Erst Icarus unterbrach das Schweigen wieder, das sich ausgebreitet hatte. Mit einer Frage, die sie wieder von ihrem Orangensaft aufsehen ließ. Im ersten Moment zuckte sie leicht mit den schmalen Schultern: Sie wusste es wirklich nicht. Wenn sie aber so darüber nachdachte, fielen ihr viele schöne Orte ein, die sie noch nicht gesehen hatte und gerne sehen wollte. Wichtig war nur, so weit wie möglich weg von hier. "Wie wäre es mit der anderen Seite der Welt?" gab sie fürs erste wenig informativ von sich, lehnte sich nun etwas zurück, zog ebenfalls die Hände zurück und schob sie in die Taschen des Hoodies den sie trug. Der Orangensaft war kalt und daher ihre Hände nun auch, da war ihr der Milchkaffee doch deutlich lieber gewesen. "Wie wäre es mit.. Kanada? Oder nach Europa? Schweden... in Schweden ist es wirklich sehr schön" klärte sie ihn auf. Oh ja, es war in Schweden wirklich wunderschön. Es gab kein schöneres Land in dem sie bisher gewesen war. Wobei das eben auch nur Schweden und Amerika waren. Amerika war auch schön, aber auf eine ganz andere Art und Weise und daher auch nicht vergleichbar mit Schweden. Beide Länder hatten etwas für sich - aber gerade klang das Land in dem ihr Vater lebte viel verlockender als das Land in dem Dwayne lebte. "Warst du da schon mal?" Eine dumme Frage, gestern hatte er ihr noch erzählt, dass er in einem Heim aufgewachsen war, wann hätte er nach Schweden kommen sollen? Oder überhaupt in Urlaub? Urlaub... sie war schon Ewigkeiten nicht mehr im Urlaub gewesen "Eigentlich will ich einfach nur so weit weg wie möglich - irgendwo hin, wo Dwayne und nicht finden könnte und... wo wir vielleicht auch neu anfangen könnten. Irgendwie anders?" Zum Ende des Satzes hin wurde sie ein wenig leiser wie noch zu Beginn des Satzes. Die Vorstellung war schön, aber vermutlich nicht umsetzbar. Erstens, weil Icarus nicht vor hatte die Biege zu machen und zweitens, weil das alles vielleicht einfach gesagt, aber deswegen nicht gleich einfach getan war.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Kanada war sicher was feines. Also landschaftlich, wahrscheinlich war es mir da eigentlich viel zu kalt, zumindest auf der nördlichen Seite. Nahe an den USA war das Land klimatechnisch schon noch in Ordnung, aber ich war tatsächlich eher der Typ Kerl für wärmere Gefilde. Da kam dann vielleicht doch ein wenig der Grieche durch, von dem ich ansonsten nicht wirklich Etwas an mir hatte. Schweder war auch... naja, nicht unbedingt warm. Zwar nicht so kalt wie Norwegen und im Sommer sicher auch ganz angenehm - nicht zu heiß eben, das war hier manchmal schon extrem, gerade seit sich der Klimawandel so deutlich bemerkbar machte -, aber mit Miami hier von den Temperaturen her kaum zu vergleichen. Aber ja, landschaftlich musste es da schön sein. Viele Fjorde, soweit ich wusste auch viel unbewohntes, abgelegeneres Gebiet... einfach ein Ort, an dem man seine Ruhe leicht finden konnte, wenn man sie brauchte. Da war in einer Großstadt wie dieser hier eher weniger leicht zu bewerkstelligen und man fuhr schonmal eine halbe Stunde, bevor man dann wirklich weit genug von Wolkenkratzern und zahlreichem Verkehr entfernt war, um nicht permanent Abgase einatmen zu müssen. Ich nickte langsam, den Blick noch immer auf Solane gerichtet. "Schweden klingt gut. Zwar gewöhnungsbedürftige Temperaturen, aber das würd' ich wohl hinkriegen." stellte ich fest und grinste ein klein wenig. Doch, ich war eigentlich wirklich anpassungsfähig, nicht zu wählerisch mit meinem Aufenthaltsort, solange ich nicht in einer Bruchbude leben musste. "Also falls es uns hier zu ungemütlich wird, wissen wir schonmal, wo's hingehen soll." fügte ich noch immer leicht grinsend hinzu, ehe ich erneut an meiner Kaffeetasse nippte.
Stimmt, die Temperaturen waren ganz anders als hier in Miami - aber Solane war das gewohnt, klar sie war ja auch dort aufgewachsen. Im Winter war es aber schon sehr kalt, aber genau das war es, was es so kuschlig und gemütlich machte. Sie liebte es am Kamin zu sitzen, eingekuschelt in eine dicke Decke und aufs Feuer zu sehen, mit einem Tee in den Händen. Am schönsten war es, wenn man davor draußen gewesen war, im Schnee - oh ja, das vermisste sie am meisten - und irgendwie auch als einziges - an ihrem eigentlichen Heimatland. Und trotzdem fühlte sie sich hier - normalerweise - sehr wohl. Das war nur gerade nicht so, gerade wäre sie gerne an jedem Ort dieser Welt, nur nicht hier. Aber hey - sie konnte es nicht ändern. Gezwungenermaßen. "Hmm" ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, bevor sie den Orangensaft trank. Irgendwann mussten sie los und je früher das geschah, desto eher hatten sie es hinter sich, oder nicht? Noch konnte sie gehen - aber irgendwie eben auch nicht. "Lass uns gehen?" Eigentlich sollte es wie eine Aufforderung klingen, tat es aber nicht. Es war mehr eine Frage, von deren Antwort sie hoffte, dass sie 'Nein' heißen würde. Tat sie aber nicht. Obwohl er noch gar nichts gesagt hatte, wusste sie, dass sie nicht drum herum kommen würde. Nachdem sie also bezahlt hatten, standen sie auf und gingen wieder zu Icarus Wagen, um zurück 'nach Hause' zu fahren. Wobei man gerne nach Hause kam, Solane tat das gerade wirklich nicht und Icarus vermutlich auch nicht. Etwa eine halbe Stunde später lenkte der junge Mann seinen Wagen auf das Gelände, es lag Still vor ihnen, vermutlich weil es Mittag war und die meisten noch im Bett lagen und schliefen. Oder was auch immer sonst taten. Keine Ahnung, ihr war es im Grunde genommen auch egal.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ja, es war wohl leider Gottes langsam an der Zeit, sich vom Acker zu machen und sich ins Quartier zu begeben, wovor wir uns bisher ziemlich erfolgreich gedrückt hatten. Aber wer hätte in unserer Situation auch schon Lust, sich einem verrückten Drogenboss zu stellen, der scheinbar zu absolut Allem fähig war? Ganz genau, Niemand. Trotz der Tatsache, dass wohl sogar ich gerne erstmal nach Schweden abgehauen wäre, nickte ich und trank anschließend die letzten zwei, drei Schlucke aus meiner Kaffeetasse, stellte sie danach auf der Untertasse ab. Die Bedienung schien zu merken, dass wir aufbrechen wollten und kehrte mit ihrem Wechselgeldbeutel, der kurzen Rechnung und ihrem leichten Lächeln zu uns zurück. Ich bezahlte kurzerhand die ganze Rechnung, Solane hatte ja ohnehin Nichts gegessen und die beiden Getränke würden mich jetzt auch nicht sofort in Armut verfallen lassen. Als auch das erledigt war, stand ich auf und machte mich gefolgt von der schlanken Blondine auf den Weg zum Auto, stieg wieder ein und startete den Motor. So machten wir uns schweigend auf den Weg nach Hause, wo uns das ungewollte Gespräch mit Dwayne erwartete. Auf meinem angestammten Platz in der Garage hielt ich den schwarzen Camaro an, sah noch einmal zu Solane rüber, musterte sich einen Augenblick. "Noch kannst du's dir anders überlegen.." meinte ich und zuckte mit den breiten Schultern, weil ich ihr ansah, wie unruhig sie war. Dann beugte ich mich nach hinten, weil dort im Fußraum die AK lag, die ich letzte Nacht zur Selbstverteidigung genutzt hatte, und ebenso das Magazin mit dem letzten Rest an Munition. Ich steckte letzteres kurzerhand wieder an die Waffe, bevor ich Solane mit den Worten "Nein, ich erschieß' ihn nicht, versprochen." versicherte, dass mir mehr oder weniger nicht im Sinn stand, unserem Chef das Licht auszuschalten. Aber wie schon gesagt - unbewaffnet trat ich dem Spinner jetzt ganz sicherlich nicht gegenüber.
"Nein kann ich nicht..." murmelte sie mehr oder weniger deutlich in den Kragen ihres Pullovers, bevor sie ausstieg. Wobei sie Icarus noch relativ skeptisch dabei beobachtete, wie er die Waffe aus dem Fußraum des Wagens holte. Als er ihr dann versicherte, er würde Dwayne nicht erschließen, seufzte sie nur leise. Einerseits würde sei es Dwayne ja gönnen, andererseits würde sie es wohl wirklich nicht verkraften eine weitere Leiche zu sehen, also hoffte sie einfach, dass sein Versprechen in diesem Fall auch etwas wert war. "Auch wenn ich es ihm gönnen würde - ich hoffe du hältst deine Versprechen" teilte sie ihm mit, bevor sie sich abwandte und ins Haus lief, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Gerade zog sie nämlich alles, nur dieses Haus nicht, magnetisch an. So, wie wenn man einen Magneten mit der falschen Seite an einen anderen Magneten hielt. Es stieß sie regelrecht ab. Und aus diesem Grund ging sie eben auch relativ schnell, damit sie keine andere Wahl mehr hatte, sie wollte Icarus nämlich wirklich nicht alleine da rein gehen lassen, nicht nur, weil sie nun mal auch dabei gewesen war, sondern wirklich aus dem Grund, dass es dann hoffentlich und vielleicht nicht so sehr eskalieren würde, wie es vielleicht eskalierte, wenn sie nicht dabei war. Und als die Tür hinter ihnen zugefallen war, war es als würde es wirklich kein Zurück mehr geben. Und obwohl es beängstigend war, machte sich dadurch eine gewisse Erleichterung in ihr breit. Wobei sie letzten Endes trotzdem wie ein begossener Pudel hinter dem jungen Mann hertrottete, sich am liebten in ihr Zimmer oder zumindest ins Bad geflüchtet hätte, weil ihr gerade erst bewusst wurde, dass sie klebte - wegen des Salzes, Meerwassers, was auch immer.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Nein, sollte sie auch besser nicht. Sie war wahrscheinlich so ziemlich der einzige Grund für mich, einer gewissen Person keine Kugeln durch den Körper zu jagen. Solane bestätigte mir auch gleich noch einmal wörtlich, dass sie auch der Meinung war, dass Dwayne es nicht anders verdient hätte. Dennoch wollte ich ihr nicht erneut zumuten, einen Menschen förmlich ausbluten und krepieren zu sehen, weil die schlanke junge Frau das wohl einfach nicht noch ein weiteres Mal händeln konnte. Rein ihr zu Liebe nahm ich die Waffe also lediglich zum Schutz mit und nicht, um jemanden zu ermorden, wie ich es aber eigentlich ziemlich gerne machen würde. Lange Rede, kurzer Sinn - wir machten uns auf den Weg zu Dwaynes Büro, wobei und dabei schon Joyce über den Weg lief. Ihr fiel die Kinnlade runter, weil sie wohl kaum mit uns gerechnet hatte. "Ihr... wo ist Jake?" fragte sie mit dünner Stimme, aber ich hatte nicht vor, ihr die Frage jetzt zu beantworten. So hob ich nur abweisend die Hand, den Blick stur auf die Treppe gerichtet, die ich gefolgt von Solane nach oben ging. Joy folgte uns nicht, schluckte aber noch hörbar, bevor wir aus ihrer Reichweite waren und ging wieder ihres Weges. Bei der Bürotür angekommen, atmete ich noch einmal ganz tief durch, ehe ich klopfte und aber nicht auf eine Antwort wartete, bevor ich die Tür nach innen aufschob und einfach eintrat. Was ich vorfand war Sia, die auf Dwaynes Schoß saß und ihn bis vor gerade eben noch abgeknutscht zu haben schien, weil er hier und da Lippenstift hatte. "Du scheinst dir ja große Sorgen um deine Leute zu machen." sagte ich sarkastisch, als sich der Chef nach einem kurzen überraschten Blick mit dem Handrücken den Lippenstift von den Lippen wischte. Er hatte sich schnell wieder gefasst, schob Sia von sich runter und stand ebenfalls auf. "Wo zum Teufel wart ihr?!" fuhr er uns ungeniert an, als wäre es ihm nicht einmal wichtig, dass jemand überlebt hatte. Aber was hätte ich auch Anderes erwarten sollen?
Joyce - als Solane sie zu Gesicht bekam, hatte sie Mühe die Tränen zurück zu halten. Wobei sei ihren Blick stur zu Boden richtete. Einfach, weil sie sonst vermutlich wirklich in Tränen ausgebrochen wäre. Die junge Frau folgte Icarus stur, ignorierte die andere Blondine somit mehr oder weniger gekonnt und trat kurz darauf in Dwaynes Büro. Erst als sie Icarus Worte vernahm, hob sie den Blick, zog die schmalen Augenbrauen leicht zusammen. Icarus hatte recht; er machte sich ganz offensichtlich sehr große Sorgen um seine Leute. Und wie er reagierte, machte es nicht gerade besser. Sia war zwar sofort aufgestanden, hatte sich den kurzen Rock wieder zurecht gerückt, sah aber ungeniert in Richtung Icarus und Solane. Wobei sie auf Icarus Worte hin tatsächlich eine kleine Sekunde ihre starre, wunderschöne Miene verzog, leicht fragend aufgeblickt hatte. Sie traute sich allerdings nicht etwas zu sagen und wurde wenig später auch schon von Dwayne des Zimmers verwiesen, was sie schweigend tat. Wie gerne Solane ihr doch gefolgt wäre... Stattdessen zuckte sie leicht zusammen, als sie die Tür hinter sich schloss, nun glitt ihr Blick das erste mal wieder zu Dwayne, der nichts besseres zu tun hatte als sie Beide anzuschnauzen. Und obwohl sie regelrechte Bauchkrämpfe hatte wegen dieser Konfrontation, konnte sie nicht anders: "Wir haben sechs deiner Leute hinterher getrauert - du hast sie immerhin direkt in ihren Tod geschickt.." Als ihr bewusst wurde, dass sie mal wieder geredet hatte, bevor sie zu Ende gedacht hatte, biss sie sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie überhaupt eine Regung im Gesicht des Bosses gesehen hatte. Ignoranz? Erstaunen? Schock? Trauer? Oder Enttäuschung darüber, dass sie Beide es geschafft hatten nicht umzukommen? Was es auch war, es war keine Trauer darüber gewesen, dass seine Leute gestorben waren - und zwar nur, weil er Kopflos gehandelt hatte - wie immer.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ach, Solane... vielleicht hätte sie mich doch besser alleine ins Büro gehen lassen sollen. So, wie sie sich bisher anstellte, schien sie nämlich eher keine besonders große Hilfe für einen friedlichen Ausgang der Situation zu sein. Dwaynes Miene verzog sich sofort ins noch Düsterere, nachdem sie ihren Satz beendet hatte und als er aufstand und auf den Tisch schlug, hob ich beinahe reflexartig die Waffe an, zielte in seine Richtung. Nur für den Fall, dass er vor hatte, mir mit seiner Unzufriedenheit und offenbar schon wieder aufflammender Wut näher zu kommen. Oder mich gar wieder mit einem Messer zu bedrohen, vielleicht auch wieder anzuschießen. Bei letzterem war ich mir nicht mal sicher, ob es Absicht gewesen war, aber selbst wenn nicht, hatte er es offenbar als für gut und nützlich befunden. "Wenn sie zu dumm sind, sich am Leben zu halten, ist das nicht meine Schuld." knurrte er uns entgegen, wobei er dann einen Blick auf die Waffe richtete, die in seine Richtung zeigte. "Willst du mich jetzt abknallen oder was?!" fügte er seinen vorherigen Worten noch lauter hinzu, setzte dazu an auf uns zu zu gehen. Das unterband ich mit einem leichten Zucken der Waffe, sah ihn - schon wieder mehr als gereizt - an. "Nein, das nicht. Aber ich will, dass du deinen faulen Arsch auf den Stuhl zurückschwingst und mir zuhörst." richtete ich fordernde Worte mit doch leicht drohendem Unterton an unseren Chef, den ich spätestens nach der Aktion von letzter Nacht ganz sicher nicht mehr als meinen Befehlsgeber ansah. Er konnte mich langsam echt kreuzweise und ich war es leid, Freunde - Familie - dahinsterben zu sehen. Erst, als Dwayne noch einen weiteren Schritt auf mich zu machte, feuerte ich zwei Schüsse auf den Boden direkt vor seinen Füßen ab, was ihn doch instinktiv zurückweichen, wenn auch anschließend laut fluchen ließ. "Dir gehts ein bisschen zu gut, kann das sein?!" fauchte er mir entgegen, ging aber doch zwei, drei Schritte zurück in Richtung Schreibtisch. Hinsetzen würde er sich nicht, nachgeben kam für ihn nicht wirklich in Frage. Also begann ich dann schlussendlich doch damit, ihm neue Informationen zukommen zu lassen. "Wie zu erwarten war, haben uns die Eagles in Grund und Boden geschossen... die meisten von uns. Solane hab ich aus gutem Grund vorher raus geschickt und mich haben sie gehen lassen, nach einem kleinen... Gespräch." redete ich angespannt vor mich hin und der Chef zog fragend eine Augenbraue hoch, sah mich dennoch weiterhin wutentbrannt an. "Ich soll dir nämlich herzallerliebste Grüße ausrichten und dir sagen, dass sie das nicht auf sich sitzen lassen werden. Ich schließe Mal daraus, dass sie vorhaben ebenfalls hier einzumarschieren und wenn du mich fragst, dann ist das definitiv und sowas von unser Ende."
Zu dumm sind am Leben zu halten? Am liebsten hätte Solane ihn jetzt angeschrien, einfach all ihre Wut heraus gelassen - aber er würde sie nur auslachen, dessen war sie sich sicher. Also senkte sie nur den Blick, die Zähne knirschend aufeinandergepresst. Alles was weiter geschah, bekam Solane nicht mal mehr richtig mit, konzentrierte sie sich doch penibel darauf, nicht direkt wieder los zu heulen, wobei ihr gerade noch dazu mehr als schlecht wurde. Sonderlich lange würde sie es hier nicht mehr aushalten. Wie konnte ein Mensch nur so sein wie Dwayne es war? So eiskalt, so berechnend, so widerwärtig und ekelhaft? Er hatte definitiv die Nummer Eins verdient, wenn es darum ging zum unmenschlichsten Menschen gekürt zu werden. Wobei unmenschlich in ihren Augen nicht einmal ansatzweise an das heran kam, was er wirklich war. Sie fand in Gedanken kein einziges Wort, das sie kannte, das Dwayne beschreiben würde. Er war Schuld am Tod all dieser Menschen und hatte nichts besseres zu tun als die Schuld auf eben jene Tote zu schicken. Wieso? Weil sie sich nicht wehren konnten? Vermutlich war das wirklich der Grund, denn offensichtlich hatte er gar nicht so viel Eier in der Hose wie er immer tat.. Noch bevor sie hätte weiter zuhören, nochmal etwas erwidern können, genauer darauf eingehen können oder den Blick hätte anheben können, überkam Solane die Übelkeit noch mehr wie schon zuvor, was sie ohne weiter ein Wort zu sagen regelrecht aus dem Büro stürzen ließ, um sich wenig später im nächsten Badezimmer über der Kloschüssel wieder zu finden. Langsam aber sicher kam auch alles vom gestrigen Abend zurück, je mehr darüber gesprochen wurde, je mehr sie darüber nachdachte, je weiter die Zeit voran schritt. Und von Moment zu Moment wurde ihr deswegen Übler, krampfte sich ihr Magen mehr zusammen.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Zack, da war Solane verschwunden. Ich seufzte kaum hörbar in mich hinein, weil das wohl bedeutete, dass es ihr ebenso beschissen ging wie noch am gestrigen Abend. Bevor wir einen durchgezogen hatten, meine ich. Allein dafür hätte ich Dwayne gerne eine Kugel reingejagt, aber ich unterdrückte den Hand dazu vehement. Einfach Solane zu Liebe, obwohl sie es jetzt nicht einmal sehen würde, wie das Ekelpaket zu Grunde gehen würde. Aber ich hatte es ihr versprochen und ich war nunmal niemand, der seine Versprechen brach - so gerne ich es in diesem Moment auch getan hätte, so stand Loyalität für mich wohl mit an erster Stelle. Dwayne schien davon nicht mehr viel zu besitzen und das machte es mir nur noch schwerer, nicht erneut abzudrücken und dabei auf etwas Anderes als den Boden zu zielen. "Sollen sie doch kommen." meinte er nur und zuckte mit den Schultern. Mein Blick verfinsterte sich weiter und ich nahm den Finger sicherheitshalber vom Abzug, weil ich der in mir lodernden Wut nicht nachgeben wollte. "Sollen sie doch kommen. Sonst gehts dir aber gut, ja? Liegt dir überhaupt noch was an der Crew? An dem Allem hier?! Wenn nicht, dann weißt du denke ich, wo die Haustür ist, um dich zu verpissen. Ich werde sicher nicht zusehen, wie die Leute hier ihr Leben für dich lassen, nur weil sie treudoof sind. Wenn du also nicht mit den Eagles verhandelst oder irgendwas anderes Nützliches in der Hinsicht machst, dann werde ich das machen während du deinen ach so feinen Hintern hier ausruhst." knurrte ich ihm entgegen und wurde dabei immer lauter, weil ich Aggression und Wut mit Worten ein wenig Platz machen musste, um nicht körperlich handgreiflich zu werden. Ob nun mit Fäusten oder der Waffe, das sei mal dahingestellt. Dwayne schnaubte nur und schüttelte den Kopf, bevor er sich - breit und faul wie immer - auf seinem blöden Chefsessel niederließ und auf den Papierkram vor seiner Nase sah, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich fluchte noch "Unglaublich." vor mich hin, bevor ich mich wutgeladen aus dem Büro begab, vollkommen angestachelt von der unfassbar großen Ignoranz des Chefs. Wie konnte er so sein? Oder besser - wann war er so geworden? Der Kerl hatte zwar schon immer seinen eigenen Kopf gehabt, aber das nahm inzwischen unfassbare Maße an und noch dazu wurde er scheinbar nur noch von seinem Stolz und Egoismus angetrieben, was es nicht gerade besser machte. Ich knallte die Tür hinter mir zu und blieb dann erst einmal kurz stehen, um ganz tief durchzuatmen. Was als nächstes? Achja, vielleicht nach der zierlichen jungen Frau sehen, die so plötzlich aus dem Raum verschwunden war. So machte ich mich auf den Weg zum nächstgelegenen Badezimmer, weil sie sich eine Hand vor den Mund gehalten hatte, als sie davongestürmt war. Noch während ich ging zog ich das Magazin der Waffe ab und verstaute es so gut wie möglich in der recht geräumigen rechten Hosentasche meiner Jeans, bevor ich vorsichtig an die nicht geschlossene Badezimmertür klopfte. "Solane?" Langsam schob ich die Tür auf und saß dann ein Häufchen Elend neben der Toilette sitzen.
Auch wenn es im Bad nicht wirklich bequemer war als im Büro des Chefs, würde sie gerade doch so ziemlich jeden Ort auf dieser Welt dem Büro vorziehen. Bestenfalls wieder mit einem Joint, von ihr aus auch mit bunten Pillen, einer Spritze. Es war ihr egal, wenn sie dafür wieder vergessen konnte, diese schrecklichen Gedanken hatte und ihr diese 'ist mir scheißegal'-Einstellung hatte. Ohja, die wünschte sie sich gerade sehnlichst wieder zurück. Solane sank langsam mit dem Rücken gegen den Rand der Badewanne, die Fliesen fühlten sich eiskalt an, nicht nur am Rücken, auch unter ihren Fingern, weil sie sich mit den Händen auf dem Boden abstützte, während sie versuchte wenigstens einen klaren Gedanken zwischen all den schrecklichen Bildern in ihrem Kopf zu fassen. Das war allerdings alles andere als einfach, eher im Gegenteil. Es war wie der rosane Elefant; wenn man nicht an ihn denken sollte, dann tat man es. Man dachte immer an das, an das man nicht denken sollte. Dwayne hatte gerade wieder alles in ihr hochkommen lassen, das dröhnende Hallen der Schüsse in ihren Ohren, das viele Blut, der Rückstoß der Waffe in ihren Händen, das sprudelnde Blut das langsam versickerte, die Augen die unnatürlich verdreht gewesen waren. Das Röcheln, wie er zu Boden gegangen war. Wie in Zeitlupe spielte sich dieses Schauspiel wieder und wieder vor ihren Augen ab. Als es leise an der Tür klopfte, kurz darauf Icarus Stimme ertönte, zuckte Solane leicht zusammen. Die Blondine wischte sich über die Augen, als würde es noch irgendetwas nutzen, bevor sie zur Tür und damit zu Icarus sah. Das Schlimme an dieser Sache war nicht einmal wirklich Dwayne, das Schlimme war, dass sie sich genauso dreckig fühlte, wie er es wirklich war. Bis letzte Nacht hatte sie zwar einige Dinge getan, die sie bereute, aber sie hatte sich nicht eine Mörderin nennen können. Und Icarus Leben gerettet hin oder her: Klar war sie froh, dass er noch lebte, sonst würde sie jetzt vermutlich noch stockbesoffen und mit einer Alkoholvergiftung in der Ecke irgendeiner Bar liegen, die sie gestern Abend gefunden hätte. Oder Schlimmeres. Außerdem gehörte er zu ihrer Familie, genauso wie Jake, Val und die anderen die dabei gewesen waren und jetzt tot waren. Trotzdem... sie hatte den Kerl erschossen, sie bekam sein Bild nicht mehr aus dem Kopf und sie fühlte noch immer das kalte Metall der Waffe in ihren Händen, die schon wieder zu Zittern begonnen hatten. "Weißt du was das Schlimme ist? Er hat nicht die Hand am Abzug gehabt, er hat mich weder dazu gezwungen, noch hat er überhaupt gesagt, dass ich es tun soll - das war ich ganz alleine.. ich würde dem Mistkerl so gerne die Schuld für alles geben..." Und wie sie das wollte, aber irgendwie... klar, er hatte sie dort hin geschickt und es schien ihm egal zu sein, dass sechs seiner Leute tot waren. Aber er hatte niemanden erschossen, er war nicht einmal da gewesen und hat sie anweisen können. Sie hatte es praktisch selbstständig getan, weil sie es... gewollt hatte? "Und was noch viel Schlimmer ist: Ich würde es wieder tun, wenn ich dafür Jake, Val oder irgendjemand anderen zurückholen könnte."
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Ohjemine. Ich hatte ja bereits befürchtet, dass es wirklich nicht gut um die zierliche junge Frau stehen würde. Aber dass sie so dermaßen zusammenbrach und wohl das Ende der Welt herbeisehnte, nur damit ihre sie so sehr quälenden Gefühle gleich mit verschwanden, hatte ich eigentlich nicht erwartet. Der Gefühlsausbruch vor der Marihuana-Dosis am Vorabend hatte wohl nicht gereicht, sie musste scheinbat alles nachholen was sie durch den Nebel an Gefühlen verdrängt hatte. "Solane, hör mal.." setzte ich an und legte die Waffe auf einer kleinen Kommode neben der Tür ab, bevor ich die Tür kaum hörbar hinter mir schloss und zu der jungen Frau rüber ging, um mich neben sie zu setzen, mich dabei mit dem Rücken an die Außenwand der Badewanne lehnte. "Ich weiß, wie du dich fühlst.. mir ging es danach auch nicht anders, aber was hattest du denn für eine Wahl? Hättest du's nicht getan, wäre ich da blutend auf dem Boden gelegen... und am Ende hättest du danach trotzdem auf ihn schießen müssen, wenn er dich gesehen hätte." redete ich ruhig vor mich hin, obwohl ich das innerlich kein Stück war. Meine Gedanken kreisten noch immer um unseren kopflosen Anführer, der an alledem Schuld war. Auch daran, dass wir beide mit unseren Gefühlen zu kämpfen hatten, wenn es auch vollkommen unterschiedliche sein mochten. "Ich wills dir nicht schön reden, aber... du bist deinem Instinkt gefolgt, sonst nichts." fügte ich murmelnd noch hinzu und legte ihr vorsichtig einen Arm um die schmalen Schultern. Wahrscheinlich würde keines meiner Worte irgendwie helfen, dass sie sich schneller wieder einbekam, aber hey, ich hatte es wenigstens versucht. Viel mehr für sie tun konnte ich denke ich ohnehin nicht, ich wüsste zumindest Nichts, was ihr beim Aussitzen der furchtbaren Gefühlslage helfen könnte. Außer Drogen, von denen es hier im Haus nur so wimmelte, aber das wäre dann auch eher nur Unterdrückung und keine Lösung des eigentlichen Problems, weswegen das eher weniger in Frage kam.
In jeder anderen Situation wäre sie jetzt vielleicht erstaunt darüber gewesen, dass der immer so gefasste Icarus Reed sich zu ihr setzte und versuchte ihr ein wenig gut zuzureden, gerade allerdings war es eigentlich ziemlich egal ob oder ob nicht und überhaupt. Solane war einfach nur froh nicht alleine zu sein, auch wenn sie andererseits jetzt gerne alleine wäre. So oder so wusste sie momentan überhaupt gar nicht was sie wollte oder nicht. Er hatte recht, wenn sie nicht geschossen hätte, hätte er daran glauben müssen, danach vielleicht auch sie selbst. Nicht gerade eine tolle alternative, im Moment aber etwas, das sie sich herbei sehnte - nur, weil sie wusste, dass sie es nicht mehr haben konnte. Passiert war passiert und im Grunde war es ja auch gut so, sonst säße sie hier jetzt vielleicht alleine. Oder gar nicht - was noch viel wahrscheinlicher war. Und als er dann auch noch seinen Arm tröstend um sie legte, war es sowieso um sie geschehen und die 'Dämme' brachen. Schluchzend, das Gesicht von den Händen bedeckt und halb an Icarus lehnend, versuchte sie gar nicht mehr überhaupt die Tränen oder Gefühle zurückzuhalten. Das war nie gut, brachte nie was und noch jämmerlicher wie gerade konnte sie vor ihm sowieso gar nicht mehr da stehen. Also von dem her? Was hatte sie verloren? Vermutlich unterschied sie sich doch von Dwayne, der würde nämlich niemandem, nicht einmal seinen eigenen Leuten, eine Träne hinterher weinen. Obwohl er sie allesamt auf dem Gewissen hatte. Vielleicht hätte er dort stehen sollen, an Stelle des Fremden, dem sie eine Kugel in die Brust geschossen hatte. Dann wäre wenigstens jemand gestorben, der es wirklich verdient hatte. Vielleicht würde sie dann nicht mal hier sitzen - auch wenn das sehr unwahrscheinlich war. Mensch war immerhin Mensch und sie hatte nie einen töten wollen und der Kerl war mit Sicherheit auch kein Unschuldslamm gewesen. Niemand in deren Haus war es gewesen, genauso wenig jemand in diesem Haus. Nach ein paar endlos langen Minuten schienen die Tränen langsam versiegt zu sein. Eigentlich fühlte sie sich noch nicht bereit dazu mit dem weinen aufzuhören.. aber irgendwie waren sie leer - eben keine mehr da. Mit dem Handrücken wischte sie sich die salzigen Tränen von den Wangen, bevor sie mit leicht pikiertem Blick zu Icarus aufsah: "Ich wollte ihn nicht mal richtig treffen, vielleicht die Schulter, den Arm - irgendetwas das weh tut, aber nicht gefährlich ist..." Solane verzog ein wenig das Gesicht "..ich hab schon so lange nicht mehr auf ein Ziel geschossen. - Sowas darf nicht wieder passieren." Eine stille Aufforderung zur Übung in naher Zukunft? Keine Ahnung, eigentlich hatte sie beinahe so viel Angst davor wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen, wie heute Abend schlafen zu gehen, weil sie schon jetzt wusste, wovon sie träumen würde.
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Sie hatte ihn also gar nicht töten wollen... ihr war aber klar, dass der Kerl noch eine andere Hand zum Schießen gehabt hätte, ja? Dann hätte ihr Schuss wahrscheinlich reichlich wenig gebracht, da bei Profikillern doch ziemlich davon auszugehen war, dass sie beidhändig gut schießen konnten, beides intensiv trainiert hatten. Aber ja, in Zukunft wäre es wohl trotzdem besser, wenn Solane ein wenig genauer schießen konnte. Im Ernstfall wäre das nämlich womöglich wieder lebensrettend oder zumindest entscheidend für den Ausgang der Situation. Ein wenig mehr Übung konnte ihr also weiß Gott nicht schaden und bei Gelegenheit könnte ich sie auch einfach zum Training mitnehmen - meines hatte ich doch auch ein wenig schleifen lassen, wenn ich ehrlich war. Ich hatte der zierlichen Frau neben mir leicht über den Arm gestrichen, während sie sich einfach ihren Gefühlen hingegeben und hemmungslos geweint hatte. Viel mehr hatte ich ja ohnehin nicht tun können, gab ja nicht sowas wie einen Schalter hinterm Ohr, der bewirkte, dass man nicht mehr heulte. Auch, wenns manchmal ganz praktisch wäre, wenn ich wieder Körbe verteilte, naja. "Dann gehen wir eben bei Gelegenheit ein bisschen üben, wenn sie die Sache wieder ein bisschen gelegt hat, hm? Ist denke ich eh besser, wenn du dabei nicht alleine bist, Solane.." schlug ich ihr vor, erst Mal in paar Tage lang Gras über die Sache wachsen zu lassen und dann gemeinsam loszuziehen, um die Schusskünste auf Vordermann zu bringen. Noch während meiner Worte hatte ich meine linke Hand angehoben und ihr eine letzte Träne von der Wange gestrichen, die als kleiner Nachzügler noch gekullert war. "Und jetzt lächeln wir wieder ein bisschen, das traurige Gesicht steht dir nicht." fügte ich leicht grinsend noch hinzu, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Ich strich ihr noch eine Haarsträhne, die ein wenig feucht in ihrem Gesicht gehangen hatte, hinters Ohr, versuchte einfach sie irgendwie ein wenig aufzulockern, abzulenken, obwohl letzteres wohl kaum möglich war.
Ja, wenn sich die Sache wieder ein bisschen gelegt hatte, das klang doch gut. Also nickte die Blondine langsam, relativ leicht, aber bestimmt sichtlich für den jungen Mann. Sie würde die Übungsstunde nicht versäumen, das nahm sie sich fest vor. Es war nur von Vorteil, wenn sie schießen konnte - dann passierte sowas nämlich nicht mehr, vielleicht würde sie sich ja sogar anders fühlen, wenn sie es darauf angelegt hätte ihn tatsächlich zu töten. Eben weil sie darauf vorbereitet gewesen wäre. Aber konnte man auf so etwas überhaupt vorbereitet sein? Seufz. Sie wünschte sich wirklich, niemals in dieses Höllenhaus gegangen zu sein; aber sie konnte es nicht ändern. Und deswegen versuchte sie sich auch an einem schwachen Lächeln, als er sie dazu aufforderte. Vermutlich war es auch nur sein dämliches Grinsen, das es gelingen ließ. Zumindest für einen kurzen Moment. "Danke..." Danke fürs da sein, danke fürs aufmuntern, danke fürs zuhören, fürs in den Arm nehmen - einfach für alles gerade. Er war ziemlich nachsichtig mit ihr, das wusste sie, war sie doch bei Gott nicht gerade die beste Partnerin in Sachen Drogendeals oder Autorennen - geschweige denn bei Schießereien. Und trotzdem hockte er jetzt hier neben ihr. So ehrlich wie es gemeint war, klang es auch. Einen Moment erwiderte sie noch seinen Blick, bevor sie ihn langsam wieder auf ihre Finger senkte. Und bevor jetzt ein unangenehmes Schweigen aufkam oder die Situation irgendwie anders unangenehm werden würde, beschloss sie, genug von Icarus Aufmerksamkeit in Anspruch genommen zu haben und wie noch im Wagen geplant eine Dusche zu nehmen, weil sie die echt nötig hatte, mit dem klebrigen Meerwasser auf der Haut und den strähnigen Haaren, den verweinten Augen und den geröteten Wangen. "Ich werd' jetzt duschen - und nochmal.." sie stand jetzt langsam auf, weil ihre Beine mittlerweile eingeschlafen waren "..danke, Icarus."
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Na also, es ging ja doch. Das leichte Anheben ihrer Mundwinkel ließ mich einen Erfolg verzeichnen, der wohl beinahe unmöglich gewesen war, wenn man dabei bedachte, wie es ihr tatsächlich ging. Ich hievte mich ebenfalls auf die inzwischen schon wieder müde gewordenen Beine, tat es ihr gleich. Ich zog mein Shirt zurecht und dann kam auch noch eine zweite Danksagung von der jungen Frau, die so am Boden zerstört zu sein schien. Dass ihr das bisschen gut zureden und streicheln schon dermaßen gut geholfen zu haben schien erleichterte mich ein wenig, dann musste ich zumindest erst einmal keine Angst davor haben, dass sich die junge Frau was antat. Da wäre sie in diesem Haus nämlich leider nicht die Erste und Wiederholungen vermied ich diesbezüglich eigentlich ohnehin ziemlich gerne. "Keine Ursache.. ich bin dir weitaus mehr schuldig, Süße." ließ ich ihr lächelnd noch ein paar Worte zukommen, ehe ich mich langsam von ihr abwendete und Richtung Tür ging. Kurz davor machte ich aber noch einmal Halt und sah über meine Schulter weg zu Solane. "Falls noch was ist, sag einfach Bescheid, ja?" wies ich das Gefühlsbündel noch an, zu mir zu kommen, wenn sie sich wieder extrem schlecht fühlte oder irgendwas brauchte, bevor sie auf dumme Gedanken kam. Da war mir eine weitere 'Störung' durchaus lieber. Ich nahm noch die Waffe von der Kommode und schloss dann hinter mir die Tür, nachdem ich ausgetreten war. Daraufhin machte ich mich auf den Weg nach unten zu meinem Zimmer und zu allerseits Glück begegnete mir dabei auch niemand. So konnte ich mit einem Seufzen ohne Einwände meine Zimmertür schließen, ließ die Waffe bei der erstbesten Möglichkeit liegen und deponierte auch die Munition daneben, bevor ich mich aus meinen salzigen Klamotten schälte und ebenfalls in mein angrenzendes Badezimmer verschwand. Es folgte eine knappe, aber gründliche Dusche, damit auch wirklich alles weg kam, was nicht auf meine Haut gehörte. Ich rubbelte mich anschließend nur noch mit dem Badetuch trocken und trocknete auch meine Haare noch kurz ab, damit die nicht ins Bett tropften. Denn nachdem ich eine Boxershort aus meinem Schrank gekramt hatte und diese auch angezogen hatte, führte mich der nächste Weg geradewegs in mein großes Bett. Ich zog noch den Laptop nach oben, der noch von vor zwei Tagen neben dem Bett auf dem weichen Teppichboden gelegen hatte. Der Rest des Tages war Serien und vielleicht auch einem Hauch von Gras gewidmet. Dabei würde ich wenigstens auf andere Gedanken kommen.
War er nicht, er war immerhin ihre Familie, zumindest ein Teil davon und für die Tat man sowas nun mal. Oder? Man stand für sie ein, auch aus egoistischen Gründen, nämlich dass man nicht alleine war. Sie lächelte Icarus noch schwach an, nickte ein klein wenig auf seine nachfolgenden Worte. Ja, würde sie - sie würde darauf zurückkommen, wenn es soweit war, dass sie wieder eine starke Schulter brauchte um sich anzulehnen, auszuheulen - was auch immer. Die junge Blondine ging zur Tür und schloss nach Icarus ab, dann befreite sie sich aus ihren Klamotten, bevor sie sich unter die heiße Dusche stellte - mit Sicherheit zwanzig, vielleicht auch dreißig Minuten. Sie hoffte insgeheim wohl alle Erinnerungen damit abwaschen zu können, aber es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn es funktioniert hätte. Also gab sie es irgendwann auf, wickelte sich in ein Handtuch und trocknete sich die Haare notdürftig ab, bevor sie sich auf den Weg in ihr Zimmer machte. Dort angekommen zog sie sich ein Shirt und eine Jogginghose an, bevor sie den Fernseher anschaltete und sich unter die dicke Decke kuschelte. Es war nicht sonderlich spannend, genauso wenig war es ein günstiger Zeitvertreib oder das was sie gerne tat. Aber ihr fiel nichts besseres ein, sie würde keinen Bissen herunter bekommen ohne gleich wieder alles ins Klo zu verabschieden und ebenso wenig hatte sie Lust dazu jemandem unter die Augen zu treten. Leider schien das Joy nicht zu interessieren, die gegen Abend an ihrer Zimmertür klopfte und herein kam. Sie war käsebleich, hatte verweinte Augen und sah einfach noch schlimmer aus als Solane es tat. Zumindest vermutete die Blondine das. Langsam setzte sie sich auf, fixierte die junge Frau mit ihrem Blick, die sich wenig später zu ihr setzte. "Er... wird nicht wieder kommen, oder?" Joy sah sie aus ihren Rehbraunen, verweinten und knallroten Augen an, woraufhin Soalne selbst schon wieder die Tränen in die Augen stiegen. Sie schüttelte schwach den Kopf, woraufhin Joy in Schluchzen und weitere Tränen ausbrach, ihr in den Arm fiel und ungehemmt weinte. Solane konnte es verstehen, sie hatte zwar noch nie einen Menschen den sie so sehr liebte, wie Joy Jake geliebt haben musste, verloren, aber es musste schrecklich sein. Solane strich der jungen Frau über die zerzausten Haare, drückte sie sanft an sich und versuchte einfach auf diese Art und Weise für sie da zu sein. Wobei sie irgendwann ein wenig nach hinten rutschte, sich mit dem Rücken an die Wand lehnte. Joy legte irgendwann ihren Kopf auf ihren Beinen ab, bevor sie irgendwann einschlief. Solane selbst bekam kein Auge zu, nicht als sie um 22 Uhr auf die Uhr sah, nicht um 03 Uhr Morgens oder um 06 Uhr, als langsam wieder die Sonne aufging und der Raum wieder heller wurde, da sie die Vorhänge nicht zugezogen hatte. Sie war einfach nur die ganze Nacht da gesessen und hatte Joy über den Kopf oder den Arm gestrichen, während sie versucht hatte einfach an nichts zu denken, selbst nicht wieder in Tränen auszubrechen oder sich noch schlechter zu fühlen wie sie es sowieso schon tat. Wobei das kaum möglich war, oder? Hin und wieder kullerte eine Träne über ihre Wangen, ab und an seufzte sie leise, manchmal fielen ihr die Augen zu, dann riss sie sie panisch wieder auf, um jegliche Albträume zu vermeiden. So kam es, dass sie am nächsten Morgen nicht nur einen steifen Rücken, sondern auch einen schmerzenden Hintern und total eingeschlafene Beine hatte, weswegen sie Joy sanft ein wenig zur Seite schob und dann vorsichtig, leise aufstand. Sie deckte die junge Frau noch zu, bevor sie sich auf den Weg nach unten machte, sie hatte wahnsinnig durst und brauchte dringend ein oder zwei Aspirin.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Um es gelinde ausdrücken - ich schlief richtig beschissen. Obwohl ich mir noch eine ganz sachte Dosis Gras in eine der selbstgedrehten Kippen eingeschmuggelt hatte, war ich kopfmäßig viel zu unruhig, nachdem die Wirkung langsam nachließ. Ich wurde im Gegensatz zu sonst nicht wirklich müde davon, vermutlich wegen der geringen Menge, aber ich hatte auch nicht vorgehabt mich völlig zu betäuben. Das gestern hatte gereicht. Ich fiel also in einen sehr unruhigen Schlaf und wachte ziemlich oft auf - irgendwann hatte ich mit dem Zählen aufgehört, wie oft ich auf die Uhr geschaut hatte, um festzustellen, dass es noch immer nicht wirklich Aufstehenszeit war, nur um dann recht verzweifelt zu versuchen, wieder einzuschlafen. Um ca. 10 Uhr gab ich es dann endgültig auf und setzte mich im Bett auf, rieb mir mit beiden Händen übers müde Gesicht. Ich hatte schon jetzt die Schnauze vom bevorstehenden Tag voll und betete schon auf dem Weg ins Badezimmer darum, dass mir niemand über den Weg laufen würde, auf den ich keine Lust hatte. Es war nur eine Frage des falschen Gesichtsausdrucks oder der ungünstigen Wortwahl, um mich zum kochen zu bringen. Müde und ohnehin schon dauergeladen durch gegebene Umstände war ich heute wohl alles, aber sicher kein guter Gesprächspartner. Ich unterzog mich nur gründlichem Zähneputzen und einer allgemeinen Katzenwäsche, bevor ich mir die Haare machte und in mein Zimmer zurück schlurfte, wo ich nach Klamotten kramte. Dunkelgraue Jogginghose und ein schlicht einfarbiges Shirt in dunklem, kühlen Blau. Ich sammelte noch das Dogtag von meinem Nachttisch, hängte es mir um den Hals und schob mir mein Smartphone in die Hosentasche, bevor ich in Socken mein Zimmer verließ und mich auf den Weg in die Küche machte. Auf der Strecke bis dorthin begegnete mir Sia, die mir aber nur wortlos zunickte und ich tat es ihr gleich, weil ich nicht in der Stimmung war, zu reden. In der Küchen nahm ich mir eine Tasse Kaffee aus der Kanne, ignorierte meine gesamte Umgebung dabei gekonnt und entschied mich kurzerhand dazu, dem koffeinhaltigen Getränk noch einen Schuss zu verpassen, was ich ohne Umschweife tat. Mir war nicht nach essen... eigentlich auch nicht nach trinken, aber irgendwie wollte ich die Müdigkeit ein wenig eindämmen. Außerdem sollte Kaffee - ob mit oder lieber ohne Alkohol sei mal dahin gesagt - bekanntlich bei manchen gegen Kopfschmerzen helfen und ich hatte ab und an ein leichtes Stechen an den Schläfen, die ich mir leicht mit den Fingern massierte, als ich mich an den Tisch fallen ließ. Nicht sinken, sondern wirklich unelegant auf den Stuhl fallen.
Auf dem Weg nach unten lief sie noch kurz ins Badezimmer, um aus dem Schränkchen dort eine Aspirin zu nehmen, die sie mit einem Schluck Wasser aus der Leitung schnell herunterwürgte, weil sie echt widerlich war, je länger sie auf der Zunge lag. Nach einem Blick in den Spiegel spritzte sie sich noch ein wenig Wasser ins Gesicht, bevor sie dieses abtrocknete, putzte sich die Zähne und flocht die zerzausten Haare zu einem eher unordentlichen Zopf über ihre linke Schulter, damit sie zumindest ein wenig gebändigt waren. Nachdem die morgendliche Katzenwäsche getan war, grummelte ihr Magen leise, was sie dazu brachte nun doch den Weg nach unten einzuschlagen. Vielleicht würde sie Joy noch etwas mit aufs Zimmer bringen, falls sie wach wurde. Wobei sie ihr den Schlaf gönnte, sie war auch ewig wach gewesen und hatte sich wortwörtlich in den Schlaf geweint. Sie tat ihr so wahnsinnig leid und Solane wusste wirklich nicht, was sie tun konnte um sie zumindest ein kleines bisschen aufzuheitern. Ein Abend mit Joint am Strand und nächtlichem Bad vielleicht? Ihr hatte das vorgestern geholfen, aber nur auf kurze Sicht gesehen. Es machte nichts besser, auch wenn Solane seither noch mehr das Bedürfnis nach Drogen hatte wie noch zuvor - und da war es schon deutlich vorhanden gewesen, dieses Bedürfnis. In der Küche waren nicht nur Linc, Rory und Blair, sondern auch Icarus. Allen Vieren murmelte sie ein leises "Morgen" zu, bevor sie den Wasserkocher mit Wasser füllte, ihn anstellte und zwei Tassen bereit stellte, schon mal einen Teebeutel hinein hängte. Pfefferminz, der Klassiker. Auch wenn es besseres gab war er momentan das einzige was sie auf die schnelle fand. Und Pfefferminztee ging immer. Und solange das Wasser warm wurde und der Tee zog, setzte sie sich zum Rest an den Tisch, einen Stuhl neben Icarus, der mindestens genauso müde aussah, wie sie sich fühlte: "Wie geht es dir? - Du siehst mindestens so müde aus, wie ich mich fühle." fragte sie mit leiser Stimme, den Blick auf ihre Finger gerichtet, die sie miteinander verknotete, während sie auf seine Antwort wartete. Den Rest ignorierte sie er, dieser sie auch, was sie nur zufrieden stellte. Sie hatte keine Lust auf Konversation mit den anderen, weil es früher oder später auf Fragen hinauslaufen würde.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Es war allgemein ziemlich ruhig in der Küche. Ich spürte ein, zwei Mal einen Blick auf mir haften, erwiderte diese aber nicht und reagierte auch sonst in keinster Weise darauf. Zwar konnte ich mir denken, dass einigen hier Fragen auf der Zunge brannten, aber auch das war mir im jetzigen Moment ziemlich schnuppe. Gerade zählte nur mein Kaffee, von dem ich vorsichtig die ersten beiden Schlucke nahm, als er bei noch sehr warmer, aber angenehm trinkbarer Temperatur angekommen war. Ich drehte den Kaffeebecher unruhig in meinen beiden Händen hin und her und ich realisierte auch erst, dass Solane sich neben mir niedergelassen hatte, als sie Worte an mich richtete. Nur mit halbem Ohr dabei gewesen musste ich auch erst nochmal ihre Worte in meinem Kopf richtig zusammensetzen, bevor ich der jungen Frau eine Antwort darauf geben konnte. Sie schien ja bereits zu ahnen, dass es mir ebenso - oder zumindest fast genauso - elend ging wie ihr selbst, weswegen es wohl auch noch ein paar Sekunden dauerte, bis ich nach einem Schulterzucken antwortete. "Ums kurz zu machen: Ziemlich beschissen." erwiderte ich auf Solanes Worte, drehte meinen Kopf nur für einen Moment lang ein Stück weit, um die flüchtig mustern zu können. Ja, sie hatte wohl auch schon deutlich besser ausgesehen und ich konnte es ihr nun wirklich nicht verdenken, dass sie am Ende war. Sie würde zwar mit großer Sicherheit eher noch schlechter geschlafen haben als ich und noch dazu ging es ihr ja allgemein mit der Situation noch schlechter als mir, aber ich war trotzdem auch weit entfernt davon, mich gut zu fühlen. "Konntest du schlafen?" fragte ich sie murmelnd, den Blick wieder auf meinen Kaffee gerichtet. Die Frage, wie es ihr denn ging, sparte ich mir einfach deswegen, weil es deutlich sichtbar war, dass sie sich nicht gut fühlen konnte. Es erübrigte sich also vollkommen, sie nach ihrem Wohlergehen zu fragen. Ich nippte erneut an dem warmen Getränk vor mir, wo der Rum, den ich mit rein gekippt hatte, leicht im Rachen brannte, aber ich hatte nicht wirklich was dagegen. Es hielt mich wach und ließ mich langsam auch kopfmäßig ein wenig auftauen, durch den leichten Schmerz wacher werden.