Er machte es mir aber auch wirklich nicht leicht. Deutlich sichtbar erschauderte ich, als ich seine Lippen für einen Moment auf meinem freien Nacken spüren konnte und konnte mir ein zufriedenes Seufzen gerade noch so verkneifen. Mit einem leichten Funkeln in den hellblaugrauen Augen drehte ich mich dann zu ihm um. Sein Smoking saß perfekt, er sah wirklich durch und durch gut aus... Nickend schnappte ich mir noch eine graue Clutch, in der ich Handy, ein wenig Schminke und so Zeugs eben verstaut hatte. "Ja...lass uns gehen.." Mein Blick ruhte weiterhin ein wenig bewundernd auf ihm, dann verließen wir mein Zuhause und steuerten seinen Wagen an. Was wohl die anderen Mitarbeiter sagen würden, wenn sie sahen, dass der Chef mit der Praktikantin in Begleitung kam, die er offiziell eigentlich erst seit drei Tagen kannte?
Zufrieden beobachtete ich wie sie erschauerte, ließ mir aber, außer einem kleinen Grinsen, nichts anmerken. Ihren Blick genoss ich sichtlich und musterte sie. Das Kleid hatte ich echt gut ausgesucht... Ich grinste selbstgefällig und geleitete Anna dann zum Wagen. HIelt ihr sogar die Tür auf... Womöglich erhoffte ich mir diese Nacht nicht allein verbringen zu müssen. Wobei das wäre unmöglich. Angestellte waren schon immer Tabu gewesen. Nicht das ich mich an Regeln halten würde, aber unnötiger Stress... war auch nicht das Wahre.
Dankbar stieg ich ein als er mir die Tür aufhielt und strich mein Kleid ein wenig glatt, dann fuhren wir los. Erneut verlief die Fahrt in Schweigen. Ich wusste nicht warum, aber fiel mir immer unheimlich schwierig, in sämtlichen Situationen den Anfang zu machen. Ich hatte zwar genügend Temperament, aber es war einfach...seltsam. Ich war etwas angespannt, als wir angekommen waren. Ein paar Leute traten ebenfalls gerade ein. Es war ein großes Gebäude und ich war so klein... Wenn ich Lewis dort drinnen verlieren würde, würde ich heillos untergehen. Ob er tanzen konnte? Ich sah ihn kurz an. Manno...warum musste er auch so gut aussehen?
Mir war immer unbehaglich, wenn sie schwieg. Ich wurde das Gefühl einfach nicht los, das sie es bereute mit mir geschlafen zu haben. Und außerdem schien sie mich auch nicht sonderlich zu mögen. Ihre Seitenblick war mir aber keineswegs entgangen. Beinahe hätte ich geseufzt. Auch für einen Kerl war es hart nur auf's Äußere reduziert zu werden. Ich stieg aus und übergab einem jungen Mann vom Parkservice den Schlüssel. Abwartend sah ich zu Anna und lächelte zaghaft.
Ich stieg aus dem Auto heraus und sah kurz in den jetzt schon dunklen Himmel. Leicht fröstelnd wanderte mein Blick kurz darauf zu Lewis. Es war kalt. "Lass uns schnell reingehen", lächelte ich schief und hakte mich kurzerhand ein wenig zögernd bei ihm ein, was gar nicht so leicht war, da er mindestens einen oder zwei Köpfe größer als ich war. Ein paar Leute grüßten uns. Ich sah andere Frauen in Ballkleidern und andere Männer in Anzügen. Die Atmosphäre war wirklich schön. Langsame Musik wurde gespielt, das Licht war ein ganz kleines bisschen gedimmt, Sekt wurde verteilt und die Leute plauderten alle angeregt miteinander. Ich sah mich aufmerksam um. Keinen einzigen von den Anwesenden hier kannte ich, nur Lewis. Ein wenig mulmig war mir schon, aber ich wollte nicht, dass Lewis das merkte.
Ich nickte. Sie hatte wohl recht, auch wenn sie bedeuten weniger trug als ich. Ich strich ihr zaghaft über den Arm und führte sie ins Gebäude. Ich nickte einigen Leuten zu die ich von meinem Vater her kannte. Ich beugte mich zu Anna herüber. "Das ganze hier wird ziemlich langweilig... man bezahlt riesige Summen an Eintrittsgeld, dann werden Reden von alten Säcken gehalten, man wird aufgefordert noch mehr Geld zu geben und am Ende applaudieren sich alle, weil sie so toll sind und armen Kindern geholfen haben, indem sie eine riesige Party gefeiert haben..." flüsterte ich ihr zu. Musste ja nicht noch jemand anderes mitbekommen. Ich hielt nicht viel von solchen Veranstaltungen. Da entdeckte ich meine Eltern zwischen den Leuten. Die beiden sahen sehr überrascht aus, doch ich konnte absolut nicht sagen warum. aber wer verstand schon seine Alten?
Mein Blick wanderte neugierig umher. Es waren viele Menschen, aber kein Wunder. Die Firma war international unterwegs und beschäftigte viele Leute, gerade hier in New York. Sie war schon fast eine kleine Berühmtheit. Lewis riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich vollständig zu ihm um und lachte bei seinen Worten leise auf. "Gut...danke für die Instruktionen.." Grinsend sah ich ihn noch einen Moment an, dann blickte ich mich wieder um. "Und wann können wir von hier verschwinden?" Mit funkelnden Augen drehte ich den Kopf erneut zu ihm und legte den Kopf leicht schief. Ich mochte zwar Veranstaltungen, auch besonders welche, die armen Kindern halfen, aber von langen Reden war ich nicht begeistert.
Ich musste grinsen. Sie schien zu denken wie ich. "Ein bisschen Schnaken mit meinen Eltern muss schon drin sein... verrate ihnen bloß nicht zuviel über die, die beiden sind sehr neugierig was meine..." Ich stockte kurz und räusperte mich. "Bekanntschaften angeht" Ich schluckte und wusste ich sollte am besten sofort das Thema wechseln, doch fiel mir nichts besseres ein als "Das ist unser Tisch..." Am selben Tisch saßen übrigens auch meine Eltern und die engsten Mitarbeiter von Dad.
Seine Wortwahl verpasste meiner Stimmung einen kleinen Dämpfer. Andere Bekanntschaften also... Aber klar, ich durfte nicht vergessen, dass er scheinbar ein richtiger Frauenheld war. Ich hingegen war nur ein Spielzeug seiner großen Sammlung und wenn ich dann nach seiner Meinung nach langweilig oder kaputt war, warf er mich weg. Diese Tatsache ließ mich leicht schlucken. Dieser Mann war zwar genau das Gegenteil von mir, wir waren so verschieden, aber ich mochte ihn trotzdem. Für einen Moment blinzelte ich überrumpelt und nickte dann. Also waren seine Eltern auch hier.. Bei 'unserem Tisch angekommen, stellte ich mich ihnen höflich vor und setzte ein Lächeln auf. Scheinbar gehörte Lewis' Vater die Firma und nicht ihm selbst. Zwar hatte ich ihn nie gefragt, aber...ach, man. Vergessen wirs einfach.
Ich wechselte bloß ein paar höfliche Worte mit meinen Eltern, ebenso wie Anna. Und mehr auch nicht. Zwischen uns ging es meistens sehr unterkühlt ab. Momentan, weil die zwei glaubten mein Leben in 'Saus und Braus' ihre Worte nicht meine, sollte bald zu Ende sein, weil ich doch zu alt dafür wäre und so weiter und sofort. Mich irritierte noch immer der Blick mit dem meine Mom Anna anstarrte. Was sollte das? Glaubte sie es gäbe was ernstes Zwischen mir und Anna? Stellte sie sich schon ihre Enkelkinder vor. Ich musste hier weg. Lange würde ich es keinesfalls aushalten.
Oh Gott...konnte es sein, dass ich vor seinen Eltern mehr Respekt als vor Lewis hatte. Wobei ich auch vor letzterem einen Haufen davon besaß. Seit er ein Mal so rumgebrüllt hatte, war dieser beträchtlich gewachsen. Doch vor seinen Eltern war irgendwie schon von Anfang an viel Resoekt vorhanden... Sein Vater war wohl einer der einflussreichsten Geschäftsmänner der Welt, seine Mutter demnach auch nicht unbedingt unwichtig... Und ich war nur ein nebensächliches Mädchen...im zarten Alter von sechzehn Jahren. Ich lächelte seine Mom an, da mich ihr Blick ein wenig beunruhigte. Dann sah ich aus großen argwöhnischen Augen zu Lewis. Auch ihm schien das hier nicht recht zu gefallen, aber immerhin waren das seine Eltern..
Ich hielt das nicht mehr aus. Ich nahm Anna's Arm und zog sie mit mir. "Komm lass uns tanzen" schlug ich vor und zog sie auf die Tanzfläche. Es tanzten nur sehr wenige Paare, die Musik war auch einfach lahm und die meisten waren ohnehin zu alt dafür. Ich lächelte Anna leicht an. "Kannst du tanzen?" Ich grinste leicht. Ich hatte mal Tanzstunden gehabt, ist aber schon länger her.
Ich war Lewis gerade ziemlich dankbar, dass er uns aus dieser unangenehmen Situation befreite. Tanzen war immer gut. Ich mochte es. Dabei konnte man furchtbar gut abschalten und alles um sich herum vergessen. Aus meinen hellen Augen sah ich zu Lewis hoch, als er nun so unmittelbar direkt ganz nah vor mir stand. Meine Hände legten sich ganz automatisch auf seine Schultern. "Naja..hab vor ein paar Monaten meinen Tanzkurs absolviert. Bin garantiert kein Let's-Dance-Star.." Ich grinste leicht und etwas unsicher. "Naja, aber es sollte reichen." Ich senkte den Kopf wieder geradeaus, sodass mein Blick auf seiner Brust ruhte. Seiner warmen, weichen Brust. Ich schluckte leicht und verdrängte diese Gedanken dann energisch. Die hatten hier nichts zu suchen. Jetzt wollte ich einfach nur einen kleinen Tanz mit meinem Chef genießen, wobei viele Blicke von umstehenden Mitarbeitern sich für einen kurzen Moment neugierig auf uns richteten..
"Dann ist ja gut..." Schließlich wollte ich mich auch nicht blamieren. "Tut mir Leid das ich dich hier mitgeschleppt hab..." entschuldigte ich mich bei ihr und lächelte sie an. Meine Hand ruhte auf ihrem Rücken, auch wenn ich sie lieber auf ihren Hintern gelegt hätte, aber vor meinen Eltern? Auch wenn ich sie nicht sah, war ich mir sicher das die beiden uns mit Adleraugen beobachteten.
Blamiert hätte er sich schon nicht, dafür hätte ich gesorgt. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Mann wie er nicht tanzen konnte. Ich spürte seine Hand auf meinem Rücken, die dann auch der Anlass war, weswegen ich mich behutsam ein Stückchen an ihn schmiegte. Seine Brust war angenehm warm unter seinem weißen Hemd... "Du brauchst dich wirklich nicht entschuldigen", grinste ich leicht und bewegte mich mit ihm im Takt der langsamen Musik hin und her. Ich kam mir zwar ein wenig beobachtet vor, aber das blendete ich gerade bestmöglichst aus.
Irgendwie entschuldigte ich mich sehr häufig bei ihr. Heute jedenfalls. Ich lächelte leicht, als sie sich näher an mich wagte und beugte mich zu ihr herunter. Wir tanzten eine Weile einfach schweigend weiter und ich genoss es in dem Moment einfach ihr Nahe zu sein. Sanft strich ich über ihren Rücken, als die Musik langsam endete. Ich beugte mich zu ihr. "Lass uns verschwinden..." raunte ich an ihr Ohr und grinste breit. Ich konnte mir einiges Schöneres vorstellen, als die vielen Reden, die nun folgen würden. Ich zog sie von der Tanzfläche zu unserem Tisch, jedoch nur um unsere Jacken zu holen.
Auch ich genoss den gemeinsamen Tanz. Ich mochte Lewis. Wir kannten uns zwar kaum und ich war schon noch ziemlich misstrauisch, aber prinzipiell mochte ich ihn. Nur wie würde das alles weitergehen, wenn ich erst mal verheiratet war. Dann könnte ich sicherlich nicht wieder so eng mit Lewis tanzen. Ich wollte nicht heiraten...war doch noch viel zu jung. Aber in ein paar Monaten würde es passieren. Irgendein wildfremder Mann würde mich begrapschen. Hrmpf. Der würde einen gepflegten Tritt in die Eier bekommen. Das Lied war zu Ende. Wir lösten uns langsam voneinander und er zog mich mit zu unserem Tisch. Leise lachend folgte ich ihm, schnappte mir meinen Mantel und die Clutch, dann sah ich auffordernd zu Lewis. "Wohin denn, wenn ich fragen darf?" Neugierig sah ich ihn an, während wir den Club verließen.
Ich ging neben ihr her. "Wohin auch immer du willst... soll ich dich nach Hause fahren?" Ich sah sie an und ging langsam zu meinem Wagen. Ich hatte an den Gesichtern meiner Eltern ablesen können, was sie von meinem plötzlichen Aufbruch hielten. Auch hatte ich mich nicht verabschiedet, was sie zusätzlich wütend zu machen schien. Ich musterte Annabelle. Schon wieder hatte sie diesen nachdenklichen Blick drauf, den ich mir einfach nicht erklären konnte. Es schien sie etwas zu bedrücken, doch ich wollte mir damit nicht meine Laune verderben.
Ich nickte langsam. Ja, von mir aus konnte er mich nach Hause fahren. Meine Mutter war immer noch nicht da, die Arbeit rief sie. War ja ein kurzer Besuch bei dem Ball hier gewesen. Und dafür hatte er so viel Geld für das Kleid ausgegeben... Aber er meinte ja, das würde ihm nichts ausmachen. In meiner Hinsicht stand ich wirklich tief in seiner Schuld, aber das schien er nicht so recht akzeptieren zu wollen. Wir schlenderten zu seinem Auto. "Ja, kannst du ruhig machen. Ich hoffe nur, dass ich meinen Haustürschlüssel habe." Schief grinsend sah ich kurz zu ihm auf, wobei das Grinsen langsam in ein Lächeln umschlug.
"Schau besser jetzt nach, dann können wir vielleicht zu mir, bis jemand bei dir zu Hause ist..." Nein, ich hatte keine Hintergedanken dabei. Ich wollte in dem Moment einfach nur nett sein und sie nicht Minuten oder gar Stunden vor ihrer Haustür rumstehen lassen. Ich ließ mir meinen Wagen holen und stieg dann ein. Abwartend sah ich zu Anna und erwiederte ihr lächeln, wenn auch etwas unsicher. Ich brauchte dringend Alkohol. Jedoch wäre ich nie auf die Idee gekommen, bei der Veranstaltung zu trinken. Nicht vor meinen Eltern. Auch wenn ich sonst sehr gegen die beiden rebellierte, in dieser Hinsicht war ich doch ein lieber Junge.