweigen war. Es war eher ein angenehmes Schweigen. Nachdem sie die Augen einige Minuten geschlossen gehalten hatte, einfach nur die sich immer weiter ausbreitende Wirkung sie immer ruhiger und entspannter werden ließ, öffnete sie diese wieder, sah in den Himmel und begann eher unterbewusst damit die Millionen von Sternen zu zählen, die sich vor ihr abbildeten. Idiotisch, weil sie spätestens nach dem zehnten wieder von vorne beginnen musste, weil sie nicht mehr wusste wo sie begonnen hatte oder aber bei welcher Zahl sie gerade tatsächlich war, weil irgendetwas sie abgelenkt hatte. Erst als Icarus das Wort wieder ergriff, wandte auch Solane ihm den Blick zu, indem sie den Kopf leicht zur Seite und damit in seine Richtung drehte, ihn mehr oder weniger aufmerksam anblickte. "Ich hab in Schweden gewohnt bis..." Solane zögerte, durchkramte ihre Gedanken nach der korrekten Zahl, weil sie durch das Zählen von den Sternen noch irgendwas mit zwölf im Kopf hatte "..ich sechzehn war" klärte sie ihn also nach kurzem Überlegen auf, bevor sie weiter erzählte - einfach weil ihr danach war: "Und dann bin ich hier her gekommen, um meine Mom' zu suchen - was sich allerdings als ziemlich schwer heraus gestellt hat" klärte sie Icarus auf, zuckte dabei leicht mit den Schultern, lächelte ihn an. War eigentlich gar nicht zum Lächeln, die Tatsache, dass sie ihre Mutter nie kennen gelernt hatte und von ihrem Vater auch mehr oder weniger nicht gewollt gewesen war. Aber hey, gerade war das egal. Gerade war der Gedanke daran sogar fast ein bisschen lustig. "Und du?" gab sie die Frage zurück, ob er von hier war oder eben doch von ganz wo anders. War doch interessant zu wissen. Und außerdem ein echt angenehmes Thema gerade, wobei... vermutlich hätte Solane gerade so ziemlich jedes Thema als 'angenehm' bezeichnet.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Schweden also. Ihrem Teint und ihrer Haarfarbe nach zu urteilen war das sogar recht wahrscheinlich und hätte ich klare Gedanken fassen können, dann hätte ich das vielleicht selbst sogar vermutet. Konnte ich aber nicht wirklich, weshalb ich ihr einfach halbwegs aufmerksam zuhörte und nach und nach ihre Worte sortierte. Ich schloss mal darauf, dass ihr zweiter Elternteil eben noch in Schweden war und sie dort gewohnt haben musste, bis sie in die Staaten gekommen war. Musste da echt so ganz anders sein als hier. Ich meine, nicht, als wäre die Landschaft in dem riesigen Land hier nicht auch stellenweise total unterschiedlich, ebenso wie auch das Klima etwas schwankte, aber mit Schweden war es in keiner Weise zu vergleichen. Fast ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn man mich fragte. Aber vor Allem war es da oben sicher kälter, als hier bei uns gerade. Zwar war der Sommer fast vorbei und neigte sich dem Ende zu, aber mit frieren war hier noch nicht. "Ja, siehst wie eine Schwedin aus." antwortete ich wenig geistreich und grinste leicht, lauschte kurz darauf ihrer Gegenfrage. Viel in meinem Kopf sortieren oder nachdenken musste ich eigentlich nicht, weil ich nicht besonders viel über meine Herkunft wusste. Das Einzige, was mir bewusst war, war, dass meine Mutter Griechin gewesen war. Ich kannte weder ihren Namen, noch wusste ich wer mein Vater war. Das waren aber auch Fragen, mit denen ich mich im Alltag eher nicht quälte, weil es für mich irrelevant war. Ich war bisher alleine zurecht gekommen und würde es auch weiterhin, dazu brauchte ich meine Erzeuger nicht. "Bin Halbgrieche.. aber in L.A. geboren, nicht hier. Bin in 'nem Heim aufgewachsen.." gab ich der jungen Frau neben mir also ganz grob die Informationen zurück, die sie auch mir hatte entgegen kommen lassen. Sollte sie noch was Anderes wissen wollen, konnte ie ja fragen, oder? Ja. Die Zeit im Heim war weniger schön gewesen, aber hey, was einen umbrachte machte einen bekanntlich nur stärker und das Gras erlaubte es mir auch nicht, jetzt im negativen Sinne über das ganze nachzugrübeln.
Ja, das hatte sie schon Öfter gehört, dass sie wie eine Schwedin aussah. Da waren eben auch alle Blond, eher blass und meist auch noch Blauäugig. Alle drei Merkmale trafen auf Solane zu, demnach ja... ja, sie sah aus wie eine Schwedin und nickte nur kichernd auf seine Feststellung. Dann lauschte sie so aufmerksam wie in diesem Moment eben für die Blondine möglich war seinen Worten. Sonderlich viel sagte er nicht, aber genug um tausend Fragezeichen in ihr aufkommen zu lassen, die sie in diesem Moment nur zu gerne beantwortet haben wollte. Und dank des Joints hatte sie auch gar keine Hemmungen ihn zu fragen, was sie eben wissen wollte. "Grieche..." zog sie seine Wurzeln ein wenig in die Länge, bevor sie sich gänzlich auf die linke Seite - und damit in seine Richtung drehte - und auf dem Ellenbogen aufstützte, sodass sie ein wenig auf ihn hinab sehen konnte. War angenehmer, wie den Kopf die ganze Zeit nach links drehen zu müssen. Außerdem wurde ihr im liegen ein wenig Schwummrig, was in dieser Position durchaus angenehmer war. Vielleicht auch, weil sie die vielen, funkelnden Sterne nicht mehr vor Augen hatte. "Wieso in einem Heim und nicht bei deiner Mutter?" hakte sie also nach, stellte ihm damit die erste Frage die in ihr auf kam, zog dabei fragend ein wenig die schmalen Augenbrauen in die Höhe. Hätte sie jetzt in ihrer Position den Kopf noch schief legen können, hätte sie das wahrscheinlich auch noch getan - und dann gänzlich wie ein treudoofer Hund wirken müssen, der nach den Antworten lechzte. Dämlich, war aber so.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ja, genau, Grieche. Ich glaube aber kaum, dass mich meine genetische Herkunft irgendwie beeinflusst hatte, was mein Verhalten oder meine Art im Allgemeinen anging. Wie auch, wenn ich meine Elternteile nicht bei mir gehabt hatte, schließlich guckte man sich als Kind von denen bekanntlich am meisten ab. Konnte bei mir eben nicht der Fall sein, weshalb meine Herkunft wohl kaum eine Rolle spielte. Da hatte ich mir wohl noch eher Einiges meines miesen, damaligen Verhaltens bei den Schlägertypen im Heim abgeschaut, als ich angefangen hatte, zurückzuschlagen. Naja, das mochte aus Not heraus gewesen sein damals, aber ich würde wohl lügen müssen, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht gut so fand. Es hatte mich eben auch mit zu dem geformt, was ich jetzt war und ich flößte den meisten Leuten doch recht gut Respekt ein, wenn ich das wollte. Aber ich schweifte ab, weshalb ich einmal kaum merklich den Kopf schüttelte und erst dann Solane die Antwort gab, auf die sie hatte einige Sekunden warten müssen. "Mir ist mit... 13 glaube ich erzählt worden, dass sie mich nicht mehr hat haben wollen, weil ich aus 'ner Vergewaltigung entstanden bin." erklärte ich, als wäre es das normalste der Welt ohne jegliche Emotionen in der Stimme, obwohl das eigentlich eine ziemlich heftige Geschichte war. "Sie hats wohl noch 'n Jahr mit mir versucht, mich dann aber abgegeben. Ich nehm's ihr nicht übel." fügte ich meinen vorherigen Worten noch ein paar an, ohne noch weiter darüber nachzudenken. Was passiert war, das war eben passiert und meine Mutter konnte ja nicht mal was dafür, dass sie mich als Bürde bekommen hatte. War also okay für mich, wie es letztendlich gelaufen war, wenns auch nicht immer schön gewesen war.
Er brauchte ein wenig, bis er ihr antwortete, aber er tat es. Und das ziemlich locker, wie sie feststellen musste, als er ihr mitteilte, dass seine Mutter ihn nicht wollte, weil er aus einer Vergewaltigung entstanden war. Als wäre es das normalste der Welt. Nur fasste es auch Solane irgendwie als etwas 'Normales' auf, was wohl den Drogen zu verdanken war. Sowieso war das Gefühl vermutlich tausend Mal intensiver wie es noch vor anderthalb Jahren gewesen war, einfach weil sie eine so lange Pause eingelegt hatte. Ob sie es morgen wohl bereuen würde? Die junge Blondine verzog die Lippen zu einem leichten Schmollmund als erste Reaktion auf die Worte des jungen Mannes. "Tust du wirklich nicht?" Sie hatte ihre vorherig aufgetauchten Fragen schon fast wieder gänzlich vergessen, dafür waren neue Fragen aufgetaucht, die sie ihm nun stellte. Wenn er nicht antworten wollte, musste er ja nicht. Sie würde ihn gewiss nicht dazu zwingen, vielleicht noch ein wenig nachhaken, weil ihr gerade das nötige Feingefühl fehlte, aber grundsätzlich eben. "Ich meine..." sie seufzte leise, eigentlich wusste sie zumindest ein wenig, wie seine Mutter sich gefühlt haben musste, hatte sie doch auch nicht immer ganz freiwillig mit dem ein oder anderen Kerl geschlafen. Zwar irgendwie schon, aber mehr weil sie es für jemanden getan hatte - eben aus Liebe, was im Nachhinein total dämlich war. Aber nicht unter Gewalteinwirkung, wie das oftmals so war.. Ihr Ex hatte großen Wert darauf gelegt, dass ihr hübsches Gesicht auch hübsch blieb. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie einen Satz begonnen und nicht beendet hatte, wusste aber schon gar nicht mehr, was sie hatte sagen wollen. Deswegen biss sie sich nachdenklich leicht auf die Unterlippe, während sie darüber grübelte, was ihr wohl entfallen war. "Und wie wars in dem Heim? - Wie man sich das vorstellt?" löcherte sie ihn weiter, bevor er hatte richtig antworten können. Nicht, dass sie die Frage wieder vergaß.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Nein, tat ich nicht. Weder jetzt, noch im nüchternen Zustand. Das wusste ich zwar gerade nicht genau, aber wenn ich nüchtern war, dann wusste ich, dass ich es ihr eigentlich nie übel genommen hatte. Ich meine, ja, ich war schon ein Kerl, der Frauen nicht immer wertschätzte. Das eine oder andere Herz dürfte wegen mir schon zu Bruch gegangen sein, weil ich forsch Körbe verteilt oder abgewimmelt hatte. Und dann machte man den Weibchen auch noch Hoffnungen, nur, weil man mit ihnen schlief... aber gut, letztes machte ich wenigstens wirklich nur, wenn diejenige das auch wollte. Ich war zwar manchmal durchaus ein Arschloch, aber ein Vergewaltiger war ich nicht. Wäre ja auch noch schöner, wenn ich in die Fußstapfen meines Vaters treten würde. Ich hatte inzwischen schon wieder so viel darüber nachgedacht, dass ich ganz vergaß, auf Solanes erste Gegenfrage zu antworten. Wobei sie das selbst wahrscheinlich auch gar nicht merken würde, war aber ja auch nicht so wichtig. So ziemlich gar Nichts war gerade wichtig. So dachte ich stattdessen über ihre letzte Frage nach, die erst ein paar Sekunden her war. Die Antwort war aber sehr naheliegend, weshalb es dieses Mal keine gefühlte Stunde dauerte, bis ich wieder was von mir hören ließ. "Joa, ziemlich... scheiße. Bin aber mit 16 dann sowieso rausgeflogen, hatte sich ab da dann erledigt." meinte ich locker, ehe ich mich ebenfalls auf die Seite rollte.
Scheiße. Das war das, was man eigentlich immer hörte, oder? Wem gefiel es auchschon gut von den Eltern abgeschoben und ins Heim gebracht zu werden? Oder seine Eltern zu verlieren und ins Heim zu müssen, weil man keine andere Familie hatte? Sowas war immer scheiße und irgendwie redete auch nie jemand gut über solche Heime, wenn sie sich recht erinnerte - bis jetzt hatte sie sich damit aber nie näher beschäftigt. "Rausgeflogen?" wiederholte sie relativ perplex, dabei war es - wieder - nur eine Frage, die eben prompt auf seine Worte hin in ihr aufgekommen war. Was hatte er denn angestellt, dass er aus dem Heim flog? Nicht, dass sie etwas falsches behaupten wollte, aber eben weil diese Heime so schlechte Rufe hatten, war es doch bestimmt ziemlich schwer dort rauszufliegen, weil dort zu locker 90% nur Kinder waren, mit denen niemand etwas anfangen konnte, weil sie Problemfälle waren - oder wurden, weil sie im Heim aufwuchsen und falsche Vorbilder hatten. Dort waren also durchaus die, die später bestimmt mal auf der Straße oder sonst wo landeten. Da, wo sie jetzt eigentlich war. Sie und auch Icarus, wer immerhin eine teure Privatschule gezahlt bekam, alles in den Arsch geschoben bekam, in einem tollen Haus aufwuchs und all den Mist, der landete normalerweise nicht in einer Drogen-vertickenden und illegale-Autorennen-fahrenden Gang. Und dort waren sie nun mal. Sie Beide. Solane strich sich die Haare aus dem Gesicht, weil einige Haarsträhnen verrutscht waren, bevor ihr Blick nochmal kurz zum Meer wanderte. Gegen ein nächtliches Bad hatte sie jetzt eigentlich auch nichts einzuwenden. Es war doch noch Sommer und im Sommer ging man nun mal auch ins Meer. Außerdem hatte sie das schon öfter getan und Nachts waren die Strände schön leer, niemand stand einem im Weg rum, ging einem auf die Nerven, keine schreienden Kinder oder stinkenden Greise, die viel zu viel von sich preisgaben in ihren viel zu knappen Badehosen und/oder Bikinis.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ja, rausgeflogen. Und ja, so ungläubig, wie sie mich das gerade fragte, würde es wohl auch den meisten anderen gehen, die davon hörten. Es wäre wohl nicht untertrieben, mich als Tyrann der gesamten Unterkunft zu bezeichnen, denn was Anderes war ich im Grunde genommen nicht gewesen, als ich dem Dach über dem Kopf hatte Lebewohl sagen müssen. War mir zu dem Zeitpunkt aber tatsächlich ziemlich egal gewesen, dass ich mich danach allein hatte durchschlagen müssen. In L.A. traf man in gewissen Bezirken leicht auf Gleichgesinnte und bis ich dorthin gefunden hatte, war kaum eine Woche vergangen. "Hab die Anderen verprügelt, den 'Erziehern' mit Messern gedroht, Drogen genommen... schätze in der Summe war das Grund genug mich loswerden zu müssen." erklärte ich schlicht und richtete mich dann doch zum Sitzen auf, weil ich feststellte, dass es doch auf der Seite gar nicht so bequem war, weil mir da schon nach ein, zwei Minuten der Ellbogen ziemlich weh tat. Ich merkte zwar nicht mehr so viel, das aber wohl. Ich bemerkte Solanes Blick in Richtung Meer, das genauso ruhig da lag wie noch vor ein paar Minuten, bevor wir uns in das Gespräch über unsere Herkünfte vertieft hatten. Da hatte der Schwerpunkt zuletzt jetzt doch ziemlich auf mir gelegen, was mich im jetzigen Zustand aber nicht weiter interessierte. "Ne Runde schwimmen?" schob ich ihr auch mal wieder eine Frage zu, grinste ein klein wenig, als ich wieder zu ihr rüber sah. Nachts war das Wasser wohl kühler als tagsüber, aber zurzeit war es ohnehin noch recht warm. Außerdem hätte ich da wieder die Ehre die schlanke Blondine in Unterwäsche zu sehen und ich müsste lügen, um zu sagen, dass mir das nicht gefallen würde. Aber wollte sie nicht mit, würde ich auch allein gehen, so wars jetzt auch nicht.
Verprügelt, mit Messern bedroht, Drogen genommen.. das klang wirklich nach ausreichend vielen Gründen dafür ihn auf die Straße zu setzen, selbst wenn es ein Heim war das es tat. "Dann hast du ja ganz schön was auf dem Kerbholz gehabt.." stellte sie unnötigerweise fest. Hatte er ja gerade mehr oder weniger selbst gesagt - wobei er mittlerweile wohl noch deutlich mehr auf dem Kerbholz hatte, wenn ihm mittlerweile nicht mal mehr ein Mord wirklich gefühlsmäßig etwas anhaben konnte. Vermutlich hätte sie jetzt wieder los geheult, wenn sie sich nicht gerade so schwerelos fühlen würde. Tat sie aber und aus diesem Grund war es ihr gerade auch egal, dass sie vor wenigen Stunden einen Menschen getötet hatte. Icarus richtete sich auf, Solane tat es ihm gleich, wobei sie auf seine Frage hin nachdenklich die Stirn runzelte. Dabei hatte sie gerade selbst noch Gedanklich darüber nachgedacht und überlegt, dass das doch eine gute Idee sei. Also nickte sie schließlich auch langsam: "Bin dabei!" teilte sie ihm kurz darauf auch noch mit, unterstrich damit ihr leichtes Nicken von zuvor, bevor sie sich auch schon auf die Beine hievte. Immerhin war das Wasser doch noch einige Meter entfernt und würde nicht einfach zu ihr kommen. Außerdem wollte sie nicht pudelnass zurück in das Auto sitzen und begann auch sogleich damit sich die Schuhe von den Füßen zu streifen, dann die Hose aufzuknöpfen und von den Beinen zu schieben, hinauszusteigen, zu guter Letzt den Saum ihres Pullovers zu greifen und ihn sich über den Kopf zu ziehen. Als das geschafft war, legte sie ihre Sachen noch auf einen Haufen auf die Decke, damit sie nicht im Sand liegen mussten, dann wandte sie sich Icarus zu: "Mach schon.." drängelte sie den jungen Mann, bevor sie sich dem Meer und damit dem Wasser zu wandte, schon ein paar Schritte in eben jene Richtung machte.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Huiuiui, da konnte es auf einmal nicht mehr schnell genug gehen. so schnell konnte ich gar nicht gucken, da hatte Solane sich auch schon aus dem Großteil ihrer Klamotten geschält. Also doch, eigentlich hatte ich ihr schon dabei zugesehen, wenn ich ehrlich war, aber für meine jetzigen Verhältnisse war das echt Ruckzuck gegangen. So stand ich schließlich ebenfalls auf, ließ die Jacke auf die Decke fallen. Dann kamen die Schuhe und die Socken aus und daraufhin folgte das dunkelgraue Shirt. Anschließend öffnete ich noch den schwarzen Ledergürtel und die Knöpfe der ebenfalls schwarzen Hose. Danach noch ein prüfender Blick auf die leicht auf der Decke verstreuten Klamotten und daraufhin steuerte ich ebenfalls das kühle Nass an, wobei ich dabei noch einen recht netten Ausblick auf den Hintern der schlanken jungen Frau hatte. Ich setzte grinsend zum Laufen an, wobei ich doch ein wenig aufpassen musste, nicht zu stolpern. Nicht, weil ich mich wie besoffen fühlte, sondern weil ich nicht hundertprozentig koordinationsfähig war und der sandige Boden doch den ein oder anderen kleinen Hügel bereithielt. Als ich fast bei Solane angekommen war, die schon kurz vor dem Wasser angelangt war, rief ich ihr ein "Selber mach schon!" zu, bevor ich kurz darauf im Laufen nach ihrer Hand griff und sie damit einfach mit mir mit ins Meer zog. Das Wasser fühlte sich gar nicht Mal kalt an, viel eher angenehm erfrischend für meine Begriffe. So zögerte ich auch nicht so weit rein zu gehen, dass mir das Wasser in etwa bis zur Taille reichte - Solane nach wie vor im Schlepptau.
Eigentlich nahm sie die Blick von Icarus gar nicht wahr - falls aber doch, dann konnte sie nicht verneinen, dass sie sie genoss. Welche Frau tat das schon nicht? Immerhin waren sie eigentlich wie ein Kompliment, irgendwie... sie bedeuteten schließlich, dass man gut aussah. Gerade war das aber eher nebensächlich. Sowieso, weil sie sich schon abgewendet und ihren Weg in Richtung Wasser angetreten hatte. Damit sollte sie aber auch nicht lange alleine bleiben. Ihr war zwar irgendwo bewusst, dass Icarus auch irgendwann kommen würde, aber nicht so abrupt und schnell. Im ersten Moment gab sie ein erschrockenes "hey" von sich, bevor sie kichernd mit Icarus mit lief. Wobei sie das Wasser zwar immer noch als angenehm beschreiben würde, es aber dennoch schon fast zu kalt war. Glücklicherweise interessierte sie das gerade nicht. Und sowieso blieb ihr ja mehr oder weniger nichts anderes übrig. Icarus schleifte sie immerhin mit sich mit - was sie gerade aber wirklich gar nicht störte. Als er stehen blieb, blieb also auch sie stehen - wobei ihr das Wasser schon bis zur Brust reichte, war sie doch deutlich kleiner als der Brünette. Glücklicherweise waren aber die Wellen wirklich minimalst ausgeprägt, sodass sie ihr nicht direkt über den Kopf schwappten - was hier echt nicht selten mal vor kam. "Am liebsten würde ich jetzt... weg schwimmen und nie mehr wieder kommen" teilte sie ihm ihren tiefsten Gedanken mit. Er war zwar deutlich verharmlost, aber sie hatte wirklich keinerlei Bedürfnis mehr zurück ins Quartier der Massics zu gehen. Solane ließ sich bis zum Kinn ins Wasser sinken, so war es weniger kühl, durch den leichten Wind der wehte.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Einfach wegschwimmen und nicht mehr wiederkommen... eigentlich war das zum Teil schon ein sehr verlockender Gedanke. Hier, wo wir nunmal hausten, kamen momentan immer mehr und mehr Probleme zusammen. Man meinte, dass das erste schon richtig mies war, dann zog auch schon das zweite Gewitter auf und machte einem die ganze Sache nur noch unangenehmer. In der Summe hatten wir momentan auch eine echt beschissene Bilanz an positiven Erlebnissen innerhalb der Gang. Die sollten doch aber eigentlich überwiegen, wie sie es noch vor einer Weile getan hatten. Ich hatte mich in der Aufmerksamkeit meiner Fans - falls man das so nennen konnte - gesonnt und ein Rennen nach dem anderen gewonnen, konnte mich auch finanziell kein bisschen beklagen. Jetzt war ich augenscheinlich nur noch damit beschäftigt, es Dwayne irgendwie Recht zu machen und egal, wie ich das umzusetzen versuchte, es scheiterte jedes Mal aufs Neue ziemlich kläglich. Ich tat es der Blondine gleich, ging ein wenig in die Knie. Nicht, weil ich fror, sondern weil es einfach angenehmer und höflicher war, wenn man sich auf Augenhöhe miteinander unterhielt. Wobei mein Verhalten normalerweise ja eher weniger von Höflichkeit geziert war, aber ich benahm mich wenigstens... okay. Die meiste Zeit über wenigstens. "Wär schwimmen nicht auf Dauer ziemlich anstrengend und der Weg zur nächsten Küste nicht so weit, würd' ich glatt mitkommen." meinte ich und legte grinsend ein wenig den Kopf schief. Aber der Gedanke, einfach woanders zu sein, wo uns die Einflüsse der Gang nicht mehr prägten, war schon wirklich sehr verlockend, obwohl der Neustart wohl sehr anstrengend wäre. War sowas immer, wenn man von Zuhause irgendwo hinzog, wo einen keine Menschseele kannte. Das wäre für mich aber zumindest insofern gut, dass die Bullen meinen Wagen nicht jedes Mal erkennen würden, wenn ich zufällig auf sie traf.
Mit einem nachdenklichen Nicken stimmte sie ihm zu. Ja, es war wirklich anstrengend und die nächste Küste sehr weit weg. Vermutlich war das echt keine so gute Idee, wenn sie auch sehr verlockend klang. Scheinbar ja nicht nur in ihren Ohren. Aber gut, es war wohl wirklich vernünftiger hier zu bleiben. Ohne weiter darüber nachzudenken - und als Icarus sich auf Augenhöhe zu ihr gesellte - legte sie ihm die Hände auf die Schultern und zog sich somit ein wenig näher an ihn heran. "Dann nehmen wir uns eben den Wagen und fahren weg... irgendwo hin. Nur nicht zurück zu den Anderen.." schlug sie ihm vor, sah ihm dabei tief in die Augen. Wobei sie nicht lange ernst bleiben konnte, da begann sie schon wieder mit Kichern. Zwar wäre sie sofort dabei, wenn er sagen würde 'dann mal los' und 'auf und davon', aber letzten Endes würde das wohl nicht geschehen. War ihr gerade aber egal, fand sie in dem Moment eher lustig. "Wer hätte gedacht, dass dieser Abend noch sooooo schön werden kann" stellte sie fest, löste sich wieder von Icarus und schwamm einige Züge hinaus ins Meer. Hier konnte sie nicht mehr stehen, wie sie wenig später feststellen musste. So weit sie ihre Beine auch ausstreckte, sie konnte den Boden nicht mehr berühren. Sie drehte sich also wieder zu dem jungen Mann um, hielt sich erst mal mit etwas hilflos paddelnden Bewegungen über Wasser, bevor sie schließlich kurz untertauchte, mit einem weiteren Zug wieder ein wenig zurück in seine Richtung schwamm, bevor sie wieder auftauchte, sich ihre Haare - da sie nun wieder Boden unter den Zehenspitzen hatte, was ausreichte um für den Moment aufzuhören mit den Armen zu rudern - aus dem Gesicht strich und das Meerwasser aus ihren Augen blinzelte, weil das Salz leicht brannte.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ja, mit dem Auto würde sich das Abhauen wesentlich einfacher gestalten und ich war nach wie vor hin- und hergerissen, ob ich das nun verlockend finden sollte, oder nicht. Einerseits hieß das eben, das alte Leben gänzlich aufzugeben und andererseits könnten wir uns - zumindest erstmal - vollkommen unbemerkt verziehen, weil Dwayne bisher ja Nichts davon wusste, dass wir beide noch lebten. Wenn wir also gar nicht erst nach Hause zurückgehen würden, dann würde es niemand merken, dass wir weg waren, bis Dwayne dahinter kam und uns die Hölle heiß zu machen versuchen würde, wo auch immer wir uns dann befinden würden. Andererseits konnten Solane und ich bis dahin auch schon über alle Berge oder gar in einem ganz anderen Land sein und es würde nicht einfach sein, uns wo auch immer ausfindig zu machen, weil wir als Drogendealer schließlich wussten, wie man Spuren verwischte. Ich schob den viel zu detailliert gewordenen Gedanken bei Seite und erwiderte stattdessen Solanes Blickkontakt, der aber schon bald abbrach und dann schwamm sie auch schon wie ein etwas hilfloser Welpe weiter ins Meer hinaus. Ich musste doch leise auflachen, als sie da so unbeholfen paddelte. Tja, besonders groß war sie halt nicht, wobei selbst ich dort wahrscheinlich nur noch knapp hätte stehen können und die leichten Wellen erschwerten einem das bei steigendem Pegel ja auch noch zusätzlich. Als sie zurückgekommen war, zog ich sie mit den Worten "Weißt du, was noch schön war?" nahe zu mir hin, nur ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Ein beinahe süffisant verträumtes. "Als wir uns geküsst haben." beantwortete ich mir meine Frage selbst und sah der zierlichen Frau in die blauen Augen, strich ihr eine einzelne verirrte Strähne hinters linke Ohr. Für einen Moment lang näherte ich mich ihr wie schon einmal mit meinen Lippen, brach dann aber kurz bevor unserer beider Lippen sich getroffen hätten, in Gelächter aus und ließ sie los. Nein, diese verträumte und charmante Art war einfach nicht wirklich ich und deshalb konnte ich das nicht ernst nehmen, amüsierte mich köstlich darüber. Gleichzeitig ließ ich Solane wieder los und ging zwei, drei Schritte rückwärts Richtung Ufer zurück.