Was war nur mit ihm los, was war sein Problem? Ich krabbelte vom Bett, lief hinüber zum Fenster und schloss es. Vertrug er diese Geräuschkulisse nicht mehr, oder warum reagierte er direkt so über? Mit verschränkten Armen blieb ich am Fenster stehen, nur in einem schlabbrigen Oberteil und einer kurzen Shorts bekleidet. Mir egal, ob mich die Arbeiter so sehen konnten, sollten sie ruhig glotzen. Meine Augen musterten seine Haltung. Dort, wie er nun kauerte, wirkte er sehr zerbrechlich. So hatte ich meinen Freund noch nie zu Gesicht bekommen. Ich kannte ihn nur als starken, liebenswürdigen Mensch, der es nie gewagt hätte, mich anzugreifen. Der es nicht gewagt hätte, das mir was passiert.. "Schatz..", begann ich leise und kniete mich neben ihm, nahm seinen Kopf in beide Hände. "Es ist doch alles gut, es ist nichts passiert..", fuhr ich fort und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn. Mit meinem Daumen strich ich seine Wangenknochen entlang.
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.
Er drehte durch, wenn so etwas gleich nochmal passierte, würde er durchdrehen. Jetzt war er schon hier, in scheinbarer Sicherheit und doch nicht Sicher vor allem was geschehen war. Es wäre ja wohl auch zu schön gewesen, wenn er das alles so mir nichts, dir nichts und ohne Probleme weggesteckt hätte, nicht wahr? Wieso sollte ihm das vergönnt sein? Er hatte ja noch nicht genug durchstehen müssen. Nein, mal im Ernst. Eigentlich war Dylan jemand, der nicht von der sensiblen Seite war und direkt alles an sich heran ließ. Aber das war dann eben doch eine andere Nummer gewesen. Nicht mal mit Adeline hatte er darüber gesprochen was geschehen war; klar sie sah die Narben und konnte sich ihren Teil denken, aber was genau passiert war, wie es abgelaufen war, wie die Monate gewesen waren... das wusste niemand. Wenn er auch nur daran dachte es auszusprechen zog sich in ihm alles zusammen und rissen die kaum verheilten Wunden wieder von Neuem auf. Er war sich sicher, dass er es auch gar nicht beschreiben könnte. Aber zurück ins Hier und Jetzt - zumindest soweit es für den Brünetten möglich war in seiner aktuellen Situation. Was die Situation noch schlimmer machte als sie es ohnehin schon war, war die Tatsache, dass er Adeline beinahe etwas angetan hätte. Und das? Das hätte sich der junge Mann im Leben niemals verzeihen können. Am liebten hätte er sich gerade auf dem Boden zusammengerollt, die Augen geschlossen und alles um sich herum ausgeblendet, aber er wollte ihr nicht noch mehr Angst machen, wie sie vermutlich sowieso schon hatte. Stattdessen versuchte er also sich wieder einzukriegen, tief durchzuatmen, seinen rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen - was nebenbei gesagt einfacher gesagt als getan war. "Du - du solltest gehen Adeline.." forderte er sie mit rauer Stimme auf. Nicht, weil er sie nicht bei sich haben wollte - das wollte er wirklich, war er sich doch sicher, dass sie die einzige war die ihn wieder da rausholen konnte - sondern viel mehr, weil er sich niemals verzeihen könnte wenn ihr etwas geschah, ganz gleich was.
"You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time."
"Ich werde ganz sicher nicht gehen..", sagte ich sanft und schaute ihn musternd an. Irgendwas stimmte doch nicht mit ihm und genau das wollte ich herausfinden. "Ich werde dich so schnell nicht verlassen. Bitte sag mir, warum das gerade passiert ist. Warum du.. mich.. angegriffen hast. Was ist passiert? Was haben sie dir angetan..?" Ich spürte, das mir Tränen in den Augen brannten. Ich wischte mir kurz mit dem Handrücken über das Gesicht, während mein Blick standhaft auf Dylans Gesicht gerichtet war. Eines Tages musste er mir seine Geschichte erzählen - er musste. Was, wenn es wieder zu so einer Situation kommen würde. Was, wenn er mich tatsächlich.. ungewollt... erdrosseln würde - im Schlaf.
They say that time's supposed to heal ya, but I ain't done much healing.