Es war vollkommen egal, wie ich herum lief… oder flog. Als Spatz oder Marienkäfer gab es hier aber viel zu wenig Licht, weswegen ich meist als Katze auf dem harten Holzsessel kauerte, den sie mir hier gelassen hatten. So auch jetzt. Ich kauerte da wie die ägyptische Sphinx. Einen richtigen Tagesablauf hatte ich nicht. Ich konnte mich ja nicht einmal am Essen orientieren, denn das kam unregelmäßig… manchmal auch gar nicht. So wie gestern beispielsweise, da hatte ich wieder nichts bekommen. Mein Magen knurrte und aufgrund der langen Gefangenschaft war mein schwarzes Fell stumpf und glanzlos. Als Mensch erkannte ich mich kaum noch wieder, vermutlich verbrachte ich deshalb so wenig Zeit in meiner richtigen Gestalt. Meine Ohren zuckten ein wenig, als ich den Schlüssel in der Türe hörte. Das war nichts besonderes. Es bedeutete nur, dass Essen kam. Zu einem anderen Zweck war nie jemand hergekommen. Anfangs hatte ich ja noch gedacht, dass das irgendwelche Menschenhändler oder so etwas waren, aber sie hatten ganz genau gewusst, wer ich war, wie ich hieß, was ich so machte… sie kannten meine Tiergestalten und fanden nichts merkwürdig daran. Schritte kamen näher und plötzlich öffneten sich meine goldgelben Augen. Da fehlte doch etwas. Für gewöhnlich wurde die Türe wieder abgeschlossen. Ich beachtete den Mann, der mir das Essen brachte, gar nicht weiter, denn mein Blick klebte an der Türe. Als ich hörte, dass der Teller auf dem kleinen Tischchen abgestellt wurde, verwandelte ich mich in einen Menschen zurück. Eigentlich nichts Besonderes, sie alle kannten das, doch in einem letzten Anfall von Verzweiflung, stieß ich dem Kerl den Sessel entgegen, stürzte eine Sekunde später zur Türe, brachte sie tatsächlich einen Spalt weit auf und schwirrte als Marienkäfer heraus. Glaubt nicht, dass ich das nicht schon früher versucht hatte. Die ersten Tage war ich ans Bett gefesselt gewesen und später hatten sie mich mit einer Waffe bedroht. Ich hatte bis zum heutigen Tag niemals die Chance gehabt, auch nur in die Nähe der Türe zu kommen. Bisher hätte mir das auch nichts genutzt, da diese immer verschlossen worden war… nur heute nicht. Hinter mir hörte ich es fluchen, doch ich flog leise brummend an die Decke des Raumes und verschanzte mich auf einem hölzernen Querbalken. Von hier aus hatte ich eine Übersicht über den Raum und konnte zusätzlich verschnaufen. Mich zu verwandeln fiel mir schon schwer, weil ich kaum noch Muskeln hatte, aber dann auch noch längere Strecken zurückzulegen, war kaum ertragbar. Unter mir wuselte es gewaltig. Offenbar war ich wirklich wichtig, nur wusste ich bis heute nicht wieso. Ein paar Mal fiel der Name Blake und ich wäre beinahe von meinem Balken gefallen. Hatten sie ihn etwa erpresst? Oder war er auch hier? Scheiße, ich musste dringend hier raus. Ich sah mich um und entdeckte tatsächlich ein gekipptes Fenster. Zum allerersten Mal war ich froh über meine unauffälligen Tiergestalten, denn ich schaffte es nach draußen. Auf dem nächsten Strauch wurde ich zu einem Spatz, obwohl mir schon schrecklich schwindelig war. Wie sollte ich es denn jemals bis zur Turnhalle schaffen? … Wenn ich überhaupt in New York war. Allerdings deutete bisher alles darauf hin. Ich musste dringend hier weg. Mit letzter Kraft flatterte ich von dannen und versuchte, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, der mich zu den Stealers führen konnte. Von Central Park aus würde ich es schaffen, doch bis dahin brauchte ich einen halben Tag. Es war später Nachmittag, als ich vollkommen erschöpft dort ankam. Offenbar hatten sie mich in einem Randgebiet von New York fest gehalten. Von Park aus war es eigentlich nicht mehr weit und trotzdem trudelte ich eher dorthin, als dass ich flog. Als Carlo schließlich vor mir auftauchte, sackte ich endgültig zu Boden. Die Tiergestalt konnte ich nun ohnehin nicht mehr aufrecht erhalten. Ich zog mich an der Türklinke hoch und taumelte ins Innere der ehemaligen Sporthalle. Was ich getan hätte, wenn die Stealers gar nicht mehr hier gewesen wären, wusste ich gar nicht. Ich wusste nur, dass ich überraschte Rufe wahrnahm. Am liebsten hätte ich noch gesehen, was um mich herum passierte, doch wie es vermutlich zu erwarten war, knickten meine Beine weg und ich bekam noch mit, wie ich auf dem Boden aufkam. Typisch für mich dachte ich mir natürlich noch, dass das ein schrecklich peinlicher Auftritt war, den ich hingelegt hatte.
They say that life's a carousel Spinning fast, you've got to ride it well The world is full of Kings and Queens Who blind your eyes and steal your dreams.
Soo, ich hab auch eeetwas länger geschwafelt, das schreckt hoffentlich niemanden ab, der eventuell einsteigen möchte XD ---
Blake
Ich hätte mein letztes Jahr wirklich sinnvoller leben können, stattdessen hatte ich es doch recht blutig und gewalttätig aussehen lassen. Das wiederum konnte man mir eigentlich nicht verdenken, ich hatte eben - wie üblich - die schlimme Kindheit und war daher quasi ja schon vorbelastet für eine aggressive Seite meinerseits, daher...nicht meine Schuld, sorry. Jeder andere würde mich wohl auch ohne ein weiteres Wort in den Knast stecken und mir war glasklar, dass die Polizei mittlerweile ein Auge - ein großes Auge! - auf mich geworfen haben müsste. Durch viele Vorfälle hatte ich sie auf mich aufmerksam gemacht, hatte mit der Gang mehrere Raubzüge auf staatliche Einrichtungen gestartet und war auch keineswegs davor zurückgeschreckt, jemandem dabei unendliche Schmerzen bis hin zum Tod zuzufügen. Es war mir einfach egal, was andere von mir hielten. Gefängnis? War mir egal. Von mir aus. Einmal hatten sie mich fast gehabt und ich war nahe dran gewesen, hübsche, silberne Handfesseln mein Eigentum nennen zu können, doch wieder einmal hatte die Gang mir den Arsch gerettet. Mittlerweile war ich meinen Jungs und Mädels echt was schuldig. Aber sie wussten, wieso ich mich so verhielt. Ich war noch launischer und aggressiver als zuvor. Wenn einem etwas genommen wird, was man eben doch ganz gern gehabt hatte, entwickelte man sich zu einem anderen Menschen und mein neues Ich war nicht unbedingt sympathisch. Ich mahlte mit den Kiefermuskeln und richtete den Kragen meines dunklen Mantels. Der Kies knirschte bei jedem Schritt unter meinen Lederboots. Ein rauer Wind strich mir durch das dunkle Haar und ich versenkte die Hände in den Manteltaschen. Es war Herbst geworden. Vor circa einem Jahr hatte ich gesehen, wie Jane dort hing, in der Halle. Sie war dermaßen entstellt gewesen, dass man sie gefoltert haben musste, bevor sie starb. Und gerade das machte mich so unfassbar wütend. Niemand machte sich an meinen Leuten zu schaffen - und schon gar nicht an Jane. Ob ich es nun gerne zugab oder nicht, die Kleine war mir schon ans Herz gewachsen. Wie auch immer sie das geschafft hatte... Doch durch meine Hand war sie nun tot. Wäre sie damals nicht in meine Gang gekommen, wäre sie noch am Leben und müsste nicht für mich und meine Taten büßen. Sie war ein unschuldiger Mensch und hatte niemandem auch nur ansatzweise etwas getan, warum also sie?! Ich presste die Lippen aufeinander. Leider Gottes war ein Mann wie ich nicht gerade einsam. Ich hatte viele Feinde und hatte sofort einige von denen beschatten lassen, um den möglichen Täter identifizieren zu können. Nicht wenige von diesen waren dabei gestorben, verreckt, war mir egal. Mein Prinzip lautete, Janes Mörder zu finden, und das würde ich auch schaffen. Doch jetzt, ein Jahr später, war noch immer die totale Funkstille. Ich war nicht weitergekommen und so langsam musste ich mir eingestehen, dass ich verloren hatte. Bevor ich nun wieder meinen Kopf verlieren würde, beschloss ich, die Halle aufzusuchen. Außerdem fühlte ich mich alleine auch nicht mehr sicher draußen. Wahrscheinlich lauerte hinter jeder Ecke ein Mann, der mich tot sehen wollte. Wobei es mir mittlerweile wahrscheinlich weniger ausmachen würde, tatsächlich ins Gras zu beißen. Carlo quietschte leise, als ich die Halle betrat. Mittlerweile heizten wir, weshalb ich erst mal meinen Mantel auszog und achtlos auf einen herumstehenden Sessel warf. Erst dann sah ich mich um. Und blickte in die Gesichter von sichtlich irritierten, aufgeregten und verwunderten Gangmitgliedern. Mir wollte gerade eine spitze Bemerkung über die Lippen kommen, als Dave mir auf die Schulter klopfte. "Komm mal mit, Blake.." Ich hob die Augenbrauen. Was war jetzt? Hing hier wieder irgendwo jemand rum? Meine Laune war im Keller, aber das war sie eigentlich schon seit einem Jahr, war also nichts besonderes. Man hatte Jane auf eine Liege in einem der freien Räume gebracht, dort lag sie. Jemand hatte sich darum gekümmert, dass Essen und Trinken gemacht und geholt wurde. Mir jedenfalls verschlug es die Sprache. Wäre ich nicht Blake, hätte ich nun die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wäre auf die Knie gefallen und hätte geweint, stattdessen bekam ich einfach nur eine staubtrockene Kehle. "Raus..!", flüsterte ich, und obwohl meine Stimme leise war, hörte man den befehlenden Unterton darinnen und daher ließ es sich auch keines der Mitglieder zwei mal sagen. Dave nickte mir nochmal zu, als wollte er sagen 'Nur zu, sie ist es wirklich', dann war ich alleine. Allein, mit Jane. Wo war sie nur gewesen, was hatte man ihr angetan, wer war die tote Person an meiner Tür gewesen, wieso ist sie jetzt wieder hier, etc. Tausende Fragen schwirrten mir durch den Kopf und ich musterte die junge Frau erst mal misstrauisch. Dann zog ich mir einen Stuhl zu ihr an die Liege, strich ihr zärtlich über die Wange und knurrte leise. Ja, das war sie. Die weiche, dennoch straffe Haut, die friedlichen Gesichtszüge und dennoch sah sie furchtbar dünn und...anders aus. Ich schluckte. In meinem bisherigen Leben hatte ich selten so etwas wie Trauer und aufrichtige Freude gleichzeitig gespürt, ich hatte mich generell nie auf Gefühle eingelassen, weshalb ich nun unsicher war, was ich tun sollte. Ich saß einfach da und strich ihr sanft durch das dunkle, jedoch glanzlose Haar. "Wach auf, Jane." Meine Stimme hatte nun etwas Warmes an sich, der raue Unterton blieb wie immer und natürlich hatte ich es mir nicht verkneifen können, sogar diesen Satz als einen Befehl zu gestalten. Wie auch immer, sie war wieder da. Und ich konnte es noch kein Stück glauben.
„If you look in my heart you will find no love, no light, no end inside and I'm looking for a miracle." #hurtsmiracle
Ich war nur kurz weg gewesen. Für einen Moment war ich wieder alleine und sofort glaubte ich, mich wieder in dieser Gefängniszelle wieder zu finden, doch kurz darauf spürte ich Hände an mir und vernahm Stimmen. Vermutlich waren die ziemlich laut, doch mir kam es vor, als wäre mein Kopf in Watte gewickelt worden, um mich von der Außenwelt abzuschirmen. Vielleicht war das wieder nur so ein komischer Traum. Immerhin hatte ich oft davon geträumt, plötzlich abzuhauen, doch jedes Mal, wenn ich es nur irgendwie versucht hatte, hatten sie mich entweder so erwischt oder im allerschlimmsten Notfall mit dem Elektroschocker drangekriegt. Die eine Kontaktstelle am Rücken auf Höhe der Nieren sah man immer noch. Ganz leicht fühlte ich eine Erschütterung und wollte eigentlich ganz gerne die Augen öffnen. Ich wollte sehen, ob ich träumte oder ob es tatsächlich wahr sein konnte. Ehrlich gesagt glaubte ich noch nicht wirklich daran. Kurz wurde es gleißend hell, doch schon im nächsten Augenblick wurde ich wieder von angenehmer Dunkelheit umhüllt. Dass irgendjemand vorhin nur meinen Kopf angehoben und jetzt mein Augenlid geöffnet hatte, konnte ich ja nicht wissen. Ich glaubte noch immer, alles wäre nur ein Traum. Die ersten paar Male hatte ich die Träume noch geglaubt. Sie waren so realistisch gewesen, dass ich gar nicht anders konnte, als sie zu glauben. Auch in diesen früheren Träumen hatte ich Schmerz gefühlt… oder Hunger oder Durst. Ganz gewöhnliche Dinge hatten sich real angefühlt. Auf dem Weg hierher hatte mich jemand angerempelt, weswegen meine Schulter weh getan hatte. Dass der Schmerz in Wahrheit davon kam, dass ich mich mal wieder gegen die Mauer neben meines Bettes geworfen hatte, hatte ich damals noch nicht gewusst. Doch diese ganzen kleinen, scheinbar unbedeutenden Dinge hatten alles so realistisch gemacht: Vogelzwitschern, Regentropfen, der Gestank der Stadt, das Quietschen der Reifen, wenn irgendein Vollidiot beim Wegfahren zu viel Gas gab… solche Dinge hatte mein Gehirn mir im Schlaf vorgespielt. Und jedes Mal war ich wieder in diesem kleinen Raum wach geworden. Ich wollte das nicht erneut… vielleicht war diese scheinbare Ohnmacht eine Schutzreaktion meines Körpers, um die Enttäuschung nicht noch einmal durchleben zu müssen. Unzählige Male hatte ich mich danach erneut in den Schlaf geweint. Vor allem die ersten paar Tage, als ich nicht einmal richtig aufstehen konnte, weil die eine Hand ans Bett gefesselt war. Plötzlich hatte ich das Gefühl zu schweben. Der warme Boden unter mir war verschwunden und ich war mir ziemlich sicher, dass ich flog. Vielleicht war ich ja tot. Vielleicht hatten sie mich endlich umgebracht? Das wäre doch nur logisch. Wieso hatten sie mich überhaupt ein Jahr lang fest gehalten? Das war absurd. Stimmen sprachen leise in meiner Nähe, während ich weiter schwebte. Ich hörte Blakes Namen und ganz leicht zuckte ich zusammen. Vermutlich kaum merklich, doch die Stimmen verstummten. Ich war nicht tot. Ich war noch immer in diesem schrecklichen Raum. Dort hatten sie doch über Blake gesprochen… erst heute hatten sie das getan. Moment. Mit mir hatte nie jemand gesprochen und ich hatte nichts gehört, weil die Türe so dick gewesen war. Ich musste doch draußen gewesen sein oder hatte ich mir das alles nur eingebildet? Langsam wusste ich nicht mehr, was ich nun glauben sollte. Ein kleiner Teil von mir hatte wieder Hoffnung geschöpft. Hoffnung, dass ich Blake irgendwann wiedersehen würde… dass ich irgendwann wieder im Kreise der Gangmitglieder sitzen würde, obwohl ich doch gar nicht mehr zu ihnen gehört hatte. Und dennoch war ich diejenige gewesen, die er bevorzugt hatte. Keine aus der Gang. Dieser kleine Teil, der Hoffnung schöpfte, erinnerte sich noch gut daran. Im Moment überwog jedoch der größere Teil, der bereits aufgegeben hatte. Wie sonst hätte ich das durchgehalten? Ein Jahr lang in beinahe völliger Isolation. Nur ab und an hatte ich einige spöttische Kommentare zu hören bekommen oder irgendwelche Beschimpfungen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich gehofft hatte, dass jemand kam und mich beleidigte. Irgendwann hatte man nämlich Angst, Stimmen zu hören. Wenn diese dann nicht mehr real waren, wurde es kritisch. Das Schwebegefühl stoppte. Jetzt lag ich scheinbar auf einer Wolke. Ganz egal, wo ich mich befand, es konnte nicht meine Kammer sein, denn das Bett in dieser war so unbequem gewesen, dass ich immer die Federn im Rücken gespürt hatte. Die Matratze war kaum eine gewesen… Und trotzdem hatte ich das Gefühl, vollkommen sicher zu sein. Dieser Traum war bisher der Schönste von allen. Vielleicht hatte ich ja Glück und würde nicht mehr aufwachen. Irgendwann dämmerte ich trotzdem weg. Ab und an hörte ich Schritte, doch sie kamen und gingen. Niemand blieb hier. Dennoch war es anders als in der Kammer. Jedes Mal, wenn ich dachte, ich könnte die Augen öffnen und mich endlich umsehen, sank ich wieder eine Ebene tiefer und kam einem ruhigen Schlaf immer näher. Es wäre ausgesprochen schön, mal wieder eine Nacht einfach nur durchschlafen zu können. Hey, ich hatte nicht umsonst dunkle Augenringe. Generell ähnelte ich nur noch ansatzweise der Jane, die ich früher gewesen war. Manchmal wusste ich gar nicht, wie ich meine Stimme gebrauchen musste. Vom Aussehen sprach ich da noch gar nicht. Zwar hatte ich immer noch das glatte, schwarze Haar, doch die Stirnfransen waren nun zur Seite gewachsen… die Spitzen stumpf, das gesamte Haar glanzlos. Ich war schon seit meiner Pubertät schlank gewesen. Mein Stiefvater hatte oft gesagt, dass ich eher die Figur eines Jungen hätte, da bei mir tatsächlich kaum Rundungen zu erkennen waren. Die wenigen, die ich besessen hatte, waren stark in den Hintergrund gedrängt worden. Die hervorstehenden Knochen fesselten jeden Blick. Alleine die Schlüsselbeine stachen beinahe durch die Haut durch und an den Hüftknochen konnte man sich vielleicht sogar verletzen, wenn man nicht aufpasste… Jemand strich sachte durch mein Haar und kurz war ich versucht, mit der Hand dorthin zu greifen. Ich ließ es dann doch bleiben, denn in meiner Vorstellung war da jemand ganz Besonderes. ‚Wach auf, Jane.‘ Im Halbschlaf musste ich lächeln. Nun ja, viel eher zuckten meine Mundwinkel ein wenig nach oben. Dieser Traum war bisher wirklich der Beste von allen. Nur ging die Handlung irgendwie nicht weiter. Das war noch nie so gewesen. Das war immer nach meinen Vorstellungen abgelaufen, also konnte da doch etwas nicht stimmen. Ganz langsam öffnete ich blinzelnd die Augen und betrachtete erst einmal die Zimmerdecke. Die war anders als sonst. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Gestalt wahr und vorsichtig drehte ich nur den Kopf. Ich traute mich kaum hinzusehen, aber… aber er war es wirklich. Zitternd entwich die Luft aus meinen Lungen und ich sah Blake einfach nur an. Er sah anders aus… aber das tat ich bestimmt auch. Ich musste irgendwie überprüfen, dass er real war. Und mir kam die wirklich absolut bescheuertste Idee, die es gab. „Ist… ist das ein Befehl?“ Meine Stimme klang rau und unglaublich leise... anders konnte ich gerade gar nicht sprechen. Ich stellte ihm die Frage, die ihn bei einer unserer ersten Begegnungen zum Lachen gebracht hatte. Vermutlich würde mir das kein bisschen Beweis liefern, ob er real war, aber das war einfach das Erste, das mir eingefallen war.
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Tony: Ich schlenderte gemütlich und ohne hast die Straße richtung Sporthalle entlang. In der Hand, ein belegtes Brötchen, das machte den Weg leichter. Immerwieder biss ich ein Stück ab. Ich setzte mich für das erste auf eine Holzbank, welche unter einer großen Buche stand und aß mein Brötchen zu ende. Der Himmel bedeckte sich mit ein paar Wolken aber die Sonne schien immernoch. Trotzdem musste es ja Anfangen zu tröpfeln. Brummend lief ich weiter, immerhin wollte ich ja nicht riskieren das es nachher noch richtig anfing mit Regnen, nein, heute könnte ich keine Dusche von Mutter Natur gebrauchen. Mit großen Schritten lief ich weiter, der Weg schien aber endlos lang. Ich sah mich um, keiner war da, das hieß, ich konnte mich in Ruhe in einen Falken verwandeln und das tat ich auch. Warum laufen wenn du genauso fliegen kannst? Ich hüpfte auf einen Zaun und wartete erstmal ab. Ich hatte jetzt auch richtig gute Augen, jetzt sah ich alles! Kurz schweifte mein Blick hin und her, dann flatterte ich davon. Wie gut es tat, den Wind unter meinen Flügeln zu spüren. Man fühlte sich einfach frei. Leider begann es, zu Regnen. Aber für mich war das nur ein kurzer Schauer, denn die Sonne strahlte immernoch. Ich beschloss jetzt zur Halle zu fliegen, auch wenn ich klatschnass sein würde. So flog ich also so schnell ich konnte und kurze Zeit später war ich angekommen. Klatschnass. Und jetzt schien auch wieder die Sonne, kein Regen mehr. Jetzt war meine Laune auch im Keller. Ich verwandelte mich zurück zu einen Menschen. Ich war komplett durchnässt. Ich lief nach drinnen, alle sahen mich verwundert an, manche lachten. "Schnautze!", brummte ich. Ich wollte keines Falls jetzt den Chef spielen, nur war meine Laune im Keller. Ich wollte mich nurnoch zurückziehen, wollte in einen der leeren Räume gehen. Alle Mitglieder wollten mich schon aufhalten, doch ich drückte schon die Türklinke nach unten. Ich hatte große Augen, war geschockt, der Raum war anscheinend besetzt mit Blake und Jane. Ein brummendes 'Sorry' entwich mir, dann schloss ich wieder die Tür. Zu der schlechten Laune kam Eifersucht. Ja, ich war Eifersüchtig und das bei jeder kleinen Scheiße, jetzt, da ich heute garkeine Aufmerksamkeit bekommen hab sondern Jane diese Aufmerksamkeit bekam. Irgendwie gönnte ich ihr das auch. Aber dies würde ich nie Zugeben! Ich hinterließ bei jeden Schritt ein quietschen, da meine Schuhe nass waren. Ich fand dann noch einen Rückzugsort, wo ich erstmal meine Haare trocknen ließ. Ebenso hoffte ich, nachher wegen meinen 'Fehler' (da ich Blake ja gestört hatte) keinen Ärger zu bekommen. Ich war heute eben schlecht gelaunt, da würde ich nicht dasitzen und mir alles anhören, sondern ich würde ganz bestimmt auch die Meinung sagen.
Nein, ich konnte es noch kein Stück glauben. Wieso sollte ich Jane auch wiederbekommen, warum jetzt, wo ich es schon ein Jahr lang ohne sie hatte aushalten müssen? Das war die schlimmste Zeit meines Lebens gewesen, auch wenn das die Jahre zuvor auch nicht gerade mit Blümchen und Rosen ausgeschmückt gewesen war. Jedoch hatte die junge Frau mir immer wieder das Gefühl gegeben, doch etwas besonderes zu sein. Da würde ich wohl nie zugeben, aber es war wohl einer dieser magischen Momente, als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Okay, damals hatte sich eher der Gedanke in meinem Kopf festgefahren, 'Hey, die leg ich flach!', doch mir wurde sofort klar, dass daraus mehr wurde. Ich würde niemals so weit gehen, dass ich sagen würde, Jane sei meine große Liebe. Ich hatte gewissermaßen wohl Angst vor Gefühlen. 21 Jahre ohne diese hinterließen nun mal Spuren. So etwas wie Glück, Wärme und Freude hatte ich nie erfahren. Ich kannte es schlicht weg nicht anders. Und das war wohl mitunter einer der Gründe, warum Jane mich immer wieder so verwirrte. Sie lachen zu sehen, das Funkeln in ihren Augen und die sanfte, weiche Stimme... All das weckte Gefühle in mir, die ich nie zuvor jemand andrem offenbart hatte. Ich gab ein paar Anweisungen an Dave, der nochmal seinen Kopf zur Tür hineinsteckte, orderte eine Kopfschmerztablette - als gut organisierte Gang besaß man sowas - dann war ich wieder mit ihr alleine. Mein Blick schweifte über ihren Körper. Für jemanden, der sie nur flüchtig gekannt hätte, wäre es schwer gewesen, sie wieder zu erkennen. Ausgelaugt, matt und furchtbar dürr sah sie aus. Ein wütendes Blitzen stieg in meinen hellen Augen auf und ich ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. Diese Mistkerle...sie würden meine Rache zu spüren bekommen und zwar ohne Halt. Ich würde sie umbringen. Definitiv. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde ich die Drecksäcke leiden lassen. Und dann die Angst vor dem Tod in ihren flehenden Augen sehen. Und dann würde ich es genießen, ihren letzten Atemzug miterleben zu dürfen. In mir hatte sich der Drang bereitgemacht, mich zu verwandeln, was ich dann aber doch besser sein ließ, denn die junge Frau vor mir schien langsam wach zu werden. Was musste sie nur durchgemacht haben... Über ein Jahr lang, mehr als verdammte 365 Tage hatte sie alleine verbracht, in der Ungewissheit, ob sie lebend da rauskam. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Tony in den Raum platzte. Ich wurde ja auch bisher schon so einige Male bei gewissen körperlichen Aktivitäten gestört, doch seltsamerweise kam es mir in diesem Moment intimer vor. Meine Augenbrauen wanderten langsam in die Höhe, doch ich sagte nichts, sondern nickte nur. Wollte sie mich sprechen oder hatte sie einfach nur einen ruhigen Raum gesucht? Ich würde sie nachher fragen. Also einfach ruhig bleiben, Blake. Ich drehte den Kopf wieder zu Jane und bekam mit, wie sie nun langsam die Augen öffnete und mich dann ansah. Endlich, nach mehr als einem Jahr, trafen sich unsere Blicke wieder und ja, ich war ein Mann. Ein richtiger Mann, ich leitete eine Gang, war unheimlich erwachsen und selbstbewusst, ein Indianer kennt keinen Schmerz... Doch in diesem Moment glitzerten meine Augen leicht und ich musste den Kloß in meinem Hals herunterschlucken. Bei ihren Worten lachte ich leise auf. "Du weißt, wie gerne ich Befehle erteile..." Meine Finger strichen unablässig durch ihr dunkles Haar. Sie schien noch nicht ganz glauben zu können, dass ich real war, aber das konnte ich auch noch nicht so ganz. Ein Jahr war eine ziemlich lange Zeit, gerade wenn etwas fehlte. "Du bist wunderschön...", kam mir dann noch über die Lippen und ich lächelte schief. Ich wurde viel zu persönlich, ich offenbarte zu viele Gefühle.. - es war wie ein Warnsignal in meinem Kopf. Aber es war Jane, sie würde wohl alle meine Gefühlsregungen mitbekommen dürfen. Und dafür hatten wir viel Zeit, denn sie war jetzt wieder bei mir und diesmal würde ich sie nie, nie wieder hergeben und wenn ich dafür sterben musste.
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Tony: Ich hockte mich auf den Teppich und sah auf den Kamin. Er würde mich wohl etwas trocknen. Da er noch warm war, war wohl noch jemand anderes hier drinnen gewesen. Jetzt war der Raum aber fürs erste mein Zimmer! Ich verwandelte mich nochmal zum Falken, ich glaube so würde ich am schnellsten trocknen. Ich setzte mich dich an den Kamin und plusterte mein Federkleid auf, damit auch jede einzelne Feder trocken wurde. In der Zeit, wo der Ofen mich wärmte und trocknete, überlegte ich schonmal, was ich nachher Blake erzählen sollte, falls er fragen sollte, warum ich einfach in den Raum geplatzt bin. Ich hoffe, das er ruhig bleiben würde, denn auf irgendwelches rumgezicke hätte ich sowas von kein Bock! Denn ich würde dann zurück motzen und dann gäbe es wieder Stress. Ich wurde langsam aber sicher trocken, sodass ich nun begann, meine Federn zu putzen. Ja, ich musste selbst als Falke gut aussehen. Immerwieder huschte mein Blick zur Tür. Ich wollte einfach nicht gestört werden oder ich wollte auf Nummer sicher gehen das Blake nicht plötzlich vor mir stand. Dieser Mann hat mich schon oft genug erschrocken, dann brauchte ich das nicht, wenn ich meine Federn putzte. Kurz wurde die Tür geöffnet, ein Mitglied hatte wohl ausschau nach einen freien Raum gehalten. Ein pipsieges "Hau ab!", entwich mir. "Aber ich war hier zu erst, das ist mein Raum", meinte der Kolleg, nahm mich hoch und setzte mich vor der Tür ab. Ich verwandelte mich zurück, doch er haute mir die Tür vor der Nase zu. Ein paar andere Leute hatten sich das Theater angeschaut, grinsten oder steckten rasch die Kopfe zusammen. "Was gibts da zu glotzen?", fragte ich schnippisch. Ich lief nach draußen und setzte mich auf einen Stein, der unter einen Dach war. Ich steckte mir die Kopfhörer in mein Ohr und ließ Musik laufen. Das beruhigte mich etwas und ich summte ganz leise mit. Aber meine schleche Laune war trotzdem nicht verschwunden. Auch jetzt entspannte ich mich nicht, sondern sah immer wieder hin und her. Mich sollte bloß keiner Erschrecken oder sonst was, nicht wenn ich Musik anhörte. Doch irgendwann lauschte ich einfach nur der Musik, war in meiner eigenen Welt. Ich achtete nicht auf die Leute um mich herum. Jetzt gab es einfach nur mich und meine Musik.
In meinen Träumen hatte er nie so real gewirkt. Mit der Zeit war sein Gesicht immer mehr verschwommen, wenn ich mich erinnern wollte. Natürlich wusste ich nach wie vor, wie er aussah, nur die genauen Details waren einfach verschwunden. Wie bei einem Bild, das man nur lange genug unbemerkt in der Sonne liegen ließ. Die Farben würden verblassen, die Linien verschwimmen… irgendwann war es kaputt. Und meine Erinnerung war es leider auch schon gewesen. Ich hatte mit aller Kraft versucht, sein Gesicht vollkommen makellos und klar im Gedächtnis zu behalten, doch vor meinem inneren Auge war es immer mehr verschwommen. Ihn jetzt tatsächlich und real vor mir zu sehen, überstieg eigentlich meine kühnsten Träume. Vermutlich waren mir deswegen keine vernünftigen ersten Worte eingefallen. Immerhin gab es unzählige Dinge, die ich ihm erzählen wollte. Ich wollte ihm sagen, dass es mir gut ging, dass mir niemand etwas getan hatte, dass ich leider nicht wusste, wer mich da gefangen gehalten hatte. Wusste er das überhaupt? Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht hatten sie ihn ja tatsächlich erpresst. War ich ein gutes Druckmittel? Irgendwie schon, aber die Stealers hatten nicht so gewirkt, als wären sie gezwungen worden, zurückzustecken. Ganz im Gegenteil. Das kurze Bild, das die Halle mir geboten hatte, war ziemlich beeindruckend gewesen. Alles schien neu zu sein. Naja, in einem Jahr konnte unglaublich viel passieren. Dieser kurze Moment, in dem Blake lachte, waren sämtliche Erinnerungen aus dem letzten Jahr wie weggewischt. Das war wirklich furchtbar kitschig, das wusste ich selbst. Ich war nie der romantische Typ gewesen. Ich mochte ja noch nicht einmal Rosen. Da sollte mir lieber jemand einen neuen Skizzenblock oder Stifte schenken, das fand ich weitaus passender. Und trotzdem musste ich jetzt fast heulen. Das war bescheuert, weil das ein schöner Moment war, aber alleine dieses kurze Glitzern in Blakes Augen ließ mich beinahe erschaudern. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen. Vermutlich würde ich das auch nie, aber alleine das Wissen, dass er fast so weit war, war wieder eine Erinnerung, die sich auf ewig in meinem Kopf abspeichern würde. ‚Du weißt, wie gerne ich Befehle erteile…‘ Ja, das wusste ich allerdings. Dieser Tonfall hatte mich vor einem Jahr noch ganz wuschig gemacht. Das wusste er aber auch und hatte das gut und gerne ausgenutzt. Konnte ich aber irgendwie verstehen. Jetzt aber war uns beiden nicht nach solchen Spielchen. Seine Finger strichen auch immer noch durch mein Haar und ich schloss für einen kleinen Moment die Augen. Obwohl… besser nicht, am Ende entpuppte sich das alles doch noch als Traum. ‚Du bist wunderschön…‘ Was? Ich guckte ihn ein wenig entgeistert an. Das konnte wirklich nicht sein Ernst sein. Immerhin wusste ich, wie ich aussah. Und typischerweise wurde ich trotzdem rot. Zumindest erschien ein dezenter rosafarbener Hauch über meinen Wangenknochen. „Red keinen Quatsch“, murmelte ich und wich seinem Blick natürlich aus. Obwohl mir das doch ziemlich missfiel. Immerhin hatte ich diese Augen schon viel zu lange nicht gesehen. Da ich aber jetzt gerade aber weggeguckt hatte, wollte ich das nicht allzu offensichtlich erscheinen lassen und setzte mich vorsichtig auf. Schwindelig war mir noch immer, aber zumindest fühlte ich mich nicht so, als würde ich in der nächsten Sekunde zusammenklappen. Das Wasser auf dem kleinen Tischchen sah zwar verlockend aus, nur gerade war mir etwas viel Wichtigeres eingefallen. „Blake? Hast du denen Geld gegeben? Ich… ich hab nämlich nie irgendwas mitbekommen. Die haben nie mit mir geredet, aber sie… haben mir auch nie was getan“, erzählte ich stockend und sah den Dunkelhaarigen unsicher an. Ich redete nicht gern darüber, das merkte ich jetzt schon. Obwohl es viel schlimmer hätte kommen können, das wusste ich.
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Ist ein relativ unkreativer Post, aber ich bin gerade nicht so einfallsreich, weil ich nebenbei immer noch beschäftigt bin. XD ---
Blake
Da lag sie noch immer, vor mir auf dem Bett. Sie war nicht weg, das alles war real, sie war da. Jane war wieder nach Hause gekommen. Das war alles so unwirklich. Ein Jahr war so eine lange Zeit. Frühling, Sommer, Herbst, Winter. All diese Jahreszeiten hatte ich 365 Tage lang ohne Jane erlebt und sie jetzt wieder hier zu sehen, überforderte mich. Und genau damit kam ich nicht klar. Dass es mich überforderte. Ich war ein stattlicher Mann, auch wenn ich eben ein Leben als Gangführer führte, aber ich war erwachsen und eigenständig. Ich hatte mir das alles hier aufgebaut, hatte meine Leute und somit einen Sinn fürs Leben. Hätte ich meine Gang nicht, dann wäre ich auch nicht Blake, vermutlich sogar schon tot. Das alles hier, war das einzige, was mir noch Halt gab. Und niemals hatte ich dabei Gefühle eine Rolle spielen lassen, soweit hatte ich es erst nie kommen gelassen. Doch jetzt war diese Frau in mein Leben getreten und hatte wahrhaftig alles auf den Kopf gestellt. Wie sie das geschafft hatte, war und blieb mir ein Rätsel. Ich befeuchtete meine Lippen und fuhr mir kurz sichtlich wirr durch das dunkle Haar. Wer konnte sie nur entführt haben? Und wieso? Irgend jemand musste gewusst haben, was sie mir bedeutete, sonst hätte dieser Jemand es nicht strikt auf sie abgesehen. Zum Zeitpunkt der Entführung war sie ja gar nicht mehr in meiner Gang gewesen. Unter den Umständen könnte man denken, ich hätte vielleicht gar nichts mit der Sache zu tun, dann allerdings hätte die tote Frau niemals an meiner Tür gehangen. Jemand hatte das alles bewusst getan und geplant, um mir eins reinzuwürgen, aber wie gesagt, ich hatte viele Feinde. Keinem konnte ich es genau zuordnen. New York war eine große Stadt mit vielen Menschen, die zu so etwas imstande waren. Doch jetzt gerade, als ich in diesem Raum saß und Jane vor mir lag, schwor ich mir, dass ich diese Leute finden würde. Und wenn es das letzte war, was ich tat, ich würde mich rächen. Jane war das wert. Ich hob den Kopf, als ein noch recht junger Mann, Derek, den Kopf zur Tür hineinsteckte. In seiner Hand hielt er ein Glas mit Wasser und einer Tablette - vermutlich die georderte gegen Kopfschmerzen. Ich nahm das Glas entgegen und hielt es dann Jane hin. "Trink das. Keine Angst, sind keine Drogen, sondern tatsächlich nur eine Kopfschmerztablette." Wieder stahl sich ein schwaches Lächeln auf meine sonst ziemlich besorgt wirkenden Gesichtszüge. Ich wollte nicht, dass sie Schmerzen hatte. Sie sah nicht gut aus. Vielleicht sollten wir essen. Sie brauchte definitiv etwas. Jedoch schien die junge Frau zu glauben, mir eine Antwort schuldig zu sein, da sie sofort mit so etwas ähnlichem rausrückte. Ich hob abwehrend die Hände, legte die eine aber sofort wieder auf ihrem Haar ab. Dann setzte sie sich auf und ich blieb auf dem Stuhl sitzen. "Wir haben genug Zeit, zu reden, Jane." Nach kurzem Zögern stand ich dann auf und setzte mich vorsichtig neben die junge Frau an die Bettkante. Dennoch wartete sie wohl noch auf eine Antwort und die würde sie auch bekommen. "Ich hab denen kein Geld gegeben. Jane, ich dachte, du seist tot. Damals hing hier eine tote Frau, sie sah aus wie du. Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen. Dass man dich entführt hat, hätte ich niemals geglaubt." Ich stoppte wieder, da ich erneut so persönlich geworden war. Erneut knurrte ich ganz leise und drehte den Kopf zu ihr. Und dann war da schon wieder etwas an ihr, was mich leise rau lachen ließ. Die minimale Röte auf ihren Wangenknochen war unverkennbar. Schon so oft hatte ich sie gesehen und jetzt war es so vertraut, dass ich sie am liebsten einfach an mich gedrückt hätte. Doch ich beherrschte mich lieber. Ich war immer noch Gangführer. Ich musste mich zusammenreißen. Doch es fiel mir so schwer. Jetzt, wo ich endlich wieder mein Mädchen bei mir hatte.
„If you look in my heart you will find no love, no light, no end inside and I'm looking for a miracle." #hurtsmiracle
‚Trink das. Keine Angst, sind keine Drogen, sondern tatsächlich nur eine Kopfschmerztablette.‘ Mir war jetzt wirklich nicht nach einer Tablette. So schlimme Kopfschmerzen hatte ich ja nicht. Es war viel eher mein Kreislauf zusammengeklappt, weil ich schon ewig nicht mehr so weit geflogen oder gelaufen war. Generell war es körperlich anstrengend gewesen, überhaupt so viele Verwandlungen durchzuführen. Das hatte nur anfangs funktioniert, weil ich so voll mit Adrenalin gewesen war. Im Moment konnte ich mir nämlich nicht einmal vorstellen, aufzustehen. Das war absurd. Ich würde ja sofort wieder umkippen. Allerdings könnte Blake mich dann ja auch auffangen, was wiederum eine Erwägung wert war. Aber nein… jetzt hatte er sich schon genug Sorgen um mich gemacht im vergangenen Jahr. Ich nahm das Glas und die Tablette brav an, wartete aber noch ein wenig. Immerhin hatte ich ihn dann ja alles gefragt. Sonderlich wichtig war das zwar auch nicht, aber ich wollte ihm einfach zumindest ein bisschen etwas erzählen, was so vorgefallen war. Natürlich würde ich ihm nicht jeden einzelnen Tag berichten. Vor allem nicht die Anfänge. Mehrere Stunden lang an ein Bett gefesselt zu sein, rief da schon unangenehme Assoziationen hervor. Und ich wollte Blake jetzt bestimmt nicht noch mehr durcheinander bringen. Deswegen hielt ich vorerst auch die Klappe und schluckte die Tablette mit einem großen Schluck Wasser hinunter. Das war sogar frisch und schmeckte nicht abgestanden. Vielleicht war ich ja wirklich tot und einfach im Himmel gelandet? Obwohl… nein, ich würde bestimmt nicht in den Himmel kommen, wenn es so etwas überhaupt gab. ‚Wir haben genug Zeit, zu reden, Jane.‘ Das konnte er doch gar nicht wissen. Vor einem Jahr hatte ich nämlich auch noch gedacht, dass wir alle Zeit der Welt hätten und jetzt? Jetzt war ich nach über 12 Monaten zum ersten Mal wieder hier… hier in seiner Nähe. Es konnte alles so schnell vorbei sein. Ich wusste das jetzt. Ich musste das wissen, immerhin hatte ich das am eigenen Leib erfahren. Ich wollte auch nicht mehr so mir nichts dir nichts in den Tag hinein leben, aber das musste ich jetzt nicht aufgreifen. Das würde ich Blake irgendwann sagen. Dennoch… wollte er etwa ein Leben lang diese Gang führen? Ich sah ihn ernst an und folgte jeder seiner Bewegungen mit meinem Blick, bis er sich neben mir niederließ. Ganz ehrlich, es war immer noch unwirklich. Ich würde bestimmt ein paar Tage brauchen, bis ich endgültig begriffen hatte, dass das hier die Realität war und nicht die Zelle irgendwo am Rande New Yorks. Von der war ich weit entfernt und ich musste mir das dringend verdeutlichen. ‚Ich hab denen kein Geld gegeben. Jane, ich dachte, du seist tot. Damals hing hier eine tote Frau, sie sah aus wie du. Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen. Dass man dich entführt hat, hätte ich niemals geglaubt.‘ Mir stockte der Atem und da brachte auch sein leises Lachen nichts. Für gewöhnlich hatte mich das ja zumindest weiter rot werden lassen oder was auch immer. Nur heute funktionierte das nicht. Die hatten ihn glauben lassen, ich wäre tot. Das war noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Wieso hatten sie das so komisch aufgezogen? Wieso hatten sie denn nicht mich hierhin gehängt? Hatte wegen mir jetzt eine Unschuldige sterben müssen? „Oh, Gott…“, brachte ich tonlos heraus und mir fiel beinahe das Glas aus der Hand. Gerade noch so konnte ich es auf dem kleinen Tischchen neben der Liege abstellen. Ich hatte gedacht, ich hätte eine schlimme Zeit durchlebt. Wenn ich mir nun aber vorstellte, sie hätten mich glauben lassen, Blake wäre tot, wüsste ich wirklich nicht, was ich getan hätte. Keine Ahnung, wie es um ihn gestanden hatte. Hatte er mich beerdigt? Hatte er vielleicht an meinem Grab gestanden? Sollte es dieses geben, musste ich mir das irgendwann ansehen. Zu gerne würde ich wissen, wer da statt mir begraben lag. Die Vorstellung alleine schnürte mir die Kehle zu und ich rutschte an Blake heran, um mich an ihm festzuklammern. Hatte er vielleicht versucht, über mich hinwegzukommen? Hatte er das geschafft? Hatte er jemand Neues kennengelernt? Eine andere Frau? Vielleicht eine aus der Gang, die ich sogar kannte? Leise Tränen liefen mir die Wangen hinab und ich drückte mich einfach an ihn. Ich wollte jetzt nicht an so etwas denken. Eigentlich wollte ich ihn nur küssen und ihm sagen, dass jetzt alles wieder gut werden würde, aber… aber ich glaubte einfach selbst nicht daran.
They say that life's a carousel Spinning fast, you've got to ride it well The world is full of Kings and Queens Who blind your eyes and steal your dreams.
Tony: Die Langeweile wurde immer unerträglicher, da konnte selbst meine heilige Musik nichts dagegen unternehmen. Ein leises seufzen lief mir über die Lippen und ich fuhr mir einmal durch die braunen Haare. Ziemlich gelangweilt musterte ich die Gegend, bis ich nach 'ner Zeit ein Gangmitglied fand, welches mir noch nicht auf die Nerven gegangen ist; Asher. Ein kurzes lächeln huschte mir über die Lippen, dieses verschwand dann aber wieder. Ich stoppte die Musik und schlenderte ehr unauffällig zum jungen Mann hin. Ich hatte noch nie ein Gespräch mit den Typen, deshalb brauchte ich eine Weile, bis ich eine passende Begrüßung hatte. Ein kurzes 'Hey' sagte ich dann zur Begrüßung zu ihn und lächelte leicht. Ja, ich konnte lächeln, aber dieses hielt nie wirklich lange an. Auch musste ich aufpassen, ihn nicht zu mögen. Ich wollte das einfach nicht! Warum? Lange Geschichte. Und ich will auch nicht darüber reden. Ich musterte nun den Mann vor mir. Schlecht sah er nicht aus, das musste man ihn lassen. Ich hoffte, das er mir jetzt nicht dumm kam, sondern lässig antwortete. Ich war schon so sauer, da brauchte ich keinen Streit.
Ich hatte das dringende Bedürfnis, mit meinen Fingerspitzen auf der Matratze herum zu trommeln, doch irgendwie konnte ich das noch unterdrücken. Aus irgendeinem Grund war ich furchtbar angespannt und unruhig. Es war ungewohnt, hie mit Jane zu sitzen und daher fiel es mir auch schwer, jetzt etwas zu sagen oder zu tun. Mit solchen Situationen konnte ich absolut nicht umgehen, ich war Gangführer und hatte nie vorgehabt, mal in einer jungen Frau eine potenzielle Freundin zu sehen. Nein, ich war immer noch lange nicht so weit, dass ich sagen würde, ich würde Jane lieben, aber natürlich bedeutete sie mir mehr. Sie war mir unheimlich wichtig und genau das war nicht gut für einen jungen Gangführer. Dadurch machte ich mich angreifbar, ganz abgesehen davon, brachte es Jane auch in Gefahr. Das hatte man ja schon ganz gut gesehen... Ohne mich wäre das niemals passiert, sie wäre niemals entführt worden und hätte all diese schlimmen Erlebnisse durchmachen müssen. Eigentlich wollte ich gar nicht wissen, was man der jungen Frau alles angetan hatte. Der Gedanke, dass sie jemand angefasst oder gar geschlagen hatte, machte mich sofort wieder furchtbar wütend und ich starrte für einen Blick die Wand an. Als sie die Kopfschmerztablette nahm, sah ich sie flüchtig an. Ihre Hände zitterten. Sie sah so schwach und zerbrechlich aus, dass mein Beschützerinstinkt beinahe durchdrehte. Ich wollte ihr helfen, niemand würde ihr mehr etwas antun. Jane war in meiner Gang, unter meiner Führung und unter meiner schützenden Hand. Von jetzt an würde ihr nichts mehr passieren, das schwor ich mir. Als sie das Glas dann sichtlich erschrocken abstellte und leise 'Oh Gott!' stammelte, legte ich behutsam den Arm um ihren schmalen Körper. Da war sie wieder, ihre Nähe, die ich so sehr vermisst hatte. Ein komplettes Jahr lang. Eine unglaublich lange Zeit, wenn man sie alleine verbracht hatte. Ja, ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte in diesen 356 Tagen keine einzige Frau an mich rangelassen. Die Jungs in meiner Kumpel taten mich zwar einmal gezwungen, mit ihnen in die Bar zu gehen, aber ich war den ganzen Abend nicht der normale Blake gewesen. Ich nahm das meinen Kumpels auch nicht übel, sie wollten nur das Beste für mich. Wir alle hatten gedacht, Jane sei tot und irgendwann war es nun mal Zeit gewesen, das Leben neu zu sortieren und weiter zu führen. Ich hätte niemals damit gerechnet, sie nochmal wieder zu sehen, ich hatte zu hundert Prozent geglaubt, sie sei tot... Anfangs hatte ich das nicht glauben wollen. Als ich morgens nach einer unruhigen Nacht aufgewacht war, hatte ich gedacht, ich hätte alles nur geträumt. Aber nein, immer wieder hatte ich mir jeden Tag aufs Neue ins Gedächtnis rufen müssen, dass Jane nicht mehr da war und dass sie nie wieder mein Büro betreten würde. Ich seufzte leise und so, dass man e auch gut überhören konnte. "Schon okay, du bist ja jetzt wieder da... Meinst du, du schaffst es, duschen zu gehen? Badewannen besitzen wir leider nicht... Aber es würde die bestimmt gut tun." Warmes Wasser konnte wirklich Wunder bewirken, auch für ihren angeschlagenen Kreislauf. Denn der sollte jetzt endlich mal wieder in die richtige Bahn rutschen, ich wollte nicht, dass es Jane schlecht ging. Von so einem blöden Kreislauf würde ich mich jetzt schließlich nicht aufhalten lassen.
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Asher Seit geraumer Zeit saß ich im Lager der Stealer herum und beobachtete das Treiben, dass hier herrschte, ohne mich wirklich daran zu interessieren. Klar, als vor einigen Stunden, als eine junge Frau hier angekommen und regelrecht zusammengebrochen war, war selbst ich ein wenig 'erschrocken' gewesen, auch wenn ich sie nicht kannte. Ich war noch nicht allzu lange hier dabei, hatte mich vor einem knappen halben Jahr der Gang angeschlossen, nachdem ich die ungewöhnlichen Fähigkeiten entdeckt hatte, die tief in mir drinnen geschlummert hatten. Bis heute fragte ich mich, was sie geweckt hatte, immerhin war ich bereits 23, und dass sich soetwas erst so spät bemerkbar machte, war schon eigenartig. Jedenfalls hatte ich mir recht schwer getan, die Wohnung, in die ich erst kurz vor dem Entschluss zur Gang zu gehen, gezogen war, aufzugeben, hatte mich dann aber dazu durchringen können. Es war das einfachste für mich hier zu leben, mit Menschen, die das Gleiche konnten wie ich und weitestgehend auch schon deutlich 'ehrfahrener' in dem ganzen Verwandelzeugs waren. Allerdings war es gewissermaßen auch eine enorme Umstellung für mich gewesen, mich daran zu gewöhnen, mit so vielen Menschen auf einem Haufen zu hocken und sie ständig um mich herum zu haben. Mittlerweile hatte ich mich etwas daran gewöhnt, was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass ich lieber alleine und nur für mich war. In meinen Gedanken versunken, wippte ich leicht mit dem rechten Bein - eine blöde Angewohnheit, die irgendwie in der Familie lag -, hielt die Arme locker vor der Brust verschränkt und beobachtete ein paar Leute, die mal dahin und mal dorthin gingen. Gerade hatte ich daran gedacht, vielleicht in die Stadt zu gehen, um mal ein wenig raus zu kommen, als mich eine Frauenstimme aus meinen Gedanken riss, die ich bis jetzt noch nicht allzu oft gehört hatte. Leicht verwundert darüber, dass sich jemand dazu motivierte mich mit meiner wenig einladenden Haltung anzusprechen, sah ich mit gerunzelter Stirn auf und die junge Frau, Tony, an. Besonders viel hatte ich mit ihr bis jetzt nicht zu tun gehabt, aber wer sie war, wusste ich selbstverständlich. "Na..", gab ich ziemlich langgezogen als Antwort zurück und löste langsam die Verschränkung meiner Arme, während ich sie flüchtig musterte und mir anschließend durchs dunkle Haar fuhr. Sie wirkte auf mich nicht sonderlich gut gelaunt, aber keine Ahnung, wie und ob ich das richtig einschätzen konnte, ich kannte sie ja kaum. "Alles klar bei dir?", fügte ich dennoch noch mit einem fragenden Unterton an. Ich wollte ja nicht unhöflich erscheinen, und eine einzige knappe Begrüßungserwiderung kam mir selbst für mich zu kurz angebunden vor.
Blake legte seinen Arm um mich und das machte vielleicht alles ein kleines bisschen besser. Nicht viel, aber immerhin hatte ich nicht mehr das Gefühl, jeden Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sonderlich sicher war der Untergrund zwar nicht, auf dem ich mich befand, aber er würde auch nicht aufreißen und mich zurück in die Zelle befördern. Kurz erinnerte ich mich an den Tag, an dem sie mich geschnappt hatten, nur die Erinnerung war stark verschwommen und je mehr ich sie zu erfassen versuchte, desto weiter weg rückte sie. Ich gab auf und wischte mir mit dem Handrücken lieber die Tränen weg. Heute war doch wirklich kein Tag, an dem ich heulen musste. ‚Schon okay, du bist ja jetzt wieder da... Meinst du, du schaffst es, duschen zu gehen? Badewannen besitzen wir leider nicht... Aber es würde die bestimmt gut tun.‘ Langsam nickte ich. Doch, das würde ich hinbekommen. Die Tablette wirkte auch allmählich und zumindest mein Kopf gaukelte mir nicht mehr vor, alles würde sich drehen. Keine Ahnung, wie das aussah, wenn ich dann mal aufstand, aber festhalten konnte Blake mich allemal. Das hatte er ja früher schon… er hatte mich nie fallen gelassen, das wusste ich. Also würde er es auch jetzt nicht tun. „Ich denke, das… das geht klar“, antwortete ich ihm leise und löste mich wieder von ihm. Sein T-Shirt war an einer Stelle jetzt ein wenig durchnässt und flüchtig strich ich darüber, bevor ich ihm einen entschuldigenden Blick schenkte. So etwas war mir immer noch peinlich. Hey, ich hatte zwar ein Jahr lang in einem winzigen Raum gelebt, aber ich war immer noch ich selbst. Schrecklich verpeilt, schusselig und tollpatschig höchstwahrscheinlich noch dazu. Einen Moment lang blieb ich noch sitzen und warum auch immer schweiften meine Gedanken zu einer Badewanne. Klar, Blake hatte vorhin von diesen gesprochen, aber… Scheiße! Ich hatte eine Badewanne besessen! Die war in meinem Bad in meiner Wohnung gestanden. Verdammt, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. In dieser Wohnung war ein Jahr lang niemand gewesen. Da war mein gesamtes Leben… meine Klamotten, meine Skizzenbücher, einfach alles… Erinnerungsfotos, Postkarten… „Scheiße, ich muss in meine Wohnung!“, murmelte ich dann vollkommen zusammenhanglos und wollte eigentlich aufstehen. Funktionierte nur nicht so gut, denn plötzlich drehte sich wieder alles und ich fiel auf die Liege zurück. „Okay… vielleicht doch morgen… Gehst du morgen mit mir dorthin, Blake?“ Ich sah ihn fast schon flehend an. Klar, ein großer Teil von mir vermutete zwar, dass die Wohnung schon längst jemand anderem gehörte. Mein Zeug war höchstwahrscheinlich für immer weg. Wo sollte ich denn dann hin? Ich hatte schon vor über einem Jahr gesagt, dass ich nicht hier leben würde… ich wollte das so nicht. Und es hatte doch funktioniert. Aus dem Augenwinkel sah ich meine Haare und jetzt wollte ich wirklich zu gerne duschen… den ganzen Mief dieser Zelle loswerden… schade, dass man Erinnerungen nicht so einfach abwaschen konnte. Das wäre doch wirklich mal praktisch. Ganz langsam - schnell hatte es vorhin ja nicht geklappt - drückte ich mich hoch und stand dann tatsächlich. Zwar hielt ich mich kurz an der Lehne des Stuhls fest, aber es funktionierte. „Okay… ich schaff das…“
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Tony: Hatte ich jetzt zu knapp geantwortet? Hoppla. Aber das hatte Schlechte Laune so an sich. Ich war nicht wirklich gesprächig. Nach seiner Frage sah ich ihn an. "Naja...so wirklich ist nicht alles klar, es ist einfach nicht mein Tag, würde sich sagen", sagte ich und sah auf den Boden, ehe ich mir einmal durch die Haare fuhr und über meine Lippe leckte. Aber ich glaubte, man merkte mir an, das nicht alles okay war. Generell war nie was für mich okay, wenn ich was erreicht hatte, was ich schon wieder unzufrieden und setzte mir neue Ziele. Wie damals, Schauspielschule. Erfolgreich abgeschlossen. Und schon war ich wieder offen für neues; wollte wieder was neues erreichen. Und ja, ich war auf einer Schsuspielschule, das hieß, ich konnte perfekt Schauspielern, ohne das jemand wusste, wie es mir wirklich ging. Das hatte oft seine Vorteile, wenn ihr mich Fragt. Ich sah dann wieder zum jungen Mann rauf, lächelte schwach. Es gab ja nicht wirklich einen Grund für mich zu lächeln. Nur um nett zu wirken? Ähm..Nein? Entweder hatte ich zu großes Temperament oder ich war zu schlecht gelaunt. Ich würde ja auf das erste Tippen. Das Temperament hab ich mir aber selber und nur in der Gang angewöhnt. Man darf sich immerhin nicht alles gefallen lassen, vorallem da manche auch mal schlechte Laune haben. Oder manche können ziemlich selbstbewusst sein, dagegen muss man sich auch wehren können. Ich sah nun nach oben. "Wie heißt du eigentlich?", dumme Frage, ich wusste es ja, aber ich wollte es doch nochmal persönlich wissen. "Ich bin Tony Mallory, aber Tony reicht vollkommen", sagte ich leicht lächelnd.
Soso, sie dachte also, das geht klar. Jane war wahrhaftig eine kleine Kämpfernatur, das war sie wohl schon immer gewesen. Sie jetzt so schwach und zerbrechlich, trotzdem aber noch so entschlossen zu sehen, machte mich fertig. Zwar ließ ich mir das jetzt nicht so richtig anmerken, aber tief in mir machte ich mir große Sorgen um Jane und war vollkommen aufgewühlt... Das wiederum war alles andere als gut für mich, denn ich musste einen klaren Kopf bewahren, um meine Aufgabe als Gangführer akzeptabel wahrzunehmen. Ich machte mich angreifbar und machte dadurch Fehler, die mir nicht passieren durften. Ehrlich gesagt, ich ging nicht davon aus, dass ich sonderlich alt wurde. Zukunftspläne besaß ich nicht. Mein Leben widmete ich meinen Leuten in dieser Gang und auch wenn man es mir nicht unbedingt anmerkte, respektierte ich jeden Einzelnen, schließlich waren sie immer für mich da gewesen und würden auch immer für mich da sein. Viele Leute waren bestimmt der Meinung, Gangführer zu sein wäre ganz einfach, aber das konnte ich nur abstreiten. Es war verdammt schwierig. Ich hob den Kopf, als Jane sich dann erhob und sah an mir herab. Tja, sie hatte mein Shirt wohl wieder etwas nass gemacht. Das hatte sie damals schon mal und auch da war es ihr unangenehm gewesen. Irgendwie goldig. Ihr plötzlicher Einwand, dass sie nun in ihre Wohnung musste, riss mich aus den Gedanken. Stimmt, sie hatte die Gang damals ja verlassen und war in eine eigene Wohnung gezogen, nur konnte sie jetzt wirklich schlecht dorthin. Sie konnte ja kaum gerade stehen. Vielleicht war sie krank, vielleicht musste sie ins Krankenhaus. Brauchte sie einen Arzt? Ich fuhr mir mit fahrigen Bewegungen durch das dunkle, dichte Haar und nickte dann nur. Ich war nervös und ein klein wenig misstrauisch, wie eigentlich immer. Jedoch überwog der Teil in mir, der einfach nur erleichtert war, Jane endlich wieder bei mir zu haben. Die junge Frau hatte einen wichtigen Platz in meinem Herzen eingenommen, das hatte ich nicht verhindern können, auch wenn ich es noch so sehr hätte vermeiden wollen. Ich stand nun ebenfalls auf und sah auf die kleine Person hinab. Sie sah nicht aus, als würde sie jetzt sicher den Weg zum Bad meistern können. Viel eher wirkte sie so unglaublich schwach, dass es mich schmerzte. "Soll ich dich tragen?" Ich grinste sie leicht an, wieder etwas mehr dieses eben typische Blake-Grinsen. Ich wollte sie ein bisschen aufmuntern, sie einfach auf andere Gedanken bringen. Zärtlich wischte ich Jane vorsichtig eine Träne von der Wange und wartete geduldig auf eine Antwort ihrerseits.
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Je länger ich stand, desto mehr schwirrte mein Kopf. Klar, in den vergangenen Monaten hatte ich zwar nie sonderlich viel getan, und der heutige Tag war mehr als ereignisreich gewesen, aber ich war es einfach nicht gewohnt, so schwach zu sein. Es fühlte sich auch total falsch an… als wäre das nicht mein Körper. Nur wusste ich eben, dass er es doch war, obwohl ich das letzte Jahr nicht wirklich einen Spiegel gehabt hatte. Das kleine Bad war kaum eine Erwähnung wert. Sie hatten mir auch gerade einmal das Nötigste gegeben: Zahnbürste und -pasta, Duschgel und ein billiges Shampoo. Die Insassen eines Gefängnisses hatten es sicher besser. Blake nickte glücklicherweise, was mich wirklich ein wenig aufatmen ließ. Der Gedanke, mich alleine draußen fortzubewegen war kaum vorstellbar. Vermutlich war ich auch schrecklich paranoid. Ich zitterte ein klein wenig und murmelte ein leises „Danke.“. Vermutlich könnte ich nicht nur wegen meiner Angst nicht alleine dorthin… ich wusste auch nicht, was ich tun würde, wenn mein ganzes Zeug tatsächlich weg war. Das war immerhin mein Leben gewesen. ‚Soll ich dich tragen?‘ Das… das war nicht sein Ernst oder doch? Er schenkte mir dieses Grinsen, von dem ich nie wusste, was es zu bedeuten hatte. Ich wusste auch nie, wie ich darauf reagieren sollte. Manchmal würde ich es ihm gerne aus dem Gesicht wischen und ein anderes Mal hoffte ich, dass es nie daraus verschwinden würde. Im Moment war ich ja noch der Überzeugung, dass ich alles alleine schaffen würde und hielt nur kurz inne, als Blakes Finger meine Wange streiften. Natürlich brachte mich das ein wenig aus der Fassung. Diese „Macht“ über mich hatte er nämlich nicht verloren. „Ehm… nein… nein, es geht schon… danke!“, versuchte ich ungezwungen zurückzugrinsen und trat dann als Beweis einen Schritt in Richtung Türe. Klappte nicht ganz so gut, weswegen ich mich an Blake festhielt und ihn zerknirscht von unten ansah. „Okay, es… es geht doch nicht. Würdest du bitte…?“ Ich konnte das nicht einmal aussprechen. Ja, verflucht, mir war das schrecklich unangenehm. Für gewöhnlich war ich eine selbstbewusste Frau, die an ihrem 19. Geburtstag von zu Hause abgehauen ist, und jetzt konnte ich nicht alleine ins Badezimmer gehen. Das war wirklich schrecklich. „Und ich will, dass du nachher rausgehst oder dich zumindest umdrehst, was auch immer… Du sollst mich nicht so sehen“, murmelte ich ziemlich leise, aber er hatte mich bestimmt verstanden. Wenn ich ehrlich war wollte ich mich nicht einmal selbst ohne Klamotten sehen. Ich konnte ja wirklich nichts für meine Figur, aber ich hätte schon immer gern ein paar weibliche Kurven mehr gehabt. Hatte ich nur nie bekommen… und die wenigen, die ich eben doch gehabt hatte, waren jetzt bestimmt auch verschwunden. Und ich wollte eben nicht, dass Blake das sah.
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"Ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass ich Probleme habe", sagte er und wusste, dass er log. Als sie sanft mit ihren Fingerspitzen die Haare aus seiner Stirn strich, bekam er eine kalte Gänsehaut, die sich schnell über seinen gesamten Körper ausbreitete. Nicht zum ersten mal fragte Mike sich, wie sie das bloß immer wieder schaffte, dass selbst die kleinste Berührung ihn so aus dem Konzept brachte. Er holte sein Handy hervor und schaute kurz nach, wer ihm geschrieben hatte. ~Raphael. Da sollte ich vielleicht doch diese Nachrichten lesen.~ Am liebsten hätte er sie ignoriert, aber da in der Gang momentan eine sehr angespannte Lage herrschte, tat er es nicht. Mike öffnete die erste Nachricht:
Beweg deinen faulen Arsch in die Fabrik, ich muss was mit dir klären. Und es ist mir egal, dass du Zeit mit Leslie verbringen willst.
Mike spürte etwas wie Wut in sich aufkeimen und genervt öffnete er die zweite Nachricht:
Und heute Abend musst du einen Auftrag für mich erlediegen.
Er seuftzte schwer und steckte sein Handy weg. Raphael konnte noch warten. Er würde ihm heute Abend sagen können, was er sagen wollte. Mike versuchte nicht allzu grimmig dreinzuschauen, Leslie zu liebe. Er brauchte sie nur anzuschauen und schon hob sich seine Laune merklich. Schuldgefühle beschlichen ihn, weil er sie vorhin angelogen hatte, doch er traute sich nicht, ihr die Wahrheit zu erzählen, sie zu belasten. Er wollte für sie da sein und ihr ein Gefühl von Sicherheit schenken. Wie sollte er das schaffen, wenn sie wusste, dass er sich nicht unter Kontrolle hatte? Während er seine Krähen Gestalt perfektionierte, gewann die Geparden Gestalt immer wieder die Oberhand über ihn. Und das nagte an ihm. Er wollte Leslie ehrlich gegenüber sein, wollte es wirklich und er schaffte es auch gut, es sei denn, dieses Thema fiel. Er hatte gehofft, dass sie vielleicht ähnliche Probleme hätte und er dann sich ihr öfnnen könnte und sie beide eine Lösung finden, sich gegenseitig helfen würden. Mike riss sich aus seinen Gedanken und schaute auf die Pfannkuchen, wusste, dass er sie niemals so gut hinbekommen hätte. "Ich muss heute Abend gehen, Raphael braucht mich." Er hielt inne und schaute zu Boden, blickte fast schon schüchtern wieder zu ihr. "Wenn du willst kann ich danach wieder zu dir kommen?" Es war klar, dass er gerade um Erlaubnis bat, bei ihr übernachten zu dürfen. Mike hoffte, dass sie ihn nicht falsch verstand und zu viel in diese Frage hineininterpretierte, denn so war es keinesfalls gemeint. Doch er würde es ihr nicht verübeln können, so wie er sich früher benommen hatte.
Won't you help me be on my way? - Angus & Julia Stone
Sie nippte an ihrem Cappuccino und er schmeckte herrlich. Nach ihrer Schicht in der Bar ging sie öfters und gerne in dieses Café, erholte sich von der lauten Musik, den vielen Kunden und den aufdringlichen Kerlen. Die Atmosphäre in diesem Geschäft war ruhig und entspannt, leise Klaviermelodien schwebten durch den Raum, wenn der Kellner anwesend war, der zugleich Pianist war. Leonora nahm sich dann immer die Zeit ihm beim Spiel zuzuschauen, seine flinken Hände zu beobachten, wie sie nur über die Tasten flogen und weiche Klänge erzeugten. Sie meinte, dieses Gesicht schonmal gesehen zu haben, sie war sich ziemlich sicher. Sie konnte nur keine Verbindung zu diesem herstellen. Einen so hochgewachsenen jungen Mann, mit blasser Haut und schwarzen Haaren und einer Ausstrahlung, die einen umwarf, konnte man einfach nicht vergessen. Seltsamerweise verband sie ihn mit Leslie. Leonora hatte sich schon öfters gefragt, ob sie sich trauen und ihn auf eine Verabredeung einladen sollte. Normalerweise fiel ihr sowas überhaupt nicht schwer, eigentlich musste sie sogar meistens nichts machen, da die Männer immer zu ihr angerannt kamen. Dieser jedoch nicht. Wahrscheinlich war genau das der Grund, weshalb sie einen solchen Reiz ihm gegenüber verspürte. Doch Leonora war stolz. Stolz und eingebildet. Sie würde ihm nur wieder ein bezauberndes Lächeln schenken und darauf warten, dass er sie mehr fragen würde als:"Möchten sie noch eine weitere Tasse?" Sie widmete sich wieder ihrem Cappuccino, hielt dabei unauffällig ausschau nach dem Kellner. Tatächlich kam er gerade aus der Küche geeilt. Zum ersten Mal richtete er seinen Blick auf sie und bedachte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln. Leonora feierte innerlich einen Triumph, ließ es sich jedoch nicht anmerken. Sie schenkte ihm ebenfalls ein kleines Lächeln, richtete jedoch ihre Aufmerksamkeit dann auf ihre Tasse. Ihr Leben wurde ruhig und gewöhnlich. Natürlich konnte sie immer noch die Schlampe raushängen lassen, wenn sie wollte, diese war einfach ein Teil von ihr. Sie hatte mitbekommen, dass Raphael, ihr großer Bruder und Anführer der "ColdKillers", geheiratet hatte. Dass sie nicht zu der Hochzeit eingeladen worden war, war mehr als verständlich. Leonora erinnerte sich, wie sie zurück nach New York gekehrt war, um Rache an ihrem Bruder zu nehmen. Doch die Tage vergingen, es wurden Monate draus und der Zorn, der sie Jahre lang geplagt hatte, verschwand. Nun konnte sie vollkommen resigniert über ihn denken. Sie nahm einen weiteren Schluck. Mit einem Alter von 21 war sie in der Blühte ihrer Jugend und diese nutzte sie auch aus. Ihr Aussehen half ihr bei ihrem Job als Barkeeper weiter, denn sie konnte sich auf Trinkgelder verlassen. Sie hielt die Tasse in ihren Händen, nahm die Wärme angenehm wahr. Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Straßen von Manhatten, ließ die Ecken der Fensterscheiben beschlagen. Sie hatte warten wollen, bis es nicht mehr ganz so stark regnen würde, um dann in ihre neue Wohnung einzuziehen. Doch wie es schien, würde es noch eine Weile dauern. Einen Schirm hatte sie bedauerlicherweise nicht dabei und fürs Taxi hatte sie keinen Nerv übrig. Leonora begann über ihre Mitbewohner zu sinnieren. Während sie Leslie ganz passabel kannte, wusste sie von David nicht besonders viel. Natürlich, er war mal mit ihr in derselben Gang gewesen und war auch zu einemsehr ungünstigen Zeitpunkt mal in die Halle getreten... Leonora verkniff sich ein Lächeln. Körperlich gesehen, kannte David Leonora besser als Leslie, schließlich hatte er sie schon ohne Bekleidung am Oberkörper gesehen. Ihr Blick wurde noch ein Stück abwesender, wenn nicht sogar verträumter. Sie hatte mit Blake die Zeit vertrödelt undzwar auf eine ganz interessante Art und Weise. Nachdem David reingeplatzt war, hatten sie dieses jedoch nicht aufgenommen, doch sie konnte sich noch gut dran erinnern, wie sie ihn fragte, ob er ihr Wingman sein wolle und er mit einem "Ja, ich will", geantwortet hatte. Blake und Leonora ähnelten sich zu dieser Zeit sehr. Beide waren nur auf ihr eigenes Wohl aus undvergnügten sich die ganze zeit, wie es ihnen gefiel. Beide hatten nichts ernstes gewollt und konnten somit eine mehr als entspannte Freundschaft führen. Sie hatte ihn nun eine ganze Weile schon nicht mehr gesehen. Sie wusste nicht mehr wie lang. Ein paar Mal war sie auf ihn getroffen, doch diese Treffen waren nur kurz gewesen. Leises Klavierspiel setzte ein. Die junge Frau erhob ihren Blick und schaute zu dem schwarzen Flügel, an den sich der Kellner gesetzt hatte. Wie immer improvisierte er und diesmal entstanden kleine Jazz Stücke. Leonora lehnte sich zurück und bedachte ihre Hände, danach ihren Bauch. Wie immer, eine perfekte Figur. Sie hatte noch nie eine Diät führen müssen, den schlanken Körper hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Ihr Gürtel, an dem die Messer befestigt waren, lag in einem Karton, welcher wiederum in einem Schließfach im Grand Central Station verstaut war. Sie hatte ihn in letzter Zeit nicht benötigt und deswegen sicher verwahrt. Leonora trank ihre Tasse aus und bezahlte. Der Regen hatte nicht nachgelassen, doch das konnte sie gerade nicht stören. Sie verließ das Café und machte sich auf den Weg zur Wohnung.
Won't you help me be on my way? - Angus & Julia Stone
Etwas fragend zog sie die Brauen nach oben. "Aber? Du weisst doch, dass du mir alles erzählen kannst", sagte sie sanft und lehnte sich etwas an ihn, während er endlich seinen Nachrichten öffnete und sie anschaute. Natürlich sah sie nicht, wer ihm geschrieben bzw. was ihm geschrieben worden war, aber das wollte sie auch gar nicht. Nein, diese vermutlich etwas eifersüchtige - okay, ziemlich eifersüchtige - Seite hatte sie hinter sich lassen können, jedenfalls zu einem grossen Teil. Leslie hoffte nun einfach, dass es auch so bleiben würde, auch wenn sie sich relativ sicher war, dass sie bis zu einem gewissen Grad immer etwas eifersüchtig sein würde. Manche Dinge konnte man eben nicht ändern, auch wenn man es nicht wollte. Und war es in gewissen Situationen nicht sogar gut, diesen Neid, diese vielleicht Kontrollsucht - konnte man das schon so nennen? - zu haben? ~Doch, solange man es nicht übertreibt, bestimmt.~ Sicher war sie sich nicht, aber sie tat nun mal eben das, was sehr viele Menschen taten: sich alles schönreden, um sich sicherer zu fühlen, gewisser. Dann, als sie Mike fragte, ob sie wollte, dass er später wiederkam, löste sie sich von ihm; mehr, weil sie überrascht war und nicht sofort wusste, was sie antworten sollte, denn sie realisierte, dass es sich mehr auf die Nacht bezog. Um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, begann sie wieder zu hantieren, wendete einen Pfannkuchen und begann, die Dinge, die sie nicht mehr brauchte, schon etwas zusammenzustellen. Aber in Gedanken war sie ziemlich woanders, bei seiner Frage. Einen Moment lang hatte sie natürlich gedacht, dass es jetzt wieder anfinge, das mit dem Sex. Sofort schämte sie sich allerdings für diesen Gedanken, weil sie wusste, dass es nicht so war und sie endlich aufhören sollte, so zu denken. Mike hatte ihr schliesslich oft genug gezeigt, dass er es nicht darauf anlegte. Deshalb konnte sie das auch rasch beiseite schieben. Etwas nachdenklich strich sie ihre Haare aus dem Gesicht. Wieso eigentlich nicht, was sprach dagegen? In der Fabrik hatten sie ständig beieinander geschlafen. Und wenn sie ganz ehrlich war, sie vermisste es, neben ihm zu schlafen, in seinen Armen. Aus diesen Gründen nickte sie erst leicht, ehe sie sich zu ihm drehte, um ihn ansehen zu können. "Das wäre schön... Sicher will ich", gab sie mit einem Lächeln zu, das vielleicht auch Entschuldigung ausdrücken sollte, da sie sich nicht sicher war, ob sie nicht zu lange gebraucht hatte, um zu antworten. Sie hoffte, dass ihm das nichts ausmachte, aber so konnte sie wenigstens eine Antwort geben, zu der sie auch stand.