Riccarda Ann Er hatte schon richtig gehört. Ich war gespannt, wie er auf meine Familie reagieren würde. Immerhin sagte er ja selber, dass er in den ganzen Haufen nicht hineinpasste, was ich auch gut und gerne glaubte, aber dennoch bezweifelte ich, dass da nur einfache Akzeptanz drinnen steckte. Vielleicht lag es auch einfach in seinen Wurzeln, dass er es dann bei mir daheim schrecklich fand, aber ich fand es hier auch nicht gerade zum Schießen, aber konnte es ertragen. Mich interessierte es, ob er sich ebenfalls unter sich hielt und somit mein Verhalten hier auf ihn weiterspringen würde, wenn wir dann mal unter Meinesgleichen waren. War gut vorstellbar, aber Isaac war ja gerne für ein paar Überraschungen zu haben und deshalb wollte ich es nicht ausschließen, dass er mir dort eine fette Szene machte und sich wie der letzte Affe aufführte. Im Moment war ihm noch immer alles zuzutrauen und ich fand es eigentlich recht mutig, dass unsere Eltern da der gleichen Meinung waren, dass wir abwechselnd mal in bei den Wölfen und mal bei den Engeln wohnen sollten. Nette Idee, weil man so der Bevölkerung zeigte, dass man doch ach so gut miteinander klarkam, aber im Grunde war es doch voll das Risiko, weil man nie wusste, ob jemand von uns blöde Gedanken hatte und demnächst jemanden umlegte. Bei dem Werwolf vielleicht eine größere Gefahr als bei mir, aber ich hatte bestimmt keine große Sauerei, wenn ich mir einen Pelzmantel besorgen wollte. Recht primitive Gedanken, die ich so eigentlich gar nicht haben wollte, die sich aber immer wieder in mein Bewusstsein schlichen, als würde es da keinen Schalter zum Abstellen geben. „Es ist nur die Frage ob du den Unterschied zwischen auf die Nerven gehen und kümmern kennst“ ich sah ihn dann einmal länger fest an, weil es mich wirklich interessierte, ob er einfach jeden Beistand ablehnen würde oder vielleicht doch mit sich reden ließe. Wir hielten nichts von Gewalt, Streitdiskussionen und anderen schlechten Einflüssen, die die Harmonie zerstören konnten. Besonders meine Mutter und ihre Schwestern waren da sehr heikel, wenn es um den Haussegen ging. Der durfte nicht einmal einen Millimeter schief hängen, sonst wäre schon wieder etwas in der Luft, das man schleunigst bereden und aus der Welt schaffen musste. Anstrengend, aber dadurch kam es auch zu keinen Konflikten, die die ganze Verwandtschaft in zwei Parteien spaltete. Ich wollte nicht direkt sagen, dass es hier keinen Zusammenhalt in der Familie gab, aber dennoch fühlte ich mich ein wenig überflüssig und hatte langsam die Angst, dass Isaac auch irgendwann mal das Gefühl bekam und etwas sehr Dummes anstellte. Vielleicht half es ihm ja sogar, wenn er mal eine Zeit lang Abstand zu seinem Vater bekam… Gott, es war doch eigentlich dämlich, dass ich mir so viele Gedanken über ihn machte, dabei bräuchte ich das doch nicht einmal tun. War ja schon schlimm genug, dass ich mir vielleicht klitzekleine Sorgen machte, dass er es bei seinem Alpha zu weit trieb und es böse endete. Ich sollte das einfach nicht zu nahe an mich ran lassen, denn es ging mich echt nichts an, aber wegschauen konnte ich auch nicht mehr. Dazu hatte ich entschieden zu viel gesehen und gehört.
Isaac Ehrlich gesagt war ich mir nicht mal sicher, ob es da überhaupt einen Unterschied gab, haha. Nein, also jetzt mal ernsthaft... ich glaube, wenn die Engel wirklich damit anfangen sollten, mich von vorne bis hinten zu betüddeln und auch ja dafür sorgen wollten, dass ich mich in ihrem Hause wohl fühlte, würde ich ihnen früher oder später ins Gesicht sagen - oder schreien, knurren, was auch immer -, dass sie das gefälligst lassen sollten und mir einfach nur Ruhe gönnen und ab und zu ein Steak vor die Nase halten sollten, ernsthaft. Alles was ich brauchte, um mich da wohlzufühlen, war frisches Fleisch und genügend Abstand zum Engelsvolk. Wenn sie mir nach laufen würden, um mir auch ja einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, würde ich davon bloß halb wahnsinnig werden und wie gesagt wahrscheinlich gerne einen Amoklauf starten. Ich war am Anfang ja schon halb wahnsinnig geworden, wenn nur Riccarda in meiner Nähe war... inzwischen hatte ich mich beinahe daran gewöhnt, auch wenn es immernoch ein wenig unangenehm war. Mit einem Engel kam ich klar, aber mit einer ganzen Familie davon? Da war ich mir ehrlich nicht so sicher und es würde sich wohl auch erst herausstellen, wie ich das ganze überstehen würde, wenn es denn dann so weit war und ich für einige Tage im Engelshaus untergebracht war. "Da gibts 'nen Unterschied?" sagte ich, wobei da wieder so ein kleines bisschen Sarkasmus in meiner Stimme mitschwang. Musste einfach sein, passte da jetzt und sorgte dafür, dass da nicht mehr der Anflug von Unwohlsein war. Ganz ohne Sarkasmus und Ironie ging es meinerseits wohl doch einfach nicht, aber meine noch folgenden Worte klangen doch ein ganzes Stück weit ruhiger und wieder ein wenig ernster. "Ich brauch niemanden, der sich um mich kümmert. Ich glaube, das werden deine Verwandten auch ziemlich schnell mitkriegen." sagte ich, wobei ich sie dann doch wieder ansah. Ich brauchte zwar gewissermaßen einfach einen Familienverband, weil ich mich sonst... sagen wir mal 'leer' fühlte, aber ich brauchte niemanden, der sich um mich kümmerte. Ich kam sehr gut alleine klar und brauchte ganz gewiss keine Engel, die sich um mein Wohlergehen kümmerte. Soweit kams noch.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Logisch. Ich verdrehte leicht die Augen und wandte den Blick auch wieder ab. Wenn er auf einmal so cool machen musste, dann sollte er das ruhig machen, denn ich würde ihn nicht davon abhalten. Er konnte machen was er wollte, aber meine Familie war dennoch so weit dahinter, dass nichts zu Bruch kam und er nicht das ganze Schloss auf den Kopf stellte oder die gesamte Parkanlage um das Schloss herum umgrub. Darauf würden sie dann ja doch recht beleidigt riskieren und sie konnten ihm den Aufenthalt ja auch zur Hölle machen und ihm dann erst recht auf den Geist gehen. Im Nerven war speziell meine jüngere Verwandtschaft, also die Cousinen und so, besonders begabt und die konnte ich ihm gerne mal auf den Hals hetzen, wenn er mir dämlich kam. Hach wie freute ich mich doch darauf endlich meine Ass ausspielen zu können, wenn sich der starke Wolf dann nicht einmal richtig wehren konnte, weil es bestimmt nicht so gut für ihn war, wenn er ein unschuldiges Engelchen auf dem Gewissen hatte. Ob ich dann schlussendlich wirklich so gemein war, war dahingestellt, aber ein Gedanke war es vorerst auf jeden Fall wert! Der beruhigte nämlich auch und ließ mich daran denken, dass ich mit ihm noch eine lange, lange Zeit vor mir hatte. „Ja, den gibt es eigentlich schon, aber die Frage ist, ob du ihn erkennen kannst, mit deiner Intelligenz“ und da war er wieder der viel geliebte Sarkasmus. War mir ja beinahe schon abgegangen, wenn sich der nicht so zügig wieder eingestellt hätte. Mir entging dabei aber nicht, dass Isaac immer der war, der dann mit dem ironischen Antworten begann und ich passte mich da mehr an, weil ich ihm Gegensatz zu ihm einfach bereit war über was Ernstes zu reden und so erwachsen sein konnte, um über meinen Schatten zu springen „Dann erklär ich’s mal für die ganz Langsamen unter uns. Wenn sie dich fragen, was du essen willst, dann kümmern sie sich um dich. Wenn sie dich aber fragen, wie es dir eigentlich geht, dann werden sie dich einfach nur nerven, weil du mir glauben kannst, dass von denen niemand auch nur ansatzweise Bock haben wird mit dir zu sprechen oder dich in ihrer Gegenwart haben wollen. Ihnen gefällt es genauso wenig wie deinen Leuten hier, dass dann auf einmal jemand aus dem verfeindeten Lager durch die eigenen Reihen spaziert und vielleicht noch so miese Laune verbreitet.“ Okay, tief ein und wieder ausatmen. Nur ruhig bleiben, auch wenn er mich schon wieder ein bisschen zu reizen begann, aber so war es nun mal und ich wollte mich doch eigentlich davon nicht beeindrucken lassen. Nein, nicht mit mir, darauf hatte ich echt keine Lust, weshalb ich das wieder bleiben ließ und nichts mehr dazu zu sagen hatte.
Isaac Ha, ha... selten so gelacht, ehrlich. Sie bewies mir wieder einmal, dass sie es einfach nicht lassen konnte, zu behaupten, ich sei nicht grade hell in der Birne. Es mochte vielleicht sein, dass mein Allgemeinwissen ein wenig zu wünschen übrig ließ, weil ich mich immer lieber mit anderen Dingen - Frauen, Partys, Alkohol... hach ja, die Jungend, haha - beschäftigt hatte, aber mein Gehirn funktionierte bestens und ich wusste es auch einzusetzen. Riccarda schien davon nach wie vor nicht überzeugt zu sein. Ich fragte mich nur, wieso sie schon wieder beleidigend werden musste. Ich hatte gerade eben lediglich ohne Ernsthaftigkeit in Frage gestellt, dass es zwischen Nerven und Kümmern in Hinsicht auf Engel einen Unterschied gab. Sie hingegen musste wohl einfach wieder darauf zurück greifen, sich über meine - ihrer Meinung nach wohl nicht vorhandene - Intelligenz lustig zu machen und über mich her zu ziehen. Und zu den 'ganz Langsamen' zählte ich auch keines Wegs, aber sie schien es ja einfach nicht lassen zu können, sich immer wieder über mich lustig zu machen. Ich hielt mich, was das anging, schon die ganze Zeit beabsichtigt ein wenig zurück, wobei mir ab und an durchaus beleidigende Wörter und Sätze auf der Zunge lagen, ich diese aber wie gesagt einfach besser für mich behielt. Der Engel neben mir konnte das aber offensichtlich nicht lassen und es nervte mich, obwohl man meinen sollte, dass das alles inzwischen zum einen Ohr rein und zum anderen raus ging. Ich war aber nunmal nach wie vor jemand, der leicht zu provozieren war. So richtete ich mich auf, um mich leicht über sie zu beugen, mir ihre Handgelenk zu nehmen und sie leicht in die Matratze zu drücken. Keinesfalls so, dass es ihr unangenehm sein würde, aber einfach, weil mir persönlich dadurch das Gefühl gegeben wurde, sie in der Mangel zu haben. Sie würde zwar mit ihren Händen wieder locker meine Haut verbrennen können, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie das nicht machen würde, solange ich ihr nicht weh tat... und das tat ich ja nicht, ich hielt sie nur fest. "Warum musst du immer beleidigend werden, hm? Ich geb mir schon Mühe, dir nicht ständig irgendwas... sagen wir Unschönes ins Gesicht zu sagen und du fängst trotzdem immer wieder damit an." sagte ich und kniff die Augen leicht zusammen, sah sie an. Ich meine ja, klar, sie hatte wieder den Sarkasmus eingefügt, aber der machte es nicht besser, wenn Sätze beleidigende Dinge enthielten, war nunmal so. Und wir wussten hier alle, dass ich Dinge gerne zu ernst nahm und mich unnötig drüber aufregte.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Hoppla, das ging da doch gerade ziemlich schnell, was mich ein wenig überraschte und ihn überrumpelt anschauen ließ. Aber mindestens genauso schnell hatte ich mich in der Situation wiedergefunden und machte kein Drama mehr draus, obwohl ich mich nicht gerade wohl fühlte, wenn ich da so lag und die Arme in die Matratze gedrückt bekam. In anderen Momenten konnte das durchaus verlockend sein, wenn ein attraktiver Mann so über mir war, aber es war Isaac und da war gerade gar nichts schön dran, was er mir auch weiterhin bewies. Es zeigte nur, dass ich damit endlich mal einen wirklich wunden Punkt gefunden hatte und er nicht immer so tun musste, als wäre er unverwüstlich und einfach nur zu stolz, um sich seine Schwachpunkte einzugestehen – das kotzte mich nämlich einfach nur abartig an und das hier hatte gerade gute Ansätze, um sich zu einem Streit zu entwickeln, der sich aber ordentlich gewaschen hatte. Wenigstens tat er mir nicht weh, was er sich aber hoffentlich fünf Mal überlegte, weil ich ihm dann ohne Probleme oder mit der Wimper zu zucken ein paar Brandblasen machen konnte, die weniger toll aussahen und gewiss ein bisschen brauchten, um zu verheilen. „Weil das die einzige Möglichkeit ist dich endlich einmal normal reden zu lassen. Du versteckst dich wie der größte Feigling hinter deiner arroganten Art und tust so als würde dich die ganze Welt mal kreuzweise können, aber dann zeigst du wieder, dass du vielleicht auch mal normal unter den bestehenden Umständen sein kannst.“ Ich sah ihn ebenso fest an, wie er mich gerade im Visier hatte. Wir konnten das gerne bereden, ich hatte damit kein Problem „Ich bin dir auch dankbar dafür, aber mit mir kann man trotzdem in einem komplett alltäglichen Stil reden, ohne alles sarkastisch zu meinen und was auch immer. Anscheinend kommt man nur zu einem halbwegs anständigen Gespräch, wenn man dich vorher hinter deiner ach so coolen Fassade hervorholt und das funktioniert nur mit Beleidigungen, wie du mir schon wieder perfekt demonstriert hast“ er trug vielleicht nicht die ganze Schuld, aber mir ging es einfach auf den Keks, dass er es nie normal sagen konnte, wenn etwas war oder wie auch immer. Man musste immer erst schimpfen oder sonstige Maßnahmen ergreifen, dass er endlich mal sein wahres Gesicht zeigte und ich mich nicht nur mit einem mürrischen Typen unterhielt, der doch eh nur alleine sein wollte. „Ich lass mich lieber von dir anfauchen und in die Ecke drängen, als mit irgendeinem miesgelaunten, scheinheiligen Typen zu reden, dem doch eh alles egal ist.“
Isaac Ach, so war das also. Fand sie es besser, wenn ich sie mit meinen Händen auf der Matratze festnagelte? Es gefiel ihr also besser, wenn ich Streit anzettelte, als wenn ich nunmal eben alles mit Sarkasmus und Ironie versah, um besagte Streits zu vermeiden? Wobei, nein... in dem Falle war nicht ich derjenige, der den Streit entfachen würde, sondern der sonst so unschuldige Engel, der sich mehr oder minder unter mir befand. Also am liebsten hätte ich ihr gerade wirklich den Hals umgedreht... also den Hals umgedreht im Sinne von Genick brechen, ja? Nur, um mir das selber nochmal zu erklären, weil ich ja zu DEN LANGSAMEN gehörte. Pah, das ich nicht lache. Und ein Feigling war ich laut ihrer Aussage gerade eben ja auch noch. Ich mochte vieles sein, aber ein Feigling war ich ganz bestimmt nicht. Das war ich genauso wenig, wie ich langsam war. "Und wovor verstecke ich mich deiner Meinung nach?" erwiderte ich vorerst bloß mit sehr scharfem Tonfall. Und das ich arrogant war... das war einfach Ich, dass war keine Fassade. Konnte sie sagen was sie wollte, ich war nunmal einfach eingebildet. Sowas wie Selbstzweifel hatte ich nur in den wenigsten Situationen... naja, was das anging, war mein Vater ein Punkt, den man erwähnen musste. Wie gesagt hatte ich zwar keine Angst vor ihm, den Respekt hatte ich auch schon lange verloren - sonst würde ich ihm nicht immer so dreist entegegen treten und ihm die Meinung pauken -, aber auf einen Kampf ließ ich es ja doch nie hinaus kommen, sondern zog mich vorher zurück... oder ließ mir einen der inzwischen schon gewohnten Schläge verpassen. Hrmpf. Ich konnte nunmal einfach nicht einschätzen, wie es um seine körperliche Verfassung stand und sterben wollte ich dann doch nicht. Dazu war ich mir selber zu wichtig. "Mir ist gar nichts von dem hier egal, Riccarda." War es wirklich nicht. Mir ging der ganze Scheißdreck hier wahrscheinlich wesentlich mehr an die Nieren, als dem Engel. "Aber okay, schön. Wenn dir das lieber ist, dann streiten wir uns wieder den ganzen Tag." Ein leises Knurren meinerseits ließ sich nicht unterdrücken. Sie reizte mich, brachte mich auf die Palme. Zwar war noch nicht auf Rot umgeschalten, aber ich konnte durchaus wieder ein wenig Wut in mir aufsteigen spüren. Die von vorhin war ja noch nicht einmal gänzlich versiegt gewesen, da war das hier wohl nicht unbedingt ein günstiger Zeitpunkt für einen Streit.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann „Wenn ich das wüsste, dann würde ich es wohl nicht wissen wollen“ meinte ich selber ebenfalls ein wenig gereizter und zwang mich aber weiterhin zur Ruhe, weil das sonst alles wenig brachte. Ich durfte einfach nicht die Nerven verlieren und musste da wieder runter kommen, weil es sonst eh zu nichts führen würde. Es sah ziemlich aussichtslos aus, wenn ich in dieser Art mit ihm reden wollte und Isaac nahm es nicht gerade gut auf, was ich vorher hätte bedenken müssen. Okay, das war jetzt wirklich mein Fehler, aber mal schauen, ob sich das wieder richten ließ, aber vorher musste ich mir das halt noch von der Seele reden. „Es kann ja schon sein, dass du deine Ruhe willst oder dass es dich einen Dreck interessiert, was andere von dir denken, aber mir ist es nicht egal, was die Leute von mir denken und wenn ich jetzt nun mal an dir dran hänge, dann ist mir das auch nicht mehr egal, was die Leute von dir sagen. Es kommt halt so rüber, dass du vor irgendetwas davon läufst, wenn du alle nur von dir wegstößt und den starken Einzelgänger markierst.“ Sein Knurren schüchterte mich schon längere Zeit nicht mehr, das konnte er sich also mal ersparen und lieber die Luft anhalten, wenn er meinte hier wieder einen Wolf machen zu müssen. Nein, ich dachte schon wieder voll in die falsche Richtung und das ärgerte mich schon langsam auch. Anscheinend brauchte ich einfach etwas oder besser gesagt jemanden, über den ich mich aufregen kann und den ich beleidigen konnte, wenn mir gerade alles ein bisschen zu bunt wurde, obwohl dazu nicht einmal Worte benötigt wurden. „Warum tust du dann so? Sag mir doch bitte nur einen einzigen Grund“ fragte ich schlicht nach und verhielt mich weiterhin ruhig unter ihm, weil ich ihm in so einer Situation so ziemlich alles zutraute und dann natürlich auch, dass er mir hier einfach so was brechen konnte. Naja, meine Knochen waren zwar stärker als die eines normalen Menschen, denn ein bisschen Schutz brauchten wir ja auch, aber mit seiner wölfischen Kraft, konnte er mir ohne große Mühen locker das Handgelenk ruinieren, dass er da so fest im Griff hatte „Ich möchte wirklich nicht mit dir streiten… ich würde dich einfach nur gerne ein Stück weit verstehen können“ es war mir wirklich ernst und ich war mir auch absolut sicher, dass ich den meisten Zorn runtergeschluckt hatte und nicht mehr darauf verbissen war, ihm nur mehr ein Dorn im Auge zu sein. Die Tage lagen in der Vergangenheit, sollten nicht so schnell wieder an die Oberfläche zurückkehren und waren eindeutig nicht gut für unsere Beziehung, wobei ich nicht Liebe oder Zuneigung meinte, sondern eher, dass wir ohne Probleme miteinander klarkamen.
Isaac Ich sags ja - ich verstecke mich nicht. Vor gar nichts. Sie konnte mir ja nicht mal sagen, wovor ich mich ihrer Meinung nach versteckte. Ich konnte ihr keine Antwort darauf geben, wenn es gar nicht der Fall war, punkt. Und ja, mir war in der Tat ziemlich egal, was die Bevölkerung von mir dachte. Es kursierten doch ohnehin massenhaft Gerüchte, die sich nicht einfach so ersticken ließen, die sich nicht beseitigen ließen... und wohl auch zum Teil der Wahrheit entsprachen. War nunmal kein Geheimnis, dass ich schon die eine oder andere Nacht hinter Gittern hatte verbringen müssen, auch wenn meine Familie das immer gut zu vertuschen versucht hatte. Mit jemandem, der in Hass und Gewalt aufgewachsen war, sollte man sich nunmal einfach nicht anlegen und das hatten so einige Sterbliche schon zu spüren kriegen müssen. Dass ich mich zudem gerne mit Frauen vergnügt hatte, war auch kein Geheimnis und so bastelte sich die Bevölkerung einfach das gewisse Bild von mir selbst zusammen, wobei sie ja alle absolut keine Ahnung hatten, was eigentlich alles hinter dem steckte. Riccarda wusste es - mehr oder weniger - und verurteilte mich dennoch. "Wenn man die Angewohnheit hat, sich so gut wie jeden Tag mit dem Alpha anzulegen, dann wird man nunmal Einzelgänger." Zumindest in wölfischer Sicht. Es wollte nunmal niemand riskieren, dass es so aussah, dass man sich auf meine Seite stellte... also wurde grundsätzlich Abstand gehalten, um nicht in den Konflikt mit reingezogen zu werden. "Ich hab mich lange dagegen gewehrt, das kannst du mir glauben. Aber irgendwann kannst du nicht mehr und ich wars einfach leid, ständig unterdrückt zu werden." grummelte ich vor mich hin. Das war nunmal eben das, was den Einzelgänger aus wölfischer Sicht anging... außer meinem Cousin gab sich ja niemand mit mir ab, außer meiner Mutter natürlich. Aber sie war ja auch kein Wolf und wurde somit in solche Dinge gar nicht mit einbezogen. Sie war fester Bestandteil des Rudels, keine Frage, aber ebene auf eine andere Art und Weise. So hatte sie also eine Antwort darauf, wieso ich den starken Einzelgänger gab. Wären die Fronten zwischen Engeln und Wölfen nicht so angespitzt, hätte mein Vater mich wohl schon längst aus dem Rudel verbannt. Aber so befürchtete er wohl einfach mich auf seiner Seite zu brauchen, sollte es zu einem Kampf kommen. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich überhaupt für so jemanden kämpfen wollte. Und nunja, menschliche Freunde suchen kam für mich auch nicht in Frage... mochte Menschen nicht, waren schwach und zerbrechlich. Unwissend. Da ich mich ja bekanntlich ohnehin so schlecht unter Kontrolle hatte, war das ohnehin keine gute Idee. Naa, also Menschen als Freunde, so weit kams noch. Und warum ich so tat, als ob mir das alles hier egal war? Hm-hm. Ehrlich gesagt war das eine verdammt gute Frage, über die ich selber erstmal einen Moment lang nachdenken musste und es war nicht leicht, eine Antwort darauf zu finden. Ich musste ein wenig tiefer graben, um zu merken, wo eigentlich die Ursache dafür lag. "Ich schätze, dass ich mir das so über die Jahre angeeignet habe, weil... Emotionen einfach Schwäche bedeuten. Oder zumindest bedeuten können... zeigt man keine Emotionen, wird nicht so leicht erkannt, wo die Schwachpunkte liegen." murmelte ich und zog mich doch langsam wieder ein Stück zurück, ließ ihre beiden Handgelenke los und saß letztendlich beinahe ein wenig wenig verloren neben dem Engel auf dem Bett herum. Gosh, seit wann erzählte ich ihr freiwillig, was in meinem Kopf vorging? Ich war mir nicht sicher, ob ich das nun gut oder schlecht finden sollte. Einerseits hatte ich dann mit Riccarda einfach jemanden, mit dem ich doch wirklich reden konnte. Andererseits wusste ich aber nicht, ob ich es gut finden sollte wenn sie wusste, was in mir vorging.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Zuerst hörte ich ihm einfach nur stumm zu. Ja, ich hatte schon mitbekommen, dass er sich nicht gerade wie der unterwürfigste Wolf im Rudel oder gegenüber dem Alpha verhielt, aber das bedeutete doch nicht sofort, dass man sozusagen zum Ausgestoßenen wurde. Ich dachte immer, in einem Wolfsrudel war die Familie von oberster Priorität und da passte es halt einfach nicht in meinen Kopf hinein, dass der eigene Vater seinen leiblichen Sohn nicht anerkennen wollte oder was auch immer ihre Probleme miteinander waren. „Ich hab verstanden, dass du dich mit deinem Vater nicht verstehst und das kann ich auch akzeptieren, weil es nicht meine Eltern sind. Was mir nur nicht eingehen will, ist, warum ihr euch einfach nicht mehr ertragen könnt, dass nicht mal mehr deine Verwandten mit dir reden wollen“ das klang in meinen Ohren so übertrieben nach einem stark verletzen Stolz, aber ich konnte auch nur raten, was da mal vorgefallen war und es ging mich ja nichts an, weshalb ich irgendwie nicht mal mit einer Antwort auf diese Gedanken rechnete. Isaac brauchte ja nur zu wissen, dass mir seine Familie ein ganz schönes rätsel war und ich weder aus dem verhalten seiner Eltern, noch aus seinem Benehmen schlauer wurde. Dieses fremde Schloss war absolutes Neuland für mich und ich fand mich eigentlich gar nicht zurecht – überraschte mich nicht sonderlich, aber war auch nicht gerade aufbauend – was aber nicht bedeutete, dass ich wie ein Einzelgänger herumlief. Wenn mich jemand ansprach, dann redete ich freundlich zurück… okay, ich war reserviert und so, aber dennoch stänkerte ich nicht gleich wie bei meinem Ehemann herum, weil das traute ich mich bei den anderen Werwölfen dann ja doch nicht so wirklich. „Man macht sich selber mehr zum Einzelkämpfer als alle anderen zusammen“ stellte ich mal eine Spur vorsichtiger in den Raum hinein und beobachtete seine Reaktionen. Es war doch schon mal was, dass er seinen Griff um meine Handgelenke löste und auch so ganz von mir runterging. Dadurch konnte ich mich ebenfalls aufsetzen und schaute ihn nachdenklich an. Auf einmal saß da ein anderes Isaac Garcia vor mir, den ich so noch nie zu Gesicht bekommen hatte und ich wusste gerade überhaupt nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Genauso wenig wollte ich aber eine Stille aufkommen lassen, die dann nur drückend und unangenehm auf uns lag und gerade gerne vermieden wurde. „Wut, Hass, Zorn. Das sind alles Emotionen, mit denen du dich auskennst, die du auch offen zeigen kannst, aber die haben genauso etwas mit Schwächen zu tun. Was ist so falsch daran, wenn du dich über etwas freust oder einfach nur mal glücklich bist?“ jetzt wollte ich erst recht nicht mehr mit ihm streiten und sah selber ein wenig auf meine Finger, aber da blieben sie nicht lange, denn mein Blick glitt immer wieder ruhig zu dem jungen Mann neben mir auf dem Bett hinüber, der grad ein bisschen was von seiner Größe verloren zu haben schien, aber als Nachteil sah ich es deshalb trotzdem nicht direkt an. Es war mehr eine knifflige Lage, weil ich überhaupt keine Idee hatte, wie ich da dann mit ihm umgehen sollte und das halt einfach einmal ausprobierte. Streiten konnten wir immer noch, falls das so nichts wurde.
Isaac Ich würde behaupten, dass das mittlerweile einfach daran lag, dass sowohl mein Vater, als auch ich selbst viel zu stur waren, um dem anderen nachzugeben. Ich hatte nicht viel von meinem Vater, aber das stur sein konnte ich nur von ihm haben. Wir redeten auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr wie normale Menschen - oder eben wie 'normale' Werwölfe - miteinander, weshalb sich die Lage gar nicht entspannen konnte. Ich sah es aber auch ums verrecken nicht ein, einem so herrischen Typen, der sich leider Gottes meinen Vater schimpfte, nachzugeben und mich ihm wieder strikt unterzuordnen, ihm ausnahmslos zu folgen und einfach alles kommentarlos zu akzeptieren, was der Alpha anordnete. Nein, das kam für mich einfach absolut nicht in die Tüte und so würde es wohl auch einfach keine Versöhnung mehr geben. Mein Vater würde nämlich ganz bestimmt nicht einlenken und mit ruhigen Worten auf mich zugehen... haha, nein, diese Vorstellung war für mich einfach nur absurd und so würde es wie gesagt auch nicht kommen, da war ich mir sicher. Und wieso der Rest der Familie nurnoch ungern mit mir sprach hatte ich ja eben schon in Gedanken durchgekaut. Das war denke ich mal einfach eine Wolfssache, die Riccarda nicht nachvollziehen können würde. Naja, vielleicht konnte sie das schon, aber sie würde sich nicht richtig in einen Wolf hinein versetzen können. Dazu waren wir nunmal doch einfach viel zu unterschiedlich. Und ja, vielleicht mochte sie damit Recht haben, dass ich es mir auch ein Stück weit selbst zuzuschreiben hatte, mehr oder minder inzwischen fast ganz alleine dazustehen. Aber das kratzte mich schon seit einiger Zeit nicht mehr wirklich... mittlerweile war ich es einfach so gewohnt, die meiste Zeit auf mich allein gestellt zu sein, hatte einfach gelernt damit umzugehen. Bevor ich im Stande war, mich von den Gedanken zu lösen und Riccarda zu antworten, setzte sie aber auch schon zu ihren nächsten Worten an und es fiel mir beinahe schwer, mich darauf zu konzentrieren, ihr zuzuhören. Ich war einfach in Gedanken versunken und mein Blick musste auch etwas leer wirken, nehme ich an, war schlicht auf die Bettdecke vor mir gerichtet. Aber haha, glücklich sein, mich freuen... ehrlich gesagt wusste ich nicht, wann ich zuletzt mal sowas wie ein Glücksgefühl verspürt hatte. Außer bei Sex, meine ich, das zählte ja in dem Fall nicht unbedingt. Fand ich zumindest, naja. Das war einfach eine Sache für sich. "Ganz ehrlich? Ich kann mich nicht mal dran erinnern, wann ich das letzte mal ernsthaft glücklich war." sagte ich ein klein wenig trocken, wobei ich nur kurz mal mit den braunen Augen zu dem Engel rüber sah, bevor mein Blick wieder auf die Bettdecke geheftet war.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Autsch. Es war irgendwie echt traurig, wenn er das von sich behaupten konnte und vielleicht verstand ich jetzt ja sogar, warum er so verbittert war. Er kam mir schon beinahe wie ein Rentner vor, der einfach nichts mehr mit seiner überschüssigen Zeit anzufangen wusste und deshalb den lieben langen Tag über alles und jeden zu schimpfen begann. Wenn es zu heiß war, dann konnte ruhig mal ein kühlender Schauer vorbeikommen. Wenn es zu kalt war, dann sollte die Sonne doch endlich hinter der Wolkendecke hervorbrechen. Wenn die Kinder so laut waren, dann war es eine anstrengende Ruhestörung und wenn keine Kinder zu hören waren, dann war das, weil die Frauen der heutigen Zeit keine Kinder mehr haben wollte und sich lieber auf den Beruf konzentrierten, der aber eigentlich von einem Mann gemacht werden sollte. Dadurch verlief dann eines ins andere und der arme, verlassene Rentner wurde Opfer seiner Einsamkeit und der Zeit, in der er sich über den Rest der Welt aufregen konnte. Irgendwie war es ein wackliger Vergleich zu Isaac, aber wenn man den Sinn dahinter verstand, dann würde man auch meine Gedankengänge nachvollziehen können. Schließlich sagten speziell diese alten Pensionisten dann, das Leben früher war viel besser und ich traute mich wetten, dass der Werwolf hier ebenfalls sagen würde, dass es damals einfach leichter und erträglicher war. Mein Problem war halt, dass ich mit diesen meckernden Alten kein Mitleid hatte und nun auch ziemlich unentschlossen war, ob ich das vielleicht mit dem Kerl da neben mir haben sollte. Ich an seiner Stelle würde mich wahrscheinlich über ein wenig Trost oder Beistand freuen, aber sein Stolz konnte mein Mitgefühl ganz schnell wieder falsch deuten und in der einen Hinsicht wollte ich ihm mal ausnahmsweise nicht absichtlich auf die Füße treten. War bestimmt kein amüsantes Leben, wenn man kein Glück oder halt Freude empfinden konnte „Nicht einmal im Training oder während der Jagd?“ fragte ich nach, denn das konnte doch nicht sein, dass er ein so trübsinniges Leben führte. Falls es aber doch der Wahrheit entsprach, dann wäre es aber eindeutig eine Erklärung für die tausend Ausrutscher, die er sich in der Öffentlichkeit mit drastischen Folgen eingehandelt hatte. Mir würde dann auch klar sein, weshalb er hunderte Frauen am Start hatte, denn da dürfte er wohl seinen Spaß haben, auch wenn ich diesen Bereich des Lebens mal als ungültig ansah. Diese Art Freude konnte man sich an jeder Ecke besorgen und war daher nicht ganz so stark zu rechnen.
Isaac Irgendwie war Stille ganz besonders jetzt unangenehm. Es waren nur wenige Sekunden, in denen ich auf Riccardas Antwort warten musste, aber sie kamen mir gerade beinahe wie eine halbe, drückende Ewigkeit vor. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich hier sitzen bleiben oder lieber gehen wollte. Es war einfach ein Stück weit ungewohnt und unangenehm, mit Riccarda über all das zu reden. Andererseits wäre ich ja doch wieder nur allein, wenn ich den Raum jetzt verließ. Einsamkeit einem Gespräch vorzuziehen, war gerade nicht unbedingt das, wonach ich mich sehnte, worauf ich erpicht war. Eher im Gegenteil. Also würde ich wohl doch einfach hier bei Riccarda sitzen bleiben, solange sie mich nicht von sich schob und wegschickte. Hier war ich mit den Gedanken, die gerade aus allen erdenklichen Richtungen auf mich einzuströmen schienen, ja wenigstens nicht alleine und ab und an wurde die Ruhe eben von Worten durchbrochen. Für den Augenblick schien auch ein wenig mehr in den Hintergrund zu rücken, dass ich es hier eigentlich mit einem Engel zu tun hatte, den ich abgrundtief hassen sollte, was bis vor einigen Tagen ja auch noch der Fall gewesen war. Aber gerade im Moment war das für mich vollkommen nebensächlich, spielte keine Rolle. Da war viel wichtiger, was mir gerade alles durch den Kopf schwirrte. Teilweise nur verschwommene Erinnerungen, dann aber doch wieder haarscharf gestochene Szenen aus meinem Leben, die ich lieber ganz gestrichen hätte. Alles in allem aber einfach viel zu viel auf einmal, weshalb ich froh darüber war, dass mir wieder Worte des Engels an die Ohren drangen. "Im Training ist der Kopf aus..." Ich zuckte ein klein wenig die Schultern. "...es lenkt ab, aber von Freude kann da auch nicht wirklich die Rede sein." erklärte ich, kam danach dann auch direkt auf den zweiten Punkt zu sprechen - das Jagen. "Mit dem Jagen is das so ne Sache... ich meine, man kriegt 'nen Kick, verfällt in den Blutrausch und das genieß' ich auch, aber es ist mittlerweile auch einfach zu was vollkommen alltäglichem geworden." sagte ich und seufzte leise. Doch, ich ging wirklich gerne jagen, das konnte ich nicht abstreiten. Aber wirklich eine Art von Freude oder Glückseligkeit löste das auch nicht aus. Es war mehr eine Art von Befriedigung, fühlte sich für ein paar Minuten wirklich gut an, verflog dann aber schneller wieder, als mir lieb war. War ungefähr so wie mit Sex, haha.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Es war interessant für mich zu sehen, wie leicht wir doch zwischen den Launen wechseln konnten. Zuerst war er wegen Langweile zu mir gekommen und wir hatten voller Sarkasmus übers Töten und allgemein meinen Mord geredet. Dann war ich wieder mal beleidigend geworden und wir hätten beinahe einen Streit vom Zaun gebrochen, sodass die Fetzen hätten fliegen können. Aber das war auch nicht eingetreten, sondern ein richtig ernstes Gespräch, das doch ein gesundes Maß an Bedeutung für Isaac zu haben schien. Sollte es mich jetzt freuen, da er mal normal mit mir sprach oder sollte es mich eher ein wenig traurig stimmen, dass sein Leben anscheinend so freudlos von der Bühne lief und ich ihm deshalb nicht einmal böse sein konnte, weil er nun mal so war, wie er war. Ein arrogantes, selbstverliebtes Wölfchen, das aber anscheinend seine Gründe dafür hatte. Boah, ich hasste es einfach nur, wenn meine Gene mich dazu zwangen, dass ich ihn verstehen wollte und einfach das Bedürfnis bekam ihm helfen zu müssen, selbst wenn er meine Hilfe vielleicht gar nicht wollte. Naja, er wusste ja wo die Tür oder halt das Fenster war, obwohl ich nicht glaubte, dass er den Weg hinaus auch durch denselben Weg nahm, wie er hineingekommen war und ich hatte auch die Eingebung, dass er gerade nicht so gerne alleine war, denn sonst hätte er sich das hier alles nicht anhören müssen, sondern konnte jederzeit gehen. Verpflichtet hierzubleiben fühlte er sich ganz bestimmt nicht. „Dann trainierst du also nur, um weiterhin gut auszusehen und dich abzulenken. Wovor lenkst du dich denn ab?“ fragte ich nach und fühlte mich gerade ein wenig wie eine berühmte Psychologin, die es gerade mit einem sehr schwierigen Fall zu tun hatte und noch immer keine Heilung in Aussicht stand, weil sich der misstrauische Patient erst jetzt öffnen wollte und selbst davon waren wir noch weit entfernt. Was sollte ich auch darauf sagen, wenn er meinte, dass es alltäglich wäre, wenn man unschuldige Waldbewohner kaltblütig umbrachte und dann roh runterschlang? Ja, das konnte ich einfach überhaupt nicht verstehen und beließ es daher auch dabei, weil ich mich seit dem einen Reh-Vorfall doch mehr damit abgefunden hatte und er dürfte auch mitbekommen haben, dass man mich bei so einer Sache nicht dabeihaben wollte. Da machte ich ihm nur seine Beute streitig und das trug zu keiner Freundschaft bei, auch wenn wir eigentlich viel mehr als Freunde sein sollten. „Was könntest du dir denn vorstellen, das dir Spaß macht? Du wirst ja irgendwelche einfachen Hobbys haben?“ konnte doch wirklich nicht so schwer sein ein bisschen Freude in seinem Leben zu finden und das dann halt zu verstärken. Kam hoffentlich wirklich durch, dass ich ihm ein wenig helfen wollte und keineswegs auslachen oder verpetzen würde, weil er endlich einmal begann ein bisschen was über sich zu erzählen.
Isaac Aber doch, ja... Blut und töten waren nach wie vor schöne Dinge. Damit hatte ich ab und an wenigstens kurz mal den Anflug von guten Gefühlen. Früher waren wir oft im Rudel jagen gegangen, als mein Bruder und ich noch jünger gewesen waren. Nicht, weil man uns die alleinige Jagd nicht zugetraut hatte, sondern einfach, weil Wölfe das so machten. Man jagte zusammen und teilte die Beute, ganz einfaches Prinzip... inzwischen war es eher der Fall, dass ich grundsätzlich alleine ging und auch der Rest der Familie immer nur in eher kleinen Gruppen unterwegs war, nie vollständig gemeinsam zur Jagd aufbrach. Um ehrlich zu sein war das eines der Dinge, die ich vermisste. Es hatte mir neben dem Blutrausch eben einfach ein Gefühl von Zusammenhalt gegeben. Ich hatte immer daran geglaubt, dass ich mich einfach auf die anderen verlassen konnte und wir am besten als Team funktionierten. Ich war mir auch sicher, dass ich das immernoch so empfinden würde, würden wir mal wieder gemeinsam auf die Jagd gehen - vorausgesetzt mein Vater ging nicht mit. Ich wollte partout nicht unter seiner Fuchtel stehen und Anweisungen von ihm nahm ich auch schon lange Zeit nicht mehr an. Zumindest kam es mir lang vor... wie lange genau es nun her war, dass ich mich das erste Mal richtig gegen ihn aufgelehnt hatte, wusste ich gar nicht mehr. Ich glaube, ich müsste 16 oder 17 Jahre alt gewesen sein, war mir aber nicht sicher. Auch, wenn ich es bestmöglich vertuschte, versuchte es nach außen hin nicht zu zeigen, vermisste ich solche Aktivitäten. Einfach die Dinge, die wir früher immer alle gemeinsam gemacht hatten... und wenn es nur ein verdammter Spieleabend während meiner Kindheit war, ich hätte sowas gerne zurück gehabt. Ganz egal, ob ich jetzt noch immer ein Fan von Brettspielen war, oder nicht. Einfach ein harmonisches Familienleben, ein normales, wölfisches Zusammenleben. Wieder im Team arbeiten, einander Vertrauen... letzteres war für mich im Bezug auf den Rest der Familie - meinen Cousin und meine Mutter ausgenommen - schon länger nicht mehr möglich. Aber zurück zum hier und jetzt - Riccarda hatte ja eben wieder was gesagt. "Von... allem, einfach allem." sagte ich, grummelte danach so ein klein wenig, nur kaum hörbar vor mich hin. "Sieht vielleicht manchmal so aus, als würd' mir das Spaß machen, aber der ständige Streit geht mir ziemlich an die Nieren... das is einfach was, das wiederum so gar nicht in meinen Genen liegt. Normalerweise wird das in einem einzigen Kampf zwischen Wölfen geregelt und gut is, dann hat sich sowas erledigt und alles is wieder im grünen Bereich. Aber bei meinem Vater und mir geht das schlecht..." sagte ich, den letzten Satz wieder eher nur gemurmelt. Mit dem Alpha war das wie gesagt eben einfach eine komplizierte Sache und ich konnte mich nicht so mir nichts dir nichts einem Kampf mit ihm stellen. Dafür war mein Leben mir dann doch gewissermaßen zu schade. "Hobbys haben is gut.." sagte ich mit einem Hauch von Sarkasmus. "Wie soll ich sowas wie normale Hobbys haben, wenn ich mich im Grunde nirgends außer in den eigenen vier Wänden und dem Wald aufhalten darf, hm? Mein Alter kriegt ja schon die Krätze, wenn ich mir nur Kippen bei dem Automaten um die Ecke hole, weil er denkt, dass ich mich mit dem erstbesten Passanten anlege und ihn abschlachte." meinte ich, wieder eher ein wenig trockener. Ja... seit dem einen oder anderen Vorfall bekam mein Vater ja schon seine Wutausbrüche, wenn ich mich ohne Ankündigung und vor allem ohne Begleitung in die Stadt hinaus wagte. So ging ich seinen Schlägen auch in dieser Hinsicht so gut wie möglich aus dem Weg. Und meinen Cousin zählte er nicht als verantwortungsbewussten Begleiter... mit dem Rest des Rudels hatte ich ja kaum mehr was zu tun und ich schleppte ganz bestimmt niemanden mit mir mit, den ich im Grunde nicht mal in meiner Nähe haben wollte. War doch alles scheiße hier, ernsthaft.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Was war denn nun alles? Ich konnte nicht sagen, ob es nun einfach mal an dem unumgänglichen Streit in der Familie lag oder auch an der Zwangsehe, mit der ich ihm ja doch ziemlich ungalant aufgezwungen wurde oder ob es doch eher daran lag, dass er anscheinen doch in allen Möglichkeiten eingeengt war. Es gab also viele verschiedene Gründe, wobei einer alleine schon reichte und ich hatte gleich noch einmal felsenfest beschlossen, dass ich meinen Eltern sofort verzeihen würde, damit es bei mir nicht auch in ein paar Jahren wie hier zuging. Selbst wenn das Engel in dieser Form wahrscheinlich gar nicht schafften, aber Streit gab es ja trotzdem und es passierte – zwar nur extrem selten – doch auch, dass mal zwei Tanten oder wer auch immer über Monate hin weg kein Wort wechseln wollten und nie zu Besuch kamen, wenn die andere gerade da war. Blöd halt, wenn wir alle ziemlich geballt in der Gegend lebten und im Schloss immer der Großteil wohnte, weil der Platz einfach da war und man sonst so einsam war oder mal unter anderen übernatürlichen Wesen wandeln wollte, weil Menschen konnten einem nach einer Zeit dezent wo hingehen, weil sie eben doch sehr schleimend und arschkriechend veranlagt waren. Keine Seltenheit, dass sie mal so ganz zufällig vorbeischauten, was zu futtern dabei hatten und sich dann unterhalten wollten. Also bei meinen Eltern trauten sich die Wenigstens ohne Einladung angerauscht zu kommen, aber bei den umliegenden Villen war das was anderes. Deshalb flohen auch viele mal hier her und es sollte auch so sein, dass die Türen für die Familie immer offen waren. Ob das bei den Werwölfen auch so war? „Und weil du einfach keine Lust mehr auf streiten hast, ziehst du dich zurück. Das leuchtet ein.“ Bestätigte ich nachdenklich und kannte mich in der Dynamik eines Rudels doch so weit aus, dass ich wusste, dass man den Alpha nicht einfach mal so herausfordern konnte, um einen Streit zu schlichten. Da ging es dann um Leben oder Tod und ich wusste selber nur gut genug, dass speziell junge Menschen gerne die Erfahrungen der älteren Generation aus den Augen verloren und man nicht annehmen durfte, dass sein Vater schon eingerostet war. Nein, wahrscheinlich wich Isaac seinem Dad genau aus dem Grund aus, weil der noch recht unterwegs war und er sein Leben nicht gefährden wollte. Würde ich auch nicht machen, da kann es noch so viele Krisen geben. War wohl wirklich keine einfache Sache, die ich dann doch langsam zu begreifen schien und es hörte ja noch nicht auf. Isaac erzählte weiter und klang dabei nicht gerade begeistert. Sein Leben horchte sich nach einem einzigen Wächterstaat an, aber was sollte ich sagen? Da konnte ich genauso gut ein Lied davon singen, obwohl mir meine Eltern mehr Vertrauen entgegen kommen ließen. „Das wird sich bei mir daheim dann aber gewaltig ändern. Du bist ein freier Mensch, Wolf, was auch immer und kannst tun und lassen was du willst, solange du das Schloss und das Gelände nicht in Schutt und Asche verwandelst und niemand von meinen Verwandten drauf geht“ versicherte ich ihm halt mal und hob dann leicht die Schultern „sie werden dir nichts verbieten können und vielleicht findest du ja dann etwas, das dir Freude bereitet“ überlegte ich laut und wusste selber, dass mein Dad sich aufspielen würde, weil er ja noch immer der Boss war und blablabla. Das musste Isaac ja im Moment nicht wissen und mein Vater war da bei weitem nicht so drastisch, wie man es annehmen könnte.
Isaac Gut, immerhin schien Riccarda mir alles in allem recht viel Verständnis entgegen zu bringen und um ehrlich zu sein war ich doch auch dankbar dafür. Auch, wenn ich das immer für Humbug, völligen Schwachsinn gehalten hatte, so stimmte es wirklich, dass reden in manchen Situationen helfen konnte. Es mochte zwar nicht dafür sorgen, dass sich meine Probleme - oder wie auch immer man das alles nennen wollte, Probleme war ja eigentlich wirklich zu mild ausgedrückt - einfach so wie mit einem Fingerschnippen in Luft auflösten, aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Eigentlich hatte ich mir gar nichts von dem Gespräch hier erwartet, ich hatte nur einfach nicht gehen wollen, weil ich nicht wieder in Einsamkeit versinken wollte. Man sah ja, wo das jetzt geendet hatte, was dabei rauskam. Ich mochte Riccarda jetzt zwar nicht als neueste Verbündete oder gar als Freundin ansehen, aber sie half mir wohl doch schon ein Stück weit allein dadurch, dass sie mir für ein paar Minuten lang zuhörte. Zwar widerstrebte es mir doch im Inneren noch immer ein wenig, einem Engel - Ehefrau hin oder her - zu erzählen, wie kaputt ich doch im Moment eigentlich war, aber das versuchte ich dann einfach mal ein wenig mehr in den Hintergrund zu stellen. Wie gesagt tat reden doch gerade ganz gut und mich jetzt aus Misstrauen wieder in mein Zimmer verziehen wollte ich auch nicht. Aber es schien so, als würde sich in recht naher Zukunft doch mal eine Möglichkeit bieten, aus dem tristen Alltag rauszukommen. Zwar war es nun alles andere als erste Sahne, dass ich zeitgleich in einem Haus voller Engel stecken würde, aber wenn mir im Gegenzug dann mehr Freiheit zur Verfügung stand, nahm ich das doch beinahe schon gerne in Kauf. Zwar glaubte ich nicht, dass Riccardas Verwandtschaft mir auch nur ansatzweise Vertrauen entgegen bringen würde - was aber bei meiner Polizeiakte und dem Attentat auf die Blondine hier neben mir nachvollziehbar war -, aber das verlangte ich auch gar nicht. Ich traute dem Engelspack ja ebenso wenig über den Weg, war nunmal einfach in den Instinkten verankert... aber das bisschen Freiheit, was ich dort kriegen würde, begrüßte ich wirklich. "Ich hoffs einfach mal.." sagte ich dann letztendlich noch, zuckte ebenfalls so ein klein wenig mit den Schultern, sah dann wieder zu Riccarda hin und ließ den Blick einige Sekunden in ihren Augen ruhen. Aber es würde mir denke ich mal schon wirklich gut tun, wenn ich tatsächlich irgendwas finden würde, womit ich mich von Zeit zu Zeit beschäftigen und auch Freude daran haben konnte. Einfach irgendwas, was mir den Alltag nicht mehr so eintönig erscheinen ließ. Würde mir ja schon reichen... es brauchte nichts Außergewöhnliches sein. Schlichtweg nur irgendwas, womit ich mich ab und zu ein wenig aufheitern konnte.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann „Ich bin mir absolut sicher, dass das funktionieren wird. Außerdem haben wir ja eh die Felder und den Wald recht nahe, weshalb du auch abhauen kannst, wenn es dich nicht freut so viele Engel zu sehen.“ Ich bezweifelte ernsthaft, dass irgendjemand von meinen Leuten versuchen würde den Wolf aufzuhalten, wenn er sich die Beine vertreten oder einfach nur an die frische Luft wollte. Das war immerhin sein gutes Recht und wenn ich es mal sachte ausdrücken wollte, dann war niemand von meinen Verwandten sonderlich scharf drauf, dass sie einem Werwolf nachlaufen mussten, weil sie ihm irgendwelche Regeln aufgedrückt hatten und dann auch sichergehen mussten, dass er sich brav daran hielt. Nein, so dumm war niemand von uns. Die kannten ihn doch außerdem alle von den Medien und den Familientreffen, die immer wieder mal stattfanden und er da auch immer für ein bisschen Schwung sorgte. Also letztes Mal hatte ich fleißig mitgeholfen, aber das war ja nicht gerade Thema. Ich sah ihn wirklich aufbauend an und brachte ein kleines Lächeln in meine Züge, was nicht einmal so schwierig war. Ich konnte das sogar relativ einfach machen, weil ich es wirklich ernst meinte und da funktioniert ja bekanntlich alles gleich einen Tick leichter. Zwar würde ich mir deshalb weiterhin seine ungemütliche Seite nicht gefallen lassen, aber wahrscheinlich würde ich jetzt mehr Rücksicht darauf nehmen, dass er wohl auch ziemlich gestresst sein musste, wenn ihm echt alles so zusetze, wie er gerade noch beteuert hatte. Warum sollte er mich gerade anlügen? Es würde ihm genau gar nichts bringen, weshalb ich seinen Worten getrost Glauben schenken konnte und kein Problem damit hatte, wenn er auf einmal nicht mehr reden wollte. Lieber schweigen als lügen. Auch wenn ich deshalb keine stärkere Bindung – Gott bewahre – zu ihm aufgebaut hatte, fühlte ich mich doch ein wenig involvierter und so, als wüsste ich auf einmal ein Stückchen mehr als vorhin, was ja auch der Wahrheit entsprach, aber da war noch mehr. Eben das Gefühl zu wissen, dass mein Ehemann sogar normal mit mir reden konnte und er anscheinend selber eingesehen hatte, wie praktisch es sein konnte, wenn man einen außenstehenden Zuhörer hatte. Ja, ich konnte durchaus zufrieden mit der Situation sein, auch wenn mir der Auslöser nicht so wirklich passte und ich ihm eigentlich etwas Besseres wünschte. Ich kannte niemanden, der gerne Streit in der Familie hatte und mit Freuden dabei zusah, wie sich der eigene Sohn vom Vater abwandte. Ich stellte mir das für die Mutter auch gerade ziemlich schlimm vor. Wie ging es ihr wohl dabei, dass ihr Mann und ihr Sohn so unausstehlich miteinander umgingen und nicht einmal mehr im selben Raum stehen konnten. War sicherlich nicht nur für Isaac schwer, aber im Moment war es mir lieber, wenn ich nur einem zuhören musste und die Ehefrau eines Werwolfes würde wohl schwer ihr Herz bei einem Engel, der Frau ihres Sohnes, ausschütten wollen. Lächerliche Gedanken.
Isaac Ja, das würde ich auch mit ganz großer Sicherheit ab und an machen. Wald war ja ohnehin unverzichtbar für mich, war schlicht und ergreifend ein Teil von mir geworden. Erst recht, seitdem ich immer weiter zum Einzelgänger mutiert war und dort einfach die Ruhe fand, die ich zwischendurch brauchte, um nicht vollkommen am Rad zu drehn und den Verstand zu verliern. Würde ich mich nicht tagtäglich in den Wal zurück ziehen, dann wäre ich inzwischen sehr wahrscheinlich einen Kopf kürzer. Oder zwei, ja. Ich würde mich wohl auch während meines Aufenthalts im Engelsschloss immer und immer wieder nach draußen zurück ziehen, sei es nun in menschlicher oder in wölfischer Gestalt. Ich war in beiden Formen Herr meiner unglaublich scharfen Sinne, konnte mich einfach auf das Umliegende konzentrieren und so das, was Zuhause vor sich ging, für einige Minuten vergessen. Das blöde war nur, dass all der Ärger und Streit spätestens dann wieder zurück kehrte, wenn ich wieder im Schloss meiner Familie ankam. Dabei musste ich eigentlich nicht mal mehr auf meinen Vater treffen... mittlerweile war für mich 'Zuhause' kein Ort mehr, an dem ich mich wohl und geborgen fühlen konnte. Das war für mich früher immer die Bedeutung von einem Zuhause gewesen. Es sollte ein Symbol für Schutz und Zusammenhalt, einfach für Familie sein. Diese zerbrach ja aber zunehmend immer weiter, die Risse wurden immer länger und die dadurch entstehenden Spalten tiefer. "Ja, hast recht.." murmelte ich nur vor mich hin und wandt den Blick wieder auf die Bettdecke ab, wusste auch nicht so recht, was ich jetzt noch großartig dazu hätte sagen können. Jetzt gerade wurde mir doch wieder ein Stück weit mulmig, einfach weil es beinahe absurde Tatsache war, dass ich einem Engel hier gerade mein 'Herz ausgeschüttet' hatte, um es einfach mal so zu formulieren. Aber vielleicht war es doch ganz gut, wenn Riccarda jetzt ein wenig mehr überm ich wusste... sie würde mein Verhalten wohl ab und an einfach besser nachvollziehen können und dementsprechend eventuell auch anders reagieren. Naja, wie auch immer. Im Grunde genommen konnte mein Leben wohl gar nicht noch weiter den Bach runter gehen, aber positiv in die Zukunft blicken fiel trotzdem schwer. Schon allein deshalb, weil ich den Rest meines Lebens an einen Engel gekettet war.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---
Riccarda Ann Klar hatte ich recht. Haha. Aber es wunderte mich doch ein Stück weit, dass er hier offen und ehrlich kund tat, dass ich womöglich einmal mit meinen Annahmen richtig lag und nichts sagte, das ihm gewaltig gegen den Strich ging. Sollte ich womöglich im Kalender anstreichen, denn es war ja nur normal, dass man nach so tiefgründigen Momenten immer eine Phase hatte, in der man überhaupt nicht mit dem anderen klarkam. Gab es dafür vielleicht eine Zeitschranke, damit ich mich da drauf einstellen konnte oder musste ich, wie ich es irgendwie erwarten würde, einfach so ins kalte Wasser springen und hoffen, dass alles gut werden würde und wir aus diesem Gespräch heraus noch weniger Gründe finden würden, um uns geradewegs in einen Streit zu begeben. Vielleicht sollte auch einfach nur jemand von uns einsehen, dass wir im Grunde am selben Strick zerrten… hatte zwar keinen Sinn, weil wir mit unseren Protesten genauso gut gegen eine Wand reden könnten, aber im Grunde saßen wir von Anfang an im selben Boot und hatten unsere Freude daran den anderen kleiner zu machen, als er war. Jaja, schrecklich die heutige Jugend, aber wie sollte man mit dem Frust auch anders umgehen, den ich zwar abgebaut hatte, aber das hieß noch lange nicht, dass der nicht jederzeit wieder kommen konnte und nur weil Issac gerade so offen zu mir war hieß das nicht, dass ich ihm deshalb auch meine Probleme anvertrauen würde, denn ich hatte im Gegensatz zu ihm eine funktionierende Familie mit allem Drum und Dran, damit ich mich geborgen und wohl fühlen konnte. Aber was jetzt? Ich wusste genauso wenig wie er darauf zu sagen und ließ mich dann auch wieder seufzend nach hinten fallen. Ich landete wirklich weich in dem Polster und schloss für einen Moment die Augen. Gleichzeitig strich ich mir übers Gesicht und brauchte wahrscheinlich noch ein bisschen, bis ich das ganze Geschehene richtig verarbeitet und verdaut hatte. Ging halt alles nicht so schnell, wenn an einem einzelnen Tag so viele Dinge direkt aufeinander folgend passierten, dass man nie einen Augenblick Ruhe zum Nachdenken bekam. Klar, die hätte ich echt gerne, aber ich brachte es dann wirklich nicht übers Herz, dass ich Isaac aus dem Zimmer raus war und hatte seine Gesellschaft auch gerne, so war es wirklich nicht, dass ich es bevorzugte alleine zu sein, aber müde war ich genauso und man, es kotzte mich gerade ziemlich an, dass ich überhaupt keinen Überblick mehr hatte und einfach nur alles irgendwie machen konnte, ohne einer Ahnung, ob es nun richtig war oder nicht.
Isaac Und dann erst einmal Schweigen. Das war ehrlich gesagt so ziemlich das letzte, was ich jetzt haben konnte. Es veranlasste mich nur dazu, noch mehr nachzudenken und mir den Kopf über all diese Dinge zu zerbrechen. Darüber, wie meine Zukunft hier Zuhause aussah, wie die Zukunft in Hinsicht auf meine Anwesenheit im Engelshaus aussah, wie es in Zukunft mit Riccarda selbst aussehen würde, beziehungsweise eben mit meiner Beziehung zu ihr... das gerade eben war ja nicht grade unwichtig gewesen, aber nunja, wie auch immer. Fakt war, dass mich diese drückende Stille nur noch mehr zum Nachdenken veranlasste und ich mich damit jetzt erst recht nicht wohl fühlte. War bloß fraglich, ob mir die Stille hier bei Riccarda oder die Stille in meinem Zimmer lieber war. Im Grunde genommen wollte ich keines von beidem, einfach weil beides unangenehm war, aber meine Ehefrau hier dasitzend anzuschweigen erschien mir dann doch als die Variante, die ein Stück weit unangenehmer war.Da ich leider absolut keine Ahnung hatte, wie ich noch an dieses Gespräch hätte anknüpfen können, kam mir noch ein leises, kaum hörbares Seufzen über die Lippen, bevor ich minimal Schwung nahm und dann von dem Bett aufstand. Ich fuhr mir kurz mit der rechten Hand durch die dunklen Haare und streckte mich dann noch einen Augenblick, weil das viele Herumliegen und Herumsitzen doch nicht unbedingt dazu beigetragen hatte, wacher zu werden, eher im Gegenteil. Bis ich nachher einschlafen würde, würde es aber wohl doch noch eine ganze Ecke andauern, nehme ich an. Aber wie dem auch sei - ich drehte mich nochmal für einen Augenblick zu Riccarda um, die nach wie vor auf dem Bett lag. Einfach wortlos verschwinden wollte ich nun auch nicht. Nicht, nachdem wir uns jetzt doch ein Stück weit vertrauter unterhalten hatten. Erschien mir nicht richtig, wobei ich normalerweise ja einen Scheiß darauf gab, was nun richtig oder falsch war. Jetzt gerade eben nicht, so. "Danke... für... naja, fürs Reden." murmelte ich dann, durchbrach damit die mehrere Minuten andauernde Stille im Raum und zuckte wieder ein klein wenig die Schultern. Nein, ich war nie gut darin gewesen, mich für irgendwas zu bedanken. Aber ich denke mal, dass Riccarda selbst auch gemerkt haben würde, dass es mal bitter nötig gewesen war, dass ich darüber redete und eben nicht nur alles konsequent für mich behielt und in mich hinein fraß. Selbst, wenn sie's nicht bemerkt hatte, würde sie sicherlich wissen, was ich meinte, wofür ich mich da eben gerade bedankt hatte. Einen Moment lang sah ich noch zu der zierlichen Blondine runter, bevor ich dann noch meine Schuhe wieder anzog - musste ich ja nun nicht unbedingt hier lassen, haha - und mich danach dann auch schon - noch eher langsam - in Bewegung setzte, die Zimmertür ansteuerte. Ich würde dann jetzt auch nicht mehr aufbleiben, sondern einfach direkt versuchen, zu schlafen... war besser so, denke ich. Andernfalls würde ich nur Ewigkeiten weiter über all das nachdenken.
I miss the misery, miss the bad things, the way you hate me. I miss the screaming and the way that you blame me. --- Halestorm - I miss the Misery ---