Mein Schädel brummte. Es fühlte sich an, als würden zahlreiche kleine Männchen in meinem Kopf sitzen und darin herumspringen oder tanzen. Aber das war üblich. Es war üblich, dass meine Glieder schmerzten. Denn nachdem ich einen Unfall hatte, an dem ich mich absolut nicht erinnern konnte, schmerzte alles, was wollte. An diesem Morgen schien mein Körper aber einigermaßen gnädig zu sein, denn ich schleppte mich ohne weitere Probleme aus dem Boxspringbett. Es war zwar nicht wirklich kalt in meinem Zimmer, doch ich fror ab und zu. Das war normal. Ich hatte mich daran gewöhnt, das mein Körper anders war. Anders, weil er sensibel reagierte und ungern andere Einstellungen akzeptierte. Nach dem Unfall war mein rechter Arm gelähmt, sprich: Ich fühle nicht, wenn ich mich an einer Ecke stoße oder mich jemand auf der Schulter antippt. Das machte mir aber nichts weiter aus. Für mich war es normal. So schlurfte ich hinunter in die Küche - jeden Schritt gut überdacht - und sah schon meine Familie am Tisch sitzen. Meine Mom, mein Dad und mein sieben Jahre alter Bruder Ian. Spikes schlug mit dem Schwanz gegen den Küchentisch, blieb aber auf Befehl meiner Mutter an Ort und Stelle. "Du bist wach!", bemerkte sie fröhlich und stellte mir den Stuhl ordentlich hin. "Ich nehme an", meinte ich nur und nahm mir ein Brötchen aus dem Korb. Gestorben war ich zumindest noch nicht, auch wenn ich zehn Minuten brauchte, um das Weizenmehl-Produkt in zwei Hälften zu schneiden.
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.
'Hey Man - willkommen zurück' diese Worte geisterten ihm schon den ganzen Rückweg über im Kopf herum. Während der Fahrt zum Flughafen, während des Fluges und auch jetzt, wo er im Taxi nach Hause saß. Aber was bedeutete zu Hause schon, wenn man nicht einmal wusste ob da noch jemand auf einen wartete, was geschehen war? Er war zwar 'nur' ein dreiviertel Jahr weg gewesen, geplant war deutlich länger, aber er hätte gut darauf verzichten können. Auf die ganze Zeit, auf das was geschehen war. Allgemein wäre er natürlich lieber ganz zu Hause geblieben, vor allem so kurze Zeit nach dem Unfall, wo er doch lediglich mit ein par Platz- und Schürfwunden davon gekommen war. Er hatte noch eine geprellte Rippe gehabt, aber das war es dann auch schon gewesen. Adeline hingegen - die er eigentlich am aller liebsten "Sommersprosse" nannte, auch wenn sie das immer nervte - hatte es viel schlimmer erwischt und so war er praktisch von ihrem Krankenbett weggezerrt worden ohne zu wissen ob er sie jemals wieder sehen würde. Bis vor wenigen Stunden war unklar gewesen ob sie lebte oder nicht und das nur wegen dieser beschissenen, verdeckten Operation in der er hatte keinen Kontakt aufnehmen dürfen - sah man einmal ganz davon ab, dass es ihm in den letzten vier Wochen ohnehin nicht möglich gewesen wäre, da er in irgendeinem unterirdischen Bunker gefangen gehalten und gefoltert worden war. Von aufgebildeten Killermaschinen die wussten was sie taten. So sah man ihm noch heute die letzten vier Wochen an: dunkle Augenringe, geschundene Finger - vor allem die Fingerkuppen hatten gelitten - und ansonsten unter der Kleidung versteckte Narben und Blutergüsse. Nichts davon war wirklich Lebensbedrohlich gewesen, aber schlimm genug um mit dem Gedanken zu spielen ob es nicht besser wäre zu sterben. Von diesen Gedanken wusste niemand etwas und er hatte auch nicht vor es jemandem mitzuteilen. Dennoch: es war schon schlimm genug, dass sie da gewesen waren. Mittlerweile hatte man ihm wenigstens mitgeteilt, dass es seiner großen Liebe wohl gut zu gehen schien. Ihm war ein Stein vom Herzen gefallen und von daher hatte er auch seine Angst vor vollen, engen Räumen bei Seite geschoben und war in das Flugzeug gestiegen, hatte die unzähligen Stunden über sich ergehen lassen und auch die Fahrt im Taxi überstanden. Jetzt hielt es und er wusste nicht mal recht ob er wirklich aussteigen wollte. Erst als der Taxifahrer ihn das dritte Mal ansprach sah er auf: "Was?" - "Wir sind da, Sir - das macht dann..." - Dylan drückte dem Taxifahrer einen Schein in die Hand, wenigstens war er für die Zeit ausreichend gut bezahlt worden; ein kleiner Lichtblick, auch wenn er sich sein altes Leben, sein altes Ich nicht einfach wieder zurückkaufen konnte. "Passt schon" teilte er ihm mit, bevor er nach der Sporttasche im Army-Look griff und ausstieg, dem Taxi noch kurz hinterher blickte. Er stand vor der Auffahrt zu einem Haus das ihm nur allzu gut bekannt war, obwohl er darin nicht aufgewachsen war. Das Haus von Adelines Eltern, welches direkt neben dem seiner eigenen Familie lag. Wie ihm seine Mutter am Telefon vor wenigen Stunden verraten hatte, hatten ihre Eltern und die von Adeline beschlossen die erst recht frisch bezogene, gemeinsame Wohnung der Beiden aufzulösen. Die Gründe hatte sie für sich behalten. Trotz dass er seine Familie sehr vermisst hatte, führte der erste Weg ihn zur Haustür der Familie seiner Freundin. Nach kurzem Zögern betätigte er die Klingel, erst jetzt fiel ihm auf die frisch es noch zu dieser Uhrzeit am Morgen war.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ian erzählte uns gerade, dass er im Fußball wieder einige klasse Tore beim gestrigen Spiel in der Schule erzielt hatte, als es an der Tür klingelte. Spikes fing laut an zu bellen und wir hatten Mühe, ihn davon abzuhalten, dass er gleich den ganzen Tisch mitnehmen würde, wenn er nicht sofort aufhörte. Mom leinte ihn gerne an das Tischbein an, denn morgens kamen die Postboten vorbei und Hund + Postbote ergaben leider keine gute Kombination. "Darf ich gehen, Mama?", betitelte Ian und wollte sogleich vom Tisch aufspringen, als Mom ihn mit einem starken Blick anschaute, welchen ihn sofort wieder still sitzen ließ. Sie schaute zuerst in Dad's Richtung und dann zu mir. "Adeline, Schätzchen", sagte sie ruhig und hielt Spike am Halsband fest, "kannst du bitte nachsehen, wer an der Tür steht? Je ungeduldiger Spikes wird, desto mehr besteht die Gefahr, dass er uns allen gleich den Tisch vor die Tür schleift..." Ich nickte nur, schaute etwas gequält zu meinem Hund hinunter, der fröhlich vor sich hin sabberte und begab mich in den Flur. Dort legte ich kurz meine Strickjacke, die ich vom Haken nahm, über die Schulter und öffnete schlussendlich die Tür. Als erstes nahm ich eine große Tasche wahr, dann die Hand, die sie festhielt. Der Arm, der zum Oberkörper gehört und der Kopf, der auf dem Hals saß. Die Augen, welche mich interessiert begutachten. Stopp. War das etwa... Dylan? Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, während ich den jungen Mann vor mir betrachtete. Er sah meinem Freund sehr ähnlich. "Dy-Dylan?", stotterte ich also, als mir schon meine Strickjacke von den Schultern rutschte und auf dem Boden landete. Mein rechter Arm klebte an meiner Seite, sodass ich mich kurz hinhocken musste, um sie mit der linken, gesunden Hand aufzuheben.
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.
Es vergingen Stunden, zumindest gefühlt. Er konnte zwar sofort Spikes im inneren des Hauses bellen hören, aber es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, die er vor der Türe stand und darauf wartete, dass sie ihm geöffnet wurde. Dabei konnten es nicht mehr als ein paar wenige Sekunde gewesen sein. Die Tür ging auf und der Mensch, der ihn die ganze Zeit am Leben erhalten hatte, stand vor ihm, sah ihn aus großen, verdutzten Augen an und brachte nur ein verunsichertes 'Dylan' von sich. Der Brünette konnte nur schwer verhindern die Tasche einfach auf den Boden fallen zu lassen und die Rothaarige in seine Arme zu ziehen. Stattdessen gab er ein sanftes "Sommersprosse..." von sich, bevor er sich ebenfalls bückte, um die Jacke die ihr auf den Boden gefallen war aufzuheben. Nicht, weil ihm das mit dem Arm sofort aufgefallen war, sondern einfach weil er gut erzogen worden war. Sein Herz raste, er fühlte sich als hätte er gerade einen 10-Kilometer-Marsch hinter sich und allgemein fühlte er sich ziemlich taub an, aber er war froh, einfach nur froh sie zu sehen und zu wissen, dass sie noch da war. Eigentlich zeitgleich griff wie Adeline griff der junge Mann nach der Jacke, die er ihr sogleich auch wieder um die schmalen Schultern legte, bevor er doch nicht anders konnte wie sie an sich heran zu ziehen, dabei ihren herrlich süßen Duft einzuatmen und tief Luft zu holen. "..du kannst dir gar nicht vorstellen wie froh ich bin dich zu sehen.." raunte er leise in ihr Ohr, bevor er sie wieder los ließ. Am liebsten hätte er sie auch noch sofort geküsst, ihre roten, vollen Lippen auf seinen gespürt, aber fürs erste würde er sich wohl zurückhalten, wirkte sie doch ein klein wenig verstört auf ihn. Dabei war er einfach nur froh sie zu sehen, zu sehen dass sie lebte, hatte er es doch die letzten Monate nicht gewusst. Diese Unwissenheit hatte ihn fast aufgefressen, ihn aber dennoch am Leben erhalten und dazu gebracht niemals aufzugeben. Einfach, weil er nicht sicher sein konnte dass sie nicht mehr lebte und so durchaus noch einen Grund gehabt hatte nicht aufzugeben und zu kämpfen.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Sommersprosse? Mein Gehirn schien auf Hochtouren zu laufen, so wollte es sich doch an dieses Wort erinnern. Ich konnte es mit meinen Sommersprossen im Gesicht zusammen reimen, aber warum er mich so ohne große Bedeutung Sommersprosse nannte, wollte mir nicht in den Sinn kommen. "Ich heiße Adeline, nicht Sommersprosse", brachte ich also zögernd hervor, ehe ich auch schon wieder Besitzerin meiner Jacke war und sogleich an seinen Oberkörper gezogen wurde. Die Kraft seiner Arme verspürte ich nur an meinem linken Arm, was mich schon wieder ein wenig wütend machte. Wieso konnte mein schlapper Arm nicht einfach normal sein und nicht auf behindert machen? Wieso riss er sich nicht einfach zusammen und ließ die Nerven wieder etwas spüren? Als ich Dylan ansah, hauchte ich nur ein leises: "Was machst du hier?" Ich konnte es nicht verstehen. Warum tauchte er jetzt vor meiner Tür auf und nicht bereits vor Monaten bei mir im Krankenhaus? Wieso kam er nun an, mit seiner Tasche in der Hand und zerzaustem Haar? Ohne diese Fragen beantwortet zu bekommen, tauchten meine Eltern schon hinter mir auf, quetschen sich an mir vorbei und Spikes schoss in den Garten wie eine Rakete. "Wie schön, dass du wieder da bist!" Ich aber hing auf dem Schlauch. Deshalb drehte ich mich einfach um, ging ins Wohnzimmer und setzte mich auf die Couch. Was suchte er hier?
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.
Ja, Adeline - das war ihm schon bewusst. Er ging im Moment nur einfach davon aus, dass sie es wie immer meinte: Es sie nervte, dass er sie so nannte. Deswegen reagierte er darauf auch nur mit einem leicht schiefen Lächeln, bevor sie ihm auch schon die Frage stellte, was er hier machte. Verdutzt zog er die Brauen einen Moment in die Höhe, allerdings konnte er ihr keine Antwort geben, da schließlich auch schon ihre Eltern, Ian und Spikes auftauchten, welcher an ihm vorbei in den Garten schoss, als er den Geruch des alt bekannten jungen Mannes aber wahrnahm wieder kehrt machte und überschwänglich an ihm hoch sprang "Na wenigstens einer der sich freut..." murmelte der Brünette leise, strich dem Rüden über den Kopf, bevor Ian sich an sein Bein klammerte "Dylan! Wo warst du nur so lange?" quengelte der Kleine Bruder seiner Freundin, mit dem er ab und an mal im Garten Fußball gespielt hatte, was ihn zu seinem größten Fan gemacht hatte. Ian grinste leicht, wuschelte dem kleinen durch die ebenfalls roten Haare und sah dann zu Adelines Eltern, die ihn ein wenig mitfühlend anblickten. "Ist es besser, wenn ich nachher wieder komme?" fragte er unsicher, bevor diese kurz in Richtung ihrer Tochter blickten, die im Wohnzimmer verschwunden war. Als ihre Mutter leicht mit den Schultern zuckte konnte er das Seufzen - entstanden aus seiner Enttäuschung - nicht ganz zurückhalten, murmelte aber noch ein "Gut, ich komm nachher wieder", bevor er sich abwandte um fürs erste auch mal seinen Eltern Hallo zu sagen. Er war ihr einziges Kind, so war es nur zu erwarten, dass seine - sowieso total emotionale - Mutter ihm um den Hals fiel und in Tränen ausbrach, weil sie so froh war ihn wieder in ihren Armen halten zu können und er meinte auch in den Augen seines Vaters etwas wie eine kleine, versteckte Träne aus Erleichterung erkannt zu haben. Dabei beschäftigte ihn aber dauerhaft das Verhalten von Adeline, die scheinbar keinerlei Freude dabei empfunden hatte ihn wieder zu sehen. Was war passiert, als er weg gewesen war? Daher konnte er sich erst am Nachmittag wieder dazu überwinden den Kontakt erneut zu suchen, als er die Rothaarige auf der Terrasse hinterm Haus ihrer Eltern erblickte, wie sie auf einem der Stühle saß und die Sonne genoss. "Ich werd' nochmal rüber gehen.." teilte er seiner Mutter mit, die ihn zwar ungern wieder aus den Augen ließ, aber dennoch sanft nickte, ihn allerdings nochmal kurz in den Arm nehmen musste: "Ich bin so froh, dass du wieder da bist, mein Schatz" teilte sie ihm liebevoll mit, bevor er das Haus über die Terrassentür verließ und so über den Zaun zum Nachbargrundstück kletterte, sich wenig später bei Adeline an den Tisch gesellte, bewusst den Stuhl gegenüber von ihr wählte und nicht den direkt neben ihr: "Was ist los?"
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
Ehrlich? Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Niemand hatte mir gesagt, das er noch da war. Oder wo er war. Die ganzen Monate lang. Dylan hatte mich im Stich gelassen, war gegangen, als ich mich nächtelang in den Schlaf schwitzte. Ärzte kämpften um mein Leben, doch war es so viel sinnvoller, am Leben zu sein, wenn man ein halber Krüppel war? Zumal ich am Anfang sehr viel lernen musste. Meine rechte Seite bis zum Becken war nicht wirklich zu gebrauchen. Laufen ging, doch Dinge greifen war schwer. Man konnte einen Ball nach mir werfen und er würde mir wahrscheinlich direkt ins Gesicht fliegen. Nicht, dass ich so schon die Reaktion einer toten Katze besaß. So saß ich also auf der Couch, starrte auf den schwarzen Display und hörte nur gedämpft die Stimmen von draußen. Dad kam später zu mir, als sie sich von Dylan verabschiedeten und setzte sich neben mich. Er legte eine Arm um meine Schulter, zog mich ein Stück an sich und sagte behutsam: "Addy, freust du dich denn nicht, das er wieder da ist?" Sein Blick war besorgt. Ich wusste, dass Dylan und ich ein Paar waren - auch wenn es mir meine Eltern vor Monaten sagten, als ich aus dem Koma aufgewacht war. Einige Dinge waren auch in meiner Erinnerung verankert. Doch kleine Dinge schienen verschwunden zu sein. Sie hatten sich in Luft aufgelöst. Warum wusste ich zum Beispiel nicht mehr, was er mit Sommersprosse meinte? "Komm, geh raus und genieße die Sonne! Deine Haut kann sie gebrauchen und frische Luft tut dir gut!" "Ja, Dad..", seufzte ich und kam seinem Befehl nach. So sehr sich meine Eltern auch um mich sorgten. Ich würde nie wieder die Adeline sein. Die, die vor dem Unfall voller Lebensfreude gestrahlt hatte. Dieses Strahlen war verschwunden. Als ich dann also an der Luft saß und den Autos entgegen starrte, die an unserem Haus vorbeifuhren, merkte ich erst spät, das sich eine Person über den Zaun zu mir auf die Terrasse bewegte. Es war Dylan, der sich vor mich setzte und mich fragte, was los war. Da ich keine wirkliche Antwort auf seine Frage wusste, meinte ich nur schulterzuckend: "Was soll sein?"
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'Was soll sein?' Dylan hätte am liebsten los geschrieen ob sie noch ganz sauber war. Aber er ließ es sein, hatte er doch von seinen Eltern vorhin noch einige Details über sie erfahren, über die Zeit nach dem Unfall. Scheinbar war ihr rechter Arm gelähmt, was ihre Ungeschicktheit vorhin erklärt hatte und offensichtlich konnte sie sich an eine gewisse Zeitspanne vor dem Unfall nicht mehr erinnern, ebenso wenig an den Unfall selbst. Sie war eine ganze Zeit lang im Koma gelegen und die Ärzte hatten sie beinahe aufgegeben, bis sie dann endlich aufgewacht war. Aus diesem Grund zwang er sich nun dazu ruhig zu bleiben, es so hinzunehmen, die kargen, recht emotionslosen Worte seiner Freundin. "Ich weiß nicht..." erwiderte er also fürs erste, ebenfalls mit einem leichten Schulterzucken. Er hatte ebenso von seinen Eltern erfahren, dass sie keine Ahnung hatte wo er gewesen war. Klar, so genau wussten sie es selbst nicht, da es eine geheime Mission gewesen war, aber sie hatten gewusst, dass er gezwungenermaßen gegangen war - sie wusste das scheinbar nicht. Ob sie ihn deswegen so abweisend behandelte? "Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war" teilte er ihr daher mit und meinte es auch ernst - auch wenn er im Prinzip rein gar nichts dafür konnte und selbst in einer alles anderen als angenehmen Lage gewesen war. Eher im Gegenteil, er hatte sich in der Hölle auf Erden befunden und sich nichts sehnlicher gewünscht als hier bei ihr zu sein. Aber hey, manchmal gingen Wünsche eben nicht in Erfüllung und auch wenn er jetzt hier saß fühlte er sich auf Grund ihres Verhaltens vollkommen fehl am Platz. Irgendwie auch ein bisschen unerwünscht und wer wusste schon, vielleicht war er es ja auch. Am liebsten hätte er ihr sogleich gesagt was Sache war, dass es nicht seine Schuld war und dass er selbst nicht gerade eine rosige Zeit hinter sich hatte, aber Dylan war noch nie der Typ Heulsuse gewesen und hasste es wenn man sich selbst bemitleidete, er würde es also gewiss nicht bei sich selbst tun, wenn er es doch bei anderen Menschen nicht ausstehen konnte. Und auch wenn es schwer gewesen war: Es war vorbei. Das glaubte er zumindest, dass es nicht ganz so einfach war würde ihm wohl noch früher oder später schmerzlichst bewusst werden. Doch gerade, gerade war alles in bester Ordnung, sah man einmal davon ab, dass er sich etwas ganz anderes erhofft hatte mit dem Wiedersehen mit Adeline.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
So wie er vor mir saß, wanderten meine Augen von seinen braunen, zerzausten Haar zu den fast gleichen, eisblaue Augen, wie ich sie hatte. Seine Schultern waren breit, sein Körper trainiert. Er trug einen Bart, etwas länger als nur drei Tage, aber er stand ihm. Dylan war ein sehr attraktiver, junger, hochgewachsener Mann und ich hasste mich dafür, schwache Erinnerungen in mir zu tragen. Erinnerungen, die meine Fragen, was vor und nach dem Unfall passiert war, beantworten könnten. Doch es passierte nichts. Keinerlei Gefühl regte sich in mir und schrie: "Hey, das war so und so!" Immerhin schätzte ich mich glücklich, nicht auch noch mein komplettes Gedächtnis verloren zu haben. Schließlich wäre ich dann ein hoffnungsloser Fall. Aber das war zum Glück nicht eingetreten. Mein Hirn verstand ordentlich zu denken und sich an Sachen zu erinnern, die gestern geschehen waren. "Alles gut..",antwortete ich vorsichtig und versuchte eine bequeme Position auf dem harten Stuhl anzunehmen. Auf dem Teil konnte man sich echt nur wundsitzen. "Ich habe dich... vermisst", murmelte ich leise, mehr für mich selber. Nach allem, was geschehen war, wusste ich trotzdem über Sachen Bescheid, die tief in meinem Gedächtnis verankert waren. Die Küsse, seine Berührungen.. sein strahlend weißes Lächeln..
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Es war schwer für ihn nicht zu wissen an was sie sich erinnerte und an was nicht, ob er sie darauf ansprechen durfte oder nicht - er wusste nicht wie sie darauf reagierte und sie war schon immer ein Sturkopf gewesen, so wie er. Scheinbar konnte sie sich an gewisse Kleinigkeiten immerhin auch nicht mehr erinnern, nun kam ihm nämlich gerade wieder das erste Zusammentreffen heute Vormittag, ihre Reaktion auf 'Sommersprosse' war anders gewesen als ansonsten; sie hatte es zwar immer mehr oder weniger genervt, aber sie hatte ihn nie verbessert; eher die Augen verdreht oder etwas dergleichen getan. Ihre nächsten Worte, ihr 'ich habe dich... vermisst', ließ ihn leicht lächeln und brachte ihn dazu seine Arme auszustrecken und nach zumindest einer ihrer Hände zu greifen, die er sanft in seine nahm. Die linke um genau zu sein, der rechte Arm hing nämlich wie schon heute morgen schlaff an ihrem Körper hinab. Es störte Dylan nicht, aber es war sicher schwer für sie, sodass er ihr keinen Gefallen machen würde sie darauf anzusprechen, dessen war er sich sicher. "Adeline, ich weiß was passiert ist..." begann er mit ruhiger, sanfter Stimme, während sein Blick sanft aber ebenso durchdringlich auf ihrem lag. "..und glaube mir, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte wäre ich dir beigestanden. - Du weißt noch... ich meine, weißt du noch was ich arbeite?" Er wollte ihr zumindest eine Erklärung liefern weshalb er nicht da gewesen war, auch wenn das wenig Trost für sie sein musste. Aber er wäre wirklich da gewesen hätte er eine Wahl gehabt, er hätte jeden Job der Welt gekündigt um bei ihr zu sein und zu wissen ob und wie es mit ihr weiter ging, aber er hatte nicht Entscheiden dürfen, so einfach war das in diesem Fall nicht gewesen. Er war praktisch Monate- gar Jahrelang auf diese Mission vorbereitet worden und es war ebenso wichtig gewesen daran teilzunehmen wie bei ihr zu sein, auch wenn er sich das nicht eingestehen konnte. Das was hin an der Sache aber am aller meisten störte war die, dass er nicht einmal etwas erreicht hatte. Er und seine Gruppe hatten absolut nichts erreichen können; nicht einen dieser verdammten Idioten hatten sie entlarven können; praktisch nichts hatte etwas genutzt und das regte ihn noch mehr auf. Sie konnten hinter jeden Ecke auf ihn warten - auch wenn er nicht zugeben würde, dass er so dachte, er hasste es, dass sie versagt hatten.
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Ein zartes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als er nach meiner Hand griff. Es fühlte sich vertraut an; richtig. Nach all den Tagen, Wochen und sogar Monaten hatte ich das Gefühl nicht vergessen, wie es war, wenn er mich berührte oder ansah. In meinem Bauch fing es leicht an zu gribbeln und etwas sagte mir, das es sich komplett richtig anfühlte. Nachdem Dylan sagte, er wüsste was passiert war, schaute ich kurz auf meine Beine und meinte: "Ich habe leider absolut keinerlei Ahnung, was geschehen ist. Meine Eltern haben zwar davon erzählt, doch es hat sich nichts ergeben. Kein Geistesblitz, gar nichts. Als würde jemand Kaffee über das MacBook kippen und seine Speicherkarte hätte darunter gelitten. Mehr als ein weißes Licht, das mich damals in jeder Nacht begleitete, habe ich noch. Der Rest ist wohl für immer weg." Ich spielte an seiner Hand, fuhr mit dem Daumen über seine weiche Haut und hörte seinen Worten zu. Was er arbeitete? "Ähm... etwas mit Zeit? Etwas auf Zeit.." Warum wusste ich das nicht?! Meine Gedanken liefen auf Hochtouren.. Wie konnte ich das nicht wissen? Streng dich an... Zeit, Zeit.. Traurig schaute ich zu ihm auf, in seine eisblauen, strahlenden Augen und schüttelte den Kopf.
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Wenigstens entriss sie ihm nicht gleich wieder ihre Hand: Das hätte ihm wohl den Rest gegeben und er wäre vermutlich aufgestanden und gegangen, einfach um nicht auszurasten. Nicht, dass er ein sonderlich impulsiver Mensch war.. er hatte zwar schon immer großes Temperament besessen, war auch mal laut geworden, aber das hier war eine andere Wut in ihm drin, etwas unkontrolliertes das jederzeit und zu jedem Moment explodieren und aus ihm ausbrechen konnte. Fürs erste allerdings war es weiterhin tief in ihm drin verschlossen und würde auch dort bleiben. "Nun steck' nicht gleich den Kopf in den Sand, vielleicht kommen die Erinnerungen irgendwann zurück. Vermutlich genau dann, wenn du nicht mehr danach gräbst.." versuchte er sie aufzumuntern, drückte sanfte ihre Finger, während er sie weiterhin aufmerksam ansah. Dass sie seinen Beruf nicht mehr wusste, verpasste ihm jeder wieder einen Dämpfer, kein Wunder hatte sie reagiert wie sie reagiert hatte. Sie hatte keine Ahnung weshalb er weg und nicht da gewesen war. "Zeit ist schon mal gar nicht so schlecht.." lächelte Dylan und verdrängte seine negativen Gedanken, sah sie aufmunternd an. Er würde einfach das Beste daraus machen, er war so froh wieder hier zu sein, dass er all die Enttäuschungen die sich vor ihm auftaten einfach dahin nahm, wegschob und an das positive dachte. "Ich bin Soldat, und zwei Tage vor unserem Unfall - ich hab das Auto gefahren - hab ich erfahren, dass ich in nicht einmal einer Woche zu einem schon längst überfälligen Job muss.." erklärte er ihr, wies sie dabei unauffällig darauf hin, dass er mit ihr im Wagen gesessen hatte, als der Unfall passiert war der ihr Leben verändert hatte. "Ich hab alles versucht um bei dir bleiben zu können, aber es hat nichts gebracht, dazu war die Mission zu wichtig - und ich hab sie alle dafür gehasst.." teilte er ihr wahrheitsgemäß mit. Ich musste gehen und hab all die Monate nicht einmal erfahren ob du.." er stockte, der Rest des Satzes war ja wohl klar. Er hatte nicht gewusst ob sie noch lebte oder nicht, was weiter mit ihr geschehen war. Und es war die Hölle auf Erden gewesen, schlimmer als jede Folter die er hatte ertragen müssen. Sehr viel schlimmer und doch der einzige Strohhalm der ihn am Leben erhalten hatte.
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Zeitsoldat, Auto, Unfall. Zwei Tage davor. Mein Versuch, mir diese Informationen merken zu können, funktionierte zum Erstaunen meiner Seite doch ganz gut. Er war also das Auto gefahren und hatte mich zu diesem halben Krüppel verarbeitet. Oder zumindest eine Person, die an diesem Unfall beteiligt war. "Womöglich hast du mir sogar erzählt, dass du gehen musstest.. Aber, es ist alles weg. WEG!" Wut stieg in mir auf. Wieso konnte ich mich nicht einfach dran erinnern, wie es zum Unfall kam, wieso mein Arm gelähmt war, warum er weg musste! "Ob ich noch lebe?", beendete ich seinen Satz und zog daraufhin meine Hand von seiner. "Natürlich lebe ich. Aber nicht so wie früher. Ich habe Schmerzen, die mich in der Nacht gerne zu Tode quälen. Im Krankenhaus habe ich manchmal daran gedacht, mir die Schnüre einfach aus den Armen zu ziehen. Ich habe mir gewünscht, ich wäre tot.. weil ich es nicht aushalten wollte. Doch ich lebe, irgendwie.."
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Nicht nur womöglich, er hatte es getan. Er konnte sich noch haargenau daran erinnern. Sie nicht und das nervte sie - das war ihr deutlich anzusehen. Mehr als deutlich. Und er konnte es ja auch verstehen, aber er war genauso wenig Schuld wie irgendjemand anders hier. Nur würde er ihr das nicht sagen können, wie auch? Damit er sie dann noch mehr auf die Palme brachte? Auch wenn es Dylan äußerst schwer fiel jetzt einzustecken, er wusste dass es fürs erste das Beste sein würde, einfach nicht egoistisch denken. Im Moment war sie diejenige die im Mittelpunkt stand und das war für ihn auch vollkommen in Ordnung. "Und ich bin froh dass du lebst." quittierte er trocken, zog seine Hände wieder zurück zu sich und schob sie in die Taschen seines Kaputzenpullovers. Ja, er war froh dass sie lebte. Sicher: es könnte besser für sie aussehen, scheinbar hatte sie tagtäglich Schmerzen und mit ihrem Arm war auch nichts anzufangen; aber sie lebte und es gab Tausende von Menschen auf diesem Planeten denen es schlechter ging als ihr und die auch leben konnten ohne dabei wie sieben Tage Regenwetter zu schauen. Dylan war noch nie ein Mensch großen Mitleids gewesen. Genau genommen hasste er es, wenn man aufgab, in Selbstmitleid versank und die Gedanken von wegen "was wäre wenn" in den Kopf bekam. So etwas konnte er nicht ausstehen. Und sie war tatsächlich nicht die Einzige der es schlecht ging, auch wenn sie das momentan vielleicht so sehen mochte. Es war immer das, was man daraus machte und irgendwann, früher oder später, musste sie über die Selbstmitleidsschiene hinaus sehen, sonst würde sie tatsächlich dem Abgrund immer näher rücken. "Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich mir sehr gut vorstellen kann wie du dich gefühlt hast - aber es bringt nichts den Kopf in den Sand zu stecken und egal wie schwer es sein mag: Es kommen auch wieder bessere Zeiten." Ob sie das gerade glauben mochte oder nicht, er sah es so und ohne diese Gedanken wäre er tatsächlich nicht mehr am Leben. Im Grunde genommen wusste er also wovon er sprach.
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Auf seine Worte hin nickte ich. Er hatte Recht. Es wäre sinnlos, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken wie ein Strauss. Machten die das eigentlich? Zumindest glaubte ich es. Aber egal. Viel wichtiger war, dass ich lebte, auch wenn es mir schwer fiel, damit klar zu kommen. Aber das war ja bei fast jedem Unfall so, der im Koma geendet war. Und da war ich doch der lebende Beweis dafür, dass man es schaffen konnte, wenn man.. wollte. Deshalb stand ich auf, lief um den Tisch herum und stellte mich vor seinen Stuhl, reichte ihm die Hand und sagte: "Und, wie geht es dir? Was war denn deine Mission und wieso war sie so wichtig für die Leute, dich von mir weg zu nehmen?" Ich wollte wissen, was mit ihm geschehen war. Wie es ihm dort ergangen war, was er hatte anstellen sollen. Schließlich sollten wir doch in unser altes Leben wiederfinden.. oder nicht?
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Da war sie - die Adeline die er so liebte und schätzte. Kaum war sie aufgestanden und um den Tisch zu ihm herum gegangen, war er schon wieder so milde gestimmt, dass sich ein Lächeln auf seinen rauen Lippen abbildete. Sanft aber doch irgendwie bestimmt zog er sie auf seinen Schoß, konnte so wieder ihren süßlichen Duft einatmen, von dem er vor wenigen Tagen nicht einmal gewusst hatte ob er ihn jemals wieder riechen würde. "Jetzt wo ich wieder hier bin geht es mir gut - ich kann mich wirklich nicht beklagen.." teilte er ihr wahrheitsgemäß mit, bevor er seine Arme um die schlanke Taille der jungen Frau legte, sie so ein wenig dichter an sich heran zog. "Es ging um eine Terrorgruppe im Irak. Wir haben leider nicht ganz das erreichen können was wir uns erhofft hatten, aber ich bin jetzt erst mal raus.. ich bleib jetzt hier." Das war ebenso die Wahrheit, man hatte ihm zugesagt er hatte jetzt erst einmal eine Auszeit, er konnte sich erholen und letzten Endes sogar selbst entscheiden ob er noch dabei war oder nicht. Das war der Vorteil an dem was passiert war; er war jetzt sowas wie ein Held, er hatte das überstanden, wovor der Großteil Angst gehabt hatte. Zumindest unter seinen Leuten; immerhin war nahezu nichts an die Öffentlichkeit geraten. Darüber war er auch mehr als froh, er wollte selbst entscheiden wann die Leute die ihm wichtig waren etwas davon erfuhren. "Wir haben versucht an den Kopf zu kommen, aber sind gescheitert. Fürs erste. Ich bin mir dennoch sicher wir konnten etwas erreichen - aber hey, lass uns nicht weiter über die Arbeit reden, okay?"
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Er war im Irak gewesen? Gänsehaut zeichnete sich auf meinen Armen ab. Dylan hatte um sein Leben gekämpft, nur damit die hohen Mächte an Dinge rankamen, für die sie zu feige waren?! "Okay, kein Wort mehr über die Arbeit. Womöglich würde ich dann nur wieder sentimental werden.. Ich meine, ich bin einfach nur froh, dass du endlich an meiner Seite sein kannst.. Hier, bei mir und ich auf dir.." Ein leises kichern kam über meine Lippen. Sanft lehnte ich meine Stirn gegen seine, fuhr mit meinen Fingerkuppen seine Wangenknochen entlang und hob sein Kinn an. "Du bist mein starker, gutaussehender Kämpfer", flüsterte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die rauen Lippen. Es war ungewohnt, wieder solch eine Nähe zu haben. Zu ihm zu haben. So genoss ich es einfach, schloss die Augen und atmete seinen maskulinen Duft ein.
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Niemand, aber auch gar niemand konnte in dem Moment nachvollziehen wie froh er war, als dieser kleine, total dämliche, eher unscheinbare Witz über ihre Lippen kam. Wirklich gar niemand. Er war so erleichtert, dass er sich augenblicklich deutlich entspannte - so entspannte, wie er es schon seit Monaten nicht mehr getan hatte. Während den wenigen Sekunden in denen ihre Lippen seine streiften schloss er die Augen: Davon könnte er jetzt gut und gerne mehr haben. Aber fürs erste sollte es ihm wohl ausreichen, fürs erste. Wobei - einen weiteren, kurzen Kuss wollte und konnte er ihr noch entlocken, bevor er die Augen wieder öffnete, sie ansah und ihr mit der linken Hand leicht durch das rote Haar strich. "Hast du Lust was zu unternehmen? Kino? Vielleicht was Essen gehen? Oder einfach nur ne Runde spazieren?" Er war frisch wieder zurück, hatte die Vorzüge des normalen Lebens sehnlichst vermisst und vor allem die ganz normalen, alltäglichen Dinge. Er hatte gerade erst zu Mittag gegessen, seine Mutter hatte sein Lieblingsessen gemacht: Lasagne. Und er hatte so viel gegessen, dass er beinahe geplatzt wäre, aber es war einfach zu gut gewesen, als dass er hätte etwas übrig lassen können. er hatte die letzten Wochen allerhöchstens trocken Brot oder ein wenig Haferschleim bekommen; wenn er nicht ganz darauf hatte verzichten müssen, weil er nicht getan hatte was man von ihm verlangt oder ihn gefragt hatte.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
"Laufen würde mir wohl ganz gut tun. Ich müsste mich nur kurz umziehen", gab ich als Antwort auf seine Frage hin zurück und stand auf. Mit meiner schlabberigen Hose und dem alten Oberteil von Primark konnte ich wohl schlecht durch die Gegend laufen. Immerhin wollte ich neben Dylan doch ein wenig gut aussehen. Er war ja schließlich mein Freund und für den machte man sich hübsch. So ging ich also ins Haus zurück, sah Ian an seiner Playstation sitzen und machte mich kopfschüttelnd auf in mein Zimmer. In meinem begehbaren Kleiderschrank kramte ich nach einer dunkelblauen Ripped-Jeans, einem grünen Top und einer schwarzen Beanie. Langsam streifte ich die Sachen von meinem Körper, zuckte kurz zusammen, als mein Bein anfing zu schmerzen. "Ich hasse es..", seufzte ich und stieg erst in das eine und dann in das andere Hosenbein. Im Spiegel betrachtete ich meinen blauen Fleck am Bauch, den ich mir dummerweise bei einem Sturz zugezogen hatte. Mein gelähmter Arm hatte an der Elle auch einen - einfach, weil ich nicht merkte, dass ich mich stieß. Gott, ich sah furchtbar aus. Was musste er nur von mir denken, wie ich so halbnackt, in einem Sport - BH, rumstand. Viel zu dünn. Na immerhin schmeichelte mir der BH den Rest meiner Brüste, der sich noch nicht durch mein abmagern zurückgebildet hatte.
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.
"Von mir aus kannst du das auch anlassen.." klärte er sie auf, da war sie aber auch schon aufgestanden und im Haus verschwunden. Im ersten Moment war sich der Brünette unsicher darüber, ob er aufstehen und ihr folgen sollte, oder ob er hier warten sollte. Er entschied sich für letzteres, weil er eben auch nur ein Mann mit Bedürfnissen war und schon Monatelang an der kurzen Leine gehalten worden war, zwangsweise eben. Demnach wollte er sich mal nicht zu großen Reizen aussetzen und beschloss die paar Minuten weiter in der Sonne und auf der Terrasse zu verbringen. "Aber beeil dich!" rief er ihr noch neckend nach, bevor er sich wieder zurück lehnte, die Augen einen Moment schloss und die frische Luft tief einatmete. Hier war es - im Gegensatz zum Irak - wirklich kühl, angenehm kühl. Die Luft war frisch und nicht so trocken, außerdem hatte er das Gezwitscher der Vögel vermisst. Die hatte er in seinem Bunker unter der Erde genauso wenig zu Gesicht bekommen wie die Sonne. Deswegen hatte er auch die ein der anderen Vitamintabletten bekommen - neben den Besuchen beim Psychologen die man ihm aufgelastet hatte, von denen er aber noch nicht wusste ob er sie tatsächlich wahrnehmen würde oder nicht. Ein paar Minuten später nahm er wieder Schritte von drinnen war, sodass er sich nun von seinem Stuhl hoch drückte und gerade aufstand, als Adeline wieder zu ihm auf die Terrasse kam: "Wohin willst du?" fragte er an die Rothaarige gewandt, hatte dabei aber schon ein ganz bestimmtes Ziel im Kopf "Wie wäre es mit der kleinen Lichtung im wald, beim Wasserfall?" schlug er vor, ohne auf eine Antwort von ihr zu warten.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."