Isabella Alles, was ich gerade wollte, war mich von Shane loszureißen und stattdessen in Luis Arme zu flüchten. Ich war so unfassbar glücklich darüber gewesen, endlich frei zu sein und einen neuen Anfang starten zu können. Und ich hatte mich verliebt - in den ersten Mann in meinem Leben, der wirklich gut zu mir war. Aber natürlich durfte es nicht so einfach sein, wir waren nun beide Gefangene eines Psychopathen und ich konnte nur darüber nachdenken, wie ich meinen Freund hier lebend rausbringen konnte. Dass ich hier niemals wieder wegkommen würde, damit hatte ich mich längst abgefunden. Ich hatte meinen glasigen Blick, der von Tränen leicht verschwommen war, fest auf Luis gerichtet, der gerade wohl das volle Ausmaß der Katastrophe realisierte. Ich schluckte hart und wandte mich leicht Shane zu, als dieser jetzt plötzlich sagte, dass ich zu meinem Freund durfte. Loslassen tat er mich trotzdem nicht und ich wusste eigentlich sowieso, dass er mich niemals ohne Gegenleistung meinem Wunsch nachgehen lassen würde. Er wäre nicht Shane, wenn er das tun würde. Die Bedingung folgte dann auch direkt und mir wurde beinahe speiübel, als ich die Absicht hinter seiner widerlichen Forderung erkannte. Und trotzdem stand ich kurz davor, es einfach zu tun, nur damit ich für eine kurzen Moment Luis Nähe genießen konnte. Dieser sah das allerdings komplett anders, was ihm wohl auch nicht zu verdenken war. "Denk nicht mal dran, Isabella!", knurrte er wütend in unsere Richtung, wobei er leicht an seinen Handfesseln zog. "Und du, nimm endlich deine Drecksfinger von ihr!", zischte er aufgebracht und mit hasserfüllter Stimme in Shanes Richtung. Dass das nicht gerade der richtige Weg war, um von diesem Mann zu bekommen, was man wollte, musste ich an dieser Stelle wohl nicht extra erwähnen...
Lincoln Nun ja, in dieser Angelegenheit schien die kleine Hope mehr klaren Menschenverstand zu zeigen als meine süße Alessia, denn die wirkte momentan sowieso aufgelöst und achtlos hinsichtlich darauf, wie ich auf ihre Aktionen reagierte. Zum Beispiel, dass sie einfach angefangen hatte Hope loszubinden. Sie hatte doch nicht ernsthaft gedacht, dass mir das irgendwie in den Kram passen würde?! Ich verdrehte nur seufzend die Augen, als mein Püppchen mich jetzt doch ernsthaft aus ihren traurigen Kulleraugen ansah und einfach nur 'wieso' fragte. Weil ich Spaß dran hatte. Musste ich ihr das wirklich noch erklären? Das war ja alles außerordentlich anstrengend mit ihr heute. "Weil ich es sage, Mäuschen", erwiderte ich genervt, wobei ich demonstrativ auf das Seil in ihren Händen blickte, damit sie endlich anfing. Hope meldete sich indessen bereits auch schon zu Wort und forderte Alessia dazu auf meinem Befehl nachzukommen, damit ich von ihr "weg ging". Pff, das würde ich zwar bestimmt nicht tun, aber schön, dass sie zumindest einen Teil meiner Absichten unterstützte. "Guck mal, deine kleine Freundin kann meine Anweisungen jetzt schon besser befolgen als du, nach all der Zeit, die wir zusammen verbracht haben", schüttelte ich tadelnd den Kopf. Die Andeutungen auf die Zeit, bevor ich Alessia frei gelassen hatte, machte ich absichtlich, denn ich wusste ja, dass Hope noch nichts davon wissen konnte. Und ein wenig Unruhe zu stiften lag bekanntlich jederzeit in meinem Interesse.
Shane Faszinierend, er sah ihr ganz genau an, dass sie es für einen Moment wirklich in Erwägung zog, ihn zu küssen. Dann wurde ihre schöne Überlegung aber einfach unterbrochen, von dem Spast, der doch eigentlich gar nichts zu melden hatte, da drüben, auf dem Stuhl. Shane blinzelte ihn einen Moment fast etwas überrascht an, wobei sein Blick sofort verriet, dass diese Worte ein Fehler gewesen waren. Ruhig, lauernd, wie eine Raubkatze, die das hässliche Mäuschen einkreiste, ihm deutlich zu spüren gaben, dass es längst verloren hatte. Seine Hand schloss sich enger um Isabellas Arm, ehe er sie ohne Vorwarnung packte, herumriss und gegen die Tür drückte. Damit stoppte er aber nicht, sondern machte direkt weiter, küsste die junge Frau plötzlich. Ziemlich gierig und grob, ohne, dass sie sich darauf hätte einstellen oder wehren können. Ja doch, dass hatte er vermisst. Und noch mehr, aber für den Moment musste das reichen, denn Shane zog den Kuss nicht sonderlich in die Länge, sondern löste sich bald wieder von ihr. „Pass schön auf, wie du mit mir redest, Freundchen, du willst das alles lieber nicht bereuen“, knurrte der junge Mann nun Isabellas dummen Freund an, liess die Brünette unsanft los und schubste sie damit fast direkt in Luis’ Arme. Nur, dass diese an einen Stuhl gefesselt waren und er sie nicht auffangen konnte. „Ausserdem war das nicht unser erster Kuss. Bei Weitem nicht“, er genoss es, diese Wahrheit auszusprechen und das sah man ihm auch deutlich an, während sein Blick ruhig, fast etwas anzüglich auf der hübschen Dame lag. "Und auch nicht unser Letzter. Nicht wahr, mein Schatz?“, lächelte er dann, trat andächtig um die zwei unsterblich Verliebten, irgendwie Todgeweihten, herum, betrachtete sie immerzu.
Alessia Man könnte meinen, die Brünette hätte vergessen, wie sie ihre Hände bewegen konnte. Sie starrte einfach nur schluchzend zu Hope, wünschte sich ein Wunder herbei in einer Welt, die ihr so oft so deutlich klargemacht hatte, dass es sowas wie Wunder für sie nicht gab. Sie war dazu verdammt, ihr Leben für dieses Scheusal eines Mannes zu leben, er konnte tun, was er wollte, und sie war ihm vollkommen ausgeliefert. Schon wieder. Egal, wie sehr es ihr widerstrebte und wie sehr sie versuchte, das nicht zu akzeptieren. Und jetzt hatte er auch noch Hope mit reingezogen, die Frau, die nichts als Glück und Freude verdiente, die niemals traurig sein sollte, niemals Schmerz oder Verzweiflung fühlen dürfte und die Alessia doch für immer hatte beschützen wollen. Das war längst nicht mehr nur unfair, das war einfach nur noch schrecklich. Die Worte ihrer Freundin wusste die Italienerin erstmal noch nicht so recht zu befolgen. Hope hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging. Und das machte Lincoln direkt noch schlimmer, als er tatsächlich eine Anspielung auf das, was vor einem Jahr passiert war, wagte. Sofort schreckte ihr Blick in seine Richtung und sie blickte ihn zwischen den Tränen hindurch an, darum flehend, dass er einfach die Fresse hielt. „Alessia..? Was… meint er damit?“, hörte sie die etwas verunsicherte Stimme der Brünetten auf dem Stuhl, die sie nun ihrerseits kritisch anschaute. „Ist er…“, nun schnellte Hopes Blick zurück zu Lincoln und sie starrte ihn irgendwas zwischen erschrocken und hasserfüllt an. „Hast du damit zu tun?! Mit all dem, was vor einem Jahr passiert ist? Dass sie verschwunden ist? Zurückkam und nie mehr die Gleiche war? Dass sie jetzt jede Tür zweimal schliesst, immer das Licht brennen lässt, Panikattacken schiebt, wenn sie erschrickt, keine Nacht mehr durchschläft, aus dem nichts heraus zu weinen anfängt, nicht mehr weggehen will und doch immerzu behauptet, alles sei gut und sie wisse nicht, was passiert sei?! Ist das alles deine Schuld? Bist du…“, weiter kam die aufgebrachte junge Frau nicht, da Alessia, die nach all den Worten nur noch mehr weinte, wackelig aufgestanden war und ihr um den Hals gefallen war. „Schschsch… sag nichts, bitte sag nichts“, bettelte sie, hatte das Seil dabei schon wieder fallen gelassen und klammerte sich lieber um ihre ahnungslose Freundin, die sie nicht hatte beschützen können. Hope hatte ihren einen, nun freien Arm um Alessia gelegt und blieb tatsächlich für einen Moment still, auch wenn sie innerlich so unglaublich viele Fragen hatte… War das hier die Erklärung, auf die sie so lange gewartet hatte? Warum hatte sie so lange nichts davon wissen dürfen? Und warum waren sie jetzt hier?
This is your life, it's do or die, the sun may never rise again, so be the light the vision. This is your life, it's slipping by, you try to run but fall again, you get back up that's living.